Baccara Collection Band 486

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DIE RANCH DER SINNLICHEN TRÄUME von BRENDA JACKSON

Schon viel zu lange träumt Alison heimlich von ihrem distanzierten Boss Mark. Bis sie sich auf seiner Ranch vorübergehend um seine kleine Nichte kümmert. Plötzlich ist da dieses Prickeln! Bildet sie es sich nur ein, oder geht es ihrem Chef ähnlich?

BLITZHOCHZEIT MIT DEM RIVALEN von JO MCNALLY

Wie konnte sie sich nur dazu hinreißen lassen? Spontan hat Dahlia Fortune in Las Vegas Rawlston Ames geheiratet, ihren Rivalen seit Teenagertagen! Annullierung? Lieber heute als morgen. Aber er findet immer neue Ausreden, wenn sie mit den Scheidungspapieren vor ihm steht …

BESCHÜTZ MICH, HALT MICH, KÜSSE MICH! von DEBRA WEBB

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  • Erscheinungstag 12.07.2025
  • Bandnummer 486
  • ISBN / Artikelnummer 0855250486
  • Seitenanzahl 384

Leseprobe

Brenda Jackson, Jo McNally, Debra Webb

BACCARA COLLECTION BAND 486

Brenda Jackson

PROLOG

Aus dem Tagebuch von Jessamine Golden

12. September 1910

Liebes Tagebuch,

Brad und ich haben heute wieder am See gepicknickt, und unter der Weide hat er mir gesagt, dass er mich liebt. Seine Worte haben mir den Atem verschlagen, und einen Moment lang war alles ganz still. Dann hat er mir einen herzförmigen Anhänger geschenkt, in den zwei ineinander verschlungene Rosen und auf der Rückseite unsere Initialen eingraviert sind. Brad hat gesagt, dass sein Geschenk für die Liebe stehe, die wir füreinander empfinden.

Seine Worte und sein Geschenk haben mich zu Tränen gerührt, und als ich ihm gesagt habe, wie sehr ich ihn liebe, hat er mich in die Arme genommen und mich so fest gehalten, als wolle er mich nie wieder loslassen. Und er hat mich auf seine ganz besondere Art geküsst, die stets den Wunsch in mir auslöst, für immer bei ihm zu bleiben und mein Streben nach Rache aufzugeben.

Aber das kann ich nicht.

So wie die Dinge stehen, weiß ich, dass unsere Liebe nicht für immer dauern kann, auch wenn ich mir nichts mehr als das wünsche. Aber ich muss ehrlich zu mir selbst und zu ihm sein. Brad ist ein ehrenhafter Mensch, der sich verpflichtet fühlt, das Richtige zu tun. Und ich habe eine Rache geschworen, die allem widerspricht, wofür der Mann, den ich liebe, steht. Oh, liebes Tagebuch, ich weiß nicht, was ich tun soll. Ein Teil von mir sehnt sich nach Brads Küssen, seiner Berührung und den Gefühlen, die er in mir auslöst. Dieser Teil von mir möchte annehmen, was er mir heute geschenkt hat – seine unendliche Liebe.

Doch ich kann nicht vergessen, was ich tun muss, damit mein Vater wirklich in Frieden ruhen kann.

Ich hatte mir geschworen, mein Herz keinem Mann zu schenken, ohne vorher Rache genommen zu haben, aber nun ist es geschehen. Ich spüre die Wärme der Liebe, die von diesem Anhänger ausgeht, der zwischen meinen Brüsten ruht, während ich dies hier schreibe. Brad Webster gehört mein Herz, und ich bin zutiefst hin- und hergerissen zwischen Liebe und Pflicht.

1. KAPITEL

„Ich brauche Sie, Alli.“

Alison Lind hielt den Atem an, schaute auf und sah in die haselnussbraunen Augen von Mark Hartman. Hatte sie sich verhört?

Automatisch setzte ihr Herzschlag aus, wie immer, wenn er ihr mehr als nur einen flüchtigen Blick zuwarf. Er hatte dunkle Haut und seine Gesichtszüge waren faszinierend herb und anziehend. Er war einen Meter sechsundachtzig groß, breitschultrig und durchtrainiert. Und wenn sie seine tiefe, heisere Stimme hörte, bekam sie Herzklopfen.

Seit er vor zwei Jahren nach Royal, Texas, zurückgekehrt war, um sein Selbstverteidigungsstudio zu eröffnen, und sie als seine Sekretärin eingestellt hatte, war sie heimlich in ihren gut aussehenden Chef verliebt. Vor Kurzem hatte er ihre Stellenbezeichnung in Verwaltungsassistentin geändert. Wenn er sie sonst brauchte, dann nur, um Geschäftliches zu besprechen.

Sie holte tief Luft und hielt seinem Blick stand. „Sie brauchen mich?“, fragte sie zögernd.

„Ja.“ Er kam um den Schreibtisch herum und setzte sich auf dessen Ecke. „Und wie.“

Aber gern, dachte sie, während sie ihn unverwandt ansah und versuchte, sich das in ihr aufsteigende Verlangen nicht anmerken zu lassen … und auch nicht weiter darauf zu achten, wie seine Jeans seine muskulösen Schenkel betonte. Bestimmt hatte sie ihn missverstanden. Sicher bestand kein Anlass dafür, dass ihr auf einmal ganz schwindelig war. Sie wünschte nur, dass sie etwas gegen ihre sich steigernde Erregung ausrichten könnte. Zu schade, dass die Anziehung einseitig war. Die meiste Zeit über verhielt Mark sich so, als würde er nicht merken, dass sie überhaupt existierte. Für ihn war sie seine fleißige Verwaltungsassistentin und nichts weiter.

Alli atmete noch einmal tief ein. „Wofür brauchen Sie mich?“

„Für Erika.“

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Sie brauchen mich für Erika? Das verstehe ich nicht.“ Erika war Marks elf Monate alte Nichte. Er war vor drei Monaten ihr gesetzlicher Vormund geworden, als sein einziger Bruder und seine Schwägerin bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Bei dem Gedanken an das kleine Mädchen überkam Alli ein Gefühl der Zärtlichkeit. Erika war so ein liebes kleines Ding und eroberte im Nu alle Herzen.

Mark atmete tief durch, bevor er ihr antwortete. „Ich bin mit den Nerven am Ende und weiß nicht, was ich tun oder an wen ich mich wenden soll. Wie Sie wissen, habe ich Probleme mit ihrer Betreuung, seit Mrs. Tucker nach Florida gegangen ist, um sich um ihre alten Eltern zu kümmern. Es kann Monate dauern, bis sie zurückkommt, wenn überhaupt. Bisher war ich nicht in der Lage, eine zuverlässige, geschweige kompetente Person dafür zu finden. Gestern ist mir der Kragen geplatzt, als ich unerwartet auf der Ranch vorbeigeschaut habe. Erikas Babysitterin war so sehr in ihre Fernsehserie vertieft, dass sie nicht gemerkt hat, dass Erika nach draußen auf die Terrasse gekrabbelt ist und schon fast beim Pool war. Ich habe der Frau hundertmal gesagt, dass sie die Tür zur Terrasse immer geschlossen halten soll. Gestern war nicht das erste Mal, dass sie es vergessen hat.“

Alli schauderte. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn Erika in den Pool gefallen wäre. „Sie haben die Frau weggeschickt.“ Es war eine Feststellung und keine Frage. Sie konnte nicht nachvollziehen, dass jemand so leichtsinnig sein konnte, wenn es um ein Kind ging.

„Ja, auf der Stelle.“

Alli nickte. „Wer kümmert sich heute um Erika?“

„Christine. Sie war so freundlich, einzuspringen. In letzter Zeit habe ich sie öfter gebraucht, als mir lieb ist. Jetzt, wo sie und Jake verlobt sind, hat sie sicher anderes zu tun, als auf Erika aufzupassen.“

Da hatte er wohl recht. Christine Travers war eine ihrer engsten Freundinnen in Royal und hatte sich vor ein paar Monaten mit Jacob Thorne verlobt. Alli kannte Christines Terminkalender, der gerade besonders voll war, weil Jake für das Amt des Bürgermeisters kandidierte und Christine seine Wahlkampfmanagerin war.

Alli erwiderte Marks Blick. „Sie haben mir immer noch nicht gesagt, wofür genau Sie mich brauchen.“ Einen Moment lang schwieg er, während er sie musterte. Alli spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte.

„Ich weiß, dass ich viel verlange, aber Sie sind die einzige Person, auf die ich mich wirklich verlassen kann. Ich habe Sie mit Erika beobachtet, wenn ich sie ins Studio mitgebracht habe. Und auch mit anderen Kindern, wenn die Mütter zu den Kursen kommen und davon ausgehen, dass wir einen Babysitter-Service haben. Sie sind ein Naturtalent, Alli. Kinder mögen Sie, und Sie sind die verantwortungsvollste Person, die ich kenne.“

Alli zuckte mit den Schultern. Nicht gerade die Anerkennung, die sie von dem Mann, den sie liebte, hören wollte, aber besser als nichts. Außerdem hatte er recht. Die Fähigkeit, sich um Kinder zu kümmern, war ihr angeboren. Sie war mit ihrer Mutter und ihrer sieben Jahre jüngeren Schwester Kara aufgewachsen. Ihr Vater hatte seine Frau und seine Töchter verlassen, als Alli zwölf war. Um über die Runden zu kommen, hatte ihre Mutter zwei Jobs gehabt. Also hatte Alli die meiste Zeit auf Kara aufpassen müssen. Alli war zu Karas alleiniger Betreuerin geworden, nachdem ihre Mutter kurz vor Allis siebzehntem Geburtstag gestorben war. Alli musste lächeln, als sie daran dachte, dass Kara sich jetzt in ihrem zweiten Studienjahr an der Texas Southern University in Houston prächtig machte.

„Ich bitte Sie, Erikas Nanny zu werden.“

Marks Worte unterbrachen ihre Gedanken. Blinzelnd sah sie ihn an, in der Hoffnung, sich verhört zu haben. „Wie bitte?“

Mark sah ihr tief in die Augen. „Ich brauche Sie als Erikas Nanny, was bedeutet, dass Sie zu mir auf die Ranch ziehen müssen und …“

„Moment mal.“ Alli stand auf. „Das kann ich auf keinen Fall. Haben Sie vergessen, dass ich jeden Tag arbeite? Ich bin Ihre Assistentin. Ich werde hier gebraucht und …“

Mark hob die Hand und unterbrach sie. „Auf der Ranch werden Sie jetzt dringender gebraucht, Alli. Sie sind die einzige Person, auf die ich mich verlassen kann. Die einzige, der ich zutraue, sich um Erika zu kümmern. Was gestern hätte passieren können, hat mich um gut zwanzig Jahre altern lassen. Wenn ihr etwas zugestoßen wäre …“

Alli schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Sie sah gerade eine Seite an Mark, die sie noch nicht kannte, eine verletzliche Seite. Es war offensichtlich, dass Erika sich in das Herz ihres Onkels geschlichen hatte. Als sein Bruder und seine Schwägerin so unerwartet gestorben waren, war Mark mit achtundzwanzig Jahren nicht darauf vorbereitet gewesen, Vater zu werden. Doch er tat es und versuchte sich, so gut er konnte, um Erika zu kümmern. Aber es gab immer noch Hindernisse bei dem, worum Mark sie bat, und darauf sollte sie ihn besser hinweisen.

„Ich absolviere gerade ein Informatikstudium und gehe an zwei Abenden in der Woche – dienstags und donnerstags – aufs College.“

„Ich sorge dafür, dass ich an diesen Abenden zu Hause bin, also wird das kein Problem.“

Nie und nimmer, dachte Alli. Er bat sie, zu ihm auf die Ranch zu ziehen, was ein Riesenproblem darstellte. Sie war in ihn verliebt, verdammt noch mal. Wie sollte sie es aushalten, ihm so nahe zu sein? Mit ihm im Selbstverteidigungsstudio zu arbeiten, war schon schlimm genug, aber sie war sich nicht sicher, ob sie es überleben würde, mit ihm zusammenzuwohnen. Und obwohl sie wusste, dass die Hartman-Ranch ein riesiges Anwesen war, war der Gedanke, mit ihm unter einem Dach zu leben, ziemlich nervenaufreibend.

„Was wird aus meiner Arbeit hier?“

„Ich werde über eine Personalvermittlung vorübergehend Ersatz finden. Ich bin bereit, Ihnen das Doppelte von dem zu zahlen, was Sie hier verdienen.“

Allis Augen weiteten sich. „Das Doppelte?“

„Sie haben richtig gehört. Als Erikas Nanny zahle ich Ihnen das Doppelte. So dringend brauche ich Sie. Was Sie tun werden, ist für mich von unschätzbarem Wert. Seelenfrieden ist unbezahlbar.“

Alli setzte sich wieder. Das Doppelte? Sie atmete tief ein. Als seine Verwaltungsassistentin bekam sie ein gutes Gehalt, aber das zusätzliche Geld könnte sie für Karas Studiengebühren gebrauchen. Kara hatte ein Stipendium, aber das reichte nicht aus, um alle Kosten zu decken. In den letzten beiden Semestern hatte Alli auf ihre Ersparnisse zurückgegriffen, und wenn es in nächster Zeit zu einem Notfall kommen sollte, würde sie definitiv in eine schwierige Lage geraten. Was Mark ihr anbot, würde ihre Ersparnisse mehr als nur aufbessern.

„Und es gibt einen Bonus.“

Überrascht sah sie ihn an. „Einen Bonus?“

„Ja. Eintausend Dollar im Voraus … nur dafür, dass Sie mein Angebot annehmen.“

Fassungslos blieb Alison einen Moment lang stumm. Eintausend Dollar? Mit dem Geld könnte sie einen neuen Wagen anzahlen. Sie fuhr immer noch das Auto, das sie direkt nach der Highschool vor sieben Jahren gekauft hatte, und in letzter Zeit bereitete es ihr Probleme. Erst letzte Woche hatte sie eine Panne gehabt, als sie vom Unterricht gekommen war. Zum Glück hatte jemand angehalten, um ihr zu helfen. Allerdings war der Mann ihr ziemlich unheimlich gewesen.

Sie atmete tief ein. Mark machte es ihr schwer, seinem Angebot zu widerstehen. Und das war das entscheidende Wort. Widerstehen. Zwei Jahre lang hatte sie ihm widerstehen, sich der Versuchung verweigern und ihre Gefühle für sich behalten müssen. Stattdessen hatte sie das Gefühl der Anziehung bekämpft mit der festen Absicht, es dabei zu belassen. Das Letzte, was sie brauchte, war, sich in eine Position zu begeben, in der ihr das Herz gebrochen werden könnte, wenn sie zu viel vermutete. Aber dennoch stimmte es, was er sagte. Er und Erika brauchten sie, und sie konnte ihm unmöglich nicht helfen. Und finanziell half er ihr damit auch.

„Das wäre eine vorübergehende Lösung, oder?“, fragte sie. Dieser Punkt sollte besser geklärt sein.

„Ja. Ich hoffe, dass Mrs. Tucker in einem Monat oder so nach Royal zurückkommt.“

„Und wenn nicht?“

„Dann werde ich eine weitere Annonce schalten und beten, dass die Ergebnisse besser sind. Es muss doch jemanden in Royal geben, der verantwortungsbewusst genug ist, um Erika jeden Tag zu betreuen.“

Alison nickte. „Ist es wirklich notwendig, dass ich zu Ihnen und Erika auf die Ranch ziehe? Ich kann doch in meiner Wohnung bleiben und zu Ihnen fahren …“

„Nein, ich möchte Sie bei uns auf der Ranch haben. Ich muss mich vielleicht auch abends um Geschäftliches kümmern.“

Alli nickte wieder. Sie wusste genau, dass er Mitglied im Texas Cattleman’s Club war. Die Mitgliedschaft im exklusivsten Club des Bundesstaates war wohlhabenden Viehzüchtern, angesehenen Geschäftsleuten und Ölmagnaten vorbehalten. Sie hatte gehört, dass die Mitglieder sich abends oft zum Kartenspielen, auf einen Drink oder Geschäftsessen trafen. Aber die meisten Leute in Royal wussten, dass das nicht alles war. Einige behaupteten, die Clubmitglieder hätten über Generationen hinweg die Verantwortung für die Sicherheit der Stadt übernommen und im Laufe der Jahre ihr Leben für Gerechtigkeit und Frieden aufs Spiel gesetzt. Alli wusste nur mit Sicherheit, dass der Club durch Spendenaktionen wie den jährlichen Cattleman’s Ball, dessen Erlöse an verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen gingen, Großartiges für das Gemeinwohl leistete.

Christine hatte sie überredet, an dem Ball teilzunehmen, der vor einigen Wochen stattgefunden hatte. Sie musste zugeben, dass sie sich amüsiert hatte … zumindest bis Mark aufgetaucht war. Sobald er den Raum betreten hatte, ertappte sie sich dabei, ihn ständig zu beobachten … wie jede andere ungebundene Frau. Und wie üblich hatte er sie nicht beachtet.

„Also machen Sie es?“

Jederzeit und überall mit dir, hätte sie am liebsten gesagt. Sie hasste ihre schamlosen Gedanken, aber wenn es um Mark Hartman ging … Tief aufseufzend tat sie, was sie immer tat, wenn ihre Gedanken in die Fantasiewelt abglitten: Sie schalt sich innerlich und riss sich zusammen. Mark hatte nicht die geringste Ahnung, was sie für ihn empfand, und so sollte es auch bleiben.

„Alli? Werden Sie mir helfen?“

Sie erwiderte seinen Blick und ertrank fast in der flehentlichen Bitte, die sie in seinen Augen sah. Er brauchte sie wirklich, oder zumindest dachte er das. Und obwohl es nicht so war, wie sie es sich wünschte, musste es reichen.

Lächelnd stand sie auf. „Ja, Mark, ich helfe Ihnen mit Erika.“

Eine halbe Stunde später atmete Mark tief durch, als Alli den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. Gleichermaßen erfreut und frustriert stellte er sich ans Fenster. Es war beschlossene Sache. Er hatte eine renommierte Zeitarbeitsfirma kontaktiert, die morgen früh jemanden schicken würde. Alli sollte die Person einarbeiten, und bis morgen Abend wäre sie bereit, bei ihm und Erika einzuziehen, was sowohl ein Fluch als auch ein Segen war.

Vom ersten Moment an, als Jake von Alli erzählt hatte und wie effizient sie als seine Sekretärin sein würde, war er begierig darauf gewesen, sie zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Als er sie sah, verschlug es ihm fast die Sprache, und er wusste sofort, dass es nicht funktionieren würde, weil er sich spontan zu ihr hingezogen fühlte. Aber er brauchte eine gute Sekretärin, und alle in der Stadt behaupteten, sie wäre die beste. Obwohl sie ein eher zurückhaltender Mensch war, kannten die meisten sie von ihrer Arbeit als Sekretärin für die Schulverwaltung in Royal.

Er hatte sie sofort eingestellt und ihr ein höheres Gehalt angeboten. Eine Entscheidung, die er nicht bereut hatte. In den ersten Monaten war sie die effiziente, wenn auch schüchterne Alison Lind gewesen und hatte maßgeblich dazu beigetragen, sein Studio zum Laufen zu bringen. Sie hatte das Marketing, die Werbung und die Buchhaltung übernommen … einfach alles, sodass er sich auf das konzentrieren konnte, worin er am besten war: anderen die Kunst der Selbstverteidigung beizubringen, vor allem Frauen.

Für ihn war es wichtig, dass alle Frauen wussten, wie sie sich schützen konnten. Er bezweifelte, dass er sich jemals verzeihen würde, nicht bei seiner Frau gewesen zu sein, als sie spätabends auf dem Heimweg vom Einkaufszentrum angegriffen und getötet wurde. Als Mitglied einer Spezialeinheit der Marines war er zu diesem Zeitpunkt auf einer Mission im Nahen Osten gewesen. Er wusste, dass er Patrice nicht zurückbringen konnte, aber vielleicht würde das, was er tat, anderen Frauen helfen, die sich in einer ähnlichen Situation befanden.

Seine Gedanken schweiften wieder zu Alli. In den zwei Jahren ihrer Zusammenarbeit hatte er sich alle Mühe gegeben, sie nicht zu beachten, sich nicht zu ihr hingezogen zu fühlen und sie nicht zu begehren. Eine Zeit lang hatte er geglaubt, seine vorgetäuschte Gleichgültigkeit zur Kunstform erhoben zu haben. Aber dann brauchte er sie nur dabei zu erwischen, wie sie ein Dokument in einem hohen Regal ablegte, ohne ihn zu bemerken. Dann sah er, was für wunderschöne Beine sie hatte, bewunderte ihre schmale Taille, ihre kecken, festen Brüste und ihre wohlgeformten Schenkel, und besagte Gleichgültigkeit war Geschichte.

Und gerade hatte sie eingewilligt, zu ihm zu ziehen.

Sein Blut geriet bei dem Gedanken in Wallung, aber er regte sich schnell wieder ab. Ob Alli nun für ihn hier in Hartmans Selbstverteidigungsstudio oder bei ihm zu Hause als Erikas Nanny arbeitete … ihre Beziehung würde rein geschäftlich bleiben. Eine ernsthafte Beziehung mit einer Frau war das Letzte, was er wollte oder verdiente. Er war nicht da gewesen, um Patrice zu beschützen, und infolgedessen hatte ein Teil von ihm das Gefühl, dass man ihm nicht zutrauen konnte, für die Sicherheit einer Frau zu sorgen. Und da keine Frau einen Mann brauchte, dem sie nicht vertrauen konnte, akzeptierte er, den Rest seines Lebens allein zu verbringen.

Nicht ganz allein, dachte er, während ein Lächeln seine Lippen umspielte. Vor ein paar Monaten hatte er noch das Leben eines sorglosen Junggesellen geführt, ohne auf die acht Monate alte Erika Danielle Hartman vorbereitet zu sein. Zuerst hatte er sich gefragt, was zum Teufel er mit einem Kind anfangen sollte. Aber bald kamen die Antworten. Er würde genau das tun, was sein Bruder Matthew und seine Frau Candice von Mark erwartet hätten. Er würde ihrer Tochter nicht nur ein Zuhause geben, sondern auch dafür sorgen, dass sie all die guten Dinge bekam, die das Leben zu bieten hatte. Und das konnte er sich definitiv leisten. Zu Zeiten seiner Großeltern war auf ihrem Grundstück Öl entdeckt worden, was die Hartmans über Nacht zu Millionären machte.

Mark warf gerade einen Blick auf seine Uhr, als sein Telefon klingelte. Wie erwartet ein Anruf von Jake. Sein Freund hatte mit der Bürgermeisterkampagne und seiner aktiven Mitgliedschaft im Texas Cattleman’s Club alle Hände voll zu tun, vor allem jetzt, wo in Royal eine Reihe seltsamer Dinge vor sich ging.

Alli war schon gegangen. Schnell langte er über seinen Schreibtisch und nahm den Hörer ab. „Ja?“

„Mark, hier ist Jake. Morgen Abend um acht gibt es ein Treffen im Club. Schaffst du das?“

„Ja, ich komme.“

„Was ist mit Erika? Soll Chrissie auf sie aufpassen?“

„Nein, Alli hat sich bereit erklärt, Erikas Nanny zu sein, bis Mrs. Tucker zurückkommt oder bis ich jemanden gefunden habe, auf den ich mich verlassen kann.“

„Alli?“

„Ja.“

„Ist sie jetzt beides, deine Assistentin und Erikas Nanny?“

Mark lächelte angesichts Jakes Verwirrung. „Nein. Ich engagiere jemanden von einer Zeitarbeitsfirma, der für eine Weile die Assistenzaufgaben übernimmt. Alli wird Erikas Vollzeit-Nanny.“

„Wie zur Hölle hast du sie zu so was überreden können, Mark?“

Mark setzte sich und dachte nach. „Ich habe ihr einfach gesagt, dass Erika und ich sie brauchen. Und ich habe ihr gesagt, dass ich ihren Lohn verdoppeln und ihr zusätzlich einen Bonus von tausend Dollar geben würde.“

„Du hörst dich verzweifelt an.“

„Ja, wenn es um Erikas Wohlergehen geht, schon.“

„Bist du sicher, dass es nur um Erika geht? Ich kann mich noch genau an deine Reaktion erinnern, als du Alli neulich auf dem Jubiläumsball gesehen hast.“

Mark lehnte sich zurück. In solchen Momenten wünschte er sich, Jake hätte ein schlechtes Gedächtnis. Er war sprachlos gewesen, als er Alli an jenem Abend gesehen hatte. Da hatte sie überhaupt nicht wie seine effiziente, schüchterne Assistentin ausgesehen. Der übliche Dutt war verschwunden gewesen und die dichten, seidigen Strähnen fielen ihr über die Schultern. Und dieses Kleid … wow! Das würde sich für immer als köstliche Erinnerung in sein Gedächtnis einbrennen. Bei jeder anderen Frau wäre es ein schlichtes, schwarzes Kleid gewesen, aber an Alison Lind hatte es überhaupt nichts Schlichtes. Ehe er sich versah, hatte er ein ganzes Glas Wein ausgetrunken, ohne zu merken, dass er sie dabei die ganze Zeit angestarrt hatte.

„Okay, also ich fand sie an diesem Abend attraktiv. Na und?“, fragte er schließlich.

Jake lachte leise. „Nichts, gar nichts. Wir sehen uns morgen Abend bei der Versammlung. Wir haben viel zu besprechen. Logan hat heute wieder von Nita Windcroft gehört.“

Mark rieb sich das Gesicht. „Glaubt sie immer noch, dass die Devlins hinter diesem Unfug stecken, der bei ihr vor sich geht?“

„Ja, und natürlich behaupten die Devlins immer noch, dass sie von nichts eine Ahnung haben.“

Mark schüttelte den Kopf. Da er in Royal aufgewachsen war, wusste er, dass die Windcrofts und Devlins seit Jahren verfeindet waren. Er kam nicht umhin, sich zu fragen, ob Nita die Dinge vielleicht übertrieb, wenn man ihr Temperament und ihre offensichtliche Abneigung gegen die Devlins bedachte. „Und was ist mit Jonathans Tod? Gibt es neue Hinweise?“

Vor ein paar Monaten wurde bekannt, dass Jonathan Devlin keineswegs an einem Herzinfarkt gestorben, sondern mit einer tödlichen Injektion Kaliumchlorid ermordet worden war. Sheriff Gavin O’Neal, der ebenfalls Mitglied des Texas Cattleman’s Club war, leitete die Ermittlungen zu Jonathans mysteriösem Tod.

„Falls es welche gibt, wird Gavin uns auf den neuesten Stand bringen. Bis morgen.“

Nachdem er aufgelegt hatte, stand Mark auf, ging zum Fenster und starrte hinaus. Nach Patrices Tod hatte er die Marines verlassen und beschlossen, nach Royal zurückzukehren, um seinen Erinnerungen zu entkommen. Innerhalb kurzer Zeit war er Mitglied des Texas Cattleman’s Club geworden, einer Tarnorganisation für Mitglieder, die heimlich an geheimen Missionen arbeiteten, um unschuldige Leben zu retten.

Die Untersuchung des Todes von Jonathan Devlin sowie der Vorfälle, die Nita Windcroft auf ihrer Pferderanch angeblich erlebt hatte, hielten sie auf Trab. Und dann gab es da noch die Rätsel um den Vandalismus in der Edgar-Halifax-Ausstellung und die Karte, die aus dem Museum in Royal gestohlen worden war.

Letzteres störte ihn mehr als alles andere, weil es seine Aufgabe gewesen war, die Karte im Auge zu behalten, solange sie auf dem Podium lag. Allerdings war er, wie alle anderen auch, abgelenkt worden, als ein Kronleuchter herunterfiel und Melissa Mason, eine Fernsehreporterin, die eine Szene mit der Karte gefilmt hatte, fast getötet hätte. In diesem kurzen Moment des Chaos, als sein Cattleman-Kollege Logan Voss quer durch den Raum stürmte, um die Frau, die er liebte, zu retten und einen Unfall zu verhindern, der tödlich hätte enden können, war die Karte vom Podium verschwunden. Mark und seine Clubkollegen waren entschlossen, sie zurückzubekommen. Der Dieb war auf Video festgehalten worden, aber es war nur das unscharfe Bild einer Frau zu sehen.

Apropos Bilder … Zwei Gesichter gingen ihm nicht aus dem Kopf. Das eines hübschen kleinen Mädchens, das unter seinem Schutz stand, und das einer atemberaubend attraktiven Frau, die ihm zu nahegehen konnte, wenn er nicht auf der Hut war.

2. KAPITEL

Als Alli unter dem riesigen Holzschild der Hartman-Ranch hindurchfuhr, fragte sie sich zum x-ten Mal, ob sie wirklich das Richtige tat. Sie erinnerte sich daran, wie ihre Mutter sich über Marks Vater beschwert hatte, wenn er sie anrief, weil er etwas gebügelt haben wollte. Das hatte Allis Mutter gelegentlich als Nebenverdienst gemacht. Mildred Lind hatte oft gesagt, dass Nathaniel Hartman ein kalter, herzloser und verbitterter Mann sei, der niemandem – nicht einmal seinen beiden Söhnen – Liebe oder Zuneigung entgegenbrachte.

Als Mark nach Royal zurückgekehrt war, hatte sie deshalb gezögert, für ihn zu arbeiten. Schließlich hatte sie beschlossen, ihm unvoreingenommen zu begegnen. Nach ein paar Wochen der Zusammenarbeit hatte sie festgestellt, dass er zwar zurückhaltend war, sie aber freundlich und fair behandelte. Doch es war offensichtlich, dass es Dämonen gab, die an ihm nagten.

Immer wieder, besonders in der Vorweihnachtszeit, war sein Gesicht von Schmerz und Trauer gezeichnet. Sie hatte gehört, dass Mark sich die Schuld am Tod seiner Frau gab und dass die Gründung des Studios, in dem er Frauen Selbstverteidigung beibrachte, für ihn ein Weg war, sich von einem Teil dieser Schuld zu befreien.

Apropos Schuldgefühle. Heute Morgen hatte ihre Schwester angerufen. Kara war ganz aufgeregt wegen eines Typen, den sie am Abend zuvor in der Bibliothek kennengelernt hatte. Sie hatte erzählt, was für ein heißer Typ er sei und dass er sie dieses Wochenende zu einer Party eingeladen habe. Sofort hatten bei Alli alle Alarmglocken geschrillt, vor allem, weil Kara Anfang der Woche erwähnt hatte, wie viel sie für eine große Prüfung nächste Woche lernen müsse. Alli hatte Kara schließlich einige schwesterliche Ratschläge erteilt, darunter auch eine Erinnerung daran, wie wichtig eine gute Ausbildung sei. Offensichtlich war das das Letzte, was Kara hören wollte. Kein Wunder, dass sie das Gespräch schnell beendet hatte.

Alli fragte sich, ob sie vielleicht voreilig reagiert und zu dick aufgetragen hatte. Kara hatte sich in ihrem ersten Jahr an der Texas Southern voll und ganz auf ihr Studium konzentriert und Alli wollte nicht, dass dieser „heiße Typ“ plötzlich Karas Studium beeinträchtigte.

Alli holte tief Luft, als sie ihr Auto vor dem riesigen Ranchhaus mit der weitläufigen Veranda zum Stehen brachte, und musste lächeln, als sich die Tür öffnete und Mark mit Erika auf dem Arm herauskam.

Sobald Mark die Veranda betrat und sah, wie Alli aus ihrem Auto stieg, überkamen ihn erneut Zweifel, ob es eine gute Idee war, sie hierherzuholen. Aber es war sein einziger Ausweg. „Schön, dass Sie es geschafft haben“, sagte er und blieb in der Nähe der Treppe stehen. Als Alli ihn anlächelte, wurde ihm unwillkürlich ganz warm ums Herz.

Dass er einen Hauch ihres Parfüms wahrnahm, machte die Sache nicht besser. Mittlerweile hatte er sich damit abgefunden, dass es der verführerischste Duft war, den er je gerochen hatte. Ihr Haar fiel offen über die Schultern, so wie er es mochte. Das Sonnenlicht, das schräg auf ihren Kopf fiel, ließ die Strähnen eher kastanienbraun als dunkelbraun wirken.

„Ich bin auch froh, dass ich es geschafft habe“, sagte sie und streckte die Hände nach Erika aus. Seine Nichte kannte Alli aus dem Studio und ließ sich bereitwillig von ihr nehmen.

„Brauchen Sie Hilfe mit Ihren Sachen?“, fragte Mark, als er die Kisten auf dem Rücksitz von Allis Autos sah. Er beäugte das alte Fahrzeug und hoffte, dass sie seinen Bonus für den Kauf eines neuen Wagens nutzen würde. Vor Kurzem hatte er zufällig mitbekommen, wie Christine zu Jake gesagt hatte, dass das Auto eines Nachts auf einer abgelegenen Straße stadteinwärts eine Panne hatte und Malcolm Durmorr angehalten habe, um zu helfen.

Malcolm, der in der Stadt als fauler Taugenichts bekannt war und immer am Rande einer Katastrophe stand, war wohl ein entfernter Verwandter der Devlins, wobei diese offenbar nicht besonders scharf darauf waren, ihn in den Kreis der Familie aufzunehmen. Es gab eine Reihe von Dingen an ihm, die Mark nicht gefielen, insbesondere die Masche, mithilfe deren Malcolm ein paar unschuldigen, ahnungslosen Menschen in Royal schnellen Reichtum versprochen hatte.

Mark erinnerte sich daran, wie Malcolm eines Nachmittags ins Diner gekommen war und beim Essen eine bestimmte Kellnerin namens Valerie Raines angestarrt hatte. Der lüsterne Blick des Mannes war widerlich gewesen.

Mark wurde aus den Gedanken gerissen, als Erika in Allis Bluse griff, um den an einer Goldkette befestigten Topas-Anhänger herauszuziehen. Dadurch erhaschte Mark einen großzügigen Blick auf Allis Dekolleté und die Oberkante eines schwarzen Spitzen-BHs. Als Alli bemerkte, was das Baby getan hatte, wechselte sie Erika schnell auf die andere Schulter und zog die Bluse wieder zurecht. Als sich ihre Blicke trafen, errötete sie verlegen.

Mark hielt es für das Beste, so zu tun, als hätte er nichts gesehen, anstatt sich eine sofortige Wiederholung zu wünschen. Er räusperte sich. „Wenn Sie mir Ihre Schlüssel geben, bringe ich Ihre Sachen rein, damit Sie sich einrichten können“, sagte er, während in seinen Ohren die Alarmglocken schrillten.

Er musste seine Gefühle für Alli unbedingt unterdrücken, aber bislang glückte ihm das nicht besonders gut. Dass sie eine Bluse und eine Hose trug, war nicht gerade hilfreich. Beim ersten Anblick von Alli in Hosen hatte er sofort entschieden, dass sie über den wohlgeformtesten, verführerischsten Po verfügte, den er je bei einer Frau gesehen hatte. Tatsächlich kannte er niemanden, der auch nur annähernd mithalten konnte.

Im Büro war sie immer professionell gekleidet. Das einzige Mal, dass er sie nicht so gesehen hatte, war, als sie an seinem Unterricht teilgenommen hatte. Er erinnerte sich daran, wie sie, wie die anderen Damen, in Shorts aufgetaucht war. An dem Tag hatte er ihr nicht nur die Kunst der Selbstverteidigung beigebracht, sondern sich auch die Kunst der Selbstbeherrschung angeeignet.

Seine Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück, als sie ihm ihren Autoschlüssel reichte. „Ich habe nicht viel mitgebracht, da ich am Wochenende mehr Zeit zum Packen haben werde“, sagte sie und wandte ihren Blick von ihm zu Erika. „Hat sie schon zu Abend gegessen?“

Mark lachte. „Ja. Wenn sie Hunger hätte, würde man das merken. Dann hat sie nämlich schlechte Laune. Und nur dann.“

Alli riss sich innerlich zusammen. Sie hatte Mark noch nie lachen hören. Es war das erste Mal, dass sie diese Seite an ihm sah. Jetzt kam er ihr so freundlich und menschlich vor. Nicht, dass er sich sonst wie ein Tyrann aufführte, aber in ihrer Gegenwart war er immer zurückhaltend und reserviert.

Er musste es bemerkt haben, denn er sah sie einen Moment lang an, während sein Gesichtsausdruck von neugierig zu besorgt wechselte. „Stimmt was nicht?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Nein, es ist alles in Ordnung.“ Vorsichtig fügte sie hinzu: „Ich kann mich nur nicht daran erinnern, dass wir jemals ein Gespräch geführt haben, das länger als fünf Minuten gedauert hat und bei dem es nicht um Geschäftliches ging.“

Mark lehnte sich an den Holzpfeiler und dachte einen Moment nach. Er auch nicht. Selbst gestern, als sie die Einzelheiten ihrer Anstellung als Erikas Nanny besprochen hatten, war es rein geschäftlich gewesen. „Tja, Sie tun mir gerade einen Riesengefallen. Abseits der Arbeit bin ich entspannter und gelassener, also machen Sie sich darauf gefasst, eine andere Seite von mir zu sehen. Ob Sie es glauben oder nicht, ich kann ziemlich nett sein.“

„Ich habe ja nicht geglaubt, Sie wären nicht nett“, beeilte sich Alli zu sagen, in der Hoffnung, ihn nicht beleidigt zu haben. „Aber Sie …“

Mark hob die Hand. „Hey, das müssen Sie nicht erklären“, sagte er lachend, weil er fand, dass Alli aufgeregt gut aussah, was er selten zu Gesicht bekam. „Kommen Sie rein, ich führe Sie herum. Die Sachen aus Ihrem Auto hole ich später.“

Sie schenkte ihm ihr übliches schüchternes Lächeln. „In Ordnung.“

Alli sah sich um, während Mark sie von Zimmer zu Zimmer führte. Jedes war mit vielen Ledermöbeln im rustikalen Westernstil ausgestattet. Erikas Schlafzimmer allerdings war völlig anders. Es war mit Schneewittchen und den sieben Zwergen tapeziert, und in der Mitte des Raums stand ein wunderschönes weißes, zusammenklappbares Kinderbett. Die Einrichtung des Zimmers war farbenfroh und hell, wie es sich für eine kleine Prinzessin gehörte. Die Bettwäsche passte zu einem Ministuhl und einer Ottomane, die in der Nähe eines Fensters standen. Auf dem Stuhl saß ein riesiger Plüschbär. Alli musste lächeln. „Es ist wunderschön, Mark.“

Er drehte sich zu ihr um. „Danke. Für dieses Zimmer hatte ich eine Innenarchitektin. Ich war Junggeselle ohne Erfahrung mit Kindern, als ich Erika bekam, und musste auf die Schnelle alles lernen.“

Automatisch nahm er Erika aus Allis Armen, als seine Nichte nach ihm griff. Er nickte in Richtung der Möbel im Raum. „Ich verbringe viel Zeit hier mit Erika, weil dies auch ihr Spielzimmer ist.“ Er neigte den Kopf in Richtung der riesigen Spielzeugtruhe, die in einer Ecke stand. „Deshalb steht dort drüben die Liege mit Wippfunktion. Als Erika klein war, habe ich oft auf dieser Liege gelegen und sie in den Schlaf gewiegt. Jetzt lehne ich mich einfach darauf zurück und sehe ihr beim Spielen zu.“

Alli nickte, während sie die Liege betrachtete. Sie konnte sich vorstellen, wie Mark sich entspannt zurücklehnte und dabei ein wachsames Auge auf Erika hatte. Plötzlich kam ihr eine andere Vision in den Sinn: Sie saß mit ihm auf dieser Liege, auf seinem Schoß, während sie beide gemeinsam über Erika wachten. Sie konnte sich buchstäblich sehen, wie sie sich eng an ihn kuschelte und ihren Kopf an seine Schulter legte, während die Wärme seines Atems über ihr Gesicht strich.

Blinzelnd schluckte sie schwer, weil sie nicht glauben konnte, dass sie solche Gedanken überhaupt zugelassen hatte.

„Alli, alles in Ordnung?“

Sie riss den Kopf herum und begegnete Marks fragendem Blick. „Ja, alles gut.“

Es schien, als würde er sie besonders lange ansehen, bevor er sagte: „Okay, dann zeige ich Ihnen jetzt Ihr Zimmer.“

Bevor sie den Raum verließen, kamen sie an einem gerahmten Bild vorbei, das auf der Kommode stand. Alli blieb stehen und nahm es in die Hand. Es war ein Foto eines attraktiven, lächelnden Paares, das ein Kleinkind im Arm hielt.

„Das sind Matt und Candice, als Erika erst ein paar Monate alt war“, sagte Mark leise.

Alli versteifte sich leicht. Sie hatte nicht bemerkt, dass er so nah bei ihr stand. Er hatte sich vorgebeugt, um sich das Bild anzusehen, und sie konnte die feuchte Wärme seines Atems auf ihrem Nacken spüren. Seine Nähe löste ein Gefühl aus, das sie noch nie zuvor empfunden hatte und das langsam ihren Rücken emporkroch. Und dann war da noch die Hitze, die sich in ihrem Bauch ausbreitete.

Sie zwang sich, sich auf das Bild zu konzentrieren, aus Angst, dass ihre Lippen auf seine treffen würden, wenn sie auch nur einen Zentimeter den Kopf drehte. „Sie waren eine wunderschöne Familie und sehen glücklich aus“, rang sie sich ab, während sie genau spürte, wie die Hitze von ihrem Bauch tiefer in ihren Körper wanderte.

„Ja, sie waren glücklich zusammen und haben sich sehr geliebt. Ich habe sie immer um das beneidet, was sie hatten.“

Alli bemerkte, dass Mark einen Schritt zurückgetreten war. Sie wandte sich leicht zu ihm um und begegnete seinem Blick. Er hatte so herzzerreißend geklungen. Sie konnte nicht anders, als ihm tief in die Augen zu schauen, und dann sah sie es deutlich … Schmerz. Er litt immer noch. Aber weswegen? Wegen seines Bruders und seiner Schwägerin? Seiner Frau? Allen dreien?

Ihr Blick wanderte über den Rest seines Gesichts. Es war markant. Attraktiv. Er hatte eine schöne braune Haut, dichte Augenbrauen und eine Nase, die in Form und Größe perfekt zu seinem Gesicht passte. Und dann waren da noch seine Lippen …

Alli konnte nicht anders, als sie zu mustern. Sie hatten eine verführerische Form und wirkten so glatt. So weich, was bei einem so rauen Mann seltsam war. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, diese Gegensätze selbst zu erkunden. Es wäre so leicht, ihren Mund an seinen zu führen, mit der Zunge von seinem einen Mundwinkel zum anderen zu lecken und …

„Da-da! Runter, Da-da!“

Erikas Gebrabbel riss Alli aus ihren Gedanken. Wie lange hatte sie schon wie gebannt auf Marks Mund gestarrt? Was dachte er wohl darüber, dass sie ihn so anstarrte? Hitze durchflutete ihre Wangen, und anstatt seinen Blick zu erwidern, stellte sie das Bild zurück auf die Kommode.

„Nein, ich kann dich nicht absetzen, Schatz“, hörte sie Mark zu der Kleinen sagen. „Wir müssen Alli noch herumführen.“

Mit dem Gefühl, die Situation jetzt besser im Griff zu haben, drehte sich Alli um, behielt aber Erika im Blick und lächelte, als das kleine Mädchen nach ihr griff. Sie nahm sie aus Marks Armen, gab ihr einen Kuss auf die Wange und genoss es, als die Kleine kicherte. „Sie nennt Sie Daddy.“

„Ja, aber ich ziehe es vor, dass sie das nicht tut.“

Die Anspannung in seiner Stimme ließ Allis Kopf hochschnellen, und sie konnte den Blickkontakt mit ihm nicht länger vermeiden. Ein tiefes Stirnrunzeln entstellte seine attraktiven Gesichtszüge. „Wieso nicht?“

„Weil ich nicht ihr Daddy bin.“

Verwirrt zog Alli eine Augenbraue hoch. „Ich weiß, dass Sie nicht ihr Vater sind, Mark, aber Sie so zu nennen, ist für sie so natürlich und vertraut wie Essen und Schlafen. Sie sind ein fester Bestandteil ihres Lebens. Vielleicht erinnert sie sich an ihre Eltern oder auch nicht und …“

„Ich will, dass sie sich an sie erinnert, Alli. Deshalb habe ich dieses Bild hier hingestellt. Wenn sie älter wird, soll sie über sie Bescheid wissen. Sie soll wissen, dass sie ihre Eltern waren und dass ich ihr Onkel und nur ihr Vormund bin.“

Alli versuchte, ihn nicht finster anzustarren, aber sie spürte, dass sie es trotzdem tat. Was er gesagt hatte, klang zu distanziert, und sie wusste, dass das nicht der Fall war. Jeder konnte sehen, wie sehr er seine Nichte liebte und vergötterte. Sie war in seinem Büro gewesen, als er den Anruf über den Tod seines Bruders und seiner Schwägerin bekam und darüber, dass er zum Vormund von Erika ernannt worden war. Das wäre für jeden unbeschwerten Junggesellen ein Schock gewesen.

Nie würde sie den Tag vergessen, an dem er nach Kalifornien geflogen war, um seine Nichte abzuholen. Es war offensichtlich, dass er Erika mit aller Macht beschützen wollte, sonst wäre Alli nicht hier.

Sie schürzte die Lippen, musterte Erikas Gesicht und sah dann Mark in die Augen. „Sie sieht Ihnen sehr ähnlich. Sie haben beide identische haselnussbraune Augen, dieselbe Hautfarbe, und ihr Mund ist wie Ihrer, nur kleiner. Sie könnte Ihre Tochter sein.“

Er steckte die Hände in die Hosentaschen und wippte vor und zurück. Alli kannte ihn lange genug, um die ersten Anzeichen von Wut zu erkennen. „Aber das ist sie nicht. Sie haben das Foto gesehen. Matt und ich sahen uns ähnlich, aber es gab auch viele Unterschiede. Wir waren beide die Söhne von Nathaniel Hartman, also gab es einige Dinge, die man nicht ändern konnte. Aber Matt hat auch viel von Mom geerbt. Obwohl der alte Mann versucht hat, ihn hart zu machen, hatte Matt eine weiche Seite. Und er wollte immer erwachsen werden und Kinder haben. Ich wollte das nie.“

Marks Worte überraschten Alli. Er gab ihr jetzt so viel mehr von sich preis als zuvor. „Aber wieso wollten Sie keine Kinder? Sie waren doch verheiratet.“

Mark starrte sie einen Moment lang schweigend an, streckte die Hände aus und nahm Erika abwesend aus ihren Armen. Einen Schritt zurücktretend brachte er Abstand zwischen sie. „Die Heirat hatte nichts damit zu tun. Patrice wusste, dass ich keine Kinder wollte, was für sie in Ordnung war, da sie aufgrund einer Krankheit keine bekommen konnte.“

Alli spürte, wie ihr Puls sich verlangsamte. Sie holte tief Luft. Es schien, als wäre dies ein heikles Thema für Mark, aber sie war noch nicht bereit, es ruhen zu lassen. „Und was halten Sie jetzt, wo Erika Sie auf die Rolle als Vater vorbereitet hat, davon?“

Sein Kopf schoss herum, und zu spät erkannte sie, dass ihre Frage ein Fehler gewesen war. „Damit das klar ist, Alli: Ich bin Erikas Onkel. Matt hat sie meiner Obhut anvertraut, und ich werde mein Bestes für sie tun. Es wird ihr an nichts fehlen. Aber für mich hat sich nichts geändert. Ich möchte immer noch keine Kinder.“

Alli spürte, wie sich ihre Brust zusammenzog, als er Erika in ihre Arme legte und sie ihm nachsah, wie er den Raum verließ.

3. KAPITEL

Was für ein schöner Raum, dachte Alli, als sie Mark in ihr Schlafzimmer folgte, das sich praktischerweise gegenüber von Erikas Zimmer befand.

Neben dem großen Himmelbett aus rotbraunem Holz, das zwischen zwei riesigen Fenstern stand, gab es zwei Nachttische, eine Spiegelkommode, eine Truhe und eine Sitzbank. Alles in allem war das Zimmer mit seinen eleganten Accessoires – von der geblümten Tagesdecke und den passenden Fenstervorhängen bis hin zu dem massiven, gemauerten Kamin – einer Königin würdig. Noch schöner war die Tatsache, dass sie ihr eigenes Bad hatte, ein wirklich schickes, modernes Bad mit einer separaten Dusche und Badewanne. Offensichtlich war seit dem Bau des ursprünglichen Hauses einiges renoviert worden.

„Ich hoffe, das Zimmer gefällt Ihnen.“

Alli drehte sich um sich selbst, was Erika ein freudiges Quietschen entlockte. „Oh, Mark, das ist perfekt. Hatten Sie hierfür auch eine Innenarchitektin?“

Er nickte. „Ja, als ich zurückkam, musste ich feststellen, dass hier eine Menge Reparaturen nötig waren.“ Er nahm Erika aus Allis Armen und fuhr fort. „Nachdem das erledigt war, habe ich mit den Renovierungsarbeiten begonnen. Ich wollte dem Haus ein ganz neues Aussehen geben. Nichts soll mich mehr an früher erinnern.“

Ein Teil von Alli wollte ihn an sich drücken. Sie bedauerte, dass er keine glückliche Kindheit hatte. Obwohl ihr Vater sie verlassen hatte und ihre Mutter sich deswegen zu Tode schuften musste, hatte Mildred Lind ihr Bestes gegeben, um ihren Töchtern eine Kindheit mit vielen schönen Erinnerungen zu schenken. Es war nicht viel Geld da gewesen, aber es gab reichlich Liebe für alle. Schade, dass Mark so was nicht erlebt hatte.

„Ich hole besser Ihre Sachen aus dem Auto“, sagte Mark und gab ihr Erika zurück.

Alli kicherte, als sie Erika an ihre Schulter drückte. Mark zog verwirrt eine Augenbraue hoch. „Was ist so komisch?“

„Haben Sie bemerkt, was wir hier machen? Ich wette, Erika wurde in ihrem Leben noch nie so oft zwischen zwei Personen hin- und hergereicht.“

Marks Mundwinkel zuckten. „Da haben Sie wohl recht. Ist mir gar nicht aufgefallen.“

Alli lächelte Erika an und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Aber du hast es bemerkt, oder, mein Schatz? Und du hast jede Minute genossen, in der du von Arm zu Arm gewandert bist, richtig?“

„Noch was, das sie nicht gewohnt ist.“

Alli sah Mark an. „Was denn?“

„Geküsst zu werden. Das haben Sie schon dreimal gemacht, seit Sie hier sind.“

Alli zwang sich, wieder Erika anzusehen. „Zählen Sie etwa mit?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich kam nicht umhin, es zu bemerken. Ich wusste nicht, dass Sie so ein herzlicher Mensch sind.“

Es gibt vieles, was du nicht über mich weißt, Mark Hartman. Sie sah ihn an und hätte am liebsten gesagt, dass sie mehr als genug Zuneigung zu geben hatte, wenn er nur interessiert wäre. Aber das war keine gute Idee. „Tja, wenn es um Babys geht, bin ich so herzlich, wie es nur geht.“

„Wollen Sie irgendwann Kinder?“

Alli grinste. „Sie sollten besser fragen, wie viele.“

Nachdenklich musterte er sie einen Moment. „Okay, wie viele?“

„Ein ganzes Haus voll. Ich würde sogar Platz in der Scheune machen, wenn ich muss.“

Mark lachte leise. „Ich hoffe, Ihr Mann kann sich Ihre ganzen Kinder leisten.“

„Das hoffe ich auch.“ Automatisch und ohne nachzudenken, küsste sie Erika erneut auf die Wange, woraufhin das Baby vor Verzückung kicherte.

Als Alli aufsah, bemerkte sie, dass Marks Blick auf ihren Lippen ruhte, während er seine eigenen mit der Zunge befeuchtete. Sie spürte die Spannung, die plötzlich den Raum erfüllte, und die pulsierende Hitze, die sich zwischen ihnen aufbaute. Als wären seine Lippen trocken, leckte er sie erneut, und in diesem Moment brannte sie darauf zu erfahren, wie seine Küsse schmeckten.

Alli war beschämt, dass ihr solche Gedanken kamen, und sie wusste, dass sie sie verwerfen sollte, aber sie konnte nicht. Selbst wenn sie ihn bis in alle Ewigkeit küssen dürfte, würde er nie aus ihrem Kopf … oder aus ihrem Herzen verschwinden. Er starrte immer noch auf ihren Mund, so wie sie auf seinen. Das Schlagen ihrer Herzen war als pulsierender Rhythmus im Raum zu hören, und selbst Erikas Geplapper konnte es nicht übertönen.

Hitze durchströmte sie, als sie sah, dass der zurückhaltende Gesichtsausdruck, den er immer zur Schau trug, verschwunden war und er sie anstarrte, als würde er sie endlich als Frau sehen. In diesem Moment gab er ihr das Gefühl, begehrt zu sein, ob beabsichtigt oder nicht. Mehr als alles andere wollte sie sich in seine Arme schmiegen und sich auf alle Arten von ihm küssen lassen, von denen sie je geträumt hatte.

Ihr stockte der Atem, als er einen Schritt näher kam, sich vorbeugte und nur wenige Zentimeter davon entfernt war, ihren Mund mit seinem zu berühren.

„Da-da. Spielen.“

Als würde er aus einer Benommenheit erwachen, richtete Mark sich auf, trat einen Schritt zurück und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Ich hole besser Ihre Sachen aus dem Auto“, sagte er und drehte sich schnell um.

Die Gefühle schnürten Alli die Kehle zu. Fast hätte er sie geküsst. Nach zwei Jahren hatte er zum ersten Mal zu erkennen gegeben, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte.

„Sie erinnern sich doch an mein Treffen im Cattleman’s Club heute Abend, oder?“

Seine Frage riss sie aus ihren Gedanken. „Ja, ich erinnere mich.“

„Und machen Sie sich keine Sorgen wegen des Abendessens. Mrs. Sanders war gestern da und hat genug Essen für heute vorbereitet.“

„Mrs. Sanders?“

„Sie ist meine Haushälterin und Köchin und kommt normalerweise ein paar Mal pro Woche.“

Offensichtlich sah er die Frage in ihren Augen und fuhr fort. „Sie kocht und putzt, aber sie wird Ihnen gleich sagen, dass sie sich nicht um Babys kümmert. Sie ist siebenundfünfzig, hat selbst fünf Kinder und keine Lust, sich um noch eins zu kümmern. Sie ist eine dieser Großmütter, bei denen die Kinder nicht einfach die Enkel abladen und dann verschwinden können. Ihre Philosophie lautet, ich zitiere: ‚Ich habe meine großgezogen, jetzt seid ihr dran.‘“

„Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen“, sagte Alli, während sie ihn weiterhin anstarrte. Sie fand es eine Schande, wie ein Mann so gut aussehen konnte. Mark raubte ihr den Atem. Er musste endlich gehen, damit sie wieder normal atmen konnte.

Er lächelte warm. „Und ich habe das Gefühl, dass sie sich auch darauf freut, Sie kennenzulernen.“

Und dann war er weg.

„Wie ich hörte, hast du dein Babysitter-Problem gelöst, Mark“, sagte Logan Voss, als die beiden die Bar des Texas Cattleman’s Club betraten und zum privaten Besprechungsraum gingen.

Aus Gewohnheit fiel Marks Blick auf das Motto „Führungsstärke, Gerechtigkeit und Frieden“ an einer entfernten Wand, bevor er seinem Freund in die Augen sah. „Dann hast du sicher auch gehört, dass Alli jetzt Erikas Nanny ist.“

Logan lachte glucksend. „Ja, das habe ich auch gehört.“

„Was hast du gehört?“, fragte Jake Thorne neugierig, als er die beiden Männer begrüßte und zusah, wie sie es sich in den Ledersesseln bequem machten.

„Dass Alli jetzt Erikas Nanny ist“, erwiderte Logan.

Jake lächelte. „Ja, und da wir wissen, was für eine verantwortungsbewusste Person Alli ist, können wir mit Sicherheit sagen, dass Erika in guten Händen sein wird.“

Mark nickte. Im Moment hätte er alles dafür gegeben, zu wissen, wie gut diese Hände waren; genauso wie er es geliebt hätte, Allis Mund zu kosten. Zu seinem Glück war sie nicht da gewesen, als er mit ihren Sachen zurückgekehrt war. Sie hatte Erika in ihren Kinderwagen gesetzt und war mit ihr spazieren gegangen. Er war dankbar für diese Zeit allein gewesen, um sich wieder fangen zu können. Noch nie in seinem Leben hatte er eine Frau so sehr küssen wollen.

Er hatte lange unter der Dusche gestanden und sich für seine Schwäche, Alli beinahe geküsst zu haben, verflucht. Aber als er sich für das Treffen angezogen hatte, beschloss er, dass er auch nur ein Mensch war und jeder Mann sie angesichts ihrer Wahnsinnslippen und ihres verführerischen Parfüms mit Sicherheit küssen wollte. Diese Kombi machte sicher jeden Mann kirre.

Verdammt, er musste aufhören, an sie zu denken. Diese Gedanken an sie hatten ihn auf der Fahrt zu diesem Treffen in Anspruch genommen und taten es immer noch. Er hoffte inständig, dass sie schlief, wenn er nach Hause kam. Aber nur für den Fall, dass sie noch wach war, wäre es vielleicht eine gute Idee, wenn er nicht sofort nach dem Treffen zur Ranch zurückkehrte. Vielleicht konnte er ein paar der Jungs für eine Runde Poker begeistern.

Er blickte sich um. Thomas Devlin und Gavin O’Neal standen draußen und unterhielten sich. Aber wo zum Teufel war Connor Thorne? Er sah zu Jake. „Wo ist Connor?“

Jake lächelte träge und seine blauen Augen leuchteten hell. „Ich bin zwar der Bruder meines Bruders, aber nicht sein Aufpasser“, antwortete er scherzhaft und warf einen Blick auf die Uhr. „Wir haben noch sieben Minuten. Er kommt schon noch.“

Mark nickte. „Wie läuft die Kampagne?“ Jakes Gegnerin im Rennen um das Bürgermeisteramt war Gretchen Halifax. Gretchen war Mitte dreißig, intelligent, kultiviert und hatte großen Einfluss in der Stadt. Aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, was Royal brauchte. Sollte Gretchen mit ihrer geplanten Steuerpolitik Bürgermeisterin werden, dann würde die Stadt zweifellos Unternehmen an andere Gemeinden verlieren, da war sich Mark sicher.

„Ich halte mich an die Regeln und konzentriere mich auf die Themen meiner Kampagne“, erwiderte Jake. „Aber Gretchen scheint nicht fair spielen zu wollen.“

Logan lachte. „Warum überrascht mich das nicht?“

Die drei Männer blickten auf, als Connor Thorne, Tom Devlin und Gavin O’Neal hereinkamen. An Gavins Gesichtsausdruck konnten sie erkennen, dass die Neuigkeiten, die er zu verkünden hatte, nichts Gutes verhießen. Als relativ neuer Sheriff hatte er alle Hände voll zu tun und neben einem Mord eine Reihe verdächtiger Vorkommnisse in der Stadt aufzuklären.

„Lasst uns gleich anfangen“, sagte Gavin und ließ sich in einen der Ledersessel fallen. Connor und Tom, die dem Club erst kürzlich beigetreten waren, taten es ihm gleich.

Als Gavin sicher war, dass alle ihm zuhörten, fuhr er fort. „Wir haben immer noch keine Ahnung, wer auf Melissa Mason geschossen hat“, sagte er zu allen und kam der Frage zuvor, die Logan noch gar nicht gestellt hatte. Melissa war Logans Verlobte, und der Anschlag auf ihr Leben hatte ihn, gelinde gesagt, in Rage gebracht.

„Wir gehen also immer noch von der Theorie aus, dass der Scharfschütze dachte, sie sei Logan, weil Melissa einen von Logans Wagen fuhr, und derjenige so versuchte, ihn davon abzubringen, Lucas Devlin zu besuchen?“, fragte Connor und beugte sich vor.

„Ja. Meiner Meinung nach versucht jemand mit aller Macht, die Fehde zwischen den Devlins und den Windcrofts am Laufen zu halten“, erwiderte Gavin düster.

„Hmm, aber wer würde davon profitieren und wie hängt das alles mit dem Mord an Jonathan zusammen?“, fragte Jake, als würde er laut nachdenken.

„Das müssen wir herausfinden“, sagte Gavin und seufzte tief. Er warf Mark einen Blick zu. „Ich möchte, dass du mit Nita Windcroft sprichst, um herauszufinden, ob ihre Anschuldigungen begründet sind oder ob sie die Dinge übertreibt, um Ärger zu machen. Ich bin noch nicht lange in der Gegend, aber soweit ich weiß, ist sie verdammt halsstarrig. Und wenn sie glaubt, dass wir sie nicht ernst nehmen, könnte sie die Sache selbst in die Hand nehmen. Gott steh uns bei, wenn sie das tut. Meine Leute behaupten, sie habe ein verdammt hitziges Temperament und sei stur wie ein Esel.“

Mark nickte. „Ist gut. Ich rede mit Nita.“

„Was ist mit der Frau, die dabei gefilmt wurde, wie sie die Karte gestohlen hat? Gibt es neue Hinweise?“, fragte Tom Devlin mit einem wachsamen Blick in seinen silbergrauen Augen. Er war noch nicht lange in der Stadt, aber schon im Bilde über die Fehde, in die die Familie verwickelt war, von der er erst vor Kurzem erfahren hatte, dass er zu ihr gehörte.

„Nein, es gibt nichts Neues“, sagte Gavin. „Ich habe das Video herumgezeigt, und niemand scheint die Frau zu erkennen, also ist es immer noch ein Rätsel.“ Er sah auf seine Uhr. „Das ist alles, was ich heute Abend zu berichten habe. Ich bin sicher, ihr wisst alle, es hat sich herumgesprochen, dass Jonathan durch eine Art tödliche Injektion ermordet wurde. Und jeder hat seine eigene Theorie darüber, wer es war.“ Er schüttelte den Kopf. „Ihr glaubt gar nicht, wie viele Leute mich heute mit einer Liste ihrer eigenen Verdächtigen angesprochen haben.“

Mark zog belustigt eine Augenbraue hoch. „Gibt es einen bestimmten Namen, der ganz oben auf der Liste steht?“

Gavin seufzte. „Ja, Nita Windcrofts, aber nur wegen der Fehde. Aber dann fügten alle schnell hinzu, dass sie es höchstwahrscheinlich nicht war, weil sie den armen Jonathan nicht so lange auf die Folter gespannt hätte. Hätte er sie nur genug gereizt, hätte sie eine Waffe genommen und ihn auf der Stelle erschossen.“

Connor grinste. „Sie klingt nicht wie eine Frau, mit der ich mich anlegen wollen würde.“

Tom lachte leise. „Nach dem, was ich so höre, würde das niemand tun.“

Gavin lächelte. „Also, das war’s für heute Abend. Wir sehen uns nächsten Mittwoch wieder. Dann kannst du uns erzählen, was du bei deinem Gespräch mit Nita herausgefunden hast, Mark.“

„Klar doch“, sagte Mark. Als die Männer aufstanden, fragte er: „Hat jemand noch Lust auf eine Ru...

Autor

Jo Mc Nally
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Debra Webb
<p>Debra Webb wurde in Alabama geboren und wuchs als Tochter von Eltern auf, die ihr beibrachten, dass alles möglich ist, wenn man es nur zielstrebig verfolgt. Debra liebte es schon immer, Geschichten zu erzählen und begann schon mit neun Jahren zu schreiben. Die Farm, auf der sie aufwuchs bot viel...
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