Baccara Collection Band 489

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VIEL ZU SCHÖN, UM NEIN ZU SAGEN

Er hat eine Ranch geerbt? Ex-Rockstar Vaughn Reed will sie in ein Luxus-Resort umwandeln. Was viel Arbeit bedeutet und keine Ablenkung zulässt! Aber seine schöne Innenarchitektin Allie verführt ihn dazu, jede Regel zu brechen, die er für sich selbst aufgestellt hat …

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  • Erscheinungstag 04.10.2025
  • Bandnummer 489
  • ISBN / Artikelnummer 0855250489
  • Seitenanzahl 384

Leseprobe

Reese Ryan, Michelle Lindo-Rice, Carol Ericson

BACCARA COLLECTION BAND 489

Reese Ryan

1. KAPITEL

Vaughn Reed stieg aus dem Privatflugzeug, mit dem er von Dublin nach L. A. geflogen war, und verabschiedete sich von den anderen Musikern. Sie waren als Begleitband auf Welttournee mit einem Popstar gewesen, dessen Talent vor allem darin bestand, fotogen und ein guter Tänzer zu sein und eine große Fangemeinde in den sozialen Medien zu haben. Nicht der beste Job, den er je gehabt hatte, aber auch nicht der schlechteste.

Das Wichtigste war, dass der Job gut bezahlt war und dass Vaughn dadurch im Geschäft bleib – keine Selbstverständlichkeit, seit sich seine legendäre Rockband Sin & Glory, die fünfzehn Jahre lang zusammen gewesen war, vor vier Jahren aufgelöst hatte. Vaughn war der Grund für das Auseinanderbrechen der Band gewesen und sein persönliches und berufliches Leben war dadurch völlig aus der Spur geraten. Einen solchen Fehler wollte er nicht noch einmal machen, daher hatte er für sich einige Regeln aufgestellt.

Erstens: Denk nicht mit deinem Schwanz. Zweitens: Lass dich nicht mit der Schwester deines besten Freundes ein. Drittens: Denk immer zuerst an deine Karriere. Viertens: Verlieb dich nie.

In den letzten vier Jahren hatten ihm diese vier Regeln gute Dienste geleistet. Keine heiklen Situationen mehr, keine Enthüllungen, die die Karriere gefährdeten, keine bösen Überraschungen. Er würde schließlich bald vierzig. Wenn er sich jetzt nicht aufraffte, würde er es wahrscheinlich nie schaffen.

Vaughn stieg in sein Auto und fuhr über den Hollywood Boulevard zu seinem Haus in den Hollywood Hills. Wenig später parkte er seinen Sportwagen in der Garage. Das wunderschöne Haus bestach durch seine moderne Architektur und den herrlichen Blick auf den berühmten Sunset Strip und den Ozean. Doch mit dem Haus waren zu viele schlechte Erinnerungen verbunden. Jetzt, wo er vorhatte, die nächsten Monate in L. A. zu verbringen, würde er vielleicht endlich Zeit haben, einige Renovierungsarbeiten durchzuführen und das Haus zum Verkauf anzubieten.

Er hatte kaum den Motor abgestellt, als sein Telefon klingelte. Es war seine Assistentin, Cherry Bingham.

„Was gibt’s, Cherry?“ Vaughn versuchte, nicht zu schroff zu klingen, obwohl er nach dem anstrengenden Flug erschöpft und enttäuscht von der letzten Nachricht seiner Agentin war. „Wenn es um Hannahs E-Mail geht, die habe ich schon gelesen. Das Label ist nicht daran interessiert, ein Comeback-Album oder eine Sin & Glory-Tour ohne Steven zu finanzieren.“

Steven Iverson war der frühere Leadsänger von Sin & Glory und Vaughns ehemaliger bester Freund. Vaughn hatte den Fehler gemacht, die jüngere Schwester seines Freundes zu heiraten und sich schließlich scheiden zu lassen. Das Scheitern der Ehe führte zum Ende ihrer Freundschaft und der Auflösung der Band. Inzwischen machte Steven einigermaßen erfolgreich solo Karriere, doch Vaughn und der Rest der Band kämpften um ihre Stellung in der Branche.

„Tut mir leid. Ich weiß, wie sehr du dich bemühst, die Band wiederzubeleben. Soll ich Steven noch einen Brief schicken?“

„Er wird ihn einfach ignorieren wie die anderen.“ Vaughn schloss die Garagentür auf und betrat die Küche. Das Haus war blitzblank und duftete nach Zitronen und frischen Blumen. „Das Haus sieht toll aus.“

„Alonzo hat gestern den Pool gereinigt, heute Morgen wurden die Lebensmittel geliefert, und Anita hat vorhin saubergemacht und die Lebensmittel eingeräumt“, sagte Cherry. „Das bringt mich zu dem Grund meines Anrufs. Anita hat einen Umschlag unter der Konsole im Flur gefunden. Er muss vom Stapel gerutscht sein, als ich deine Post dort sortiert habe. Der Poststempel ist von vor zwei Monaten. Es tut mir wirklich leid, Vaughn.“

„Ist schon gut, Cher.“ Vaughn stellte sein Gepäck vor seinem Schlafzimmer ab. „Von wem kommt der Brief?“

„Von einer Anwaltskanzlei deiner Heimatstadt Willowvale Springs.“

Was kann das denn sein?

„Wenn durch die Verzögerung irgendwelche Gebühren oder Verluste entstanden sind, übernehme ich das natürlich.“

„Entspann dich, Cher“, sagte Vaughn ruhig und hoffte, ihre Ängste zu zerstreuen. „Ich bin sicher, dass alles in Ordnung ist. Wo ist der Brief?“

„Deine Post liegt auf dem Schreibtisch in deinem Arbeitszimmer.“

„Danke. Noch mal zurück zu Steven. Ich hatte gehofft, dass wir alle an Bord holen können, aber Matt hat vorgeschlagen, dass wir ohne ihn weitermachen.“ Vaughn rieb sich das Kinn und seufzte. „Vielleicht war Stevens Reaktion auf das Ende meiner Beziehung zu seiner Schwester unfair. Aber es fühlt sich trotzdem falsch an, das ohne ihn zu machen.“

„Viele andere Bands haben ohne ihre Leadsänger weitergemacht, Vaughn“, erwiderte Cherry sanft. „Außerdem gibt es so viele Talente. Du wirst jemand anderen finden.“

„Die Jungs sind definitiv dafür. Aber ich bin mir nicht sicher, wie unsere Fans es aufnehmen würden. Vor allem, weil Steven jetzt eigene Musik macht.“

„Die Fans vermissen Sin & Glory einfach. Es gibt sogar drei Petitionen, die eine Reunion-Tour fordern. Bislang haben etwa fünfzigtausend Leute unterschrieben, Tendenz steigend.“

Es war schön, dass die Fans so treu waren. Aber … „Damit ist die Frage der Finanzierung noch nicht geklärt“, erinnerte er sie.

Er war finanziell gut gestellt, weil er nicht mit Geld um sich warf. Das Haus in den Hills und sein Lamborghini gehörten zu den wenigen Ausgaben, die er getätigt hatte. Er sparte und investierte klug. Aber so sehr er auch das Reunion-Album und die Tournee von Sin & Glory verwirklichen wollte, wäre es unklug gewesen, das Projekt mit seinem eigenen Geld zu finanzieren.

„Du könntest versuchen, Investoren zu finden, die das Projekt finanzieren. Oder du könntest anfangen, Lotto zu spielen.“

„Ich denke mal drüber nach.“ Vaughn lachte. „Aber jetzt will ich erst einmal ein langes, heißes Bad nehmen und dann ein paar Tage abschalten.“

„In Ordnung, aber vergiss nicht, den Umschlag zu öffnen!“, erinnerte Cherry ihn, als sie das Gespräch beendeten.

Vaughn steckte sein Handy in die Gesäßtasche seiner Jeans und machte sich dann auf den Weg in die Küche. Dort holte er seinen Lieblingssaft aus dem Kühlschrank und trank einen Schluck. Er seufzte zufrieden. Jede Tour erinnerte ihn daran, wie schön es zu Hause war.

Dann ging er in sein Büro, um den Umschlag zu holen. Vaughn hielt das braune, handgeschöpfte Papier in der Hand und war einen Moment lang wie erstarrt. Es hatte etwas Surreales, die Worte „Willowvale Springs“ darauf zu sehen. Er lebte seit fast zwanzig Jahren in Los Angeles, doch tief in seinem Inneren würde Willowvale Springs immer der Ort sein, an dem er wirklich zu Hause war.

Nachdem seine Mutter knapp ein Jahr nach seinem Vater gestorben war, hatte er dort von seinem zwölften bis neunzehnten Lebensjahr mit seinen Adoptiveltern gelebt. Das alte Haus, das seine Eltern ihm hinterlassen hatten, gehörte ihm immer noch, weil er sich nicht dazu durchringen konnte, sie zu verkaufen. Aber er konnte auch den Gedanken nicht ertragen, dass es leer stand und hatte es deshalb renoviert und in den letzten Jahren auf Vermietungsportalen angeboten.

Vaughn öffnete den Umschlag mit einem Brieföffner und legte das dicke Dokument und den dazugehörigen USB-Stick auf seinen Schreibtisch. Dann las er den Brief, der daran angeheftet war.

Heiliger Strohsack!

Langsam las Vaughn den Brief von Phil Walker, den er von klein auf kannte. Phil war offenbar Anwalt geworden und hatte eine eigene Kanzlei. Er hatte Vaughn geschrieben, um ihm mitzuteilen, dass der alte Hank Carson gestorben war und ihm seine Ferienranch vererbt hatte.

„Das muss ein Scherz sein“, murmelte Vaughn leise.

Hank war kein Verwandter. Doch er und seine Frau Edith hatten keine Kinder. Als Teenager hatte Vaughn ein paar Sommer lang für Hank als Page und Aushilfe auf der Ranch gearbeitet. Er und der alte Mann hatten sich gelegentlich unterhalten. Als er Hank seine Kündigung überbrachte und ihm mitteilte, dass er nach Los Angeles ziehen würde, um eine Rockband zu gründen, war der alte Mann nicht erfreut. Trotzdem hatte er ihm aufrichtig Glück gewünscht. Eine Geste, die Vaughn zu schätzen wusste.

Vaughn steckte den USB-Stick in seinen Computer und öffnete die Datei darauf. Auf dem Bildschirm erschien ein Video des alten Mannes, das ihm ein schmerzerfülltes Lächeln entlockte.

Der Mann, der ihm überlebensgroß in Erinnerung geblieben war, war dünn und gebrechlich geworden, gezeichnet vom Alter und vielleicht von einer Krankheit. Hank bekam einen Hustenanfall, erholte sich dann aber schnell wieder und wischte sich den Mund mit einem Taschentuch ab.

„Hallo, Vaughn. Ich wünschte, wir würden uns unter besseren Umständen unterhalten, mein Sohn. Und dass wir dieses Gespräch persönlich führen würden. Aber ich kann diese Welt nicht verlassen, ohne dir zu sagen, wie verdammt stolz ich auf dich bin. Du hast gesagt, du würdest eine Rockband gründen und berühmt werden. Du wolltest Arenen auf der ganzen Welt füllen. Ich habe deinen Mut und deine Bemühungen bewundert, habe aber ehrlich gesagt nicht geglaubt, dass du auch nur den Hauch einer Chance hast, das zu schaffen.“ Der alte Mann lachte, was einen weiteren Hustenanfall auslöste. „Aber meine Edith hat an dich geglaubt. Und du hast es geschafft, mein Sohn. Du hast es jedem von uns, der jemals an dir gezweifelt hat, gezeigt. Ich wünschte nur, deine Eltern hätten lange genug gelebt, um das zu sehen. Sie wären verdammt stolz gewesen, Vaughn.“

Die Worte schienen Hank im Hals stecken zu bleiben, und er tupfte sich mit seinem Taschentuch die Augen ab.

Vaughn war sprachlos.

Hank Carson war kein besonders gefühlsbetonter Mensch gewesen – obwohl er seine Frau sehr geliebt hatte. Seine Worte, die mit so viel Respekt und aufrichtiger Zuneigung ausgesprochen wurden, ließen Vaughns Augen brennen und seine Kehle schmerzen. Besonders die freundlichen Worte über seine Eltern. Arthur und Carolyn Reed waren schon weit über fünfzig, als sie ihn aus dem Pflegeheim retteten und beschlossen, ihn bei sich aufzunehmen und aufzuziehen.

Er hatte das Glück, zwei Elternpaare gehabt zu haben, die ihn wirklich geliebt hatten. Aber er hatte auch die wenig beneidenswerte Aufgabe, beide Elternpaare vor seinem zwanzigsten Lebensjahr zu beerdigen.

„Du weißt, dass Edith und ich keine Kinder haben“, fuhr der alte Mann fort. „Aber die Kinder von Willowvale Springs waren unsere Familie. Ein paar von euch haben uns sehr beeindruckt. Jetzt, da die Zeit gekommen ist, dass ich diese Welt verlasse, möchte ich jedem von euch etwas hinterlassen. Und dir hinterlasse ich das Willowvale Springs Resort. Du warst viel mehr als ein Hotelpage. Du warst ein harter Arbeiter. Gewissenhaft. Du hast dich um die Gäste gekümmert. Es fühlte sich nie so an, als ob es für dich nur ein Job wäre, mein Sohn. Ich habe gesehen, wie du am Haus deiner Eltern festgehalten hast und wie du dich darum gekümmert hast – sogar aus der Ferne. Deshalb überlasse ich dir das Resort, damit du damit machen kannst, was du willst. Ich weiß, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst, Vaughn. Viel Glück, mein Sohn.“

Der Bildschirm wurde schwarz und Vaughn starrte fassungslos auf die leere Stelle. In seiner Brust pulsierten so viele Gefühle. All die Worte, die er Hank nie würde sagen können, gingen ihm durch den Kopf. Er war dankbar für Hanks Geschenk und seinen Glauben an ihn. Aber er hatte keine Ahnung, was er mit dem Resort anfangen sollte. Er wollte nicht einmal das Haus, das er derzeit in Willowvale Springs besaß. Er hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, sich von dem Gebäude zu trennen. Nicht einmal, als er in L. A. um sein Auskommen kämpfte, bevor seine Karriere Fahrt aufnahm.

Vaughn strich sich mit der Hand über das Gesicht und ging ins Bad. Er ließ Wasser in die Wanne laufen und streute das Zitronengras- und Lavendelbadesalz hinein, das seine Haushälterin für ihn gemacht hatte, weil es ihm beim Einschlafen half. Dann zog er die Kleidung aus, die er seit fast zwanzig Stunden trug. Er tauchte in die warme, schaumige Flüssigkeit ein, lehnte sich gegen die gepolsterte Kopfstütze und schloss die Augen, um sich zum ersten Mal seit Wochen richtig zu entspannen.

Vaughn war schon fast eingeschlafen. Doch plötzlich wurde ihm etwas klar und er richtete sich ruckartig auf. Vielleicht brauchte er gar nicht Lotto zu spielen, um ein Comeback-Album für die Band zu finanzieren. Dafür hatte Hank Carson gesorgt.

Innerhalb weniger Minuten hatte er sich abgetrocknet, angezogen und Cherry angerufen, damit sie ein Treffen mit Phil in Willowvale Springs arrangieren konnte. Dann rief er seinen besten Freund aus Kindertagen an, Reynaldo Price, dessen Familie Price Construction besaß. Denn wenn das Willowvale Springs Resort auch nur annähernd so war, wie er es in Erinnerung hatte, musste es komplett renoviert werden, wenn es das Geld einbringen sollte, das er für die Produktion des nächsten Albums von Sin & Glory brauchte.

Vaughn fuhr mit seinem Mietwagen in die Einfahrt des Willowvale Springs Resort. Er hatte den Ort seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Er stieg aus dem Auto aus und sah sich das Hauptgebäude an. Es sah tatsächlich noch so aus wie zu der Zeit, als er vor fast zwei Jahrzehnten dort gearbeitet hatte.

Vaughn stieg die klapprigen alten Stufen hinauf, die zu der großen Veranda führten. Dann trat er ein und machte sich auf den Weg zur Rezeption.

„Vaughn Reed?“ Eine ältere Frau blickte mit schief gelegtem Kopf von der Rezeption auf. „Meine Güte! Ich habe dich nicht mehr gesehen seit … seit der Beerdigung deiner Mutter. Das muss zehn oder fünfzehn Jahre her sein.“

„Zwanzig Jahre“, sagte er. „Es ist schön, Sie wiederzusehen, Mrs. Halston.“

Die Frau arbeitete schon so lange an der Rezeption, wie Vaughn sich erinnern konnte. Ihr blondes Haar war jetzt grau und ihre strahlend blauen Augen waren nicht mehr ganz so klar wie früher. Aber sie hatte immer noch eine tolle Figur und war gekleidet, als wäre sie einem Modemagazin entsprungen.

„Ich heiße jetzt Mrs. Weinstein.“ Sie schmunzelte mit einem Glitzern in den Augen. „Barry ist vor fünf Jahren gestorben. Gott hab ihn selig.“ Sie blickte an die Decke. „Aber nenn mich Barbara. Und meine Güte, lass dich umarmen.“

Barbara kam um den Schreibtisch herum und umarmte ihn fest. „Was führt dich hierher, mein Lieber?“

„Ich bin der neue Besitzer des Resorts.“ Vaughn hielt förmlich den Atem an, als er diese Worte aussprach.

Barbara hatte den Betrieb seit zwanzig oder dreißig Jahren geführt. Bestimmt hatte sie erwartet, dass Hank ihn ihr überlassen würde.

„Gott sei Dank!“ Barbara drückte ihre Hand auf ihre Brust und ließ ihre mit Juwelen besetzten Nägel blitzen. „Ich hatte schon Angst, dass der alte Hank mir den Laden überlässt, so wie er Mabel Miller den Gemischtwarenladen vererbt hat. Mabel wollte den Laden, wohlgemerkt. Ich? Eher nicht.“

„Warum nicht? Ich meine … du arbeitest hier wahrscheinlich länger als alle anderen.“ Er sollte dankbar sein, dass Barbara nicht sauer war, weil Hank ihm das Resort hinterlassen hatte.

„Ich bin jetzt Großmutter.“ Sie lächelte stolz. „Ich habe drei Enkelkinder und ein weiteres ist unterwegs. Dazu kommen noch drei Enkelkinder von Barrys Kindern. Ich möchte mehr Zeit mit den Enkeln verbringen und reisen. Ich habe gewartet, bis ich den Besitzer kennenlerne, damit ich …“

„Du kündigst?“

„Nein, ich gehe in den Ruhestand.“ Sie tätschelte seinen Arm. „Aber mach dir keine Sorgen. Ich bleibe so lange, wie du mich brauchst. Ich hätte sogar Zeit, wenn du jetzt eine Tour durchs Haus machen willst.“

Er schaute auf seine Uhr. „Ich habe etwa fünfzehn Minuten Zeit, bis der Designer und der Bauprojektleiter kommen, um die Renovierung zu besprechen.“

„Wunderbar!“ Barbara schaute sich prüfend um. „Dieser Ort hat wirklich eine Renovierung nötig.“

Vaughn schmunzelte und war froh, dass Barbara mit seinen Plänen einverstanden war. „Meinst du, wir haben noch Zeit für einen kurzen Rundgang, bevor sie kommen?“, fragte er.

„Nein, glaube ich nicht.“ Barbara deutete in Richtung Tür.

Vaughn folgte ihrem Blick zu sexy braun-schwarzen Lederstiefeln mit hohen Absätzen, die an einem Paar wohlgeformter Beine durch die Tür traten.

Verdammt.

Vaughn war nicht nach Willowvale Springs gekommen, um eine Frau aufzureißen. Aber die Frau, die ihm entgegenkam – hüftschwingend in einem schwarzen, mittellangen Blazerkleid, das ihre umwerfende Figur perfekt zur Geltung brachte – könnte ihn schwach werden lassen.

„Schön dich wiederzusehen, Vaughn.“ Die Frau legte eine Hand auf seine Brust, beugte sich vor und küsste seine bärtige Wange. Ihre Stimme war seltsam vertraut.

„Tut mir leid, aber kenne ich …“ Er stockte, als er das wunderschöne Gesicht der Frau betrachtete, mit den schelmischen dunklen Augen, der Stupsnase und dem frechen Grinsen. „Nein … das kann nicht sein.“ Vaughn schüttelte den Kopf. Er drehte sich zu Barbara um, die über den Austausch mehr als amüsiert war. „Das ist auf keinen Fall die kleine Allie Price.“

„Ist sie doch. Sie hatte nur das Glück, sich zu einer hübschen und unglaublich talentierten jungen Frau zu entwickeln.“ Barbara strahlte, als ob sie Allie selbst großgezogen hätte.

„Das sehe ich.“ Vaughn lachte. Er streckte seine Arme aus, um die kleine Schwester seines besten Freundes aus Kindertagen zu umarmen. „Es ist wirklich schön, dich wiederzusehen, Allie.“

Er drückte sie fest an sich und versuchte so gut es ging, seine Erregung zu zügeln, die durch Allies sanfte Kurven ausgelöst wurde, die sich an ihn schmiegten.

Beachte Regeln 1 und 2. Das wird nicht passieren, Kumpel. Also reiß dich zusammen.

Vaughn löste sich aus Allies Umarmung, räusperte sich und schob eine Hand in die Tasche seiner Jeans. Er richtete seinen Blick auf ihr Gesicht, um wenigstens den Anschein zu erwecken, dass er Augenkontakt mit der umwerfend schönen Afro-Latina herstellte, die einst das süße kleine Mädchen mit den Hasenzähnen gewesen war, das ganz unschuldig in ihn verschossen gewesen war.

Denn die Gedanken, die er jetzt an sie hatte, waren alles andere als unschuldig.

„Bist du hier, um mich dem Designer und dem Projektmanager vorzustellen?“ Vaughn rieb sich das Kinn.

Barbara strahlte die junge Frau an. „Vaughn hat deine Familie also mit den Renovierungsarbeiten beauftragt. Wunderbar, in besseren Händen könnten wir nicht sein. Ich habe mir neulich die Farm angesehen, die ihr renoviert habt. Deine Familie leistet großartige Arbeit.“

„Danke, Barb.“ Allie fuhr sich mit ihren manikürten Fingern durch ihre glänzenden schulterlangen Locken.

Vaughn ballte eine Hand zur Faust, um sie davon abzuhalten, durch ihr Haar zu fahren. Er konnte seinen Blick nicht von ihr losreißen.

Das Telefon klingelte und riss die beiden aus ihrer Unsicherheit.

„Ich gehe besser ran“, sagte Barb. „Wenn einer von euch etwas braucht, ruft mich einfach.“

„Machen wir. Danke, Barbara“, antwortete Vaughn. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Allie. „Also … der Designer und der Projektmanager …“

„Stehen vor dir.“ Allie streckte ihre Hände aus, so wie sie es oft getan hatte, wenn sie als Kind eine kleine Show für sie aufgeführt hatte.

„Du bist also die Raumdesignerin?“ Vaughn runzelte die Stirn, verschränkte die Arme und stützte sein Kinn auf eine geschlossene Faust, während er sie betrachtete.

„Ja.“ Ihre Antwort war diesmal weniger fröhlich und enthielt einen Hauch von Empörung.

„Okay. Super“, sagte Vaughn leicht sarkastisch. „Was ist mit dem Projektmanager?“

„Steht auch vor dir.“

„Moment …“ Vaughn ließ seine Arme fallen und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er war nicht besonders groß, aber mindestens fünfzehn Zentimeter größer als sie. „Du machst beide Jobs?“

Rey wusste, dass dieser Job wichtig für ihn war, dass das Resort absolut perfekt werden musste und dass er einen straffen Zeitplan hatte. Und was tat er? Schickte seine kleine Schwester, die sowohl den Designer als auch den Projektmanager spielen sollte. Sobald er die kleine Allie weggeschickt hatte, würde er mit seinem besten Freund aus Kindertagen ein paar deutliche Worte wechseln.

„Ich weiß es zu schätzen, dass du dir Zeit genommen hast, und ich will nicht unhöflich sein. Aber ich habe Rey klar gemacht, wie wichtig dieser Job ist und dass ich einen sehr knappen Zeitplan habe. Wenn er die Sache also nicht ernst nimmt …“

„Na klasse.“ Allie fluchte auf Spanisch, verschränkte einen Arm vor der Brust und massierte sich mit dem anderen die Schläfe. „Warum muss eigentlich jeder gut aussehende Mann sein Maul aufreißen und die Illusion komplett zerstören?“, murmelte sie. „Das ist ein ziemlich enttäuschendes Verhalten von einem Mann, der ein paar wirklich ermutigende Balladen für weibliche Künstler geschrieben hat. Ganz zu schweigen davon, dass du dich in dem Rolling Stone-Artikel sogar als Feminist bezeichnet hast.“

Der Artikel war mindestens zehn Jahre alt. Konnte sie sich wirklich daran erinnern?

Vaughn ließ sich von Reys hübscher kleiner Schwester nicht beirren. Vielleicht war er etwas schroff gewesen, aber er war immer noch der Kunde, oder?

„Wenn Price Construction seine Kunden so behandelt, sollte ich vielleicht besser zu einer anderen Firma gehen.“

Allie schnaubte und stemmte eine Hand in ihre kurvige Hüfte. Seine Wangen und sein Vorderkopf fühlten sich bei dem Anblick an, als würden sie plötzlich in Flammen aufgehen.

„Wie du willst, Kumpel.“ Allie schnappte sich ihre Tasche und starrte ihn an. „Viel Glück bei der Suche nach jemandem, der dieses Projekt so kurzfristig übernehmen kann. In der Gegend gibt es einen Bauboom. Alle anderen Bauunternehmer in der Region haben genauso viel zu tun wie wir. Rey hat mich geschickt, weil ich die Beste für die Planung bin. Ich kümmere mich auch um das Projektmanagement, weil wir komplett ausgebucht sind. Wenn du zu sexistisch, stur und chauvinistisch bist, um anzuerkennen, dass du unglaubliches Glück hast, mit mir arbeiten zu dürfen, dann verdienst du die Entwürfe nicht, an denen ich in den letzten drei Tagen Tag und Nacht gearbeitet habe. Ich würde dir gerne Glück wünschen, aber wir wissen beide, dass ich es nicht wirklich so meine.“

Allie machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte mit ihrem hübschen Hintern zur Tür.

Vaughn stöhnte und fluchte leise vor sich hin. „Allie, warte!“ Er folgte ihr und ergriff ihre Hand, bevor sie sich davonmachen konnte.

Er könnte schwören, dass ein Stromschlag seinen Arm hinauffuhr und in seiner Brust explodierte. Es war diese Art von sofortiger Anziehung, die er seit langem nicht mehr erlebt hatte. Ein Gefühl, von dem der abgestumpfte alte Rocker glaubte, dass er dazu nicht mehr in der Lage war. Aber solche Schmetterlinge führten letztendlich nur zu Herzschmerz und, was noch schlimmer war, sie hatten seine Karriere ruiniert.

Allie drehte sich um, ihre dunklen Augen feurig, und sie blickte ihn erwartungsvoll an. Die kleine Allie Price war verdammt schön geworden, roch himmlisch und hatte volle, üppige Lippen, die ihm erotische Fantasien durch den Kopf schickten.

Aber schön oder nicht, Freundin oder nicht, Vaughn musste diesen Job schnell und gut erledigen. Und was auch immer passierte, er würde auf keinen Fall die immer noch nervige kleine Göre anbaggern, die sich offenbar in eine unglaubliche Göttin verwandelt hatte.

2. KAPITEL

„Gibt es einen bestimmten Grund, warum du mich aufhältst, oder macht es dir einfach Spaß, meine Hand zu halten?“

Vaughn ließ ihre Hand los und trat nach hinten, wobei er fast über einen Tisch stolperte. Schnell packte Allie ihn am Arm und hielt ihn fest.

„Danke“, murmelte er und steckte die Hände in seine Taschen.

Allie versuchte ihr Bestes, nicht zu grinsen. Sie hatte dem alten Freund ihres Bruders Rey eine klare Botschaft übermittelt: Leg dich nicht mit mir an.

Sie drückte die Umhängetasche mit ihren Utensilien an ihre Brust und musterte Vaughn, der den Anstand hatte, zerknirscht zu schauen, weil er sie unterschätzt hatte. Die Mappe enthielt das Blut, den Schweiß, die Tränen und den versäumten Schlaf von drei Tagen. Vaughn Reed mochte ein weltberühmter Rockstar sein. Aber sie würde auf keinen Fall zulassen, dass er einfach hereinspazierte und ihre harte Arbeit, ihre kostbare Zeit und ihre brillanten Entwürfe ignorierte.

Sie war die einzige Frau, die in der familieneigenen Baufirma arbeitete, die aus ihrem Vater, der sie immer noch Prinzessin nannte, und vier Brüdern bestand – alles Alphamännchen mit einem fehlgeleiteten Gefühl der Überfürsorglichkeit. Es war ein ständiger Kampf, sie dazu zu bringen, Allie ernst zu nehmen.

Es hatte sie viel Zeit gekostet, aber die fünf hatten schließlich zugestimmt, das Unternehmen um den Bereich Innenarchitektur zu erweitern. Eine Entscheidung, die sie wahrscheinlich als Gefälligkeit empfunden hatten, da Allie sich geweigert hatte, in der Firma als Büroleiterin oder Buchhalterin zu arbeiten.

Zusätzlich zu ihrem Studium der Innenarchitektur hatte Allie die gleichen Kurse für Bauunternehmer belegt, auf die ihr Vater bei ihren Brüdern bestanden hatte. Und sobald sie sich qualifiziert hatte, beantragte und erhielt sie ihre Lizenz als Bauunternehmerin. Allie hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich in beiden Disziplinen besser als alle anderen auszukennen.

„Das ist nicht mein erstes Doppelprojekt.“ Allie starrte den Mann an, in den sie als junges Mädchen und während ihrer Teenagerzeit total verknallt gewesen war. „Ich habe schon bei anderen Aufträgen das Design und Projektmanagement gleichzeitig bearbeitet.“

Bei sehr kleinen Projekten. Aber das musste Vaughn nicht wissen.

„Ich bin eine preisgekrönte Designerin, und wenn du aus diesem Resort ein glamouröses, modernes Haus machen willst, das Berühmtheiten anzieht und sich einen Namen macht, bin ich deine beste Wahl.“

Dieses Projekt für Vaughn war für Allie die perfekte Gelegenheit, ihrer Familie zu zeigen, wozu sie fähig war.

„Wer hat denn gesagt, dass ich hier Berühmtheiten beherbergen will?“ Vaughn zog eine Augenbraue hoch und rieb sich das bärtige Kinn.

Irgendetwas an dieser unschuldigen Bewegung löste ein Feuer in ihr aus.

Sie räusperte sich. „Vaughn, du bist ein weltberühmter Schlagzeuger und warst Gründungsmitglied einer der besten Rockbands aller Zeiten. Warum solltest du deinen Einfluss nicht nutzen und versuchen, Kunden anzuziehen, die es sich leisten können, Spitzenpreise zu zahlen?“ Allie zuckte mit den Schultern. „Außerdem habe ich nach dem, was Rey gesagt hat, den Eindruck, dass du das Resort behalten willst. Und wenn das so ist, willst du natürlich, dass dies ein Ort ist, der es wert ist, mit deinem Namen in Verbindung gebracht zu werden.“

Vaughn rieb sich immer noch das Kinn, als er ein paar Schritte ging und sich umschaute, als würde er das Gebäude zum ersten Mal sehen. Seine Augen leuchteten, und Allie war sich sicher, dass sie in ihnen Dollarzeichen sah.

Sie hatte Vaughn Reed genau da, wo sie ihn haben wollte. Okay, wo sie ihn wirklich wollte, war im Bett. Aber ihre Designideen umzusetzen und dem Unternehmen ihrer Familie einen dicken, fetten Scheck zu sichern, war natürlich auch ihr Ziel.

Vergiss es, Mädchen. Vaughn Reed ist ein Kunde, und du schläfst nicht mit Kunden.

Vaughn drehte sich zu ihr um. „Glaubst du wirklich, dass wir aus diesem alten Laden ein schickes Resort machen können? Vielleicht sogar ein Wellness-Spa?“

Jetzt leuchteten Allies Augen auf. Sie hatte etwas ganz Besonderes angestrebt, aber Vaughn wollte noch höher hinaus.

„Mir gefällt, wie du denkst, Vaughn Reed.“ Allie strahlte, als sie sich den Raum vorstellte. „Ich habe Yoga- und Meditationsräume eingeplant und könnte auch einen Schönheitssalon und ein paar Massageräume einrichten. Aber ich kann die Pläne auch gerne erweitern und das Resort zu einem echten Spa ausbauen. Dafür müssten wir auf dem Grundstück einige zusätzliche Gebäude errichten. Aber wenn du auf eine gehobene Kundschaft abzielst, holst du diese Kosten relativ schnell wieder rein.“

Die Rädchen in Allies Kopf drehten sich und sie war begeistert von der Richtung, in die diese Reise gehen würde.

„Also gut, dann zeig mal, was du anzubieten hast.“

Allie richtete sich auf, lächelte ihn an und stellte ihre Tasche auf den Tisch. Sie setzte sich auf den davorstehenden Barhocker, so anmutig, wie es bei ihrer Größe von knapp eins sechzig möglich war. Vaughn schob einen Hocker direkt an ihren heran und setzte sich so, dass sich ihre Schultern berührten. Sein verführerischer Duft – wahrscheinlich ein wahnsinnig teures europäisches Parfüm – war dezent. Dennoch umgab er sie wie eine warme, beruhigende Umarmung. Am liebsten hätte sie sich selbst darin eingewickelt – und ihn.

„Lass uns mit den Plänen beginnen, die ich bereits entwickelt habe. Dann gehen wir auf die zusätzlichen Änderungen und Kosten ein, die nötig sind, um das Resort so schnell wie möglich in ein vollwertiges Wellnesscenter zu verwandeln.“

Allie holte ihr Tablet aus der Tasche und drehte es so, dass beide die Pläne sehen konnten, die sie erstellt hatte. Kaum hatte sie die erste Seite aufgeschlagen, stieß Vaughn einen Pfiff aus.

„Wow. Das ist unglaublich, Allie“, staunte Vaughn, nachdem sie ihm den gesamten Plan für das Resort gezeigt hatte. Sie reichte ihm ihr Tablet, damit er sich die verschiedenen Teile des Plans ansehen konnte. „Du kannst das wirklich in ein paar Monaten auf die Beine stellen?“

„Wir können die Entwürfe, so wie sie aktuell geplant sind, bis Weihnachten fertigstellen“, erklärte sie. „Wenn du dich für die aufwendigere Option entscheidest, das Resort in ein Wellness-Spa zu verwandeln, müssen wir zusätzliche Gebäude bauen. Das können wir natürlich auch übernehmen und wir werden die Arbeit so schnell und effizient wie möglich erledigen. Aber ein Projekt wie dieses braucht natürlich Zeit, damit alles perfekt wird. Wenn du das Resort also so schnell wie möglich wiedereröffnen willst, könnten wir das Projekt in mehreren Phasen durchführen. Dies hier wäre Phase eins.“ Sie deutete auf die Entwürfe, die Vaughn immer noch bestaunte. „Phase zwei wären dann die zusätzlichen Gebäude, in denen die Elemente des Wellness-Spa untergebracht würden.“

„Dieser Vorschlag gefällt mir.“ Vaughn strich sich über das Kinn, und Allie schloss unwillkürlich die Hände zu Fäusten, als sie darüber nachdachte, wie sich sein dunkelbrauner, mit Grau durchsetzter Bart auf ihrer Haut anfühlen würde.

Sie schloss für einen Moment die Augen und versuchte, den Gedanken aus ihrem Kopf zu vertreiben.

„Das gibt mir die Gelegenheit zu sehen, wie sich die Dinge in der Anfangsphase des Projekts entwickeln und dann zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, das Projekt weiter auszubauen.“ Vaughn schien mehr laut zu denken, als sie direkt anzusprechen.

Allie schaltete sich trotzdem ein. „Es wird sich auf jeden Fall lohnen, mit Phase zwei des Projekts fortzufahren. Gib mir eine Woche Zeit und ich werde das Wellnesscenter deiner Träume entwerfen“, versicherte sie ihm.

„Allie Price, du bist so selbstbewusst wie immer.“ Ein kleines Lächeln umspielte einen Winkel von Vaughns sexy Mund. Ihr Herz flatterte daraufhin und sie hatte Schmetterlinge im Bauch.

„Ich weiß noch, wie ernst du früher die Gestaltung deiner Puppenhäuser genommen hast. Ich habe dich damals gefragt, was du werden willst, wenn du groß bist. Du sagtest, du willst Bauunternehmerin werden wie dein Vater. Aber du wolltest die schönsten Häuser bauen, die die Welt je gesehen hat.“

„Das habe ich gesagt?“ Allie konnte sich nicht an dieses Gespräch erinnern.

Sie erinnerte sich jedoch daran, dass sie Vaughn einen Heiratsantrag gemacht hatte, als sie zehn Jahre alt gewesen war. Sie hatte das Gespräch ihrer Eltern nach dem Tod von Vaughns Adoptivvater mit angehört. Dabei hatten sie erwähnt, dass er schon so viel verloren hatte. Er hatte nur noch seine Adoptivmutter, die ebenfalls krank war. Darüber hinaus hatte er keine andere Familie.

Allie hatte beschlossen, das zu ändern, indem sie Vaughn bat, sie zu heiraten. Auf diese Weise würde er ein offizielles Mitglied der Price-Familie werden.

Vaughn war überrascht gewesen, hatte aber freundlich auf ihren Antrag reagiert. Er sagte, sie sei die kleine Schwester, die er nie gehabt habe, und das wolle er nicht kaputt machen.

Allie hatte mit den Schultern gezuckt, „okay“ gesagt und dann weiter mit ihren Puppen gespielt.

„Ja, hast du.“ Vaughn reichte Allie das Tablet zurück. „Schon mit zehn wusstest du genau, was du wolltest. Und ich freue mich, dass du deine Träume verwirklichen konntest.“

„Danke, Vaughn.“ Allie strich sich ein paar Haarsträhnen hinters Ohr und lächelte verlegen. „Ich habe mich sehr gefreut, dass du ein weltberühmter Schlagzeuger geworden bist, genau wie du es dir vorgenommen hast, als du Willowvale Springs verlassen hast. Aber ich habe auch nie daran gezweifelt, dass du es schaffen würdest. Du warst einer der zielstrebigsten und entschlossensten Teenager, die ich je kennengelernt habe.“

Es entstand ein stiller Moment zwischen ihnen, der süß und vertraut, aber auch schmerzhaft unangenehm war.

„Ich würde gerne behaupten, dass diese Zielstrebigkeit eine bewundernswerte Charaktereigenschaft ist, mit der ich geboren wurde“, sagte Vaughn. „Aber wenn man in jungen Jahren so viel verliert und dann in eine Situation gerät, in der man das Gefühl hat, für sich selbst sorgen zu müssen … dann wird man schneller erwachsen, als man sollte.“ Vaughn zuckte mit den Schultern.

„Aber es war eine bewusste Entscheidung, worauf du deinen Fokus gelegt hast, Vaughn.“ Allie legte eine Hand auf sein Handgelenk und lächelte. „Deshalb solltest du deine Leistungen niemals unterschätzen. Du hast verdammt hart für deine Karriere gearbeitet. Du hast Sin & Glory mitbegründet. Du hast an einigen bahnbrechenden Alben und rekordverdächtigen Tourneen mitgewirkt. Und dann ist da noch deine Songwriter-Karriere, die gerade so richtig in Schwung kommt.“

„Wow.“ Vaughn rieb sich das Kinn. „Ich hätte nicht gedacht, dass irgendjemand zu Hause meinen Werdegang verfolgt.“ Er betrachtete sie aufmerksam.

Ups! Sie war innerhalb von zwei Sekunden von cool auf Stalker umgestiegen.

„Ich… äh… na ja, ich habe schon immer Musik geliebt. Außerdem warst du der beste Freund meines Bruders und gehörst zu den Stars von Willowvale Springs. Davon haben wir ja nicht gerade viele.“ Jetzt war es an ihr, mit den Schultern zu zucken. „Du hast es zu etwas gebracht, Vaughn. Die Leute hier sind stolz darauf, dich als einen von uns zu betrachten.“

Allie ließ sein Handgelenk los, räusperte sich und versuchte, die Wärme zu ignorieren, die ihren Arm hinaufgewandert war, als sie ihre Hand auf seine Haut gelegt hatte.

„Also, es klingt, als wärst du bereit, mit Phase eins des Umbaus loszulegen.“ Sie tippte auf die Tasten ihres Laptops, um die Parameter der Renovierung und die entsprechenden Zahlen zu aktualisieren.

Allie benutzte den veralteten Drucker des Resorts, um den Vertrag auszudrucken. Sie kreiste das voraussichtliche Fertigstellungsdatum und die geschätzten Kosten ein. „Das ist der veranschlagte Preis für das Projekt.“

Vaughn stieß einen Pfiff aus.

„Geschockt?“ Allie lachte, als er nickte. „Wenn du ein hochwertiges Endprodukt willst, musst du auch hochwertiges Material verwenden. Außerdem, stell dir mal vor, wie viel dich dieses Projekt in L. A. kosten würde.“

Vaughn stöhnte leise auf und nahm den teuren Füllfederhalter entgegen, den sie ihm hinhielt. „Stimmt.“

Sie gingen die Unterlagen durch und unterzeichneten die notwendigen Dokumente. Dann stieg Allie vom Hocker und packte ihre Sachen zusammen. Sie steckte Vaughns Scheck für den Vorschuss zusammen mit dem unterschriebenen Vertrag in ihre Mappe.

„Mein Team und ich sind ab Montag hier“, erklärte Allie. „In der Zwischenzeit erstelle ich die Pläne für Phase zwei des Projekts. Damit können wir anfangen, sobald wir mit Phase eins fertig sind. Wenn du möchtest, können wir die zweite Phase auch später beginnen. Aber wenn du erst mal siehst, wie wir hier alles umgestalten ...“ Allie schaute sich begeistert um, „...wirst du den zweiten Vertrag gar nicht schnell genug unterschreiben können.“

„Nach allem, was ich bisher gesehen habe, bezweifle ich das nicht.“ Vaughn stand ebenfalls auf und zog sie in eine Umarmung. Diese Umarmung war bei Weitem nicht so unangenehm wie ihre erste. „Tut mir leid, wenn ich rübergekommen bin wie ein …“

„Divo?“ Allie musste lachen, als sich seine Augen weiteten, als sie ihn als die männliche Version einer Diva bezeichnete.

„Ich wollte eigentlich Arsch sagen. Aber das passt auch.“ Vaughn rieb sich das Kinn und lächelte verlegen. „Ich empfinde mehr Druck, das hier zu etwas Gutem zu machen, als ich dachte. Danke, dass du das Projekt übernommen hast und dass du mich davor bewahrt hast, über den Tisch zu stürzen. Ich hätte mir sonst was brechen können.“

„Kein Problem.“ Allie hängte sich ihre Tasche auf die Schulter und grinste. „Außerdem musste ich die Hand schützen, die die Schecks ausstellt.“

Sie brachen beide in Gelächter aus, und es fühlte sich … gut an. „Wir sehen uns am Montag.“

Allie verabschiedete sich von Vaughn und Barb und stieg dann in ihr Auto. Sie konnte es kaum erwarten, ihrem Vater und ihren Brüdern zu sagen, dass sie das Projekt an Land gezogen hatte.

Auf der Fahrt zurück ins Büro musste sie immer wieder an Vaughn denken und daran, dass der Mann wie ein guter Wein gealtert war. Aber ihre Beziehung war eine geschäftliche, gepaart mit einer alten Freundschaft, und mehr würde es auch nie werden.

So war es am besten. Dennoch war Allie ein bisschen traurig, dass sich ihr lang gehegter Traum, mit dem Mann zusammen zu sein, den sie schon lange verehrt hatte, bevor er ein berühmter Rockstar geworden war, nie erfüllen würde.

3. KAPITEL

Vaughn wachte am Montag früh auf, nachdem er spät nachts aus L. A. gekommen war, wo er an einigen wichtigen Besprechungen teilgenommen hatte. Das erste Treffen war mit einem Studiomanager, den er und seine Agentin davon überzeugen wollten, Sin & Glory einen Plattenvertrag zu geben. Der zweite Termin war mit einer Sängerin aus Großbritannien, die sich international gerade einen Namen machte. Sie erzählte, dass ihre Eltern immer Sin & Glory hörten und dass sie geehrt sei, mit ihm zusammenzuarbeiten. Vaughn sollte Songs für ihr mit Spannung erwartetes zweites Album schreiben. Den ersten Deal schlug er aus, weil das Studio einen beschämend geringen Vorschuss bot, wenn er Steven nicht davon überzeugen konnte, der Band wieder beizutreten. Den zweiten nahm er an, weil er gut bezahlt war und Vaughn gerne mit der jungen Künstlerin arbeiten wollte. Er freute sich auf die Arbeit mit der quirligen zwanzigjährigen Sängerin, fühlte sich dadurch aber irgendwie auch wie ein Rock-Relikt.

Das Haus seiner Eltern war für den Herbst und die Feiertage ausgebucht. So blieb ihm nichts anderes übrig, als während der Renovierung des Resorts in eine der freien Blockhütten auf dem Grundstück zu ziehen. Die Hütte war nur einen Steinwurf vom Haupthaus und nicht weit vom Außenpool entfernt. Sie lag abgeschieden und war gemütlich, aber wie der Rest des Resorts war auch diese Unterkunft stark renovierungsbedürftig.

Die Renovierung der einzelnen Hütten würde der letzte Teil der ersten Phase sein. Heute wollten Allie und ihr Team mit den Arbeiten am Haupthaus beginnen.

Allie.

Vaughn stöhnte leise. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu der hinreißenden, talentierten und feurigen Allie Price zurück.

Warum hatte er sie nicht gleich erkannt, als sie in den Raum gekommen war? In vielerlei Hinsicht war Allie noch genau so, wie sie es als Kind gewesen war. Sie war süß und liebenswert, solange man nett zu ihr war. Aber wenn man sich mit ihr anlegte, verwandelte sich die Kleinste auf dem Spielplatz in einen feuerspeienden Drachen. Vaughn war wie ein weiterer großer Bruder für Allie gewesen. Aber er musste sie nie beschützen, weil sie sich sehr gut selbst wehren konnte.

Vaughn stieg aus dem Bett, ging ins Bad und sprang unter die Dusche.

Er war neun Jahre älter als Allie, also müsste sie jetzt dreißig sein. Heute spielte der Altersunterschied keine große Rolle mehr. Sie waren beide erwachsen. Aber er bezweifelte, dass Allies vier ältere Brüder das auch so sehen würden. Vor allem nicht sein bester Freund aus Kindertagen, Rey.

Dennoch konnte er nicht mehr aufhören, an Allie zu denken. Es war Lust, ganz einfach. Doch auf keinen Fall wollte er eine weitere Freundschaft zerstören, indem er sich mit der Schwester seines besten Freundes einließ.

Mach nicht zweimal dieselbe Dummheit, Mann. Lerne aus deinen Fehlern.

Vielleicht würde ihn ein hartes Training von der umwerfenden Frau ablenken, zu der Allie Price herangewachsen war. Vaughn schlüpfte in eine Jogginghose, ein altes T-Shirt, seine Socken und Turnschuhe. Dann schnappte er sich ein Handtuch aus dem Bad und machte sich auf den Weg zum Fitnessraum im Hauptgebäude. Danach könnte er sich vielleicht noch ein schnelles Frühstück machen, bevor die Abrissarbeiten in der Küche begannen.

Er würde weg sein, bevor Allie und ihr Team ankamen. Denn aufgrund seiner Gefühle für Allie war es sicher am besten, wenn er die Anzahl der Begegnungen zwischen ihnen beiden minimierte.

Was machst du dann hier in Willowvale Springs? Warum bist du nicht in L. A.? Es ist ja nicht so, dass du nichts zu tun hättest.

Die Stimme in seinem Kopf war wirklich nervig. Vaughn schloss die Hütte ab und joggte in Richtung des Haupthauses.

Ja, warum war er in Willowvale Springs, wo es doch so viele andere Dinge gab, die er jetzt erledigen musste? Er hätte einfach die Baufirma der Prices mit den Renovierungsarbeiten beauftragen und dann nach L. A. zurückfliegen und telefonisch mit Allie in Kontakt bleiben können. Aber so war er nicht. Er war ein Perfektionist, der die Dinge genau so haben wollte, wie er sie nun mal wollte – vor allem, wenn sein Name mit dem Projekt in Verbindung gebracht werden sollte.

Diese Renovierung war wichtig für Vaughn. Nicht nur, weil er mit der unerwarteten Erbschaft das neue Album von Sin & Glory finanzieren wollte. Das Resort war ein unglaublich aufmerksames Geschenk von einem Mann, den er sehr verehrte. Hank war kein Mann der vielen Worte gewesen. Aber die Worte, die er gesagt hatte, bedeuteten Vaughn sehr viel.

Hank hatte Vaughn nach dem Tod seiner Adoptiveltern versprochen, dass er und Edith sich um ihn kümmern würden, wenn er hier bliebe. Sie würden ihn behandeln, als wäre er ihr eigen Fleisch und Blut. Er fragte sich, ob der alte Mann jemals gewusst hatte, wie viel ihm sein Angebot bedeutet hatte.

Trotzdem musste Vaughn seinen eigenen Weg gehen und seine Träume verwirklichen. Und er war froh, dass er das getan hatte. Doch als er sich auf den Weg zum Haupthaus machte, überkamen ihn Schuldgefühle. Ja, seine Träume zu verfolgen war ein wichtiges Ziel. Aber er hätte sich auch die Zeit nehmen sollen, sich um Hank, Edith und die Prices zu kümmern. Sie gehörten genauso zu seiner Familie wie seine leiblichen Eltern und seine Adoptiveltern.

Deshalb war er fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass das renovierte Resort der Stadt, die ihm immer sehr am Herzen gelegen hatte, würdig sein würde. Und der großzügigen Geste von Hank. Also er würde nichts Dummes tun – wie etwa Allie anmachen. Er würde seine Beziehung zu der einzigen Familie, die er noch hatte, nicht ruinieren.

Allie parkte ihren Wagen, öffnete den Kofferraum, holte den Rollwagen heraus und belud ihn mit einem Tablett voller Frühstücksbrötchen, einer Obstschale, einer Schachtel Donuts, mehreren Kannen Kaffee und allem, was zu einem Frühstück gehörte. Es war nicht ganz einfach, den Wagen die Treppe hinaufzubekommen, ohne dass alles umkippte, aber sie schaffte es. Sie tippte den Code für das Schloss ein und betrat das leere Gebäude.

Da bis zum Jahresende nur wenige Reservierungen vorlagen, hatte Vaughn beschlossen, diese zu stornieren. Er hatte sich bei den Gästen dafür entschuldigt und ihnen zugesagt, dass sie zum gleichen Preis bald in dem neu renovierten Resort buchen könnten. Außerdem gab er Barb und dem Personal bezahlten Urlaub, damit Allies Team so schnell wie möglich mit dem Umbau starten konnte.

Allie wusch sich die Hände und bereitete alles vor, damit das kleine Festmahl, mit dem sie ihre Mitarbeiter am ersten Arbeitstag immer verwöhnte, fertig war, bevor der erste Arbeiter zur Tür hereinkam.

„Hier riecht es wirklich gut.“

„Vaughn?“ Allie drehte sich abrupt um und stieß dabei fast die Krüge mit Cranberry- und Orangensaft um. Sie hielt die schwankenden Behälter fest und Vaughn eilte herbei, um ihr zu helfen.

„Tut mir leid, Al. Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Vaughn legte ihr eine feste Hand auf die Schulter, und Allie könnte schwören, dass sie einen winzigen Stromschlag spürte.

Verdammt, der Mann war total verschwitzt und trug eine eng anliegende Jogginghose und kein Shirt. Trotz seiner schlanken Statur war er superfit und hatte kräftige Muskeln. Die feinen Haare auf seiner Brust zogen sich über seinen Waschbrettbauch und zeichneten sich unter dem Hosenbund ab.

Allie schluckte schwer, ihr Herz klopfte wild und ihr Puls hallte in ihren Ohren wider. „Schon gut. Ich habe dich nur nicht hier erwartet.“

„Ich dachte, ich trainiere ein bisschen und schaue mir das alte Resort ein letztes Mal an, bevor deine Crew die Wände einreißt.“ Er blickte sich ehrfürchtig in dem Raum um.

Allie räusperte sich. „Okay, ich hatte nur nicht erwartet, dass du hier in Wyoming bist. Ich dachte, du wärst am Tag nach unserem Treffen zurück nach L. A. geflogen.“

„Bin ich auch“, bestätigte Vaughn. Er schlüpfte in das schwarze T-Shirt, das über seiner Schulter hing. „Aber dieses Projekt ist wirklich wichtig für mich und für meine zukünftigen Pläne für Sin & Glory. Deshalb wollte ich vor Ort bleiben und erreichbar sein.“

Na toll. Noch ein Kunde, der ihr während des gesamten Projekts über die Schulter sehen würde.

„Wenn es an der Zeit ist, Farben, Bodenbeläge, Möbel und andere Gestaltungsmöglichkeiten auszuwählen, können wir auch einfach per Videokonferenz oder Textnachrichten zusammenarbeiten.“ Sie schaute auf die Uhr und machte dann weiter damit, den Tisch zu decken.

„Ich bin eigentlich lieber vor Ort und greifbar.“

„Aber du hast den Entwurf doch schon abgesegnet.“ Allie warf einen Blick über ihre Schulter. „Traust du meinem Urteilsvermögen nicht?“

„Natürlich traue ich dir, Allie. Sonst hätte ich dich ja nicht eingestellt. Aber ich war schon immer ein sehr visueller und taktiler Mensch. So nehme ich die nötigen Informationen am besten auf, um Entscheidungen zu treffen.“

Allie drehte sich um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du sagtest, dieses Projekt sei wichtig für die Zukunft der Band. Mir war nicht klar, dass die Band eine Zukunft hat“, meinte sie zögernd. Das war ein heikles Thema und sie wollte ihren bisher größten Kunden nicht verärgern. „Ich meine, ihr habt euch vor vier oder fünf Jahren getrennt. Und in jedem Interview, das ich von Steven Iverson gelesen habe, hat er immer beteuert, dass es niemals eine Wiedervereinigung geben würde.“

Vaughn zuckte zusammen. Die Erinnerungen, die ihm durch den Kopf gingen, waren eindeutig schmerzhaft. Sie bedauerte sofort, dass sie Stevens offensichtliche Feindseligkeit gegenüber der Band erwähnt hatte.

„Tut mir leid, Vaughn. Ich wollte nicht …“

„Ist schon gut.“ Er zwang sich zu einem Lächeln und schien sich mehr Sorgen darüber zu machen, dass das Gespräch ihr Unbehagen bereiten könnte.

Das war der Vaughn Reed, den sie immer gekannt hatte. Lieb, rücksichtsvoll, aufmerksam und emotional intelligent.

„Du hast recht. Steven ist nicht daran interessiert, ein Reunion-Album oder eine Reunion-Tour zu machen. Aber der Rest der Band ist es, und ich werde nicht zulassen, dass er uns das nimmt, vor allem, weil seine Feindseligkeit mir und dem Rest der Band gegenüber …“

„Auf einer Lüge basiert?“ Was ihr das Herz noch mehr gebrochen hatte als die Nachricht, dass Vaughn Stevens Schwester geheiratet hatte, war die Meldung, dass Vaughn sie angeblich betrogen hatte, was der Grund für ihre Scheidung und die Auflösung von Sin & Glory war. Sie hatte es nicht geglaubt. Konnte es nicht glauben. Denn es passte nicht zu der Persönlichkeit des Mannes, den sie als Kind verehrt hatte. Aber die Klatschpresse war unerbittlich und die Geschichten schienen so überzeugend. Doch ein kleiner Teil ihres Herzens hoffte, dass es nicht wahr war.

„Ja, genau.“ Vaughn kratzte sich die Bartstoppeln am Kinn. „Eva hat Steve und ihre Eltern immer um den kleinen Finger gewickelt. Deshalb hat er sich nichts von dem angehört, was ich zu sagen hatte. Und er war genauso wütend auf die anderen Jungs, als sie versuchten, mich zu verteidigen. Ich bin überzeugt, dass das alles Teil des Plans war. Eva hatte Steve schon seit einiger Zeit gedrängt, eine Solokarriere zu beginnen. Ich glaube, dass all das, was passiert ist, Teil ihres Plans war, ihren Bruder in Richtung Solokarriere zu manövrieren.“

„Was hätte ihr das gebracht?“ Allie zweifelte nicht an Vaughns Einschätzung. Sie verstand sie nur nicht ganz.

„Sie war ein paar Jahre zuvor seine Agentin geworden“, erklärte er. „Zu der Zeit war Steve ihr einziger Kunde. Nachdem er solo unterwegs war, hat sie noch ein paar andere Kunden gewonnen.“

„Wow. Deine Ex war ja echt heftig drauf.“

„Ja, war sie.“ Vaughn stieß einen leisen Seufzer aus. „Aber ich habe genug Zeit damit verbracht, wütend auf sie zu sein, weil sie gelogen hat, und auf Steve, weil er nicht einmal bereit war, sich meine Seite der Geschichte anzuhören. Und nachdem einige Zeit vergangen war, habe ich versucht, mich mit ihm zu versöhnen. Ich wollte sehen, ob er bereit wäre, mir zuzuhören. Aber er hat sich nicht von seinem Standpunkt abbringen lassen. Also machen wir jetzt wohl ohne ihn weiter.“

„Aber Steven war die Stimme von Sin & Glory“, meinte Allie. „Und er hat einen unverwechselbaren Gesang. Wie kann man so ein einzigartiges Talent ersetzen?“

„Das bereitet mir auch Kopfzerbrechen“, gab Vaughn zu. „Aber mein Team hat mir versichert, dass die Sin & Glory-Fans sich nach einer Wiedervereinigung sehnen, auch wenn das bedeutet, dass sie ohne Steve stattfindet.“

„Wow.“ Allie war fasziniert von den Hintergründen der Bandgeschichte. „Kaffee?“ Sie füllte eine der Kaffeetassen.

„Gerne.“ Vaughn trat an den Tisch heran „Und vielleicht auch eins von den Himbeerteilchen?“

„Natürlich.“ Allie reicht ihm die Tasse. „Nimm dir, was du möchtest.“ Allie deutete auf das Frühstücksbüffet.

Aber als sie ihren Blick wieder auf Vaughn richtete, schaute er nicht auf das Essen. Er betrachtete ihren Körper – als wäre sie das einzige Schmankerl, an dem er interessiert war. In seinen tiefgründigen, braunen Augen lag eine Sehnsucht, die ihr eine Welle des Verlangens durch die Brust jagte und ihr fast den Atem raubte. Sie schluckte heftig, als ihr ein Schauer den Rücken hinunterlief.

„Danke.“ Vaughn senkte den Kopf und sah ihr in die Augen. Er nahm eine Serviette und griff damit nach einem Himbeerteilchen.

Allies Herz pochte bei der Erkenntnis, dass ihre verrückte Schwärmerei für Vaughn Reed vielleicht zum ersten Mal seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr nur einseitig war. Aber natürlich passierte das genau in dem Moment, in dem sie nicht darauf eingehen durfte.

Vaughn war ein Kunde. Sie fing grundsätzlich nichts mit Kunden an. Das war eine feste Regel, die ihr Vater für sie alle aufgestellt hatte. Bis jetzt war sie mit dieser Regel immer einverstanden gewesen.

Aber das war nun mal Vaughn.

Als er hierher zurückgekehrt war, stellte sie fest, dass sie immer noch in ihn verknallt war – eine Verliebtheit, von der sie so sicher gewesen war, dass sie sie überwunden hatte. Nur war sie jetzt kein dummes kleines Mädchen mehr, das in einen viel älteren Jungen verknallt war. Sie war eine erwachsene Frau und sie war Vaughn ebenbürtig.

Aber er war immer noch ein Kunde.

Allie schnaufte lautlos, als sie Vaughn dabei zusah, wie er sich einen kleinen Teller mit frischem Obst anrichtete. Sie sollte Vaughn einfach in Ruhe lassen und ihren Job machen. Aber ein Teil von ihr konnte der Gelegenheit nicht widerstehen, etwas Zeit mit ihm zu verbringen.

Sie warf einen Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk und räusperte sich dann. „Ich habe noch etwa fünfzehn Minuten Zeit, bevor die Jungs kommen“, sagte Allie eilig und ihr Puls raste. „Wollen wir zusammen frühstücken?“

Ein Lächeln glitt über Vaughns hübsches Gesicht. Er nickte. „Klar. Sollen wir uns da rüber setzen?“ Vaughn deutete auf den Tisch, an dem sie neulich ihre Renovierungspläne durchgegangen waren.

„Sehr gerne.“ Sie lächelte, während sie sich eilig einen Teller herrichtete, um mit Vaughn zu frühstücken.

4. KAPITEL

Vaughn saß an dem Digitalpiano, das er bei seiner Rückkehr aus L. A. mitgebracht hatte, und spielte ein paar der Noten, die er in der letzten Nacht geschrieben hatte. Er hatte die Woche seit seiner Rückkehr damit verbracht, Songs für Extreme Overload zu schreiben – eine befreundete Band, für die er alle Songs für das neue Album schreiben sollte. Aber der Termin, zu dem er versprochen hatte, die ersten Songs abzuliefern, rückte immer näher, und er hatte noch nichts geschrieben, das auch nur das Papier wert war, auf dem es stand.

Plötzlich wurde er von einer Bewegung und dem Klang von Applaus aufgeschreckt. Vaughn riss seinen Kopf herum und wurde von dem wunderschönen Gesicht und dem strahlenden Lächeln der Frau begrüßt, mit der er sich so beschäftigt hatte.

„Allie?“

„Ich habe geklopft, aber du hast mich wohl nicht gehört“, sagte Allie. „Die Haustür war offen und ich hö...

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