Baccara Exklusiv Band 183

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EIN VERHEIßUNGSVOLLES ANGEBOT von LECLAIRE, DAY
Kellnerin Larkin ist fassungslos: Der millionenschwere Unternehmer Rafaelo Dante will sie als seine Braut engagieren, damit seine Familie aufhört, ihn zu verkuppeln. Ein verheißungsvolles Angebot! Nur mit einem haben sie nicht gerechnet - damit, sich ineinander zu verlieben …

NUR EIN SINNLICHES VERGNÜGEN? von GOLD, KRISTI
Mallory träumt von einem Baby. Und der erfolgreiche Architekt Whit Manning soll der Vater werden: Denn er ist sexy, intelligent und sucht nur flüchtige Affären. Ihn zu verführen wird zu einem einzigen sinnlichen Vergnügen, bei dem auf einmal viel zu viele Gefühle mit im Spiel sind …

DEINE KÜSSE VERZAUBERN MICH! von JACKSON, BRENDA
Warum musste der Job Summer ausgerechnet hierher verschlagen? Sieben Jahre lang hat sie versucht, Darius zu vergessen. Und nun ist sie zurück in seiner Stadt. Nie wieder hat jemand sie so stürmisch geküsst, nie solch ungezügeltes Verlangen in ihr geweckt. Ob das immer noch so ist?


  • Erscheinungstag 26.07.2019
  • Bandnummer 0183
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725778
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Day Leclaire, Kristi Gold, Brenda Jackson

BACCARA EXKLUSIV BAND 183

1. KAPITEL

Diesmal war seine Familie zu weit gegangen.

Rafe Dante blickte entgeistert auf die vielen jungen Frauen, die seine Familienangehörigen mitgebracht hatten. Er konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wie vielen Frauen er gezwungenermaßen die Hand hatte schütteln müssen. Verärgert biss er die Zähne zusammen. Natürlich wusste er genau, warum seine Familie ihm das antat. Sie alle waren darauf aus, eine Frau für ihn zu finden. Nein, mehr als nur eine Frau.

Sie wollten seine Inferno-Seelengefährtin finden – gemäß der alten Dante-Legende, die er für puren Unsinn hielt. Aus irgendeinem Grund glaubte seine Familie fest daran, dass eine Berührung ausreichte, damit zwischen einem Dante und seiner Seelengefährtin eine geheimnisvolle, mythische Verbindung entstand. Das war selbstverständlich glatter Aberglaube. Warum begriffen sie das denn nicht?

Nicht nur, dass er nicht an das Inferno glaubte – er hatte ohnehin kein Interesse daran, noch einmal zu heiraten. Seine erste Ehe mit der verstorbenen Leigh hatte ihm gereicht. Vom selig gehauchten „Ja, ich will“ bis zum zornig hervorgestoßenen „Mein Anwalt meldet sich telefonisch bei dir“ hatte es nicht lange gedauert. Zu diesem Anruf war es dann allerdings nicht mehr gekommen. Vor anderthalb Jahren hatte seine Frau ein Privatflugzeug für einen Flug nach Mexiko gemietet. Sie hatte sich im Urlaub von der schief gelaufenen Ehe erholen wollen, doch dann hatte ein weitaus schlimmeres Schicksal sie ereilt. Das Flugzeug war gegen einen Berg geprallt, und alle Insassen waren bei dem Unglück umgekommen.

Rafes jüngerer Bruder Draco gesellte sich zu ihm. „Na, gibst du endlich deinen Widerstand auf und suchst dir eine aus?“

„Mach keine blöden Witze.“

„Ich meine das völlig ernst.“

Missmutig sah Rafe seinen Bruder an. „Kannst du dir vorstellen, wie schlimm das letzte Vierteljahr für mich gewesen ist?“

„Allerdings. Ich habe das am Rande durchaus alles mitbekommen, falls es dir entgangen ist. Außerdem weiß ich ganz genau, dass ich der Nächste auf der Abschussliste bin, sobald du dem Inferno erliegst. Deswegen ist es mir sogar sehr recht, wenn du dich so lange wie möglich sträubst.“

„Das habe ich auch vor.“

Seufzend blickte Rafe in die Menschenmenge. Auf der internationalen Schmuckpräsentation der Firma Dante gab es alles, was sich ein Mann nur wünschen konnte – Wein, schöne Frauen und Luxus in Form teurer Diamanten. Aber er wollte nichts von alledem.

Der edle Tropfen in seinem Glas stammte von dem kalifornischen Weingut in Sonoma, nur ein paar Autostunden von der Firmenzentrale seiner Familie in San Francisco entfernt. Der Wein war so exquisit wie die Gäste. Die eingeladenen wohlhabenden Frauen hatten eine Strahlkraft, die fast die ausgestellten prachtvollen Brillantringe in den Schatten stellte. Wenigstens der Luxus in Form der ausgestellten Diamanten fiel teilweise in seinen Bereich, weil die wertvollen Stücke meist von Dantes Kurierservice transportiert wurden, für den er tätig war.

Dennoch langweilte Rafe sich furchtbar. Wie oft hatte er schon an solchen Schmuckpräsentationen teilgenommen. Immer wachsam, immer unauffällig die teuren Stücke im Blick. Die geladenen Gäste beachteten ihn, den einsamen Wolf, kaum, bis dann stets irgendwann eines der Familienmitglieder ihm eine potenzielle Braut vorstellte. Das Ganze war schon so oft passiert, dass er gar nicht mehr mitzählte.

Heute wurde die neueste Dante-Kollektion vorgestellt, die „Eternity“ genannt wurde und ausschließlich aus Trauringen bestand, jedes Stück ein Unikat. Die Ringe kombinierten die Feuerdiamanten, für die seine Familie berühmt war, mit dem Platin-Eisgold der Firma Billings, die von Rafes Schwägerin Téa Dante geführt wurde. Es war gerade erst ein Vierteljahr her, dass Téa seinen älteren Bruder Luc geheiratet hatte. Der Anblick all dieser Ringe, die Liebe und Hingabe symbolisierten, erfüllte Rafe mit Bitterkeit.

Das hatte er alles schon hinter sich. Die Wunden waren noch immer nicht verheilt.

Und in diesem Moment sah er sie.

Die kleine blonde Elfe, die zum Catering-Team gehörte, konnte vielleicht nicht den Titel der schönsten Frau auf dieser Veranstaltung für sich verbuchen, aber aus irgendeinem Grund konnte Rafe den Blick nicht von ihr wenden.

Warum gerade sie ihn so faszinierte, konnte er sich nicht erklären. Sicher, sie sah gut aus und schien den Schalk im Nacken zu haben, was sie für ihn schon interessant machte. Aber vielleicht waren es auch ihr Haar und ihre Augen. Ihr Haar war hellblond, in etwa der Farbton des Sandes am Strand einer Karibikinsel. Ihre Augen leuchteten türkis wie die Meereswellen, die an den Strand schlugen. Doch vor allem löste sie ein merkwürdiges Kribbeln in ihm aus, das ihn dazu drängte, ihr näher zu kommen. In jeder Hinsicht.

Elegant, fast tänzerisch, bewegte sie sich durch den Ausstellungsraum. Ja, sie hatte den Körper einer Tänzerin, schlank und geschmeidig, auch wenn sie für diesen Beruf vielleicht ein wenig zu klein war. In ihrem Catering-Kostüm, schwarze Hose und rote Weste, sah sie einfach zum Anbeißen aus.

Schon war sie mit ihrem Tablett voller Cocktailhäppchen in der Menge verschwunden, und für den Bruchteil einer Sekunde war er versucht, ihr nachzugehen. Doch schon ein paar Minuten später tauchte die kleine zierliche Person wieder auf, diesmal mit einem Tablett voller Champagnergläser. Leider bewegte sie sich damit nicht auf ihn zu, sondern ging genau in die entgegengesetzte Richtung.

Das ärgerte Rafe, und um ihr mehr oder weniger „zufällig“ zu begegnen, bewegte er sich ebenfalls in diese Richtung. Doch auf seinem Weg wurde er von Draco aufgehalten, der ihm plötzlich die Hand auf die Schulter legte.

„Was gibt’s denn?“, fragte Rafe verärgert. „Ich habe Durst und wollte mir etwas zu trinken …“

Wissend sah Draco ihn an. „Kommt mir eher so vor, als ob du Hunger hättest. Aber du bist hier in der Öffentlichkeit. Deinen Appetit solltest du lieber bei anderer Gelegenheit stillen.“

„Auf deine weisen Ratschläge habe ich gerade gewartet.“

„Ruhig, Brüderchen, ganz ruhig. Kommt Zeit, kommt Rat.“ Draco wechselte vorsichtshalber das Thema und wies auf eine der Vitrinen. „Sieht so aus, als ob Francescas Trauring-Kollektion ein voller Erfolg wird. Sev muss überglücklich sein.“

Nur widerwillig ließ Rafe sich auf das Gespräch ein. „Wenn er überglücklich ist, dann wohl eher wegen der Geburt seines Sohnes. Aber Francescas Erfolg hier ist sicherlich eine nette Dreingabe.“

Verschwörerisch senkte Draco den Kopf. „Erzähl mal“, raunte er seinem Bruder zu, „wie viele Heiratskandidatinnen haben unsere lieben Großeltern dir heute schon vorgestellt?“

„Ein ganzes Dutzend, ob du’s glaubst oder nicht. Und jeder musste ich die Hand geben. Sie scheinen zu erwarten, dass ich vor elektrischer Spannung hell erstrahle, wenn ich die Richtige berühre.“

„Selber schuld. Du hättest Luc niemals erzählen dürfen, dass du bei Leigh nie das Inferno verspürt hast. Jetzt ist natürlich die ganze Familie wild darauf, dir endlich die Richtige vorzustellen.“

Rafe ärgerte, dass fast alle aus seiner Verwandtschaft an die Familienlegende glaubten. Er sah das ganz anders.

Es gab kein Inferno.

Der Legende nach wurde ein ewiger Bund geschlossen, wenn ein Dante zum ersten Mal die ihm vorherbestimmte Seelengefährtin berührte. Was für ein himmelschreiender Blödsinn! Das war ja so, als ob die Trauringe aus der Eternity-Kollektion den Käufern eine immerwährende glückliche Ehe garantieren würden. Manche Paare hatten Glück, so wie seine Großeltern Primo und Nonna. Und manche eben nicht. So wie er. Die Ehe mit seiner verstorbenen Frau Leigh war die reinste Katastrophe gewesen.

Nachdenklich musterte Rafe seinen älteren Brüder Luc und dessen Frau Téa. Sie tanzten, schwebten geradezu, und wenn sie einander in die Augen sahen, schien für sie nichts anderes auf der Welt mehr zu existieren. Ihre Gesichtszüge strahlten das vollkommene Glück aus. Verflixt noch mal, dachte Rafe, selbst wenn Leigh und ich mitten im leidenschaftlichsten Sex waren, haben wir uns nie so verliebt angesehen. Nie.

Vielleicht war es auch ein bisschen meine Schuld, ging es ihm durch den Kopf. Die Frauen, mit denen ich zusammen war, haben mir immer das Gleiche vorgeworfen. Dass ich die Eigenschaften, die ich fürs Berufsleben brauche – praktisches Denken, kalte Logik – auch privat nicht abstellen kann. Sicher, er sah blendend aus, wie alle Dantes, und auch über seine feurige Leidenschaft im Bett hatte sich noch niemand beklagt. Aber Sex war eben nicht alles. Die Frauen – alle Frauen – bemängelten an ihm, dass er kaum Gefühle zeigte, abwesend und unzugänglich war. Und manch eine hatte ihm sogar schaudernd gestanden, dass er sie einschüchterte, ihr vielleicht sogar ein wenig Angst machte.

Sie alle hatten eines nicht verstanden: Die Liebe oder das, was man so Liebe nannte, war nicht sein Ding. Seine verstorbene Frau Leigh hatte ihn eigentlich nur geheiratet, weil er ein reicher und mächtiger Dante war. Die Frauen, die eine Affäre mit ihm wollten, suchten nur ihren Spaß. Wenn man das Liebe nannte – nein, danke. Und diese Inferno-Liebe, diese allumfassende Glückseligkeit, von der ihm seine Verwandten vorschwärmten, ging schon mal gar nicht. Nicht für ihn.

Rafe wusste schließlich am besten, wie er war. Wie er tickte. Eines war ihm sonnenklar: Er hatte diese Inferno-Liebe nie erlebt und würde sie auch nie erleben. Und das war ihm nur recht so.

„Schon als mir die ersten potenziellen Bräute vorgestellt wurden, hat es mich genervt“, gestand er seinem Bruder. „Aber weil die Vorschläge damals nur von Nonna und Primo kamen, konnte ich nicht viel dagegen sagen. Inzwischen fühlen sich aber alle Familienmitglieder bemüßigt, mir bildhübsche junge Frauen vorzustellen. Das geht tagtäglich so.“

„Ein Schicksal schlimmer als der Tod“, kommentierte Draco ironisch und gab jemandem hinter Rafes Rücken ein Handzeichen.

„Mach dich nur über mich lustig! Wärst du an meiner Stelle, dann würdest du es auch so sehen.“

„Bin ich aber nicht.“ Draco griff hinter Rafe und hielt plötzlich ein Champagnerglas in der Hand. „Möchtest du auch einen?“

„Klar.“

„Heute ist dein Glückstag. Die Dame mit dem Tablett steht direkt hinter dir.“ Er lächelte vielsagend. „Und sag bloß nicht, dass ich dir nie einen Gefallen tue.“

Zunächst verstand Rafe nicht, was sein Bruder meinte. Doch als er sich umdrehte, um sich ein Glas zu nehmen, stand seine blonde Elfe da. Aus nächster Nähe sah sie noch hübscher aus.

Er prostete ihr mit dem Champagnerglas zu. „Danke.“

Als sie ihn anlächelte, ging ihm das Herz auf. „Nichts zu danken.“ Selbst ihre sinnliche, melodiöse Stimme begeisterte ihn.

Draco verfolgte die Szene amüsiert. „Es gäbe schon Mittel und Wege, damit die Verwandten dich nicht mehr mit Vorschlägen nerven.“

„Raus damit!“

Draco lächelte. „Du musst einfach deine Inferno-Braut finden.“

„Du blöder …“ Rafe sparte sich den letzten Teil des Satzes. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nie wieder heiraten werde. Nicht nach der Katastrophe, die ich mit Leigh erlebt habe.“

In diesem Moment zuckte seine hübsche Elfe zusammen, und die Gläser auf ihrem Tablett berührten sich und begannen zu klirren. Fast gelang es ihr, das Tablett wieder gerade zu halten, doch dann entglitt es ihr doch noch, und alles fiel zu Boden.

Instinktiv packte Rafe die Kellnerin bei der Hüfte und zog sie von dem Gemisch aus Champagner und feinen Glassplittern am Boden fort. Als er sie berührte, durchzuckte es ihn heiß, und er hatte Visionen nackter Körper im Mondschein.

Blitzschnell verscheuchte er diese Gedanken. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte er besorgt.

Verwirrt nickte sie. „Ich glaube schon.“

Als sie ihn ansah, versank er regelrecht in ihren türkisfarbenen Augen. In ihrem Blick erkannte er Zerknirschung und merkwürdigerweise auch einen Anflug von Panik. Aber leider nichts von der Leidenschaft, die er soeben verspürt hatte. Wie schade.

„Das tut mir so leid“, sagte sie. „Ich wollte nur einen Schritt zurücktreten, und dabei ist es passiert.“

„Aber Sie haben sich nicht am Glas geschnitten, oder?“

„Nein“, antwortete sie aufseufzend. „Ich kann mich wirklich nur entschuldigen. Ich mache das gleich weg.“

Doch bevor sie damit beginnen konnte, kam ein Mann aus der Catering-Truppe auf sie zugeeilt. Er war offenbar ihr Vorgesetzter, denn schnell winkte er noch eine zweite Kellnerin heran, und gemeinsam beseitigten die beiden Frauen die Glassplitter. Anschließend schob er die blonde Elfe zu Rafe hinüber.

„Larkin, möchtest du Mr. Dante nicht etwas sagen?“, fragte er fordernd.

„Ich möchte mich nochmals für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, die ich Ihnen bereitet habe“, erklärte sie.

Rafe lächelte erst sie an, dann ihren Chef. „Kein Problem, so etwas kann passieren. Und in diesem Fall war es außerdem ganz allein meine Schuld. Ich habe Larkin versehentlich angestoßen, nur deshalb ist das Ganze passiert.“

Rafe hatte keinen Zweifel daran, dass der Vorgesetzte ihm die Geschichte abkaufte, doch plötzlich stieß Larkin hervor: „Nein, nein, es war mein Fehler. Mr. Dante trifft keine Schuld.“

Ihr Chef seufzte. „Verstehe. Ihr Verhalten ist sehr ehrenwert, Mr. Dante, und ich danke Ihnen dafür. Larkin, bitte gehen Sie in die Küche und warten Sie dort auf mich.“

„Sehr wohl, Mr. Barney.“

Gesenkten Hauptes ging sie davon. „Sie werden sie entlassen?“, fragte Rafe den Vorgesetzten.

„Glauben Sie mir, ich wünschte, ich müsste es nicht tun. Aber mein Chef hat für die Angestellten sehr strenge Regeln aufgestellt. Wenn bei unseren Premium-Kunden etwas schiefgeht, gibt es keine zweite Chance.“

„Und die Dantes stehen auf der Liste Ihrer Premium-Kunden?“

Barney räusperte sich. „Jawohl. Ganz oben.“

„Verstehe.“

„Es ist wirklich ein Jammer, sie ist die netteste Kellnerin, die wir haben. Seien Sie versichert, wenn es nach mir ginge …“

Rafe zog eine Augenbraue hoch. „Könnten wir den ganzen Vorfall nicht einfach vergessen?“

„Von mir aus sofort“, antwortete Barney. „Aber es gab zu viele Zeugen. Und nicht alle unsere Angestellten sind so nett und liebenswert wie Larkin. Wenn ich ein Auge zudrücke, kommt es heraus, darauf wette ich. Und dann ist nicht nur Larkin ihren Job los … Ich auch.“

„Verstehe. Und wenn sie es zugelassen hätte, dass ich die Schuld auf mich nehme …“

„Ja, dann sähe die Sache anders aus. Aber Larkin ist nun mal grundehrlich und anständig.“

„So was gibt es heutzutage selten.“

„Allerdings. Leider.“ Barney seufzte erneut. „Mr. Dante, wenn ich sonst noch etwas für Sie oder Ihre Familie tun kann …“

„Dann gebe ich Ihnen Bescheid.“

Die beiden Männer gaben einander die Hand, und anschließend verschwand Barney in Richtung Küche. Sicher, um Larkin die Kündigung auszusprechen. Rafe runzelte die Stirn. Vielleicht sollte ich hinterhergehen und mich für sie einsetzen, dachte er. Oder noch besser – ich verschaffe ihr einen neuen Job. Dante ist eine große Firma mit vielen verschiedenen Abteilungen. Da muss es doch irgendwas für sie geben. Wozu bin ich überhaupt der Chef von Dantes Kurier- und Transportservice? Zur Not kann ich einfach eine neue Planstelle schaffen. Jeden Morgen im Büro von Larkins sonnigem Lächeln begrüßt zu werden – das wäre doch gar nicht übel.

Draco trat auf ihn zu. „Na, hast du schon über meinen Vorschlag nachgedacht?“

Rafe sah ihn verständnislos an. „Welchen Vorschlag?“

„Hast du mir vorhin denn überhaupt nicht zugehört?“

„Wozu? Deine tollen Vorschläge bringen mir meistens doch nur Ärger ein.“

„Dieser nicht. Du musst einfach deine Inferno-Braut finden, und schon lassen dich alle in Ruhe.“

Rafe schüttelte den Kopf. „Offenbar hörst du mir auch nicht zu. Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass ich nach der Katastrophe mit Leigh nie wieder heiraten will.“

„Wer hat denn was von heiraten gesagt?“

In Rafe erwachte die Neugier. „Raus mit der Sprache! Erklär mir, was du meinst.“

„Ich habe dich eigentlich immer für ein schlaues Kerlchen gehalten, aber manchmal kannst du ganz schön begriffsstutzig sein. Na schön, jetzt zum Mitschreiben: Finde eine Frau und erzähle allen in der Verwandtschaft, dass das Inferno zugeschlagen hat. Behalte diesen Eindruck ein paar Monate aufrecht. Du und die Frau, ihr müsst so tun, als wärt ihr wahnsinnig verliebt.“

„Ich spiele doch nicht den liebeskranken Deppen.“

„Doch, das tust du – weil du anschließend deine Ruhe hast. Nach einer kurzen Verlobungszeit soll sie dir den Laufpass geben. Du versüßt ihr den Abschied mit einer Stange Geld – so viel, dass sie möglichst weit weg ziehen kann.“

„Du hast ja schon immer ausgesprochen dumme Ideen gehabt, aber das ist ja wohl das Hirnrissigste, was …“ Plötzlich hielt Rafe inne und blickte in Richtung Küche. „Hm …“

„Sprich dich ruhig aus“, forderte Draco ihn auf.

„Ich glaube, ich hab eine Idee.“

„Nur raus damit.“

Rafe sah seinen Bruder warnend an. „Wenn du darüber auch nur ein Wort verrätst …“

„Machst du Witze? Nonna und Primo würden mich umbringen. Und unsere Eltern auch.“

„Dich? Sie würden dich umbringen?“

„Natürlich mich. Dir traut doch niemand einen so schlauen Plan zu.“

„Schlau ist wohl nicht ganz das richtige Wort. Hinterhältig und durchtrieben, würde ich sagen.“

„Einigen wir uns auf teuflisch raffiniert.“

„Na schön, wenn’s dich glücklich macht. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss mir meine Inferno-Braut suchen.“

Schnurstracks ging Rafe in die Küche und bekam gerade noch mit, wie Larkin ein Bündel Geldscheine ablehnte, das Barney ihr aufdrängen wollte. „Lassen Sie nur, Mr. Barney, ich komme schon zurecht.“

„Jetzt stellen Sie sich nicht so an. Sie müssen schließlich Ihre Miete zahlen.“ Schnell stopfte er ihr das Geld in die Tasche ihrer Weste und umarmte sie. „Wir werden Sie vermissen, Kindchen.“

Nachdem auch die anderen Kellnerinnen sie zum Abschied umarmt hatten, ging Larkin auf die Ausgangstür zu. Rafe sah die Tränen in ihren Augen und hätte sie am liebsten tröstend in den Arm genommen.

„Larkin“, sagte er, „könnte ich Sie für einen Augenblick sprechen?“

Überrascht sah sie ihn an. „Selbstverständlich, Mr. Dante.“

„Gibt es irgendein Problem?“, wollte sie wissen, während er sie auf den Flur hinausführte. „Ich hoffe, Sie geben Mr. Barney nicht die Schuld für meinen Fehler. Er hat mich gefeuert, wenn Sie das beruhigt.“

„Um Himmels willen, mir ist die ganze Angelegenheit mindestens genauso unangenehm wie Ihnen. Nein, ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.“

Sie durchquerten mehrere Gänge, bis sie in sein Büro kamen. „Bitte setzen Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken?“

Einen Moment lang zögerte sie, dann lachte sie auf. „Ich weiß, ich sollte jetzt dankend ablehnen. Aber ein Wasser wäre nicht schlecht.“

„Wasser? Kommt sofort.“

Er füllte zwei Gläser mit Mineralwasser, fügte einige Eiswürfel hinzu und setzte sich zu ihr auf die Couch. Das ist vielleicht ein Fehler, schoss es ihm im gleichen Moment durch den Kopf. Ihr so nahe zu sein – das macht mich ganz nervös.

„Tut mir wirklich leid, dass Sie Ihren Job verloren haben“, sagte er so geschäftsmäßig wie möglich. „Ich finde es ganz schön hart, jemanden wegen so einer Lappalie zu feuern.“

„Normalerweise werde ich bei den Premium-Kunden gar nicht eingesetzt. Das war mein erstes Mal.“ Ein gequältes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Und mein letztes.“

„Meinen Sie nicht, dass die Catering-Firma Ihnen noch eine Chance gibt – bei den weniger wichtigen Kunden?“

„Wohl kaum“, antwortete sie seufzend. „Die Frau, die für diese Aufträge zuständig ist, mag mich nicht besonders.“

„Wie kommt das? Sie scheinen mir doch eine liebenswerte Person zu sein, wenn ich das so sagen darf.“

„Ich möchte lieber nicht darüber reden.“

Wenn ich sie engagieren will, muss ich so viel wie möglich über sie wissen, dachte er. Vor allem, ob sie ein Problem damit hat, Anweisungen zu folgen. „Ach, kommen Sie. Mir können Sie’s doch sagen.“

„Na schön. Ihr Freund arbeitet auch in der Bedienung, und …“

„Und?“

„Er hat mich angebaggert“, gab Larkin widerstrebend zu.

„Haben Sie ihn dazu ermutigt?“

Zu seinem Erstaunen reagierte sie nicht beleidigt, sondern lachte auf. „JD braucht man nicht zu ermutigen. Der macht sich an jede Frau ran, die nicht bei drei auf den Bäumen ist. Ich kann nur hoffen, dass Britt ihn endlich auch bald durchschaut. Sie hat einen Besseren verdient.“

Rafe war verblüfft. „Sie machen sich ja mehr Sorgen über Ihre Ex-Chefin als über Ihren Job.“

„Ach, irgendwas werde ich schon finden, und wenn ich irgendwo Geschirr spülen muss“, erklärte Larkin sachlich. „Aber Britt ist wirklich nett – wenn sie nicht gerade fuchsteufelswild ist, weil JD mit jemand anders flirtet. Ich bin einfach nur zwischen die Fronten geraten.“

„Und was werden Sie jetzt tun?“

Zum ersten Mal wirkte sie besorgt. „Es wird sich schon was finden.“

„Barney erwähnte die Miete …“

„Ja, ich bin mit der Zahlung ein bisschen in Verzug“, erwiderte sie. „Aber mit dem, was er mir heute mitgegeben hat …“

„Auf jeden Fall brauchen Sie einen neuen Job.“

Schelmisch neigte sie den Kopf zur Seite. „Sie brauchen nicht zufällig gerade jemanden?“

Ihre Direktheit imponierte ihm. „Vielleicht hätte ich etwas für Sie“, sagte er vorsichtig. „Ich müsste Ihnen allerdings vorher ein paar Fragen stellen. Geht das in Ordnung?“

Ihm fiel auf, dass sie einen Moment lang zögerte, dann nickte sie. „Fragen Sie ruhig!“

Dieses Zögern, so kurz es auch gewesen war, verunsicherte ihn. Von Frauen, die die Unschuld mimten und in Wahrheit nur auf Geld aus waren, hatte er die Nase voll. Mit denen wollte er keine Geschäfte machen. „Na schön. Ihr voller Name?“

„Larkin Anne Thatcher.“

Unaufgefordert nannte sie ihm ihr Geburtsdatum und ihre Sozialversicherungsnummer. Per SMS schickte er die Daten zur Überprüfung an Juice, einen früheren Mitarbeiter seines Bruders aus der Security-Branche. Er hätte zwar auch Luc bitten können, aber das konnte unangenehme Fragen aufwerfen, wenn er Larkin später als seine Inferno-Braut präsentierte.

„Haben Sie schon mal im Gefängnis gesessen?“, setzte er seine Befragung fort.

Larkin schüttelte den Kopf. „Nein, nie.“

„Wie steht’s mit Drogen?“

„Niemals“, antwortete sie ein bisschen empört. „Aber selbstverständlich bin ich bereit, mich einem Test zu unterziehen, wenn Sie das wünschen.“

„Danke, nicht nötig. Ihre finanzielle Situation? Schulden, Insolvenz?“

„Ich bin immer gerade so zurechtgekommen.“

„Gesundheitliche Probleme?“

„Alles in Ordnung.“

„Schön. Dann zu Ihrem beruflichen Werdegang. Wo haben Sie bisher gearbeitet?“

„Wie viel Zeit haben Sie denn?“, fragte sie lächelnd.

„So viele Jobs?“

„Allerdings. In den verschiedensten Bereichen.“

„Wie kommt das?“, fragte Rafe misstrauisch.

Wieder zögerte sie einen Moment, aber sie schien nichts zu verbergen zu haben. „Ich habe immer das Richtige gesucht.“

„Aber es war noch nicht dabei?“

„Genau.“ Sie war erleichtert, dass er dafür Verständnis zu haben schien.

„Den Traumjob kann ich Ihnen leider auch nicht versprechen. Aber vielleicht hätte ich etwas für Sie … allerdings befristet.“

„Das ist vollkommen in Ordnung.“ Sie schien darüber sogar erleichtert zu sein.

„Wollen Sie denn nicht in unserem schönen San Francisco bleiben?“ Er fragte das so beiläufig wie möglich. So attraktiv er sie auch fand – es passte ganz gut in seinen Plan, wenn sie in ein paar Monaten fortzog.

„Das weiß ich noch nicht. Sie müssen wissen, ich suche jemanden, und er könnte unter Umständen in der Stadt sein.“

„Er?“ Das passte ihm nicht gut ins Konzept. „Ein Exfreund?“

„Nein, nein, nichts in der Richtung.“

„Was ist es dann?“, hakte er nach. „Wen suchen Sie?“

„Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber das ist meine Privatsache, Mr. Dante“, erwiderte sie höflich. „Ich kann Ihnen aber versichern, dass es meine Arbeitsleistung nicht beeinträchtigen wird.“

„Na gut.“ Er ließ es dabei bewenden. Zunächst.

Sein Handy vibrierte, und er rief die eingegangene SMS auf. Juice hatte wirklich schnell gearbeitet. „Die Lady ist sauber“, lautete der Text. „Details per E-Mail.“

Schnell rief Rafe seine E-Mails auf und überflog den Text. Nichts Auffälliges, davon abgesehen, dass sie tatsächlich schon in sehr vielen Jobs gearbeitet hatte. Wenn man berücksichtigte, dass sie erst fünfundzwanzig war, war die Liste wirklich beeindruckend.

„Komme ich für den Job noch infrage?“

Zum ersten Mal wirkte sie nervös, und ihm war auch klar, warum. „Wie weit sind Sie mit der Miete im Rückstand?“

„Das Geld, das ich heute bekommen habe, dürfte reichen.“

„Aber für Lebensmittel bleibt da nicht mehr viel übrig, stimmt’s?“

Sie zuckte mit den Schultern. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände.

Rafe dachte einen Moment nach. Sollte er mit Larkins Hilfe Dracos Plan in die Tat umsetzen – oder sollte er der netten jungen Frau lieber einen normalen Job im Unternehmen anbieten?

Noch bevor er zu einem Entschluss gekommen war, erhob sich Larkin. „Hören Sie, Mr. Dante, wenn Sie irgendwelche Zweifel haben, brauchen Sie mir wirklich keinen Job anzubieten. Es ist nicht das erste Mal, dass bei mir das Geld knapp ist, aber ich bin wie eine Katze. Ich falle immer auf die Füße.“

„Bitte setzen Sie sich wieder, Larkin.“ Er lächelte sie freundlich an. „Sie bekommen auf jeden Fall einen Job bei mir – ich weiß nur noch nicht, welchen.“

„Was die Qualifikation angeht, bin ich für fast jede Position im Büro geeignet. Rezeptionistin, Sachbearbeiterin, Sekretärin, persönliche Assistentin.“

„Wie wäre es mit der Position meiner Verlobten?“, fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Fühlen Sie sich dafür auch geeignet?“

2. KAPITEL

Larkin sah ihn fassungslos an. „Könnten Sie das bitte noch mal wiederholen? Ich glaube, ich habe Sie falsch verstanden.“

„Ich weiß, es klingt verrückt“, erwiderte er und fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. Nun sah er etwas verstrubbelt aus, was ihn aber in Larkins Augen nur noch attraktiver machte. „Aber wenn ich es Ihnen erkläre, ist es eigentlich ganz einfach und einleuchtend.“

Daran zweifelte Larkin. Sie wurde aus diesem schwerreichen Mann, einem Mitglied der angesehenen Dante-Familie, einfach nicht schlau. Wie nannten ihn die Klatschblätter noch gleich? Richtig, den einsamen Wolf.

„Ich habe vorhin zufällig das Gespräch mit Ihrem Bruder mit angehört“, entgegnete sie vorsichtig. „Sie sagten, Sie wollten nie wieder heiraten.“

„Stimmt, das habe ich gesagt. Aber trotzdem brauche ich eine Verlobte. Für einen gewissen Zeitraum.“

Verständnislos schüttelte Larkin den Kopf. „Für … einen gewissen Zeitraum?“

Rafe räusperte sich verlegen. „Würden Sie meine Familie kennen, dann könnten Sie meine Situation besser verstehen.“

Larkin biss sich auf die Lippe. Manchmal war sie einfach zu offen, das hatte sie schon oft in peinliche Situationen gebracht. Trotzdem rutschte es ihr heraus: „Ihre Familie taucht ziemlich oft in Klatschspalten auf.“

Zu ihrer Überraschung ärgerte er sich über diese Bemerkung nicht, sondern schien geradezu erleichtert zu sein. „Dann haben Sie schon mal was über das Inferno gelesen?“

„Das Inferno? Ja.“

„Sehr gut. Dann brauche ich es Ihnen nicht zu erklären. Und auch nicht, dass fast alle aus der Familie vorbehaltlos daran glauben.“

„Aber Sie nicht?“

Versonnen lächelte er. „Nein. Schockiert Sie das?“

„Ein bisschen“, gab sie zu. „Schließlich waren Sie doch schon einmal verheiratet.“

„Richtig, aber mit meiner Frau habe ich das Inferno nie erlebt. Ich hätte es auch nicht gewollt. Nicht mit ihr.“

„Ja, aber …“

„Ich will es Ihnen kurz erklären“, unterbrach er sie. „Als meine Frau verunglückt ist, standen wir kurz vor der Scheidung. Keine Spur von dem romantisch verklärten Inferno, an das meine Familie so fest glaubt. Im Gegenteil, ich habe die Hölle erlebt.“

„Wenn Sie also sagen, dass Sie nie wieder heiraten wollen …“

„… dann deshalb, weil ich so eine Katastrophe nie wieder erleben will.“

„Gut, das kann ich verstehen. Aber warum brauchen Sie eine zeitweilige Verlobte?“

„Weil meine Familie vor Kurzem herausgefunden hat, dass Leigh und ich nie das Inferno füreinander empfunden haben.“

„Aha, ich verstehe. Und jetzt suchen sie alle die wirklich richtige Frau für Sie. Die Inferno-Frau.“

„Ganz genau. Ständig werden mir junge Damen vorgestellt, das bringt mein ganzes Leben völlig durcheinander. Und weil meine Verwandten nicht locker lassen werden, habe ich beschlossen, ihnen die ‚Richtige‘ zu präsentieren.“

„Und das soll ich sein?“, fragte sie nach. „Sie wollen so tun, als hätten Sie mit mir das Inferno erlebt?“

„Richtig, meine ganze Verwandtschaft soll das glauben. Wir verloben uns, und in ein paar Monaten stellen Sie fest, dass Sie mich einfach nicht heiraten können. Gründe dafür werde ich Ihnen schon liefern, seien Sie unbesorgt. Sie lassen mich wie eine heiße Kartoffel fallen und verschwinden. Ich werde natürlich den Untröstlichen spielen – schließlich habe ich meine wahre Inferno-Braut gefunden und wieder verloren. Meine Familie wird vor Mitleid zerfließen und mir nie wieder eine Heiratskandidatin vorstellen.“ Er lächelte vergnügt. „Problem gelöst.“

„Und was macht Sie so sicher, dass Ihnen die Verwandtschaft nicht doch wieder neue Frauen präsentiert?“

„Das geht ja nicht, weil Sie doch meine wahre Inferno-Braut waren“, erklärte er mit entwaffnender Logik. „Nur eines ist möglich: Entweder Sie waren die mir einzig vorherbestimmte Frau – oder das Inferno ist Humbug. Meine Familie würde sich niemals eingestehen, dass die Inferno-Legende nicht real ist. Und da die einzig wahre Partnerin für mich mir den Laufpass gegeben hat, bin ich eben dazu verdammt, auf das Glück der Ehe zu verzichten. Eine Tragödie, sicher, aber ich werd’s schon überleben.“

„Sie werden es wie ein Mann tragen“, kommentierte sie amüsiert.

„Ich werde mein Bestes tun.“

„Eins gibt es noch zu besprechen, Mr. Dante …“

„Nennen Sie mich Rafe.“

„Gut … Rafe. Es gibt da noch ein paar Dinge, die Sie über mich wissen müssten. Zunächst mal bin ich keine sehr gute Lügnerin.“

Ihr war bewusst, dass die zweite Information alles zum Scheitern bringen konnte, aber er ließ sie gar nicht weiter zu Wort kommen.

„Ja, Sie mögen keine Lügen, das habe ich schon gemerkt. Aber gerade Ihre Ehrlichkeit wird meine Verwandten davon überzeugen, dass das Inferno uns in den Klauen hat.“

„Tut mir leid, das verstehe ich nicht.“

„Wir machen erst mal ein kleines Experiment. Falls es schiefläuft, sind Sie aus meinem Plan raus, und ich suche mir dafür eine andere Partnerin. Einen Job bekommen Sie natürlich trotzdem von mir – irgendwo im Büro.“ Lauernd sah er sie an. „Aber wenn es klappt, müssen Sie mitmachen.“

„Experiment?“, fragte sie verunsichert. „Was für ein Experiment?“

„Dazu komme ich gleich. Aber zuerst müssen wir uns über die Rahmenbedingungen verständigen.“

„Rahmenbedingungen?“

„Ja, natürlich. Zu allererst bin ich Geschäftsmann. Wir müssen uns über alles einig sein, bevor wir anfangen.“

Larkin versuchte, sich ein Lächeln zu verkneifen. „Am besten zählen Sie mir Ihre ‚Rahmenbedingungen‘ auf, und dann sehen wir zu, wie wir uns einigen.“

„Zunächst muss Ihnen klar sein, dass es sich um eine zeitlich begrenzte Verbindung handelt. Wenn einer von uns sie beenden will – ist sie beendet.“

Einen Moment lang dachte sie nach, dann zuckte sie mit den Schultern. „Das ist bei einer wirklichen Beziehung ja auch nicht anders.“

„Richtig, und damit kommen wir zum zweiten Punkt. Sie wollen nicht lügen. Und ich will auch nicht, dass Sie lügen. Das heißt, wenn wir uns verloben, ist die Verlobung real. Der einzige Unterschied ist, dass Sie, wenn die Verlobung endet – und sie wird enden –, von mir eine faire Entlohnung für Ihre Zeit und Ihren Arbeitsaufwand erhalten.“

„Die Verlobung soll echt sein, aber wir planen ihr Ende schon voraus.“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Ich weiß nicht recht, wie das zusammenpasst.“

Er zögerte einen Moment. „Ich bin in Beziehungen zum anderen Geschlecht nicht sehr gut“, gestand er. „Das hat man mir jedenfalls immer wieder versichert. Ich schätze, das werden Sie selbst schon bald merken und dann umso glücklicher sein, die Beziehung beenden zu können. Aber bis dahin ist es eine normale Verlobung, Sie bekommen einem hübschen Ring, und wir machen Pläne für die Hochzeit.“ Seine Mundwinkel zuckten. „Aber wir legen noch kein genaues Datum fest, es soll so weit wie möglich in der Zukunft liegen, damit wir nicht schon das Aufgebot bestellen müssen.“

„Natürlich“, erwiderte sie mit todernster Stimme. „Nur nichts überstürzen. Nicht nach alldem, was Sie in Ihrer ersten Ehe erleiden mussten. Lieber mit einer langen Verlobungszeit auf Nummer sicher gehen.“

„Na, sehen Sie. Sie haben Ihre Rolle doch schon sehr gut drauf.“

Verschmitzt zwinkerte er ihr zu und lächelte sogar ein wenig. Wie schön, dass er ihren Sinn für Humor teilte! Was für ein stattlicher, prachtvoller Mann: Seine Statur, sein Gesicht, sein Haar – alles war perfekt. Doch am meisten faszinierten sie seine jadegrünen Augen.

„Wie wollen wir die Sache angehen?“, fragte sie. „Ich meine, wenn ich Ihr Angebot annehme.“

Nachdenklich runzelte er die Stirn. „Sie müssen mir jetzt vertrauen. Sie dürfen nicht erschrecken.“

„Na schön. Was haben Sie vor?“

„Ein einfacher Test. Wenn es schiefgeht, vergessen wir das Ganze, und ich verschaffe Ihnen irgendeinen anderen Job bei Dante. Aber wenn es klappt … legen wir los.“

„Was ist das für ein Test?“, hakte sie misstrauisch nach.

„Nur das hier.“

Langsam erhob er sich und streckte die Hand aus. Auch Larkin stand auf und ergriff sie. Als ihre Finger seine Handfläche berührten, spürte sie eine enorme Hitze, die sie mit blitzartiger Geschwindigkeit durchdrang. Es tat nicht weh, es war eher wie eine Verschmelzung. Erschrocken riss Larkin sich los.

„Was haben Sie gemacht?“, fragten beide gleichzeitig.

Rafe trat einen Schritt zurück und musterte sie misstrauisch. „Haben Sie das auch gespürt?“

„Natürlich.“ Sie wischte sich die Hand an der Hose ab, aber das merkwürdige Gefühl blieb. „Was war das?“

„Ich habe keine Ahnung.“

Fassungslos sah sie auf ihre Hand. Es war nichts zu sehen, obwohl sie insgeheim mindestens mit einer Brandblase gerechnet hatte. „Das war noch nicht etwa …“ Sie räusperte sich. „Das kann doch nicht …“

„Das Inferno?“, fragte er. „Was soll’s. Vielleicht ja doch.“

Ungläubig sah sie ihn an. „Sie machen Witze, oder?“

„Also, ich persönlich glaube nicht daran. Allerdings ist mir das Inferno so immer beschrieben worden.“

„Das war also Ihr Test?“, wollte sie wissen. „Ob wir das Inferno spüren, wenn wir uns berühren?“

„Nein. Eigentlich wollte ich Sie küssen.“

Mit welcher Seelenruhe er das sagte! Ganz kühl, wie ein Geschäftsmann. „Warum?“

„Die Verlobung hat keinen Sinn, wenn Sie sich nicht körperlich zu mir hingezogen fühlen“, erklärte er. „Das würde meine Familie sofort durchschauen.“

Larkin rieb sich die immer noch kribbelnde Hand. „Was da eben passiert ist, als wir uns berührt haben … Es war also nur ein Zufall?“

„Das will ich doch schwer hoffen.“

Das war alles so verwirrend! Als ihre Blicke sich trafen, durchströmte das Hitzegefühl, das sie eben noch an der Hand verspürt hatte, plötzlich ihren ganzen Körper. Und ehe sie sich versah, sprach sie aus, was sie eigentlich nur hatte denken wollen. „Wollten Sie mich nicht küssen?“

Entschlossen trat er auf sie zu. Noch hätte sie zurückweichen können, aber sie tat es nicht. Stattdessen ließ sie sich willig in seine Arme ziehen.

Natürlich wusste sie, dass es falsch war. Falsch wegen Leigh, seiner Exfrau. Falsch, weil es um keine echte Beziehung ging. Falsch, weil sie ein immer heftigeres Begehren spürte, auch wenn sie sich das nicht eingestehen wollte. Noch hatte er sie nicht einmal geküsst, und doch hätte sie sich ihm am liebsten schon hingegeben.

Atemlos wartete sie auf den Kuss – aber er kam nicht. Stattdessen fragte Rafe: „Fühlt sich richtig echt an, oder? Vielleicht ist es ja sogar echt. Das mit der Verlobung ist wahrscheinlich wirklich keine schlechte Idee. Vielleicht bekommen wir heraus, was das alles bedeutet.“

„Was alles?“, brachte sie hervor.

„Das alles …“

Dann endlich kam der Kuss und überwältigte sie förmlich. Ihr war bewusst, dass Rafe sie nur sanft küssen wollte – als Kostprobe gewissermaßen. Aber kaum spürte sie seine Lippen auf ihren, schlang sie ihm begierig die Arme um den Nacken und hielt ihn ganz fest.

Sie überraschte nicht, dass er noch besser küsste, als er aussah. Bereitwillig öffnete sie ihren Mund.

Dicht aneinandergeschmiegt standen sie da, während er ihr über den Rücken fuhr, einen Moment zögerte und dann ihren Po umfasste. Diese Berührung erfüllte sie mit Gefühlen, die sie so noch nie verspürt hatte.

Wie konnte ein einfacher Kuss – oder auch ein etwas heftigerer Kuss – sie derart überwältigen? Sie hatte ja schon einige Männer geküsst. Hatte immerhin in Erwägung gezogen, mit einigen von ihnen zu schlafen. Hatte sich von ihnen berühren lassen und auch sie berührt. Aber keiner von ihnen hatte in ihr ausgelöst, was Rafe Dante schon mit einem einzigen Kuss erreichte.

Ob Leigh das auch so empfunden hatte?

Dieser Gedanke ließ Larkin sofort wieder zur Besinnung kommen. Schnell löste sie sich aus Rafes Umarmung und trat einige Schritte zurück. Nur seine schnelle Atmung verriet ihr, dass der Kuss auch ihn nicht kalt gelassen hatte.

„Es lässt sich nicht leugnen, dass zwischen uns eine große Anziehungskraft besteht“, stellte sie fest.

„Kann man wohl sagen.“

Seine Stimme klang rauer als sonst. Mit schnellen Schritten ging er zum Schrank hinüber und goss sich einen Whisky ein. „Möchtest du auch was?“ Er war zum Du übergegangen.

Bedauernd schüttelte sie den Kopf. Das war ihr zu gefährlich. Schon nüchtern war sie offener, als ihr guttat – und wer weiß, was sie mit Alkohol im Blut alles ausplaudern würde.

In einem Zug leerte er das Glas und wandte sich dann wieder ihr zu. „Das war … überraschend.“

„Schieb es auf das Inferno“, versuchte sie zu scherzen.

„Das hab ich auch vor.“

Ihr gelang es nicht, seine Stimmung einzuschätzen. War er von den Geschehnissen verärgert – oder erleichtert? Oder war es ihm egal? Vielleicht ein bisschen von allem. Verärgert, weil die gegenseitige Anziehung, die sie verspürten, alles komplizierte und er ebenso nahe daran gewesen war, die Kontrolle zu verlieren, wie sie. Vielleicht sogar noch mehr – denn sie hatte die Umarmung ja gelöst. Erleichtert konnte er sein, weil die Anziehung ihm ermöglichte, seinen Plan durchzuführen. Und ob ihm alles egal war …

Nein, es war ihm eindeutig nicht egal. Sicher, er konnte seine Sympathien gut verbergen, aber sie war davon überzeugt, dass auch er insgeheim die Leidenschaft der Dantes hatte.

Es war so weit, sie musste eine Entscheidung treffen. Sie konnte sich einfach umdrehen, gehen und niemals zurückkehren. Andererseits konnte sie ihm sagen, wer sie war und was sie wollte. Oder sie machte bei seinem Plan mit und wartete ab, wie sich alles entwickelte. Eine innere Stimme sagte ihr: Geh, solange du noch kannst! Oder erkläre ihm wenigstens, warum sein verrückter Plan niemals funktionieren wird. Vielleicht hätte sie auf die warnende Stimme gehört, wenn – ja, wenn er sie nicht geküsst hätte.

„Ich nehme mal an, wir haben uns gerade verlobt?“, fragte sie scherzhaft.

Einen Moment lang zögerte er. „Ja, so was Ähnliches.“

„Wird dir deine Familie denn abkaufen, dass du als Skeptiker wegen eines einzigen Kusses urplötzlich an das Inferno glaubst?“

„Ja. Weil es bei allen Dante-Männern so gelaufen ist.“

„Keiner von ihnen hat vorher daran geglaubt?“

Rafe zuckte mit den Schultern. „Einer schon – mein Cousin Marco. Er ist wahrscheinlich der Romantischste von uns allen.“

„Aber die anderen nicht?“

„Es ist einfach nicht logisch“, stellte er fest. „Wenn man es nüchtern betrachtet, ist es vollkommen lächerlich, wie ein Aberglaube aus dem finstersten Mittelalter.“

„Ich finde es irgendwie süß. Und romantisch.“

„Die meisten Frauen sehen das so.“

Plötzlich fühlte sie sich irgendwie unbehaglich. „Und was machen wir jetzt?“

„Ich bringe dich jetzt nach Hause. Morgen früh treffen wir uns wieder und planen unsere Strategie.“

„Strategie.“ Sie musste lachen. „Lass mich raten: Du bist einer von diesen total durchorganisierten Typen, die die Welt nach ihren Vorstellungen formen wollen, stimmt’s?“

„Irgendjemand muss es ja tun.“ Seufzend stellte er sein Glas ab. „Soll ich auch mal raten? Du bist eine von denen, die alles auf sich zukommen lassen und dann instinktiv entscheiden.“

„Man sagt doch: Gegensätze ziehen sich an.“

„Zum Glück brauchst du dich um nichts zu kümmern. Ich organisiere alles, und du musst nur mitspielen.“

„Menschen, die glauben, sie hätten alles unter Kontrolle, erliegen einer Illusion“, sagte sie amüsiert.

„Wie du meinst. Aber trotzdem bringe ich dich jetzt ganz kontrolliert nach Hause, und du lässt es einfach mit dir geschehen.“

„Geht in Ordnung.“

Larkin nahm ihre Handtasche und ging zur Tür. Rafe folgte ihr und legte ihr sanft die Hand auf den Rücken – eigentlich eine unverfängliche Geste, aber die leichte Berührung genügte, um ihr erneut einen Stromstoß zu versetzen. Schockiert ließ Larkin die Tasche fallen, drehte sich um und konnte ihn nur noch hilflos ansehen.

„Larkin …“ Er stöhnte auf und zog sie an sich.

Wie konnte etwas, das so eindeutig falsch war, sich derart richtig anfühlen? Ihr stand es einfach nicht zu, mit Leighs Ehemann zu schlafen. Aber sie konnte ihm einfach nicht widerstehen. Sobald er sie berührte, schien alles einen Sinn zu ergeben. Allerdings wahrscheinlich nur, weil sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie konnte nur fühlen, erleben.

Ganz fest hielt er sie, bedeckte ihr Gesicht mit heißen Küssen, bis er schließlich von ihrem Mund Besitz ergriff. Ja, das war es, das war, was sie wollte. Was sie so nötig brauchte wie die Luft zum Atmen. Stürmisch erwiderte sie seinen Kuss.

Sie hörte seine keuchend hervorgestoßenen Worte, Worte voller Lust, ohne ihren Sinn zu verstehen. Dann bettete er sie auf die Couch und legte sich auf sie.

„Wir … wir haben uns doch gerade erst kennengelernt“, brachte sie mühsam hervor.

Er schmiegte sich an sie, bis sie beide noch aus einem Körper zu bestehen schienen. „Manchmal läuft das eben so.“

„Wann? Bei wem?“

„Jetzt. Bei uns.“

Das alles ergab keinen Sinn. Rafe sollte doch der Vernünftige sein, der alles unter Kontrolle hatte. Aber dennoch war er ebenso vom Zauber des Begehrens erfasst wie sie. Sie wollte ihn, jetzt, und mit jeder Sekunde wuchs ihr Verlangen.

Geschickt machte er sich an ihrer Weste und ihrer Bluse zu schaffen, löste Knopf um Knopf, bis er ihren Oberkörper vor sich sah und sie nur noch den BH trug. „Mein Gott“, flüsterte er, „du bist einfach atemberaubend.“

So etwas hatte noch niemand zu ihr gesagt. Aber sie registrierte seinen bewundernden Blick, sah sich gewissermaßen durch seine Augen, und fühlte sich plötzlich wunderschön. Zärtlich fuhr er mit den Fingern über ihren BH, und sie spürte, wie sich ihre Brustspitzen aufrichteten. Ihr wurde immer heißer.

„Rafe …“

Jetzt war es an ihr, ihn zu berühren, zu erkunden. Begierig umfasste sie sein Gesicht, nahm seine Männlichkeit, seine Schönheit, in sich auf. Als sie ihn vorhin im Foyer zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er so beherrscht gewirkt, so abweisend. Nie hätte sie damit gerechnet, sich einmal in dieser Lage zu befinden. Und so eine Gelegenheit würde es vielleicht nie wieder geben. Wenn sie beide erst wieder zur Besinnung kamen, würde er vielleicht eine weitere Regel zu ihrer Abmachung hinzufügen: keine Berührungen. Das traute sie ihm durchaus zu, denn ihr war sehr wohl bewusst, wie riskant jede Berührung war. Wohin sie führen konnte.

Voller Begierde griff sie in sein Haar, hielt so seinen Kopf fest, und dann konnte sie der Versuchung nicht widerstehen. Leidenschaftlich küsste sie ihn. Sie konnte nicht genug von ihm bekommen, nicht von seinen Händen, nicht von seinen Küssen.

Hastig löste sie seine Krawatte und begann sein Hemd aufzuknöpfen. Sie wollte seine bloße Haut spüren, seine Muskeln. Während sein Kuss immer leidenschaftlicher wurde, ließ sie die Hände tiefer gleiten, bis zu seinem Gürtel, seiner Hose, wo seine Erregung sich unübersehbar abzeichnete.

Und dann hörten sie es.

„Rafaelo?“ Die tiefe, knorrige Stimme kam von der anderen Seite der Bürotür und wurde von einem energischen Klopfen begleitet. „Du bist doch da drin, Junge, oder?“

Rafe unterdrückte einen Fluch. „Einen kleinen Moment!“, rief er missmutig.

Larkin war immer noch so erregt, dass ihr die Knie zitterten. Ihr fiel es schwer, in die Normalität zurückzukehren. „Wer ist das?“, fragte sie flüsternd.

„Mein Großvater Primo.“

Mit bebenden Händen knöpfte Larkin sich Bluse und Weste wieder zu, und Rafe zog sich ebenfalls wieder an. Von draußen hörte sie Gemurmel. Offenbar kam der Großvater nicht allein; sie konnte auch eine Frauenstimme erkennen.

„Nonna“, zischte Rafe, während Larkin sich die Kleidung glatt strich. „Meine Großmutter.“

„Sei nicht albern“, war Primos dunkle Stimme zu vernehmen. „Das ist sein Büro, und so spät hat er bestimmt keine wichtige Besprechung mehr. Warum sollte ich wie ein Bettler vor der geschlossenen Tür stehen bleiben?“

„Weil er dich noch nicht hereingebeten hat.“

„Dann bitte ich mich eben selbst herein“, kam die verärgerte Antwort.

Mit diesen Worten öffnete Primo die Tür und trat ein. Wie zum Schutz stellte sich Rafe vor Larkin.

„Ich habe dich schon überall gesucht, Rafaelo“, verkündete Primo. „Es gibt da eine junge Dame, die ich dir gern vorstellen möchte.“

„Das kann ich mir denken“, erwiderte Rafe seufzend. „Aber das ist nicht mehr nötig.“

Primo stemmte die Hände in die Hüften. „Und wie nötig das ist! Du musst so viele Frauen wie möglich kennenlernen. Wie willst du sonst deine Inferno-Seelengefährtin finden?“

In diesem Moment lugte Larkin hinter Rafes breitem Rücken hervor. Nonna begann vielsagend zu lächeln. „Oh, wer ist denn das?“, wollte sie wissen.

Larkin holte tief Luft und trat vor. Ihr war bewusst, dass ihre geröteten Wangen und Rafes zerzaustes Haar den Großeltern genau verrieten, was hier vorgefallen war.

„Hallo“, stieß sie mit ihrem freundlichsten Lächeln hervor. „Ich bin Larkin Thatcher.“

„Sind Sie vom Catering-Service?“, fragte Primo und musterte sie kritisch.

„Jetzt nicht mehr. Ich bin entlassen worden.“

Offenbar fiel den Großeltern dazu nichts ein, denn sie schwiegen. Um die peinliche Stille nicht länger ertragen zu müssen, sprach Larkin weiter. Ja, ja, dachte sie insgeheim, ich weiß, ich plappere manchmal zu viel, aber was soll ich machen, so bin ich eben.

„Es war mein Fehler, ich habe ein Tablett fallen lassen, und so etwas darf einfach nicht passieren. Aber das Gute daran ist, dass ich dadurch Rafe kennengelernt habe. Wir haben es zwar noch nicht abschließend besprochen, aber ich glaube, man könnte sagen, wir sind so etwas Ähnliches wie verlobt.“

3. KAPITEL

„Verlobt?“, riefen Primo und Nonna wie aus einem Munde. In seiner Stimme klang Empörung mit, in ihrer hingegen Überraschung.

„Irgendwie schon.“ Larkin warf Rafe einen verstohlenen Blick zu. Ihr war selbst bewusst, dass sie mit dieser Ankündigung etwas übers Ziel hinausgeschossen war. „Na ja, vielleicht nicht richtig verlobt, sondern mehr so … Wie soll ich sagen … Also, um ehrlich zu sein …“ Nervös fuhr sie sich mit der Hand durchs Haar. „Äh, als es klopfte, da waren wir gerade … da wollten wir …“

Rafe stöhnte auf. „Oh Mann!“

„Auf jeden Fall war es sehr schön“, fügte Larkin hastig hinzu.

Jetzt ergriff Rafe das Wort. „Sagen wir einfach, dass in dem Moment, als wir uns zum ersten Mal berührt haben, etwas passiert ist. Etwas ganz Besonderes.“

„Das Inferno?“, fragte Primo lauernd. „Hast du es endlich erlebt?“

Rafe zögerte einen Moment. Sicher war ihm sein Zweifel deutlich anzumerken. Zwar hatte er tatsächlich etwas Merkwürdiges gespürt, als er und Larkin sich berührten. Aber das Inferno? Das Zeichen für eine Verbindung, die ein Leben lang bestehen sollte? Nein. Das glaubte er immer noch nicht. „Das muss sich erst noch herausstellen“, erklärte er.

Zu seiner Überraschung schien gerade seine Skepsis Primo und Nonna zu überzeugen. Hm, das war gar nicht so ungeschickt, dachte er. Die beiden wissen ja, dass ich nie an das Inferno geglaubt habe. Hätte ich mich jetzt völlig überzeugt gegeben, dann hätten sie es mir wahrscheinlich nicht abgekauft.

Mit einem Seitenblick auf Larkin stellte er fest, dass sie enttäuscht war. Verflixt, nicht nur seine Großeltern hatten seine Skepsis bemerkt. Larkin auch. Aber was wollte sie denn? Das war doch genau ihre Abmachung. Dafür hatte er sie doch engagiert – sie sollte eine Zeit lang seine Verlobte spielen. Das war alles. Eine Verbindung auf Zeit – nett und angenehm, solange sie andauerte. Und wenn sie endete, hatten sie beide, was sie wollten. Er würde nicht mehr ständig junge Frauen vorgestellt bekommen, und sie erhielt eine hübsche Stange Geld.

Warum sah sie dann so traurig aus? In ihren Augen lag der Ausdruck zerstörter Wunschträume und Sehnsüchte, und diese unendliche Enttäuschung berührte ihn so, dass er ihr am liebsten auf der Stelle alles gegeben hätte, was ihr Herz begehrte. Einerseits. Andererseits wusste er, dass er das nicht konnte – selbst wenn er es wirklich gewollt hätte. Von Anfang an war er ehrlich zu ihr gewesen. Er konnte ihre Wunschträume nicht erfüllen, weil er nie den innersten Sehnsüchten einer Frau gerecht werden konnte, egal welcher Frau. Das hatte ihn die Erfahrung gelehrt, und je schneller Larkin das einsah, desto besser.

„Ich muss Larkin jetzt nach Hause fahren“, teilte er seinen Großeltern mit. „Wir können später über das Inferno reden, wenn ich meiner …“ Er legte eine dramatische Pause ein. „… Verlobten alles darüber erzählt habe.“

Primo wollte schon protestieren, aber Nonna fuhr ihm über den Mund. „Wir rufen dich morgen an und machen dann den Termin für ein Treffen aus, bei dem wir Larkin besser kennenlernen können“, schlug sie vor. „Du willst sie doch sicher auch deinen Eltern vorstellen?“

„Sachte, sachte“, versuchte Rafe Zeit zu schinden. „Wir sollten das alles langsam angehen. Wenn ihr uns jetzt bitte entschuldigen würdet …“

„Aber ein Küsschen auf die Wange an der Türschwelle ist das Äußerste, hörst du, Junge?“, befahl Primo. „Nicht dass ihr da weitermacht, wo ihr eben unterbrochen wurdet. Sonst fällt nämlich die Verlobungszeit aus, und ihr heiratet auf der Stelle. So wie bei Luciano.“

Rafe verzog das Gesicht. Verflixt. Primo kam aus einer anderen Zeit mit strengeren Moralvorstellungen, aber er forderte sie von allen Mitgliedern der Familie ein. Gerade noch rechtzeitig hatte er Rafe an seinen Bruder Luciano und dessen Frau Téa erinnert. Nachdem herausgekommen war, dass die beiden etwas miteinander gehabt hatten, hatten sie innerhalb von vierundzwanzig Stunden heiraten müssen. „Ja, Primo, ist versprochen. Ich werde sie nicht anrühren.“

„Diese Einsicht kommt ein bisschen spät, wenn ich bedenke, wobei ihr eben schon wart“, erwiderte sein Großvater mahnend. „Aber damit ist Schluss, hörst du? Dafür ist immer noch Zeit, wenn sie deinen Ring an ihrem Finger trägt.“

„Verstehe.“

„Und du bist einverstanden und versprichst es?“, hakte Primo nach.

Rafe seufzte. Er würde sicher noch bereuen, dass er sich so festnageln ließ. „Ja. Versprochen.“

„Sehr gut. Dann darfst du sie nach Hause bringen. Deine Großmutter ruft dich morgen früh an, um ein Treffen zu vereinbaren, bei dem du deine Larkin der ganzen Familie vorstellen kannst.“

Larkin ging auf Primo zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich habe mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.“

„Ich gebe schönen Frauen prinzipiell nicht die Hand“, belehrte Primo sie. Stattdessen umarmte er sie und gab ihr Küsse auf beide Wangen.

Anschließend wandte Larkin sich Nonna zu, und die beiden Frauen schlossen einander in die Arme. Besorgt stellte Rafe fest, dass Larkins Augen feucht schimmerten. War wohl alles ein bisschen viel für sie, dachte er. Erst der Stress im Job und die Kündigung. Dann mein überraschendes Angebot und das, was anschließend fast zwischen uns passiert wäre. So viel auf einmal kann einen Menschen schon überfordern.

So dezent wie möglich drängte er alle aus dem Büro und verabschiedete sich schnell von seinen Großeltern, um ihnen gar nicht erst Zeit für weitere Fragen zu lassen. Dann fuhr er zusammen mit Larkin im Fahrstuhl zur unterirdischen Garage. Kaum waren sie in sein Auto gestiegen, drehte sie sich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht.

„Was haben deine Großeltern da über Luciano erzählt? Ich meine, dass er auf der Stelle heiraten musste, wie dein Großvater sagte?“

Rafe zuckte bei der Erinnerung zusammen. „Man hat sie gewissermaßen auf frischer Tat ertappt, wenn du verstehst, was ich meine. Nachdem sie gerade … Na, du weißt schon.“

„Oje. Primo und Nonna haben sie …“

„Nein, es waren Téas Großmutter Madam und ihre drei Schwestern. Madam ist Nonnas beste Freundin. Als Primo davon hörte, hat er ein Machtwort gesprochen und darauf bestanden, dass Luc das Richtige tut.“

„Das heißt – sofort heiraten?“

Der Gedanke an den mächtigen Großvater, dessen Wort Gesetz war, schien sie zu verstören. „In dem Fall war das schon in Ordnung“, beruhigte Rafe sie. „Die beiden haben sich ja geliebt, und nach ihren Aussagen haben sie auch das Inferno gespürt, als sie sich zum ersten Mal berührt haben.“ Als er ihren skeptischen Blick auffing, fuhr er fort: „Sicher, meine Ehe war ein Misserfolg, aber Luc und Téa scheinen sich wirklich zu lieben. Ich würde sogar wetten, dass ihre Ehe so lange hält wie die meiner Großeltern.“

Einen Moment lang schwieg sie nachdenklich, und das nahm er als schlechtes Zeichen. Wenn er schon etwas über sie wusste, dann, dass sie nur selten still war. Dann ergriff sie auch schon wieder das Wort. „Ich glaube nicht, dass ich die Sache durchziehen kann“, verkündete sie. „Ich täusche und belüge Menschen nicht gern, vor allem, wenn sie so nett sind wie deine Großeltern. Sie nehmen die Ehe und diese ganze Inferno-Geschichte sehr ernst.“

Nachdem er den Motor angelassen hatte, antwortete Rafe: „Das ist ja das Gute. Wir täuschen und belügen niemanden. Denn du musst zugeben: Als wir uns berührt haben, haben wir beide wirklich etwas gefühlt.“

Auf der Fahrt zu Larkins Wohnung warf Rafe immer wieder beunruhigte Seitenblicke zu ihr hinüber. Sie saß nur da, schaute auf ihre Handfläche und rieb sie, als ob ihre Haut juckte. So etwas hatte er schon oft gesehen. Bei all seinen Verwandten, die das Inferno erwischt hatte.

Eine beunruhigende Vorahnung beschlich ihn. Die juckende Handfläche – nach den Aussagen seiner Verwandten war das eine Nachwirkung der ersten Berührung zwischen Inferno-Partnern. Na, Hauptsache, ich fühle dieses Jucken und Kribbeln nicht, sagte er sich. Kann sein, dass es etwas pikst oder prickelt. Aber das ist ja kein Jucken und Kribbeln. Und ich muss mich auch nicht kratzen.

„Na schön, ich habe tatsächlich irgendetwas gefühlt“, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf. „Aber das muss ja noch lange nicht heißen, dass es dieses Inferno ist. Oder?“

„Nein, natürlich nicht“, sagte Rafe entschieden. Wen wollte er damit eigentlich mehr überzeugen – sich oder Larkin? „Das Entscheidende ist: Wir können die Möglichkeit, dass es sich doch um das Inferno handelt, nicht hundertprozentig ausschließen. Noch jedenfalls nicht. Bis dahin gehen wir einfach davon aus, dass es das Inferno ist. Und genau das erzählen wir auch meiner Familie.“

„Und du meinst, das kaufen sie uns ab?“, fragte sie zweifelnd.

„Na klar. Die glauben felsenfest daran.“

„Aber du natürlich nicht.“

„Ich weiß es nicht“, schwindelte er, ohne zu zögern. „Es könnte das Inferno sein. Oder auch nur eine statische Aufladung, wie man sie erlebt, wenn man an Wolle reibt. Oder auch nur ein komischer Zufall. Aber wenn wir meinen Verwandten sagen, dass wir glauben, es könnte das Inferno sein, ist das ja keine Lüge. Und bis wir vom Gegenteil überzeugt sind, fahren wir einfach mit unserem Plan fort.“

„Deinem Plan.“

Als er an einer roten Ampel halten musste, betrachtete er Larkin eingehend. Sie sah klein und zerbrechlich aus, ihre Augen glänzten. Was sie wohl denken mochte? Eigentlich weiß ich nicht viel über diese Frau, ging es ihm durch den Kopf. Sicher, Juice hat mir jede Menge Material gemailt. Aber was sagen diese Zahlen und Fakten schon aus? Die Person dahinter kenne ich dadurch noch lange nicht.

Schon in der kurzen Zeit, die er mit ihr verbracht hatte, war ihm bewusst geworden, dass diese kleine, zarte Person eine ungeheure Tiefe und Vielschichtigkeit hatte.

Und er war gespannt darauf, sie zu erkunden.

Als die Ampel auf Grün sprang, fuhr er wieder an. „Anfangs war es mein Plan, ja. Aber als du meinen Großeltern erzählt hast, dass du meine Verlobte bist, ist es unser Plan geworden.“

„Aber das mit der Verlobung ist doch eine Lüge.“

„Gleich am Montagmorgen werde ich dir einen Verlobungsring an den Finger stecken. Ist das dann immer noch eine Lüge?“

„Einen Ring?“

„Natürlich. Das gehört dazu.“ Er lächelte. „Falls du es nicht wusstest: Wir Dantes sind auf Ringe spezialisiert, vor allem auf Verlobungsringe.“

Nun musste auch sie lächeln. „Ich glaube, davon habe ich schon gehört.“

„Wenn unsere Verlobung aufgelöst ist, kannst du den Ring natürlich gerne behalten. Als Bestandteil deiner Abfindung.“

„Wenn“, betonte sie.

„Es ist nicht für die Ewigkeit, Larkin“, mahnte er sie. „Was wir heute gespürt haben – das war einfach nur Begehren. Und Begehren verfliegt mit der Zeit.“

„Das ist eine ganz schön zynische Sichtweise.“ Sie sagte das ganz sachlich, aber trotzdem spürte er eine gewisse Schärfe in ihrer Stimme.

„Ich bin ja auch Zyniker. Und zwar wegen der Erfahrungen, die ich leider machen musste.“

„Das kann daran gelegen haben, dass du dir die falsche Frau ausgesucht hast.“

„Sehr gut erkannt.“

„Siehst du, aber mit der richtigen Frau …“

„Mit dir zum Beispiel?“ Er hielt vor einem alten Mietshaus, das schon bessere Tage gesehen hatte. „Erhoffst du dir das, Larkin?“

„Nein, natürlich nicht“, konterte sie sofort. „Ich dachte nur …“

Fürs Denken bezahle ich dich nicht, schoss es ihm durch den Kopf. Fast hätte er den bösen Satz sogar laut ausgesprochen, erst in letzter Sekunde hielt er sich zurück. Dabei war er eigentlich kein unfreundlicher Mensch, und sie hatte es nun wirklich nicht verdient, dass er seinen Zorn über seine missglückte Ehe an ihr ausließ. Aber wenn das Thema auf Leigh kam, konnte er unausstehlich werden.

Außerdem wäre es unklug, sie zu verärgern, dachte er. Immerhin habe ich sie schon meinen Großeltern vorgestellt. Wenn sie jetzt alles hinwirft und verschwindet … Er zögerte einen Moment. Würde das überhaupt einen Unterschied machen? Würde seine Familie glauben, dass er seine Inferno-Seelengefährtin gefunden und noch am gleichen Abend wieder verloren hätte? Oder würden sie davon ausgehen, dass er sich die Geschichte nur ausgedacht hatte? Vielleicht würden sie sogar vermuten, dass er gar nicht das Inferno erlebt hatte, sondern nur einen Anfall von Begierde. Und das wäre noch schlimmer.

Nein, sinnierte er, ich muss schon bei dem ursprünglichen Plan bleiben. Ein paar Monate durchhalten, bis die liebe Verwandtschaft völlig davon überzeugt ist, dass das Inferno mich voll erwischt hat. Dann gebe ich Larkin in die Anweisung, sich von mir zu trennen – und sie werden mich endlich in Ruhe lassen. Bis dahin muss ich alles tun, damit meine angebliche Inferno-Braut am Ball bleibt und mitspielt.

„Was denkst du gerade?“, beendete ihre sanfte Stimme die Stille.

„Morgen ist Samstag. Da die Catering-Firma dich gefeuert hat, hast du sicher Zeit?“

Einen Moment lang zögerte sie. „Eigentlich müsste ich mich schnellstens nach einem neuen Job umsehen.“

„Du hast doch einen neuen Job“, erinnerte er sie. „Schon vergessen, dass du jetzt für mich arbeitest?“

„Einen richtigen Job“, stellte sie klar.

Ja, um Himmels willen, begriff sie es denn nicht? „Das ist ein richtiger Job, Larkin. Du wirst ihm deine gesamte Zeit opfern müssen. Und zwar gleich ab morgen.“

Im Lichtschein der Lampe konnte er erkennen, wie angespannt sie war. „Was ist denn für morgen geplant?“

„Ich werde dich ganz offiziell einigen meiner Verwandten vorstellen.“

„Rafe …“ Zögernd schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid. Ich kann das nicht.“

Schnell ergriff er ihre Hand. Wieder spürte er das Kribbeln; es pulsierte geradezu in seiner Handfläche. „Du fühlst es doch auch, da ist etwas. Ich bitte dich nur, uns etwas Zeit zu geben, damit wir herausfinden können, was es ist. Wenn meine Familie recht hat und es wirklich das Inferno ist, können wir uns immer noch überlegen, wie wir damit umgehen.“

„Und wenn nicht?“

Er zuckte mit den Schultern. „Das wäre ja auch nicht schlimm. Dann haben wir uns halt geirrt. Und trennen uns. Für deine Zeit werde ich dich ja gut bezahlen; anschließend kannst du dir immer noch einen neuen Job suchen und deine Suche nach der geheimnisvollen Person fortsetzen. Und mich wird man in Ruhe lassen und mir nicht ständig neue Frauen vorstellen.“

„In Ruhe gelassen werden – willst du das wirklich?“, fragte sie nachdenklich. „Hat Leigh dir das angetan? Hat sie dich so verändert, hat sie dich in diesen einsamen Wolf verwandelt, wie die Klatschblätter dich nennen?“

„So bin ich nun mal, so war ich schon immer, und ja, ich will es so.“ Auf keinen Fall wollte er sich eingestehen, dass Leigh sein Wesen irgendwie verändert haben könnte. Nein, diese Macht hatte sie nicht über ihn. Jedenfalls nicht mehr. „Ich will es so und werde alles dafür tun.“

Einen Augenblick lang dachte Larkin nach, dann nickte sie. „Na schön, ich mach’s. Vielleicht nur, um deine verletzte Seele zu pflegen, nach allem, was deine verstorbene Frau dir angetan hat.“ Er wollte etwas einwerfen, doch sie sprach schon weiter. „Aber nur, bis wir uns sicher sind, ob es das Inferno ist oder nicht.“

Jetzt sieht sie sich als barmherzige Samariterin, dachte er. Aber schön – wenn sie das braucht, um bei meinem Plan mitzumachen, soll es mir recht sein. „Gut, einverstanden.“ Er stieg aus dem Auto, ging zur Beifahrerseite und öffnete ihr die Tür. „Ich bringe dich noch eben rein.“

„Ist nicht nötig.“

Er wartete mit seiner Entgegnung, bis sie die Stufen zur Haustür hochgegangen war und aufschloss. „Doch, ich bestehe darauf.“

Galant hielt er ihr die Tür auf, und sie lächelte schelmisch. „Du glaubst doch nicht etwa, ich würde unsere Abmachung ganz schnell vergessen, sobald ich die Tür hinter mir geschlossen habe?“

„Wenn ich ehrlich bin … ja“, gab er zu.

Plötzlich wurde sie ernst. „Du kennst mich ja noch nicht gut, aber eins kann ich dir sagen: Ich halte immer meine Versprechen. Immer.“

„Da sind Sie ja endlich, Miss Thatcher“, ertönte plötzlich eine dunkle, unfreundliche Stimme. „Ich hatte schon gedacht, Sie hätten sich aus dem Staub gemacht.“ Ein großer, dicker Mann um die sechzig baute sich vor Larkin auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Haben Sie endlich das Geld für die Miete?“

„Sicher, Mr. Connell. Hier.“ Larkin zog die Geldscheine aus ihrer Tasche, zählte eine Summe ab und überreichte sie ihm.

Misstrauisch zählte er nach und nickte dann. „Gut, damit wären die Rückstände ausgeglichen. Und jetzt haben Sie zehn Minuten Zeit, um Ihre Sachen zu packen und zu verschwinden.“

„Aber Mr. Connell“, stieß Larkin erschrocken hervor. „Ich verspreche Ihnen, ab jetzt zahle ich superpünktlich. Ich habe doch immer …“

„Darum geht es nicht, und das wissen Sie auch.“ Für Sekundenbruchteile war so etwas wie Menschlichkeit in seinem Gesicht aufgeblitzt, aber schon zeigte er wieder seine harte Schale, ruppig und unnachgiebig. Vielleicht wurde man so, wenn man sich jahrelang mit säumigen und unangenehmen Hausbewohnern herumschlagen musste. Es war ja nicht jeder ein Mustermieter. „Sie kennen doch unsere Bestimmungen, was Haustiere betrifft. In zehn Minuten rufe ich den Tierschutzverein an. Ich könnte mir vorstellen, dass die einige Fragen haben, was Ihren … Hund angeht.“

Larkin wurde blass. „Das ist wirklich nicht nötig, Mr. Connell“, versicherte sie. „Ich verschwinde sofort. Samt meiner Hündin natürlich.“

Rafe hatte das Gefühl, der Hausmeister hätte für Larkin eine Ausnahme gemacht, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Im Herzen schien er kein schlechter Kerl zu sein. „Die Großstadt – und vor allem so ein Mietshaus – ist einfach nicht der richtige Ort für ein so großes Tier, Miss Thatcher. Es braucht mehr Platz, mehr Auslauf.“

„Ich bin ja dabei, eine Lösung zu finden.“

Rafe räusperte sich vernehmlich. „Vielleicht hilft es ja, wenn wir die Miete ein bisschen aufstocken. Sie verstehen schon, eine kleine Extrazahlung für den Fall, dass das Tier mal etwas anrichtet.“

Natürlich verstand Connell sofort, wie das Angebot gemeint war. Doch er schüttelte bedauernd den Kopf. „Es geht nicht um Geld. Auch nicht um die verspätete Mietzahlung. Ich weiß, dass Miss Thatcher absolut ehrlich und ehrenwert ist.“ Er hielt einen Moment inne und lächelte kurz. „Sie hat immer gezahlt, wenn auch nicht unbedingt pünktlich. Aber was die Hündin angeht …“

„Ich hatte doch keine Wahl“, beteuerte Larkin. „Ich musste sie aufnehmen. Woanders wäre sie sicher eingeschläfert worden.“

„Das ist Ihr Problem“, beharrte der Hausmeister. „Sie müssen sie woanders unterbringen.“

„Können Sie mir nicht wenigstens bis morgen früh Zeit geben?“

Wieder schüttelte er den Kopf. „Tut mir leid. Wenn es nach mir ginge, würde ich es sofort tun. Aber es wissen schon andere Mieter von dem Tier. Wenn die Hausbesitzer erfahren, dass ich nicht sofort und strikt nach den Regeln gehandelt habe, kann mich das meinen Job kosten.“

„Ja, das verstehe ich.“ Rafe war kein bisschen überrascht, dass Larkin sofort einknickte. Sie hatte eben ein weiches Herz. „Ich will auf keinen Fall schuld daran sein, dass Sie Ihren Job verlieren. In ein paar Minuten habe ich alles gepackt.“

Rafe seufzte leise. Er wusste, er musste jetzt eingreifen, auch wenn er es bereuen würde. Es würde verflixt schwer werden, das Versprechen zu halten, das er Primo gegeben hatte. „Ich weiß, wo du bleiben kannst“, sagte er schließlich.

Hoffnungsvoll blickte sie ihn an. „Kiko auch?“

„Heißt deine Hündin so?“

„Eigentlich Tukiko, aber ich nenne sie Kiko.“

„Ja, du kannst Kiko mitbringen. Der Hausbesitzer wird nichts dagegen haben. Dort gibt es auch einen großen Garten nach hinten raus, in dem sie sich austoben kann.“

„Wirklich?“ Larkins Augen schimmerten feucht. „Vielen, vielen Dank.“

Voller Freude umarmte sie Connell, was dieser verlegen quittierte, indem er ihr unbeholfen über den Rücken strich. Dann führte sie Rafe nach oben. Prüfend blickte er sich um und stellte fest, dass das Mietshaus sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls befand. Wahrscheinlich liegt es nicht einmal daran, dass der Hausmeister faul oder gleichgültig ist, dachte er. Hier wäre eine Grundsanierung nötig, und solange das nicht passiert, kann er wahrscheinlich immer nur die schlimmsten Löcher stopfen.

Er folgte Larkin durch ein Gewirr von Gängen im dritten Stock, bis sie vor einer schmutzig-grün gestrichenen Tür stehen blieb. Sie suchte ihren Schlüssel heraus und öffnete die Tür zu der winzigen Einzimmerwohnung.

„Hallo, Kiko“, flüsterte sie. „Ich bin’s. Und ich habe noch jemanden mitgebracht, aber es ist ein Freund. Du brauchst also keine Angst zu haben.“

„Sie mag wohl keine Fremden?“

„Aus gutem Grund.“

„Ist sie misshandelt worden?“

„Sagen wir: Sie hatte keine schöne Kindheit.“

Aus der Dunkelheit ertönte ein leises Knurren.

„Ganz brav, Kiko“, mahnte Larkin mit fester Stimme.

Rafe suchte den Lichtschalter, fand ihn und knipste das Licht an. Als er das Tier erblickte, zuckte er zusammen. So etwas hatte er noch nie gesehen! „Was für ein Hund ist das denn?“, fragte er so sachlich wie möglich.

„Ein Siberian Husky.“

„Aber sicher nicht reinrassig.“

„Ein bisschen Alaskan Malamute steckt auch mit drin.“

„Und was noch?“ Rafe war sich sicher, dass wenigstens ein Elternteil dieses Geschöpfs nachts den Mond anheulte und in einem Rudel lebte.

„Mehr nicht.“ Larkin verschränkte die Arme vor der Brust und sah aus, als würde sie alles tun, um die Ehre dieser riesigen Promenadenmischung zu verteidigen.

„Komm schon, Larkin, da stecken noch andere Rassen drin, das weißt du ganz genau. Wo hast du sie überhaupt her?“

„Meine Großmutter hat sie aus einer Tierfalle gerettet, als Kiko noch ganz jung war. Ihr Bein war gebrochen. Deswegen hinkt Kiko auch heute noch, und obwohl sie von meiner Granny viel Liebe bekommen hat, ist sie allen Menschen gegenüber sehr misstrauisch. Inzwischen ist sie sehr alt. Als meine Großmutter im Sterben lag, hat sie mich gebeten, für Kiko zu sorgen. Sie hat mich großgezogen, deshalb konnte ich ihr diese Bitte nicht abschlagen.“

„Wann ist deine Großmutter denn gestorben?“, fragte er voller Mitgefühl.

„Vor einem Dreivierteljahr, aber sie war vorher schon lange krank. Für mich war es natürlich Ehrensache, ihren letzten Wunsch zu erfüllen, aber es hat mir das Leben nicht gerade leichter gemacht.“ Sie seufzte auf, wirkte aber stolz und entschlossen. „Ich musste mehrfach umziehen. Öfter als mir lieb war. An Jobs habe ich alles angenommen, was mir über den Weg lief. Na ja, man kommt zurecht. Das heißt aber nicht, dass ich nicht noch größere Ziele habe. Zum Beispiel würde ich gerne für eine Tierschutzorganisation arbeiten, um gequälten Geschöpfen wie Kiko zu helfen. Vorher habe ich allerdings noch etwas zu erledigen.“

„Diese geheimnisvolle Person zu finden.“

„Ganz genau.“

„Larkin …“

„Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Rafe“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Mr. Connell hat mir nur zehn Minuten Zeit gegeben, und mindestens die Hälfte davon haben wir bereits verschwendet. Dabei habe ich noch nicht mal angefangen zu packen.“

Rafe ließ die Sache auf sich beruhen. Fürs Erste. „Wo ist dein Koffer?“

„Im Schrank.“

Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie gepackt hatten. Rafe war erstaunt und in gewisser Weise auch schockiert, dass all ihre Habseligkeiten in einen einzigen kleinen Koffer passten. Wenn er da an seine Besitztümer dachte …

„Haben wir alles?“, fragte er noch einmal zur Sicherheit.

Larkin sah sich noch einmal prüfend in der Einzimmerwohnung um und nickte dann. Schnell gaben sie noch die Schlüssel bei Mr. Connell ab und verließen das Gebäude. Nachdem Larkin der angeleinten Kiko die Gelegenheit gegeben hatte, sich ein wenig die Beine zu vertreten, verstauten sie Hund und Gepäck in Rafes Wagen, und sie nahm wieder auf dem Beifahrersitz Platz.

„So, und wo bringst du mich jetzt hin?“, wollte sie wissen, während er aus der Parklücke fuhr.

„Zu mir.“

„Was? Du hattest doch gesagt, du hättest ein Plätzchen, wo Kiko und ich bleiben können“, merkte sie angespannt an.

„Richtig. Da, wo ich wohne.“

„Aber …“

Er sah sie ernst an. „Larkin, wenn es nur um dich ginge, hätte ich blitzschnell was gefunden, selbst jetzt, mitten in der Nacht. Aber mit deinem Hund – wenn man dieses merkwürdige Geschöpf denn Hund nennen möchte – hast du keine Chance. Kein Hotel in der ganzen Stadt, selbst die mieseste Absteige, würde Kiko aufnehmen. Wenn du mit ihr irgendwo auftauchst, rufen die glatt die Polizei. Würdest du das wollen?“

„Nein“, flüsterte sie.

„Also haben wir nicht viele Möglichkeiten. Genauer gesagt: nur eine.“

„Dein Haus“, murmelte sie kleinlaut.

„Genau“, bestätigte er. „Mein Haus.“

Weil um diese Zeit nicht viel Verkehr herrschte, hatten sie schon nach rund zwanzig Minuten ihr Ziel erreicht. Nachdem er das Auto in der Garage geparkt hatte, führte er sie zum Hintereingang, durch den es in die Küche ging.

Larkin blieb an der Schwelle stehen. „Darf Kiko denn überhaupt mit hereinkommen?“

„Natürlich. Ich habe doch gesagt, dass sie in meinem Haus willkommen ist.“

„Vielen Dank.“

Autor

Day Leclaire
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