Baccara Exklusiv Band 237

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VERBOTENE KÜSSE AM POOL von MICHELLE CELMER
„Rowena ist tabu für Sie!“ Der englische Diplomat Colin Middlebury ist gewarnt. Wenn er sich der sexy Tochter des Senators nähert, verliert er auf der Stelle dessen Unterstützung. Doch Rowena ist einfach zu verführerisch. Als sie ihm verlangend „Küssen Sie mich“ zuflüstert, beginnt für Colin ein gefährlich heißes Spiel …

EIN UNVERSCHÄMT ATTRAKTIVER MILLIARDÄR von TESSA RADLEY
Heiraten? Victoria ist entsetzt darüber, was der mächtige Milliardär Connor North von ihr verlangt. Doch sie hat keine Wahl. Wenn sie das Sorgerecht für Dylan behalten will, muss sie sich mit Connor arrangieren. Nur um Dylans willen zieht Victoria in die Luxusvilla – und zu dem Mann, der so arrogant wie faszinierend ist. Denn sosehr sie Connor verabscheuen will, fühlt Victoria sich doch immer stärker zu ihm hingezogen …

JETZT GEHÖRST DU MIR! von EMILIE ROSE
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  • Erscheinungstag 23.09.2023
  • Bandnummer 237
  • ISBN / Artikelnummer 0858230237
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Michelle Celmer, Tessa Radley, Emilie Rose

BACCARA EXKLUSIV BAND 237

1. KAPITEL

Rowena Tate musste sich ungeheuer beherrschen, um nicht aus der Haut zu fahren, als Margaret Wellington, die Assistentin ihres Vaters, sie mit geheimnisvoller Stimme warnte: „Ich soll dir ausrichten, dass er auf dem Weg hierher ist.“

„Und …?“ Rowena wusste genau, dass das nicht alles war.

„Nichts und. Das ist alles.“

Doch an Margarets Stimme konnte Rowena erkennen, dass sie etwas zurückhielt. „Du kannst ja noch schlechter lügen als ich.“

Margaret seufzte leise. „Ich soll dich dran erinnern, dass du dich von deiner besten Seite zeigen musst.“

Oh …! Um sich zu beruhigen, musste Rowena einmal tief durchatmen. Heute Morgen hatte ihr Vater sie per E-Mail informiert, dass er mit einem Gast vorbeikommen würde, der sich den Kindergarten ansehen wolle. Er hatte verlangt – und nicht darum gebeten, denn Senator Tate bat nie um etwas –, alles makellos vorzufinden. Damit machte er mehr als deutlichn und zwar nicht zum ersten Mal, seit sie sein Lieblingsprojekt übernommen hatte, dass er ihr nichts zutraute. Dass sie zu spontan, verantwortungslos und alles in allem unfähig sei, diese Aufgabe zu erfüllen.

Von ihrem Bürofenster aus konnte sie die Kinder auf dem Spielplatz beobachten. Nach fünf Regentagen schien endlich die Sonne, und das Thermometer war auf siebzehn Grad angestiegen, was für den Februar in Südkalifornien ziemlich normal war. So brauchten die Kinder nur leichte Jacken zu tragen, und sie rannten lachend und schreiend herum, als wären sie wochenlang eingesperrt gewesen.

Auch wenn Rowena noch so schlechter Laune war, wenn sie die Kinder beim Spielen betrachtete, musste sie einfach lächeln. Erst seit der Geburt ihres Sohnes Dylan war sie überhaupt an Kindern interessiert. Und jetzt konnte sie sich keinen schöneren Beruf als den einer Erzieherin vorstellen. Doch sie wusste, wenn sie nicht aufpasste, würde der Vater ihr auch diese Freude nehmen.

„Er wird mir wohl nie etwas zutrauen“, meinte sie erbittert.

„Immerhin hat er dir die Leitung des Kindergartens übergeben.“

„Das schon. Aber auch nach drei Monaten beobachtet er mich wie ein Luchs. Manchmal habe ich den Eindruck, er wünsche sich geradezu, dass ich versage. Nur damit er behaupten kann, er habe gleich gewusst, dass man mir nichts zutrauen kann.“

„Nein, das siehst du falsch. So ist er nicht. Er liebt dich, Row. Er kann es nur nicht zeigen.“

Seit fünfzehn Jahren arbeitete Margaret schon für Senator Tate, gehörte also quasi zur Familie. Sie war eine der wenigen, die wussten, wie kompliziert die Beziehung zwischen Rowena und ihrem Vater war. Margaret war schon da gewesen, als Rowenas Mutter Amelia mit dem jungen Protegé des Vaters durchgebrannt war, ein Riesenskandal.

Kein Wunder, dass Rowena leicht neurotisch war. „Mit wem kommt er denn diesmal?“, fragte sie.

„Mit einem englischen Diplomaten. Ich weiß nicht viel von ihm, nur dass er deinen Vater dazu bringen will, einen bestimmten Vertragsentwurf zu unterstützen. Ich glaube, er hat sogar einen Adelstitel.“

Das beeindruckte den Senator sicherlich. „Danke für die Info, Margaret.“

„Viel Glück.“

Der Summer ging. Ihr Vater! Seufzend erhob sich Rowena, hängte den mit Farbe beschmierten Kittel in den Schrank und ging durch das große Spielzimmer auf den Spielplatz, der umzäunt und dessen Tor fest verschlossen war. Eine Vorsichtsmaßnahme, nicht nur um die Kinder drinnenzuhalten, sondern auch um Fremden den Zutritt zu verweigern. Schließlich lag der Kindergarten auf dem Besitz eines mächtigen und einflussreichen Senators der Vereinigten Staaten, da konnte man nicht vorsichtig genug sein.

Rowenas Vater stand vor dem Tor, hatte seine Golfschläger dabei und sein künstliches Lächeln aufgesetzt. Rowena richtete den Blick auf den Mann neben ihm.

Wow!

Als Margaret etwas von einem englischen Diplomaten sagte, hatte Rowena sich einen steifen Endvierziger mit Halbglatze vorgestellt, dessen Arroganz sich wahrscheinlich auf seinen Titel und ein flottes Bankkonto bei einer Schweizer Bank gründete. Dieser Mann hier war jedoch in ihrem Alter und wirkte überhaupt nicht steif.

Er hatte sehr helles Haar, das er kurz geschnitten trug, und seine Augen waren von einem so durchdringenden Blau, dass Rowena sofort an gefärbte Kontaktlinsen denken musste. Und die Wimpern! Sie waren so schwarz und dicht, dass jede Frau ihre Seele dafür hergegeben hätte. Die kleine Narbe oberhalb der linken Augenbraue und der hellbraune Dreitagebart gaben ihm etwas Verwegenes. Er war sicher knapp zehn Zentimeter größer als der Senator, musste also ungefähr eins fünfundachtzig sein, war schlank und dennoch muskulös.

Der ist was für mich, dachte sie spontan. Doch dann schaltete sie ihren Verstand ein. Denn sie wusste nur zu genau, dass diese Art Männer nichts als Schwierigkeiten machte. Allerdings hatte man mit ihnen auch den meisten Spaß, und der Sex war einfach fantastisch. Doch wenn sie erreicht hatten, was sie wollten, dann sahen sie sich nach etwas Neuem um. Oder sie flohen entsetzt, wenn sich herausstellte, dass sie ihre Sexpartnerin geschwängert hatten. Wie Dylans Vater. Also Vorsicht! Sie tippte den Code ein, öffnete das Tor und ließ die beiden ein.

„Mein Liebes, ich möchte dir Colin Middlebury vorstellen“, sagte der Senator. Mein Liebes sagte er nur, wenn er ganz auf Familie machen wollte. „Colin, dies ist meine Tochter Rowena.“

Colin Middlebury sah sie mit diesen unglaublichen Augen an und lächelte. Was für ein Lächeln. Rowenas Herz klopfte wie verrückt. „Miss Tate“, sagte er mit weicher und doch männlicher Stimme und einem sehr sexy Akzent, „ich freue mich, Sie kennenzulernen.“

Und ich erst … Kurz warf sie einen Blick auf ihren Vater, der sie vollkommen ausdruckslos ansah. „Herzlich willkommen in Los Angeles, Mr Middlebury“, sagte sie mit fester Stimme.

„Bitte, sagen Sie Colin zu mir.“ Er reichte ihr die Hand, und bei der Berührung überlief es sie heiß.

Das war ihr schon lange nicht mehr passiert. Normalerweise brachte ihr Vater alte langweilige Politiker mit, die feuchtkalte Hände hatten und Rowena unverschämt von oben bis unten musterten. Ihr schmutziges Lächeln machte deutlich, dass die Macht sie korrumpiert hatte und sie glaubten, unwiderstehlich für jedes Wesen mit zwei Beinen und zwei Brüsten zu sein.

„Colin wird hier bei uns wohnen“, sagte der Senator, „wahrscheinlich zwei bis drei Wochen. In dieser Zeit werden wir die Einzelheiten des Vertrages besprechen, den ich im Senat unterstützen will.“

Also musste sie wieder einmal die Gastgeberin spielen, musste freundlich und höflich sein, auch wenn ihr nicht danach zumute war. Wie sie diese Rolle hasste! Wenn der Gast jedoch so aussah wie Colin Middlebury? Auch wenn er der größte Idiot sein sollte, der Anblick war sehr erfreulich.

Der Senator sah sich auf dem Spielplatz um. „Wo ist denn mein Enkelsohn?“

„Er ist oben mit dem Sprachtherapeuten.“ Im oberen Stockwerk waren die Räume für therapeutische Zwecke eingerichtet, sodass für Dylan alles getan werden konnte, während Rowena sich unten um die anderen Kinder kümmerte. Das war natürlich die Idee ihres Vaters gewesen, für den das Beste für seinen Enkelsohn gerade gut genug war.

„Wann ist die Stunde zu Ende? Ich möchte gern, dass Colin ihn kennenlernt.“

Sie blickte auf die Uhr. „In etwa dreißig Minuten. Und er sollte dabei nicht gestört werden.“

„Gut, dann ein andermal“, sagte Colin lächelnd. „Werden Sie uns heute Abend beim Dinner bei Estavez Gesellschaft leisten?“

Nur zu gern … Aber ein strenger Blick ihres Vaters wies sie zurecht. „Heute passt es schlecht.“

„Hätten Sie Lust, Colin“, übernahm der Senator wieder das Gespräch, „sich den Kindergarten mal von innen anzusehen?“

„Sehr gern.“

„Vor zwei Jahren habe ich mit dem Projekt begonnen“, sagte der Senator stolz, während die beiden Männer auf das Gebäude zugingen. Natürlich erwähnte er wieder nicht, dass das Ganze Rowenas Idee gewesen war.

„He, Row!“

Rowena wandte sich um und sah, wie Patricia Adams, ihre Angestellte und beste Freundin, ihr zuwinkte. Patricia beobachtete und bewachte die Kinder, die fröhlich auf dem Klettergerüst herumturnten. Während sie fächernde Bewegungen mit der Hand machte, als sei ihr zu heiß, formte sie das Wort „wow“ mit den Lippen.

Unwillkürlich musste Rowena lächeln. Das kann man wohl sagen …

Schon nach wenigen Minuten kamen der Senator und Colin wieder aus dem Haus, und Rowena sah sofort, dass ihr Vater über irgendetwas aufgebracht war. „Offenbar war noch Farbe an einer Tischkante und hat Colins Hose beschmiert!“ Obwohl er sich bemühte, sich zusammenzunehmen, sah Rowena ihm an, dass er außer sich war.

Colin dagegen machte eine abwehrende Handbewegung. „Halb so schlimm“, sagte er, obgleich der Fleck auf seiner Hose ziemlich groß war.

„Es ist eine wasserlösliche Farbe“, sagte Rowena schnell. „Mit etwas Wasser und Seife lässt sich der Fleck leicht entfernen. Unsere Haushälterin wird sich darum kümmern. Falls der Fleck nicht herausgehen sollte, ersetze ich Ihnen selbstverständlich die Hose.“

„Das ist wirklich nicht nötig“, versicherte Colin sofort.

„Nun denn, es ist Zeit, dass du wieder an deine Arbeit gehst. Wir wollen dich nicht länger aufhalten.“ Ihr Vater setzte wieder sein Plastiklächeln auf. „Colin, würden Sie uns einen Moment entschuldigen?“

Das musste ja kommen …

„Selbstverständlich. Ich gehe schon mal zum Haus zurück.“

Rowena folgte ihrem Vater ins Gebäude. Dort drehte er sich mit strenger Miene zu ihr um. „Ist es wirklich zu viel verlangt, dass die Räume aufgeräumt und sauber sind, wenn ich einen Gast herbringe? Die Farbe überall zu entfernen kann doch nicht so schwierig sein! Colin gehört dem Adel an, er ist ein Earl und außerdem im Krieg ausgezeichnet worden. Wie kannst du da so nachlässig sein?“

Wenn er im Krieg gewesen ist, ging ihr durch den Kopf, dann hat er wahrscheinlich schlimmere Dinge erlebt als einen Farbklecks auf der Hose. Doch wie so viele Male vorher schluckte sie herunter, was ihr auf der Zunge lag, sosehr es sie auch erbitterte. „Tut mir leid, Vater, wir müssen das übersehen haben, als wir aufräumten. Ich werde das nächste Mal besser aufpassen.“

„Wenn es ein nächstes Mal für dich gibt. Wenn du noch nicht einmal auf so etwas achten kannst, wie kann man dir dann Kinder anvertrauen.“

„Es tut mir leid …“, wiederholte sie leise.

„Und das nach allem, was ich für dich und Dylan getan habe!“ Empört schüttelte der Senator den Kopf, als finde er keine Worte, Rowenas Egoismus und Unverfrorenheit zu beschreiben. Dann stürzte er aus der Tür.

Rowena lehnte sich gegen die Wand. Sie war wütend und frustriert. Ja, und auch verletzt, aber nicht vernichtet. Auch wenn er sie noch so oft fertigmachte, sie kam immer wieder auf die Füße.

„He, Row?“ Tricia stand im Eingang und sah die Freundin besorgt an. „Alles okay mit dir?“

Rowena atmete ein paarmal tief durch und stieß sich dann von der Wand ab. „Ja, ja, ist schon okay.“

„Ich habe gehört, was er wegen der Farbe gesagt hat. Das ist meine Schuld. Ich habe April gebeten, die Tische abzuwischen, und habe vergessen, es später noch mal zu kontrollieren. Ich weiß ja, wie genau er ist, wenn er Besuch mitbringt. Tut mir leid, ich hätte besser aufpassen sollen.“

„Ach, Tricia, mach dir keine Gedanken. Wenn es nicht die Farbe gewesen wäre, hätte er etwas anderes gefunden. Er findet immer etwas.“

„Es ist ein Skandal, wie er dich behandelt!“

„Er hat mit mir auch eine Menge mitmachen müssen.“

„Aber du hast dich geändert, Row. Du hast dein Leben jetzt im Griff.“

„Ohne ihn wäre das nicht möglich. Du musst zugeben, dass er viel für mich und Dylan tut.“

„Das wird ihm gefallen. Denn genau so sollst du über ihn denken. Aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, dich wie die letzte Dienstmagd zu behandeln. Du kämst doch auch allein gut zurecht.“

Wie gern würde Rowena der Freundin glauben. Aber als sie das letzte Mal auf sich gestellt war, war ihr Leben eine einzige Katastrophe gewesen.

„Du weißt, dass du und Dylan gern für eine Zeit bei mir wohnen könnt“, bot Tricia an.

Ja, und von der ersten Sekunde an würde der Vater ihr jegliche finanzielle Unterstützung entziehen. Und nicht nur ihr. Auch Dylan würde keinen Cent mehr sehen, sodass er die ärztliche Betreuung abbrechen müsste. Und damit konnte ihr Vater sie unter Druck setzen und ihr den Jungen wegnehmen. Diese Drohung kannte sie nur zu gut, im Grunde schon seit Dylans Geburt. Und sie zweifelte nicht daran, dass er sie in die Tat umsetzen würde.

„Dank dir für das Angebot, Tricia, aber ich kann es nicht annehmen.“ Schließlich hatte ihre eigene Verantwortungslosigkeit und Nachlässigkeit sie ursprünglich in diese Situation gebracht. Und nur sie konnte sich auch wieder daraus befreien.

Colin hatte nie viel von Gerüchten gehalten. In Adelskreisen verbreiteten sich Gerüchte wie eine Seuche. Deshalb hatte er sich, als ihm der Klatsch über des Senators Tochter zu Ohren kam, mit seinem Urteil zurückgehalten, schon aus Anständigkeit und Respekt. Vielleicht hatte er irgendetwas übersehen, aber sie wirkte völlig normal auf ihn. Auch wenn sie zwei Köpfe und statt Füßen Hufe hätte, wäre er fair geblieben.

Dies hier war Colins erster Einsatz als Diplomat und sicher nicht gerade ein Traumjob. Aber er war entschlossen, das Beste daraus zu machen. Man hatte ihn vor amerikanischen Politikern gewarnt, speziell vor Verhandlungen mit solchen, die so mächtig und einflussreich waren wie Senator Tate. Der Senator setzte immer das durch, was er sich vorgenommen hatte. Wenn er mit dem ganzen Gewicht seines Amtes hinter einem Gesetzentwurf stand, fielen seine Mitsenatoren meist um und stimmten zu. Colins Familie setzte ihre ganze Hoffnung auf Colin, einen bestimmten Vertrag zum Teil des Gesetzes zu machen, der für die Vereinigten Staaten und Großbritannien bindend war.

In beiden Ländern hatten die Computerhacker schon großen Schaden angerichtet. Durch diesen Vertrag und das darauf folgende Gesetz hätten die USA wie auch Großbritannien eine Handhabe, sie vor Gericht zu bringen.

Diese Computerspione hatten auch den Medien zugespielt, dass Präsident Morrow eine uneheliche Tochter habe, was – ausgerechnet – auf dem Ball nach der Amtseinführung des Präsidenten bekannt gegeben worden war. Ariella Winthrop, seine sogenannte uneheliche Tochter, stand in diesem Augenblicken nur wenige Schritte von ihm entfernt und war darüber genauso fassungslos wie er selbst.

Dadurch war auch der US-Regierung klar geworden, dass etwas gegen die Hacker unternommen werden musste, und sie war bereit zu verhandeln.

Colin hatte kaum die Hälfte des Weges zum großen Landhaus des Senators zurückgelegt, als er von seinem Gastgeber eingeholt wurde. „Ich bitte nochmals um Entschuldigung.“

„Wie ich schon sagte, alles halb so schlimm.“

„Wahrscheinlich haben Sie auch schon gehört“, fing der Senator wieder an, „dass Rowena in der Vergangenheit gewisse … nun … Probleme hatte. Sie hat sich sehr darum bemüht, sie abzustellen.“

Dennoch scheinen Sie sie immer noch an sehr kurzer Leine zu führen, dachte Colin. Laut sagte er: „Wir haben wohl alle mal etwas getan, worauf wir nicht stolz sein können.“

Der Senator sah ihn kurz an. Dann gab er sich einen Ruck. „Kann ich offen zu Ihnen sein, Colin?“

„Selbstverständlich.“

„Ich habe gehört, dass Ihnen der Ruf anhängt, einen großen Frauenverschleiß zu haben.“

„So?“

„Ich will damit nicht sagen, dass mich das gegen Sie einnimmt. Wie Sie Ihr Leben führen, geht nur Sie etwas an.“

Colin konnte nicht abstreiten, dass er seine Erfahrungen mit Frauen hatte. Aber er hatte sie nie schäbig behandelt. Er hatte seinen Freundinnen nie etwas vorgemacht, sondern sie von Anfang an nicht im Unklaren gelassen, dass eine dauerhafte Bindung für ihn vorläufig nicht infrage kam. „Seien Sie versichert, dass mein Ruf in diesem Punkt keineswegs gerechtfertigt ist.“

„Nun, Sie sind jung, im besten Alter. Da ist es doch verständlich, dass Sie sich nichts entgehen lassen …“

Colin hatte den Eindruck, dass der Senator noch etwa hinzufügen wollte. Und das tat er auch.

„Unter normalen Umständen“, fuhr er fort, „hätte ich das Thema gar nicht aufgebracht. Aber Sie werden einige Zeit mein Gast sein, und da gibt es einige Grundregeln, die ich Sie bitte zu beachten.“

Grundregeln?

„Meine Tochter kann sehr … nun … impulsiv sein und war in der Vergangenheit bereits ein paarmal das Opfer skrupelloser Männer, die sich dadurch Zugang zu mir verschaffen wollten. Oder sie einfach nur ausgenutzt haben.“

„Sie können absolut sicher sein, dass ich nie …“

Tate hob die Hand, um Colin zu stoppen. „Das soll keine Anklage sein.“

Hört sich aber so an.

„Ich will damit nur sagen, dass meine Tochter für Sie tabu ist, solange Sie sich in meinem Haus aufhalten.“

Hm, das war ja wohl mehr als deutlich …

„Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie diesen Wunsch respektieren?“

„Selbstverständlich.“ Colin wusste nicht, ob er amüsiert oder brüskiert sein sollte. „Ich bin hier, um den Vertrag mit Ihnen durchzugehen.“

„Gut. Dann wollen wir uns an die Arbeit machen.“

2. KAPITEL

Aufatmend ließ Colin sich in einer dunklen ruhigen Ecke in der Nähe des Pools auf einen Liegestuhl fallen. Die Zusammenarbeit mit dem Senator während des Tages war anstrengend, aber produktiv gewesen. Dann hatte er ihn noch zu einem Dinner mit politischen Freunden begleitet, und jetzt war er froh, allein zu sein. Er streckte sich lang aus, blickte in den sternenklaren Himmel und nippte an dem exzellenten Scotch aus dem Barschrank des Senators.

Sein Telefon klingelte, und überrascht stellte er fest, dass seine Schwester ihn anrief. In London war es doch erst fünf Uhr dreißig morgens.

„Du bist ja früh auf“, begrüßte er sie.

„Mutter hatte eine schlechte Nacht“, sagte sie. „Deshalb bin ich aufgeblieben und habe ferngesehen. Ich wollte nur fragen, wie es dir geht, da auf dem anderen Kontinent.“

„Es ist … nun, interessant.“ Er erzählte ihr von der Warnung des Senators, und zuerst dachte sie, er würde sie auf den Arm nehmen. „Nein, es ist die reine Wahrheit“, beteuerte er.

„Ihr Vater hat dir buchstäblich gesagt, sie sei tabu für dich?“

„In genau diesen Worten.“

„Das ist ja unglaublich taktlos und unverschämt.“

„Offenbar ist mein Ruf, was Frauen betrifft, nicht besonders gut.“

Zwar konnte er nicht leugnen, dass ihn eine Frau wie Rowena mit ihrem feuerroten Haar und den grünen Augen unter anderen Umständen sehr interessiert hätte. Aber wenn es sein musste, war er selbstverständlich in der Lage, einer schönen Frau zu widerstehen.

„Vielleicht solltest du lieber nach Hause kommen“, meinte Matty.

Unter Zuhause verstand sie natürlich London. Und obgleich er sich während seiner Erholungszeit größtenteils in London aufgehalten hatte, fühlte er sich dort genauso wenig zu Hause wie damals als Kind. Denn die meiste Zeit der Kindheit hatte er im Internat verbracht, und später war er in den verschiedensten Ländern stationiert gewesen.

„In letzter Zeit hast du so viel durchgemacht“, fing Matty wieder an, „und du bist längst noch nicht ganz wiederhergestellt.“ Seine Schwester Matilda war zwanzig Jahre älter als er und war für ihn immer mehr Mutter als Schwester gewesen, sosehr ihn das auch oft genervt hatte, besonders nach seinem Absturz mit dem Hubschrauber.

Sicher, er hatte Glück gehabt, überhaupt lebend aus der Sache herauszukommen, und er war anfangs dankbar gewesen, dass sie sich um ihn kümmerte. Aber es hatte keinen Sinn, sich ständig mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Die schlimmsten Wunden waren verheilt, und er wollte endlich wieder mit seinem normalen Leben anfangen. Auch wenn er die Zeit beim Militär nie vergessen würde. Es hatte ihn mit Stolz erfüllt, seinem Land dienen zu können.

„Ich weiß, du tust das der Familie zuliebe“, sagte Matilda. „Aber Politik, Colin, das ist doch vollkommen unter deiner Würde.“

Da Matilda die meiste Zeit ihres Lebens behütet und fern der Realität verbracht hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, wie wichtig dieser Vertrag war. „Ich muss es tun. Die Privatsphäre auch unserer Familie ist zu oft verletzt und unser Ruf beschädigt worden. Das muss endlich ein Ende haben. Und deshalb brauchen wir diesen Vertrag.“

„Ich mache mir nur Sorgen um dich. Ziehst du dich auch warm an?“

Er lachte. „Ich bin doch in Südkalifornien, Schwesterchen. Hier wird es nicht kalt.“ Nicht so wie in Washington, wo er bei den niedrigen Temperaturen und dem scharfen Wind schon gemerkt hatte, dass er die alte Kraft noch nicht wieder besaß.

„Okay, aber du musst mir versprechen, gut auf dich aufzupassen.“

„Das tu ich. Alles Liebe, Matty, und grüß Mom.“

„Wiedersehen, kleiner Bruder.“ Sie lachte leise und unterbrach die Verbindung.

Colin ließ das Telefon wieder in die Hosentasche gleiten und schloss die Augen. Gedanklich ging er all das noch einmal durch, was in der Diskussion mit dem Senator zur Sprache gekommen war. Tate war sehr genau und ging den Vertragsentwurf Absatz für Absatz durch. Das Ganze würde noch einige Zeit dauern. Und wenn Tate alles abgesegnet hatte, würde der Vertrag in England noch einmal mit der gleichen Sorgfalt durchgesehen werden.

Er musste eingeschlafen sein, denn lautes Platschen weckte ihn auf, und er sah sich hastig und verwirrt um. Wo war er? Ach so, auf dem Anwesen von Senator Tate, in der Nähe des Pools. Er richtete sich auf. War da nicht jemand im Wasser und schwamm mit langen gleichmäßigen Zügen unter der Oberfläche? Da, jetzt musste der Jemand Luft holen. Leuchtend rotes Haar …

Rowena tauchte wieder und kam erst auf der anderen Seite des Beckens, wo Colin saß, zum Luftholen hoch. Sie machte eine schnelle Wende, stieß sich ab und glitt unter der Wasseroberfläche dahin. Fasziniert beobachtete Colin, wie sie den schlanken Körper mit schnellen Stößen vorwärtstrieb, am anderen Ende wieder eine Wende machte, zurückkam, Luft holte und wieder zurückschwamm.

Während er sie beobachtete, musste Colin an die lächerlichen Grundregeln des Senators denken. Wer ihn sah, wie er Tates Tochter beim Schwimmen beobachtete, konnte vielleicht auf falsche Gedanken kommen. Sollte er sich vorsichtig entfernen? Aber wenn das jemand sah, könnte man denken, er habe etwas zu verheimlichen. Sowie sie ins Becken sprang, hätte er aufstehen und gehen sollen. Doch dazu war es jetzt zu spät. Also blieb ihm nichts übrig, als sich höflich erkennen zu geben und dann zu verschwinden.

Rowena war immer noch wütend, dass ihr Vater sie heute vor ihren Angestellten gerügt hatte, weil sie das Monatsbudget für Kreiden und Farben um dreißig Dollar überzogen hatte. Schwimmen war eine gute Möglichkeit, Frust und Stress loszuwerden, und so würde sie erst aufhören, wenn sie nicht mehr konnte.

Seit drei Jahren, zwei Monaten und sechs Tagen hatte sie keinen Alkohol mehr angerührt. Und immer noch wartete der Vater darauf, dass sie rückfällig wurde. Jederzeit würde sie zugeben, dass sie in der Vergangenheit viele Fehler gemacht hatte, aber dafür hatte sie lange genug gebüßt. Was ihr Vater auch verlangte, sie hatte alles getan, aber immer noch war er nicht zufrieden. Wahrscheinlich würde er sein Misstrauen nie verlieren, sosehr sie sich auch bemühte, sich nach seiner Liebe sehnte und alles tat, um ihm eine Freude zu machen.

Als ihre Arme und Beine vor Anstrengung zitterten, kam sie hoch und hielt sich am Beckenrand fest. Nur mit Mühe zog sie sich hoch.

„Das war ja ein beeindruckender Work-out“, sagte eine tiefe unbekannte Stimme hinter ihr, und entsetzt fuhr sie herum. Im Schatten stand ein großer Mann, und vor Angst blieb ihr fast das Herz stehen. Wer war das? Ein Serienkiller? Oh Gott … Wenn José, der sich um den Pool kümmerte, ihre Leiche nun morgen früh im Pool fand? All das ging ihr im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf. Sie sprang auf, wollte wegrennen, stolperte – und wurde von einer starken Hand am Handgelenk festgehalten.

Mit einem kräftigen Ruck wollte sie ihren Arm befreien, aber bei der Bewegung verlor sie die Balance und nicht nur sie. Auch ihr Angreifer konnte sich nicht mehr auf dem nassen Beckenrand halten und fiel mit ihr zusammen in den Pool. Während sie prustend wieder auftauchte, erinnerte sie sich plötzlich daran, die Stimme schon einmal gehört zu haben. Natürlich, es war dieser Engländer. Du liebe Zeit, was würde ihr Vater dazu sagen?

Jetzt kam auch Colin hoch und sah sie wütend an. „Verdammt noch mal, was sollte das denn?“, fuhr er sie an.

„Entschuldigen Sie.“

Er griff nach dem Beckenrand und zog sich hoch. Sie wollte es ihm gleichtun, aber vor Erleichterung, weder einem Vergewaltiger noch einem Mörder in die Hände gefallen zu sein, war sie so schwach, dass sie sich kaum festhalten konnte.

„Erlauben Sie …“ Colin streckte ihr die Hand entgegen, und nach kurzem Zögern griff sie danach und ließ sich von ihm aus dem Wasser ziehen. Da sie vor Erregung zitterte, nahm er das Handtuch, das sie auf einem Stuhl liegen gelassen hatte, und hüllte sie darin ein.

Seine Sachen waren klatschnass. Offenbar hatte er nicht vorgehabt, schwimmen zu gehen – es sei denn nackt. Sie hätte nichts dagegen gehabt … Jetzt zog er ein Handy aus seiner triefenden Hose, schüttelte es, drückte ein paar Tasten, hielt es ans Ohr. Nichts.

Wenn er das ihrem Vater erzählte, konnte sie sich auf einiges gefasst machen. „Es tut mir so wahnsinnig leid. Ich wusste nicht, dass noch jemand hier war.“

„Ich wollte Sie nicht erschrecken.“ Er strich das Wasser aus seinen Pulloverärmeln. „Ich saß neben dem Pool im Schatten und muss eingeschlafen sein. Als Sie ins Wasser sprangen, bin ich aufgewacht.“

„Was ist mit Ihrem Handy? Wird das wieder funktionieren?“

„Ich glaube kaum.“ Er steckte es wieder in die Hosentasche.

Auch dem Pullover war das Bad nicht gut bekommen. Er hing formlos an Colin herunter „Das ist mir alles schrecklich peinlich, Colin. Erst der Fleck auf der Hose, und jetzt das hier.“

Doch er zuckte nur mit den Schultern. „Haben Sie vielleicht noch ein Handtuch für mich?“

„Ja, natürlich.“ Warum hatte sie nicht gleich daran gedacht? „Die Handtücher sind im Poolhaus.“

Er folgte ihr, und seine nassen Lederschuhe quietschten auf den Fliesen. Hoffentlich hatte er nicht auch noch eine teure Armbanduhr. Die Tür war verschlossen, aber sie wusste, wo der Ersatzschlüssel hing. Sie hatte ihren nicht dabei. Sie öffnete die Tür und knipste das Licht an.

Colin zog die Schuhe aus und folgte ihr in das Häuschen, das eher nach Studioapartment als nach Poolhaus aussah. Rowena ging ins Bad, zu dem man auch vom Pool aus Zutritt hatte, und nahm ein Handtuch vom Regal. Als sie wieder in den Raum trat, zog Colin sich gerade den nassen Pullover über den Kopf.

Unwillkürlich starrte sie ihn an. Donnerwetter. Er sah aus, als verbrachte er den größten Teil des Tages im Fitnessstudio. Ein flacher Bauch, harte Muskeln, schmale Hüften, kräftige Arme und offenbar muskulöse lange Beine. Doch als er sich halb umdrehte und die nassen Sachen aus der Tür warf, stockte ihr der Atem.

Sein ganzer Rücken war mit Narben überseht, die zum Teil noch rosa und frisch aussahen. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, setzte sie schnell ein gleichmütiges Lächeln auf.

Er streckte die Hand aus. „Wie ist es mit einem Handtuch?“

„Hier. Entschuldigung.“

„Akzeptiert. Aber nur, wenn Sie endlich aufhören, sich dauernd zu entschuldigen.“

„Ent…“

Er sah sie scharf an.

Sie zuckte mit den Schultern. „Dumme Angewohnheit.“

Während sie ihn beobachtete, wie er sich abtrocknete, überlief es sie wieder heiß, was schon ewig nicht mehr vorgekommen war. Aber das sollte sie jetzt nicht beschäftigen. Stattdessen fasste sie sich ein Herz. „Meinen Sie, dass es möglich ist, meinem Vater nichts von Ihrem unwillkommenen Bad zu erzählen?“

Wieder warf er ihr dieses unglaubliche Lächeln zu, das ihr die Knie weich werden ließ. „Okay. Das kann unser kleines Geheimnis bleiben.“

Die Vorstellung, mit ihm ein Geheimnis zu teilen, ließ ihr Herz schneller schlagen. Wie ein Schulmädchen, das sich das erste Mal verknallt hat, dachte sie verärgert.

„Der Senator ist wohl ein ziemlicher Perfektionist?“, fragte Colin vorsichtig.

Total untertrieben. „Er hat sehr hohe Ansprüche.“

„Das kann man sagen. Ich bin sehr beeindruckt. Von dem Kindergarten, meine ich.“

„Danke.“ Und aus irgendeinem dummen Grund fügte sie hinzu: „Das Ganze war übrigens meine Idee.“

„Tatsächlich?“ Colin sah sie interessiert an.

„Ja.“ Sollte sie wirklich weiter ausholen? Warum nicht. „Mein Vater hat sich offiziell immer sehr für Familienwerte eingesetzt.“ Sie grinste kurz, weil sie daran dachte, wie wenig er seinem eigenen Ideal als Familienvater entsprach. „Unter anderem waren ihm erschwingliche Kindergärten für die Familien sehr wichtig, in denen beide Elternteile arbeiten mussten. Dabei dachte er auch an seine Angestellten. Und deshalb war die logische Folgerung, dass er meine Idee aufgriff, selbst einen Kindergarten zu eröffnen. Gut für seine politische Karriere, gut für die Leute, die für ihn arbeiten.“

„Also war es Ihr gemeinsames Projekt?“

„Oh, nein.“ Sie lachte kurz auf. „Nein, es ist natürlich allein sein Projekt. Auch wenn ich die Idee hatte und ihm bei der Verwirklichung geholfen habe. Ich habe mir viele Kindergärten angesehen und auch das Internet durchforstet.“

Er runzelte die Stirn. „Aber dann ist es doch im Wesentlichen Ihr Projekt.“

„Aber mein Name steht nicht auf den Schecks.“

„Einen Scheck auszuschreiben ist leicht. Sie haben den schwierigeren Teil übernommen.“

Rowena biss sich auf die Lippen. Wenn der Senator herauskriegte, dass sie dieses Projekt für sich reklamierte, war die Hölle los. „Nein, nein“, wiegelte sie ab, „was ich dazu beigetragen habe, war wirklich nicht wichtig.“

„Aber Sie scheinen ziemlich stolz darauf zu sein. Und wohl mit Recht.“

Dennoch, dem Vater damit auf die Zehen zu treten war die Sache nicht wert. Warum hatte sie das Thema bloß aufgebracht?

„Sie wirken nicht sehr glücklich“, sagte Colin leise.

„Manchmal sage ich Sachen, die ich besser für mich behalten sollte.“

„Würde es Sie beruhigen, wenn ich Ihnen versichere, dass das, was wir hier besprechen, unter uns bleibt?“

„Ja, das wäre eine große Beruhigung.“ Die Erleichterung war Rowena anzusehen.

„Obwohl es eine Schande ist, dass Sie glauben, Ihre Leistungen verschweigen zu müssen.“

Anders geht es leider nicht … „Mein Vater und ich haben eine etwas komplizierte Beziehung. Es ist einfacher für beide Teile, wenn ich mich da zurückhalte.“

Er nickte langsam. „Das kann ich mir vorstellen.“

So? Sie blickte auf ihre Uhr. „Meine Güte, es ist schon so spät. Ich muss unbedingt zurück ins Haus und mich umziehen. Sonst denkt Betty noch, ich sei ertrunken.“

„Betty, die Haushälterin?“

„Ja. Sie bleibt bei Dylan, wenn ich abends meine Bahnen schwimme.“ Plötzlich fiel ihr etwas ein, und sie sah Colin skeptisch an. „Haben Sie nicht gesagt, Sie seien aufgewacht, als ich ins Wasser sprang?“

„Ja.“

Aber was hatte er dann getan, während sie ihre Bahnen zog? Er hatte nichts gesagt. Sie sah ihn fragend an.

„Ich habe Sie beim Schwimmen beobachtet, was ich vielleicht nicht hätte tun sollen, ohne Sie darauf aufmerksam zu machen. Aber ich war einfach fasziniert.“ Er griff nach ihrer Hand – und Rowena wäre fast ohnmächtig geworden. Diese kräftigen warmen Hände, ein bisschen rau und doch … „Ich hoffe, Sie verzeihen mir“, sagte er lächelnd.

Verdammt, er merkt genau, was in mir vorgeht … Leider machte Rowena den Fehler, ihm in die Augen zu blicken. Ein solches Wahnsinnsblau hatte sie noch nie gesehen. Welche Frau würde nicht darin versinken?

Immer noch lächelnd sagte er: „Warum sehnt man sich immer gerade besonders nach dem, was verboten ist?“

Am liebsten hätte sie sich ihm in die Arme geworfen. Doch dann fiel ihr ein, dass er Politiker war und wahrscheinlich auch nicht besser als alle anderen. Aber selten klangen Lügen so überzeugend wie von Mr Middlebury.

Dennoch, ein kleiner Flirt könnte doch nicht schaden, oder? Jetzt fiel sein Blick auf ihren Mund, und unwillkürlich betrachtete sie seine Lippen, die sie leider nur zu gern geküsst hätte. Als er ihre Hand an den Mund führte und einen leichten Kuss auf den Handrücken hauchte, war ihr, als verliere sie den Boden unter den Füßen und das in doppelter Bedeutung.

„Ich habe unser kleines Gespräch sehr genossen“, sagte er mit weicher dunkler Stimme.

Und ich erst … „Vielleicht können wir das irgendwann wiederholen.“

„Ja, vielleicht.“ Nur zögernd ließ er ihre Hand los.

Bleib. Aber sie hatte nicht den Mut, es laut zu sagen. Diesmal schien er leider nicht zu merken, was in ihr vorging, denn er drehte sich um, nahm seine Schuhe und den Pullover und ging.

Sie sah ihm hinterher. Sosehr sie sich auch wünschte, ihn wiederzusehen, mit ihm allein sprechen und ein bisschen flirten zu können, es war sicher besser, solche Situationen zu vermeiden. Denn es durfte nie mehr als ein Flirt sein.

Als Rowena ihr Apartment betrat, lag Betty auf dem Sofa und sah fern. „Du bist aber lange im Pool geblieben“, sagte sie gähnend, stand auf und machte den Fernseher aus.

„Tut mir leid, Betty. Ich wollte nicht so lange wegbleiben. Habe nicht auf die Uhr gesehen.“

„Macht nichts.“ Betty rieb sich den schmerzenden Rücken und fragte nicht weiter nach. Sie war bei den Tates, seit Rowena ein kleines Mädchen gewesen war, und hatte mehr oder weniger Mutterstelle an ihr vertreten. Sie hatte mit ihr Plätzchen gebacken, hatte sie aufgeklärt und mit ihr zusammen Rowenas ersten BH gekauft, denn Rowenas Mutter durfte mit so etwas nicht belästigt werden. Und als Rowena gegen ihre Alkoholabhängigkeit kämpfte, war Betty, die nie den Glauben an sie verloren hatte, an ihrer Seite. Aber sie merkte jetzt ihr Alter und dachte immer wieder darüber nach, ihre Stellung bei den Tates aufzugeben.

„Ist Dylan schon aufgewacht?“

„Nein, er hat noch nicht Piep gesagt.“

Rowena umarmte Betty. „Danke, dass du auf ihn aufgepasst hast.“

„Keine Ursache, Liebes. Morgen Abend um die gleiche Zeit?“

„Ja, wenn es geht.“ Rowena brachte Betty zur Tür. „Was hältst du denn von Vaters Gast?“

„Mr Middlebury? Er scheint freundlich und sehr höflich zu sein. Flirtet gern, habe ich den Eindruck. Und er ist sehr sexy. Wenn ich dreißig Jahre jünger wäre …“ Sie schloss kurz genießerisch die Augen. „Warum fragst du?“

„Nur so.“

„Bist du an ihm interessiert?“

Rowena schüttelte den Kopf. „Nein, überhaupt nicht. Du weißt doch, mit Politikern fange ich nichts an.“

„Aber er ist kein Politiker. Er ist nur wegen seiner Familie hier. Offenbar glauben die, dass er hier in Washington Einfluss haben könnte, weil er ein Kriegsheld ist.“

Kein Politiker? Interessant. „Du scheinst viel über ihn zu wissen.“ Rowena war überrascht.

„Wir haben ein paar Worte gewechselt. Du solltest dich auch mal mit ihm unterhalten.“

Habe ich bereits. „Mal sehen.“

Nachdem Betty gegangen war, vergewisserte Rowena sich, dass Dylan tief schlief. Dann duschte sie, zog sich ihren Schlafanzug an und verkroch sich mit ihrem Laptop im Bett. Wie fast immer waren keine interessanten E-Mails gekommen, und ohne dass es ihr so richtig bewusst war, googelte sie Colin.

Erstaunlicherweise fand sie weniger Klatsch und Tratsch über einen Herzensbrecher, sondern stattdessen Berichte über seine Kriegsauszeichnungen. Während seines letzten Einsatzes im Mittleren Osten war ein Hubschrauber abgeschossen und Colin beim Absturz verletzt worden. Trotzdem hatte er es geschafft, den bewusstlosen Piloten aus den Trümmern zu ziehen, bevor der Hubschrauber in Flammen aufging. Beide Männer hatten schwere Verbrennungen erlitten. Colin hatte einen Monat im Krankenhaus und danach acht Wochen in einem Rehabilitationszentrum verbracht.

Es sah so aus, als habe Colin unglaubliches Glück gehabt. Seine Verletzungen waren gut verheilt, das hatte sie selbst sehen können, als er sein Hemd auszog. Dieser Oberkörper … der Mund wurde ihr trocken. Keine gute Idee, sich Colin nackt vorzustellen. Dabei kam sie eigentlich ganz gut ohne Männer zurecht.

Was nicht bedeutete, dass sie das Vergnügen, mit einem Mann zusammen zu sein, nicht hin und wieder vermisste.

3. KAPITEL

Der nächste Tag zog sich irgendwie schleppend dahin, obgleich Rowena durchgehend zu tun hatte. Sie bestellte Material, nahm sich die Stundenpläne der Kinder vor und suchte im Internet nach neuen Ideen, wie man Kinder sinnvoll beschäftigen konnte. Doch sie hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Immer wieder sah sie Colin vor sich, wie er sich den Pullover über den Kopf zog und mit nacktem Oberkörper vor ihr stand.

Ob er auch heute Abend wieder am Pool sein würde? Möglicherweise wollte er nur nett sein, als er vielleicht sagte? Schließlich konnte es ja sein, dass er sie nach dem Gespräch gar nicht mehr so attraktiv fand.

Den ganzen Nachmittag war sie nervös, und als Dylan während des Dinners von seinem Tag erzählte, hörte sie nur halb hin. Und wenn Colin nun wirklich kam? Wie sollte sie sich verhalten?

Selbst wenn sie ihm sympathisch war und er ihr, konnten sie nie eine Beziehung aufbauen. Denn er würde nach einigen Wochen nach England zurückkehren. Und schließlich war sie erwachsen und wusste, was Verantwortung war. Auch weil sie ein Kind hatte. Die Zeit der kurzen Affären und One-Night-Stands war vorbei. Spätestens als sie herausfand, dass sie schwanger war. Das war alles so peinlich und … würdelos gewesen.

Also hätte es ihr egal sein sollen, ob Colin nun zum Pool kam oder nicht. War es aber nicht. Als sie den Liegestuhl unbesetzt vorfand, war sie enttäuscht.

Nach dem Schwimmen und auf dem Weg zum Haus dachte sie kurz darüber nach, bei Colin anzuklopfen. Eigentlich nur, um ihm zu sagen, dass sie sich gern mit ihm unterhalten hätte und dass er, wenn er etwas brauche, sich an sie wenden solle. Rowena, würde er sagen, alles, was ich brauche, bist du …

Natürlich war er oben herum nackt, kam vielleicht gerade aus der Dusche, und die Wassertropfen glitzerten noch in seinem Brusthaar. Er würde die Hand nach ihr ausstrecken, und nach kurzem Zögern würde sie sie ergreifen. Dann würde er sie in seinen Raum ziehen, die Tür schließen und …

Genug. Entschlossen ging sie auf ihr Apartment zu. Auch wenn es ausgesprochen unwahrscheinlich war, dass so etwas geschehen würde, allein die Vorstellung machte ihr Angst. Denn was wäre die Folge?

Am nächsten Morgen gelang es ihr, relativ wenig an Colin zu denken. Erst als sie den Weg zum Haus hinaufging und ihn mit dem Anwalt ihres Vaters auf der Terrasse sitzen sah, tat ihr Herz einen Sprung.

„Hallo, Colin“, sagt sie lächelnd. Doch als er kaum hochsah und nur „Hallo, Miss Tate“ murmelte, verging ihr das Lächeln sofort. Deutlicher konnte er sein Desinteresse ja nicht zeigen. Sie warf den Kopf in den Nacken und ging weiter. Schließlich hatten sie sich nur einmal kurz unterhalten. Und er hatte nicht versprochen, dass er zum Pool käme. Also gab es keinen Grund, verärgert oder beschämt zu reagieren. Dennoch wählte sie einen anderen, längeren Weg zurück zum Kindergarten, um nicht wieder an der Terrasse vorbeizukommen.

„Warum hast du denn den Umweg gemacht?“, fragte Tricia sie überrascht.

„Ich wollte eine etwas längere Strecke laufen. Ich sitze zu viel.“ Dennoch vergrub sich Rowena den Rest des Vormittags in ihrem Büro. Selbstmitleid bringt mich auch nicht weiter, das sagte sie sich immer wieder. Ihre Reaktion war einfach albern. Wenn vielleicht auch verständlich, denn seit Dylans Geburt hatte sie wie eine Nonne gelebt und das Anwesen ihres Vaters kaum verlassen.

Am Nachmittag fiel Davis, ein etwas dicklicher Zehnjähriger, vom Spielgerüst und schlug hart mit einem Arm auf. Der Arm schwoll leicht an und hatte einen dicken Bluterguss. Rowena saß neben Davis und kühlte die Schwellung mit Eiswürfeln, bis die Mutter den Jungen abholte, um den Arm röntgen zu lassen.

Danach füllte Rowena die notwendigen Papiere für die Versicherung aus, musste sich eine scharfe Rüge des Vaters anhören, natürlich in Dylans Gegenwart, und war ziemlich erschöpft, als sie das Kind endlich ins Bett brachte.

„Davis hat Aua am Arm“, sagte der Kleine, als sie die Bettdecke rund um ihn feststeckte.

„Ja, er hat ein Aua. Aber seine Mama hat angerufen. Es ist schon fast wieder gut. Sein Arm ist nicht gebrochen.“

Erleichterung malte sich in den großen haselnussbraunen Augen des Kindes. Da er selbst schon so viel hatte durchmachen müssen, litt er mit anderen Kindern mit. Obwohl er körperlich behindert war, war er geistig sehr wach und wirkte älter als andere Kinder mit zweieinhalb Jahren. „Papa böse?“ Er sah die Mutter fragend an.

„Nein, Schätzchen, Grandpa ist nicht böse“, log sie. „Er machte sich nur Sorgen um Davis.“ Oh, wie sie es hasste, sich immer wieder Entschuldigungen und Erklärungen für das hartherzige Verhalten ihres Vaters ausdenken zu müssen. Dylan hing sehr an seinem Großvater, aber es würde nicht mehr lange dauern, und er würde erkennen, was für ein Mann dieser Großvater war.

Als Rowena sich vorbeugte und ihm einen Gutenachtkuss gab, kam wieder die Frage, die er jeden Abend stellte, seit er angefangen hatte zu sprechen. „Dylan bald großes Bett?“

Sie lachte leise und strich ihm das rote Haar aus der Stirn. „Ja, Schätzchen, du kriegst bald ein Bett, wie die großen Jungs es haben.“

Sie hätte ihm diesen Wunsch nur zu gern und längst erfüllt, wenn sie nicht Angst um das Kind hätte. In diesem Gitterbett war er sicher, auch wenn er einen seiner Anfälle hatte. In einem Bett ohne Seitenteile würde er zu leicht herausfallen.

Er nickte zufrieden, und mit seinem Lieblingsauto in der Hand drehte er sich auf die Seite. Zärtlich sah Rowena auf ihn herunter. Wie klein er war für sein Alter, so zierlich und so hilflos. Wieder beugte sie sich hinunter und küsste ihn auf die Wange. „Ich hab dich lieb.“

„Dich auch“, murmelte er, schon halb im Schlaf.

Sie schaltete das Licht aus, vergewisserte sich, dass das Babyfon angestellt war, und schlüpfte aus dem Zimmer. Sosehr sie sich am Ende des Tages danach sehnte, für sich zu sein, so schwer fiel es ihr, Dylan allein zu lassen. Bis vor einem Jahr hatte er in ihrem Bett geschlafen. Doch der Kinderarzt meinte, die zu große körperliche Nähe zur Mutter würde den Entwicklungsprozess verlangsamen, und so hatte sie ihm schweren Herzens sein eigenes Zimmer eingerichtet.

Rowena zog sich einen Badeanzug an und sah auf die Uhr. Da Betty erst in zwanzig Minuten zum Babysitten kommen würde, machte Rowena den Fernseher an. Der Nachrichtenkanal American News Service war eingestellt, der Sender, der die Nachricht von der unehelichen Tochter des Präsidenten gebracht und damals einen Skandal ausgelöst hatte. Die ANS-Reporterin Angelica Pierce erschien auf dem Bildschirm und informierte über die neuesten Entwicklungen in der Skandalstory, mit einer heimlichen Befriedigung, wie Rowena schien.

Da sie selbst das Ziel von Klatsch und Spekulationen gewesen war, konnte Rowena ziemlich gut nachempfinden, was das für den Präsidenten bedeutete. Obgleich in ihrem Fall die Gerüchte meist der Wahrheit entsprochen hatten und sie auch nie vor Millionen Zuschauern brüskiert worden war.

Angelica Pierce erzählte etwas von Vaterschaft und Bluttest und dass Ariella, die angebliche illegitime Tochter, und Eleanor, eine Highschoolliebe des Präsidenten, leider nicht Stellung nehmen könnten. Dabei glitzerten ihre Augen, und es war ganz offensichtlich, dass sie den Skandal genoss.

Rowena wollte schon auf einen anderen Kanal wechseln, als ihr plötzlich etwas auffiel. Irgendetwas hatte Angelica immer an sich gehabt, was sie ärgerte, aber sie hatte es mit der etwas schleimigen Reportermentalität in Verbindung gebracht, die beim ANS üblich war. Auch war ihr die Frau immer irgendwie bekannt vorgekommen, und plötzlich wusste sie, warum.

Schnell griff sie nach dem Telefon und rief ihre Freundin Caroline Cranshaw an, die sie noch vom Internat her kannte. Da Cara bis vor Kurzem für die PR-Abteilung des Weißen Hauses gearbeitet hatte, hatte sie Rowena immer über den Klatsch auf dem Laufenden halten können, der so in Washington kursierte. Warum nahm sie nicht ab? Erst als Max, Caras Verlobter, „Hallo?“ murmelte, wurde Rowena klar, dass sie die Zeitdifferenz nicht bedacht hatte.

„Entschuldigung, dass ich so spät anrufe“, sagte sie schnell. „Ist Cara noch wach?“

„Ja. Moment mal.“

Dann war Caras Stimme zu hören. „Oh, hallo, Row, ist alles in Ordnung?“

Sie klang besorgt, was Rowena nur zu gut verstehen konnte. Wie oft hatte sie früher während ihrer Drogenzeit die Freundin spätnachts angerufen. „Ja, alles ist okay. Ich wollte dich nur schnell etwas fragen und habe leider die Zeitdifferenz total vergessen.“

„Macht nichts. Ich hatte schon Angst, es sei etwas mit Dylan.“

„Nein, er schläft. Habt ihr zufällig noch das Fernsehen an?“

„Ja. Wir sehen uns die Spätnachrichten immer im Bett an.“

„National Cable News?“

„Selbstverständlich.“

Das hatte sie sich gedacht, denn Max hatte als Politreporter mit eigener Nachrichtensendung beim NCN Karriere gemacht. „Kannst du eben mal auf ANS umschalten?“

„Natürlich. Warum?“

„Hast du Angelica Pierce gesehen?“

„Ja. Ich bin ihr sogar ein paarmal persönlich begegnet. Die weiß wirklich, was sie will, und geht dafür über Leichen.“

„Erinnert sie dich an irgendjemanden, den du kennst?“

Cara schwieg kurz. Dann: „Ich weiß nicht. Sie hat mich immer genervt, weil sie für diesen ekelhaften Sender ANS arbeitet, der die Schmutzkampagne gegen den Präsidenten führt.“

„Sieh sie dir genau an, und denke an die Zeit im Internat.“

„Internat?“

„Ja. Erinnerst du dich noch an Madeline Burch?“

„Madeline! Ja, natürlich! Die hatte ich ganz vergessen. Was für eine blöde Kuh!“

Madeline, unehelich geboren, war eine völlig unscheinbare graue Maus gewesen, die immer behauptet hatte, einen sehr reichen Vater zu haben. Der habe ihrer Mutter viel Geld gezahlt, damit sie den Mund hielt. Natürlich hatten alle Madeline für verrückt erklärt, und keiner wollte etwas mit ihr zu tun haben. Daraufhin hatte sie sich nur noch extremer verhalten, sodass sie schließlich von der Schule geflogen war. „Sieh dir Angelica an, und denk dabei an Madeline.“

„Wow! Du hast recht. Angelica sieht irgendwie wie Madeline aus, nur sehr viel hübscher.“

„Meinst du, es könnte ein und dieselbe Person sein?“

„Aber warum sollte sie ihr Aussehen und ihren Namen geändert haben?“

„Genau das ist die entscheidende Frage“, bestätigte Rowena. „Eigentlich sollten Nachrichtenreporter ja objektiv in ihrer Berichterstattung sein. Aber Angelica scheint ein teuflisches Vergnügen daran zu haben, dem Präsidenten Dreck ans Bein zu schmieren. Sie will ihn fertigmachen.“

„Vielleicht hat sie einfach einen miesen Charakter“, meinte Cara.

„Und wenn es wirklich Madeline Burch ist?“

„Keine Ahnung, warum sie all das auf sich hätte nehmen sollen. Aber man kann sich die Sache ja mal etwas genauer ansehen. Ich werde versuchen, meine alten Kontakte wieder zu aktivieren.“

„Und ich guck mal ins Internet.“

„Okay. Ich ruf dich in ein paar Tagen wieder an.“

Sofort nach dem Gespräch versuchte Rowena Madeline zu googeln, konnte aber kaum etwas finden. Lediglich über ihre Auseinandersetzung damals mit einer Studentin der Woodlawn Academy wurde berichtet, die sie als Lügnerin und Verrückte bezeichnet hatte. Auch über Angelica Pierce, vor allem über ihre Kindheit und Jugend, schwieg sich Google aus. Als Betty um neun an die Tür klopfte, war Rowena noch nicht weitergekommen und schickte eine kurze Mail wegen ihrer erfolglosen Suche an Cara.

Als sie zum Pool hinunterging, war sie so mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie die Gestalt auf dem Liegestuhl kaum wahrnahm. Da es aber der Liegestuhl war, in dem Colin gestern gesessen hatte, stutzte sie doch und sah noch einmal genauer hin. Ja, es war Colin, der offenbar fest schlief. Mit beiden Händen hielt er einen großen Becher umfasst, der auf seinem Schoß stand.

In dem Becher war Tee, soweit Rowena sehen konnte. Keine besonders gute Idee, etwas Heißes gerade an dieser Stelle festzuhalten … Wenn sie ihn jetzt ansprach, er sich erschreckte und das heiße Zeug ihm über die Hose lief? Vielleicht sollte sie ihm erst den Becher abnehmen.

Vorsichtig streckte sie die Hand aus, ergriff den Becher am Rand und hob ihn langsam hoch. Dabei blickte sie Colin ins Gesicht – und erschrak so, dass Tee aus dem Becher schwappte. Colin beobachtete sie aus großen wachen Augen.

Als der kalte Tee seine Hose durchnässte, wurde Colin klar, dass er die Augen hätte geschlossen halten sollen, bis Rowena den Becher abgestellt hätte. Aber er hatte gerade geträumt, dass er mit einer Frau zusammen war. Und als er die Augen öffnete und sah, wie sich Rowenas Hand seinem Schritt näherte, hatte er für einige Sekunden geglaubt, sie wolle ihm an den Reißverschluss … Welcher Mann hätte da nicht fasziniert zugesehen?

„Entschuldigung … tut mir leid“, stieß Rowena leise hervor, machte aber ein Gesicht, als würde sie jeden Augenblick platzen vor Lachen. „Hoffentlich war der Tee nicht heiß.“

Er nahm ihr den Becher aus der Hand und setzte ihn auf den Boden. „Nein, sogar ziemlich kalt.“

„Dann ist … da unten … alles in Ordnung?“

„Ja, vollkommen in Ordnung.“

Sie reichte ihm ihr Handtuch. „Das hilft jetzt auch nicht mehr viel, oder?“

Er stand auf und betrachtete seine Vorderseite. „Nein, wohl nicht.“ Er gab ihr das Handtuch zurück.

„Ich wollte den Becher nur wegnehmen, weil ich genau das befürchtete.“ Sie lachte leise.

Auch er musste lächeln. „Ihre Leute müssen mich für vollkommen verrückt halten. Gestern laufe ich in klatschnassen Sachen herum, und heute sehe ich aus, als sei mir etwas … nun … Peinliches passiert.“

Jetzt lachte sie doch laut los. Die Situation war einfach zu komisch. „Ich könnte Ihnen eine saubere Hose aus Ihrer Suite holen. Oder Sie ziehen eine Badehose an. In dem Poolhaus liegen immer ein paar Extrahosen. Irgendeine wird Ihnen schon passen.“

„Die Idee mit der Badehose ist gut“, sagte Colin schnell. Dass der Senator sah, wie seine Tochter in der Suite seines Gastes ein und aus ging, hätte ihm noch gefehlt! Hier unten konnte man sie vom Haus aus nicht sehen.

„Dann wollen wir mal.“ Rowena lief vor zum Poolhaus, und als sie dort das Licht einschaltete, sah Colin, dass sie unter dem durchsichtigen Überwurf einen knappen Bikini trug. Ob sie damit gerechnet hatte, ihn hier unten zu treffen, und deshalb …? Aber egal, sie war für ihn sowieso tabu.

„Dort in der Toilette ist ein Bord mit extra Badehosen.“ Sie wies auf die Tür. „Sie haben die freie Auswahl.“

Er fand eine Badehose, die ihm ziemlich gut passte. Als er die Tür wieder öffnete, stand Rowena vor der kleinen Küchenzeile und hatte sich vorgebeugt, um den Inhalt des Kühlschranks zu untersuchen. Hm, was für einen hübschen Hintern sie hatte. Und die langen schlanken Beine … Colin presste die Lippen zusammen. Tabu. Tabu … „Ich habe eine gefunden.“

Sie richtete sich auf und drehte sich um. Als sie sah, dass er bis auf die Badehose nackt war, riss sie die Augen auf.

„Mein Hemd war unten auch nass“, erklärte er.

„Sieht groß aus. Ich meine, die Badehose.“

„Es gab nur diese oder einen dieser ganz knappen Badeslips.“

Sie wollte noch etwas sagen, wandte sich dann aber ab. „Wollen Sie etwas trinken? Wasser oder etwas Stärkeres?“

Was er wollte, konnte er nicht haben. Und was er brauchte, war eine kalte Dusche. Und was er tun sollte, war, so schnell wie möglich zu verschwinden. Was er tun würde, sowie er etwas getrunken hatte. „Gern ein Wasser.“

Sie holte zwei Gläser aus dem Schrank, goss ein und reichte ihm ein Glas. Als sich ihre Fingerspitzen berührten, hätte er schwören können, dass Rowena zusammenzuckte.

„Ich habe Ihren Namen gegoogelt“, sagte sie.

„So? Warum das denn?“

„Ich habe die Narben auf Ihrem Rücken gesehen und war neugierig. Als mein Vater Sie als Kriegshelden bezeichnete, dachte ich, er übertreibt. Aber Sie sind ein Held.“

Er zuckte kurz mit den Schultern. „Das ist Ansichtssache.“

„Mit einem gebrochenen Bein jemanden aus einem brennenden Hubschrauber zu retten, halte ich schon für ziemlich heldenhaft, Colin.“

„Ehrlich gesagt erinnere ich nicht viel. Ich weiß nur, dass wir mit dem Hubschrauber in einen Sandsturm gerieten und abstürzten. Ich wurde hinausgeschleudert und vermutete, dass William wohl noch im Hubschrauber war. Ich konnte zwar nicht stehen, hatte aber keine Schmerzen. Wohl wegen des Adrenalinschubs. Also kroch ich zurück zu dem Wrack und tastete herum, bis ich William fand.“

„Brannte der Hubschrauber da schon?“

„Ja, wahrscheinlich. Denn wegen des dicken Rauchs konnte ich nichts sehen. Und kaum atmen. Aber das Ding ging erst in die Luft, als wir etwa knapp zehn Meter entfernt waren. Dann wurde ich ohnmächtig und wachte erst wieder im Krankenhaus auf. Glücklicherweise war William wieder zu sich gekommen, hatte das Feuer auf meiner Kleidung gelöscht und mich aus der Gefahrenzone geschleppt.“

„Und was wäre geschehen, wenn Sie William nicht aus dem Wrack gezogen hätten?“

„Dann wäre er verbrannt. Wir waren nur zu zweit. Aber er hätte das Gleiche auch für mich getan.“

„Ich habe gelesen, dass er Verbrennungen und einen gebrochenen Arm hatte.“

„Ja. Die Verbrennungen hat er sich zugezogen, als er das Feuer auf meinen Sachen ausschlug.“

„Und er hat eine Frau und vier Kinder.“

Colin nickte. „Ich weiß, dass man mich als Helden bezeichnet. Aber so würde ich das nicht sehen. Was ich für William getan habe, würde jeder Soldat auch für mich getan haben. Das gehört einfach zum Job dazu.“

„Das macht es nicht weniger bewunderungswürdig.“

Er schwieg.

„Werden Sie wieder zur kämpfenden Truppe zurückkehren?“

„Nein. Mein verletztes Bein ist auf Dauer geschädigt. Man hat mir einen Schreibtischjob angeboten. Aber das ist nichts für mich. Ich muss aktiv etwas tun. Ein Freund von mir hat einen privaten Sicherheitsdienst. Aber vorläufig kann ich dort wegen meines Beins noch nicht anfangen.“

„Tut es immer noch weh?“

„Manchmal.“ Eigentlich immer. Aber es war nicht mehr so schlimm wie kurz nach der Operation. Jetzt kam er mit relativ einfachen Schmerzmitteln aus.

„Und Ihr Rücken?“

„Ist empfindlich, tut aber nicht weh.“

„Darf ich ihn … berühren?“

Verdammt, sie spielte mit dem Feuer. Aber wer war eher dafür verantwortlich? Derjenige, der zündelte, oder derjenige, der die Streichhölzer zur Verfügung stellte? Unwillkürlich blickte er ihr auf den Mund, diese vollen rosa Lippen, die sie leicht geöffnet hatte, als warte sie nur auf seinen Kuss.

„Rowena.“ Er setzte sein Glas ab. „Wir müssen miteinander reden.“

„Was ist denn los?“

„Ich möchte mich für gestern Abend entschuldigen. Und auch für heute Morgen. Gestern war ich wohl etwas sehr direkt und muss Ihnen einen falschen Eindruck vermittelt haben.“

„Das kann schon sein“, gab sie zu.

„Und heute war ich kalt und unhöflich zu Ihnen, und das tut mir leid.“

„Ja, und?“

„Ich mag Sie, Rowena, aber ich darf Sie nicht mögen.“

„Wegen meines zweifelhaften Rufs? Haben Sie Angst, er würde Ihren makellosen Namen beschmutzen?“

„Nein, um Himmels willen, nein! Es geht um Ihren Vater.“

Sie runzelte die Stirn. „Was hat der denn damit zu tun?“

„Nachdem er uns miteinander bekannt gemacht hat, hat er mir Verhaltensregeln gegeben. Und mich sehr eindeutig davor gewarnt, mit Ihnen etwas anzufangen. Sie müssten für mich tabu sein.“

4. KAPITEL

Rowena starrte Colin schockiert an. Ihr war, als habe ihr jemand einen Schlag in den Magen versetzt. Das konnte doch nicht wahr sein! Vor Wut über die Unverschämtheit ihres Vaters war sie sprachlos. Hatte er ihr nicht bereits genug Einschränkungen auferlegt? Er bestimmte, wo sie arbeitete, wo sie wohnte, wie ihr Sohn behandelt wurde. Und nun wollte er ihr auch noch vorschreiben, mit wem sie sich befreundete und mit wem nicht? Was würde als Nächstes kommen? Was sie anzog? Welches Shampoo sie benutzte? Wollte er ihr auch noch das letzte bisschen Unabhängigkeit nehmen?

Seit mehr als drei Jahren musste sie sich nach seinen Vorschriften richten, musste sagen und tun, was er von ihr erwartete. Das hatte sie mehr oder weniger als „Strafe“ für ihr „sündiges“ Leben akzeptieren müssen. Aber irgendwann musste Schluss sein. Irgendwann musste er doch das Vertrauen zu ihr wiedergefunden haben.

Aber vielleicht ging es gar nicht darum. Er war ein Machtmensch, der es genoss, dass sie und die Menschen seiner Umgebung nach seiner Pfeife tanzten. Widerlich, einfach widerlich.

„Ich glaube, er macht sich nur Sorgen um Sie“, meinte Colin.

„Glauben Sie mir, Colin, das ist es bestimmt nicht. Denn eins ist sicher. Mit wem ich Umgang habe, mit wem ich mich befreunde, geht meinen Vater nichts, aber auch gar nichts an.“

„Da bin ich völlig Ihrer Meinung. Aber ich kann es nicht riskieren, dass er uns seine Unterstützung für den Vertrag entzieht, über den wir verhandeln.“

„Hat er das gesagt?“

„Nicht so direkt. Aber er hat es ziemlich deutlich gemacht.“

„Oh …!“ Rowena hätte platzen können vor Wut. Gleichzeitig fühlte sie sich beschämt und gedemütigt. Und sie war sich selbst zuwider. Wie hatte sie ihrem Vater eine solche Macht über sich zugestehen können? Vor Wut kamen ihr die Tränen, und sie wischte sie hastig weg.

Da spürte sie Colins Hand auf der Schulter. „Rowena, nicht doch. So schlimm ist es doch gar nicht.“

Du hast ja keine Ahnung! „Oh, doch!“ Damit hatte ihr Vater endgültig eine Grenze überschritten. Und sie hatte es zugelassen. Das musste ein Ende haben. Sie würde ihn verlassen, würde weggehen, wenn sie auch noch nicht wusste, wie und wohin. Nur so konnte sie sich ihren beschädigten Stolz bewahren und das letzte bisschen Würde, das ihr noch geblieben war. Aber dazu musste sie etwas wissen.

„Colin, möchten Sie mich küssen?“

Er sah sie fragend an. Spielte sie mit ihm?

„Sie können ruhig Nein sagen. Es geht mir um Ihre ehrliche Antwort.“

„Ja, allerdings. Aber …“

„Und ich Sie auch. Das erste Mal in über drei Jahren steht ein Mann vor mir, den ich küssen möchte, Und diese Gelegenheit werde ich nicht vorbeigehen lassen, egal, wie mein Vater darüber denkt. Keiner weiß, dass wir hier sind, und ich werde es niemandem erzählen. Wenn Sie also wirklich wollen, dann küssen Sie mich, nur dieses eine Mal.“

Colin kam näher, sah ihr tief in die Augen und beugte sich vor. Rowenas Herz schlug wie verrückt. Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen und schloss die Augen. Doch was war das? Er strich ihr lediglich dreimal mit den Lippen leicht über den Mund, dann hob er wieder den Kopf und trat einen Schritt zurück.

Was? Das war alles? Stirnrunzelnd sah sie ihn an. „Ich will Sie ja nicht beleidigen, Colin, aber das war es nicht wert, drei Jahre gewartet zu haben. Das können Sie doch besser, oder?“

Kaum hatte sie ausgesprochen, lag sie auch schon ...

Autor

Michelle Celmer

Michelle Celmer wurde in Metro, Detroit geboren. Schon als junges Mädchen entdeckte sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben. Sie schrieb Gedichte, Geschichten und machte selbst dramatische Musik mit ihren Freunden. In der Junior High veröffentlichten sie eine Daily Soap Opera. Ungeachtet all dessen, war ihr Wunsch immer Kosmetikerin zu...

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