Baccara Exklusiv Band 239

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SÜSSE LÜGEN, HEISSE KÜSSE von PAULA ROE
Dieser Mann bedeutet Ärger! Da ist Beth sicher. Schon wie er ultrasexy und arrogant aus seinem Wagen steigt, verrät ihr alles! Als er später an ihre Tür klopft, weiß sie: Wenn sie ihm jetzt öffnet, wird ihr Leben sich für immer ändern. Dabei hat sie lange dafür gekämpft, ihre wahre Identität zu verbergen …

VORSICHT, LIEBESGEFAHR! von KAT CANTRELL
Cia findet eine Scheinehe perfekt! Durch sie gelangt sie an ihr Erbe. Ihre Wahl fällt auf Playboy-Tycoon Lucas Wheeler, der einer Vernunftehe tatsächlich zustimmt. Doch kaum sind sie verheiratet, erkennt Cia, dass Lucas mit seinem Charme und seinem Traumkörper ihr Herz in Gefahr bringt …

HIER UND JETZT! von EILEEN WILKS
Die hübsche Investmentbankerin Claire genießt den Luxus und die Aufmerksamkeit, die der Unternehmer Jacob West ihr zukommen lässt. Sein Vorschlag, zu heiraten, kommt allerdings doch etwas überraschend. Ist die wilde Leidenschaft zwischen ihnen tatsächlich Liebe?


  • Erscheinungstag 18.11.2023
  • Bandnummer 239
  • ISBN / Artikelnummer 0858230239
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Paula Roe, Kat Cantrell, Eileen Wilks

BACCARA EXKLUSIV BAND 239

1. KAPITEL

Schwierigkeiten.

Für einen Augenblick musste Beth Jones sich am Spülbecken abstützen, denn ihr Herz schlug hart wie ein Basketball gegen ihre Rippen, während sie hinaus in den Garten starrte. Dort stand die tadellos gekleidete und glatt rasierte Verkörperung von Schwierigkeiten.

Der Mann hatte seinen Sport-BMW in ihrer Auffahrt geparkt und war ausgestiegen. Sein muskulöser Körper strahlte Anspannung aus, die Zeichen dafür waren so deutlich wie die anhaltende Oktoberhitze: steife Schultern, zusammengezogene Brauen und Ungeduld, die aus allen seinen Bewegungen sprach.

Sie schluckte, strich sich eine Locke aus dem Gesicht und starrte weiter hinaus.

Er blieb an ihrem Briefkasten stehen, las etwas auf einem Zettel, und seine Stirn legte sich in Falten. Sein Zögern gab Beth Gelegenheit, ihn von Kopf bis Fuß zu mustern, vom kurz geschnittenen Haar über die breite Brust bis zum maßgeschneiderten Anzug und den langen, kräftigen Beinen. Und dann war da noch dieses nervöse Zucken an seinem Kinn.

Der Mann wirkte elegant und selbstsicher, einer dieser Milliarden-Dollar-Alpha-Männer, die automatisch Respekt verlangten.

Kein Reporter also. Irgend so ein Spitzenmanager? Ein Anwalt? Ein Banker?

Sie hielt den Atem an. Das musste es sein.

Es schien, als wäre die East Coast National Bank von Anrufen zu Drohungen an der Tür übergegangen.

Eine verschwundene halbe Million konnte das wohl auslösen.

Schwierigkeiten kamen immer zu dritt. Und wenn sie den platten Reifen und ihren verschwundenen Angestellten als Nummer eins und zwei zählte, dann sah es aus, als würde Nummer drei gleich an ihre Tür klopfen.

Luke De Rossi hatte mörderische Kopfschmerzen. Sie hatten begonnen, als er das Brisbaner Anwaltsbüro verlassen hatte und auf der M1 entlang der Goldküste Richtung Süden gefahren war.

Nicht mal die auf vollen Touren laufende Klimaanlage konnte seine Wut kühlen. Anfangs klickte er sich durch Dutzende von Songs auf seinem iPod, dann gab er auf und ließ die übermächtige Stille die Leere füllen.

Dass er die Abfahrt nach Runaway Bay nahm, bekam er kaum mit. Der Verkehr wurde ruhiger, die Häuser wurden größer, die Grundstücke teurer. Die wiederholten Blicke in den Rückspiegel bestätigten ihm, dass ihn niemand mehr verfolgte.

Er sollte sich freuen. Doch stattdessen nagten böse Vorahnungen an ihm wie ein Hund an einem Knochen. Er konnte sich die neuen Schlagzeilen nur zu gut vorstellen: „Lucky Luke schnappt sich Haus von totem Gangster-Onkel“ war sein Favorit. Die Presse würde ihm ein weiteres Messer in den Rücken rammen, sein Ruf wäre ruiniert, und er würde alles verlieren, wofür er so hart gearbeitet hatte.

Zu Gino hatte er nie eine enge Beziehung gehabt, trotzdem hatte sein Onkel gewusst, wie viel ihm die Karriere bedeutete. Also was zum Teufel hatte der sich dabei gedacht, ihm ein Haus zu vererben, das eben diese Karriere vernichten konnte?

Am Ende der Sackgasse legte der Sonnenuntergang erste Schatten über das alte, ausladende Kolonialhaus. Eine lange, teilweise verdeckte Auffahrt führte zu dem zweistöckigen Gebäude, und auf dem weißen Briefkasten prangte die Nummer dreizehn. Wie passend.

Das Haus war dunkelgrün und ockerfarben gestrichen, die Farben verschmolzen mit dem Grün der Bäume. Eine Sekunde lang erwartete er, einen Hund im Garten herumspringen zu sehen oder Kinder, die auf der Vorderveranda spielten. Doch auf der großen Holzveranda stand nur eine gemütliche Hollywoodschaukel, als wollte sie ihn einladen, es sich bequem zu machen.

Er schnaufte verächtlich, als er aus dem Auto stieg. Trotz der exklusiven Lage wirkte das Ganze irgendwie … einfach und bodenständig. Etwas, das sein Onkel ganz sicher nie gewesen war. Was hatte Gino mit diesem kleinen Vorortgrundstück gewollt, wo er sich doch jedes Haus auf Queenslands erlesenen Whitsunday Islands hätte leisten können?

Voller Wut war Luke aus dem Anwaltsbüro gestürmt, ohne auf Erklärungen zu warten. Genau genommen war er schon geladen hineingegangen. Und nachdem zwei Sätze von Ginos Testament verlesen worden waren, hatte er sich umgedreht und war hinausgestürmt. Wenn er nur einen Moment länger geblieben wäre, hätte er Dinge getan und gesagt, die er irgendwann mit Sicherheit bereut hätte.

Noch immer hörte er die Worte seines Onkels: Du musst dir das anhören, Luke. Du musst Frieden schließen mit deiner Familie.

Vorerst hatten ihn die Vorstandsmitglieder nur inoffiziell vor dem Albtraum gewarnt, den Gino Corelli für das öffentliche Ansehen der Bank bedeutete. Daher hatten sie auch nicht von Suspendierung gesprochen, sondern von einer „temporären Abwesenheit wegen familiärer Verpflichtungen“.

Frieden schließen, so ein Quatsch, dachte Luke. Und trotzdem, aus irgendeinem verrückten Grund war er jetzt hier.

Du musst das in Ordnung bringen.

Tief atmete er ein. Er war schuld an Ginos Tod. Wochenlang hatte er die Schuldgefühle verdrängt, hatte sie unter seinem Arbeitspensum vergraben, sich selbst mit endlosen Stunden am Schreibtisch betäubt, bis es im edlen Sitzungssaal des Aufsichtsrats von Jackson und Blair dann zum großen Knall gekommen war.

Die Sache in Ordnung bringen.

Er fluchte leise. Eine Woche würde genügen, um das Haus zu evaluieren und zum Verkauf anzubieten. Dann würde er das Geld seiner Tante Rosa geben und zu seinem Leben zurückkehren, zur anstehenden Beförderung.

Eine Woche. Zehn Tage, höchstens. Dann wäre er frei. Alles ganz simpel.

Er machte einen weiteren Schritt, ignorierte das Klingeln seines Handys, bis der Anblick eines roten Autos, das vor der Veranda parkte, ihn stehen bleiben ließ.

Was mochte es mit diesem Haus auf sich haben? Es war dazu gedacht, kein Aufsehen zu erregen, das sah man sofort. Aber schon allein das Grundstück musste ein paar Millionen wert sein. Schnell ging er alle Möglichkeiten durch, bis er bei einem unangenehmen Gedanken hängen blieb.

Ein Liebesnest.

Ein übler Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, bitter und schwarz. Nein. Gino hatte Rosa geliebt. Über vierzig Jahre lang waren sie glücklich verheiratet gewesen. Unmöglich dass er …

Doch warum hatte Gino das Haus dann nicht Rosa vererbt? Warum ihm?

Wieder betrachtete er das Haus, presste die Lippen aufeinander. Irgendetwas stimmte hier nicht … etwas, das er nicht greifen konnte.

Besorgnis kitzelte ihn im Nacken, das Hemd klebte schweißnass an seinem Rücken. Er fuhr sich über den Hals. Dann blickte er über seine Schulter die kurvige Auffahrt hinunter. Eine dichte Hecke schirmte das Haus von der ruhigen Straße ab.

Ein paar gut gepflegte Zitronenbäume beugten sich über die Vorderveranda wie grüne Wächter. Der Rasen musste mal gemäht werden, aber die Blumenbeete waren umgegraben und zeigten damit deutlich, wo die Prioritäten des Bewohners lagen. Und mit Ausnahme des monotonen Zirpens der Zikaden herrschte Stille.

Noch einmal kochte die Wut in ihm auf, die er seit seinem Zusammentreffen mit der Presse versucht hatte abzuschütteln.

Für den Wagen vor der Veranda gab es noch eine andere Erklärung: Einer der unternehmungslustigen Reporter war ihm einen Schritt voraus.

Bislang war Luke immer in der Lage gewesen, die Grenze zwischen unerwünschter Aufmerksamkeit und guter Publicity zu ziehen. Aber alles, was im Moment über ihn kursierte, roch nach Skandal.

Ja, er war das jüngste Vorstandsmitglied von Jackson und Blair, Queenslands wohlhabendster Handelsbank. Ja, er verfügte über unglaublich viel Macht und Einfluss. Aber das interessierte die Pressemeute nicht, sie wollten lieber darüber berichten, dass er der Neffe des vermeintlichen Mafiabosses Gino Corelli war.

Luke starrte auf den Schlüssel in seiner Hand, Reue schnürte ihm die Brust zusammen. Die schweren Anschuldigungen seines Cousins auf der Beerdigung nagten noch immer an ihm. Wenn du etwas getan hättest, wäre mein Vater vielleicht noch am Leben.

Er schloss die Hand um den Schlüssel. Die scharfen Kanten schnitten in seine Haut, doch er begrüßte den Schmerz. Alles, was von der Wunde in seinem Herzen ablenkte – und sei es nur für Sekunden – war eine Gnade.

Luke starrte auf die Tür zu seinem Erbe – massiv, abgenutzt … und verschlossen.

Obwohl er den Schlüssel besaß, klopfte er an. Dann wartete er.

Gerade wollte er erneut klopfen, als die Tür geöffnet wurde – und sein Verstand nahm sich kurzzeitig eine Auszeit.

Vor ihm stand die menschliche Ausgabe von Bambi, die großen moosgrünen Augen weit aufgerissen. Das blaue Tank Top und kurze ausgefranste weiße Jeans, die nur bis zur Mitte der Oberschenkel reichten, ließen den Blick auf sehr viel nackte Haut frei. Unter der spärlichen Bekleidung deuteten sich an allen entscheidenden Stellen perfekte weibliche Rundungen an. Die langen honigbraunen Beine schienen unter den Achseln zu beginnen und endeten an korallenfarben lackierten Zehennägeln.

Luke De Rossi verschlug es die Sprache.

Er zog seine Sonnenbrille nach unten und ließ seinen Blick über den Körper wandern, bis er bei den Augen ankam – frostigen grünen Augen, die alle unangemessenen Gedanken im Keim erstickten.

Beth trat einen Schritt zurück. Der Blick dieses arroganten Fremden verhieß nichts Gutes. Und die dunklen, fast schon femininen Wimpern verstärkten diesen Eindruck. Er schob die Sonnenbrille wieder vor seine Augen und musterte sie mit der Eindringlichkeit eines Inquisitors. Dabei strich er sich mit seinen langen Fingern über das Kinn.

„Ich nehme an, dass Sie wegen Ben Foster hier sind?“, fragte Beth kühl.

„Wegen wem?“

Ungeniert spähte er über ihre Schulter, und sie wurde unruhig. Als ihr bewusst wurde, wie leichtsinnig es war, so viel preiszugeben, presste sie die Lippen aufeinander.

Jetzt blickte er sie wieder an. „Was machen Sie in diesem Haus?“

Angesichts seiner offenen Feindseligkeit drehte sich Beth der Magen um, aber sie wollte sich nicht einschüchtern lassen. „Was machen Sie hier?“

Er warf ihr einen finsteren Blick zu. Dann drängte er sich plötzlich an ihr vorbei und strebte den Flur entlang.

Mit offenem Mund starrte Beth hinter ihm her. Panik übermannte sie, beschleunigte ihren Atem und schließlich ihre Schritte.

Als sie ihn einholte, war er bereits im Wohnzimmer, zog die Vorhänge auf und musterte den schattigen, hinteren Garten.

„Was glauben Sie eigentlich …“

„Ihr Leute gebt nie auf, oder?“ Er fuhr herum, starrte sie kampfbereit an. „Die Verfolgung, der Hinterhalt vor meiner Wohnung – und jetzt dieser miese Trick. Wie sieht der Plan aus? Mit Ihren grünen Augen klimpern, Ihre langen Beine zeigen und mich nett um ein Exklusivinterview bitten?“

Sein dunkler Blick strich so eindringlich über sie, dass Beth sich plötzlich nackt und verletzlich fühlte.

„Diese Shorts sind übrigens ein netter Einfall. Ablenkung durch Anziehung, stimmt’s?“

Beth atmete tief ein. „Was gibt Ihnen das Recht …“

„Lady, ich hatte einen beschissenen Tag, und ich brauche das hier wirklich nicht. Ich habe Ihre Tarnung auffliegen lassen, aber offensichtlich brauchen Sie die Story dringend. Hier also mein Angebot: Sie verschwinden umgehend, und ich zeige Sie nicht wegen Hausfriedensbruch an.“

Fassungslos beobachtete Beth, wie er sich wieder zum Fenster umdrehte.

„Wo sind die Kameras? Die Mikrofone? Hinter den Büschen?“

Sie schnaufte vor Wut. „Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?“

Ruckartig wandte er sich wieder zu ihr um, der ganze Körper schien vor Verärgerung zu vibrieren. Es war ein respekteinflößender Anblick, der durch seine Größe und die Arroganz, die in seinem Blick und in seiner Körpersprache lag, unterstützt wurde.

Während seine schweigende Musterung andauerte, pochte ihr Herz immer schneller, klopfte heftig gegen ihre Rippen. Mit einem Blick schätzte sie die Entfernung bis zur Küche ab. Dort lagen scharfe Messer, das Telefon …

„Versuchen Sie, sich dumm zu stellen?“, fuhr er sie an.

Doch bevor sie darauf antworten konnte, griff er in seine hintere Hosentasche, zog eine teure Lederbrieftasche hervor und hielt ihr seinen Führerschein unter die Nase. „Luke De Rossi, Miss …?“

„Jones. Beth Jones.“

In einem kurzen Moment der Klarheit bemerkte Luke, wie sie unsicher einen Schritt in Richtung Flur machte, sah den erschrockenen Blick aus ihren grünen Augen, die von langen sandfarbenen Wimpern eingerahmt wurden. Sie wippte auf ihren Füßen vor und zurück, bereit, jeden Moment die Flucht zu ergreifen. Misstrauen verhärtete die Muskeln in ihrem Gesicht. Teufel, er konnte ihre Verzweiflung praktisch riechen.

Nein, sie war definitiv keine Reporterin. Und Hausbesetzer wohnten nicht so gepflegt. Ihre Worte klangen hart, und sie trug ihre Abwehr wie einen schützenden Mantel – dabei sah sie aus wie ein Geschenk der Götter. Und sie wirkte ebenso verwirrt, wie er es war.

Also doch eine Geliebte.

Gewöhnlich verließ er sich auf seine Selbstbeherrschung, seine autoritäre Ausstrahlung, doch die schienen sich heute, zusammen mit seinem sonst so unfehlbaren Instinkt, aus dem Staub gemacht zu haben.

Er trat einen Schritt zurück. „Schauen Sie, Miss Jones. Vielleicht fangen wir noch einmal von vorn an. Ich bin …“

„Ich weiß genau, wer Sie sind.“

Luke stieß einen heftigen Atemzug aus und fühlte die dröhnenden Kopfschmerzen neu aufflackern. „Ich vermute, Sie haben Unterlagen, die beweisen, dass dies Ihr Haus ist?“, fragte er kurz angebunden.

Ihre Augen wurden schmal. „Beweise? Warum?“

„Lady, ich wüsste ein bisschen Hilfe sehr zu schätzen.“

„Ich wohne hier seit drei Jahren und …“

„Als Eigentümerin oder als Mieterin?“

„Was?“

„Gehört das Haus Ihnen oder haben Sie es gemietet?“, sagte er laut und deutlich.

Beth schluckte eine grobe Erwiderung herunter. Noch immer kochte sie vor Wut. „Ich habe es gemietet, aber …“

„Helfen Sie mir, Miss Jones.“ Er spannte sein Kinn an. „Wer hat Ihnen das Haus vermietet?“

„Ein Maklerbüro.“

„Welches?“

„Ich verstehe nicht, was Sie das …“

„Der Name. Bitte.“

Schweigend kreuzte sie die Arme vor der Brust.

Luke strich sich mit einer Hand durch die Haare, aber die kurzen Strähnen richteten sich sofort wieder auf. Die Geste passte nicht zu ihm und ließ ihn seltsam … verletzlich aussehen. Beth lachte fast bei dem Gedanken. Verletzlich? Klar. So verletzlich wie ein Panther, der seiner Beute auflauert.

Vage erinnerte sie sich an einen Beitrag über Australiens führende Finanzunternehmen, den sie in einer Ausgabe der Sun-Herald einmal gelesen hatte. „Lucky Luke“ De Rossi war einer von Jackson und Blairs hochbegabten Talenten – übernatürlich hoher IQ, Harvardstudium, beste Referenzen. Als Manager der milliardenschweren Handelsbank hatte er eine mustergültige Laufbahn vorzuweisen, die perfekte Vertrauen-Sie-mir-Ihre-Millionen-an-Ausstrahlung und einen absolut seriösen Ruf. Himmel, sie würde seine Professionalität bewundern, wenn er nicht gerade vor ihr stehen und sie verunsichern würde.

Noch immer blickte er sie unverwandt und schweigend an. Dann verzog er plötzlich das Gesicht und rollte mit den Schultern. Mit einer Hand massierte er kurz seinen Nacken.

Trapezmuskel, dachte sie automatisch. Verspannte Deltamuskeln. Vermutlich Rückenschmerzen. Ganz sicher Kopfschmerzen.

Sie blinzelte irritiert. Es war, als würde die Erschöpfung aus allen Poren dieses Mannes dringen, der Frust zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Und so sehr er sich auch bemühte, sie zu verbergen, die Schmerzlinien um seinen Mund konnte sie deutlich erkennen.

Schnell zwang sie das aufkommende Mitgefühl nieder.

„Also, Sie mieten dieses Haus“, sagte er schließlich.

„Ja.“

Von dem Zynismus in seinem Blick ließ sie sich keine Sekunde lang einschüchtern. Er verstärkte nur ihren Ärger.

„Wer ist der Makler? Haben Sie eine Adresse? Eine Telefonnummer?“

„Wollen Sie mir nicht verraten, was hier vorgeht?“

„Ich versuche, diese Sache zu klären, und Sie sind nicht gerade hilfreich.“

Er war so daran gewöhnt, die Fragen zu stellen, die absolute Kontrolle zu haben, dass Beth kaum ein trockenes Lachen zurückhalten konnte. Mit Männern seiner Art war sie schon oft genug fertig geworden. „Wie wäre es, wenn Sie mir helfen und aus meinem Haus verschwinden?“

„Was?“

„Sie haben mich verstanden.“

„Ihr Haus?“ Er zog die Brauen zusammen. „Soweit ich weiß, gehört das Haus meinem Onkel.“ Sein finsterer Gesichtsausdruck wurde noch finsterer. „Hatten Sie eine Affäre mit ihm?“

Sie spürte, wie sie rot wurde. „Erst stürmen Sie in mein Haus, dann behaupten Sie, ich würde mit ihrem Onkel schlafen? Sind Sie verrückt?“

Luke biss die Zähne zusammen, seine Kopfschmerzen waren unerträglich. Verdammt, diese Lady ist kein Bambi, die ist Godzilla! „Hören Sie, wir erreichen nichts, wenn wir uns anschreien.“

„Richtig.“ Sie marschierte durch den Flur, sodass er ihr folgen musste. „Ich lebe hier, Mr De Rossi. Falls Sie irgendwelche Besitzansprüche haben, kommen Sie wieder, sobald Sie das auch beweisen können.“

Seine Beine waren schwer vor Erschöpfung. Alles, was er wollte, war eine Dusche und schlafen – er wäre bereit, ein Kapitalverbrechen zu begehen, wenn er dafür beides sofort bekäme.

Zeit, die Taktik zu ändern. Vielleicht konnte er zu ihrer sanften Seite durchdringen. Falls sie die hatte.

Er trat einen Schritt auf sie zu, lächelte sie gewinnend an und hob bittend die Hände. „Bestimmt können wir zu einer Einigung finden.“ Ermutigt von ihrem überraschten Gesichtsausdruck fuhr er fort. „Sie wissen, wer ich bin, daher wissen Sie auch, dass mein Wort zählt …“

„Wofür zählt?“

Ihre ruhige Erwiderung entlockte ihm ein Lächeln, von dem er wusste, dass es Herzen zum Schmelzen brachte. Und wenn er es darauf anlegte, auch so manchen starken Willen.

„Und welche Art von Einigung meinen Sie?“

Eine warme Brise strich durch die offene Tür herein. Lukes Blick fiel auf den sanft gewölbten Brustansatz, der im weiten Ausschnitt ihres Tank Tops zu sehen war. Verflucht noch eins. Schnell wollte er aufblicken, aber nun blieb sein Blick an dem leichten Schweißfilm auf ihrem glatten honigfarbenen Hals hängen.

„Geben Sie mir eine Chance, Ms Jones.“ Er schluckte und konzentrierte sich schließlich auf die Türklinke. „Ich bin den ganzen Weg von Brisbane hergekommen und musste dabei eine Horde Reporter abhängen.“

„Nicht in dem Auto, das gerade abgeschleppt wird, hoffe ich.“

Seine Reaktion hätte nicht perfekter sein können. Als er herumwirbelte, stieß Beth ihn mit der Kraft all des aufgestauten Ärgers über die Schwelle.

Luke stolperte hinaus, und als er seine Balance wiederfand, hatte sie bereits das Gitter vor der Haustür geschlossen.

„Das Recht steht auf der Seite der Besitzenden. Ich wünsche noch eine schöne Nacht.“

Dann schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu.

2. KAPITEL

Der Dienstagmorgen zeigte sich von der schönsten Frühlingsseite. Die Sonne schickte ihre Strahlen durch den wolkenlosen blauen Himmel und brachte mehr als einen Angestellten dazu, sich krankzumelden.

Luke saß in seinem Auto und starrte über den Garten hinweg in die Küche. Beth bewegte sich zielstrebig – entschieden, präzise. Schon der Gedanke, mit ihr in eine Konfrontation zu geraten, ließ seine Alarmglocken schrillen.

Die meisten Männer hätten diesen Hinweis verstanden und die Polizei die Sache klären lassen.

Er war aber keiner der meisten Männer.

Er hätte seinem ersten Impuls folgen und die Erbschaft ablehnen sollen. Nur …

Gino hatte immer genau gewusst, was er tat, wenn es um seine Geschäftsinteressen ging. Also gab es einen Grund dafür, dass er seinen Neffen als Erben benannt hatte, und bei Gott, den würde Luke herausbekommen. Auch wenn das eine Konfrontation mit einer möglichen Geliebten bedeutete.

Also, zwei Möglichkeiten: die Polizei rufen oder die Sache selbst in die Hand nehmen.

Er seufzte. Keine Frage. Möglichkeit eins bedeutete öffentliche Aufmerksamkeit, die er weder wollte noch brauchte. Bei Möglichkeit zwei würde er wenigstens die Kontrolle behalten. Aber dafür musste er mehr über Beth Jones herausfinden.

Als ein stechender Schmerz seinen Nacken durchfuhr, streckte er sich und dehnte die Muskeln.

Man brauchte keinen Abschluss in Psychologie, um zu erkennen, dass diese Frau nicht leicht Vertrauen fasste, besonders nach seinem Auftritt gestern Abend. Er schauderte innerlich. Derart die Kontrolle zu verlieren war höchst ungewöhnlich für ihn, das durfte nicht wieder vorkommen.

Seine Lippen zuckten. Verdammt, sie hatte ihn wirklich überrascht. Sie war stärker, als sie aussah.

Luke stieg aus. Zitronen. Nach denen roch sie. Frisch, zitronig und lecker. Wie die altmodische Limonade, die seine Tante Rosa an heißen Sonntagnachmittagen immer machte … säuerlich beim ersten Schluck, aber unglaublich süß, wenn man zum Zucker auf dem Boden des Glases kam.

Er runzelte die Stirn. Sie mochte fantastisch riechen und noch besser aussehen, aber er hatte einen Job zu erledigen. Und ihr kaum verhohlenes Misstrauen zeigte deutlich, dass sie etwas vor ihm verbarg. Darauf würde er seine anstehende Beförderung verwetten.

„Danke, dass Sie Crown Real Estate gewählt haben“, drang die blecherne Nachricht an Beths Ohr. „Unsere Bürostunden sind von …“ Beth umklammerte den Hörer und seufzte, dann legte sie auf. Augenblicklich klingelte das Telefon. Sie nahm ab. „Ja?“

„Legen Sie nicht auf. Hier ist Luke De Rossi.“

„Woher haben Sie diese Nummer?“

„Aus dem Internet. Schauen Sie nach draußen.“

Sie fuhr herum und starrte auf die langbeinige Figur in ihrem Vorgarten. „Wie lange sind Sie schon da?“

„Ein paar Stunden.“

Was dachte er, würde sie tun – das Haus abfackeln? Abhauen?

„Wir müssen uns unterhalten.“

Sie versteifte sich, wartete auf den Haken, aber Luke sah nur schweigend zu ihr herüber. Schließlich sagte sie: „Ich komme raus.“

Mit einer Gelassenheit, die ihr pochendes Herz nicht verriet, ließ sie die Rollläden hinunter. Laut rasselnd fuhren sie hinab.

Nervosität überkam sie. Hektisch lief sie in der Küche auf und ab.

Sie wollte nicht reden. Himmel, sie hatte die letzten zehn Jahre den Mund gehalten. Ihr ganzes idyllisches Leben beruhte auf Lügen, und reden würde nur die Vergangenheit zurückholen, alles, was sie hinter sich gelassen hatte.

Ganz zu schweigen von einer Anklage wegen Identitätsdiebstahl.

Eiskalt legte sich die Angst auf sie. Die australische Presse war von großen Tragödien fasziniert, besonders am Vorabend des zehnten Jahrestages dieses tragischen Unfalls.

Sie las auch sonst selten die Nachrichten, doch in den letzten Monaten war es ihr gelungen, alles zu vermeiden – Zeitungen, Fernsehen, Radio. Sie war perfekt darin geworden, Gespräche auf andere Themen zu lenken, wenn ihre Kunden auf aktuelle Nachrichten zu sprechen kamen.

Nur ihre Erinnerungen konnte sie nicht so leicht vermeiden.

Sie ging zum Küchentresen und goss sich eine Tasse Kaffee ein, schluckte den bitteren Geschmack der Panik hinunter. Niemand in ihrem neuen Leben wusste, wer sie gewesen war, was sie getan hatte. Und trotzdem brachte Lukes Auftauchen all die alten Ängste zurück.

Schnell drängte sie die Gedankenflut zurück und konzentrierte sich auf die Gegenwart. Luke De Rossi.

Wie ein alter Motor, der auf Touren kam, begann ihr Herz schneller zu pochen. Normalerweise würde sie dem Mann, dessen Nerven so offensichtlich zum Zerreißen angespannt waren, nur zu gern helfen. Normalerweise … Aber die Situation war alles andere als normal.

Gut aussehende Männer hatten immer Hintergedanken. Wie der Reporter, dem sie vertraut hatte, als sie gerade achtzehn gewesen war. Wie die reichen, glatten Geschäftstypen – verheiratete wie Singles –, die ihren Massageservice in Anspruch nahmen und sie dann anmachten.

Wie Ben, ihr verschwundener Buchhalter.

Sie hatte ihre Lektion über Vertrauen endgültig gelernt.

Beth strich sich übers Haar und straffte die Schultern. Ein Panikanfall würde ihr nicht weiterhelfen. Das Maklerbüro konnte ihr keine Antworten geben, also konnte er es vielleicht. Außerdem konnte Luke De Rossi, Mr Reich-und-Mächtig, ihr das Leben schwer machen, wenn sie Theater veranstaltete.

Mit diesen Gedanken öffnete sie die Küchentür und trat nach draußen.

Luke saß auf dem Geländer und wirkte im grellen Morgenlicht entschieden gefährlich. Selbst mit dem zerknitterten Hemd und den zerzausten Haaren strahlte alles an ihm Autorität und Selbstvertrauen aus.

Sie ließ den Blick kurz über ihn schweifen – von der gebräunten Haut, die sich am Halsausschnitt seines Hemds zeigte, und dem Bizeps, der sich unter den aufgerollten Hemdsärmeln andeutete, bis zu dem Blick aus seinen dunklen Mitternachtsaugen, die auf ihr ruhten.

Er sollte diese Anspannung loswerden, die seine Nackenmuskeln so verkrampft. Ein paar Sitzungen, und sie würde diese Muskeln weich geknetet haben.

Der Gedanke, Hand an all diese aufgestaute Energie zu legen, ließ sie erschauern. Was war nur mit ihr los? Sie hatte schon zuvor tolle Körper gesehen. Jegliche Art von Muskelverspannungen und Schmerzen wegmassiert. Dieser Fremde allerdings hatte so einen Ausdruck, einen Blick, der sagte, dass er, auch wenn er wegen etwas angespannt war, damit umgehen konnte. Er hatte alles unter Kontrolle. Zu sehr unter Kontrolle?

Plötzlich streckte er ihr ein Bündel Briefe hin. „Ihre Post.“ Als sie die Briefe nahm, nickte er hinüber zur Hollywoodschaukel und fügte hinzu: „Die sind für Sie.“

Sie riss die Augen auf. Nelken bedeckten die Sitzfläche, eine Explosion in leuchtendem Gelb, Weiß und Rosa. Ihr unverwechselbarer Geruch kitzelte Beths Nase.

Forschend blickte sie von der Schaukel zurück zu ihm. Fast wirkte es so, als sei ihm die Situation unangenehm.

„Ich hab mich gestern daneben benommen“, sagte er brüsk. „Ich ziehe sonst keine vorschnellen Schlüsse. Ich bitte um Entschuldigung.“

„Okay.“ Ihr Blick irrte zurück zu den Blumen.

„Ich hab sie aus dem Garten am Ende der Straße. Ich habe einen Zettel und zwanzig Dollar dagelassen.“

Widerwillig musste sie lächeln. „Sie haben Griesgram Craigs preisgekrönte Blumen geklaut?“

„Oh.“ Sein selbstsicherer Ausdruck fiel für einen kurzen Moment in sich zusammen. „Wenn er einen solchen Namen trägt, wird es ihm sicherlich etwas ausmachen.“

Beth konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Möglich, dass er hinter Ihnen her sein wird. Der Typ scheint ein bedeutender Arzt zu sein.“

„Dann werde ich ihm sagen müssen, dass es um Leben oder Tod ging.“

Als er ihr Grinsen erwiderte, stockte ihr kurz der Atem. Er sah wirklich fantastisch aus, wenn er nicht wütend war – sein Aussehen hatte etwas Südländisches, Italienisches, die geschwungene Nase und die geradezu hypnotischen Augen verstärkten den Eindruck.

Eine ungemütliche Stille senkte sich herab, bis Beth sich an die Tasse in ihrer Hand erinnerte. „Hier.“ Als er zögerte, fügte sie trocken hinzu: „Ist nicht vergiftet. Milch, kein Zucker.“

„Gut geraten.“ Luke nahm die Tasse dankbar an. „Woher kommt die plötzliche Freundlichkeit? Ich dachte, Sie wollten, dass ich verschwinde.“

„Und ich dachte, Sie würden heute die Polizei mitbringen.“

„Wir können das auch anders lösen.“

„Dann ist Ihre Selbstbeherrschung wohl besser, als ich gedacht hätte.“

„Sie ist offensichtlich groß genug für uns beide.“

Zog er sie auf? Nach seinem Auftritt von gestern zweifelte sie nicht daran. Sein sanfter, fast schon verführerischer Tonfall ließ ihr Herz trotzdem schneller schlagen. Verärgert schluckte sie eine spitze Antwort hinunter. Stattdessen gab sie ihm eine kurze Zusammenfassung von dem Wenigen, was sie am Morgen herausgefunden hatte.

Schweigend hörte er zu. Bis auf ein kurzes Anspannen seines Kiefers und ein Aufblitzen in seinen dunklen Augen deutete nichts darauf hin, was er fühlte oder dachte. Schließlich fuhr er sich mit seinen langen Fingern durchs Haar und erhob sich.

„Und wie heißt das Maklerbüro?“ Sein Blick war so durchdringend, dass sich ihr die Nackenhaare aufrichteten.

„Crown. Ich hab einen Mietvertrag … Na ja, es ist eher ein Hausmeistervertrag – die Besitzer sind auf Dauer in Übersee. Ich zahle nur eine kleine Miete und kümmere mich dafür um das Haus.“

„Und Sie leben hier seit drei Jahren.“

„Ja.“

„Und davor?“

Ihr Magen zog sich zusammen. Was wollte er? „Mehrere billige Wohnungen. Nichts wie das hier.“

Sie hatte so viel Zeit und Mühe darauf verwandt, dieses Haus zu ihrem Heim zu machen. Den vernachlässigten Garten wiederbelebt. Die Wände gestrichen. Das Badezimmer neu gekachelt. Regale gebaut. Alles aus eigener Kraft, mit viel Zeit und so manchem Fluch. Und in ein paar Monaten wollte sie, wenn ihre Finanzen mitspielten, ein Angebot auf das Haus abgeben.

Es war ihre Zuflucht, und niemand würde es ihr wegnehmen. Nicht ohne einen Kampf.

„Als was arbeiten Sie?“, fuhr er fort.

„Ich bin Masseurin. Ich hab einen Laden in Surfers …“ Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. „Einen, der um zehn aufmacht.“

Er schwieg und trank einen Schluck Kaffee. „Haben Sie die Adresse des Maklers?“

„Am Ende des Highways von Surfers Mall.“ Sie runzelte die Stirn. „Was haben Sie vor?“

„Wer ist Ben?“

„Wie bitte?“ Beth blinzelte.

„Freund? Ex-Mann?“

„Nein!“

„Gestern haben Sie angenommen, ich wäre wegen Ben hier.“

Hatte sie heute Morgen noch den Samen der Unsicherheit in sich verspürt, dann war dieser Same in der letzten halben Stunde zu einem vollständigen Baum des Zweifels angewachsen. Sie hasste dieses Gefühl und wollte dem nicht nachgeben. Denn wenn sie das tat, müsste sie zugeben, dass alle Anstrengungen der vergangenen zehn Jahre, ein normales Leben aufzubauen, fehlgeschlagen waren.

Sie wollte nicht so misstrauisch sein, wollte nicht automatisch an jeder Person, der sie begegnete, zweifeln. Gerade jetzt, in dieser bizarren Situation, hatte sie das Gefühl, sie sollte diesem Mann glauben. Er strahlte einfach diese Aura aus.

„Ben hat hiermit nichts zu tun“, sagte sie schließlich.

„Woher wollen Sie das wissen? Er könnte mit dem Makler zusammenarbeiten, hinter einem Immobilienbetrug stecken.“

„Wissen Sie, wie lächerlich das klingt?“

„Oh, und das hier ist normal?“

Sie hockte sich auf das Verandageländer. So verharrten sie für eine Weile, Luke in erwartungsvollem Schweigen, sie mit zusammengepressten Lippen. Er warf ihr wieder diesen Blick zu, diesen Blick, der heißen sollte: Was verbirgst du vor mir? Er verunsicherte sie.

„Er war mein Buchhalter“, gab sie zu und spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. „Meine Bank hat versehentlich das Geld von jemand anders auf mein Geschäftskonto überwiesen, und er hat es abgeräumt und ist verschwunden.“

„Wie viel?“

„Fünfhunderttausend Dollar.“

Als er leise pfiff, brannte ihr Gesicht vor Verlegenheit noch mehr. Sie hatte Ben vertraut, hatte gedacht, sie würde ihn kennen – und er hatte sie betrogen.

„Ich nehme an, Sie haben ihn angezeigt?“

„Noch nicht.“ Sein Blick verstärkte ihre Scham. „Die Bank gibt einem achtundzwanzig Tage, um das Geld zurückzuzahlen. Wir haben gerade mal den zweiten.“

„Sie denken, er gibt es zurück?“ Als sie schwieg, sagte er um einiges sanfter: „Also. Wir haben hier einen Betrug und eine vermisste Person.“

„Nicht wir. Meine Probleme gehen Sie nichts an.“

„Und ich kann sehen, dass Sie sie voll im Griff haben.“

Sie sprang auf die Füße, zu verärgert für Worte. Er hatte recht. Aber die Polizei einzuschalten hieß eine Ermittlung zu riskieren, ein Risiko, das sie nicht eingehen konnte.

„Hatten Sie eine sexuelle Beziehung zu Foster?“, fragte er plötzlich.

Beth errötete. „Ich habe doch schon gesagt, dass er nicht mein Freund ist! Nein! Er ist neunzehn, fast noch ein Teenager. Ein Mathegenie. Seine Mutter ist eine Kundin gewesen und er … Ich …“ Als sie seinen ungläubigen Gesichtsausdruck sah, brach sie ab und gestand dann: „Wir haben uns zweimal nach der Arbeit getroffen, aber es ging dabei immer ums Geschäft.“

„Hat er das genauso gesehen?“

„Natürlich!“ Sie schluckte, als sich leiser Zweifel einschlich. „Natürlich“, wiederholte sie mit weniger Nachdruck. „Warum sollte er mich beklauen? Und dann auch noch etwas, das mir gar nicht gehört?“

„Gier ist eine grundsätzlich menschliche Eigenschaft. Dabei geht es nicht um brauchen, sondern um wollen. Man sucht sich ein Opfer aus, baut Vertrauen auf und dann …“

„Glauben Sie, das weiß ich nicht?“

Luke bemerkte ihre angespannte Haltung, und gegen seinen Willen fühlte er einen Anflug von Mitleid. „Wollen Sie sich setzen?“

„Nein.“ Als ob er sie beleidigt hätte, straffte sie ihren Rücken und verschränkte die Arme.

Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer. „Dylan. Luke hier. Du musst mir einen Gefallen tun. Informationen über einen Ben Foster. Wohnt …?“ Er hielt für einen unendlich langen Moment inne und sah Beth an, bis sie widerwillig eine Adresse nannte.

Während er die Einzelheiten weitergab, ignorierte er Beths ungeduldiges Schnaufen. Als sie ihn unterbrechen wollte, hob er eine Hand und brachte sie damit zum Schweigen. Ihr Gesicht und der finstere Blick gaben ihre Emotionen preis – Verärgerung und Empörung. Sie war wohl nicht daran gewöhnt, zum Schweigen gebracht zu werden. Fasziniert beobachtete er, wie sie mit dem Ärger kämpfte, der in ihren Augen stand. Eine Sekunde lang war er nicht sicher, ob sie ihre Selbstbeherrschung gewinnen würde.

„Verstanden“, sagte Dylan. „Bis wann brauchst du die Info?“

„Bis gestern.“

Dylan lachte. „Klar. Ich bin heute Nachmittag beim Gericht in Cairns, danach bin ich bis Freitag ausgebucht. Ich könnte es einem meiner Jungs übergeben …“

„Nein. Ich möchte, dass du dich persönlich darum kümmerst.“

„Okay. Dann muss es bis Sonntag warten.“

Vier Tage? Luke runzelte die Stirn. „Sicher.“ Dann legte er auf.

Beth ging zum Angriff über. „Ich habe Sie nicht um Hilfe gebeten!“ Sie funkelte ihn an. „Oder gehört es zu Ihrem Naturell, im Leben anderer Menschen herumzustochern?“

Gelassen verschränkte er die Arme. „Dylan ist ein Privatdetektiv und kann Ihren Ausreißer schneller finden als die Bank oder die Polizei.“ Und leichthin fügt er eine Lüge hinzu: „Ich interessiere mich nicht für Ihre Geheimnisse, Beth.“

„Stellen Sie nur sicher, dass das auch so bleibt.“ Als sie ihren Blick abwandte und einen Punkt hinter seinen Schultern fixierte, wirkten ihre Augen plötzlich merkwürdig stumpf. „Mein Privatleben bleibt privat.“

Luke schluckte die Frage hinunter, die ihm auf der Zunge lag. Irgendwie glaubte er, dass es nicht förderlich für ihren momentanen Waffenstillstand wäre, wenn er sie auf ihr mangelndes Vertrauen ansprach.

„Wirtschaftskriminalität ist weiter verbreitet, als Sie vielleicht glauben.“

„Toll, jetzt fühl ich mich schon besser.“

Er ignorierte ihren Sarkasmus. Stattdessen zückte er erneut sein Handy und wählte die Nummer von Ginos Anwalt. „Und wir müssen beweisen, dass ich die Wahrheit sage.“

Das Glück war ihm nicht hold. Nachdem er ein paar Sekunden dem Besetztzeichen gelauscht hatte, legte er fluchend auf. „Ich muss Ihren Vertrag sehen.“

Sie blickte auf die Hand, mit der er seinen Nacken rieb.

„Warten Sie hier.“

Er trat einen Schritt auf sie zu, und sie wich zurück. „Was?“

„Sie hätten nicht noch etwas Kaffee für mich, oder?“

Sie schwieg kurz. „In der Küche.“ Dann, zögerlich: „Na gut. Kommen Sie rein.“

Beth war sich seiner Gegenwart nur zu bewusst, während sie die Nelken aufnahm und in die Küche ging. Sie holte eine Vase aus dem Schrank, füllte sie mit Wasser und arrangierte die Blumen. Dabei versuchte sie, die verwirrenden Gefühle zu ignorieren, die in ihr tobten.

„Könnte ich einen Toast bekommen?“, fragte er, als sie fertig war.

Sie seufzte. Was macht schon eine weitere Seltsamkeit aus an einem Tag wie heute? „Bedienen Sie sich“, murmelte sie und verließ die Küche.

Als sie zurückkam, blieb sie im Türrahmen stehen, um Luke zu beobachten. Er lehnte am Küchentresen und aß einen Toast.

Ich wette, dass Entspannung in seinem Wortschatz nicht mal vorkommt.

Doch trotz dieses kleinen Makels war er ein perfektes Exemplar von Mann. Seine Schultern waren breiter, als erlaubt sein sollte. Seine Haut hatte einen gesunden Braunton, und soweit sie sehen konnte, beleidigte kein Gramm Fett diesen perfekten Körper. Diesen gut trainierten, heißblütigen Körper … der viel zu einladend wirkte für ihren Geschmack.

Gegen allen Verstand wollte sie ihn berühren, wollte ihm die Anspannung nehmen, die ihn die Stirn runzeln ließ, wollte über diese wunderschönen Arme streichen, über seine Brust, die Hitze spüren, die von dort ausging, vielleicht sogar …

Ärgerlich verscheuchte sie ihre Gedanken. Nach ihren vergangenen Fehlern hatte sie sich geschworen, nie wieder jemanden an sich heranzulassen.

Und jetzt machte Luke es sich in ihrer Küche bequem. Er hatte sogar ihren launischen Toaster gemeistert, denn als das Mistding eine Brotscheibe hoch in die Luft schleuderte, fing Luke sie so geschickt auf wie ein Läufer der Brisbane Broncos den Ball.

Ihr war es noch nie gelungen, die Flugbahn dieser Dinger vorherzusagen.

Sie breitete ihre Unterlagen auf dem Küchentisch aus. „Hier. Sie sollten auch wissen, dass ich einen rechtlich bindenden Mietvertrag habe.“

Diesen kleinen, bittersüßen Triumph kostete sie aus, auch als Luke sich die Unterlagen schnappte und sie dann genauestens studierte.

Aber als sie ihn so beim Lesen beobachtete, schwand das Triumphgefühl. Drei Monate Kündigungsfrist. Das war gerade mal einen Wimpernschlag entfernt. Wenn er die Wahrheit sagte, konnte er dann wirklich ihr Haus vom Fleck weg verkaufen, Unterlagen hin oder her?

Dieses Haus war für sie mehr als ein Dach über dem Kopf. Es war ein Heim, eine sichere Zuflucht. Ihr Heim. Nach so vielen Jahren des nicht Dazugehörens war es ein Symbol dafür, wie weit sie es gebracht hatte. Auf gar keinen Fall würde irgend so ein Banker mit einem sündigen Lächeln sie daraus vertreiben.

Sie brauchte rechtlichen Beistand. Bloß konnte sie ihn sich nicht leisten.

Sie starrte Luke an. Wie er sich so über den Tisch beugte, spannte sich sein Hemd an seinen Schultern. Erstaunlich, dass so ein elegantes Kleidungsstück so wenig verbarg.

Seine Gegenwart brachte ihre Haut zum Kribbeln. Um sich von diesem Gefühl abzulenken, griff sie nach der Kaffeekanne und goss sich eine Tasse ein. Sanft blies sie den Dampf fort, hob ihren Blick – und fand seinen auf den Rand ihrer Tasse gerichtet.

Auf ihre Lippen.

Sie schluckte, setzte die Tasse ab und deutete auf die Unterlagen. „Und, was sagen Sie dazu? Beweisen die, dass ich die Wahrheit sage?“

„Sieht alles legal aus.“ Er zeigte auf eine Unterschrift. „Das Maklerbüro hat einen Managementvertrag, sie dürfen im Interesse des Eigentümers handeln.“

„Stimmt.“

„Sie wissen also nicht, wer die Eigentümer sind?“

„Nein.“ Seinem Blick nach zu urteilen, gefiel ihm ihre Antwort nicht. „Unser nächster Schritt ist also …?“

„Ich gehe zu Ginos Anwalt.“

„Sie meinen, wir gehen.“ Sie stellte die Tasse ins Spülbecken.

Er spannte seinen Rücken an, sagte jedoch nichts.

„Ich werde offen zu Ihnen sein, Mr De Rossi. Ich bin keineswegs beeindruckt von Ihnen – weder von Ihrem Einfluss noch von Ihrem Geld. Ich kenne Leute wie Sie.“

„Tatsächlich.“

„Ja. Männer, die nur für den Job leben und für die eigenen Bedürfnisse. Sie denken, dass sie mit einem umwerfenden Lächeln jeden dazu bringen können, eine Entscheidung zu revidieren. Sie müssen vierundzwanzig Stunden am Tag die Kontrolle behalten.“

„All das wissen Sie nach einem Blick auf mich, ja?“

„Ich hab viel Übung. Und versuchen Sie gar nicht erst, mich zu bezirzen. Dagegen bin ich immun.“

Luke musterte sie ausdruckslos. Das Kinn war nach oben gereckt, die Lippen waren zusammengepresst, die Hände hatte sie auf die Hüften gestützt.

Es war eine klassisch defensive Haltung.

Dennoch brachte sein plötzliches Lächeln sie aus der Fassung.

„Also, mal abgesehen von meinem Job, meinem Aussehen und meiner bloßen Anwesenheit, mögen Sie mich. Richtig?“

Eine sanfte Brise suchte sich diesen Moment aus, um durchs Fenster zu streichen. Die Blumen auf dem Fensterbrett raschelten, und Beths weizenblonde Locken bewegten sich sachte im Wind. Es war, als würde die Brise sie umhüllen, bis Luke nicht mehr sicher war, ob der Duft von Beth oder von den Blumen kam.

Wie auch immer, sie roch verdammt gut.

Stopp mal, Kumpel. Du wolltest dich darum kümmern, dass Ginos Zeug aus deinem Leben verschwindet. Jetzt lass dich nicht von einem Paar Bambi-Augen betören. Diese Frau könnte die Angelegenheit heikel werden lassen. Du weißt immer noch nicht, welche Rolle sie hier spielt, besser, du holst Beth Jones mit an Bord.

Aber nach ihrem Blick zu urteilen, hatte er da ein gutes Stück Arbeit vor sich.

„Es muss doch irgendeine Kleinigkeit geben, die Ihnen an mir gefällt? Sonst würde ich nicht mehr hier stehen.“

Sie legte den Kopf schräg und sah ihn neugierig an. „Warum ist es Ihnen so wichtig, dass ich Sie mag?“

„Weil Sie dann anfangen könnten, mir zu vertrauen.“

„Ich vertraue niemandem.“

Luke beobachtete, wie sie sich einen Lappen schnappte und den Tisch mit kurzen, abgehackten Bewegungen abwischte.

Eigentlich konnte er Menschen ganz gut lesen, aber Beth Jones war ihm ein Rätsel. Im Gegensatz zu gestern wirkte sie heute, als trage sie eine Rüstung. Die Haare hatte sie tief im Nacken zu einem praktischen Zopf gebunden. Defensiv, ja. Unabhängig, definitiv. Aber auf den Rest konnte er sich keinen Reim machen … Und tickende Zeitbomben machten ihn nervös.

Obwohl sie ihn verzweifelt loswerden wollte und selbst offensichtlich in einem riesigen Durcheinander steckte, hatte sie ihren Anwalt oder die Polizei noch nicht einmal erwähnt. Er hatte Tränen und Wut erwartet, aber nicht diese abwartende, kühle Logik.

Sein anfänglicher Verdacht stimmte – sie verbarg etwas.

Er verschränkte die Arme und überprüfte seine Theorie. „Wir machen das hier entweder auf meine Art oder wir übergeben es unseren Anwälten. Und ich bin mir sicher, dass Ihnen die Alternative nicht gefallen wird.“

Sie senkte den Blick, ihr Lächeln wirkte angespannt. „Ich nehme an, wir werden dann schnell herausfinden, wer hier vertrauenswürdig ist, oder?“

Sie stiegen in Lukes Auto und fuhren schweigend los.

Statt über seine kräftige Hand nachzudenken, mit der er von einem Gang in den nächsten schaltete, nur um Haaresbreite entfernt von ihr, versuchte Beth, sich auf das zu konzentrieren, was ihr an ihm nicht gefiel. Sein arrogantes Verhalten, die Art, wie er die Kontrolle an sich riss. Diese alles sehenden, allwissenden Augen. Die Anspannung in seinen Schultern … harten, breiten Schultern.

Den zum Küssen einladenden Mund …

Als er in den dritten Gang schaltete, streiften seine warmen Fingerknöchel ihr Bein, und sie fuhr zusammen. Verstohlen blickte sie ihn an. Er sah stur geradeaus und schien kein Problem mit seinen Hormonen zu haben.

„Also, unsere erste Station ist das Maklerbüro, danach fahren wir nach Brisbane“, sagte er schließlich und strich abwesend mit der Hand über den aufgerollten Ärmel seines Hemds.

Das lenkte Beths Aufmerksamkeit auf seinen gebräunten Unterarm. Verdammt, konnte sie sich denn nicht einmal eine Sekunde konzentrieren? „Warum glauben Sie, dass die Ihnen irgendwas verraten werden?“

„Weil ich sehr überzeugend sein kann.“

Oh, da bin ich mir sicher.

„Wie haben Sie den Makler gefunden?“, fragte er.

„Er arbeitet in der Gegend, ein paar meiner Kunden haben ihn empfohlen, und er hatten das, wonach ich gesucht habe.“ Sie warf ihm einen Blick zu. „Schauen Sie, das ist ein legales Geschäft mit einem Büro, einer Sekretärin und einer Reihe von Häusern. Es ist ja nicht so, als hätte ich mein Geld irgendeinem Straßenhändler in den Rachen geworfen.“

„Ich bezweifle nicht, dass er sein Geschäft professionell betreibt“, sagte Luke.

„Und wie Sie gesehen haben, bin ich im Besitz aller nötigen Unterlagen.“

„Ich hab auch gesehen, dass Ihr Mietvertrag nur noch drei Monate läuft.“

Sie presste die Kiefer aufeinander. Sie würde seine Gegenwart nicht mehr lange ertragen müssen. Spätestens heute Abend war die Sache geklärt.

Sie starrte aus dem Fenster. Inzwischen fuhren sie über den Pacific Highway und passierten den Australia Fair Shopping-Komplex. Dann überquerten sie den Nerang River.

Schon bald tauchte das Aphrodite zu ihrer linken Seite auf, ein gewaltiges Gebäude aus Glas und gewölbten Wänden. Eine Nachbildung der Venus von Milo stand stolz auf dem Dach, und wirkte trotz des Tageslichts fast düster in ihrer Nacktheit. Erst nachts, wenn das Kasino voll beleuchtet war, die Lichter sich im See spiegelten wie ein nie endendes Feuerwerk, schien sie wie von einer inneren Schönheit zu strahlen.

Die vertrauten Hotels, Restaurants und Läden flankierten den belebten Surfers Paradise Boulevard, den sie mit all den anderen Autos entlangkrochen. Der beißende Geruch von Abgasen mischte sich mit dem salzigen Geruch des Pazifiks, der nur wenige Meter entfernt war.

Sie wagte erneut einen Blick auf Luke und verzog grimmig den Mund.

„Warum mischen Sie sich überhaupt persönlich ein? Haben Sie nicht eine Armee von Anwälten, die für Sie die Laufarbeit erledigen?“

Obwohl Luke das unausgesprochene Misstrauen spürte, schwieg er, bis er den Wagen gegenüber des Cavill Einkaufszentrums parkte und den Motor ausschaltete. Dann wandte er sich ihr zu.

„Aus welchem Grund auch immer, aber mein Onkel Gino Corelli hat mir dieses Haus vermacht. Also …“

„Warten Sie. Gino Corelli? Er ist ihr Onkel?“ Der Schock überwältigte Beth und schnürte ihr die Kehle zu. Sie versuchte zu schlucken, aber konnte es nicht. „Der Eigentümer des Aphrodite? Derjenige, der gerade von der Glücksspielkommission überprüft wurde?“

„Ja, und?“

Sie registrierte seinen verwirrten Gesichtsausdruck und sank auf ihrem Sitz zusammen. Eine Weile starrte sie vor sich hin. „Gino Corelli“, wiederholte sie langsam. „Dann sind Sie … ist er … Oh Gott! Sie … Sie … Sie waren in meinem Haus … haben meinen Toaster benutzt!“

Er runzelte die Stirn. „Ich hab gedacht, Sie wüssten, wer ich bin!“

„Sie, ja. Aber nicht, wer ihr Onkel ist … war. Ich …“ Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sein eisiger Blick sie streifte.

„Die Presse irrt sich. Die Kommission hatte nicht genug Beweise, um die Sache dem Staatsanwalt vorzulegen“, erwiderte er schneidend.

Beth stolperte aus dem Auto. In was zum Teufel war sie hier reingeraten?

Auch Luke stieg aus, umrundete die Motorhaube und kam auf sie zu.

„Bleiben Sie weg!“, befahl sie ihm. Die Nachrichten der letzten Wochen, die sogar bis zu ihr durchgedrungen waren, schwirrten ihr durch den Kopf. „Corelli ist ein Gangsterboss, der Geld gewaschen und die Polizei bestochen hat und …“ Sie kramte nach weiteren Einzelheiten, aber das war vergeblich. Alles, was ihr noch einfiel, war irgendwas über Insiderhandel – und Luke arbeitete bei einer der größten Handelsbanken Australiens.

Angebliche Bestechung der Polizei. Angebliche Geldwäsche.“ Sein Blick war hart wie Stein, grimmig starrte er sie an. Ein Wall aus Selbstschutz angesichts des Schlags, den sie ihm gedankenlos versetzt hatte. „Ein unzufriedener Angestellter, der ein Hühnchen zu rupfen hat, und die allmächtige Presse erledigt den Rest. Und nur fürs Protokoll, Ms Jones, die Klage wurde schließlich vor Gericht abgewiesen, und ich habe mit diesem Casino ohnehin nichts zu tun. Das haben sie allerdings nicht auf der ersten Seite gebracht, oder?“ Er drehte sich auf dem Absatz um und überquerte die Straße.

Seine Worte trafen Beth wie eine Ohrfeige. Eine Welle von Scham folgte auf dem Fuße, ließ ihre Wangen heiß werden, als ob er sie tatsächlich geschlagen hätte.

Sie würde niemals irgendwen absichtlich verletzen, und doch hatte sie ihn beschuldigt, ohne auch nur einen Gedanken an seine mögliche Unschuld zu verschwenden.

Sie stöhnte erschrocken auf, als sie sich die knappen Details in Erinnerung rief. Und sie erinnerte sich an das Mitgefühl, das sie für Luke De Rossi empfunden hatte, kurz bevor sie den Fernseher frustriert ausgeschaltet hatte. Seitdem hatte sie die Nachrichten gemieden. Und offen gestanden wirkte die Abwesenheit von Hörensagen, Gerüchten und Halbwahrheiten befreiend.

Warum also glaubte sie jetzt so bereitwillig an Lukes Schuld?

Sie rannte über die Straße zu Luke, der ungeduldig auf sie wartete. Seine Augen waren von einer Sonnenbrille verdeckt.

„Es tut mir leid“, sagte sie ruhig. „Ich habe überreagiert. Ich …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das hier war nicht gerade ein normaler Tag für mich, okay?“

Er seufzte, als wäre er plötzlich zu erschöpft zum Streiten. „Ja. Für mich auch nicht. Konzentrieren wir uns also einfach darauf, dieses Durcheinander aufzuklären.“

Beth folgte ihm schweigend ins Einkaufszentrum.

Als sie sich endlich durch die immer dichter werdende Masse von Touristen und Büroangestellten gearbeitet, gerade so Zusammenstöße mit Straßenmusikanten und einer Gruppe Surfer vermieden hatten, war Beth völlig außer Atem.

Zielstrebig schritt Luke voran. Alles an ihm, der entschlossen vorgereckte Kiefer, die angespannten Schultern, schien einen einzigen Befehl zu schreien: „Aus dem Weg!“ Kein Wunder, dass die Leute zurückwichen und stehen blieben, um ihn anzustarren. Doch ihr Flüstern verstummte schnell, wenn sein eisiger Blick sie streifte.

Als sie sich Crown Real Estates näherten, fielen ihnen schon von Weitem die verschlossenen Glastüren auf. Ein Schild hing im Fenster.

„Geöffnet ab zehn“, murmelte Luke und starrte auf das Schild. Trotzdem rüttelte er an der Türklinke. Dann schirmte er seine Augen mit einer Hand ab und spähte ins Innere. Plötzlich zuckte er leise fluchend zurück, einen winzigen Moment zu spät.

Ein Schlüssel drehte sich im Schloss und die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Ein Mann im Anzug lächelte ihnen entgegen. Sein Schlips hing schief. „Tut mir leid, das Büro öffnet erst in einer halben Stunde.“

„Ist Jay da?“, fragte Beth.

„Sie hat eine Reihe von Besichtigungen bis zwölf. Warten Sie.“ Er verschwand kurz und kam mit einer Visitenkarte zurück. „Rufen Sie sie auf dem Handy an.“ Sein Blick wanderte zu Luke und blieb an ihm hängen. „He, ich kenne Sie. Sie sind …“

„Niemand Wichtiges. Danke.“ Luke griff nach Beths Arm und führte sie von dem Büro weg.

Beth befreite sich schnell aus seinem Griff.

„Tja, das war ein Reinfall“, murmelte er.

„Kein totaler.“ Beth nahm ihr Handy und wählte die Nummer, während sie zurück zum Auto gingen.

„Mailbox.“ Sie hinterließ eine kurze Nachricht und legte auf. „Toll. Was jetzt?“

Luke steckte die Hände tief in die Taschen. „Wir fahren nach Brisbane.“

Zwei Stunden später, nachdem sie sich mit Ginos Anwalt getroffen hatten, fuhren sie schweigend mit dem Fahrstuhl hinunter in die Tiefgarage.

Beth gönnte Luke kaum einen Blick. Stattdessen starrte sie auf die kleinen roten Zahlen. In ihrem Magen breitete sich mehr und mehr ein flaues Gefühl aus.

„Das ist es also. Sie gewinnen.“

Er blickte von seinem Handy auf. „Hier geht es nicht ums Gewinnen.“

„Nicht?“ Sie verschränkte die Arme, weigerte sich, ihn anzublicken.

„Nein. Die gerichtliche Testamentseröffnung wird möglicherweise noch ein paar Monate auf sich warten lassen, und dann muss der Besitz abgewickelt werden. Das wird Jahre dauern.“

Jahre. „Was ist mit meinem Mietvertrag?“

„Der läuft zur selben Zeit ab wie der Managementvertrag des Maklerbüros.“ Luke runzelte die Stirn, dann tippte er auf den Bildschirm des Handys.

„Schon vergessen? Ich war gerade auch bei dem Treffen.“ Sie blitzte ihn an. „Beide Verträge sind rechtlich bindend …“

Er hob eine Hand und hielt das Handy an sein Ohr. „Luke De Rossi hier.“

Mann, das fing wirklich an, sie zu nerven! Beth wartete in brütendem Schweigen, bis er sein Telefonat beendete.

„Ich kaufe Ihnen das Haus ab“, brachte sie plötzlich hervor. „Wie viel?“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Ich muss es erst schätzen lassen.“

„Eine Hausnummer.“

Schweigend musterte er sie eine Weile, bevor er langsam sagte: „Das wird Ihre Möglichkeiten übersteigen.“

Sie zog beide Augenbrauen hoch. „Woher wollen Sie das wissen?“

„Sie wissen, dass ein Grundstückspreis auf Sunset Island bei einer Millionen anfängt? Was könnten Sie als Sicherheit bieten?“

„Meinen Laden. Und wenn ich diese Sache mit der Bank geklärt habe …“

„Und wenn nicht?“

„Ich werde das klären. Und so oder so, ich werde dort bleiben, bis mein Vertrag ausläuft, und das gibt mir Zeit.“

„Nein.“

„Sie wollen das Haus behalten?“, fragte sie überrascht.

„Nehmen Sie das nicht persönlich.“

Ihre offene Skepsis verärgerte ihn, und er verzog das Gesicht. „Ginos Investitionen mussten kräftige Verluste hinnehmen während der Finanzkrise, das Casino ist ausgeblutet, und die Untersuchung durch die Glücksspielkommission hat viele Leute vertrieben. Ich muss schnell und leise verkaufen, damit ich zu meinem Job zurückkann. Also, falls Sie nicht ein paar Millionen auf der hohen Kante haben, wirft Sie das aus dem Rennen.“

Sie hob die Augenbrauen, aber ihre Überraschung verwandelte sich schnell in Ärger. „Also geht es Ihnen nur darum, Ihren Ruf zu schützen?“

„Glauben Sie nur nicht, Sie könnten über mich urteilen, Beth. Wir wissen immer noch nicht, welche Rolle Sie bei dem Ganzen spielen.“

„Wieso? Ganz offensichtlich ist das alles doch nur ein großer Zufall.“

Sein Schweigen und der ausdruckslose Blick verrieten ihr, was er davon hielt. „Ich kann Ihnen ein gutes Angebot für die verbleibende Miete machen.“

Beth blinzelte. Er wollte sie so dringend aus dem Haus haben, dass er sie dafür bezahlen würde? „Ich will nicht raus. Ich will in meinem Haus bleiben.“

Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und Luke strebte hinaus, ohne noch etwas zu sagen.

Sie blickte ihm hinterher, sah zu, wie er mit seinen langen Beinen immer mehr Abstand zwischen sie legte, bis er stehen blieb und sich umdrehte.

„Kommen Sie?“

Seine Stimme hallte durch die Betonhalle. Beth zog Tausende von Erwiderungen in Betracht, aber verwarf sie alle, während sie auf ihn zuging.

Als ihr Handy klingelte, packte er ihren Arm.

Sie zischte ihn an und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. „Was bilden Sie …“

„Still. Hier stimmt was nicht.“

„Aber …“

„Vorwärts. Jetzt.“

Ihr Blick folgte der Richtung, in die er nickte, dann riss sie die Augen auf.

Noch ehe sie die Feuertreppe erreichten, brach die Hölle los.

3. KAPITEL

Wie ein von Scheinwerfern hypnotisiertes Reh blieb Beth stehen.

Ein Fehler.

Schon stürmte eine Gruppe Reporter aus dem Treppenhaus und stürzte auf sie ein wie eine Flutwelle. Sie zückten Kameras, streckten ihnen Mikrofone entgegen, überschrien einander mit Fragen und drängelten und schubsten, um die beste Position zu ergattern.

„Wie halten Sie das Warten aus, Luke?“

„Haben Sie Ginos Anwalt für Ihre Verteidigung engagiert?“

„Ist es wahr, dass Sie wegen Insiderhandel angeklagt wurden?“

Die Stimmen umschwirrten sie, fieberhaft und eindringlich. Luke kämpfte sich durch das Meer von Körpern. Dabei bedeckte er sein Gesicht mit der Hand. Als er nach Beths Handgelenk griff, erwischte eine Kamera ihn an der Schulter. Er fluchte laut, drehte sich weg und rannte, ohne Beth aus seinem festen Griff zu entlassen.

Keuchend versuchte sie, mit ihm Schritt zu halten. Ihre flachen Schuhe hämmerten auf den Betonboden, während sie auf das Auto zurannten.

Luke spähte über die Schulter, bevor er seine Schlüssel auf das Auto richtete. Mit einem Klicken und einem Aufblitzen der Lichter öffnete sich das Schloss. „Steig ein!“

Sie hatte kaum die Tür geschlossen, als er den Motor anließ und losfuhr.

Das Auto schoss über eine Bremsschwelle. Luke riss das Lenkrad herum, und die Reifen quietschten. Der Geruch von verbranntem Gummi drang Beth in die Nase, als sie gegen Lukes Schulter geschleudert wurde.

„Fahr langsam!“ Entsetzt richtete sie sich wieder auf. „Willst du uns umbringen?“

„Ich versuche nur, unsere Verfolger loszuwerden und Fußgängern mit Todeswunsch auszuweichen.“

Abrupt scherte er wieder aus, vermied gerade so den Zusammenstoß mit einem Jugendlichen, der bei Rot über die Straße lief. Luke ignorierte den obszönen Kommentar und die Geste, die der Junge ihnen hinterherschickte, aber er nahm den Fuß ein wenig vom Gas.

Beth spähte durch die Heckscheibe. Ein verbeultes weißes Auto, das ihnen gefolgt war, wurde von der jetzt auf Rot stehenden Ampel aufgehalten. „Wir sind sie fast los.“

Luke ignorierte zwei weitere gelbe Ampeln, bis ihre Verfolger endlich im dichten Verkehr zurückblieben.

Erst da passte er sich dem vorgeschriebenen Tempolimit an, und Beth ließ endlich den Türgriff los.

„Bist du okay?“ Er blickte sie kurz an.

Ihr Herz raste, aber sie nickte ihm zu. Trotz der auf vollen Touren laufenden Klimaanlage stand ihr der Schweiß auf der Stirn. „Woher um Himmels willen wussten die, dass wir da waren?“

„Wir haben im Einkaufszentrum Aufmerksamkeit erregt. Mehr als einen Anruf braucht es da nicht.“ Er schaute in den Rückspiegel und wechselte die Spur.

„Großartig.“ Beth seufzte und strich sich eine Locke hinters Ohr. Langsam beruhigte sich ihr Herz. „Also, was machen wir jetzt?“

„Wir fahren zum Flughafen.“

„Wohin?“

„Übernimm mal das Steuer.“

Sie griff nach dem Steuer, während Luke sein Handy aufklappte. „Luke De Rossi hier. Ich brauche das Flugzeug bereit zum Abflug in gut dreißig Minuten.“ Er schwieg, dann bedankte er sich und legte auf.

„Wir fliegen?“ Sie überließ ihm wieder das Steuer.

„Ja.“

Ihre Kehle war plötzlich wie ausgedorrt. Sie presste die Augen zu, für einen Moment drückte die Verzweiflung sie nieder.

Es war zehn Jahre her. Zehn lange Jahre voller Triumphe und Errungenschaften. Sie hatte hart gearbeitet, hatte die Kontrolle behalten. Sie hatte Hürden überwunden, vor denen andere zurückgeschreckt wären. Sie lebte ihr Leben.

Zu fliegen machte Sinn. Es war der schnellste Weg, ihre Verfolger endgültig abzuhängen.

Aber ein Flugzeug

Für den Bruchteil einer Sekunde stürzten die schlimmen Erinnerungen a...

Autor

Paula Roe

Schon als kleines Mädchen konnte sich Paula Roe nicht entscheiden, was sie werden wollte: Lieber Tierärztin … oder doch Tänzerin, wie in dem Film Flashdance? Ähnlich bewegt sah dann auch ihre Karriere aus. Sie hat als Sekretärin, Software-Trainerin und Aerobic-Lehrerin gearbeitet. Außerdem machte sie eine Rucksack-Tour einmal quer durch Europa....

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Kat Cantrell
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Eileen Wilks

Eileen Wilks hat in neun Städten in drei Ländern gelebt. Aber den Großteil ihres Lebens verbrachte sie in Fantasiewelten in ihrem Kopf. Manchmal auch mit Menschen, die nur in ihrer Fantasie leben. Sie heiratete sehr jung und erlangte bereits vor ihrer Autorenkarriere verschiedene Berufsausbildungen nachdem sie viele Jahre als alleinerziehende...

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