Baccara Gold Band 32

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LIEBE – HEISS UND HIMMLISCH! von ROXANNE ST. CLAIRE
Sexy, denkt Jackson, als die grazile Schönheit aus dem Taxi steigt. Ein Geschenk des Himmels, dass sie im Ferienhaus bei Jackson übernachten wird! Heiß flammt das Verlangen auf … Bis Lily ihm am nächsten Tag erklärt, dass Jacksons Chef sie engagiert hat, um ihm stilvolles Benehmen beizubringen!

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  • Erscheinungstag 27.01.2023
  • Bandnummer 32
  • ISBN / Artikelnummer 0865230032
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Roxanne St. Claire, Michelle Celmer, Susan Crosby

BACCARA GOLD BAND 32

1. KAPITEL

„Ich will keine Preise gewinnen, Mann. Ich will kleine rote Sportflitzer an sexy junge Frauen verkaufen. Wo liegt das Problem?“ Bedächtig ging Jackson Locke die auf Hochglanz polierten Stufen der schmalen Holztreppe hinunter, den Blick fest auf seine nackten Füße gerichtet. Ihm fielen sofort verschiedene Slogans ein, aber er verwarf sie ebenso schnell.

„Was soll ich denn dem Kunden sagen?“, jammerte der Leiter der Kundenbetreuung am anderen Ende der Leitung. „Es ist Freitagabend acht Uhr, und er sitzt immer noch im Konferenzraum und weigert sich zu gehen, ehe er nicht mit dir oder Reggie Wilding selbst über diesen Werbespot gesprochen hat.“

„Vergiss Reggie. Er sollte bereits im Flieger hierher nach Nantucket sitzen“, erwiderte Jack. „Das heißt, falls bei diesem Unwetter überhaupt jemand fliegen kann.“

„Er ist um fünf gegangen, ist also ziemlich spät dran.“

„Kein Wunder.“ Reggie Wilding war für seine langen Arbeitszeiten bekannt. Morgens erschien er als Erster im Büro von Wild Marketing, und abends ging er normalerweise als Letzter.

„Hör zu“, fuhr Jack fort. „Sag dem Kunden, dass du mit dem Kreativdirektor Rücksprache genommen hast, und der sagt, dass der Schluss bleibt, dass die Blondine bleibt, dass der Hund bleibt, dass der Slogan bleibt, und glaub mir, die sexy Häschen …“ Er erstarrte, als in diesem Moment sein Blick in die Eingangshalle fiel. Leise pfiff er durch die Zähne. „… tauchen auf, wenn man sie am wenigsten erwartet.“

„Was?“ Der Mann am anderen Ende der Leitung klang irritiert. „Ist das nun doch ein neuer Slogan oder wie?“

„Nein. Du kriegst das schon hin. Ich muss los.“

Er klappte sein Handy zu und steckte es in die Tasche seiner Jeans, während er den Blick über die Rückseite einer vom Regen völlig durchnässten Frau gleiten ließ und einen nicht gerade kleinen Koffer. Die Frau bezahlte einen Taxifahrer, der genauso nass war, sie aber anstrahlte, als sei sie eine Art Meerjungfrau, die soeben dem Nantucket-Sund entstiegen war.

Es war nicht ungewöhnlich für Wild Marketing, den ein oder anderen Außenstehenden zu einem Kreativ-Wochenende in Reggies Ferienhaus auf Nantucket Island einzuladen. Doch normalerweise gab Reggie Jack vorher Bescheid, wenn jemand, der nicht zu ihrem kleinen, aber ideenreichen Team gehörte, teilnahm.

Und er hatte ihm ganz bestimmt nichts von diesem zusätzlichen Gast gesagt. Vielmehr hatte sich Reggie ungewöhnlich bedeckt gehalten, was den Ablauf des Wochenendes betraf.

War diese Frau der Grund dafür?

Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ging weiter die Treppe hinunter, jedoch so langsam, dass er die letzte Stufe erst erreichen würde, wenn die Frau sich umdrehte.

Ihr pechschwarzes Haar fiel ihr klitschnass über die gestrafften schmalen Schultern bis auf den Rücken. Das einstmals vermutlich hübsche wollweiße Kleid war durch das Regenwasser ganz grau geworden und klebte an ihrem schlanken und höchst kurvigen Körper. Durch den nassen, praktisch durchsichtigen Stoff konnte er genau erkennen, dass sie einen Tanga trug … oder auch nicht. Egal …

Ein greller Blitz erhellte das dunkle Wasser im Hafen von Nantucket, der durch die offene Haustür in der Ferne zu sehen war.

Was für eine Werbekampagne brüteten sie an diesem Wochenende eigentlich aus? Hatte Reggie nicht etwas von einer Firma für Sportbekleidung gesagt?

Oh, natürlich. Sie war ein Model. Und ihrer Figur nach sogar ein Model für Bademode.

Er widerstand der Versuchung, dankbar Richtung Himmel zu blicken. Manchmal meinten die Werbegötter es einfach zu gut mit ihm.

Als Jack die letzte Treppenstufe erreichte, schloss sie die Tür hinter dem Taxifahrer, drehte sich um und begegnete seinem Blick. Dabei war sie offensichtlich ebenso überrascht wie Jack.

Ja, sie war unbedingt ein Model. Und ein Geschenk der Götter mit ihren eleganten Wangenknochen, ihrer hellen zarten Haut und einem Mund, der wie geschaffen dafür war, in eine Kamera zu lächeln. Der Regen hatte ihr Augen-Make-up ein wenig verschmiert, was ihr etwas Mysteriöses gab. Jack ließ den Blick über ihr enthüllendes nasses Kleid gleiten und stellte sich bereits den Werbespot vor … Sie würde am Strand stehen, im knappen Bikini, der gerade eben ihre schönen festen Brüste bedeckte, ihre Augen dunkel vor Sehnsucht. Der Slogan: Bademode, die verführt.

Okay, vielleicht musste das Ganze ein wenig überarbeitet werden.

„Sind Sie hier, um sich um mein Gepäck zu kümmern?“, riss sie ihn unvermittelt aus seiner kreativen Träumerei.

„Nur, wenn ich es in mein Zimmer tragen darf.“

In ihren kobaltblauen Augen blitzte es auf, und für den Bruchteil einer Sekunde dachte er, sie würde zustimmen.

Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, offenbar ohne dabei den kleinsten Gedanken an ihr Aussehen zu verschwenden.

„Lassen Sie mich raten“, sagte sie mit ihrer tiefen, sinnlichen Stimme, und wenn man bedachte, wie durchnässt die schöne Fremde war, klang es verdammt zuversichtlich. „Sie …“ Sie zeigte mit dem Finger auf ihn. „Sie sind nicht die Haushälterin.“

Jack lachte und betrachtete erneut wohlwollend ihre Figur. Ja, unbedingt eine Bikinifigur. „Würden Sie mir den Pool-Boy abnehmen?“

Nach einem skeptischen Blick lächelte sie kaum merklich. „Sie machen Witze.“

„Meistens.“ Er verließ die letzte Treppenstufe und streckte die Hand aus. „Aber ich kann Mrs. Slattery, die die Haushälterin ist, bestechen, damit Sie Ihnen das Zimmer neben meinem gibt.“

Er hielt ihre kalte, regenfeuchte Hand absichtlich so lange fest, bis der nächste Donnerschlag vorbei war.

„Sind Sie sicher, dass Mrs. Slattery sich bestechen lässt?“ Sie sah sich um und ergänzte im Flüsterton: „Ich habe vom Flughafen aus angerufen, und sie kam mir etwas steif und neuenglandmäßig vor, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Er tat gekränkt. „Ich bin auch aus Neuengland und alles andere als steif.“ Ein Regentropfen rann über ihr Brustbein direkt in ihr Dekolleté. „Zumindest nicht immer.“

Sie trat einen Schritt zurück. „Sie machen schon wieder Witze.“

„Nein, keineswegs. Ich wurde nur dreißig Meilen von hier auf der anderen Seite des Sunds geboren.“ Er machte eine Handbewegung Richtung Haustür und Hafen. „Aufgewachsen dort drüben auf Cape Cod.“

Sie nickte. „Ah, jetzt erkenne ich Ihren Akzent.“

„Model und Sprachforscherin?“

Nun musste sie doch lachen. „Weder noch. Ich bin Lily Harper, und ich bin auf Einladung von Mr. Wilding hier.“

Als er sie erneut eingehend betrachtete, zuckte sie mit keiner Wimper, obwohl ihr Make-up verlaufen war und ihr das Haar am Kopf klebte wie ein Wischmopp. Wer war diese Frau? „Reggie hat nichts von einer Lily Harper gesagt.“

„Vielleicht macht Mr. Wilding ein Geheimnis aus mir.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das wäre nicht das erste Mal.“

Das erste Mal? „Sie sind bestimmt kein Model?“

„Sie sind bestimmt nicht der Pool-Boy?“

Lachend trat er näher, um noch intensiver wahrzunehmen, wie sie nach Regen duftete und nach irgendetwas Herb-Würzigem. „Also, was führt Sie zu diesem Brainstorming-Wochenende, Lily Harper? Kommen Sie von einem Institut für Marktforschung? Einem Verbraucherverband? Sind Sie eine mögliche Kundin?“

„Nein, nichts dergleichen. Und Sie?“

„Ich bin der Kreativdirektor von Wild Marketing. Ohne mich gibt es kein Brainstorming.“

„Aha.“ Sie begutachtete ihn eingehend und mit einem gewissen Wohlwollen, das ihm ganz anders werden ließ. „Sie sind also der berüchtigte Jackson Locke.“

Legendär wäre mir lieber.“

Sie lachte erneut, diesmal jedoch herzlich. Es klang unglaublich sexy. Ihre weißen Zähne schimmerten, und zwei entzückende Grübchen kamen zum Vorschein.

„Vielleicht wird es diesmal gar kein Brainstorming geben“, meinte sie und ließ dann unvermittelt den Blick über die hohe Decke der Eingangshalle schweifen, das elegant im Nantucket-Stil eingerichtete Wohnzimmer rechts von ihr und das Esszimmer auf der linken Seite des Foyers. „Ein schönes Haus, nicht wahr?“

„Natürlich wird es ein Brainstorming geben.“

Es war wirklich egal, warum sie eingeladen worden war. Was immer Reggie vorhatte, es würde sich schon noch zeigen. Bis dahin … konnte Jack spielen.

Er nahm Lilys Koffer und legte ihr besitzergreifend eine Hand auf den Rücken. „Warum sehen wir nicht nach, wo Sie untergebracht sind, damit wir Sie aus diesen Sachen herausbekommen?“

Abrupt blieb sie stehen und bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick.

„Und in trockene hinein“, ergänzte er.

„Sie sind ganz schön cool, Jackson Locke. Ich bezweifle, dass Sie meine Dienste wirklich brauchen.“

Er überlegte fieberhaft, was ihre Dienste sein könnten, und er kam auf … nichts, was Reggie an einem der Arbeit gewidmeten Wochenende stillschweigend dulden würde.

„Cool, hm?“ Er beugte sich vor, um ihr ins Ohr zu flüstern: „Natürlich kann ich auch heiß sein, wenn ich dadurch in den Genuss Ihrer Dienste komme.“

„Darauf würde ich wetten. Aber Mr. Wilding hat wahrscheinlich etwas anderes im Sinn.“

Reggie Wilding war der Boss, durch und durch konservativ und ein so treuer Freund, wie ihn sich ein Mann nur wünschen konnte. Reg musste einen verdammt guten Grund haben, die schlagfertige, fantastisch aussehende, verführerisch duftende Lily Harper einzuladen. Und Jack hatte nicht vor, die Motive seines Mentors anzuzweifeln.

In diesem Moment kam Dorothea Slattery aus der Küche gestürzt. „Miss Harper! Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen.“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen“, erwiderte Lily lächelnd. „Ich bin doch eben erst angekommen.“

Die Haushälterin, deren stahlgraue Augen perfekt zu ihrem grau melierten Haar passten, strahlte Jack an. „Oh vielen Dank, Mr. Jack, dass Sie sich um sie gekümmert haben. Ich fürchte, ich habe sehr schlechte Nachrichten für Sie.“

„Was gibt’s denn?“

Sie seufzte tief. „Mr. Wilding hat angerufen, weil der Flughafen von Nantucket inzwischen ganz geschlossen wurde. Dieses Unwetter soll noch schlimmer werden, und er wird nicht vor morgen hier sein.“

„Das ist aber schade“, sagte Lily.

„Das ist nicht so schlimm“, erwiderte Jack im selben Augenblick.

Sie wechselten einen kurzen Blick, doch die Haushälterin fuhr fort: „Es tut mir sehr leid, dass ich nicht bleiben kann, um Ihnen das Abendessen zu servieren. Am anderen Ende der Insel ist der Strom ausgefallen, und ich muss zu meinem kranken Vater, um dessen Generator in Gang zu setzen.“

„Natürlich.“ Lily streckte Mrs. Slattery die Hand hin. „Gehen Sie nur. Wir kommen schon zurecht.“

„Soll ich Sie hinfahren, Mrs. S.?“

„Vielen Dank, das ist nicht nötig, Mr. Jack. Es macht mir nichts aus, bei Regen zu fahren.“

„Sind die anderen Teilnehmer schon da?“, erkundigte sich Jack. „Ich kann mit dem Meeting ja anfangen, selbst wenn Reggie erst morgen kommen kann.“

Mrs. Slattery wirkte verunsichert. „An diesem Wochenende ist sonst niemand hier, Mr. Jack. Hat Mr. Wilding Ihnen das nicht gesagt?“

„Nein, hat er nicht.“

Lily dagegen schien überhaupt nicht überrascht, wie Jack feststellte.

„Ich habe verschiedene Sachen fürs Abendessen in der Küche bereitgestellt“, erklärte Mrs. Slattery. „Und auch Wein und Dessert und …“

„Gehen Sie ruhig, um sich um Ihren Vater zu kümmern“, unterbrach Lily sie. „Wir kommen zurecht.“

„Auf jeden Fall“, versicherte Jack. „Machen Sie sich keine Sorgen um uns. Sagen Sie mir nur, wohin ich diesen Koffer tragen soll.“

Mrs. Slattery zeigte nach oben. „Sie hat das Zimmer Ihrem Zimmer gegenüber, Mr. Jack.“

Am liebsten hätte er seine Lieblingshaushälterin geküsst. Sie hatte ihm eben bestätigt, was nie selbstverständlich für ihn war: Jackson Locke war ein Glückskind.

Er wusste es nicht.

Lily schloss die Tür des Gästezimmers, machte die Augen zu und lehnte sich dagegen. Jackson Locke hatte keine Ahnung, warum sie hier war. Sonst hätte er anders reagiert, als sie von ihren Diensten gesprochen hatte.

Offenbar setzte Reggie Wilding auf den Überraschungseffekt.

Sie dachte kurz daran, die Tür abzuschließen, doch das war verrückt. Jack war zwar ein ausgemachter Charmeur. Aber sie glaubte nicht, dass er mit seinen knapp eins neunzig an Charme und Sex-Appeal ungebeten in ihre Privatsphäre eindringen würde. Ganz zu schweigen von seinem zerzausten honigblonden Haar, das ihm fast bis zum Kinn reichte, und seinen faszinierenden grünen Augen.

Lily atmete tief ein.

Der Mann stellte jedes Quäntchen Selbstbewusstsein, das sie sich je erworben hatte, auf eine harte Probe. Es hatte sie wirklich einiges gekostet, sich selbstbewusst zu geben, wenn sie aussah wie eine gebadete Maus.

Aber das war nicht der Grund, warum sie sich fassen musste. War es möglich, dass Reggie Wilding es nicht für nötig gehalten hatte, den Mann, der seine rechte Hand und sein Kreativdirektor war, darüber zu informieren, dass die Werbeagentur verkauft werden sollte? Und dass der Käufer zur Unterschrift bereit war … sobald eine kleine Veränderung vorgenommen worden war?

Obwohl sie nicht begriff, wie man eine komplette Persönlichkeitsveränderung von Jackson Locke eine kleine Veränderung nennen konnte.

Er war ein Mann, der so wenig für eine persönliche und berufsbezogene Veränderung infrage kam, dass es geradezu lachhaft war, dass jemand das auch nur versuchen wollte. Trotzdem wollte Reggie Wilding genau das. Und mit dem Honorar, das er geboten hatte, konnte Lily drei Monate lang die Miete für ihr Büro bezahlen … und der Erfüllung ihrer Träume drei Monate näher kommen.

Kopfschüttelnd öffnete Lily ihren Koffer, während sie sich daran erinnerte, wie Reggie in ihr Büro gekommen war und ihr gesagt hatte, sie sei ihm von einer sehr glücklichen Kundin empfohlen worden.

Als er sie fragte, ob sie das Projekt auf Nantucket Island übernehmen wolle, hatte sie nicht einmal daran gedacht, Nein zu sagen. Obwohl die Verwandlung eines Top-Werbemanns in einen klassischen, biederen Angestellten ihre Fähigkeiten als Image-Coach auf eine harte Probe stellen würde. Bisher waren ihre Kunden eher junge Collegeabsolventen gewesen, die sich um einen bestimmten Job bewerben wollten, sowie einige ehrgeizige Angestellte aus der Verwaltung, die ins Management aufsteigen wollten.

Aber dieser Auftrag konnte „The Change Agency“ bekannt machen, und besser noch, er konnte Lily den Weg in die ersehnte Freiheit und Sicherheit ebnen.

Trotzdem … was konnte sie tun, um einen Mann wie Jackson Locke positiv zu verändern?

Okay, ein Haarschnitt. Obwohl sie sein dunkelblondes Haar mochte, das ihm ins Gesicht fiel, wenn er sich vorbeugte. Vielleicht eine gründlichere Rasur. Aber sein stoppeliges Kinn sah so … verführerisch aus.

Schuhe.

Ja. Sie konnten mit den Schuhen anfangen. Doch was Reggie vorschwebte … oje, das würde nie zum Pool-Boy passen.

Sie hatte also diesen Abend, um ihn kennenzulernen, um sich zu überlegen, wie sie Erfolg haben könnte. Um herauszufinden, was ihm wichtig war, und um ihn zu überzeugen, dass eine kleine persönliche Veränderung das Beste war, wenn er seine Ziele erreichen wollte. Sicher hatte er doch berufliche Ziele. Wer hatte die nicht?

Sie nahm ihr Handy aus ihrer Handtasche, um Reggie anzurufen, damit sie in Erfahrung brachte, was genau Jack wusste.

Kein Netz.

Natürlich nicht, bei diesem Unwetter. Na gut, bis Reggie hier auftauchte, würde sie sich eben in der Kunst üben, nichts Verräterisches zu sagen, und irgendwie mit Jack klarkommen müssen.

Als ob das so unangenehm wäre.

Unvermittelt wurde sie von einem heftigen erotischen Prickeln erfasst. Sie ignorierte es, nahm ihre Kosmetiktasche und ging ins Bad. Einen Blick in den Spiegel wagte sie allerdings nicht.

Doch egal, wie schrecklich sie auch aussah, Jack hatte sie sich … gut fühlen lassen. Wirklich gut. Mit einem erneuten wohligen Kribbeln zog sie sich aus und trat dann unter den heißen Wasserstrahl der Dusche. Das Gel duftete wunderbar nach Meer.

Plötzlich leuchtete ein greller Blitz auf, und der fast gleichzeitig folgende Donnerschlag ließ die Glastür der Duschkabine erbeben. Erschreckt wollte Lily das Wasser abstellen und aus der Duschkabine gehen, als das Licht zu flackern begann, und … im nächsten Moment war es stockfinster im Bad.

Mit klopfendem Herzen tastete sie nach den Wasserhähnen und drehte sie zu.

Sie konnte absolut nichts sehen, nur den Regen aufs Dach und gegen die Fenster prasseln hören. Sie blinzelte, doch ihre Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt.

Verdammt. Warum hatte sie kein Handtuch oder einen Bademantel bereitgelegt? Sie versuchte, sich an Einzelheiten des Badezimmers zu erinnern. Lagen Handtücher in dem Regal neben dem Waschbecken? In dem Schränkchen darunter?

Gerade, als sie die Schiebetür der Duschkabine zur Seite schob, hörte sie die Tür des Gästezimmers aufgehen.

„Lily? Alles okay?“

Jack.

„Ja, alles in Ordnung.“ Sie war nackt, nass und unfähig, etwas zu sehen, aber okay. Und sie hatte die Badtür offen gelassen. Nicht, dass er sie hätte sehen können, aber trotzdem …

„Der Strom ist ausgefallen.“

„Das habe ich mir schon gedacht.“ Von der Dusche aus tastete sie nach einem Regal. Ihre Hand glitt über den Wasserkasten der Toilette.

„Ich wollte mich vergewissern, dass Ihnen nichts passiert ist. Der Blitz hat in unmittelbarer Nähe eingeschlagen.“

„Ich bin … in der Dusche. Und mir geht’s gut.“ Sie ertastete etwas Hartes, Rundes, doch es fiel mit einem Klirren, das nach zerspringendem Glas klang, zu Boden. Lily fluchte leise.

„Was war das denn?“ Jacks Stimme klang lauter. Er war im Schlafzimmer.

„Ich habe etwas umgeworfen. Wahrscheinlich ist der Fußboden von Scherben übersät.“

„Bleiben Sie, wo Sie sind, sonst schneiden Sie sich noch. Ich hole eine Taschenlampe.“

Frustriert seufzte sie auf. Sie fühlte sich plötzlich ungewohnt hilflos. „Seien auch Sie vorsichtig. Sind Sie immer noch barfuß?“

War das ein Donnern oder lachte Jack? „Ihnen entgeht nichts, oder?“

Nein. Und dafür wurde sie bezahlt. „Beeilen Sie sich, Jack. Mir wird langsam kalt.“ Sie machte die Tür der Duschkabine wieder zu.

„Sekunde. Ich habe eine Idee.“ Im nächsten Moment hörte Lily ein gedämpftes Aufschlagen auf dem Fliesenboden. „Okay, Sweetheart. Es ist jetzt sicher, herauszukommen.“

Sie fuhr zurück, weil Jack direkt vor der Dusche stand. „Sicher?“

„Ich habe eine kleine Brücke aus dem Schlafzimmer auf den Fußboden gelegt. Und darauf ist kein Glas.“

„Das war ein guter Einfall.“

„Schließlich bin ich Kreativdirektor, schon vergessen? Fantasie ist meine … zweitbeste Eigenschaft.“

Sie lachte. „Und Ihre beste ist Bescheidenheit?“

„Die drittbeste.“

Immer noch lächelnd, schüttelte sie den Kopf. „Gehen Sie jetzt weg, damit ich hier raus kann und mir ein Handtuch suchen kann.“

„Ich soll weggehen?“ Das klang geradezu gekränkt.

„Ja, bitte. Ich habe nichts an.“

„Also auch keine Schuhe. Ich werde Sie ins Schlafzimmer führen, damit Sie nicht versehentlich neben den Teppich treten und in die Scherben. Ich kann zwar auch nichts sehen, weiß aber, wie groß dieser Teppich ist und wo ich ihn hingelegt habe.“

„Mit anderen Worten, das ist kein fauler Trick von Ihnen, um mich nackt zu sehen.“

„Der kommt später.“

Lily verspürte ein erregendes Prickeln. Sie legte die Hand auf den Knauf der Kabinentür. „Ich würde Sie ja bitten, die Augen zu schließen, aber …“

„Sie wissen genau, dass ich das nicht tun werde.“

Langsam schob sie die Glastür auf. Es war immer noch stockfinster, und Lily konnte absolut nichts sehen. „Okay. Wo sind Sie?“

„Hier.“ Er ergriff ihre Hand. Konnte er sie etwa sehen?

Lily raubte es den Atem, als sie die Wärme spürte, die er ausstrahlte. Gleichzeitig nahm sie einen herben, männlichen Duft wahr, der irgendwie perfekt zu dem Meeresduft des Duschgels passte.

Ein einziger Schritt, und sie könnte ihren nackten Körper an diese breite Männerbrust schmiegen. Könnte ihre vom Duschen noch feuchten Finger durch sein blondes Haar gleiten lassen. Eine Welle heißen Begehrens durchflutete sie und schien sich in ihren Brustspitzen zu sammeln. Während sie sich vorstellte, dass er sie sehen und berühren könnte … Lilys Herz schlug schneller.

„Steigen Sie heraus, Sweetheart.“ Er zog sanft an ihrer Hand. „Es sei denn, Sie wollen, dass ich zu Ihnen unter die Dusche komme.“

„Sie sind grundverdorben, Jack Locke.“

„Ich bin vielmehr sehr, sehr …“ In diesem Moment blitzte es. Sekundenlang war es so hell, dass Lily leise aufschrie. In diesem ihr endlos erscheinenden Augenblick, in dem sie hell erleuchtet dastanden, konnte Lily nur sehen, wie Jack die Augen aufriss. Der Blick, den er über ihren Körper gleiten ließ, war genauso intensiv wie das Licht des Blitzes. Jack umfasste ihre Hand fester.

Und dann war es wieder stockfinster.

Während draußen lauter Donner ertönte, wartete sie auf eine freche Bemerkung. Einen Scherz, den Jack ständig parat zu haben schien.

Aber er holte nur tief Luft, als müsse er sich fassen.

„Lily“, flüsterte er, als der Donner verhallt war. „Du bist bildschön.“

Nichts hätte sie stärker aufwühlen können. Und es hatte nichts damit zu tun, dass er sie unversehens duzte.

Ihr Herz begann wie wild zu klopfen, und sie atmete tief durch, um sich zusammenzureißen. Dann trat sie auf die improvisierte Sicherheitsmatte.

„Bleib stehen“, wies er sie an, „sonst trittst du womöglich doch noch in Scherben. Ich sehe im Schränkchen unter dem Waschbecken nach einem Handtuch.“

Als hätte sie eine Wahl gehabt.

„Bitte sehr“, sagte er nach einem Moment.

Sie griff nach dem Handtuch, doch ihre Hände landeten auf seiner Brust, als er das Badelaken um sie schlang und dabei die Arme um sie legte.

Vor ihrer Brust hielt er die Handtuchenden zusammen und zog Lily mitsamt dem Stoff näher an sich.

Lily konnte jetzt die Konturen seines Gesichts ausmachen, seinen Mund, sein Haar, das in sanften Wellen sein Gesicht umrahmte.

Er suchte ihren Blick und zog noch einmal an dem Handtuch.

Als er leicht den Mund öffnete, glaubte Lily, ihr wild pochendes Herz würde gleich zerspringen.

„Weißt du nicht, dass es gefährlich ist, während eines Gewitters zu duschen?“, fragte er mit herausfordernd dunkler Stimme. „Du hättest einen elektrischen Schlag bekommen können.“

Der hätte sie kaum mehr beeindruckt als seine Worte, seine Berührung und seine Nähe, die sie in seinen Bann zogen. „Ich bin ein Risiko eingegangen, stimmt.“

„Riskierst du gern etwas, Lily?“ Die Frage klang derart doppeldeutig, dass Lily fast in Gelächter ausgebrochen wäre.

„Nein, ich habe lieber alles unter Kontrolle.“ Genau. Warum stand sie dann da und ließ ihn die Situation im wahrsten Sinne des Wortes im Griff halten? Er brauchte nur die Zipfel loszulassen, und Lily würde splitternackt dem Blick seiner seegrünen Augen ausgesetzt sein.

Bei dieser Vorstellung wurde ihr wieder heiß vor Sehnsucht, und ihre Knie schienen nachgeben zu wollen. Sie hob Jack das Gesicht entgegen, verzehrte sich danach, seine Lippen auf ihren zu spüren.

Doch er drückte ihr lediglich die Enden des Tuchs in die Hand. Sich zu bedecken war nun ihr Job, nicht mehr seiner.

„Bitte sehr. Jetzt hast du wieder die Kontrolle.“

Nicht unbedingt.

„Eine Sekunde lang habe ich geglaubt, du würdest mich küssen.“

Leise lachend verschwand er in der Dunkelheit, obwohl er sich kaum zwei Schritte entfernte. „Jetzt kennst du also meine Geheimwaffe. Ich tue nie, was man von mir erwartet.“

Und genau deshalb würde es eine Riesenherausforderung sein, Jack Locke zu verändern.

Das und die Tatsache, dass sie, wenn er ihr nicht die Kontrolle zurückgegeben, sondern sich vorgebeugt und sie geküsst hätte, nichts unternommen hätte, um ihn aufzuhalten.

2. KAPITEL

Jack brauchte etwa sechs Minuten, um neben der Spüle in der Küche eine Taschenlampe zu finden. Würde die Zeit für Lily reichen, um im Dunkeln etwas zum Anziehen aus ihrem Koffer zu ziehen?

Er hoffte inständig, dass dem nicht so war.

Im Schein der Taschenlampe eilte er die schmale gewundene Treppe nach oben. Als es erneut heftig blitzte, blieb Jack wie angewurzelt stehen. Beim nachfolgenden Donner fiel ihm sofort wieder ein, welchen Anblick ihm der letzte grelle Blitz im Badezimmer beschert hatte.

Er war nie um eine passende Bemerkung verlegen. Schließlich war es seine persönliche Stärke, mit Worten umzugehen. Und er benutzte sie, um zu überreden, zu beeindrucken, einzuschüchtern und zu amüsieren. Aber der Anblick dieser Frau – nackt, nass, übergossen vom urtümlichsten Licht der Natur – hatte ihn sprachlos gemacht.

Sie in einem durchnässten Leinenkleid zu sehen, war eine Sache. Aber ihre festen runden Brüste, über deren rosige Knospen Wassertropfen rannen, direkt vor seiner Nase – fast hätte sie ihn in die Knie gezwungen. Es war gerade lange genug hell gewesen, um die Tröpfchen über ihren Bauch fließen und in den Löckchen zwischen ihren Beinen verschwinden zu sehen.

Wenn ihm kein Witz und keine passende Bemerkung einfielen, dann sagte Jack einfach die Wahrheit. Und genau das hatte er vorhin im Bad getan. Lily war bildschön.

Leise aufstöhnend erreichte er das Ende der Treppe und richtete seine Jeans, um seine Erregung zu verbergen, die ihn lange vor der unerwarteten Peepshow erfasst hatte. Lily hatte sein Blut in dem Moment in Wallung gebracht, als er sie triefend im Foyer hatte stehen sehen.

Wenn er es recht bedachte, er hatte sie eigentlich noch nie … trocken gesehen.

„Bist du das?“, rief sie aus dem Gästezimmer.

„Ja, der Pool-Boy, der deinetwegen mit seiner Taschenlampe um die Wette brennt.“

Lachend trat sie in den Lichtkegel im Flur.

Sechs Minuten hatten ihr gereicht, um eine dunkle, ihre Hüften betonende Jogginghose in ihrem Koffer zu finden, ein pinkfarbenes T-Shirt, das nur knapp ihren Bauch bedeckte, und ein Paar Flip-Flops.

„Du bist nicht noch einmal ins Bad gegangen, oder?“

Sie schüttelte den Kopf. „Sobald es wieder Strom gibt, mache ich mich ans Aufräumen. Bis dahin bleibe ich von den Scherben weg. Es muss eine Schale mit getrockneten Blüten gewesen sein oder …“ Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. „… eine Kerze, die wir gut gebrauchen könnten.“

Er hielt die Taschenlampe etwas höher, um Lily besser sehen zu können. „Ich kenne dich zwar erst seit etwa einer Stunde, aber ist dir bewusst, dass ich dich bisher nur pudelnass gesehen habe?“

„Das Schicksal eines Pool-Boys. Hast du nur eine Taschenlampe gefunden?“

Jack nickte. „Aber bestimmt gibt es unten ein paar Kerzen. Und wir könnten bald wieder Strom haben, falls die Stromgötter uns heute Nacht wohlgesinnt sind.“

Falls sie ihnen nicht wirklich wohlgesinnt waren und sie beide die ganze Nacht im Dunkeln allein ließen.

„Die Stromgötter?“ Sie zog die Brauen hoch. „Hast du irgendeinen Einfluss auf die Dinnergötter? Ich bin nämlich am Verhungern.“

„Keine Sorge. Dorothea Slattery würde eher ihre Seele verkaufen, als mich hungern zu lassen.“ Er ergriff ihre Hand und richtete den Lichtstrahl auf die Treppe. „Bleib dicht bei mir. Diese enge Treppe kann gefährlich sein.“

„Geh voran, denn du scheinst dich ja gut hier auszukennen. Ich nehme an, du bist regelmäßig hier Gast?“

Er hielt den Blick auf den Lichtkegel gerichtet, der ihnen den Weg wies, und genoss es, ihre weiche, schlanke Hand in seiner viel größeren zu spüren. „Oh ja. Ich komme oft zum reinen Vergnügen her und dann natürlich zu diesen speziellen Wochenenden.“

„Was für spezielle Wochenenden?“

„Zum Brainstorming. Das machen wir zwei- oder dreimal im Jahr. Wir laden verschiedene brillante Leute ein und konzentrieren uns ganz auf das ein oder andere Kundenproblem. Deshalb bist du doch hier, oder nicht?“

Ein kleines, geheimnisvolles Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ja, so könnte man es nennen.“

Jack blieb stehen. „Wie würdest du es denn nennen?“

„Reggie hat mich einfach gebeten, nach Nantucket zu kommen und …“ Sie hob eine Schulter, als sei ihr das alles gleichgültig. „… und sein Management-Team kennenzulernen.“

Seine Gedanken überschlugen sich. „Und dann hat er nur uns beide eingeladen?“

„Sieht so aus.“

In diesem Moment, genau wie wenn er sich mit einem kreativen Puzzle abgemüht und endlich die Lösung gefunden hatte, passte alles zusammen und ergab ein Bild.

Der Grund für Lilys Anwesenheit war plötzlich derart klar, dass er es nicht fassen konnte, nicht früher darauf gekommen zu sein.

Vielleicht macht Mr. Wilding ein Geheimnis aus mir.

An diesem Wochenende ist sonst niemand hier.

Sie sind also der berüchtigte Jackson Locke.

Wie hatte er all diese Hinweise überhören können? Reggie hatte sich nicht klar zur Tagesordnung geäußert, aber darauf bestanden, dass Jack an diesem Wochenende herkam. Und dann war er selbst wegen des Wetters verhindert. Und Mrs. S. musste weg und ließ sie allein, ohne sein Angebot anzunehmen, sie zu fahren – etwas, was er schon sehr oft getan hatte.

Ja, das war eine Verkupplung wie aus dem Bilderbuch. Reggie und Samantha Wilding wünschten sich nichts sehnlicher für Jack, als dass er eine Frau fand und glücklich mit ihr im Hafen der Ehe landete, wie sie selbst vor Jahrzehnten.

Und etwas an Lily Harpers vagen Antworten sagte ihm, dass sie mit von der Partie war.

Aber wie lange würde es dauern, bis sie die Wahrheit eingestand? Sanft zog er sie Richtung Treppe.

„Woher kennst du Reg?“, fragte er so beiläufig, wie sie vorhin ihn gefragt hatte. „Oder bist du mit Sam befreundet?“

„Sam?“

Sie kannte Samantha Wilding nicht? „Reggies Frau.“

„Ich bin ihr nie begegnet.“ Das klang durch und durch ehrlich.

Reggie hatte also dieses Prachtweib selbst ausgewählt? Wow. Jacks Hochachtung vor seinem älteren Freund, die ohnehin schon riesengroß war, stieg ins Gigantische.

„Sie ist ein Schatz“, erklärte er Lily, als sie den Fuß der Treppe erreichten. „Sie hätte ein Dutzend Kinder bekommen sollen, hat jedoch keine. Wohl deshalb behandelt sie mich wie ihren eigenen Sohn. So, jetzt gehen wir nach hinten in die Küche.“

Auf ihrem Weg in den hinteren Teil des geräumigen Hauses war es immer noch gespenstisch finster, doch es blitzte immer seltener, und auch der heftige Regen hatte nachgelassen.

„Wenn du also keine Freundin von Sam und nicht geschäftlich hier bist, woher kennst du dann Reggie?“

„Eine Kundenempfehlung.“

Aber er kannte jeden Kunden von Wild Marketing. „Von wem denn?“

„Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, wer mich empfohlen hat.“

Na schön, sie war also mit von der Partie bei dieser Verkupplung und spielte die Ahnungslose. Dennoch hatte sie ihre Sachen gepackt, ein Flugzeug bestiegen, dem Wetter getrotzt und hatte sich darauf eingelassen, ihn kennenzulernen. War sie auf der Suche nach Mr. Right? Pech für sie, falls sie es war.

Wenn sie jedoch auf eine kleine Affäre an einem verregneten Wochenende aus war, dann hatte sie den richtigen Mann gefunden.

Er betrachtete sie im Schein der Lampe und merkte, dass die Batterie immer schwächer wurde.

In Kürze würde es wieder dunkel sein. Aber was machte das schon? Es gab nichts Geschäftliches, worum er sich sorgen musste, kein Brainstorming, das sie ablenken würde, nur dieses arrangierte Blind Date. Es stand ihm also frei zu flirten, herumzualbern und so weit zu gehen, wie sie es ihm gestatten würde.

Die Götter meinten es derart gut mit ihm, dass er hätte heulen können.

„Aha, hier ist der Wein, den Mrs. S. erwähnt hat.“ Er richtete den schwächer gewordenen Lichtstrahl auf eine Flasche ausgezeichneten Château de La Tour, zwei funkelnde Kristallgläser und einen bereitgelegten Korkenzieher. „Ich bin mir nicht sicher, aber das sieht nach einem guten Tropfen aus.“

Lily warf einen Blick auf das Flaschenetikett. „Das kann man wohl sagen.“

„Reggie will offenbar, dass wir uns besonders, äh, wohlfühlen.“

„Ich weiß nicht recht. Ich glaube eher, Mrs. Slattery ist heimlich in dich verliebt und hat den besten Wein, den sie finden konnte, aus dem Weinkeller geholt.“

„Meinst du?“

Lily lachte und sah sich in der Küche um. „Sie wäre dir fast um den Hals gefallen, als du ihr angeboten hast, sie zum Haus ihres Vaters zu fahren.“

Genau. Und dann musste sie praktischerweise weg. Jack stellte die Taschenlampe auf den Küchentresen, sodass sie die Decke anstrahlte und es dadurch heller war.

„Keine Bange. Sie ist nicht mein Typ.“

„Ich bin nicht bange.“

Er machte sich daran, die Weinflasche zu entkorken. „Kannst du genug sehen, um das Essen zu finden, das sie für uns vorbereitet hat?“

„Vielleicht.“ Sie ging zum Kühlschrank und öffnete die Tür. Doch da der Innenraum natürlich nicht beleuchtet war, machte sie sie wieder zu. „Ich brauche die Lampe. Ich möchte die Tür nicht lange offen lassen, damit die Kälte nicht entweicht. Wir wissen ja nicht, wie lange wir keinen Strom haben.“

Mit einem Plopp kam der Korken aus der Flasche. „Lass uns erst den Wein probieren, danach suchen wir das Essen.“ Sicher würde ein Schluck La Tour helfen, die Wahrheit aus Lily herauszubekommen. Sie würde eingestehen, Reggies Nichte zu sein oder eine Nachbarin oder die Tochter eines Bekannten aus dem Country Club, die für ein romantisches Wochenende hergeschickt worden war.

„Ich trinke einen Schluck“, sagte sie und nahm die Lampe vom Tresen. „Aber zum Essen.“

Diese Lady hatte gern das Sagen, zweifellos. „Wie du willst.“ Ohne viel zu sehen, schenkte er zwei Gläser ein.

Sie leuchtete in den Kühlschrank. „Oh, ein herrlicher Tomaten-Mozzarella-Salat.“

„Mrs. S. ist ein Genie.“

„Und ein Shrimp-Cocktail.“

„Ihre Spezialität.“

Sie nahm die Taschenlampe zwischen die Zähne, damit sie ein Tablett aus dem Kühlschrank nehmen konnte. Gleich darauf entdeckte sie auch noch einen Nudelsalat.

Jack, der ihr die Lampe abgenommen hatte und hinter sie getreten war, um ihr bei ihrer weiteren Suche im Kühlschrank zu leuchten, war hingerissen von ihrem süßen kleinen Po. Ihr T-Shirt war hochgerutscht und entblößte zarte, weiche Haut und eine entzückende Stelle am Ende ihrer Wirbelsäule. Ihm wurde der Mund trocken bei dem verführerischen Anblick, den sie ihm unwissentlich bot.

Dann richtete sie sich auf und wandte sich zu ihm um. Es raubte ihm den Atem, wie hübsch sie im schwachen Licht der Taschenlampe aussah. Ihr langes dunkles Haar umspielte in feuchten Locken ihr Gesicht, das ohne jedes Make-up war.

Bildschön. Natürlich. Selbstbewusst.

Woher wusste Reggie so genau, was ihm, Jack, an einer Frau gefiel? Und wieso hatte sein Boss nicht die kleinste Andeutung gemacht? Er hatte wohl geahnt, dass der glückliche Single Jack eine hochkreative Ausrede gefunden hätte, um wegzubleiben.

Manchmal kannte Reggie ihn wirklich besser als er sich selbst.

Er trat beiseite, um Lily in der immer dunkler werdenden Küche nach Tellern, Besteck und Servietten suchen zu lassen.

„Die Batterie der Taschenlampe ist gleich leer“, bemerkte er, während er selbst ein paar Schubläden durchsuchte. „Und ich kann weder Kerzen noch Streichhölzer finden.“

„Okay. Wir können schnell essen. Ich decke eben auf.“ Damit legte sie zwei Platzsets auf den Tresen aus Granit, der die Kochinsel umgab.

„Brauchen wir wirklich Sets?“, fragte er ungläubig. „Ich meine, das Ganze ist doch wohl eine Notsituation, findest du nicht?“

„Ich esse nie, ohne richtig gedeckt zu haben.“ Sie warf ihm einen kühlen Blick zu.

Vornehm geht die Welt zugrunde. „Ich glaube nicht, dass das von Bedeutung ist, wenn die Lampe gleich ausgeht. Aber wie du willst. Und hier.“ Er drückte ihr ein Weinglas in die Hand. „Du hast noch keinen Schluck getrunken. Lass uns anstoßen.“

Lächelnd hielt sie ihm ihr Glas entgegen. „Danke. Auf …“

„Gewitter.“

„Und die Macht der elektrischen Energie.“

Er hielt inne. „Macht? Ja, ich wette, die willst du in einer Beziehung haben.“

Sie sah ihn über den Rand ihres Glases hinweg an. „Ich habe eher die Macht gemeint, die die Elektrik über uns hat.“

„Oh, Sweetheart, zur Not haben wir doch selbst genug elektrische Energie.“ Er stieß mit ihr an und wartete, bis das Glas fast ihre Lippen berührte, ehe er sagte: „Du kannst jetzt mit der Charade aufhören, Lily. Wir wissen beide genau, warum du hier bist.“

Sie verschluckte sich, ohne auch nur genippt zu haben. „Wirklich?“

Er trank von seinem Wein, wie hypnotisiert von ihrer fassungslosen Miene. Dann stellte er sein Glas auf den Tresen und ihres daneben. „Und möchtest du wissen, was ich davon halte?“

Sie schluckte. „Ich kann mir vorstellen, was du davon hältst.“

Da legte er ihr die Hände auf die Schultern und rieb sanft mit den Daumen über ihr dünnes T-Shirt. „Ich weiß nicht, warum du nicht von Anfang an ehrlich mit mir warst.“

Sie sah ihn mit ihren tiefblauen Augen skeptisch an. „Ich glaube, Reggie möchte dir selbst die Wahrheit sagen, Jack. Er war sich nicht sicher, ob dir die Idee gefallen würde.“

Während sie sprach, schob er seine Finger in ihr immer noch feuchtes Haar im Nacken und beobachtete fasziniert, wie Lily ihn ansah, als er sie langsam an sich zog.

„Die Idee gefällt mir, weil du mir gefällst.“ Er kam ihrem Gesicht immer näher. „Morgen früh, wenn wir zusammen aufwachen, nachdem wir ein paar Stunden unglaublichen Sex miteinander gehabt haben, sollten wir Reggie anrufen und ihm sagen, wie genial er ist.“

Ehe sie sich fassen konnte, senkte er den Mund auf ihre Lippen und schloss die Augen, um den süßesten Geschmack, den er je genossen hatte, in vollen Zügen zu genießen.

Als er die Augen wieder öffnete, war die Taschenlampe erloschen.

Die Zeit schien stehen zu bleiben. Ihr Herz beinah auch.

Aber nichts – und niemand – stoppte diesen Kuss.

Weil Lily zu weit vom Tresen entfernt war, um sich Halt suchend dagegenzulehnen, schlang sie Jack die Arme um die Schultern und hielt sich an ihm fest.

Sie fühlte sich seltsam benommen, ihre Beine zitterten, und glühende Hitze breitete sich langsam in ihr aus.

Er durchwühlte ihr Haar mit den Fingern, bog ihren Kopf weiter zurück und eroberte ihren Mund mit einem zweiten atemberaubenden Kuss.

Instinktiv stellte sie sich auf die Zehenspitzen und schmiegte sich seufzend an ihn. Dabei entging ihr nicht, wie erregt er war. Wild und ungestüm erkundete er ihren Mund, während er sich leise stöhnend an sie drängte.

„Lily.“ Es war kaum mehr als ein Flüstern. Suchend ließ er die Hände über ihren Rücken gleiten, bis er ihre bloße Taille berührte.

Endlich öffnete sie die Augen. Es war stockfinster.

„Oje“, murmelte sie, unfähig, sich von ihm zu lösen, weil der enge Körperkontakt so wundervoll, so berauschend sinnlich war. „Unsere Batterie ist alle.“

Er bewegte die Hände etwas tiefer bis auf ihren Po und drückte sie dabei noch ein wenig näher an sich. „Aber wir haben doch unsere eigene Energie, Sweetheart.“ Federleicht küsste er ihre Wange und ihr Ohr. „Wir brauchen keine blöde Taschenlampe.“

Unweigerlich musste sie lachen. „Wie kannst du in so einer Situation Witze machen?“, beschwerte sie sich leise. „Um uns herum ist es völlig dunkel. Wir sind den Elementen ausgeliefert und können uns höchstens mit Herumtasten orientieren.“

„Genau.“ Genussvoll streichelte er ihre Taille und hielt nur wenige Zentimeter neben ihren Brüsten inne. „Und es fühlt sich gut an.“ Ohne zu zögern, führte er sie zu der Küchentheke und bereitete Lily weitere süße Qualen, indem er sich dicht an sie schmiegte.

„Jack …“ Sie lehnte den Kopf zurück, damit er ihren Hals küssen konnte. Mit jeder aufreizenden Berührung seiner Lippen, seiner Zunge und seiner Hüften fiel es ihr schwerer, ihn zu bremsen. „Es ist vielleicht keine besonders gute Idee …“

„Ich hab dir doch gesagt, Baby, es ist eine großartige Idee.“

Bewusst kostete sie aus, wie er eine Spur heißer Küsse über ihre Kehle abwärts und über ihr T-Shirt zog. Durch den dünnen Stoff spürte sie seine warmen Lippen, und ihre Brüste schienen zu prickeln. Sie sehnte sich danach, dass er sie endlich berührte.

Dennoch zwang sie sich, ihren Verstand zu gebrauchen. Sie meinten nicht dieselbe Idee, oder? Er redete nicht von ihrem Auftrag, ihn … in den konservativen Chef einer Werbeagentur zu verwandeln, oder doch?

Irritiert legte sie ihm die Hände auf die Brust und schob ihn von sich. Es war immer noch so dunkel, dass Lily ihn kaum erkennen konnte. „Jack, hör mir zu.“

Er seufzte enttäuscht und löste sich ein wenig von ihr.

„Weißt du wirklich, warum Reggie mich hergeschickt hat?“

Er lachte leise. „Wie lange hast du geglaubt, würde ich brauchen, um das herauszufinden, Lily? Es ist niemand sonst hier, es stehen keine Kreativprobleme eines Werbespots auf der Tagesordnung. Himmel, es gibt gar keine Tagesordnung. Nur dich.“ Wieder strich er verlangend über ihren Körper. „Und mich.“ Wie zufällig streifte er seitlich ihre Brüste und regte damit augenblicklich ihre Fantasie an.

„Und du findest die Idee nicht schrecklich? Ich meine, Reggie war sich nicht sicher, ob du einverstanden wärst, und nachdem ich dich jetzt kennengelernt habe, verstehe ich, warum er annahm, du wärst … schwer zu überzeugen.“

Das Vibrieren seines Lachens übertrug sich auf sie. „Du solltest mehr Selbstvertrauen haben, Sweetheart. Ich finde dich fantastisch.“

„Aber … was ist mit dem ganzen Konzept – dich zu verändern? Du bist damit einverstanden?“

Er versteifte sich ein wenig, und Lily erkannte, dass es kein leichtes Unterfangen werden würde. Dann entspannte er sich wieder und drängte sich ihr sanft entgegen.

„Lass uns morgen über all das nachdenken, okay? Wir haben reichlich Zeit, um über … die Zukunft zu reden. Ich bin mehr an heute Nacht interessiert. Daran.“ Er rieb sich aufreizend an ihr, erregt, wie er war, und Lily verspürte in sich ein süßes Ziehen. „Am Hier und Jetzt.“

Ihre Augen hatten sich inzwischen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass sie ihm forschend ins Gesicht sehen konnte. Meinte er es ernst? War ihm ihr Auftrag wirklich egal?

Im nächsten Moment küsste er sie so voller Hingabe, dass sie jeden vernünftigen Gedanken beiseiteschob und nicht anders konnte, als den Kuss zu erwidern.

„Die Natur spielt mit uns, Lily“, flüsterte er. „Erst hat sie das Licht ausgedreht.“ Träge umrundete er mit den Händen ihre Brüste, ehe er sie auf die empfindsamen Brustspitzen legte. „Dann gab sie uns den Regen als Musik.“

Zärtlich reizte er sie mit den Fingerspitzen und steigerte damit ihr Verlangen. „Und alles, was wir zu tun brauchen …“ Wieder rieb er sich an ihr, langsam, hart und drängend. „… ist, im Dunkeln zu tanzen.“

Sie erschauerte. Das war Verführung pur … und die Wirkung war schwindelerregend. So schnell und zielsicher wie ein Blitz hatte Jack ihre grauen Zellen ausgeschaltet, ihren Verstand sich verflüchtigen lassen und ihr jede Fähigkeit geraubt, über die nächsten paar Stunden hinaus zu denken.

„Gefällt dir das, Lily?“, fragte er und schob eine Hand unter ihr T-Shirt. „Gefällt es dir, wenn ich dich berühre?“

Sie brachte nur ein bedauernswertes Seufzen zustande, weil er mit einem Finger am Gummiband ihrer Yogahose entlangfuhr und die Hand schließlich besitzergreifend auf ihren Po legte.

„Möchtest du im Dunkeln mit mir tanzen, Lily?“ Seine Stimme klang so sicher und so sexy, dass Lily einfach nur wohlig erbebte. „Ich verspreche dir, dass es dir gefallen wird.“

„So hatte ich mir … den ersten Abend nicht vorgestellt.“ Ihr Einwand hörte sich genauso schwach an, wie ihre Knie sich anfühlten.

„Manchmal, wenn die Chemie stimmt, geht es eben schnell.“ Federleicht strich er über eine ihrer Knospen. „Oder langsam.“ Er streichelte ihre Brust. „Heute Nacht hast du die Wahl.“

Morgen würde ihr geschäftlicher Auftrag wieder im Vordergrund stehen. Aber …

„Heute Nacht“, murmelte sie gegen seinen Mund, als Jack sie küsste, und sie spürte, wie er lächelte.

„Jetzt“, ergänzte er, hob sie unversehens hoch und wirbelte sie in einem Halbkreis herum. „Welche Tanzfläche soll es sein, Baby?“ Er küsste sie sanft und verführerisch. „Hier in der Küche? Drüben im Wohnzimmer? Auf dem Billardtisch? Im Fitnessraum?“

Sie wäre fast in Ohnmacht gefallen. „Ich nehme an, ein Schlafzimmer ist für einen Typen wie dich viel zu konventionell.“

„Ich bin durchaus für konventionell. Bei besonderen Gelegenheiten. Im Flügel hinter der Küche gibt es ein Gästezimmer.“ Er legte die Arme fester um sie. „Ich habe dort schon übernachtet. Wir finden den Weg im Dunkeln. Das wird ein Abenteuer.“

„Der Begriff Blind Date bekommt eine völlig neue Bedeutung.“

Diese trockene Bemerkung brachte ihr herzliches Gelächter und eine innige Umarmung ein. „Ich begreife, warum Reggie der Meinung ist, dass wir gut zusammenarbeiten können.“

Erleichtert seufzte sie – und dankbar, weil er offenbar verstand, dass ihre Rolle als Coach nichts mit ihrer Rolle als seine Geliebte zu tun hatte.

Und sie würden morgen darüber reden. Jetzt schlang sie ihm einfach einen Arm um die Taille, schmiegte sich an seinen faszinierenden Körper und passte sich seinen Schritten in die unausweichliche Liebesnacht an.

Als sie am Ende eines Korridors anlangten, blieb Jack stehen und tastete mit einer Hand die Wand entlang. „Ah. Wir sind da.“ Langsam drehte er am Türknauf, die Gästezimmertür ging auf. „Lass uns tanzen.“

Sie erschauerte vor Vorfreude. Sobald sie im Zimmer waren, schloss er sie in die Arme und drückte sie fest an seine breite Brust. Sein Herz klopfte genauso heftig wie ihres.

„Es könnte eine Kerze hier drinnen geben. Soll ich nachsehen?“

„Nein.“

Mehr brauchte er nicht zu hören. Ehe sie einen klaren Gedanken hätte fassen können, zog er sie weiter ins Zimmer. Er war sich ziemlich sicher, dass das Bett unter einem der großen Fenster stand. Ein Blitz leuchtete in der Ferne auf und bewies, dass ihn seine Erinnerung nicht täuschte.

Es war lange genug hell, sodass er das Verlangen und die Erregung in Lilys Augen sah. Als sie mit den Knien gegen die Bettkante stieß, drängte er die fantastische Frau vor sich auf die Matratze.

Zum Teufel mit der ganzen Finesse. Er war derart erregt, dass es schmerzte, und sie war so heiß, dass es noch größere Qualen bedeutete. Im Handumdrehen hatte er ihr das knappe T-Shirt über den Kopf gezogen und kam zu ihr, um die Spitzen ihrer Brüste zu erkunden. Seit dem ersten Blitz im Bad waren sie ihm nicht aus dem Sinn gegangen.

Mit einem Griff zog er ihr den seidigen BH aus. Dann streichelte er bewundernd eine Brust, die andere erkundete er mit dem Mund.

Sie schmeckte verführerisch nach Wind und Meer, und ihre Knospe wurde in seinem Mund härter, fachte seine Erregung noch mehr an. Er umrundete sie mit der Zungenspitze und saugte vorsichtig.

Vor Lust stöhnte sie leise, griff in sein Haar und zog sein Gesicht an ihre Brüste.

Was für ein herrlich sinnlicher Moment! Seinen Namen flüsternd, drängte sie sich gegen seine Hüften. Und als sie seinen Schultern dann einen leichten Stoß versetzte, wusste er genau, was sie wollte.

Vorfreudig verteilte er unzählige kleine Küsse auf ihrem flachen Bauch, liebkoste ihren Nabel zärtlich mit der Zungenspitze. Verlangend hob sie ihm die Hüften entgegen. Geschickt streifte er ihr die Jogginghose über die Beine, und ihr winziger weißer Spitzenslip folgte ebenso schnell.

Ihr Anblick raubte ihm den Atem. Er konnte es kaum erwarten, sie ausgiebig mit der Zunge zu erforschen.

„Jack.“ Sie setzte sich auf und griff nach seinem Hemd. „Ich will dich sehen. Ich will dich berühren.“

Da kniete er sich vor sie hin, zog sich hastig das Poloshirt aus und löste den Gürtel seiner Jeans. Beim Reißverschluss kam sie ihm zuvor. „Lass mich das machen. Bitte.“

Ergeben hob er die Hände. „Ich gehöre ganz dir, Baby. Lass mich nur noch schnell etwas aus meiner Brieftasche nehmen.“

Nachdem er ein Kondom aufs Bett gelegt hatte, zog sie ihn ungeduldig bis auf seine Boxershorts aus. Als er diese selbst abstreifen wollte, hinderte sie ihn daran.

„Ich möchte dich ausziehen.“

Er lachte leise. „Du bist der Boss, Sweetheart.“ Wieder kniete er sich aufs Bett.

Sacht saugte sie an seiner Brustwarze, sodass er erregt den Atem anhielt.

Sie streichelte seine Brust, spielte mit den Härchen, strich über seine Muskeln und stieß einen leisen bewundernden Laut aus, ehe sie spielerisch mit den Fingernägeln über seinen Bauch glitt und endlich die Stelle erreichte, nach deren Berührung er sich verzehrte.

Langsam zog sie ihm die Shorts aus. Sobald sie ihn endlich vollständig entkleidet hatte, stieg sein Begehren allein dadurch, dass er ihrem verlangenden Blick begegnete.

Mit geschlossenen Augen beugte sie sich vor und liebkoste ihn mit der Zunge.

Ihn durchzuckte eine Welle heißer Lust. Irgendwie schaffte er es, sich vorzunehmen, unbedingt herauszufinden, woher Reggie wusste, dass diese Frau wie für ihn gemacht war.

Sie streichelte und küsste ihn und nahm ihn ganz in den Mund. Weil er es vor Sehnsucht nicht mehr aushielt, rutschte er in die entgegengesetzte Richtung und zog eine Spur warmer Küsse über ihren Bauch und tiefer. Er begann, sie begierig mit der Zunge zu verwöhnen. Aufstöhnend kam sie ihm entgegen.

Ihr intensives Vorspiel war fast zu viel für ihn. Ihr Mund und ihr Körper waren so süß und heiß, dass er nur noch lustvoll stöhnen und sie nach allen Regeln der Kunst lieben wollte. Und dabei genoss er den sinnlichen Duft einer Frau, die genau wusste, was sie wollte. Und es sich nahm.

Allein dieser Gedanke hätte ihm fast auf den Gipfel geführt.

Doch er wollte die herrlichen Momente so lange wie möglich auskosten. Deshalb konzentrierte er sich auf sie, streichelte ihre Oberschenkel, ihre Hüfte und schob sich schließlich über sie.

Schnell griff sie nach dem Folienpäckchen, riss es geschickt mit den Zähnen auf und reichte ihm das Kondom. „Beeil dich.“

„Ja, Ma’am.“ Er lachte leise, und in zwei Sekunden hatte er den Schutz übergezogen, legte sich wieder auf sie und stützte sich auf die Arme.

Er zwinkerte ihr zu. „Sag bloß, du möchtest oben sein.“

Amüsiert schüttelte sie den Kopf und hob ihm einladend die Hüften entgegen. „Ich möchte dich nur endlich in mir haben.“

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Langsam und behutsam drang er in sie ein. Die Empfindungen, die ihn überwältigten, raubten ihm fast den Verstand. Mit einem kräftigen Stoß genoss er es, sich endlich fallen zu lassen, dann noch einmal, und er stöhnte heiser auf vor Erregung.

Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er sich zurückhalten musste. Einen Weg finden musste, damit es möglichst lange dauerte.

„Ja, genau“, flüsterte er rau, als sie sich gemeinsam bewegten. Sie schienen füreinander geschaffen zu sein. Er glitt tiefer in sie hinein, zog sich zurück und stieß wieder vor. „Ganz genau so.“

Halt suchend klammerte sie sich an seine Oberarme. Sie liebten sich in absoluter Harmonie.

Als er wieder in sie eindrang, suchte sie seinen Blick. Ihre Augen waren unglaublich – wunderschön und dunkel vor Verlangen und Sehnsucht. Fasziniert betrachtete er sie.

„Wir werden gut zusammen sein, Jack“, flüsterte sie und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ganz bestimmt. Du wirst sehen.“

Weil sie auf eine langfristige Beziehung anspielte, stockte ihm der Atem. Aber in diesem Augenblick fand er es unpassend, über Reggies abgekartetes Spiel einen Witz zu machen.

„Wir sind gut zusammen, Lily“, erwiderte er und erhöhte das Tempo, als könne er so das eben Gesagte beweisen. „Das spüre ich.“

Genussvoll gab sie sich dem Liebesspiel hin. Sie hob sich ihm entgegen, nahm ihn auf und hielt ihn sanft. Er musste sich auf die Lippe beißen, um nicht völlig außer Kontrolle zu geraten.

Stöhnend schloss sie die Augen und kam ihm drängend entgegen, wie um den wilden Rhythmus noch zu steigern.

Irgendwann gab es für ihn kein Halten mehr, und er liebte sie entfesselt und hungrig. Wieder und wieder drang er in sie ein, bis sie heftig erschauerte, sich hemmungslos in ihre Empfindungen fallen ließ, seinen Namen flüsterte und ihn keuchend bat, ihr zu folgen.

Im nächsten Moment war es auch um ihn geschehen, als er einen unglaublich intensiven Höhepunkt erreichte und sich ihr ergab. Einer süßen, sexy, schönen Frau, mit der er – welch Glück! – auf sehr originelle Weise verkuppelt worden war.

3. KAPITEL

Ein mechanisches Stottern. Das Summen eines Ventilators. Das Knacken einer Lampe im Flur.

Strom.

Hinter Lily bewegte sich ein kräftiger Körper. Eine große Hand umfasste ihre Brust. Etwas drängte erregend gegen ihren Po. Eine völlig andere Art von elektrischer Energie.

Lily schloss die Augen und seufzte tief zufrieden. Durch die Vorhänge drang das fahle Licht der Morgendämmerung ins Zimmer. Es konnte noch nicht einmal sechs Uhr sein.

„Hast du süß geträumt, Lily?“ Jacks Frage, begleitet von einem zärtlichen Kuss auf ihre Schulter, ließ Lily wohlig erschauern.

Erneut zufrieden aufseufzend, schmiegte sie sich an Jack. „Ich habe von Essen geträumt.“

Er beugte sich vor, um ihre Wange zu küssen. „Ich habe dir doch versprochen, ich würde uns ein Picknick besorgen. Ich mag Shrimps im Bett.“

Das war nicht ganz nach Lilys Geschmack, sie rümpfte die Nase.

„Stimmt, das habe ich ja ganz vergessen: kein Essen ohne Serviette und Platzset.“

„Ein Tisch wäre auch nicht schlecht. Ich bringe dir all die guten Manieren noch bei.“

Jack zog seine Hand zurück und rückte kaum merklich von ihr ab. Aber Lily war vertraut mit der Körpersprache und erkannte die Anzeichen von Unbehagen. Nein, sie hatte nicht erwartet, dass die Veränderung von Jackson Locke leicht sein würde.

„Weißt du was?“ Er setzte sich auf. „Ich werde jetzt mal eine Runde laufen.“

„Laufen?“ Sie drehte sich um, und beim Anblick seines zerzausten dunkelblonden Haars und seiner Bartstoppeln verschlug es ihr den Atem. Lieber Himmel, wie konnte sie auch nur im Entferntesten daran denken, Jack in einen konservativen und angepassten Menschen zu verwandeln?

Weil Reggie Wilding sie dafür bezahlte, zum einen. Und wenn sie Erfolg damit hatte, könnte sie noch mehr solcher Aufträge bekommen. Sehr viel mehr. Dann würde sie sich nicht mehr um ihre Miete sorgen müssen, sondern um eine Hypothek. Doch im Moment war es schwer, an ihre Träume von Sicherheit zu denken, wenn sie einen Mann vor sich hatte, der sie an … Sex denken ließ.

„Ja, normalerweise gehe ich morgens ins Fitnessstudio, aber hier jogge ich gern am Strand. Willst du mitkommen?“

Für einen Moment zog sie es in Erwägung. Einfach, um bei ihm zu sein, einfach, um ihn sich bewegen zu sehen. Aber das Unwetter war vorbei, und die Normalität würde nach Nantucket zurückkehren. Zusammen mit Reggie, zweifellos.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich passe. Aber würdest du vorher schnell in die Küche laufen und Kaffee machen?“

„Wenn du warten kannst, würde ich dir sogar einen richtigen Designer-Kaffee von unterwegs mitbringen.“

„Hm. Kaffee mit Karamellgeschmack und einer dicken Sahnehaube.“ Diesen Luxus gönnte sie sich selten.

Er grinste. „Mit der Sahne würde uns bestimmt etwas sehr Kreatives einfallen.“

„Sprach der Kreativdirektor.“ Sie erwiderte sein Grinsen. „Tut mir leid, aber ich gebe nichts von meiner Schlagsahne ab. Dazu esse ich sie zu gern.“

Lachend zog er sie an sich und strich ihr mit einer Hand über Hüfte und Oberschenkel. „Wie gut, dass du kein Model für Bademode bist.“

„Warum um alles in der Welt sagst du das?“

„Ich dachte, du wärst eins, als ich dich gestern im Foyer sah.“ Er kniff sie spielerisch ins Bein. „Du hast die Figur dazu.“

„Danke. Aber wie kommst du auf die Idee, Reggie würde an diesem Wochenende ein Model für Bademode einladen?“

„Na ja, bei Reggie weiß ich nie so genau, was ich zu erwarten habe.“ Dann blitzten seine smaragdgrünen Augen auf. „Aber mit deiner Wahl hat er mich wirklich umgehauen.“

Lily lachte, weil sie das Kompliment freute. Doch sie war sich sicher, dass Jack nicht mehr so angetan sein würde, wenn sie erst darangingen, ihn zu einem perfekten, bodenständigen Angestellten zu stylen. „Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln.“

Irgendwie wirkte Jack jetzt erleichtert. „Was machst du eigentlich? Welchen Job hast du?“

Welchen Job? „Es ist mein …“ Weil plötzlich eine Tür zugeschlagen wurde und Schritte im Flur zu hören waren, verstummte Lily. „Reggie!“, flüsterte sie in gelinder Panik. Es machte ihr nichts aus, mit Jack im selben Zimmer überrascht zu werden, aber was würde Reggie davon halten?

Jemand klopfte an die Tür. „Miss Harper? Sind Sie da drinnen?“

Zu ihrer Erleichterung war es Mrs. Slattery. Dennoch legte Lily Jack automatisch eine Hand auf den Mund und bedachte Jack mit einem warnenden Blick. „Einen Moment!“ Sie sprang aus dem Bett.

Er betrachtete ihren nackten Körper mit einer Mischung aus Belustigung und heißem Verlangen. „Soll ich mich verstecken?“

Sie legte einen Finger auf ihren Mund. „Bitte. Wir haben uns gestern erst kennengelernt. Ich möchte nicht, dass sie denkt …“ Sie zeigte auf das angrenzende Bad. „Geh bitte dort hinein.“

Nachsichtig verdrehte er die Augen und stand auf, während Lily hastig ihre Yogahose und ihr T-Shirt anzog.

Als Jack im Badezimmer verschwunden war, öffnete sie einen Spaltbreit die Tür. Mrs. Slattery wartete geduldig davor.

„Miss Harper, ich habe gesehen, dass in Ihrem Bad Glasscherben liegen! Aber sie waren ja so schlau, hier unten zu schlafen.“

Lily nickte, froh, dass sie nicht lügen musste. „Mitten in der Nacht war der Strom weg, und ich habe versehentlich etwas zerbrochen.“

„Kein Problem. Ich habe mich schon um die Scherben gekümmert. Waren Sie gerade beim Essen, als der Strom ausfiel? Das ganze Essen steht noch in der Küche.“

„Äh, ja. Jack stellte gerade alles bereit, als das Licht ausging. Wir wollten nicht im Dunkeln in der Küche herumhantieren.“ Lily öffnete die Tür keineswegs weiter, weil sie halb damit rechnete, dass Jack jeden Moment aus dem Bad kam. „Haben Sie etwas von Reggie gehört?“

„Er ist auf dem Weg hierher. Ich wollte Mr. Jack Bescheid sagen, aber seine Schlafzimmertür ist noch zu.“ Ihre silbergrauen Augen verrieten, wie sehr sie Jack mochte. „Er schläft gern.“

Unter anderem. „Ich ziehe jetzt wieder in das obere Gästezimmer um, Mrs. Slattery. Danke, dass Sie sich um mich gesorgt haben und dass Sie die Scherben weggeräumt haben.“

„Keine Ursache, meine Liebe. Möchten Sie, dass ich Kaffee koche und etwas zu essen mache, vielleicht ein Omelett? Mr. Wilding sagte, er würde rechtzeitig zum Frühstück hier sein.“

„Ja, bitte. Ich bin am Verhungern.“ Sie ergriff die Hand der Haushälterin und drückte sie. „Ist mit Ihrem Vater alles in Ordnung?“

„Ja, danke.“

„Das freut mich. Ich bin in Kürze fertig.“

Gerade als Lily die Tür zumachte, kam Jack aus dem Bad. Er hatte den Reißverschluss seiner Jeans geschlossen, aber den Knopf nicht. Zu schade, dass Mrs. Slattery zurückgekommen war, ehe sie, Lily, die Chance hatte, jeden Zentimeter dieses attraktiven Mannes noch einmal gründlich zu erforschen.

„Glaubst du, sie hat nichts gemerkt?“, fragte er.

Lily hob ihre Unterwäsche vom Fußboden auf. „Lass mir ein wenig Würde, okay? Ich möchte nicht, dass sie denkt, ich steige regelmäßig mit mir völlig fremden Männern ins Bett.“

„Tust du das denn?“

Weil das so ernst klang, sah sie hoch. „Nein, Jack. Und du? Schläfst du mit Frauen, die du nicht kennst?“

„Gelegentlich.“ Weil er sie nicht direkt ansah, wusste sie, dass das die Wahrheit war. „Aber wir beide sind uns nicht mehr fremd.“

„Nein, bestimmt nicht. Und ich hoffe, du tust mir den Gefallen und hältst diesen Aspekt unserer Beziehung vor Reggie geheim, wenn er heute herkommt. Beim Du können wir ja bleiben.“

Jack blinzelte. „Heute? Er kommt heute hierher?“

„Natürlich.“ Sie faltete ihre Wäsche zusammen, um sie in das für sie vorgesehene Gästezimmer mit hinaufzunehmen.

„Warum?“

Sie runzelte die Stirn. „Ich nehme an, er will die Dinge anschieben. Uns einander offiziell vorstellen und erklären, was ich für dich tun kann.“

„Ich glaube, die Einführung ist uns bestens gelungen und …“ Sein Lächeln war lüstern und lieb zugleich. „Und du hast mir ausgiebig bewiesen, was du für mich tun kannst.“

Sie machte eine Kopfbewegung Richtung Bett. „Weißt du, Jack, ich habe mich gestern Nacht ein wenig hinreißen lassen. Sex sollte nicht dazugehören. Es ist einfach … passiert.“

Er betrachtete sie einen Moment eingehend, teils amüsiert, teils ein wenig fragend. „Für gewöhnlich gefällt es mir, wenn Sex dazugehört. So bin ich eben.“

„Also, für mich gehört Sex nicht dazu.“

„Okay“, sagte er leise. „Es liegt ganz bei dir. Obwohl wir uns vielleicht langweilen, wenn wir die ganze Zeit, die wir hier sind, am Strand spazieren gehen und fernsehen.“

„Wir werden uns nicht langweilen. Ich habe eine Menge vor. Wir werden einkaufen gehen, in verschiedene Salons, und ich würde gern mindestens dreimal in einem Restaurant essen, um …“

„Ich soll also in Boutiquen geschleppt werden, in Friseur- und Kosmetiksalons und zum Essen außer Haus, aber Sex ist tabu?“ Er schüttelte ungläubig den Kopf. „Das erscheint mir nicht sehr fair. Ich meine, gestern Nacht ist es einfach passiert – könnte es heute Nacht nicht auch einfach passieren?“

In den zwei Jahren, die sie ihre Agentur jetzt hatte, war so etwas mit einem Kunden noch nie vorgekommen. „Vielleicht wenn wir fertig sind.“

„Ist das dein Ernst?“

„Hör zu, Jack, ich bin geschäftlich hier. Aber mit dir zu schlafen, schreit nicht gerade nach ‚Anstand‘, oder?“

„Schön, du bist also geschäftlich hier, aber …“ Er ging zu ihr hinüber. „Möchtest du wissen, was ich von Anstand halte, Lily?“, fragte er mit einem frechen Grinsen.

„Lass mich raten. Wir brauchen keinen blöden Anstand?“

Er lachte auf. „Fast. Normalerweise sage ich scheiß auf den Anstand.“ Und genau deshalb würde er keinen braven Angestellten wie aus dem Bilderbuch abgeben. „Aber wenn du lieber shoppen gehst statt mit mir ins Bett, tu dir keinen Zwang an. Ich bin unten am Strand.“

Glaubte er, sie konnte ihn zum erfolgreichen Geschäftsmann stylen, ohne dass er selbst einen Laden betrat? „Das kann ich unmöglich ohne dich.“

Er wirkte bestürzt. „Nein?“

Natürlich, die meisten Männer schreckten davor zurück, Kleidung zu kaufen. Und einige fanden das sogar absolut grauenvoll.

„Es kann Spaß machen. Solange du mich machen lässt, verspreche ich dir, wenn wir es durchgestanden haben, werden dir die Veränderungen gefallen.“

Er zog die Brauen zusammen. „Du bist nicht die Erste, die es versucht hat und gescheitert ist.“

„Reggie baut auf mich, und ich bin da ganz pragmatisch. Ich glaube, das Ganze hat gute Aussichten auf Erfolg.“

„Ich sollte dich besser im Auge behalten. Du bist … unerbittlich.“

„Das stimmt. Aber keine Bange. Es tut nicht allzu weh.“

Er schüttelte den Kopf, während er erneut den Blick aufreizend langsam über sie gleiten ließ. „Wir gehen Schritt für Schritt voran, okay?“

„Einverstanden.“ Lily ging zur Tür. „Und mach dir keine Sorgen um den Kaffee. Mrs. S. kocht welchen. Viel Spaß beim Joggen. Wir sehen uns, sobald Reggie zum Frühstück hier ist.“

Er salutierte spielerisch. „Ja, Ma’am.“

„Wenn du so weitermachst, könnte das wirklich eine Erfahrung werden, die Vergnügen macht, Jack.“ Sie öffnete die Tür und sah verstohlen auf den Flur hinaus.

„Gut. Ich mag Vergnügen, vor allem sinnliches.“

Sie warf ihm eine Kusshand zu. „Das habe ich gemerkt.“

Jack reduzierte sein Tempo erst, als er sechs Meilen gelaufen war und die schmale Straße eingeschlagen hatte, die zu Reggies Haus zurückführte. Da er für Lily keinen Kaffee zu besorgen brauchte, war er an der Südküste der Insel entlanggelaufen, wo die Brandung des Atlantiks heftiger war, statt am ruhigeren Nantucket-Sund im Norden.

Er hatte tief die salzhaltige, reine Luft eingeatmet, die Septembersonne genossen und war gelaufen, bis ihm der Schweiß übers Gesicht rann.

Und trotzdem konnte er das Gefühl nicht loswerden, dass etwas nicht stimmte.

Und das ergab überhaupt keinen Sinn, denn alles schien zusammenzupassen: Er hatte eine außergewöhnliche Frau kennengelernt, hatte unglaublichen Sex mit ihr gehabt und konnte sich auf mindestens zwei weitere Tage – oder Nächte – an ihrer Gesellschaft erfreuen. Sie wollte die Zeit zum Shoppen und Verschönern nutzen. Das war doch wunderbar. Und abends wusste er genau, was einfach passieren würde. Also, wo war der Haken?

Er lief langsamer, wischte sich mit dem T-Shirt den Schweiß vom Gesicht und sah zu Reggies Ferienhaus mit dem Spitzgiebel hinüber, das idyllisch auf einem Hügel lag. Und auf dessen Auffahrt Reggies Wagen stand.

Genau das war nicht in Ordnung. Wenn Reggie wollte, dass er diese Frau kennenlernte und herausfand, ob sie sich verstanden, schön. Und er hatte nichts gesagt, weil er wusste, dass er, Jack, gekniffen hätte, ja, das machte Sinn. Aber warum hielt Reg es dann für nötig, extra von Manhattan hierherzufliegen und zu stören?

Tief durchatmend machte er ein paar Dehnübungen.

Lily hatte kein Wort darüber verloren, womit sie ihr Geld verdiente, hatte ausweichend geantwortet, woher sie Reggie kannte, und hatte nicht einmal erzählt, wo sie wohnte. Ehrlich gesagt, wusste er nichts von ihr außer ihrem Namen.

Und welche Vorlieben sie beim Sex hatte.

Als er gleich darauf durch die hintere Küchentür das Haus betrat, wurde er von einer freundlichen Dorothea Slattery begrüßt, die am Herd der Kochinsel stand.

„Hallo, Dots.“ Er schmunzelte, weil er wusste, dass dieser Spitzname sie immer erröten ließ. „Wie geht’s denn so?“

„Hallo, Mr. Jack.“ Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu, weil sie offenbar nicht begeistert war, dass er völlig durchgeschwitzt in ihrer Küche erschien. Oder vielleicht war es der alten Kupplerin nicht entgangen, dass sein Bett die ganze Nacht nicht benutzt worden war.

„Wie geht’s Ihrem Dad?“

„Gut. Der Strom war bei ihm nur ein paar Stunden weg. Aber ich wollte bei ihm bleiben für den Fall, dass der Strom erneut ausfiel.“

„Wir sind zurechtgekommen. Auch wenn wir hier alles in Unordnung gebracht haben.“

Sie winkte ab. „Es tut mir leid, dass Mr. Wilding keinen Generator hat. Ich habe ihn wieder und wieder gebeten, einen anzuschaffen, aber er hat immer so viel zu tun.“

Jack lehnte sich gegen den Küchentresen und sah zu, wie Mrs. S. Zwiebeln briet. „Wird das etwa ein Omelett für mich?“

„Leider nein, es ist für Miss Harper. Sie frühstückt gerade im Esszimmer mit Mr. Wilding. Aber wenn Sie duschen, ehe sie auf einem der weiß bezogenen Stühle von Mrs. Wilding Platz nehmen, dann mache ich Ihnen auch eins.“

„Muss ich wirklich vorher duschen?“

„Ja. Sie wollen sich doch wohl für das Meeting frisch machen, Mr. Jack.“

„Das Meeting?“ Er sah sie mit gerunzelter Stirn an, ehe er sich einen Zwiebelstreifen aus der Bratpfanne mopste. „Sie machen Witze, oder? Was steht denn auf der Tagesordnung? Das zweite Date?“

Sie schlug ein Ei in die Pfanne. „Über Werbung weiß ich nun wirklich nicht Bescheid, Mr. Jack. Aber Mr. Wilding sagte etwas von einem Meeting mit Miss Harper, das fast den ganzen Tag dauern würde.“

Was zum Teufel ging hier vor?

„Entschuldigen Sie mich einen Moment, Dots.“ Er ging geradewegs zum Esszimmer hinüber und hörte Lily lachen, als er den schmalen Vorraum betrat. Wie beim ersten Mal erregte ihn ihr leicht heiseres Lachen ein wenig.

Für den Bruchteil einer Sekunde war er versucht, stehen zu bleiben und zu lauschen. Was sagte sie über ihn? Dass sie ihn mochte? Tja, dafür hatte er schon gesorgt, als er ihr ihren vierten Höhepunkt verschaffte. Schnurstracks ging er ins Esszimmer weiter.

„Was ist das für ein Gerede von einem Meeting?“

Reggie, der am Kopfende des langen Rosenholztisches saß, schaute auf. „Da bist du ja!“

Neben ihm saß Lily in kerzengerader Haltung, ihr wunderschönes schwarzes Haar hatte sie aufgesteckt und die Hände im Schoß gefaltet.

Der Inbegriff von … Anstand.

Er ließ den Blick zwischen Lily und Reggie hin und her wandern. Sie nickte ihm kühl zu.

Was zum …? Er wischte sich erneut das Gesicht mit seinem T-Shirt ab und ließ Lily dabei seinen nackten Bauch sehen.

„Tut mir leid, dass ich verschwitzt bin, Reg. Ich bin eben sechs Meilen gelaufen.“

„Kein Problem.“ Reggie lächelte Lily an. „Beim Texten geraten wir auch manchmal ins Schwitzen.“

Jack erwiderte nichts, sondern betrachtete erneut Lily. Endlich, mit Make-up und Frisur, sah er sie einmal in trockenem Zustand.

„Guten Morgen, Lily“, begrüßte er sie übertrieben galant mit angedeuteter Verbeugung. „Und wie hast du geschlafen?“

Nur ihr flüchtiges Lächeln verriet sie. „Guten Morgen, Jackson.“

Jackson? Was sollte das denn?

Er trat näher und wandte sich an Reggie. „Ich habe eben gehört, dass ein Meeting stattfindet, und ich möchte wissen, worum es geht.“

„Also, es geht um dich, Jack. Und die Agentur.“

Reggie hatte eine so ernste Miene aufgesetzt, dass es Jack plötzlich höchst unbehaglich zumute war.

„Die Agentur?“ Was zum Teufel hatte Lily mit ihm und Wild Marketing zu tun?

Er rückte sich den Stuhl neben Lily zurecht und setzte sich. „Sieht aus, als würde das Licht wieder brennen, aber ich tappe immer noch im Dunkeln.“

Lily nahm ihre Serviette vom Schoß und machte Anstalten aufzustehen. „Mr. Wilding, warum besprechen Sie das Ganze nicht erst mit Jack unter vier Augen und …“

So nicht! Energisch packte Jack sie am Handgelenk. „Wow und nochmals wow. Bleib bitte hier.“

Sie sah ihn flehentlich an, aber sie brauchte sich keine Sorgen zu machen. Er würde sie nicht bloßstellen. Doch irgendetwas – genau wie er es seit etwa einer Stunde vermutete – irgendetwas stimmte nicht. „Ich habe das Gefühl, du weißt mehr, als du sagst, Lily.“

Sie warf Reggie einen entschuldigenden Blick zu. „Ich muss da etwas missverstanden haben. Jack machte den Eindruck, als wisse er über unsere geschäftliche Vereinbarung Bescheid.“

Ihre geschäftliche Vereinbarung? Er betrachtete Lilys konservative Bluse, die bis oben zugeknöpft war und jeden kleinsten Blick auf ihr Dekolleté verwehrte, das er letzte Nacht so gründlich liebkost hatte. Wer bezeichnete eine Verkupplung denn als geschäftliche Vereinbarung?

Eine Frau, die eine solche Hemdbluse trug, ganz klar.

Reggie runzelte so sehr die Stirn, wie Jack es selten bei ihm gesehen hatte. Und seine Augen hinter seiner Designerbrille wirkten … müde.

„Jack, ich wollte es dir gestern Abend sagen. Deshalb solltest du frühzeitig hier sein, und ich hatte unbedingt vor, dieses Programm persönlich anzuschieben und unsere Erfolgsstrategie mit dir zu besprechen.“

Dieses Programm anzuschieben? Erfolgsstrategie? Warum redete sein Freund, Chef und Mentor mit ihm wie mit seinen Kunden?

„Sprich Klartext, Reg. Ich verstehe kein Wort.“

Da lehnte sich Reggie zurück, fuhr sich mit einer Hand durch das dichte, fast graue Haar und seufzte tief. In diesem Moment sah er genau aus wie sechsundfünfzig, wenn nicht sogar ein paar Jahre älter.

„Na schön, Jack. Hier kommt die große Neuigkeit. Ich habe beschlossen, die Agentur zu verkaufen.“

Jack starrte ihn entgeistert an. „Du verkaufst Wild Marketing?“

Reggie nickte. „Ich habe einen triftigen Grund dafür.“

Plötzlich kam Jack ein Verdacht, und er warf Lily einen grimmigen Blick zu. „An sie? Du verkauft an sie?“

Reggie lachte. „Nein, nein. Hast du das etwa geglaubt?“

„Ich weiß nicht, was ich geglaubt habe.“ Er bedachte Lily mit einem langen Blick. Aber was auch immer er geglaubt hatte, mit einer eingefädelten Romanze hatte das nichts zu tun. Warum hatte Lily ihm nicht die Wahrheit gesagt? Warum hatte sie ihn an der Nase herumgeführt?

„Allerdings hat Lily etwas mit dem Verkauf zu tun, Jack“, fuhr Reggie fort. „Der Vertrag hat einen kleinen Haken, und ich denke, sie kann uns helfen, aus dem Dilemma herauszukommen.“

Jack gab sich geschlagen. „Du solltest besser ganz vorne anfangen, Reg, weil ich offensichtlich das Opfer eines ernsthaften Missverständnisses bin.“

Lily schüttelte den Kopf, ohne seinem Blick auszuweichen. „Nein, Jack. Ich habe dich missverstanden. Als du sagtest, du wüsstest, warum ich hier sei, habe ich angenommen, dass das stimme.“

„Und warum bist du hier?“

Lily schaute Reggie an, damit er den Sachverhalt erklärte.

„Jack, die Firma, die Wild Marketing kaufen will, ist Anderson, Sturgeon und Noble.“

„Ein Haufen verklemmter Arm… Typen, die einen Besenstil verschluckt haben.“ Lily zeigte keine Regung. „Nicht, dass ich sie nicht mag.“ Plötzlich begriff er die Tragweite dessen, was Reggie gesagt hatte. „Die wollen Wild kaufen? Diese Londoner Agentur? Im Ernst?“

„Ihr Hauptsitz ist London, aber sie haben Agenturen rund um den Globus. Ihr Kundenkreis ist Weltklasse und …“

Jack unterbrach ihn mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Hör auf, Reg. Ich weiß, wer sie sind. Warum willst du Wild Marketing verkaufen? An wen auch immer?“

Reggie stützte sich mit verschränkten Armen auf den Esstisch. „Ich kann dieses Angebot nicht ablehnen.“

Verständnislose Enttäuschung machte sich in Jack breit. Reggie war einer der Cleversten der Werbebranche, ein begnadeter Verkäufer, unerreicht mit seiner Fähigkeit, Kunden zu umwerben und eine Werbeidee umzusetzen.

„Warum willst du verkaufen?“, wiederholte Jack in der Hoffnung auf eine andere Antwort, denn er mochte einfach nicht annehmen, dass es lediglich um Geld ging.

„Ich habe meine Gründe, Jack. Und du – du würdest sie verstehen.“

„Schön. Dann nenn mir deine Gründe.“

Schweigend betrachtete Reggie seine Hände, eine Reaktion, die Jack tausendmal beobachtet hatte, wenn sein Chef Zeit gewinnen wollte und sich die perfekte Antwort überlegte. Er wartete ab.

Als Reggie ihm schließlich in die Augen sah, konnte er darin lesen, dass er ihn um sein Vertrauen bat. „Ich habe einen zwingenden Grund.“

Jack hatte die Frau, die neben ihm saß, längst vergessen. Er hatte vor zehn Jahren bei Wild Marketing angefangen, und in diesem Jahrzehnt waren er und Reggie ein unglaubliches Team geworden und hatten Wild zu einer der führenden Werbeagenturen in Manhattan gemacht. Warum wollte er ihre außergewöhnliche kleine Agentur von einem internationalen Werberiesen schlucken lassen, der pfiffige, kreative Werbung nicht von … von stinklangweiliger unterscheiden konnte? Nein. Nein.

Ein zwingender Grund reichte ihm nicht.

„Dir ist klar, dass Anderson, Sturgeon und Noble das Aus von Jack Locke und deiner Firma bedeuten.“ Jack sprach betont gelassen.

„Mir war klar, dass du zunächst so reagieren würdest. Aber ich habe eine spezielle Vereinbarung im Vertrag vorgesehen. Sie können Wild Marketing nur kaufen, wenn sie dich zum Geschäftsführer und Leiter ihrer New Yorker Filiale ernennen.“ Er sah Jack erwartungsvoll an. Ha, als ob er gleich einen Freudentanz aufführen würde, weil er Chef von Anderson, Sturgeon und Ignoble werden sollte. „Und deshalb ist Lily hier“, endete Reggie und bedeutete ihr, dass sie das Wort ergreifen solle.

Autor

Roxanne St. Claire
Roxanne St. Claire ist eine New York Times Bestsellerautorin, die 27 Romane veröffentlicht hat. Sie ist fünfmal für den RITA® Award nominiert worden und hat ihn einmal gewonnen. Ihre Bücher sind Gewinner des „National Readers‘ Choice Award“, dem „Daphne du Maurier Award“, der „Holt Medaille“, dem „Maggie Award“,...
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