Bianca Exklusiv Band 318

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BLIND DATE MIT EINEM COWBOY von CINDY KIRK
Das kann nicht der Richtige sein, denkt Stacie. Sie steht auf künstlerische, zartbesaitete Männer. Ihr Date Josh Collins aber ist ein breitschultriger, muskulöser Cowboy - also gar nicht ihr Typ. Warum nur klopft ihr Herz dann so wild, als er sie aus seinen funkelnden blauen Augen ansieht?

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  • Erscheinungstag 03.01.2020
  • Bandnummer 318
  • ISBN / Artikelnummer 9783733748715
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cindy Kirk, Sherryl Woods, Kara Lennox

BIANCA EXKLUSIV BAND 318

1. KAPITEL

„Da ist ja eine ganze Herde von Cowboys!“ Abrupt blieb Stacie Summers mitten auf dem Bürgersteig stehen und starrte zur anderen Straßenseite hinüber. Seit sie vor zwei Wochen in Sweet River, Montana, angekommen war, hatte sie hin und wieder einen Cowboy gesehen, aber nie so viele auf einem Haufen. „Aus welchem Anlass?“

Ihre Freundin Anna Anderssen, die in Sweet River geboren war, hielt neben ihr an und fragte: „Welchen Tag haben wir heute?“

„Mittwoch.“

„Den zweiten Juni“, fügte Lauren Van Meveren hinzu. Die Doktorandin hatte gedankenverloren gewirkt, seit die drei Mitbewohnerinnen aus Sharon’s Food Mart gekommen waren. Doch nun war sie plötzlich ganz aufmerksam.

Obwohl sie normalerweise darauf gepocht hätte, dass es unhöflich war, andere Leute anzustarren, beobachtete sie mit unverhohlenem Interesse, wie die Cowboys aus dem Coffee Pot Café strömten.

„Mittwoch, der zweite Juni“, wiederholte Anna nachdenklich, während sie ihren Schlüsselring aus der Tasche holte und den Jeep aufschloss, der am Straßenrand parkte. „Bingo!“, fügte sie mit einem nachdrücklichen Kopfnicken hinzu.

Stacie öffnete die Heckklappe und stellte die schwere Tüte mit Lebensmitteln in den Kofferraum. „Die haben Bingo gespielt?“ Sie fand es seltsam, dass gestandene Männer sich an einem Mittwochmorgen zum Glückspiel trafen. Andererseits hatte sie bald nach ihrer Ankunft herausgefunden, dass Sweet River eine ganz eigene kleine Welt darstellte.

„Nein, du Dummerchen.“ Anna kicherte. „Der Viehzüchterverband trifft sich immer am ersten Mittwoch im Monat.“

Das erschien Stacie zwar sinnvoller als Bingo, doch sie hatte keine Ahnung, womit sich eine solche Organisation beschäftigen mochte. Denn ihr Geburtsort Ann Arbor in Michigan war alles andere als ein Viehzüchterparadies. Und in den ganzen zehn Jahren, die sie nun schon in Denver lebte, war ihr kein einziger Cowboy über den Weg gelaufen.

Als Lauren beschlossen hatte, für eine Weile in Annas Heimatort zu übersiedeln, um dort für ihre Dissertation über Kompatibilität zwischen Männern und Frauen zu recherchieren, hatte Stacie sich ihr bereitwillig angeschlossen. Denn die Suche nach ihrem perfekten Job – nach ihrer „Glückseligkeit“, wie sie es dank ihrer poetischen Ader gern nannte – lief nicht gut. Daher erschien ihr ein Tapetenwechsel wie eine gute Idee.

Aus irgendeinem Grund war sie davon ausgegangen, dass Sweet River wie Aspen, eine ihrer Lieblingsstädte, sein würde. Sie hatte eine Fülle von angesagten Shops und zahlreiche Doktoren, Anwälte und Geschäftsmänner erwartet, die sich gern in der freien Natur aufhielten.

Mensch, wie hast du dich bloß geirrt! „Ich habe noch nie so viele Männer mit Stiefeln und Hüten gesehen.“

Es waren große Männer mit breiten Schultern, wettergegerbter Haut und zotteligen Haaren, an die nie ein Stylist Hand angelegt hatte. Selbstbewusste Männer, die ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen führten und von einer Frau erwarteten, ihre Träume für ein einsames Dasein auf einer Ranch aufzugeben.

Obwohl die Luft warm war, fröstelte Stacie.

In Laurens Augen trat ein entrückter, verträumter Ausdruck. „Wusstest du, dass die ersten Cowboys aus Mexiko kamen? Sie waren als vaqueros bekannt. Das ist das spanische Wort für Cowboys.“

Stacie warf Anna einen flehenden Blick zu. Man musste Lauren stoppen, bevor sie richtig in Fahrt kam. Sonst war man gezwungen, während des gesamten Heimwegs einen Vortrag über die Geschichte des modernen Cowboys zu ertragen.

„Steig ein, Lauren“, befahl Anna und deutete zum Jeep. „Bevor unsere Eiscreme schmilzt.“

Trotz der eindringlichen Aufforderung hielt Lauren den Blick auf die Männer geheftet, die mit tiefen Stimmen redeten und lachten.

Einer von ihnen erregte Stacies Aufmerksamkeit. In Jeans, T-Shirt und Stiefeln, mit Cowboyhut und sonnengebräunter Haut unterschied er sich eigentlich nicht von den anderen. Doch er zog ihren Blick magisch an. Es musste daran liegen, dass er mit Annas Bruder Seth redete. Eine andere Erklärung konnte es nicht geben.

Bisher hatte es kein testosteronstrotzender Mann auf Stacies Radar geschafft. Sie favorisierte den künstlerisch angehauchten, zartbesaiteten Typ à la schmächtiger Poet gegenüber der baumstarken, muskelbepackten Sportskanone.

„Weißt du, Stacie …“, nachdenklich tippte Lauren sich mit dem Zeigefinger an die Lippen, „… irgendetwas sagt mir, dass deine Zukunft einem Cowboy gehören könnte.“

Ihre Recherchen zielten darauf ab, kompatible Partner zu ermitteln, und ihr erstes Versuchskaninchen – oder ihr „Forschungsgegenstand“, wie sie es gern ausdrückte – war Stacie.

Ein Knoten bildete sich in Stacies Magen bei der Vorstellung, mit einem Lasso schwingenden Reitersmann verkuppelt zu werden. Schnell sandte sie ein Stoßgebet gen Himmel.

Lieber Gott, bitte! Bloß keinen Cowboy!

Einige Wochen später ließ Stacie sich kampfbereit in einen hochlehnigen Korbsessel auf Annas Veranda fallen. Lange genug hatte sie Stillschweigen gewahrt. Nun musste sie endlich ihrem Unmut über das bevorstehende arrangierte Date Luft machen. Deshalb hatte sie Lauren um eine Unterredung gebeten.

Obwohl Stacie wusste, dass es für die Recherche wichtig war, den Mann zumindest ein einziges Mal zu treffen, hielt sie es für reine Zeitverschwendung. Auf beiden Seiten.

Im Geist formulierte sie gerade die Ansprache, in der sie nachdrücklich ihr nicht vorhandenes Interesse an einem Cowboy kundtun wollte, da wehte eine kühle Brise von den Crazy Mountains herüber und ließ das Foto in ihrer Hand flattern. Sie hob den Kopf und genoss die frische Bergluft im Gesicht. Selbst nach vier Wochen im „Land des weiten Himmels“ – einer der Spitznamen von Montana – war sie immer noch tief beeindruckt von der Schönheit ringsumher.

Sie blickte auf den großen Vordergarten hinaus. Wohin das Auge auch reichte, war das Land üppig grün. Und die Blumen … Es war gerade einmal Mitte Juni, doch schon standen Glockenblume, Indianernessel und Palmlilie in voller farbenfroher Blüte.

Die Fliegentür fiel klappernd zu; Lauren überquerte die Veranda und setzte sich auf einen Stuhl. „Was ist los?“

Stacie löste den Blick von der atemberaubenden Landschaft. „Dein Computer hat offensichtlich etwas Falsches ausgespuckt. Das ist die einzige Erklärung.“ Sie hob das Foto. „Sieht der etwa wie mein Typ aus?“

„Falls ihr über Josh Collins redet, der ist ein sehr netter Mann.“ Anna kam ebenfalls aus dem zweistöckigen Haus auf die Rundumveranda heraus. „Ich kenne ihn seit der Grundschule. Er und mein Bruder Seth sind die besten Freunde.“ Mit mäßigem Erfolg versuchte sie, ein schwankendes Tablett in ihren Händen auszubalancieren.

Lauren, die der Tür am nächsten saß, sprang auf und nahm der kecken Blondine das Tablett mit dem Krug Limonade und drei Kristallgläsern ab. „Du wirst dir in diesen mörderischen Schuhen noch den Hals brechen.“

„Frag mich mal, ob mich das kümmert.“ Verzückt musterte Anna ihre limettengrünen Stilettos mit der schmalen langen Spitze. „Die sind genau mein Stil.“

„Na ja, hübsch sind sie schon“, räumte Lauren ein. Sie neigte den Kopf zur Seite. „Ob sie mir wohl auch passen?“

„Hallo!“ Stacie hob eine Hand und winkte wild. „Erinnert ihr euch an mich? Ich bin diejenige, die jeden Moment ein Date mit Mister Wrong hat.“

„Beruhige dich.“ Lauren schenkte ein Glas Limonade ein, reichte es Stacie und setzte sich mit einer bewundernswerten Grazie. „Ich mache keine Fehler. Falls du dich erinnerst, ich habe dir die Auswertung vorgelegt. Sofern keiner von euch beiden in dem Fragebogen gelogen hat, seid ihr sehr kompatibel.“

Stacie wollte ihrer Freundin glauben. Schließlich war das arrangierte Date mit Alexander Darst, der kürzlich eine Anwaltskanzlei in Sweet River eröffnet hatte, ganz angenehm verlaufen. Nur hatte es leider zwischen ihnen nicht gefunkt.

Sie hob das Foto des Ranchers und musterte es eingehend. Stetson und Stiefel bestätigten ihre Theorie von einer Computerfehlfunktion – selbst wenn er nicht auf einem Pferd gesessen und sie ihn nicht bei der Sitzung des Viehzüchterverbands gesehen hätte.

Es hat einfach keinen Sinn, eine Großstadtpflanze mit einem Landei zusammenzubringen. Schließlich weiß jeder, dass Stadt und Land wie Öl und Wasser sind. Sie verbinden sich einfach nicht.

Leider war sie trotz all ihrer Scherze zu dem Thema enttäuscht. Sie hatte gehofft, einen Begleiter für den Sommer zu finden, einen vielseitig interessierten und gebildeten Mann, der ihre Liebe zum Kochen und den Geisteswissenschaften teilte.

„Er ist ein Cowboy.“ Trotz aller Bemühungen, beherrscht zu bleiben, rief sie aufgebracht: „Ausgerechnet!“

„Haben Sie etwas gegen Cowboys?“

Die verführerisch tiefe Stimme, die von den Stufen her ertönte, sandte einen Ruck durch Stacie. Sie ließ das Bild auf den Tisch fallen, drehte sich um und begegnete einem unverwandten Blick aus blauen Augen. Das ist er.

Sie musste zugeben, dass er von Nahem noch anziehender aussah. Er trug ein Chambray-Hemd, das seine Augen leuchten ließ, und dazu Jeans, die seine langen Beine umschmiegten. Kein Hut bedeckte seinen Kopf, nur dichtes dunkles Haar, das im Nacken bis über den Kragen reichte.

Unverhohlen musterte er sie ganz ausgiebig. Das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er genau wusste, wie verzweifelt sie nach einem Ausweg aus der peinlichen Situation suchte, in die sie sich selbst manövriert hatte.

Leider konnte sie nicht auf Lauren zählen, denn die unterdrückte offensichtlich ein Lachen. Und Anna beobachtete die Szene nur mit erwartungsvoller Miene, ohne Beistand zu bieten.

„Natürlich mag ich Cowboys“, behauptete Stacie in dem dringenden Bedürfnis, das Schweigen zu brechen. Es schien sich endlos auszudehnen, auch wenn es vermutlich nur wenige Sekunden andauerte. „Cowboys regieren die Welt.“

Sein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen, und Lauren lachte laut auf.

Stacie warf ihr einen strafenden Blick zu. Zugegeben, der Spruch mochte nicht besonders geistreich sein, aber es hätte schlimmer kommen können. Immerhin war sie überrascht worden. Erschreckt. Aufgewühlt. Von seinen Augen und von seinem Timing. Warum habe ich bloß nicht den Mund gehalten?

„Tja, ich kann nicht behaupten, das Sprichwort schon mal gehört zu haben“, verkündete er, „aber es trifft eindeutig zu.“

Okay, er ist also gnädig, dachte sie. Eine Eigenschaft, die den meisten Männern abging, die sie bisher kennengelernt hatte, und die sie sehr bewunderte. Zu schade, dass er nicht nur ein Cowboy war, sondern dazu auch noch so groß gewachsen. Er musste mindestens eins neunzig sein, mit breiten Schultern und muskulöser Gestalt. Markant. Männlich. Ein Traumtyp für viele, aber einfach nicht ihr Typ.

Trotzdem, als er den Blick aus diesen funkelnden blauen Augen erneut auf sie heftete, erschauerte sie. In deren Tiefen lag eine scharfe Intelligenz, und er strahlte ein Selbstvertrauen aus, das sie als reizvoll empfand. Dieser Cowboy war nicht auf den Kopf gefallen und ließ sich von niemandem etwas vormachen.

Stacie öffnete den Mund, um ihm ein Bier anzubieten – er wirkte auf sie nicht wie ein Limonadetrinker –, doch sie kam nicht dazu.

Denn Anna rief ihm zu: „Wie schön, dich zu sehen!“ Sie überquerte die Veranda, und ihre Absätze klickten laut. Als sie ihn erreichte, schlang sie die Arme um ihn. „Danke, dass du das Formular ausgefüllt hast.“

Er grinste und zog sie an den Haaren. „Für dich habe ich’s gern gemacht, Anna Banana.“

Lauren tauschte einen Blick mit Stacie und hakte nach: „Anna Banana?“ Ihre Lippen zuckten vor Belustigung. „Du hast uns nie erzählt, dass du einen Spitznamen hast.“

„Seth hat ihn mir verpasst, als ich noch ganz klein war“, erklärte Anna. Dann wandte sie sich wieder an Josh und drohte ihm mit einem Finger. „Du solltest diesen Namen doch vergessen.“

Ein Funkeln trat in seine Augen. „Ich habe ein gutes Gedächtnis.“

„Das habe ich auch. Ich erinnere mich deutlich, was Seth mir erzählt hat, dass ihr nämlich die traditionelle Form der Partnersuche bevorzugt. Trotzdem habt ihr Laurens Fragebogen ausgefüllt. Alle beide. Warum?“

Das Gespräch zwischen den beiden wirkte herzlich und entspannt. Ob sie mal miteinander liiert waren? fragte Stacie sich unwillkürlich. Die Vorstellung erweckte einen Anflug von … Etwas, das sie nicht richtig deuten konnte, aber fast an Eifersucht erinnerte. Aber das ist total verrückt. Ich bin kein bisschen interessiert an diesem Cowboy der Extraklasse.

„Seth hat es vermutlich getan, weil er weiß, dass du ihn sonst umbringen würdest“, erklärte er. „Ich habe es getan, weil er mich darum gebeten hat und ich ihm einen Gefallen schuldig war.“ Er schob die Hände in die Jeanstaschen und verlagerte das Gewicht auf die Fersen. „Ich habe nicht erwartet, vermittelt zu werden.“

Ihm liegt genauso wenig an diesem Date wie mir, durchfuhr es sie. Der Gedanke wirkte tröstend. Sie stand auf und ging zu ihm. „Ich werde versuchen, unseren Pflichttermin so schmerzlos wie möglich zu gestalten.“ Sie reichte ihm die Hand. „Ich bin Stacie Summers, Ihr Date.“

„Das habe ich mir schon gedacht.“ Er zog die rechte Hand aus der Tasche und schloss die Finger mit festem Druck um ihre. „Josh Collins.“

Zu ihrer Überraschung rann ein Prickeln an ihrem Arm hinauf. Verwundert über die Reaktion entzog sie ihm die Hand. Von Alexander Darst, dem netten Anwalt, war sie mehrmals berührt worden, ohne dass es geknistert hatte.

„Möchtest du uns Gesellschaft leisten, Josh?“, fragte Anna. „Wir haben frisch gepresste Limonade, und ich kann dazu die Kekse holen, die Stacie heute Morgen gebacken hat.“

Seine heitere Gelassenheit geriet nicht ins Wanken, doch irgendetwas verriet Stacie, dass er lieber ein Wildpferd zureiten wollte, als mit drei Frauen Limonade zu trinken und Kekse zu essen.

Obwohl sie noch vor wenigen Minuten alles dafür getan hätte, um dieses Date zu verhindern, kam sie ihm nun unwillkürlich zu Hilfe. „Entschuldige, Anna. Josh hat einem Date mit einer Frau zugestimmt, nicht mit Dreien.“

Lauren stand auf und trat vor. „Bevor meine Mitbewohnerin Sie entführt, möchte ich mich vorstellen. Ich bin Lauren Van Meveren, die Urheberin der Umfrage, an der Sie teilgenommen haben, und möchte Ihnen auch für Ihre Mitarbeit danken.“

„Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“ Josh schüttelte ihr die Hand. „Da waren ein paar mächtig interessante Fragen dabei.“

Stacie tauschte einen Blick mit Anna. Offensichtlich war er sich nicht darüber im Klaren, dass er Gefahr lief, den Damm zu einem unaufhaltsamen passionierten Redefluss zu brechen.

„Ich arbeite an meiner Dissertation.“ Laurens Gesicht erhellte sich – wie immer, wenn jemand Interesse an ihrem Projekt bekundete. „Die Umfrage dient mir dazu, Daten zu sammeln, die meine Hypothese stützen.“

„Seth hat erwähnt, dass Sie promovieren. Aber als ich nach Ihrem Fachgebiet gefragt habe, konnte er mir nichts Näheres sagen.“

Stacie unterdrückte ein Stöhnen. Die Schleusen waren nun offiziell geöffnet.

Eifrig richtete Lauren sich auf. „Sind Sie vertraut mit dem Verfahren?“

„Ein bisschen. Meine Mutter hat in Pflegewissenschaft promoviert. Ich erinnere mich gut, was sie durchmachen musste, damit ihr Thema anerkannt wurde.“

„Dann wissen Sie ja wirklich Bescheid.“ Lauren deutete zu einem Korbstuhl. „Setzen Sie sich doch. Ich erzähle Ihnen von meiner Hypothese.“

„Setzen wir uns doch alle“, schlug Anna lächelnd vor. So leise, dass nur Stacie es hören konnte, fügte sie hinzu: „Das könnte eine ganze Weile dauern.“

Stacie sank auf ihren Stuhl; Josh wählte den Platz neben ihr. Selbst wenn ich ihn vor Laurens Fachsimpelei retten wollte, dachte sie, jetzt ist es zu spät.

Zufrieden verkündete Lauren: „Ich war total begeistert, als mein Thema zugelassen wurde.“

„Und was genau untersuchen Sie?“

„Die Werte und Charakteristika, die zentrale Bedeutung für die Gründung zwischenmenschlicher Beziehungen und deren erfolgreicher Aufrechterhaltung haben“, dozierte sie, ohne Luft zu holen. „Ähnliche Konzepte werden bereits von vielen Onlinepartnervermittlungen angewendet. Aber meine Studien befassen sich auch mit den Kriterien, die für das Entstehen von Freundschaften relevant sind, nicht nur von Liebesbeziehungen.“

„Sehr interessant“, sagte Josh, und es klang überraschend aufrichtig. „Was hat Sie veranlasst, die Erhebungen gerade hier durchzuführen?“

„Anna hat es mir empfohlen.“

„Ich habe ihr erzählt, dass es hier so viele ledige Männer gibt.“ Anna schenkte ein Glas Limonade ein und reichte es ihm. „Und dass ich ein Haus habe, in dem sie mietfrei wohnen kann. Ich habe beschlossen, mitzukommen, weil mich in Denver nichts mehr gehalten hat.“

„Seth hat mir erzählt, dass du deinen Job verloren hast.“

„Meine ehemalige Arbeitgeberin sollte mir eigentlich ihre Boutique verkaufen.“ Anna setzte sich auf den letzten freien Stuhl am Tisch. „Aber dann hat sie an jemand anderen verkauft.“

Mitfühlend schüttelte er den Kopf. „Das ist echt übel.“

„Wem sagst du das!“

Der attraktive Cowboy versteht sich ja blendend mit meinen Mitbewohnerinnen, dachte Stacie. Fällt es überhaupt jemandem auf, wenn ich einfach aufstehe und gehe? Sie blickte in die Runde und stellte fest, dass er sie anstarrte.

„Es war schön, mit euch zu reden.“ Er leerte sein Glas und stand auf. „Aber Stacie und ich sollten jetzt gehen.“

Sie erhob sich ebenfalls. Mit ihm auszugehen, war ihr immer noch lieber, als stundenlang über Laurens Projekt oder Annas berufliche Enttäuschungen zu reden – so gern sie ihre Freundinnen auch mochte.

Josh folgte ihr zur Treppe. Obwohl er sie bei seiner Ankunft schon abschätzend taxiert hatte, spürte sie deutlich, dass er sie erneut musterte.

Verstohlen blickte sie ihn über die Schulter an. Dem Ausdruck in seinen Augen nach zu urteilen, fanden ihre Kaki-Caprihose und das pinkfarbene Baumwolltop seine Zustimmung. Ihre verkrampften Schultern entspannten sich ein wenig. Weil Anna versichert hatte, dass er ein netter Mensch war und sein Benehmen gegenüber ihren Mitbewohnerinnen es bestätigte.

Es gab sicherlich keinen Grund, sich gestresst zu fühlen. Doch als Stacie anfing über das Wetter zu plaudern, wurde ihr bewusst, wie nervös sie trotzdem war.

Falls Josh das Thema langweilte, so ließ er es sich nicht anmerken. Im Gegenteil, er sprach sehr engagiert über die geringfügigen Niederschläge in dieser Gegend. Er berichtete von einem besonders schlimmen Waldbrand nahe Big Timber vor einigen Jahren, bis sie sein schwarzes Allradfahrzeug erreichten.

Er öffnete die Beifahrertür, und als Stacie vortrat, half er ihr mit einer Hand um den Ellbogen in die Kabine hinauf.

„Danke, Josh.“

„Sehr gern“, erwiderte er mit einem lässigen Grinsen.

Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Sie wusste nicht, warum sie so entzückt war. Vielleicht lag es daran, dass er sich unverhofft galant verhielt.

Dagegen hat sich der Herr Anwalt, von dem eher Wohlerzogenheit zu erwarten wäre, ein Mangelhaft in Betragen eingehandelt. Der hatte ihr nämlich nicht eine einzige Tür geöffnet und nicht einmal gefragt, was für einen Film sie im Kino sehen wollte, sondern einfach einen Thriller ausgesucht.

Josh dagegen wartete sogar, bis sie bequem auf dem Sitz saß, und schloss die Tür für sie, bevor er um den Wagen herumging.

Sie beobachtete ihn durch die Frontscheibe und bewunderte seinen selbstbewussten, zielstrebigen Gang. Er strahlte eine Zuversicht aus, die viele Frauen als reizvoll empfunden hätten, die aber nichts an Stacies Vorbehalten gegen Cowboys änderte.

Wie soll ich diesem netten Mann bloß beibringen, dass er nicht mein Typ ist?

2. KAPITEL

„Ich kann mich gar nicht daran gewöhnen, wie flach es hier ist“, verkündete Stacie, um das Schweigen zu brechen, das schon seit geraumer Zeit im Wagen herrschte. „Als Anna mir von ihrer Heimatstadt erzählt hat, habe ich mir einen Ort hoch in den Bergen vorgestellt, nicht in einem Tal.“

„Es ist oft enttäuschend, wenn sich die Dinge anders erweisen, als wir erwartet haben“, bemerkte Josh in abgeklärtem Ton.

„Das muss aber nicht so sein. Das Unerwartete kann auch eine angenehme Überraschung bedeuten.“

Erneut trat Stille ein.

Schließlich fragte er: „Wissen Sie eigentlich, dass ich übersinnliche Wahrnehmungen habe?“

Sie drehte sich zu ihm um. „Wirklich?“

Er nickte. „Meine übernatürlichen Kräfte senden mir gerade eine starke Botschaft.“

„Was denn für eine?“ Sie wusste nicht viel über paranormale Vorgänge, aber sie war neugierig. „Was verraten Ihnen Ihre Kräfte?“

„Wollen Sie das wirklich wissen?“

„Unbedingt.“

„Dass Sie eigentlich mit der ganzen Sache hier nichts zu tun haben wollen.“

Stacie erstarrte und vergaß einen Moment lang zu atmen. Sie wollte nicht unhöflich sein und seine Vermutung bestätigen, aber sie hasste es, zu lügen. „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Zum einen durch Ihre Bemerkungen über Cowboys.“ Sein Lächeln nahm seinen Worten jegliche Schärfe. „Zum anderen durch den Ausdruck in Ihren Augen, als Sie mich zum ersten Mal gesehen haben.“

Sie wusste, dass sie seine Gefühle verletzt hatte, auch wenn er es sich nicht wirklich anmerken ließ. Das tat ihr leid. „Sie scheinen sehr nett zu sein“, sagte sie sanft. „Es ist einfach nur so, dass ich mich zu einer anderen Sorte Mann hingezogen fühle.“

Verwirrt zog er die dunklen Augenbrauen zusammen. „Gibt es mehr als eine Sorte?“

„Na ja, Sie wissen schon“, versuchte sie stockend zu erklären. „Ich rede von Typen, die gern shoppen und ins Theater gehen. Eine metrosexuelle Sorte.“

„Sie mögen feminine Männer?“

Sie lachte über sein Entsetzen. „Nicht feminin – nur sehr einfühlsam.“

„Und Cowboys sind nicht einfühlsam?“

„Nein, das sind sie nicht“, erwiderte Stacie prompt. „Oder etwa doch?“

„Nicht wirklich.“ Josh zuckte mit einer Schulter. „Jedenfalls nicht die, die ich kenne.“

„Das dachte ich mir.“ Sie seufzte und fragte sich, warum sie enttäuscht war, obwohl sie genau diese Antwort erwartet hatte.

„Sie meinen also, dass wir als Paar keine Aussicht auf Erfolg haben“, konstatierte er tonlos.

Sie zögerte. Um fair zu sein, sollte sie ihm eine Chance geben. Aber zögerte sie dadurch nicht nur das Unvermeidliche hinaus? Trotzdem, dieser Cowboy hatte etwas an sich …

Cowboy. Dieses Wort rüttelte sie auf wie ein Guss Eiswasser. „Nicht die geringste Aussicht“, erwiderte sie entschieden.

Forschend musterte Josh ihr Gesicht; ihre Wangen wurden heiß.

„Ich weiß Ihre Aufrichtigkeit zu schätzen“, versicherte er schließlich mit ausdrucksloser Miene. „Allerdings dachte ich eine Sekunde lang, Sie könnten anderer Meinung sein. Verrückt, oder?“

Eine Sekunde lang war sie tatsächlich versucht gewesen, seine Vermutung zu widerlegen. Bis sie zur Vernunft gekommen war. Er mochte gentlemanlike sein und die leuchtendsten Augen haben, die sie je gesehen hatte, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Welten zwischen ihnen lagen.

„Das heißt allerdings nicht, dass wir uns nicht anfreunden können“, räumte Stacie ein. „Aber Sie haben sicherlich Unmengen von Freundinnen.“

„Keine ist so hübsch wie Sie.“ Er räusperte sich und drosselte das Tempo, als sie die Innenstadt erreichten. „Wenn Sie Hunger haben, können wir essen gehen. Oder ich kann Ihnen die Sehenswürdigkeiten zeigen und Ihnen etwas über die Geschichte von Sweet River erzählen.“

Stacie dachte über die Optionen nach.

„Soll ich Sie lieber nach Hause bringen?“

„Nein, nicht nach Hause.“ Da sie reinen Tisch gemacht hatten, sprach nichts dagegen, etwas Zeit miteinander zu verbringen. „Wie wäre es zuerst mit der Touristenführung? Danach können wir essen gehen, wenn uns danach zumute ist.“

„Geht in Ordnung.“

Mit offenen Fenstern fuhren sie langsam durch das Geschäftsviertel. Josh gab ihr einen amüsanten und interessanten Reisebericht, gespickt mit Anekdoten aus der Vergangenheit.

„… und dann hat der Pastor zu Anna gesagt, dass es ihm völlig egal ist, ob sie es wie ein Baby anzieht. Er hat ihr nicht erlaubt, das Lamm in die Kirche mitzubringen.“

Stacie lachte laut. „Ich kann kaum glauben, dass Anna ein Lamm als Haustier hatte.“ Ein neidischer Unterton schwang in ihrer Stimme mit. „Meine Eltern haben mir nicht mal einen Hund erlaubt.“

Er warf ihr einen Seitenblick zu und fragte überrascht: „Mögen Sie Hunde?“

„Und wie!“

„Ich auch.“ Er lachte leise. „Zum Glück. Ich habe nämlich sieben.“

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Sieben?“

„Genau.“

Unglaublich, wie ernst er wirkt, während er mir so eine faustdicke Lüge auftischt! „Wow, wir haben ja so viel gemeinsam!“ Sie machte ganz große Augen. „Sie haben sieben Hunde, und ich habe sieben rosa Straußenvögel.“

„Das war mein Ernst.“

„Ja, ja, sicher.“

„Okay, eine Hündin und sechs Welpen“, stellte er klar. „Bert, mein Blue Heeler, hat vor acht Wochen geworfen.“

„Haben Sie Bert gesagt?“

„Eigentlich heißt sie Birdie. Aber wie kann man einen Hund bloß ‚Piepmatz‘ nennen!“ Sein abfälliger Ton verriet, was er davon hielt. „Meine Mutter hat den Namen ausgesucht, weil Bert allem nachjagt, was Flügel hat.“

Stacie lachte. „Ich wette, sie sind niedlich. Die Welpen, meine ich.“

„Wollen Sie sie sehen?“

Aufgeregt richtete sie sich auf dem Sitz auf. „Darf ich?“

„Wenn Sie sich nicht an der langen Fahrt stören. Meine Ranch liegt vierzig Meilen von hier entfernt.“

Offensichtlich wollte er von vornherein klarstellen, dass sie mehrere Stunden zusammen verbringen würden, wenn sie auf den Vorschlag einging. Und er bot ihr einen Ausweg. Doch sie zögerte nicht. Sie liebte Welpen. Und sie genoss die Zeit mit Josh.

„Es ist ein schöner Tag“, sagte sie, ohne auch nur zum Himmel zu schauen. „Perfekt für einen Ausflug.“

„Machen Sie mir nichts vor.“ Das Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. „Ich habe Sie durchschaut. Die Fahrt ist Ihnen egal, genau wie das Wetter. Es geht Ihnen nur um die Hunde.“

„Aber nein“, protestierte sie, doch es gelang ihr nicht, ein Lachen zu unterdrücken.

Er hatte sie tatsächlich durchschaut. Und sie konnte nur hoffen, dass es ihr wirklich nur um die Hunde ging. Denn wenn nicht, stecke ich in ernsten Schwierigkeiten.

Wann genau habe ich eigentlich den Verstand verloren?

Diese Frage stellte sich Josh, als er vor seinem verwitterten Ranchhaus vorfuhr.

War es um ihn geschehen, als er den ersten Blick auf die dunkelhaarige Schönheit auf Annas Veranda geworfen und spontan ihre Anziehungskraft gespürt hatte? Oder als sie fasziniert seinem Geschwafel über das Wetter gelauscht hatte? Oder vielleicht, als ihre Augen beim Thema Welpen aufgeleuchtet hatten wie die Lichter an einem Weihnachtsbaum?

Wie auch immer, sie auf die Ranch mitzubringen, war ein Fehler.

Er warf ihr einen Seitenblick zu und stellte fest, dass sie sich mit großen Augen umsah. Als sie die abblätternde Fassade des Haupthauses musterte, wollte er ihr erklären, dass in der Scheune bereits sämtliche Materialien für einen neuen Anstrich bereitstanden, er aber erst das Vieh auf eine andere Weide treiben musste.

Doch er schwieg. Was sie von seinem Zuhause hielt, war unwichtig. Es gehörte ihm, und er war stolz darauf. Das Land, das am Fuß der Crazy Mountains lag und an den Gallatin Nationalpark grenzte, befand sich seit fünf Generationen im Besitz seiner Familie.

Bevor er Kristin als seine Braut in dieses Haus gebracht hatte, war es frisch gestrichen und renoviert worden. Trotzdem hatte sie es bekrittelt.

„Das ist so … so …“

Schäbig. Alt. Isoliert. Automatisch kamen ihm die Eigenschaften in den Sinn, die seine Frau – Exfrau, korrigierte er sich – ihm bei jedem Streit an den Kopf geworfen hatte.

„… beeindruckend“, schloss Stacie. Ihr Blick ruhte auf der Wiese neben dem Haupthaus, die vor lauter Vergissmeinnicht blau leuchtete. „Wie Ihr eigenes kleines Stück vom Paradies.“

Verwundert stieß Josh den Atem aus, den er unbewusst angehalten hatte.

„Oh!“, rief sie entzückt. Sie beugte sich vor, stützte die Hände auf das Armaturenbrett und beobachtete den kurzhaarigen Hund, der dem Truck entgegenlief. Abgesehen von einigen grau-weißen Flecken war sein Fell so schwarz, dass es beinahe blau wirkte. „Ist das Bert?“

Er grinste und hielt vor dem Haus an. „Das ist sie.“

„Ich kann es gar nicht erwarten, sie zu streicheln.“

Aus den Augenwinkeln sah er sie nach der Türklinke greifen. Hastig fasste er sie am Arm. „Lassen Sie mich das machen.“

„Schon gut.“ Sie versuchte, sich seinem festen Griff zu entziehen. „Ausnahmsweise erlasse ich es Ihnen, sich wie ein Gentleman zu benehmen.“

Er schloss die Finger fester um ihren Arm. Als sie vielsagend auf seine Hand starrte, erklärte er hastig: „Bert zeigt bisweilen Revierverhalten. Sie sind eine Fremde. Ich bin nicht sicher, wie sie reagieren wird.“

Er wollte ihr keine Angst machen, aber in der vergangenen Woche hatte Bert den Mann von UPS mit gebleckten Zähnen angeknurrt.

„Ach so.“ Stacie sank auf den Sitz zurück. „Natürlich. Ich weiß gar nicht, warum ich nicht selbst darauf gekommen bin.“

„Wahrscheinlich tut sie Ihnen gar nichts“, murmelte er schroff, weil er sich über seinen Beschützerinstinkt ärgerte. „Ich wollte nur kein Risiko eingehen.“

Er gab vor, ihren dankbaren Blick nicht zu bemerken, und stieg aus. Er brauchte ihren Dank nicht. Er hätte es für jede Frau getan. Sogar für die alte Miss Parsons, die ihm in der dritten Klasse immer mit dem Lineal auf die Finger gehauen hatte. Nicht nur für ein hübsches Wesen, bei dem er sich wieder wie ein Schuljunge fühlte.

Er bückte sich zu der Hündin, die vor ihm stand und wild mit der weißen Schwanzspitze wedelte, und kraulte ihr den Kopf. „Braver Hund.“

Seine Mutter hatte ihm den Hund zum Geburtstag geschenkt. Sechs Monate später war Kristin ausgezogen. Sie hatte das Tier nie gemocht. Eigentlich hatte sie zum Zeitpunkt der Trennung nichts besonders gemocht. Nicht die Ranch, nicht das Haus, nicht ihren Ehemann.

„Kann ich jetzt aussteigen?“

Josh grinste über den ungeduldigen Unterton in Stacies Stimme. Er verdrängte die Gedanken an die Vergangenheit und ging zur Beifahrertür. Bert folgte ihm auf den Fersen. „Sitz!“, befahl er ihr.

Sie gehorchte – die intelligenten bernsteinfarbenen Augen auf ihn geheftet, die Ohren gespitzt.

„Miss Summers ist eine Freundin, Bert. Sei brav“, warnte er, bevor er die Tür öffnete.

Trotzdem sträubte sich Bert das Fell im Nacken, als Stacie ausstieg. Vorsichtshalber stellte Josh sich zwischen die beiden.

„Hallo, Birdie. Ich bin Stacie“, sagte sie leise und ruhig, während sie mit ausgestreckter Faust um Josh herumging.

Zögernd schnupperte das Tier an ihrer Hand und leckte ihr schließlich die Finger.

„Danke, Birdie. Ich mag dich auch. Ich kann es nicht erwarten, deine Babys zu sehen. Ich wette, sie sind genauso hübsch wie ihre Mama.“

Verwundert beobachtete Josh, wie Bert mit dem Schwanz wedelte. Für jemanden, der ohne Haustiere aufgewachsen war, verstand Stacie es erstaunlich gut, mit Tieren umzugehen. „Der Blue Heeler ist ein Australian Cattle Dog, also ein Hütehund“, erklärte er. „Er ist für Klugheit und Treue bekannt und kann hervorragend mit Vieh umgehen. Aber kaum jemand würde ihn hübsch nennen.“

„Wie können Sie so etwas sagen!“ Sie beugte sich zu Bert vor. „Hör gar nicht auf ihn. Du bist sogar sehr hübsch.“

„Ich entschuldige mich. Möchten Sie jetzt die sechs Kleinen sehen?“

„Was für eine Frage!“ Sie richtete sich auf und nahm seine Hand. „Gehen wir.“

Ihre Hand wirkte klein in seiner, aber ihr Griff war fest und kündete von innerer Stärke.

Als Josh erfahren hatte, dass der Computer ihn mit Annas Freundin aus Denver zusammengeführt hatte, war er davon ausgegangen, dass die Ergebnisse manipuliert waren.

Nun wurde ihm bewusst, dass doch einige Gemeinsamkeiten zwischen ihnen bestanden, und dass er die Frau mochte. Das bedeutete allerdings noch lange nicht, dass sie wirklich zueinander passten.

Schon einmal hatte er sich auf eine Frau aus der Großstadt eingelassen, sich in sie verliebt und sie sogar geheiratet. Doch inzwischen war er klüger. Diesmal wollte er sein Herz nicht aufs Spiel setzen.

„Ich fühle mich schuldig.“ Josh steckte sich das letzte Stück Apfelkuchen in den Mund. „Sie haben stundenlang in der Küche gewerkt.“

Stacie lächelte über die Übertreibung. Zuerst hatten sie sehr lange mit den Welpen gespielt und Bert sämtliche Tricks vorführen lassen, die sie beherrschte – wie ein Frisbee im Sprung aus der Luft zu schnappen. Dabei waren sie hungrig geworden.

„Ich habe Sie ja gewarnt.“ Sie trank einen Schluck Kaffee und genoss das volle Aroma der Columbia-Mischung auf der Zunge. „Kochen ist ein Hobby von mir. Ich liebe es, aus praktisch nichts etwas zu zaubern.“

Er legte die Gabel auf seinen geleerten Teller. „Sie haben mich beeindruckt. Dieser Nudeltopf mit Wurst und Paprika hat geschmeckt, als käme er aus einem feinen Restaurant.“

„Und wir mussten nicht mal ausgehen.“ Sie sah sich in der modernen, im Landhausstil eingerichteten Küche um.

Wegen der vernachlässigen Fassade hatte sie das Haus mit gewissen Vorbehalten betreten, aber eine angenehme Überraschung erlebt. Denn innen war alles modern ausgestattet und außerordentlich sauber. Sie hatte ihn zu seinem ausgeprägten Sinn für Ordnung beglückwünscht und erfahren, dass er eine Haushälterin beschäftigte, die wochentags für ihn kochte und putzte.

„Ich hätte Sie gern ausgeführt“, sagte Josh nun. „Ich hoffe, Sie wissen das.“

„Ja, aber so hat es mehr Spaß gemacht.“

„Da muss ich Ihnen recht geben.“ Er lächelte, und seine Augenwinkel kräuselten sich reizvoll. Dann schob er seinen Stuhl zurück. „Wie wär’s, wenn wir den Kaffee im Wohnzimmer trinken?“

Sie stand auf und blickte von den schmutzigen Tellern auf dem Tisch zu den benutzten Töpfen in der Spüle.

„Denken Sie nicht mal daran.“ Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und schob sie zur Tür. „Ich räume später auf.“

Kurz darauf saß Stacie auf einem burgunderroten Ledersofa und lauschte seiner tiefen Stimme, während er die Geschichte vom Waldbrand zu Ende erzählte.

„Zum Glück war der Schaden an meinem Besitz nur minimal. Es hätte viel schlimmer kommen können.“

Nachdenklich musterte sie den markanten Cowboy, der in Reichweite neben ihr saß. „Sie lieben es, oder?“

Josh neigte den Kopf zur Seite. „Was denn?“

„Das Land. Das Leben hier. Ich sehe es Ihnen an. Ich höre es an Ihrer Stimme. Es ist Ihre Passion.“

„Schon als Kind wollte ich nichts anderes als Rancher sein.“ Seine Miene wurde ernst. „Dieses Land ist ein Teil von mir.“

„Was ist mit Ihren Eltern? Leben sie hier in der Gegend?“

„Direkt in Sweet River. Mein Vater leitet die Bank. Meine Mutter ist die Pflegedienstleiterin im Krankenhaus.“

„Ich dachte, Sie wären auf dieser Ranch aufgewachsen.“

„Das stimmt. Aber mein Vater hat sich nie wirklich dafür interessiert und mir alles überschrieben, sobald ich meinen Collegeabschluss in der Tasche hatte.“

„Demnach hat die Leidenschaft für das Land eine Generation übersprungen“, bemerkte Stacie leichthin.

Er zuckte mit einer Schulter. „Es ist ein wundervolles Leben, aber eindeutig nicht für jeden gemacht.“

Stacie wünschte, ihre Eltern wären ebenso tolerant eingestellt. Warum wollten sie nicht verstehen, dass sie ganz andere Ziele im Leben verfolgte? Deswegen war sie nicht in Michigan, sondern in Denver aufs College gegangen und nach dem Examen dort geblieben. Sie wollte ihre eigene Passion finden, ihre Bestimmung, anstatt ein Leben zu führen, das andere für sie ausgesucht hatten.

Ein Kojote heute in der Ferne; der Wind trug das unheimliche Geräusch durch die Fliegentür auf den Patio.

Stacie fröstelte. „Es ist so still hier draußen – so isoliert. Fühlen Sie sich nie einsam?“

Das Lächeln, das fast den ganzen Abend um Joshs Lippen gespielt hatte, verschwand. Seine Schultern versteiften sich. „Ich habe Freunde. Und ich sehe meine Eltern jede Woche mindestens ein Mal.“

„Aber Sie leben hier ganz allein.“ Sie wusste nicht, warum sie an dem Thema festhielt, aber seine Antwort erschien ihr irgendwie wichtig. „Fast eine Stunde von der Zivilisation entfernt.“

„Manchmal bin ich einsam. Aber das wird sich ändern, wenn ich erst mal eine eigene Familie habe.“

„Die Abgeschiedenheit würde mich wahnsinnig machen. Ich brauche Menschen um mich. Je mehr, desto besser.“

„Es ist wichtig zu wissen, was man will und was man nicht will.“ Seine Miene war ausdruckslos. „Ich muss eben eine Frau finden, die mit dieser Art zu leben glücklich sein kann.“

„Streichen Sie mich von der Liste“, sagte sie leichthin.

„Ich habe noch nie viel von Listen gehalten.“

Auch wenn er offensichtlich bemüht war, ihre Gefühle nicht zu verletzen, wusste sie, dass er seine Entscheidung getroffen hatte. Genau wie ich meine. Was der Computer auch ausgespuckt haben mochte, ihr und Josh war es nicht vorherbestimmt, gemeinsam in den Sonnenuntergang zu reiten.

Der Gedanke stimmte sie ein bisschen traurig. Was absolut keinen Sinn ergab. Sie nahm einen Schluck Kaffee und blickte durch die Fliegentür hinaus. „Das Gute an der Sache ist, dass wir noch nicht mal unser erstes Date hinter uns gebracht haben und bereits wissen, dass es nicht klappen wird.“

„Was ist daran so gut?“

Versteht er nicht, dass ich mich bemühe, mein Glas als halb voll statt halb leer anzusehen? „Wir brauchen keine Zeit zu verschwenden …“

„Wollen Sie damit sagen, dass der heutige Tag überflüssig war?“

Sie atmete tief durch. „Nein, aber …“

„Ich halte ihn überhaupt nicht für überflüssig. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte oder so gut gegessen habe.“

Er lächelte; ihr Puls setzte einen Schlag lang aus. Sie hätte nie gedacht, dass ein Cowboy so verführerisch auf sie wirken konnte.

Hastig stellte sie ihre Kaffeetasse auf den Tisch. „Ich sollte jetzt nach Hause gehen.“

„Noch nicht.“ Josh beugte sich zu ihr, berührte sanft ihr Gesicht und ließ die Fingerspitzen über ihre Wange gleiten.

Er will mich küssen. Er will mich küssen. Er will mich küssen …

Wie ein Mantra gingen Stacie diese Worte immer wieder durch den Kopf. Sie sagte sich, dass sie zurückweichen sollte. Distanz zwischen sie legen. Einfach Nein sagen. Schließlich war er mit Anna gut befreundet, und er suchte nach einer Frau fürs Leben. Doch anstatt sich zurückzuziehen, beugte sie sich zu ihm, schmiegte die Wange in seine Hand und genoss den Kontakt.

Josh rückte näher. So nahe, dass sie goldene Pünktchen in seinen Augen erkannte und seinen Atem auf der Wange spürte. Sie ahnte schon die Berührung seiner Lippen voraus, doch da lehnte er sich abrupt zurück und ließ die Hand sinken. „Das ist keine gute Idee.“

Das Herz wurde ihr schwer. Sie fühlte sich wie ein Kind, dem jemand das Lieblingsspielzeug wegnimmt.

Mehrere Wimpernschläge lang blickten sie einander nur stumm an.

„Sie haben recht.“ Ihr Puls hämmerte. „Es ist schon spät. Ich muss nach Hause.“ Hastig stand sie auf.

Er versuchte nicht, sie zurückzuhalten.

Als sie die Haustür erreichte, schlug Stacies Herz wieder in normalem Rhythmus. Sie blieb auf der Veranda stehen, atmete tief die frische Bergluft ein und hoffte, dass sich dadurch ihre wirren Gedanken klärten. Es war dunkel geworden, aber dank eines hellen Mondes und einem Himmel voller Sterne war ringsumher alles deutlich zu erkennen.

Aus den Augenwinkeln sah sie Bert über den Rasen auf sich zulaufen. Ihre Stimmung hob sich. Sie ging die Stufen von der Veranda hinunter, um den Hund zum Abschied zu streicheln. Als Gegenleistung bekam sie einen feuchten Kuss auf die Wange. Sie lachte und tätschelte das Tier noch einmal.

Als sie sich aufrichtete, stellte sie fest, dass Josh die Szene beobachtete. „Was soll ich sagen? Tiere lieben mich nun mal.“

„Das kann ich ihnen nicht verdenken“, glaubte sie ihn leise murmeln zu hören.

Obwohl sein Truck keine zwanzig Schritte entfernt in der Auffahrt stand, schien der Gang dorthin ewig zu dauern. Bald stellte Stacie fest, dass Kies und hochhackige Sandaletten keine gute Kombination bildeten. Ganz zu schweigen davon, dass Bert sie bei jedem Schritt mit der Schnauze stupste und näher zu Josh drängte.

Als sie den Pick-up erreichten, griff er an ihr vorbei und öffnete die Beifahrertür. Stacie atmete tief den herben Duft seines Aftershaves ein, der in ihr den Drang erweckte, „Küss den Cowboy“ zu spielen.

Doch anstatt der Versuchung nachzugeben, wich sie zurück und schuf ein gewisses Maß an Distanz zwischen ihnen. Sie beglückwünschte sich gerade zu ihrer Vernunft, als scharfe Zähne sie in die Ferse zwickten.

Vor Schreck – nicht vor Schmerz – schrie Stacie auf, machte einen Satz nach vorn und landete an Joshs breiter Brust.

Um sie zu stützen, legte er die Arme um sie. Auf sein Gesicht trat ein besorgter Ausdruck. „Was haben Sie denn?“

Sie drehte sich in seinen Armen um und warf dem Hund einen vorwurfsvollen Blick zu. „Birdie hat mich in den Fuß gebissen.“

Das Tier legte den Kopf zur Seite und wedelte langsam mit dem Schwanz. Dabei zog es die dunklen Lefzen hoch, bis es wie ein Grinsen aussah.

„In die Hufe kneifen gehört zu ihren Methoden, um Vieh zusammenzutreiben“, erklärte Josh in zerknirschtem Ton. „Das liegt in ihrer Natur.“

„Dieser Teil ihrer Natur gefällt mir gar nicht.“ Stacie drohte der Hündin mit einem Finger. „Mach das bloß nie wieder!“

Bert starrte sie einen Moment lang an. Dann hob sie eine Pfote und leckte daran.

Es zuckte um Joshs Lippen. „Das bedeutet, dass es ihr leidtut.“

„Ja, ja, sicher.“ Hätte Stacie es nicht besser gewusst, hätte sie tatsächlich geglaubt, dass Bert sie absichtlich in seine Arme katapultiert hatte.

„Nichts und niemand wird Ihnen etwas Schlimmes antun“, versprach er mit ernstem eindringlichem Blick. „Nicht in meiner Gegenwart.“

„Soll das heißen, dass der starke Cowboy mich vor dem großen bösen Hund beschützt?“, neckte sie.

„Ganz eindeutig.“ Sein Blick glitt zu ihrem Mund.

Obwohl sie wusste, dass sie mit dem Feuer spielte, legte sie ihm die Arme um den Nacken und strich mit den Fingern durch sein dichtes lockiges Haar. „Was ich wissen möchte, ist, wer mich vor Ihnen beschützen soll.“

Sie war sich nicht sicher, ob er die Frage hörte. Denn kaum hatte sie ausgesprochen, da senkte sich sein Mund auf ihren.

3. KAPITEL

„Du hast sie geküsst?“ Seth Anderssen lachte so laut, dass es durch das ganze Coffee Pot Café hallte.

Josh verzog das Gesicht, umklammerte seine Espressotasse mit beiden Händen und wünschte, er hätte den Mund gehalten. Wenn er Anna erzählt, dass ich über das Date gequatscht habe, erfährt Stacie es womöglich und denkt irrtümlich, dass ich mich für sie interessiere. Was nicht der Fall ist. Nicht im Geringsten.

„Und? Seid ihr wieder ins Haus zurückgegangen?“, fragte Seth in betont unschuldigem Ton. „Um euch näher kennenzulernen?“

„Willst du wissen, ob ich mit ihr geschlafen habe?“ Obwohl niemand in Hörweite saß, sprach Josh mit gesenkter Stimme. Als seine Ehe in die Brüche gegangen war, hatte es die Gerüchteküche zur Genüge angeheizt. Er war nicht besonders erpicht darauf, die Erfahrung zu wiederholen.

Seth musterte ihn unverwandt. „Hast du?“

„Natürlich nicht“, erwiderte Josh unverzüglich und in einem Ton, der keinen Raum für Zweifel ließ. „Wir haben uns gerade erst kennengelernt. Außerdem ist sie nicht mein Typ. Und ich bin nicht ihrer.“

Seth grinste. „Erzähl das jemandem, der es dir abnimmt.“

Obwohl die beiden sich seit eh und je gegenseitig foppten, reagierte Josh diesmal aus unerklärlichem Grund irritiert. „Sie ist Annas Freundin.“

„Und außerdem sehr hübsch.“

„Sie ist ein Stadtmensch. Eine Gewächshauspflanze, die nicht in dieses raue Klima passt.“ Genau wie Kristin.

„Es gibt bestimmte Hybridformen, die überraschend resistent sind.“

„Dann geh du doch mit ihr aus!“, konterte Josh spontan. Doch seltsamerweise störte er sich an der Vorstellung.

„Ich bin nicht ihr Idealpartner.“ Seth nahm einen Schluck Kaffee. „Das bist du.“

Eine Weile hingen die Worte in der Luft.

Schließlich entgegnete Josh: „Ich glaube nicht an diesen Unsinn. Nimm doch mal Kristin und mich. Alle haben gesagt, dass wir perfekt zusammenpassen. Wir haben nicht mal drei Jahre überstanden.“

Obwohl er längst einsah, dass die Trennung beiden gutgetan hatte, wurmte ihn das Scheitern der Ehe noch immer. Er hatte jedes Wort des Gelübdes ernst gemeint und alles dafür getan, damit die Beziehung funktionierte. Aber er hatte lernen müssen, dass beide Parteien dazu bereit sein müssen, damit eine Ehe erfolgreich wird.

„Du und die verrückte Hexe seid ja auch nicht von einem Computer zusammengebracht worden.“

„Wach auf! Du glaubst eigentlich genauso wenig an den Kram wie ich.“

„Ich habe doch den Fragebogen ausgefüllt, oder?“

„Aber bloß, weil du weißt, dass Anna dir sonst aufs Dach gestiegen wäre.“

„Da wir gerade davon reden …“ Seth heftete den Blick auf den Eingang. „Wir kriegen Gesellschaft.“

Noch bevor Josh sich umdrehte, wusste er genau, wer gemeint war. Das Klicken von hohen Absätzen war der erste Anhaltspunkt, der Duft von Jasmin der untrügliche Hinweis. „Stacie … Anna … welche Überraschung.“ Er schob seinen Stuhl zurück, um aufzustehen.

Anna winkte ab. „Bleib sitzen. Wir gehen gleich wieder. Ich habe Seths Truck auf dem Parkplatz gesehen und will ihn bloß schnell etwas fragen.“

„Was kann ich für dich tun, kleine Schwester?“

„Ich brauche mehr Männer. Ich meine, wir brauchen mehr Männer.“

Seth wandte sich an Stacie und erklärte in übertrieben mitfühlendem Ton: „Tut mir leid, wenn Josh nicht Manns genug für dich war.“

Ihre Wangen röteten sich. Hastig erklärte sie: „Das habe ich nie gesagt.“

„Seth ist ein Witzbold“, warf Josh mit einem aufmunternden Lächeln ein. Er hasste es, sie in Verlegenheit zu sehen. Ihr besorgtes Stirnrunzeln weckte seinen Beschützerinstinkt und drängte ihn, sie in die Arme zu schließen. Er zügelte das Bedürfnis und redete sich ein, dass er nur auf ihr ansprechendes Erscheinungsbild reagierte.

Schließlich sah sie mindestens so hübsch aus wie die Glockenblumen auf seiner Weide. Statt Jeans wie die meisten Frauen in Sweet River trug sie Shorts in der Farbe des Sommerhimmels und dazu ein ärmelloses weißes Hemd mit irgendetwas Blauem darunter.

Obwohl die Hose bis zur Schenkelmitte reichte und das Hemd kein bisschen durchsichtig war, erinnerte Josh sich unwillkürlich, wie sich ihr Körper an seinem angefühlt hatte. Im Geist schmeckte er sogar noch immer ihre süßen Lippen, spürte er ihr seidiges Haar an seiner Wange und …

„Ich bin dabei“, verkündete Seth. „Was ist mit dir?“

Josh schreckte aus seinen Gedanken auf und stellte fest, dass die drei ihn erwartungsvoll ansahen. Hastig erwog er seine Optionen. Sollte er zugeben, dass seine Gedanken in eine Einbahnstraße gewandert waren? Oder so tun, als wüsste er, worum es ging, und einfach mitspielen? „Mir soll’s recht sein.“

„Großartig!“ Anna lächelte. „Dann sehen wir uns um acht.“

Da ihr Anliegen geklärt war, wandten die beiden Frauen sich ab und eilten zum Ausgang, gefolgt von bewundernden Blicken der männlichen Gäste.

„Das dürfte interessant werden.“

„Was denn?“, fragte Josh.

Seth grinste mit funkelnden Augen. „Ich wusste doch, dass du gar nicht zugehört hast.“

„Stimmt. Worum geht’s denn?“

„Anna möchte, dass ich noch ein paar Jungs für die Umfrage mobilisiere. Die meisten Rancher aus der Gegend kommen heute Abend zum Tanz. Ich habe ihr versprochen, mich dabei umzuhören.“

Eine Welle der Erleichterung erfasste Josh. Eine Sekunde lang war seine Fantasie mit ihm durchgegangen. „Also müssen wir nichts weiter tun als rekrutieren?“

Ich muss nichts weiter tun. Du hast einen anderen Auftrag.“

Er erstarrte. Ihm schwante, dass ihm eine Hiobsbotschaft bevorstand. „Und der wäre?“

„Du begleitest Stacie zum Tanz. Anna meint, dass die anderen Männer sich eher eine Partnerin zuweisen lassen, wenn sie sehen, wie gut es bei dir geklappt hat.“

„Das fühlt sich nicht gut an.“ Stacie starrte in den Spiegel und runzelte die Stirn. Sie trug Bluejeans und ein langärmeliges Hemd mit Perlmuttdruckknöpfen und fühlte sich darin eher wie eine Statistin aus einem alten Western als eine gestylte Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts.

„Ich wusste es.“ Anna starrte finster auf die Boots von Tony Lama, die Stacie sich in der Stadt gekauft hatte. „Ich hab’s ja gleich gesagt. Du hättest sie eine halbe Nummer größer nehmen sollen.“

„Die passen ausgezeichnet.“ Das pinkfarbene Modell aus Ziegenleder war mit Abstand das Hübscheste, was der Jeansshop zu bieten hatte. Wenn Stiefel wirklich ein Muss bei ländlichen Tanzveranstaltungen sind, habe ich mit diesem Paar mein Statement in Sachen Mode abgegeben.

„Okay.“ Verwirrt hob Anna den Blick. „Wenn es nicht um die Stiefel geht, was passt dir denn dann nicht?“

„Das ganze Ding mit Josh und mir. Zusammen tanzen gehen. Ich will das nicht.“

Anna riss die Augen auf, als ob sie den Einwand nun zum ersten Mal hörte. Dabei führten sie diese Diskussion bereits, seit sie Josh im Coffee Pot Café um den Gefallen gebeten hatte.

Seine Zusage überraschte Stacie immer noch. Weil sie bei ihrem ersten – und bisher einzigen – Date übereingekommen waren, dass eine Romanze nicht infrage kam, ungeachtet des Abschiedskusses.

„Ich dachte, du magst ihn“, wandte Anna gekränkt ein.

„Ich habe dir doch gesagt, dass er ein wundervoller Mensch ist.“ Stacie sank auf das Bett und seufzte schwer. „Aber er ist nicht der Richtige für mich. Und das hier …“, sie befühlte den Kragen der Cowgirlbluse, „… bin nicht ich.“

Einen Moment lang reagierte Anna nicht. Dann stürmte sie durch den Raum, sodass die bunten Glitzersteine an ihrem Jeansrock im Licht funkelten, und sank neben Stacie auf das Bett. „Ich sage ja gar nicht, dass du in Sweet River bleiben und ihn heiraten sollst. Geh einfach nur mit ihm tanzen. Amüsier dich.“

„Als sein Date hinzugehen, erscheint mir so …“ Stacie suchte nach den richtigen Worten, die ihre Gefühle verdeutlichten, ohne ihre Freundin zu beleidigen.

„Hinterlistig?“

„Ja, genau. Auch wenn wir gewisse Übereinstimmungen haben, sind wir kein Paar.“

„Ich glaube, dass du einfach zu viel denkst.“

Stacie blinzelte verwundert. Solche abschätzigen Bemerkungen bekam sie normalerweise von ihren Eltern zu hören – als wäre sie zu dumm, um einen Sachverhalt auf Anhieb zu verstehen. Von ihrer Mitbewohnerin erwartete sie etwas anderes. Sie reckte das Kinn vor und setzte zu einem Protest an, doch als sie Annas Blick begegnete, sah sie keine Spur von Herablassung. Daher schwieg sie.

„Was glaubst du, warum die meisten Männer das Formular ausgefüllt haben?“, fragte Anna.

„Weil dein Bruder sie dazu gezwungen hat.“

„Gute Antwort. Warum noch?“

„Weil sie sich einsam fühlen und Seelenverwandte suchen.“

„Mag sein. Warum noch?“

Stacie zuckte die Schultern.

„Bei Laurens Studie geht es nicht wirklich um Ehen, ja nicht mal um langfristige Beziehungen.“

„Sondern?“, fragte Stacie verwundert. „Ich habe zwar das genaue Thema der Dissertation nicht im Kopf, aber ich war überzeugt, dass es sich unterm Strich um Eheanbahnung dreht.“

„Du und Josh habt doch viel gemeinsam, stimmt’s?“

Stacie gab vor, darüber nachzudenken. Dann antwortete sie sarkastisch: „Oh ja! Ich koche gern, er isst gern.“

Es zuckte um Annas Lippen. „Was noch?“

„Wir beide lieben Tiere. Man kann sich gut mit ihm unterhalten.“

„Du hast seine Gesellschaft genossen und er deine.“

Stacie nickte. Sie konnte es nicht leugnen. Als er sie nach dem Date nach Hause gebracht hatte, war er sogar einen Umweg gefahren, damit ihnen mehr Zeit miteinander blieb. Geküsst hatten sie sich zwar nicht mehr, doch der Blick in seinen Augen hatte ihr verraten, dass er nicht abgeneigt gewesen wäre.

„Einige der Männer, die an der Umfrage teilnehmen, suchen wirklich eine Ehefrau.“ Anna stand auf, stellte sich vor den Spiegel und band ihr langes blondes Haar zu einem Pferdeschwanz hoch. „Aber andere wären damit zufrieden, einfach jemanden kennenzulernen, der ihre Gesellschaft genießt. Jemanden zum Ausgehen und Spaß haben. Jemanden, der ihr Freund ist und ihnen die Einsamkeit ein wenig vertreibt.“

Stacie dachte zurück an den Abend mit Josh. Sie hatte sich amüsiert und wusste, dass es ihm ebenso ergangen war. Vielleicht reicht das wirklich.

„Okay, ich mache es“, willigte sie ein wenig widerstrebend ein und hoffte, dass es kein Fehler war. „Aber ich weigere mich, einen Hut zu tragen. Und Squaredance kommt absolut nicht infrage.“

Übermütig wirbelte Stacie über den Tanzboden, sodass die pinkfarbenen Stiefel nur so über das ausgestreute Sägemehl flogen. Ihr Atem kam in kurzen Stößen, das Herz hämmerte einen fröhlichen Rhythmus in ihrer Brust.

Das große, ganz aus Holz gebaute Haus, das als Gemeindezentrum von Sweet River diente, war zum Bersten voll. Das Parkett war speziell für diesen Anlass ausgelegt worden und nahm über ein Drittel des riesigen Saales ein. Der restliche Raum war mit Tischen ausgestattet, die mit rot-weiß karierten Tüchern und Körben voller Erdnüsse gedeckt waren.

An einer Wand war ein Büfett aufgebaut – von den Frauen aus der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Daneben stapelten sich Bierfässer.

Viele jüngere Paare hatten den Tanzboden verlassen, sobald der Ausrufer einen Squaredance angekündigt hatte. Doch Stacie und Josh waren geblieben.

Sie rückte sich seinen Cowboyhut zurecht und lächelte dabei vor sich hin. Eigentlich war sie fest entschlossen gewesen, keine Kopfbedeckung zu tragen. Doch dann hatte er ihr seinen Stetson aufgesetzt und sie zum hübschesten Cowgirl erklärt, das ihm je unter die Augen gekommen war. Seitdem gefiel es ihr, „gut behütet“ zu sein. Und sie hatte es nicht übers Herz gebracht, ihm einen Korb zu geben, als er sie zum Squaredance aufgefordert hatte.

Zu ihrer Verwunderung amüsierte sie sich prächtig, obwohl der Tanzstil sich als unerwartet anstrengend erwies, ihr Herz zum Rasen brachte und ihr den Atem raubte.

Als der Ausrufer ein neues Programm ankündigte und Josh sie fragend anblickte, schüttelte sie entschieden den Kopf. Kaum hatten sie die Formation verlassen, als ein älteres Paar ihre Plätze einnahm. Obwohl die Mitternacht bereits nahte, war die rauschende Party noch immer in vollem Gang.

Während Stacie sich einen Weg zwischen den Tischen hindurch bahnte, wurde sie von einem betrunkenen Cowboy angerempelt.

Josh legte ihr einen Arm um die Schultern, schirmte sie mit seinem Körper vor dem Rowdy ab und warnte: „He, pass gefälligst auf, wohin du trittst, Danker! Du hättest die Lady fast über den Haufen gerannt.“

Dieser Danker, der mindestens hundertfünfzig Kilo wog, blieb abrupt stehen und wirbelte herum.

Große schwere Typen erweckten eigentlich Unbehagen bei Stacie. Nicht aber dieser Mann. Mit seinen schokobraunen Augen und dichten lockigen Haaren wirkte er nicht wie ein Grizzly, sondern wie ein Teddybär. Ein riesiger, betrunkener Teddybär.

„Was habe ich gemacht?“ Sein glasiger Blick glitt von Josh zu Stacie. Dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Oh, ist sie das? Deine neue Flamme?“

„Das ist Stacie Summers“, erwiderte Josh und stellte ihr den Mann als seinen Freund Wes Danker vor.

Sie erfuhr, dass Wes auf seiner Ranch Schafe züchtete und erst vor Kurzem nach Sweet River zurückgekehrt war, nachdem er sich eine Weile als Broker an der Wall Street betätigt hatte.

„Ich brauche was zu trinken!“, brüllte er und unterstrich seine Worte mit einem lauten Rülpser.

„Schrei hier nicht so rum!“, verlangte Josh in gespielt strengem Ton. „Versprich mir lieber, dass du heute Nacht nicht mehr Auto fährst, sondern deinen Rausch hier in der Stadt ausschläfst.“

Wes heftete den Blick auf Stacie. Seine Miene erhellte sich. „Ich kann ja bei dir schlafen. Wenn du nichts dagegen hast.“

Josh kniff die Augen zu silberblau glitzernden Schlitzen zusammen. „Das wird garantiert nicht passieren.“

Wes lachte laut. „Das war doch bloß ein Witz. Ich weiß, dass sie dir gehört.“ Abrupt wurde er ernst. „Ich hätte auch gern eine Frau.“

In diesem Moment tauchte Seth auf und warf ein: „Deswegen musst du bei der Umfrage mitmachen, wie ich es dir gesagt habe, Kumpel. Wenn du eine Frau willst, dann füll das Formular aus.“

„Ich kriege bestimmt trotzdem keine ab.“ Wes knöpfte einem Mann, der gerade zufällig an ihm vorbeikam, zwei volle Plastikbecher mit Bier ab und trank nacheinander aus beiden.

Der Bestohlene lachte nur und verschwand in der Menge.

„Das kannst du nicht wissen, solange du es nicht versuchst“, argumentierte Seth. „Denk doch bloß mal an Collins. Wer hätte je gedacht, dass der eine passende Frau findet?“

Josh stieß ihm gutmütig mit dem Ellbogen in die Rippen. „He, pass auf, was du da sagst!“

„Ich will eine, die genau so hübsch ist wie die da“, entschied Wes, als ob er sich eine Bratwurst bestellte. Dabei musterte er Stacie unverwandt.

Bildete sie es sich nur ein, oder umfasste Josh ihre Schultern ein wenig fester?

Seth klopfte dem Hünen auf den Rücken. „Geh morgen zu Anna und füll den Fragebogen aus. Dann wird’s schon klappen.“

„Okay.“ Wes trank das Bier in seiner rechten Hand aus und zerquetschte den Plastikbecher zwischen seinen fleischigen Fingern. „Ich muss mal pinkeln.“

Stacie unterdrückte ein Lachen, als er davontaumelte. „Ich kann ihn mir überhaupt nicht an der Wall Street vorstellen.“

Josh schmunzelte. „Er war aber richtig gut. Hat Unmengen von Geld gescheffelt.“

„Sieht ganz so aus, als ob er sich an der Umfrage beteiligt.“ Sie warf Seth einen anerkennenden Blick zu. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein fantastischer Anwerber bist?“

Er zwinkerte ihr zu. „Ich bin noch nicht fertig. Mir fehlen fünf Leute. Dann habe ich mein Soll erfüllt.“ Und damit schlenderte er zu einer Gruppe Cowboys am Tisch nebenan.

„Ich hoffe, dass Wes jemanden findet.“ Josh wirkte nachdenklich. „Auch wenn er heute Abend nicht in bester Verfassung ist, er ist ein netter Kerl. Es war schwer für ihn, hierher zurückzukommen und die Ranch zu übernehmen, als sein Vater krank wurde. Ich weiß, dass er sich einsam fühlt.“

Stacie bekam Mitgefühl mit dem sanften Riesen. In den letzten Wochen hatte sich immer wieder bestätigt, was sie von Anna und Lauren wusste: In dieser Gegend gab es für die vielen Männer einfach nicht genug Frauen. Bei dieser Veranstaltung stand das Verhältnis drei zu eins.

„Seth legt sich mächtig ins Zeug für diese Umfrage“, murmelte Stacie, während Josh sie zu einem Tisch führte. „Wesentlich mehr, als man meinen sollte.“

„Er liebt seine Schwester.“ Josh rückte ihr einen Stuhl zurecht und setzte sich neben sie.

In ihren Augen war er mit Abstand der attraktivste Mann im Raum. Sie atmete tief ein. Er roch auch sehr gut. Der markante Duft seines Aftershaves ließ ihren Puls rasen.

„Er ist sehr froh darüber, dass sie wieder hier ist.“

„Meine Eltern und Geschwister wären auch glücklich, wenn ich wieder in Ann Arbor wäre“, bemerkte sie mit einem wehmütigen Lächeln. „Es ist schwer für sie, aus der Ferne über mein Leben zu bestimmen.“

Er nahm eine Handvoll Erdnüsse aus dem Korb, der mitten auf dem Tisch stand, und legte ihr einige hin. „Du hast deine Familie neulich gar nicht erwähnt.“

„Sei froh“, flüsterte sie mit schauriger Stimme. „Da kannst du sogar verdammt froh sein.“

Wider Erwarten lachte Josh nicht. Er hielt den Blick auf ihr Gesicht geheftet, während er eine Nuss knackte. „Ihr kommt wohl nicht besonders gut miteinander aus.“

„Das kann man so nicht sagen.“ Stacie bemühte sich um einen leichten Tonfall, weil sie nicht zu den Leuten gehören wollte, die ständig über ihr Leben oder ihre schreckliche Kindheit jammerten. Es hätte viel schlimmer kommen können. Schließlich kann man hohe Erwartungen an sein Kind kaum als Misshandlung bezeichnen. „Meine Angehörigen sind alle sehr erfolgreich. Ich bin sozusagen das schwarze Schaf.“

Er forschte in ihren Augen. „Zu glauben, dass deine Familie dich und deine Leistung nicht anerkennt, muss wehtun.“

Sie ließ sich nicht anmerken, dass ihr sein mitfühlender Ton unter die Haut ging. „Deren Meinung kümmert mich nicht. Jedenfalls meistens nicht.“

Um seinen wachsamen Blick unauffällig zu meiden, nahm sie sich eine Nuss, schälte sie bedachtsam und steckte sie sich in den Mund.

Als sie Josh wieder ansah, hatte sie ihre Gefühle wieder fest im Griff. „Wahrscheinlich haben sie recht mit ihrer Einschätzung.“

„Das glaubst du doch selbst nicht.“

Stacie zögerte. Sie wollte nicht lügen, sah aber auch keine Veranlassung, ihm ihr Herz auszuschütten. „Manchmal schon. Dann wieder sage ich mir, dass ich Erfolg nur anders definiere als sie.“

„Genau so ist es mir im College ergangen.“ Auf sein Gesicht trat ein entrückter Ausdruck. „Die meisten meiner Kommilitonen waren nur darauf aus, Geld zu machen. Ich dagegen wollte nichts anderes, als hierher zurückkommen und Rancher werden.“

„Das will ich auch.“ Erst seine verblüffte Miene machte ihr bewusst, was sie da gesagt hatte. Sie lachte. „Nein, nein. Ich wollte nie und will nicht Rancher werden. Ich will einfach nur glücklich und zufrieden mein Lebenswerk verrichten. Aber im Gegensatz zu dir habe ich den Weg zu meiner Glückseligkeit noch nicht entdeckt.“

In ernstem Ton fragte er: „Wenn du die freie Wahl hättest, was würdest du dann tun?“

Sie spürte, dass es ihn aufrichtig interessierte. Doch leider hatte sie im Laufe der Jahre gelernt, wie gefährlich es war, anderen Menschen ihre Träume anzuvertrauen, und dass die meisten Männer über ihr Leben bestimmen wollten. Josh wirkte jedoch nicht wie ein Machotyp auf sie.

Er schien ihre Bedenken zu ahnen und lächelte sie aufmunternd an. „Komm schon, sag’s mir. Ich kann ein Geheimnis hüten.“

Vielleicht hatte sie sich auf dem Tanzboden zu sehr verausgabt, und ihr Verstand litt an Überhitzung. Möglicherweise lag es aber auch an dem Wissen, dass für Josh Geld nicht alles war. Oder der Biergenuss hatte ihre Zunge gelockert.

Jedenfalls eröffnete Stacie: „Ich würde eine Cateringfirma gründen und tolle innovative Gerichte erfinden. Es gibt nichts, was ich mehr liebe, als Partys auszurichten und zu kochen und kreativ zu sein. Das jeden Tag tun zu können, wäre unglaublich.“

Eine atemberaubend intensive Sehnsucht stieg in ihr auf. Sie hatte geglaubt, diesen Traum längst begraben zu haben. Doch nun wurde ihr klar, dass der Wunsch immer noch in ihr schlummerte.

„Nach dem Dinner zu urteilen, das du neulich gemacht hast, wärst du garantiert erfolgreich. Aber ich denke mir, dass du in einer größeren Stadt arbeiten müsstest, damit du genug Kundschaft bekommst, um davon leben zu können.“

„Ich habe vor einigen Jahren einen Businessplan aufgestellt.“ Eigentlich hatte sie nur auf Drängen ihres Vaters Betriebswirtschaft studiert. Doch gelegentlich erwiesen sich die erworbenen Kenntnisse als nützlich. „Das Resultat hat mich überrascht.“

„Was hat sich denn ergeben?“

„Dass es nicht New York oder Los Angeles sein müsste. Nicht mal eine Stadt in der Größe von Denver. Eine Population von zweihunderttausend würde reichen.“

„In diesem Teil der Welt müsstest du die Einwohner von Billings, Missoula und Great Falls zusammenzählen, um über zweihunderttausend zu kommen.“

„Wow! Mir war gar nicht klar, dass diese Städte so klein sind. Ich …“

Lauren kam an den Tisch und eröffnete: „Stacie, du musst sofort mitkommen.“

In hautengen Jeans und Cowboyhut passte sie perfekt in die Western-Kulisse. Ihre Mission an diesem Abend bestand darin, sich unter die Leute zu mischen und so viel wie möglich zu tanzen. Anna und Stacie sollten es ihr gleichtun – zu Reklamezwecken.

Doch Stacie wollte sich nicht wieder auf das Parkett locken lassen. Ihre Füße taten weh und sie genoss das Gespräch mit Josh zu sehr, um es so abrupt abzuwürgen. „Ich bin gerade beschäftigt.“

„Ich fürchte, es kann nicht warten. Oder besser gesagt, dein Bruder kann nicht warten. Er besteht darauf, sofort mit dir zu sprechen.“

Vor Schreck klammerte sie sich unwillkürlich an Joshs Arm. Paul rief regelmäßig bei ihr an, zumeist wegen irgendwelcher Stellenangebote, die sie seiner Meinung nach erwägen sollte. Aber er meldete sich niemals an einem Samstagabend. Das Wochenende gehörte ganz und gar seiner Familie. Demnach musste ein Notfall eingetreten sein.

Und warum hat er nicht direkt bei mir angerufen? Weil er eine schlechte Nachricht für mich hat und weiß, dass ich moralische Unterstützung brauche?

Sie sprang auf. „Hat er dir gesagt, was passiert ist? Ist meinen Eltern etwas zugestoßen?“, fragte sie aufgeregt. Ihre Beziehung zueinander mochte zuweilen angespannt sein, aber sie liebte ihre Familie innig.

Josh stellte sich zu ihr und legte ihr einen Arm um die Taille.

Lauren schüttelte den Kopf. „Paul ist nicht am Telefon, sondern hier. Er wartet am Eingang auf dich.“

„Warum sollte er den ganzen Weg nach Sweet River kommen, wenn es nicht um einen Notfall geht?“

„Das weiß ich nicht. Aber ich habe ihn nach der Familie gefragt, und er hat gesagt, dass alles in Ordnung ist.“

„Gott sei Dank!“ Stacie atmete tief durch und straffte die Schultern. „Bring mich zu ihm.“

„Ich komme mit“, entschied Josh.

„Nein“, wehrte sie schärfer als beabsichtigt ab. Dann lächelte sie besänftigend. „Danke, aber lieber nicht.“

Sie wollte unbedingt vermeiden, dass Paul einen falschen Eindruck von ihrer Beziehung zu Josh bekam und ihn deshalb auf seine typisch herablassende Art behandelte.

„Bist du sicher?“

„Absolut.“ Sie nahm sich den Hut ab und setzte ihn Josh auf den Kopf. „Danke für die Leihgabe.“

„Ich würde trotzdem gern wissen, warum er hier ist.“

„Keine Ahnung. Aber ich werde es herausfinden.“

Von einem Schub Adrenalin angetrieben, bahnte Josh sich einen Weg durch die Menschenmenge zum Ausgang. Obwohl es sich nicht um ein Date im traditionellen Sinn handelte, war Stacie mit ihm zu diesem Fest gekommen. Das bedeutete, dass er für ihre Sicherheit verantwortlich war.

Am Vordereingang traf er wider Erwarten nicht auf sie und ihren Bruder, sondern auf Pastor Barbee und dessen Ehefrau.

„Haben Sie Stacie Summers gesehen?“, fragte Josh. „Ich meine Annas Freundin, mit der ich vorhin getanzt habe.“

Mrs. Barbee nickte anerkennend. „Die hübsche Dunkelhaarige mit den pinkfarbenen Stiefeln?“

„Ja, genau.“

„Sie ist nach draußen gegangen“, sagte der Pastor.

„Zusammen mit einem Mann“, fügte Mrs. Barbee mitfühlend hinzu. „Er sah sympathisch aus, aber längst nicht so gut wie Sie.“

Josh wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Also ließ er es dabei bewenden und bedankte sich nur für die Auskunft. Er stieß die Tür auf und trat hinaus in die kühle Nachtluft, blieb auf dem Bürgersteig stehen und suchte die vertraute Straße ab. Am Ende des Häuserblocks fand er sie.

Sie stand mit ihrem Bruder neben einer Luxuslimousine, dem neuesten Modell des Lincoln MKS. Obwohl sie abwehrend die Arme vor der Brust verschränkt hielt und stocksteif dastand, schien sie nicht in Schwierigkeiten zu stecken.

Demnach diktierte es eigentlich der Anstand, sich abzuwenden, um ihre Privatsphäre nicht zu verletzen. Aber Josh hatte ein unangenehmes Gefühl – und gelernt, auf sein Bauchgefühl zu hören. Deshalb lehnte er sich an die Mauer und behielt das Paar im Auge.

Er war fest entschlossen, sich herauszuhalten – bis sie aufgebracht die Stimme erhob und der Mann in dem eleganten dunklen Anzug sie sehr ungalant am Arm packte.

Da stürmte Josh unverzüglich zu ihnen. „Nehmen Sie die Hände von ihr!“, knurrte er. In meiner Gegenwart legt niemand Hand an Stacie – Bruder hin oder her.

Paul ließ ihren Arm los und wirbelte mit finsterer Miene herum.

Selbst wenn Josh nicht gewusst hätte, dass die beiden Geschwister waren, hätte die Ähnlichkeit es ihm verraten. Obwohl ihr Bruder einen guten Kopf größer und sein Haar eine Spur heller war, kündeten die mandelförmigen Augen und die aristokratische Nase von einer engen Verwandtschaft.

„Ich weiß ja nicht, wie es da ist, wo Sie herkommen“, fuhr Josh fort, „aber hier fassen wir eine Frau nicht so grob an.“

Verärgert kniff Paul die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

Stacie wich einen Schritt zurück, was sie näher zu Josh brachte. Wie selbstverständlich legte er ihr einen Arm um die Schultern, doch sie schüttelte ihn ab und machte damit klar, dass sie diesen Kampf allein ausfechten wollte.

Mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen sagte Paul höhnisch zu ihr: „Erzähl mir bloß nicht, dass du die Chance deines Lebens für einen heruntergekommenen Cowboy wegwirfst!“

„Er ist nicht der Grund, aus dem ich Nein gesagt habe“, entgegnete sie in ruhigem Ton. „Josh ist ein Bekannter, nicht mein Freund.“

Innerlich kochte Josh. Bekannter? Er war mit der Bibliothekarin in der Stadt bekannt, aber sie hatte er nie wie Stacie in den Armen gehalten oder geküsst.

„Dann ergibt deine störrische Weigerung noch weniger Sinn“, konstatierte Paul. „Warum solltest du so ein hervorragendes Angebot ablehnen?“

„Das versuche ich dir schon die ganze Zeit zu erklären. Aber du unterbrichst mich ja dauernd.“

Josh grinste. Er kannte sie erst seit Kurzem, aber selbst er wusste, dass sie sich nicht so leicht unterkriegen ließ.

Paul verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt bin ich ganz Ohr.“

Obwohl seine Körpersprache nicht auf die Bereitschaft schließen ließ, irgendeine Position außer seiner eigenen gelten zu lassen, klang sein Ton versöhnlich.

Ihre Schultern entspannten sich; ein Hoffnungsschimmer trat in ihre Augen. „Ich wollte nie in einem Riesenkonzern arbeiten“, erklärte sie sanft. „Das bin einfach nicht ich.“

„Aber diese Anstellung bietet dir die Chance, deine Kenntnisse in Betriebswirtschaft sinnvoll einzusetzen und dazu in unserer Nähe zu leben.“

Sie öffnete den Mund zu einer Entgegnung.

Doch Paul fuhr fort, ohne Luft zu holen: „Es ist nicht mal ein Einstellungsgespräch erforderlich. Der Geschäftsführer ist ein Freund von mir und bereit, dich allein aufgrund meiner Empfehlung zu engagieren.“

Stacie hob eine Hand, um seinen Redefluss zu unterbrechen.

Doch er ließ sich nicht bremsen. „Das Beste ist, dass du schon nächste Woche anfangen kannst.“ Er klopfte auf die Tasche seines Jacketts. „Ich habe zwei Rückflüge. Du kannst schon morgen wieder zu Hause sein.“

Ein eisiger Schauer lief Josh über den Rücken bei dem Gedanken, dass sie schon so bald fortgehen könnte.

„Ich komme nicht nach Ann Arbor zurück.“ Trotzig reckte sie das Kinn vor. „Nicht morgen. Nicht mal in einer Woche, einem Monat oder einem Jahr.“

Lange Zeit forschte Paul stumm in ihrem Gesicht.

Schließlich sagte er enttäuscht: „Ich verstehe dich nicht. Du hast Freunde und Verwandte zu Hause, die dich vermissen. Und jetzt wird dir ein großartiger Job auf einem Silbertablett serviert. Warum denkst du nicht wenigstens darüber nach?“

Josh musste sich eingestehen, dass Pauls Worte aufrichtig und seine Argumente überzeugend klangen.

Doch Stacie zeigte sich ganz und gar nicht beeindruckt. „Wie oft muss ich es dir denn noch sagen? Ich will nicht hinter einem Schreibtisch hocken.“ Ihre Augen blitzten. „Ich habe nur deshalb Betriebswirtschaft studiert, weil Daddy darauf bestanden hat.“

„Er möchte, dass du ein schönes Leben hast. Eine gesicherte Zukunft.“ Pauls Ton machte deutlich, dass er denselben Standpunkt vertrat. „Er hat dich lieb, Stacie. Wir alle. Und wir machen uns Sorgen um dich.“

Sarkastisch zog sie eine Augenbraue hoch.

„Also gut, ich bin es, der sich Sorgen macht.“ Er warf einen Seitenblick zu Josh. „Schick den Cowboy auf seine Ranch zurück. Das ist eine Familienangelegenheit.“

Josh rührte sich nicht vom Fleck. Obwohl es ihm nicht sonderlich Spaß machte, ein privates Gespräch zu belauschen, war er erst bereit zu gehen, wenn sie ihn darum bat.

„Er bleibt“, entschied sie.

Paul atmete tief durch. „Mom und Dad wollten immer nur das Beste für dich. Wir alle wollen das.“

Sie trat einen Schritt vor und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Leider deckt sich das, was ihr für das Beste für mich haltet, nicht mit dem, was ich will.“

Zorn blitzte in seinen Augen auf. „Was willst du denn? Dein Leben damit zubringen, anderer Leute Hunde Gassi zu führen? In einem Coffeeshop zu servieren? Oder vielleicht willst du ja einen Cowboy heiraten und irgendwo am Ende der Welt leben?“

Stacie zog abrupt die Hand zurück. Ihre Wangen wurden rot, als wäre sie geschlagen worden. Dennoch verriet der Ausdruck in ihren Augen, dass er sie durch seine harten Worte nicht einschüchterte, sondern vielmehr den eventuell gutgemachten Boden wieder verlor.

„Mir ist egal, was du von meinen Entscheidungen hältst.“ Ihre Stimme klang eiskalt, im krassen Gegensatz zu Pauls hitzigen Argumenten. „Nur weil ich eigene Ziele habe und mir andere Dinge vom Leben erhoffe …“

Er presste die Lippen zusammen, rang deutlich um Beherrschung. „Du und Amber Turlington musstet ja immer nach eurer verdammten Glückseligkeit streben!“

Autor

Sherryl Woods

Über 110 Romane wurden seit 1982 von Sherryl Woods veröffentlicht. Ihre ersten Liebesromane kamen unter den Pseudonymen Alexandra Kirk und Suzanne Sherrill auf den Markt, erst seit 1985 schreibt sie unter ihrem richtigen Namen Sherryl Woods. Neben Liebesromanen gibt es auch zwei Krimiserien über die fiktiven Personen Molly DeWitt sowie...

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Kara Lennox
Kara Lennox hat mit großem Erfolg mehr als 50 Liebesromanen für Harlequin/Silhouette und andere Verlage geschrieben.
Vor ihrer Karriere als Liebesromanautorin verfasste sie freiberuflich Hunderte Zeitschriftenartikel, Broschüren, Pressemitteilungen und Werbetexte. Sogar Drehbücher hat sie geschrieben, die das Interesse von Produzenten in Hollywood, New York und Europa weckten.
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