Bianca Weekend Band 35

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TAUSCHE GLAMOUR GEGEN LIEBE von SUSAN CROSBY

Nach einem Skandal braucht Hollywoodstar Maggie McShane dringend einen Mann. Spontan schlägt sie dem attraktiven Rancher Tony Young eine Ehe auf Zeit vor – und findet sich kurz darauf auf seiner Ranch als seine Frau wieder. Ein völlig neues Leben, das ihr ungeahnt gut gefällt …

DIE SEHNSUCHT DES PFERDEFLÜSTERERS von STELLA BAGWELL

Gabe hat sich damit abgefunden, dass Mercedes, schöne Erbin der Sandbur-Ranch, in ihm nur den Mann sieht, der ihre Rassepferde trainiert. Bis sie ihn auf einer Party zum Tanzen auffordert. Gabe spürt: Zwischen ihnen ist alles möglich – wenn er sich traut, ihr sein Herz zu öffnen …

HAT UNSER GLÜCK EINE CHANCE? von CHRISTINE RIMMER

Beinahe hätte Grant die Leiterin seiner Ranch nicht wiedererkannt. Stephanie ist eine wunderschöne Frau geworden. Stundenlang möchte er mit ihr reden, sie küssen – und vergessen, warum er eigentlich hier ist: Die Ranch soll verkauft werden. Hat ihr Glück überhaupt eine Chance?


  • Erscheinungstag 19.07.2025
  • Bandnummer 35
  • ISBN / Artikelnummer 8053250035
  • Seitenanzahl 400

Leseprobe

Susan Crosby, Stella Bagwell, Christine Rimmer

BIANCA WEEKEND BAND 35

Susan Crosby

1. KAPITEL

Maggie McShane schob ihre Schwäche für Cowboys auf die einstige Tradition, sich im Kreise der Familie alte Filme mit The Duke John Wayne anzuschauen. Glückliche Kindheitserinnerungen stiegen in ihr auf, als ein Cowboy mit einem Stetson in der Hand auf das Filmset schlenderte.

Äußerlich konnte er durchaus mit dem Duke mithalten, vom dichten braunen Haar über die blauen Augen bis hin zu der überdurchschnittlichen Körpergröße. Er schien sie mit seinem bohrenden Blick ins Visier zu nehmen. Mit Mühe wandte sie sich ab und versuchte, sich auf die nächste Szene zu konzentrieren, die vor einer alten Scheune auf einer Ranch in Arizona spielte.

„Dein Stichwort, Maggie!“, rief Mac Iverson, der Regisseur.

„Achtung, Aufnahme!“

Die Einstellung endete mit einer Nahaufnahme ihres Gesichts, bei der ihre Miene Entschlossenheit, aber auch einen Anflug von Unsicherheit widerspiegeln sollte.

„Schnitt! Noch mal von vorn. Diesmal bitte ein bisschen mehr Ausdruck.“

„Okay.“ Sie fragte sich, wer der Cowboy sein mochte. Warum war er am Set? Wer gab ihm …

„Schnitt! Wo hast du heute bloß deinen Kopf?“, wollte Mac wissen.

Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und sah Verwunderung auf seinem Gesicht. Denn eigentlich war sie immer bestens vorbereitet und auf Stichwort parat. Allein der faszinierende Cowboy war schuld an ihrer Verwirrung. „Tut mir leid, Mac.“

„Schon gut. Versuch’s gleich noch mal. Action!“

Der Cowboy setzte sich den Hut auf den Kopf. Seine glänzenden Haare waren nur noch im Nacken zu sehen, wo sie sich über dem Kragen lockten.

„Schnitt!“ Mac trat zu ihr. „Brauchst du eine Pause? Oder was ist los?“

„Es ist die Hitze“, behauptete sie. Es war ihr peinlich, dass sie nicht so professionell wie üblich agierte. „Diesmal klappt es. Ich verspreche es.“

Nach zwei weiteren Klappen war Mac endlich zufrieden und die Szene im Kasten. Am Set kehrte wieder lärmende Betriebsamkeit ein.

Leesa Post, ihres Zeichens persönliche Assistentin, trat mit ihrem allgegenwärtigen Notizbuch in der Hand zu Maggie. „Wie es aussieht, kommen wir heute früh hier weg. Was hast du zum Dinner vor?“

„Zimmerservice. Aber zuerst eine lange heiße Dusche. Ich habe Staub in jeder Pore.“

„Arizona im September ist eine ziemlich trockene Angelegenheit.“

„Das habe ich inzwischen auch schon gemerkt.“ Maggie senkte die Stimme. „Wer ist eigentlich der Cowboy, der da gerade mit Mac redet?“

„Keine Ahnung. Soll ich es herausfinden?“

Sie zögerte. Er weckte zu viele Erinnerungen an ihre Kindheit und verwirrte sie auch in anderer Hinsicht. Das war nicht gut. Und doch wollte sie Näheres wissen. „Wenn du kannst. Aber bitte diskret.“

Leesa grinste. „Vergiss nicht, dass du verlobt bist.“

Maggie rieb sich den linken Ringfinger, aber der Verlobungsring aus Platin und Diamanten, den Scott Gibson ihr vor drei Wochen geschenkt hatte, war in der Tasche ihres Bodyguards verwahrt. „Ich bin nicht auf ein Date aus. Ich bin nur neugierig. Mac lässt nicht viele Fremde auf sein Set.“

„Womöglich ist er ein Geldgeber. Ich bin gleich wieder da.“

Die beiden Frauen waren bereits fünfundzwanzig Jahre miteinander befreundet, seit sie als Sechsjährige gemeinsam in einer Sitcom mitgewirkt hatten. Da Leesa weniger schauspielerisches als organisatorisches Talent besaß, war sie ohne Zögern auf die andere Seite der Kamera gewechselt, als Maggie Karriere gemacht und eine Assistentin gesucht hatte.

Nach wenigen Minuten kehrte Leesa zurück. „Er heißt Tony Young. Ihm gehört diese Ranch.“

„Ist er so groß, wie er von Weitem aussieht?“

„Fünfundneunzig Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung kann mir auf den Kopf spucken. Für mich ist jeder groß.“

„Ich wollte dir schon längst sagen, dass es allmählich Zeit für dich wird, deine Wurzeln zu düngen.“

„Haha! Sehr witzig. Mac sagt, dass du jetzt gehen kannst und morgen früh um Punkt sieben wieder antreten sollst. Ich habe dein Skript, und Dino holt schon den Wagen.“

Um zu ihrem Wohnwagen zu gelangen und das Filmkostüm gegen ihre Straßenkleidung zu tauschen, musste Maggie an Tony Young vorbeigehen. Die guten Manieren verlangten, dass sie sich ihm vorstellte, aber selbst aus der Ferne strahlte er etwas Aufregendes aus, das sie zögern ließ.

Bestimmt lag es nur an seiner Ähnlichkeit zu John Wayne, die eine emotionale Verbindung zu ihren Eltern herstellte und an die gemeinsamen Zeiten erinnerte. Obwohl sie vor langer Zeit gestorben waren, schmerzte der Verlust noch immer. Aus diesem Grund hatte sie sich lange geweigert, in einem Western mitzuspielen. Nun hielt sie sich endlich bereit dafür. Sollte das ein Irrtum sein?

„He, Maggie.“ Pete, einer der Kameraleute, trat zu ihr. „Ein paar von uns wollen rüber zum Red Rock Saloon drüben in Sedona. Wir haben ihn vor ein paar Tagen getestet und für gut befunden. Kommst du mit?“

„Danke, Pete, aber ich bin total erledigt. Ein andermal gern. Okay?“

„Abgemacht.“

„Ist es eine echte Westernbar?“

„Scheint so. Jedenfalls ist es kein piekfeiner Laden, so viel ist mal sicher. Und es gibt Billardtische.“ Er grinste, denn er wusste genau, wie sehr sie Poolbillard liebte.

„Dann solltest du dir lieber was von deinem hart erarbeiteten Lohn aufheben, bis ich mitkomme.“ Sie wandte sich zu ihrem Wohnwagen um und stellte fest, dass der Cowboy inzwischen verschwunden war. Sie atmete auf. Die Entscheidung war ihr abgenommen.

Jetzt hab ich seine Stimme gar nicht gehört und weiß nicht, ob er auch wie der Duke klingt …

Welch alberner Gedanke!

Als sie eine halbe Stunde später zum Hotel fuhren, zückte Leesa die neueste Ausgabe des Meteor. „Wenn du mal lachen willst, dann guck dir das an.“

Maggie starrte auf das Cover des wöchentlichen Klatschmagazins. Es zeigte sie mit einer Hand auf dem Bauch und einem sehnsüchtigen Ausdruck auf dem Gesicht. Die Schlagzeile lautete: Zwillinge an Bord? Der wahre Grund für die schnelle Hochzeit von Maggie und Scott.

Maggie grinste, da sie wusste, dass Leesa das von ihr erwartete. Doch gleichzeitig spürte sie einen Stich im Innern. Denn sie sehnte sich schon so lange nach Ehemann und Kindern. Mit zehn Jahren hatte sie ihre Eltern verloren und war danach von ihren Großeltern mütterlicherseits aufgezogen worden, die inzwischen auch verstorben waren.

Sie wusste, dass sie sich nicht beklagen durfte. Schließlich wurde sie von vielen Menschen geliebt. Doch sie brauchte jemanden an ihrer Seite, der fest zu ihr gehörte. Das sollte Scott sein. Und sie hoffte, dass auch ihr Kinderwunsch bald in Erfüllung ging. Sie wollte beweisen, dass es selbst in Hollywood möglich war, ein glückliches und solides Familienleben zu führen.

Sie reichte Leesa die Zeitschrift zurück. „Neuerdings sind sieben Wochen also eine schnelle Hochzeit.“

„Für dich schon. Zumindest in den Augen der Öffentlichkeit. Deine Fans haben eine lange Verlobungszeit von dir erwartet – und eine wahrhaft königliche Zeremonie.“

„Die kriegen sie ja auch. Mir wurde die Hochzeit des Jahres versprochen.“ Eigentlich war eine kleine Feier im engsten Freundeskreis eher nach ihrem Geschmack. Doch sie hatte einem rauschenden Fest mit zahlreichen Stars und Sternchen zugestimmt – aus Gefälligkeit gegenüber ihrer alten Freundin Jenny Warren, die mit dem sensationellen Event das brandneue Hotel „Taka San Francisco“ einweihen wollte.

Insgeheim bereute Maggie die Zusage. Sie hätte auf ihren Instinkt hören und eine kleine Überraschungshochzeit veranstalten sollen. Nun war es zu spät. Sie ließ grundsätzlich keine Freundin im Stich, und Jenny zählte fest auf die Publicity. Noch wichtiger war, dass auch Scott an einem prunkvollen, aufsehenerregenden Spektakel gelegen war. Und sie wollte ihn glücklich machen.

Kurz darauf hielt die Limousine vor dem Hotel Desert Canyon Resort. Dino, Maggies langjähriger Bodyguard und Chauffeur, begleitete sie hinauf in ihre luxuriöse Penthouse-Suite.

„Du bist sehr schweigsam, selbst für deine Verhältnisse“, bemerkte sie, als er ihr den Verlobungsring reichte.

„Ja“, bestätigte er knapp.

Einige Sekunden verstrichen.

Sie wandte sich an Leesa. „Du warst übrigens auch schon mal gesprächiger.“

„Ja.“

„Ihr beide habt ein Geheimnis vor mir.“

Dino und Leesa tauschten einen Blick. „Ja“, bestätigten sie wie aus einem Mund, gerade als Maggie die Tür zum Wohnbereich öffnete.

Ein großer blonder Mann erhob sich vom Sofa. Blond? Fast hätte sie ihren Verlobten nicht erkannt. Denn sie kannte ihn nur mit dunkelbraunen Haaren. Auch sie hatte sich seit der letzten Begegnung verwandelt, nur andersherum, von blond zu brünett. So ging es nun einmal zu in der Filmbranche.

Zu ihrer eigenen Verwunderung schlug ihr Herz nicht höher bei seinem Anblick. Doch sie verdrängte diese ernüchternde Tatsache und redete sich ein, dass sie sich trotzdem über das Wiedersehen freute.

„Wir lassen euch zwei Turteltäubchen allein“, sagte Leesa. „Gebt mir Bescheid, wenn ihr etwas braucht. Viel Spaß.“ Sie zwinkerte Maggie zu und verließ zusammen mit Dino die Suite.

Lächelnd trat Maggie zu Scott. „Keine Vorwarnung? Keine Fanfaren? Nur du?“ Als er nicht antwortete, versicherte sie hastig: „Es ist natürlich eine wundervolle Überraschung. Aber anscheinend haben unsere PR-Agenten versagt. Normalerweise wird doch ein riesiges Tamtam um unsere Treffen gemacht.“ Sie lachte und legte die Arme um ihn. „Dabei fällt mir ein, hast du eigentlich die letzte Ausgabe des Meteor gesehen? Angeblich bin ich schwanger mit Zwillingen, weswegen wir so schnell heiraten.“

Scott zeigte keinerlei Reaktion.

„Du sagst ja gar nichts. Was ist mit dir los? Und warum bist du nicht beim Dreh?“

„Es ist nur ein kurzer Abstecher, nur für heute Abend. Maggie, ich …“

Ihr gefiel nicht, wie er ihren Namen sagte. Sie ließ die Arme sinken. „Sollte ich mich lieber setzen?“

Er nahm sie bei der Hand und führte sie zur Couch. Mit gesenktem Kopf drehte er den Diamantring an ihrem Finger.

Ihr Magen verkrampfte sich. „Du willst die Verlobung lösen“, flüsterte sie und entzog ihm die Hand.

Er nickte.

Sie schluckte schwer. „Eine andere Frau?“

„Ja. Es tut mir leid.“

„Jemand, den ich kenne? Arbeitest du mit ihr zusammen an dem neuen Film?“

Scott strich sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Du würdest es sowieso bald erfahren. Gennifer Blodine.“

Einen Moment lang verschlug es ihr die Sprache, dann fasste sie sich wieder. „Bist du verrückt? Die Frau schläft mit all ihren Filmpartnern und dazu mit einigen Männern mehr.“

„Gerüchte.“

„Ach ja, kann sein, dass sie Charles Jansek ausgelassen hat. Er ist immerhin schon dreiundsiebzig.“ Plötzlich kam ihr eine weitere Erkenntnis. „Du hast schon mit ihr geschlafen.“

Widerstrebend begegnete er ihrem Blick. „Es tut mir echt leid. Aber ich liebe sie.“

Betroffen sprang Maggie auf und lief im Zimmer umher. Tränen brannten ihr in Augen und Kehle. Bloß jetzt nicht weinen, ermahnte sie sich und presste die Finger auf die geschlossenen Lider. Sie ahnte schon seit geraumer Zeit, dass die Romanze mit Scott einseitig war. Sie hatte es nur nicht wahrhaben wollen.

Er ist keine Träne wert. Beruhige dich. Denk nach.

Sie trat an das große Fenster, starrte hinaus auf die beeindruckenden roten Felsen von Sedona und versuchte zu ergründen, was sie fühlte. Sie war sich nicht sicher. Eine Mischung aus Verwirrung, Schmerz und … Erleichterung? Aber wie war das möglich?

„Also, wie willst du die Dinge handhaben?“, wollte Scott wissen. „Ich nehme natürlich die Schuld auf mich, aber soll die Bekanntgabe von deinem oder meinem Team kommen?“

Sie zwang sich, sich auf die Sachlage zu konzentrieren. Die Trennung musste der Presse gegenüber behutsam behandelt werden. Später war noch Zeit genug, um sich ihren verletzten Gefühlen hinzugeben und zu ergründen, wie sie damit umgehen sollte. „Ich muss darüber nachdenken. Mit meinem Manager reden. Mich mit Garnet beraten. Ohne das Input meiner PR-Agentin kann ich nichts entscheiden.“ Zorn verdrängte allmählich ihre Bestürzung. Doch sie wollte sich vor Scott keine Blöße geben. „Ich möchte, dass du es vorläufig für dich behältst. Bis ich mir über die nächsten Schritte im Klaren bin.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich gebe dir zwei Tage. Das muss reichen. Ich will vorwärtsgehen.“

„Du meinst, du willst an die Öffentlichkeit gehen.“ Vor drei Wochen hatte er es ebenso wenig erwarten können, der ganzen Welt ihre Verlobung bekannt zu geben. „Ich melde mich. Du kannst jetzt gehen.“

„Es tut mir wirklich …“

„Verschwinde einfach.“

Er ging zur Tür.

„Moment.“ Sie riss sich den Verlobungsring vom Finger und warf ihn Scott zu, der ihn im Flug auffing. „Du kannst ihn ja an Gennifer weitergeben. Ich habe gehört, dass sie nichts gegen Waren aus zweiter Hand einzuwenden hat.“

Er blickte sie mit seinem treuherzigen Dackelblick an, der Frauen scharenweise schwach werden ließ. „Eines Tages wirst du froh über unsere Trennung sein.“

„Das würde dein Gewissen erleichtern, stimmt’s?“

Ohne zu antworten, ging er hinaus.

Sobald sich die Tür hinter ihm schloss, drehte Maggie den Schlüssel um. Sie wollte an diesem Tag keine unliebsamen Überraschungen mehr erleben.

Kein Wunder, dass er kaum noch Zeit für mich hatte!

Naiv, wie sie war, hatte sie ihm geglaubt, dass es nur an den langwierigen, körperlich anstrengenden Dreharbeiten zu den harten Actionfilmen lag, in denen er mitspielte.

Sie ballte die Hände zu Fäusten und biss die Zähne zusammen. Sie konnte nicht in ihrem Hotelzimmer bleiben und den Abend wie jeden anderen verbringen, als wäre nichts geschehen. Ihr Blick fiel auf den Umschlag mit dem Skript, das sie bis zum nächsten Morgen lernen sollte.

„Später“, murrte sie. In dieser Nacht würde sie ohnehin keinen Schlaf finden. Sie eilte ins Badezimmer und versuchte, unter der Dusche Scotts Verrat ebenso abzuwaschen wie den Staub der Ranch.

Der Gedanke an die Ranch erinnerte sie an den attraktiven Cowboy – und an den Saloon. Kurz entschlossen drehte sie die Dusche ab und griff nach einem Handtuch. Sie wollte sich mit der Crew im Red Rock Saloon treffen.

Die Frage war nur, wie sie dorthin gelangen sollte. Sie wollte sich nicht von Dino fahren lassen. Er kannte und durchschaute sie so gut, dass sie ihm vorläufig lieber fernblieb. Sie wollte einfach nur einen entspannten Abend im Kreis ihrer Kollegen verbringen und so tun, als wäre ihr Leben noch völlig in Ordnung.

Sie rief den Portier an, der für gewöhnlich der diskreteste Angestellte eines Hotels war, und organisierte ein Transportmittel. Dann rief sie Leesa und Dino an und teilte ihnen mit, dass sie unter gar keinen Umständen vor sechs Uhr am nächsten Morgen gestört werden wollte.

Maggie zog ihre Lieblingsjeans, Stiefel und ein neues ziegelrotes Flanellhemd an. In diesem Outfit fühlte sie sich schon besser. Stärker, fähiger. Die Stiefel steigerten ihr Selbstvertrauen beinahe so sehr, als wäre ihr Vater bei ihr. Er hatte ihr seine Liebe zu John Wayne ebenso vermittelt wie die Cowboy-Maxime, immer und überall seinen Mann zu stehen. In der jetzigen Situation hätte er sie damit getröstet, dass sie schon wesentlich Schlimmeres überlebt hatte als eine gelöste Verlobung.

Sie stopfte sich einige Geldscheine in die Hosentasche und schlich sich aus dem Zimmer. Um unerkannt zu bleiben, ließ sie sich die offenen Haare ins Gesicht fallen und verließ das Hotel durch den Hinterausgang. Auf dem Parkplatz übergab der Portier ihr den Schlüssel zu seinem Privatwagen und erklärte ihr, wie sie zum Red Rock Saloon gelangte.

Acht Fahrzeuge standen auf dem Parkplatz des Saloons: sechs Pick-ups, ein Van und ein Motorrad. Maggie stellte den geliehenen Ford Focus, der lächerlich fehl am Platze wirkte, neben dem Van ab.

Um sich zunächst einmal unauffällig umzusehen, schlüpfte sie durch die Hintertür in den rustikal getäfelten dunklen Flur. Aus der Jukebox wehten die Klänge einer melodischen Ballade herüber. Billardkugeln klickten. Männerstimmen dröhnten. Dann erklang das helle Lachen einer Frau. Der Geruch nach Bier, das hier vermutlich das Hauptabsatzprodukt war, lag in der Luft.

Es war ein Lokal ganz nach ihrem Geschmack, auch wenn das viele Leute überrascht hätte. Sie mochte zwar im Scheinwerferlicht aufgewachsen sein, aber hinter den Kulissen war sie schlicht erzogen worden. Sie fühlte sich zehnmal wohler in einer einfachen Bar als in einem Schickimicki-Restaurant oder einem der angesagten Insiderclubs. Und an diesem Abend erschien es ihr, als ob das gesamte Lokal ihren Kummer vertreiben wollte.

Sie spähte in den Schankraum und zählte dreizehn Personen, einschließlich Barkeeper. Vier von ihnen gehörten zur Filmcrew und spielten Billard. Nur zwei Frauen waren darunter, beide Anfang zwanzig. Die anderen Männer saßen in kleinen Gruppen an der langen Bar oder an den Tischen.

Eine absurde Enttäuschung befiel Maggie. Irgendwie hatte sie gehofft, den Cowboy zu sehen. Aber warum sollte er ausgerechnet in diesen Saloon kommen? Hätte er ihr den Wunsch von den Augen ablesen sollen, ihn wiederzusehen, weil er ebenso tröstende wie aufwühlende Erinnerungen weckte? Es war absolut verrückt, so etwas zu denken.

Sie ging zum Billardtisch, holte einen Zehndollarschein aus der Tasche und legte ihn auf eine Ecke. „Ich trete gegen den Gewinner an.“

„He, ich dachte, du wärst zu müde“, entgegnete Pete, der gerade gegen seinen Assistenten Warren spielte.

„Ich hab mich inzwischen wieder erholt.“

„Hol dir schon mal was zu trinken. Warren ist in einer Minute erledigt.“

Sie schlenderte zur Bar hinüber. „Ich nehme eins vom Fass.“

Der Barkeeper, um die sechzig und mit grau meliertem Pferdeschwanz, nickte stumm und griff zu einem Bierglas.

Sie legte einen Fünfzigdollarschein auf den Tresen. „Das ist für mich und die vier Jungs drüben am Billardtisch. Melden Sie sich, wenn es alle ist, okay?“

„Okay.“

„He, Maggie, das ist doch nicht nötig!“, rief Pete ihr zu.

„Du löhnst so oder so für deine Drinks“, konterte sie. „Ich zahle die Zeche einfach von meinem Gewinn.“

Ihre Kollegen johlten. Sie grinste, lehnte sich zurück an den Tresen und nahm einen Schluck Bier. An der Wand neben der Bar entdeckte sie ein Bild von sich selbst in einer Sammlung Starfotos. Sie ging hinüber und sah sich die Aufnahmen aus der Nähe an. Einige waren mit persönlichen Widmungen für jemanden namens Tex versehen, andere waren unsigniert.

Ein Schwarz-Weiß-Foto erregte ihre Aufmerksamkeit. Es zeigte „ihren“ Cowboy in voller Rodeo-Montur. Seine Unterschrift stand diagonal über eine Ecke gekritzelt. Allem Anschein nach war die Aufnahme mindestens zwanzig Jahre alt.

„Sind Sie Tex?“, fragte sie den Barkeeper.

„In der Tat.“

„Sind das auf den Fotos da Gäste von Ihnen?“

„Die meisten. Viele sind Stammkunden, andere bewundere ich nur.“

Demnach war Tex wohl ein Fan von ihr. Das freute sie, auch wenn er sie in ihrer derzeitigen Aufmachung möglicherweise gar nicht erkannte. Denn auf dem Foto, das vor einigen Jahren bei einer Oscar-Verleihung entstanden war, trug sie platinblondes Haar und ein elegantes Gewand mit goldenen Pailletten.

„Miss? Könnten Sie Ihr Foto signieren, bevor Sie gehen?“, bat er jedoch. „Damit würden Sie mir eine große Freude machen.“

„Gern. Aber noch lieber schicke ich Ihnen ein neues Foto aus meinem jetzigen Film, in meinem Cowgirl-Outfit.“

„Das ist mächtig freundlich von Ihnen.“

Sie lächelte ihn an und ging hinüber zum Billardtisch, um sich durch ihren ausgeprägten Spieltrieb von ihrem Exverlobten abzulenken.

Pete reichte ihr einen Queue, entfernte das Dreieck um die Kugeln und überließ ihr galant den Vortritt. Sie kreidete die Spitze ein und ging in Position.

Ein Quietschen ertönte, als sich die Hintertür öffnete. Feste Schritte hallten auf dem hölzernen Boden wider.

Maggie ignorierte es und konzentrierte sich ganz auf den Anstoß.

„He, Kumpel!“, rief Tex. „Lange nicht gesehen. Was treibt dich hierher?“

„Wollte bloß mal gucken, was hier so los ist“, erwiderte der Neuankömmling.

„Nimmst du das Übliche?“

„Du erinnerst dich noch?“

„Logisch.“

Maggie zielte, stieß kraftvoll zu und verteilte die Kugeln über den ganzen Tisch. Ihre Stimmung hob sich beträchtlich, als ein Ball in einem Loch verschwand. Es fühlte sich gut an. Konzentrieren, zustoßen, vergessen. Genau das richtige Rezept gegen Kummer jeder Art.

2. KAPITEL

Mit einem Bierkrug in der Hand schlenderte Tony Young zu einem Ecktisch, von dem er das ganze Lokal im Auge behalten konnte. Die Attraktion des Abends, Maggie McShane, konzentrierte sich so sehr auf die Partie Billard, dass sie ihm keinerlei Beachtung schenkte. Das wunderte ihn. Er hatte erwartet, dass eine Berühmtheit wie sie sich an einem öffentlichen Ort jeder anwesenden Person bewusst war.

Sie war eine attraktive Frau und in seinen Augen sogar noch hübscher ohne die dicke Filmschminke. Ihm schien, dass sie gar kein Make-up trug. Vielleicht hoffte sie, dadurch unerkannt zu bleiben. Dabei hatte er sie auf Anhieb erkannt, auch ohne ihr Gesicht zu sehen. Sie besaß einen Körper, der … nun, verdammt sexy war. Warum sie stets und überall als „das nette Mädchen von nebenan“ bezeichnet wurde und häufig dementsprechende Rollen spielte, konnte er nicht nachvollziehen. Denn ihre Figur wirkte auf ihn geradezu sündhaft verführerisch. Ihr Anblick ließ ihn an hauchdünne rote Spitzenwäsche denken, nicht an derben blauen Jeansstoff.

Amerika’s Sweetheart. So nannte man sie. Er fragte sich, wie sie zu dieser Bezeichnung stand.

Fasziniert beobachtete er, wie sie sich für den nächsten Stoß weit über den Tisch beugte und ihm damit einen ungehinderten Blick auf ihren Po bot, der sich hübsch gerundet und knackig unter den hautengen Jeans abzeichnete. Er registrierte, dass zwischen ihr und den Männern am Spieltisch ein freundlicher, respektvoller Umgangston herrschte, obwohl sie ihren Mitspielern haushoch überlegen war.

Tony behielt auch die anderen Gäste im Auge. Er kannte keinen von ihnen, denn er war schon lange kein Stammgast mehr. Wenn er überhaupt trank, dann zu Hause mit vertrauten Freunden. Seine Alkoholexzesse hatte er zusammen mit der Rodeo-Karriere aufgegeben. Er vermisste beides nicht.

Die Jukebox verstummte. Er stand auf und schickte sich an, ein paar Münzen einzuwerfen und seine bevorzugten Songs zu drücken. Doch zwei Frauen kamen ihm zuvor. Gerade wollte er sich abwenden, da sah er aus den Augenwinkeln, dass eine der beiden Maggie McShane mit ihrer Handykamera ins Visier nahm.

Blitzschnell trat er in ihr Blickfeld. Er baute sich dicht hinter Maggie als Sichtschutz auf und bedeutete Tex mit einer Kopfbewegung, sich der Möchtegern-Fotografin zu entledigen.

Betont langsam richtete Maggie sich vom Billardtisch auf und verlangte ruhig: „Gehen Sie mir aus dem Weg.“

Tony hob beschwichtigend die Hände, als ihre Freunde ihn umzingelten, und sagte leise: „Wenn Sie verhindern möchten, dass sich ein Foto von Ihrem hübschen kleinen Po wie ein Lauffeuer im Internet verbreitet, dann bleiben Sie ganz nah bei mir, bis Tex sich um die Amateur-Paparazzi da drüben bei der Jukebox gekümmert hat. Ich denke doch, dass nicht die ganze Welt zu sehen braucht, wie ›Amerika’s Sweetheart‹ einen Bierkrug auf ex leert. Und vielleicht könnten Sie so nett sein, Ihre Meute zurückzupfeifen.“

Verdutzt starrte sie ihn an. Schließlich flüsterte sie verklärt: „Sie sind es tatsächlich. John Wayne.“

„Nein.“ Er zweifelte an ihrem Verstand. „Ich heiße Tony Young.“

„Ich weiß. Ich habe mich nach Ihnen erkundigt.“

Wann? Bei wem? Warum?

„Ihnen gehört die Ranch.“

„Ich würde eher sagen, dass ich ihr gehöre.“

Einer ihrer Begleiter stieß ihn in den Rücken. „Mach gefälligst Platz, Cowboy. Sofort.“

Tony tat es. Nicht, weil er dazu aufgefordert wurde, sondern weil Tex die beiden Frauen gerade zum Ausgang eskortierte. Zwei fluchende Männer folgten dem Trio.

Interessiert beobachtete Maggie die Szene.

Sie ist ganz Feuer und Flamme, durchfuhr es Tony. Noch dazu wirkte sie in natura und aus nächster Nähe noch umwerfender als auf der Leinwand. Diese strahlenden blauen Augen, die dunklen üppigen Haare, die weichen vollen Lippen und die zarten Sommersprossen auf der Nase …

„Sie ist daran gewöhnt, überall fotografiert zu werden“, bemerkte einer ihrer Begleiter.

Tony ließ Maggie nicht aus den Augen. „Das kann ich mir denken.“

Sie musterte ihn aufmerksam. „Ich weiß es trotzdem sehr zu schätzen, dass Sie sich für mich eingesetzt haben, Mr. Young.“

Maggie reichte ihm bis ans Kinn. Es war selten, dass eine Frau so gut zu ihm passte, was die Körpergröße anging. „Wo haben Sie denn Ihr Gefolge gelassen?“

„Abgehängt. Ich musste mal raus. Hatte was zu überdenken.“ Sie beugte sich an ihm vorbei und sagte zu ihren Begleitern: „Ich steige aus. Ich hab euch genug hart verdiente Dollar für einen Abend abgeknöpft.“

Tony fiel auf, dass ihr Lächeln nicht ihre Augen erreichte. Er registrierte außerdem, dass sie ihren Verlobungsring nicht trug. „Kennen Sie den Twostep?“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Zufällig. Ich habe ihn gerade für den neuen Film einstudiert. Für eine Szene beim Tanz auf der Tenne. Warum?“

„Dann wollen wir doch mal sehen, ob Sie einen guten Lehrer hatten.“ Er warf seinen Hut auf den nächsten Tisch und reichte ihr einladend den Arm.

Nach kurzem Zögern willigte sie ein. Er fand, dass sie perfekt in seine Arme passte. Ihm gefiel der Twostep, der umso besser klappte, je enger man ihn tanzte. Der Mann führte, die Frau folgte. Ganz einfach. Es konnte ein sehr sinnlicher Tanz sein. Er vermutete, dass die knisternde Spannung, die zwischen ihnen herrschte, ihn zu einem ganz besonderen Erlebnis machen würde.

Er sollte recht behalten. Hitze strahlte von beiden aus, als er Maggie allmählich immer näher zog, bis er ihre Brüste an seiner Brust, ihre Schenkel an seinen spürte. Er hörte sie nach Atem ringen, doch sie wich nicht zurück.

„Wie mache ich mich?“, fragte sie ein wenig atemlos, während sie ihm unverwandt in die Augen sah.

Die Musik verstummte. Einen Moment lang waren nur noch ihre Schritte auf dem alten, knarrenden Dielenboden zu hören.

Tony wollte sie nicht loslassen. Zum Glück ertönte gleich ein neuer Song. „Noch ein Tanz, und Sie sind perfekt.“

Maggie heftete den Blick auf seinen Mund. „Es ist leicht, Ihren Schritten zu folgen. Sie führen sehr gut.“

„Das ist meine Aufgabe. Übrigens bin ich auch in anderen Dingen ganz gut.“

„Ach so? Zum Beispiel?“

„Im Zuhören, wenn eine hübsche Lady ein Problem hat.“

„Wie kommen Sie denn darauf, dass ich eins habe?“

„Intuition.“ Auch er hatte ein Problem, und zwar ein körperliches.

Es wuchs gewaltig, als sie mit einem Funkeln in den Augen die Hüften an seine Lenden presste und murmelte: „Bei Ihnen vergesse ich all meine Sorgen.“

„Ist das gut?“

„Da bin ich mir nicht sicher.“

Die Zeit verging. Das Feuer zwischen ihnen loderte. Ihr Verlangen wuchs. „Was hat es mit John Wayne auf sich?“, wollte er wissen.

Maggie senkte den Blick und schwieg unschlüssig.

Er wartete. Geduld besaß er zur Genüge. Außerdem genoss er es, ihren verlockend kurvenreichen Körper an seinen zu drücken und sich im sinnlichen Rhythmus der Musik mit ihr zu bewegen, während heftige Erregung seinen Körper durchflutete. Er stellte sich vor, mit ihr in das nächste Bett zu fallen und sich Haut an Haut mit ihr zu wiegen.

„Als ich Sie heute am Set gesehen habe, dachte ich, dass Sie wie der Duke aussehen“, sagte Maggie schließlich.

„Ich fasse es als Kompliment auf.“

„Das sollten Sie auch. Er ist mein absoluter Lieblingscowboy.“

„Aber ich bin Rinderzüchter. Das ist etwas ganz anderes. Ganz davon abgesehen, dass John Wayne nur geschauspielert hat.“

Die Eingangstür flog auf. Ein junger Mann mit einer großen Kamera stürmte herein und knipste wild drauflos.

Spontan schirmte Tony sie zum zweiten Mal mit seinem Körper ab. „Keine Angst, ich bringe Sie hier raus“, versprach er und schob sie in Richtung Hinterausgang.

„Nein.“

„Nein? Dann sagen Sie mir, was ich tun soll.“

„Küssen Sie mich“, raunte sie ihm zu.

„Wie bitte?“

„Küssen Sie mich. Geben wir ihnen was zu reden.“

„Wem ›ihnen‹?“

„Allen. Den Aasgeiern. Ich habe das alles so satt! Ich bin es leid, immer das Richtige zu tun. Bitte!“

Wie konnte er sich eine so verlockende Gelegenheit entgehen lassen? Schließlich war er auch nur ein Mann. Also küsste er sie, obwohl er wusste, dass es falsch war, dass die Gründe falsch waren. Seine Vernunft versagte völlig, sobald seine Lippen ihren Mund berührten. Er zog ihren Körper fest an sich und küsste sie so stürmisch, wie er es sich ersehnte, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte.

Er hörte ihre Freunde mit dem Fotografen raufen und die Eingangstür ins Schloss fallen. Dann wurde es ganz still. Keine Musik. Keine Gesprächsfetzen. Kein Klicken von Billardkugeln.

Maggie beendete den Kuss und flüsterte mit einem Anflug von Panik in der Stimme: „Bring mich hier weg. Bitte.“

Er vermutete, dass sie sich ihrer Entgleisung inzwischen bewusst war. Er stellte keine Fragen, sondern schob sie einfach vor sich her zur Tür. Unterwegs schnappte er sich seinen Hut vom Tisch.

Draußen auf dem Parkplatz sagte sie: „Ich habe ein Auto dabei.“ Sie deutete auf das geliehene Fahrzeug. „Ich komme jetzt allein zurecht.“

„Willst du zurück ins Hotel?“

„Noch nicht.“

„Kennst du dich hier denn aus?“

„Ich kann ja nach dem Weg fra…“ Sie verstummte abrupt.

Deutlich sah Tony ihr an, was in ihr vorging. Manchmal musste es furchtbar sein, so berühmt zu sein, dass selbst die kleinste Erkundigung zu riskant war. Er nahm ihr den Schlüssel aus der Hand und öffnete ihr die Beifahrertür, bevor er sich hinter das Lenkrad des Kleinwagens zwängte. „Du kannst mir vertrauen. Ich bringe dich, wohin du willst.“

„Und wie willst du zu deinem Auto zurückkommen?“

„Zu Fuß. Per Anhalter. Das ist total unwichtig.“ Er startete den Motor und fuhr los, ohne eine bestimmte Richtung im Sinn. „Was meinst du, wer das war mit der Kamera?“

„Wer weiß? Jemand, der schnelles Geld verdienen will. Heutzutage haben viele Leute professionelle Kameras. Vielleicht haben die beiden Frauen jemandem Bescheid gegeben.“ Maggie seufzte. „Ich kann nicht fassen, dass ich das getan habe.“

„Was? Mich für die Kamera geküsst?“

„Ich mache solche Sachen eigentlich nicht.“

Das war auch Tony klar. Er hätte gern erfahren, was es mit dem Kuss auf sich hatte, doch sie ließ sich nicht weiter darüber aus. Nach einer Weile fragte er: „Wohin?“

Sie hielt die Hände im Schoß verkrampft und schwieg.

„In welchem Hotel bist du abgestiegen?“

„Da will ich nicht hin.“

„Okay. Wohin dann?“

„An irgendeinen ruhigen Ort.“

„Ich glaube nicht, dass es allzu viele Lokale gibt, in denen du nicht erkannt wirst. Und ich kenne kein Restaurant, das mit Separees dienen kann.“

„Da vorn!“, rief sie und deutete durch die Windschutzscheibe.

„Du meinst das Motel?“

Sie nickte.

„Hör mal, ich …“

„Ich will ja gar nichts von dir“, unterbrach sie. „Aber ich wäre dir dankbar, wenn du für mich eincheckst. Ich muss eine Weile nachdenken. Kennt man dich hier?“

Er bog auf den Parkplatz ein. „Dem Namen nach. Zumindest einige Leute.“

„Wenn du bar zahlst, kannst du dann einen falschen Namen angeben?“

„Ich wüsste nicht, was dagegenspricht.“

Maggie griff in ihre Jeanstasche.

„Ich erledige das“, sagte er und stieg aus, bevor sie protestieren konnte.

Die Frau faszinierte ihn. Was war das für eine Sache, über die sie nachdenken musste? Warum hatte sie ihn vor einem Fotografen geküsst? Wieso trotzte sie plötzlich ihrem blütenreinen Image des artigen Mädchens?

Er ging zur Rezeption, erledigte die Anmeldung und stieg wieder ins Auto. „Du bist als John Wayne registriert.“

Sie lachte, wenn auch ein wenig zittrig. „Danke.“

„Keine Ursache.“ Tony parkte auf der Rückseite des Komplexes. Dann begleitete er sie zu ihrem Zimmer, schloss die Tür auf, machte Licht und spähte hinein. „Das ist nicht gerade das, was du gewöhnt bist.“

„Es reicht mir.“ Maggie gab ihm die Hand. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich deine Hilfe zu schätzen weiß. Ich fühle mich scheußlich, weil du jetzt zusehen musst, wie du zu deinem Truck zurückkommst.“

„Das ist nicht weiter schlimm.“ Er drückte ihr den Autoschlüssel und den Zimmerschlüssel in die Hand, die sich nun kalt anfühlte. „Ich muss dem Duke doch alle Ehre machen, oder?“

Sie lächelte. „Der Kodex des Wilden Westens lebt weiter.“

„Und darauf sind wir stolz.“ Er tippte sich an den Hut. „Heißt du eigentlich Margaret?“

„Ja.“

„Dann also gute Nacht, Margaret.“

„Möchtest du nicht einen Moment reinkommen?“

Er zögerte. Nicht, dass er der Einladung nicht folgen wollte, aber er fragte sich nach dem Grund dafür. Brauchte Maggie jemanden zum Zuhören? Gesellschaft beim Fernsehen? Sie kam ihm nicht wie eine Person vor, die viel Zeit für sich verbrachte. Vielleicht konnte sie nicht allein sein. Möglicherweise fürchtete sie sich davor. Aber zweifellos war die Versuchung für ihn zu groß und somit auch die Gefahr, dass er sich nicht zurückhalten konnte. Denn sein Körper prickelte noch immer von dem erotischen Erlebnis im Saloon.

„Lieber nicht“, entgegnete er daher.

Sie nickte stumm und schloss die Tür.

Tony wandte sich ab. Nun, da er sie nun in Sicherheit wusste, hätte er sie einfach ihrem Schicksal überlassen können. Doch er wollte in ihrer Nähe bleiben und schlich sich in das Nebenzimmer, das er vorsorglich für sich gemietet hatte. Er schaltete den Fernseher nicht ein, machte keinerlei Geräusch, legte sich nur auf das Bett und las eine Broschüre, die auf dem Schreibtisch gelegen hatte.

Die Wände waren dünn wie Papier. Nebenan ertönte der Fernseher und verstummte kurz darauf wieder. Er hörte Maggie im Zimmer hantieren. Erneut schaltete sie das Gerät ein und wieder aus. Offensichtlich trug sie noch immer die Stiefel, denn ihre Schritte waren deutlich zu hören, während sie rastlos herumwanderte.

Schließlich erklang ein neues Geräusch: Weinen. Dann befahl sie sich in verärgertem Ton, damit aufzuhören, und die Schluchzer verstummten. Wieder wanderte sie umher.

Nach einer Weile hörte er sie erneut weinen. Er konnte es nicht länger ertragen. Also ging er hinaus und klopfte an ihre Tür. „Ich bin’s, Tony.“

Die Gardine bewegte sich. Er trat näher an das Fenster, damit sie ihn sehen konnte. Die Tür öffnete sich.

„Hat dich niemand mitgenommen?“, fragte Maggie. Ganz offensichtlich gab sie ihr Bestes, um ruhig und gefasst zu wirken. Trotz ihrer schauspielerischen Fähigkeiten gelang es ihr aber nicht, ihre Verletzlichkeit zu verbergen.

„Ich habe es gar nicht versucht. Mir war nicht wohl dabei, dich hier ganz allein zu lassen. Hab das Zimmer nebenan genommen und dich rumlaufen gehört. Willst du darüber reden?“

In stummer Einladung wich sie zurück.

Er trat ein. Während sie die Tür schloss, den Schlüssel umdrehte und die Sicherheitskette vorlegte, blickte er sich um. Auf dem schlichten Bett lag eine gestreifte Tagesdecke, die schon bessere Tage gesehen hatte. Es war ein typisches Motelzimmer: spärlich und nüchtern eingerichtet, mit dem Geruch von Desinfektionsmitteln in der Luft. Er hatte unzählige Nächte in Räumen wie diesem oder schlimmeren verbracht. Aber er hätte darauf gewettet, dass es für Maggie das erste Mal war.

Er drehte sich zu ihr um. Sie wirkte inzwischen sehr gefasst. Sie musste eine verdammt gute Schauspielerin sein, um eine derart nichtssagende Miene aufzulegen. Was mochte in ihrem Kopf vorgehen? Wieso war er bei ihr? „Wie kann ich dir helfen?“

Sie warf das Haar zurück und reckte das Kinn ein wenig vor. „Ich will mit dir schlafen.“

Ein Flattern begann in seiner Magengegend, breitete sich im ganzen Körper aus. Er bemühte sich, eine ebenso ausdruckslose Miene zu machen wie sie. „Um Missverständnissen vorzubeugen: Mit mir ›schlafen‹ bedeutet was?“

„Mehr, als nur das Bett zu teilen.“

„Du willst also Sex?“

„Ja.“

Ihre Antwort warf neue Fragen auf. Warum um alles in der Welt gerade er? Und: Was war mit ihrem berühmten Verlobten?

Der Gedanke an den Kuss im Saloon erregte Tony. Wer war er, um eine einmalige Gelegenheit wie diese auszuschlagen?

Ein Mann, dem bewusst ist, dass sie wahrscheinlich nicht meint, was sie sagt …

Unvermittelt begann sie, die Druckknöpfe ihres Hemdes zu öffnen, einen nach dem anderen.

Um sie davon abzuhalten, nahm er ihre Hände in seine und streifte dabei mit den Fingern ihren warmen, weichen Busen. „Gibt es irgendeinen Grund dafür, dass du es so furchtbar eilig hast?“

„Ja.“ Sie öffnete das Hemd mit einem Ruck. Darunter trug sie einen roten Spitzen-BH, der aufreizend üppige Brüste verhüllte, die so gar nicht zu dem Image des artigen Mädchens von nebenan passen wollten.

Normalerweise ließ Tony sich in solchen Dingen Zeit. Das verringerte die Gefahr späterer Reue. Und irgendwie ahnte er, dass sich die Reue in diesem Fall besonders schnell und heftig einstellen würde, wenn er überstürzt handelte. Das wollte er verhindern, auch wenn sein letztes sexuelles Abenteuer schon eine ganze Weile zurücklag.

Doch diese Frau ging ihm bereits seit mehreren Tagen und Nächten nicht aus dem Sinn, schon seit sie ihm zum ersten Mal auf seiner Ranch unter die Augen gekommen war.

Als sie die Lippen auf seine presste und sich an ihn schmiegte, war er verloren. Ihre Küsse, ihre Berührungen raubten ihm den Verstand. Ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden, zogen sie sich aus und fielen Haut an Haut auf das Bett, wie er es sich beim Tanz ausgemalt hatte. Maggie war geradezu atemberaubend wild und fordernd, und sie gab ebenso freizügig, wie sie nahm.

„Verhütung?“, brachte Tony mühsam hervor.

„Pille“, hauchte sie.

Und dann war er in ihr, und sie bog sich ihm entgegen, grub die Finger in seine Schultern, stieß schmeichelnde Laute des Entzückens und dann der Befriedigung aus. Einen Moment später erreichte auch er den Gipfel der Lust.

Gleich darauf merkte er, dass sie weinte.

Er fragte nicht nach dem Grund, und sie äußerte sich nicht dazu.

Tonys innere Uhr weckte ihn noch vor dem Morgengrauen. Er streckte seine Hand nach Maggie aus, doch sie landete lediglich auf einem Stück Papier. Er hielt den Zettel in Richtung Fenster, durch das der schwache Schein einer Laterne drang.

Ein einziges Wort stand darauf, wie in Eile hingekritzelt: „Danke“.

Er atmete erleichtert auf, denn auch ihm lag nicht besonders an den Peinlichkeiten am Morgen danach. Doch schon im nächsten Moment ärgerte es ihn, dass sie so sang- und klanglos verschwunden war.

Er rollte sich vom Bett, holte das Handy aus der Jeanstasche und rief seinen Vormann Butch Kelly an. „Du musst mich abholen.“

„Wo steckst du denn?“

„Im ›Red Rock Motor Inn‹. Weißt du, wo das ist?“

Kleidung raschelte, als Butch sich anzog. „Hab die Nacht nach meiner Schulabschlussfeier da verbracht. Nette Erinnerung. Und wo steht dein Truck?“

„Woanders.“

„Okay. Ich bin schon unterwegs.“

Tony beendete das Gespräch und zog sich an. Es schien ihm unglaublich, dass Maggie gegangen war und er es nicht gemerkt hatte. Wie lange mochte es schon her sein? Sie musste irgendwann nach drei Uhr verschwunden sein, denn zu dem Zeitpunkt hatten sie sich ein zweites Mal geliebt.

Ungehalten wartete er vor dem Motel. Seine Verärgerung wuchs mit jedem vorbeifahrenden Auto. Ihre Notiz schien ein Loch in seine Hemdtasche zu brennen. Sie hätte sich zumindest verabschieden können. Leute, die miteinander schliefen, waren einander zumindest so viel Respekt schuldig.

Offensichtlich war ihre Weste nicht so schneeweiß, wie die Medien es darstellten. Immerhin war sie mit jenem Muskelprotz aus Hollywood verlobt. Doch sie hatte sich nicht wie eine Frau benommen, die in festen Händen war, sondern eher ausgehungert nach Liebe gewirkt. Er dachte darüber nach, und auch über ihre Moral.

Aber wer war er schon, um über Moral zu sinnieren? Gegen ihn sprachen zu viele Affären, von denen einige niemals hätten passieren dürfen.

Er steckte die Hände in die Hosentasche, zog die Schultern gegen die morgendliche Kühle hoch und dachte zurück an das nächtliche Abenteuer mit Maggie. Sie war verblüffend im Bett. Von seiner Seite sprach nichts dagegen, die Erfahrung zu wiederholen. Warum sollten sie sich nicht ein bisschen Spaß miteinander gönnen, solange sie in der Stadt war? In aller Stille natürlich. Er wollte keinen Medienrummel, und sie musste es vor ihrem Verlobten geheim halten. Das konnte sich allerdings als schwierig erweisen.

Wo zum Teufel steckte Butch eigentlich?

Tony atmete tief durch, suchte nach der Geduld, für die er eigentlich bekannt war. Wahrscheinlich holte ihn nun das Karma ein, und er bekam die Rechnung für sein rücksichtsloses Benehmen in der Jugend präsentiert. Damals, bevor er klüger geworden war, hatte er genauso schäbig gehandelt und seine „Gespielinnen“ abschiedslos verlassen.

Ein Pick-up mit der Aufschrift „Lucky Hand Ranch“ hielt am Straßenrand. Tony stieg ein und murrte: „Wäre es nicht ein bisschen schneller gegangen?“

Butch drückte ihm einen Pappbecher in die Hand. „Kaffee, schwarz und heiß. Ich dachte, den könntest du gebrauchen. Deshalb hab ich unterwegs angehalten. Hat etwas länger gedauert, weil die Maschine erst angeheizt werden musste.“

Sie waren im selben Alter, hatten jahrelang zusammen dem Rodeo-Zirkus angehört und sich dabei unzählige Knochen gebrochen.

„Okay, ich verzeihe dir.“

„Darf ich fragen, was du in diesem Motel getrieben hast?“

Tony bedachte ihn nur mit einem langen Blick und trank seinen Kaffee. Sein Handy klingelte. Er schaute auf das Display und nahm den Anruf entgegen. „Verdammt früh, Mom, selbst für dich.“

Sue-Ellen lachte. „Ich habe schon zwei Kuchen gebacken, meine E-Mails gecheckt und im Internet gesurft. Übrigens ein nettes Foto von dir auf celebrity.com, wie du gerade Maggie McShane küsst.“

Es hat also angefangen, dachte er missmutig.

Aber wie sollte es enden?

3. KAPITEL

Aufgebracht stürmte Leesa mit ihrem Laptop in die Hotelsuite und rief: „Sag mir, dass es eine Doppelgängerin ist!“ Sie hielt Maggie den Bildschirm unter die Nase. „Nun sag es schon!“

Der Anblick des Kussfotos löste ein Flattern in Maggies Magengegend aus. Verlegen griff sie zu ihrer Handtasche und eilte zur Tür. „Es ist keine Doppelgängerin.“

„Wie konnte das passieren? Wann? Wo?“

„Gestern Abend. Können wir gehen? Du weißt doch, dass ich nicht gern zu spät zum Set komme. Dino holt schon das Auto.“ Auf dem Weg zum Lift gähnte sie herzhaft. Erst gegen vier Uhr morgens war sie in ihr Hotelzimmer zurückgekehrt und hatte dann den Text für diesen Drehtag gelernt. Folglich hatte sie kaum geschlafen – nur die zwei Stunden zwischen dem ersten und zweiten Liebesspiel mit Tony. Es war zu befürchten, dass die dunklen Ringe unter den Augen ihre Visagistin zur Verzweiflung treiben würden.

Sie bestiegen den Lift. „Wie kannst du es bloß so gleichgültig abtun? Du bist immerhin verlobt! Wie konntest du dich dabei erwischen lassen, wie du einen Cowboy in einer Bar küsst!“

„Viehzüchter.“

„Wie bitte?“

„Er ist Viehzüchter. Er sagt, dass da ein gewisser Unterschied ist.“ Es kostete Maggie viel Mühe, so zu tun, als ließe sie das Foto auf der Online-Klatschseite kalt. Doch es musste sein. Solange sie keinen genauen Plan hatte, musste sie vorgeben zu wissen, was sie tat. Es galt, den Schein zu wahren und der Dummheit, die sie gemacht hatte, nicht auch noch die Krone aufzusetzen.

„Ich begreife das nicht!“, rief Leesa aufgebracht. „Gestern Abend war Scott hier. Du hast darum gebeten, die ganze Nacht nicht gestört zu werden, um mit ihm allein zu sein. Was ist passiert?“

Maggie legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm. „Je weniger du weißt, desto besser. Für dich, nicht für mich. Du musst mir einfach vertrauen. Du sollst überzeugend sagen können, dass es für dich auch eine große Überraschung ist.“

Leesa schwieg während der Fahrt im Lift. Dann murmelte sie: „Also stimmen die Gerüchte über Scott.“

„Welche Gerüchte?“

„Dass er was mit Gennifer hat.“

„Du wusstest es also.“ Maggie schluckte betroffen. „Hattest du vor, es mir irgendwann zu verraten?“

„Es waren doch bloß Gerüchte. Ich wollte dich nicht unnötig beunruhigen. Ich habe versucht, sie bestätigen zu lassen, aber ohne Erfolg. Vor der Hochzeit hätte ich dich auf jeden Fall gewarnt, das musst du mir glauben. Aber seit wann weißt du denn davon? Hast du die Verlobung gelöst?“

Sie traten aus dem Hotel. Maggie blieb eine Antwort erspart, denn Dino wartete bereits mit der Limousine am Straßenrand. Seine Miene verriet nicht, ob er von dem Foto wusste. Aber diesmal streckte er nicht wie sonst die Hand aus, um ihren Verlobungsring in Verwahrung zu nehmen. Das sagte genug.

„Geht es dir gut?“, wollte er wissen.

„Na klar. Einfach super.“

„Du solltest mich entlassen, wenn du mir nicht vertraust.“

„Wie kommst du denn darauf? Ich vertraue dir doch“, protestierte sie.

„Ich hätte nicht zugelassen, dass irgendwer ein Foto von dir macht, und ich maße mir auch kein Urteil über dein Verhalten an. Du hattest also keinen Grund, mich abzuhängen.“

„Ich musste es tun.“ Mehr konnte sie ihm nicht sagen. Noch nicht.

„Ich würde deine Geheimnisse mit ins Grab nehmen, Maggie.“

Plötzlich fühlte sie sich ganz klein. Wie viele Menschen hatte sie mit ihrem impulsiven Verhalten enttäuscht oder verletzt? „Danke, Dino. Das weiß ich.“ Sie setzte sich zu Leesa auf den Rücksitz und bat: „Hör mich noch mal ab.“

Am Set begab Maggie sich unverzüglich in die Maske. Kaum saß sie vor dem Spiegel, da kam auch schon Mac Anderson herein. „Lasst uns einen Moment allein“, sagte er zu dem Hairstylisten und der Visagistin. Dann lehnte er sich an den Schminktisch und musterte Maggie. „Du stehst heute ganz groß in den Schlagzeilen.“

Sie schloss daraus, dass ihr Foto inzwischen überall aufgetaucht war.

„Es tut mir leid.“ Noch nie hatte sie für Furore an einem Filmset gesorgt. Andernfalls hätte Mac nicht mit ihr zusammengearbeitet. Er war von der alten Schule und legte Wert auf eine entspannte, familiäre Atmosphäre. Dafür verlangte und bekam er großartige Leistungen von allen Beteiligten. Dieser Film war bereits der sechste, den sie zusammen drehten. Dafür gab es gute Gründe.

„Ich habe Tony Young letztes Jahr bei der Suche nach einem geeigneten Drehort für diesen Film kennengelernt“, berichtete er. „Ich wollte eine realistische Umgebung, kein kunstvolles Studio. Sein neues Haus war fast fertig, aber damals wohnte er noch in dem alten Haus, in dem wir jetzt drehen. Eigentlich wollte er es längst für seinen Vormann renovieren, aber er hat eingewilligt zu warten, bis wir abgedreht haben. Weil ich ihm versprochen habe, ein ehrliches Porträt vom Leben eines Viehzüchters zu malen, nicht die romantisierte Version wie in den meisten Filmen. Weißt du, warum ich dir das alles erzähle?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Um dir klarzumachen, was für ein Mensch er ist. Er ist ein anständiger, hart arbeitender Selfmademan. Er sollte sich nicht mit dem Medienrummel herumschlagen müssen, der ihm jetzt bevorsteht und den du ihm eingebrockt hast.“

Maggie fühlte sich wie ein Schulkind, das von seinem Lieblingslehrer getadelt wird. „Ich weiß.“

„Was ist mit Scott? Habt ihr die Verlobung gelöst?“

„Ja.“

Erleichtert atmete Mac auf. „Gut. Das ist sehr gut. Und ist Mr. Young jetzt angesagt?“

In diesem Moment wurde ihr klar, was zu tun war und wie sie mit der Situation umgehen sollte. Zuerst musste sie jedoch mit Tony reden. „Kann ich es vorläufig dabei belassen, dass ich im Laufe des Tages ein Statement abgeben werde?“

„Wird sich die Geschichte auf meine Produktion auswirken?“

„Ich versuche, es zu verhindern. Tut mir leid, dass sich die Medien um die Story reißen.“

„Na ja, wenn du nicht so ein Gutmensch wärst …“ Er grinste und stieß sich vom Schminktisch ab. „Ich frage mich, was die cleveren Schlagzeilenschreiber jetzt aus ›Amerika’s Sweetheart‹ machen werden.“

„Wenn es dazu führt, dass sie mir diesen furchtbaren Beinamen wegnehmen, ist es mir die ganze Sache wert. Es ist verdammt schwer, dem gerecht zu werden, weißt du.“

„Es war leichter, solange deine Großeltern noch am Leben waren.“

Nun lächelte auch Maggie. „Stimmt. Sie haben mich auf dem rechten Weg gehalten, ob ich da sein wollte oder nicht.“

Mac klopfte ihr auf die Schulter und verließ den Raum.

Sobald sie fertig gestylt war, ging sie zum Ankleiden zu ihrem Wohnwagen. Ihre Garderobiere folgte ihr auf dem Fuße mit dem Outfit für die morgendlichen Dreharbeiten.

Leesa saß auf dem Sofa und telefonierte. „Sie kommt gerade rein. Bleib dran.“ Sie streckte das Handy aus. „Es ist Garnet.“

Maggie verzog das Gesicht. So kurz vor Drehbeginn wollte sie sich nicht mit dem unvermeidlichen Zorn ihrer PR-Agentin auseinandersetzen. „Ich rufe sie später zurück.“

„Aber …“

„Spä-ter“, wiederholte sie nachdrücklich und ging weiter in den Schlafraum. Kaum war sie in das Kostüm geschlüpft, da klopfte auch schon jemand an die Tür und kündigte ihren Auftritt an.

Sie legte Leesa einen Arm um die Schultern und versicherte: „Alles wird gut.“ Sie wollte selbst daran glauben, aber ob ihr Plan aufging, hing nicht allein von ihr ab. „Setz dich mit Tony Young in Verbindung und bitte ihn, mich heute Abend um sieben im Hotel zu treffen. Und entschuldige dich im Voraus für die Stalker, die ihn heute belästigen werden.“

„Es macht mir nichts aus, aber meinst du nicht, dass du dich persönlich entschuldigen solltest?“

Zweifellos. Doch das wollte sie nicht am Telefon, sondern von Angesicht zu Angesicht tun, um bei der Gelegenheit ein heikles Anliegen vorzubringen. „Bitte ruf ihn einfach an.“ Sie hoffte inständig, dass er in ein Treffen einwilligte. Denn ihr guter Ruf hing von seiner Kooperation ab.

Ihr wurde ganz flau im Magen bei dem Gedanken daran, wie sehr Tonys Leben auf den Kopf gestellt wurde. Doch sie legte eine gelassene Miene auf, bevor sie den Wohnwagen verließ.

Am Set herrschte plötzlich ein völlig anderer Umgangston als bisher. Maggie kam immer gut mit allen zurecht, aber nun war sie zum ersten Mal in einen Skandal verwickelt. Niemand schien zu wissen, was er sagen oder wie er sich verhalten sollte.

Nur Pete, der Kameramann, benahm sich unbefangen. Er gab ihr das Restgeld von den fünfzig Dollar, die sie dem Barkeeper gegeben hatte, und flüsterte ihr zu: „Wenn du willst, rufe ich Scott an und erkläre ihm, dass zwischen dir und dem Cowboy alles ganz harmlos war.“

Harmlos? Alles andere als das!

Seine Loyalität rührte sie. „Danke, das ist sehr lieb von dir, aber nicht nötig.“

Die Filmaufnahmen begannen. Alle Beteiligten...

Autor

Stella Bagwell
<p>Eigentlich ist Stella Bagwell gelernte Friseurin, tragischerweise entwickelte sie aber eine Haarspray-Allergie. Schlecht für sie, gut für ihre Leserinnen. Denn so verfolgte Stella ihr kreatives Talent in eine andere Richtung weiter und begann mit viel Enthusiasmus, Romane zu schreiben. Was ganz bescheiden auf einer alten Schreibmaschine begann, entwickelte sich auch...
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Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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