Das größte Abenteuer ist die Liebe

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Geläutert von einem Dschungelabenteuer, bei dem er beinahe sein Leben verloren hat, kehrt Trip Winslow nach New York zurück. Endlich ist er bereit, das Familienunternehmen zu übernehmen! Doch der Vorstand hält ihn für viel zu verantwortungslos. Was kann er tun, um seine Seriosität zu beweisen? Spontan behauptet er, verlobt zu sein – mit der vernünftigsten Frau, die er kennt: Lily Dempsey. Aber wird seine heimliche Ex-Geliebte sein Spiel überhaupt mitmachen? Auch wenn immer noch sinnliche Funken zwischen ihnen fliegen, hasst Lily ihn, oder?


  • Erscheinungstag 04.02.2025
  • Bandnummer 2687
  • ISBN / Artikelnummer 0800252687
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Trotz der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit warteten bereits fünfzig oder sechzig Fotografen vor der Firmenzentrale.

Allerdings nicht auf ihn.

Trip Winslow schaute aus dem getönten Fenster der Limousine. Niemand wusste, dass er kommen würde. Unglaublicherweise war es ihm trotz der vielen Kommunikationsplattformen der modernen Welt gelungen, inkognito zu bleiben – dank eines Anrufs bei Lazlo, dem Manager des Diamond Clubs. Lazlo hatte das heiße Bad inklusive Rasur, den Wagen samt Fahrer sowie alle Sicherheitsvorkehrungen schnell, unauffällig und mit der gleichen unerschütterlichen Ruhe arrangiert, mit der er alles tat. Genau das war es, was ihn für die zehn reichsten Menschen der Welt, die eine kleine Elite innerhalb des Clubs bildeten, so wertvoll machte.

Noch immer galt Trips Verschwinden als die Geschichte des Jahres, vielleicht sogar des Jahrzehnts. Denn wie oft löste sich einer der reichsten Männer der Welt einfach in Luft auf? Daher hatte er damit gerechnet, dass Paparazzi und Reporter hier in New York sein würden.

Trip ließ seinen Blick aus stahlblauen Augen über die Gruppe von Männern wandern, die sich auf den Stufen des ikonischen Winslow Buildings versammelt hatten. Es fühlte sich an, als sei er in einen Hinterhalt geraten.

Ein Anflug von Panik stieg in ihm auf. Einen Moment befand er sich wieder im Dschungel. Sein Herz klopfte wild, als er sah, wie sich einige Männer auf ihn zubewegten – die Augen zusammengekniffen und mit Pistolen in den Händen, die sie wie in diesen Videospielen hielten, die er als Teenager ununterbrochen gespielt hatte.

Nur dass diese Gangster echt gewesen waren. Und ihre Kugeln auch.

„Soll ich zur Rückseite fahren, Mr. Winslow? Alternativ kann ich den Sicherheitsdienst rufen, um die Straße abzusperren?“

Einen Moment antwortete er nicht auf die Frage des Fahrers. Selbst jetzt, zehn Monate nach dem Tod seines Vaters, fiel es ihm immer noch schwer zu begreifen, dass nun er dieser Mr. Winslow war.

Für ihn würde der Titel immer seinem Vater, Henry Winslow II, gehören.

Sein älterer Bruder Charlie hätte sich darüber nie Gedanken gemacht. Unwillkürlich versteifte sich Trip. In vielerlei Hinsicht fühlte es sich an, als würde er seinen Bruder kaum kennen, und jetzt war es zu spät, das zu ändern, denn Charlie war tot. Vor drei Jahren waren er und ihre Mutter bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Jetzt war nur noch Trip übrig, der Ersatz, der ewige Zweite, der nur gewonnen hatte, weil sein Gegner den Platz vorzeitig verlassen hatte.

Nicht, dass er sich nicht als CEO bewiesen hätte. Doch die Position war für Charlie bestimmt gewesen. Er hätte die Firma übernehmen sollen. Charlie war nicht nur zwölf Jahre älter gewesen, sondern ihr Vater hatte ihn seit seiner Geburt als seinen Erben erzogen. Vor allem aber entsprach es Charlies Charakter, sich seinem Vater unterzuordnen.

Im Gegensatz zu Trip.

Seit Trip sich erinnern konnte, hatte er mit Henry Winslow II gestritten. Vermutlich verbarg sich hier auch die Erklärung, weshalb er Trip genannt wurde. So fiel es seinem Vater leichter, sich von seinem dickköpfigen Sohn zu distanzieren, der zwar seinen Namen trug, nicht aber seine Meinungen und Ansichten teilte.

Als Trip aufsah, schaute er an dem fragenden Gesicht seines Fahrers vorbei und musterte sich selbst im Rückspiegel. Seine Augen waren genauso blau wie die seines Vaters. Das war aber auch das Einzige, was sie gemeinsam hatten. Zwar war er seinem Vater und Charlie nach Harvard gefolgt, hatte das Studium jedoch abgebrochen, um ein Unternehmen zu gründen, welches bereits im ersten Jahr gescheitert war.

Jedoch hatte er aus seinen Fehlern gelernt, und sein zweites Unternehmen erreichte bereits im ersten Jahr einen Wert von einer Milliarde Dollar.

Wahrscheinlich hätte er mit seinem Gewinn eine weitere Firma gegründet, wenn sein Erfolg nicht die Aufmerksamkeit des Vaters auf sich gezogen hätte. Zu seinem Erstaunen hatte Henry ihm angeboten, den Geschäftsbereich Fernost in Hongkong zu übernehmen. Sein Vater war kein Spieler und scheute notorisch jedes Risiko, deshalb wusste Trip, dass er auf die Probe gestellt wurde. Dieses Wissen gab ihm ein Gefühl der Zielstrebigkeit. Verstärkt kümmerte er sich um die schwächelnden Bereiche des Unternehmens, woraufhin jeder dieser Sektoren aufblühte.

Zähneknirschend gab sein Vater irgendwann zu, dass er seine Sache gut gemacht hatte. Daher war Trip kurz vor Charlies Tod nach London gewechselt, um das Europageschäft zu leiten. Dort erregten seine kreativen Geniestreiche die Aufmerksamkeit der Wirtschaftspresse und bescherten Winslow Inc. das profitabelste Jahr aller Zeiten. Doch selbst das war für seinen Vater nicht genug.

Denn Fehler, Misserfolge oder falsche Entscheidungen waren für Henry Winslow II nicht hinnehmbar. Einst ein dekorierter Marineoffizier, hatte er damals die bescheidene Baufirma seines Vaters übernommen und zu dem heutigen multinationalen Konglomerat vergrößert. Er galt als zurückhaltend und emotional distanziert.

Trip biss die Zähne zusammen. Nur hatte sich mittlerweile herausgestellt, dass sein Vater gar nicht so zurückhaltend gewesen war.

Einen Moment verkrampfte sich alles in ihm, als er sich daran erinnerte, wie er in den Sachen seines Vaters die Briefe gefunden hatte – Briefe von einer Frau namens Kerry. Briefe voller Leidenschaft und Liebeserklärungen.

Ohne dich bin ich blind … mit dir zusammen zu sein, lässt mich den Himmel voller Sterne sehen, meine Liebe …

Der Schock hatte Trip nach Ecuador getrieben, zu den wilden Wassern des Rio Upano und weiter in den Regenwald, direkt in die Hände von zufällig vorbeikommenden Mitgliedern eines Drogenkartells, die ihn gefangen genommen hatten.

Er starrte durch das Fenster nach draußen. Sein Blick blieb an einem Paar hängen, das sich zwischen den stehenden Autos hindurchschlängelte. Der grauhaarige Mann hielt die Hand der Frau neben ihm. Seine Ehefrau? Vor den Ereignissen von Ecuador wäre Trip keine andere Vermutung in den Sinn gekommen. Nun gingen ihm andere Möglichkeiten durch den Kopf.

Zwischen seinem Vater und seiner Mutter hatte immer eine Distanz geherrscht, sodass die Untreue seines Vaters in gewisser Weise keine große Überraschung hätte sein dürfen. Aber nach außen hin hatte Henry Winslow II ein absolut perfektes Leben geführt. Jeder wusste, wie schroff und unversöhnlich er dem Versagen anderer, insbesondere dem seines jüngsten Sohnes, gegenüberstand. Und doch hatte er die ganze Zeit selbst die Regeln gebrochen, hatte gelogen, betrogen, getäuscht …

War es da verwunderlich, dass Trips Welt aus den Fugen geraten war, als er die Wahrheit herausgefunden hatte?

„Mr. Winslow?“

Die Stimme des Fahrers drängte sich in seine Gedanken. Trip richtete seinen Blick wieder auf die wartenden Fotografen. Wie alle Paparazzi sahen sie hungrig und entschlossen aus. „Wir nehmen den Haupteingang.“ Er deutete auf den Wagen, der vor ihnen zum Stehen kam. „Die Sicherheitsleute werden schon mit ihnen fertig.“

Sein Vater hätte genau das Gegenteil getan. Oder vielleicht auch nicht. Nachdem Trip die Briefe gelesen hatte, war er sich nicht mehr sicher, ob er überhaupt wusste, wer Henry Winslow II gewesen war.

Als der Fahrer die Tür öffnete, traf ihn die Hitze wie eine Wand. Aber ihm blieb kaum Zeit für die Erkenntnis, weil die Fotografen sich umdrehten und ihn entdeckten. Einen winzigen Moment senkte sich Stille über die Menge. Allen schien gleichzeitig der Mund offen zu stehen, als seien sie von seinem plötzlichen Auftauchen überrascht worden. Aber es kam ja auch nicht oft vor, dass jemand von den Toten zurückkehrte.

„Er ist es!“, schrie jemand. „Es ist Trip!“

Und wie Ameisen, die eine leckere Mahlzeit witterten, stürmten alle auf den Wagen zu.

„Mr. Winslow, stimmt es, dass sie angeschossen wurden?“

„Haben Sie Ihr Gedächtnis verloren, Trip?“

„Haben Sie sich versteckt oder verirrt?“

„Hier drüben, Mr. Winslow! Hierher!“

Er war an die Presse gewöhnt und damit aufgewachsen, mit den Paparazzi Verstecken zu spielen. Aber als die Mikrofone und Kameras wie eine Welle immer näher kamen, spürte er, wie sich sein Herzschlag beschleunigte.

Wie er gehofft hatte, beherrschten die Sicherheitsleute ihren Job und hielten die Meute zurück, sodass er unbehelligt die Treppen hinauf ins Büro gehen konnte.

Eine der Maximen seines Vaters lautete, dass die Natur sich nicht ins Geschäft einzumischen hatte. Es spielte keine Rolle, ob New York schmolz oder unter einer meterhohen Schneedeckte begraben war, im Gebäude herrschte immer die gleiche Temperatur. Heute jedoch kam ihm das Foyer mit dem polierten Marmorboden und der Holzvertäfelung irgendwie anders vor. Kühler, vertraut, und doch auf eine Weise verändert, die er nicht genau benennen konnte.

Auch er fühlte sich anders. Zweifellos war das der Grund, weshalb ihn alle anstarrten, als hätten sie einen Geist gesehen … und in gewisser Weise hatten sie das auch.

„Mr. Winslow!“ Die Empfangsdame – Carole? Hieß sie so? – erhob sich und musterte ihn mit weit aufgerissenen Augen.

„Sie sind wieder da. Sie sind hier …“ Carole blinzelte, als fürchte sie, ihren Augen nicht trauen zu dürfen.

„Ja, das bin ich.“ Trip schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das verschwand, als er den Kopf zur Decke hob. „Sind sie da?“ Damit meinte er den Vorstand, und natürlich war es eine rhetorische Frage. Schließlich wurden sie dafür bezahlt, das Schiff während seiner Abwesenheit zu steuern, wo sollten sie also sonst sein?

„Ja, Mr. Mason hat für heute Morgen eine außerordentliche Sitzung einberufen.“

„Gut. Dann werde ich dafür sorgen, dass sie wirklich außerordentlich wird.“

Er spürte mehr, als er sah, wie sie zum Telefon griff, während er zu den Aufzügen ging. Das war in Ordnung. Es würde ihnen Zeit geben, den roten Teppich auszurollen.

Hoch lebe der siegreiche Held, dachte er und betrat den Lift.

Auf dem Weg nach oben fröstelte er. Lag es an ihm, oder wurde die Luft im Gebäude immer kälter, je höher er kam? Die Frage blieb ohne Antwort, denn kaum öffneten sich die Aufzugstüren, kam Mason Cooper, Winslows Finanzchef und Trips Patenonkel, mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.

„Trip …!“

Er stöhnte auf, als der ältere Mann ihn in eine feste Umarmung zog. Mason glaubte an liebevolle Strenge, weshalb er den meist störrischen Trip im Laufe der Jahre oft für ein paar aufmunternde Worte zur Seite genommen hatte.

„Ich verstehe das nicht.“ Mason tätschelte seine Schultern und Arme, als wollte er sich versichern, dass Trip kein Hirngespinst war. „Wie bist du hierhergekommen? Wie geht es dir? Was ist passiert? Wo bist du gewesen?“

„Das erzähle ich dir ein andermal in Ruhe.“ Trip klopfte Mason auf den Rücken, um die Flut aus Fragen zu stoppen, die er im Moment nicht beantworten wollte. „Es ist eine lange und verworrene Geschichte. Im Augenblick wünsche ich mir nur Normalität.“

Das Problem besteht darin, dass ich gar nicht mehr weiß, was das eigentlich bedeutet, dachte er.

„Natürlich.“ Mason nickte. „Gehen wir in dein Büro.“

„Schon gut, ich kenne den Weg“, sagte Trip gereizt, als Mason ihm eine Hand auf die Schulter legte, um ihn zu führen. „So lange war ich auch nicht weg.“

Mason zog eine Augenbraue hoch. „Ich würde sagen, dass fünf Wochen, allein im ecuadorianischen Dschungel, lange genug sind.“

Es hat sich wie fünf Jahre angefühlt, schoss es Trip durch den Kopf. An manchen Stellen war das Blätterdach so dicht gewesen, dass er Tag und Nacht nicht mehr hatte unterscheiden können, sodass er stehen bleiben musste, um nicht über tückische, sich am Boden windende Wurzeln und Äste und unsichtbare Mulden und Spalten zu stolpern. Und immerzu begleitet vom Geräusch plätschernden Wassers, das von den Pflanzen tropfte …

Es gab noch einen Teil, von dem er wohl nie erfahren würde, wie lange er gedauert hatte, als nur absolute Dunkelheit hinter seiner Augenbinde existiert hatte und die Seile, die in seine Handgelenke schnitten. Im Dschungel hatte er sich noch nie so allein und hilflos gefühlt.

Doch es lag nicht in seiner Natur, Schwäche zu zeigen oder seine Verletzlichkeit zu offenbaren. Schon gar nicht hier, im Zentrum des Familienunternehmens. Hier war er der Mann, der das Sagen hatte. Er war nicht nur Mr. Winslow, er war der Mr. Winslow. Jetzt, da er zurück war, wollte er dafür sorgen, dass der Name vor allem mit ihm in Verbindung gebracht wurde und nicht mehr nur mit seinem Großvater oder Vater.

Kaum hatte er sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen lassen, klopfte es an der Tür, und Conrad Stiles, der leitende Geschäftsführer, sowie Ron Maidman, der Leiter der Marketingabteilung, kamen herein. Auf ihren Gesichtern zeigte sich eine Mischung aus Schock und Fassungslosigkeit. Trip stand den beiden nicht so nahe wie Mason.

„Ich kann nicht glauben, dass Sie wirklich wieder da sind.“ Maidman schüttelte den Kopf. „Ich dachte, ich leide unter Halluzinationen. Was ist da draußen passiert? Geht es Ihnen gut? Sind Sie verletzt?“

„Ein anderes Mal, Ron. Wie ich schon zu Mason gesagt habe, will ich einfach nur wieder in den Sattel. Warum setzt ihr euch nicht einfach und bringt mich auf den neusten Stand?“

Bildete er es sich nur ein oder erstarrten ihre Mienen?

Trotzdem nickte Mason. „Natürlich. Dir ist klar, dass wir während deiner Abwesenheit einige Entscheidungen treffen mussten?“

Trip musterte die drei Männer, die ihm gegenübersaßen. „Ich bin sicher, ihr habt euch um alles gekümmert“, sagte er. Ein Anflug von Verbitterung hatte sich in seine Stimme geschlichen, den er nicht verbergen konnte. Zwar hatte sein Vater ihn offiziell zu seinem Nachfolger ernannt, aber auch deutlich gemacht, dass er von seinem Sohn erwartete, auf die Erfahrung und das Fachwissen des Vorstands zurückzugreifen. Unmittelbar nach dem Tod seines Vaters war er auch für den Rat und die Unterstützung der Männer dankbar gewesen. Aber jetzt hatte sich alles geändert.

„Angesichts der jüngsten Ereignisse möchte ich ein paar Änderungen vornehmen. Im Dschungel hatte ich viel Zeit zum Nachdenken.“

Mason nickte. „Natürlich sind wir gerne bereit, diese Ideen zu besprechen, aber im Moment solltest du nach Hause fahren und dich ausruhen.“

„Der Arzt hat gesagt, es geht mir gut“, erwiderte Trip ungeduldig. Während er die Männer ansah, blitzte vor seinem inneren Auge das Bild auf, wie er sich verzweifelt durch die dichte Vegetation zu kämpfen versuchte. „Ich will mich nicht ausruhen. Was ich jetzt brauche, ist, wieder an die Arbeit zu gehen.“

Conrad räusperte sich. „Wie Sie schon sagten, wir müssen Sie erst auf den neuesten Stand bringen.“

„Was wollen Sie damit andeuten?“ Trip lehnte sich zurück und bemühte sich, seinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Das Drehbuch, das er sich während der Fahrt zurechtgelegt hatte, begann sich aufzulösen.

„Trip … Sie waren mehrere Wochen verschwunden. Wir wussten nicht, wo Sie sind und ob Sie überhaupt noch leben …“

„Das klingt, als hätte ich alles geplant.“ Seine Augen verengten sich. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich ganz sicher nicht erwartet habe, einem Kartell in die Arme zu laufen, das mich gefangen nimmt.“

„Ist es das, was passiert ist?“ Mason wirkte richtig erschrocken. „Trip, ich weiß nicht, was ich sagen soll …“

Trip starrte an ihm vorbei auf die in der Hitze flirrende Skyline der Stadt. Das war nur der Anfang. Er wollte nicht an das denken, was danach gekommen war. Nicht hier, nicht jetzt, nicht in Gegenwart des Vorstands. Nicht, solange er keine Ahnung hatte, wie sein Körper reagieren würde.

„Hat man dir wehgetan?“

„Es geht mir gut.“

Er streckte die Beine aus und lehnte sich zurück. Immerhin war das nicht ganz gelogen. Kurz nachdem er aus dem Dschungel gestolpert war, hatte ihn ein Arzt untersucht. Abgesehen von ein paar üblen Schnittwunden und einer leichten Dehydrierung war er körperlich wohlauf.

Aber er schlief schlecht. Und wenn er in der Dunkelheit schweißgebadet aufwachte, kroch die Angst seine Wirbelsäule hinauf. Dann musste er aus dem Bett steigen und den Teppich unter den Füßen spüren, um sich davon zu überzeugen, nur geträumt zu haben.

„Ich bin froh, das zu hören.“ Ron zögerte und lächelte nervös. „Wir haben alles getan, was wir konnten, um Sie zu finden. Aber wir wussten nicht, wo wir suchen sollten.“

Trip runzelte die Stirn. „Ich brauche keine Erlaubnis, um Urlaub zu machen, Ron. Ich bin der CEO.“

Es entstand eine kleine Pause, in der die drei älteren Männer einander verstohlen anblickten. „Nein, aber es wäre hilfreich gewesen zu wissen, wo du bist“, sagte Mason schließlich.

„Wir dachten, Sie wären tot“, ergänzte Conrad.

Unverwandt starrte Trip ihn an. Ein winziges Lächeln umspielte seine Lippen. „Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen.“

Mason schüttelte den Kopf. „Das ist nicht fair, Trip.“

„Es ist nicht fair, dass ihr mir etwas vorwerft, was nicht in meiner Macht lag! Aber das gehört in die Vergangenheit. Jetzt bin ich wieder da, es ist nichts passiert und kein Schaden entstanden.“

Er hatte genug davon, sich rechtfertigen zu müssen.

„Nichts passiert?“ Mason starrte ihn an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. „Du warst Gefangener eines Drogenkartells!“

„Und ich bin entkommen. Ohne einen Kratzer.“ Das stimmte so nicht ganz, aber zu viele Details würden nur seine Argumente untergraben.

„Und wir sind froh, das zu hören“, entgegnete Ron. „Leider hatte das Unternehmen nicht so viel Glück. Die Aktienkurse sind abgestürzt …“

„Das habe ich gehört“, fiel Trip ihm ins Wort. „Und jetzt steigen sie wieder.“

Mason schüttelte den Kopf. „Das war nicht die Art deines Vaters. So machen wir keine Geschäfte.“

„Es gibt kein Wir“, erwiderte er kalt. „Das ist meine Firma. Ich bin der CEO.“

„Aber das kannst du nur bleiben, wenn du die beste Person für den Job bist“, sagte Mason und schaute Trip an. „Geschäftsführer wird man nicht aufgrund seines Nachnamens oder wegen einer Blutlinie.“

„Ist das so?“, fragte Trip leise.

Unangenehmes Schweigen senkte sich über die Gruppe. Schließlich räusperte Mason sich. „Hör zu, Trip. Dein Vater wollte, dass du das Geschäft übernimmst, aber er hat uns auch die Möglichkeit eingeräumt, nach eigenem Ermessen Entscheidungen zu treffen.“

Ja, und zwar weil er in mir nie etwas anderes als einen Ersatz gesehen hat, dachte Trip und schaute wieder auf die Skyline hinaus. Er war zu impulsiv, zu eigensinnig, als dass sein Vater ihm auf Augenhöhe begegnet wäre. Aber nach Charlies Tod war Henry keine andere Wahl geblieben, als ihm die Firma zu überlassen.

Plötzlich hätte er die drei Männer am liebsten aus seinem Büro geworfen.

„Ihr könnt mich nicht feuern.“

Mason lächelte steif. „Du wirst nicht gefeuert, Trip. Aber wir sind den Aktionären Rechenschaft schuldig. Genau wie du.“

Trip stand auf. „Stimmt. Und falls ihr es vergessen haben solltet: Ich bin nicht nur CEO, ich bin auch der Hauptaktionär.“

„Das bist du. Allerdings haben wir dir auch erklärt, dass ein Teil dieser Aktien von einem Treuhandfonds gehalten wird, den wir verwalten. Wir haben die Befugnis, diese Anteile zu nutzen, um jeden CEO vorübergehend oder dauerhaft zu entlassen, falls dessen Handeln den Interessen der Aktionäre schadet. Und was in Ecuador passiert ist … was hätte passieren können … hat Fragen aufgeworfen. Die Aktionäre mögen Stabilität.“

„Ich mache die Dinge auf meine Art. Wenn es ihnen nicht gefällt …“

„Das tut es nicht, Trip. Das ist der Punkt. Sie wollen sehen, dass du die Geschäfte mit dem nötigen Ernst führst. Und ich fürchte, dein Verhalten spricht im Moment nicht dafür.“

„Mein Verhalten …?“

Er spürte, wie Wut in ihm aufstieg. Was war mit dem Verhalten seines Vaters? Hatte ihn jemand zur Rechenschaft gezogen, weil er viele Jahre eine Geliebte gehabt hatte? Als sein Blick über die Gesichter des Vorstands glitt, fühlte er, wie sich schleichende Panik in seiner Brust ausbreitete. Hatte sein Vater sich ihnen anvertraut? Wussten sie, wer Kerry war? Er konnte sich nicht dazu durchringen, danach zu fragen.

„Wir brauchen einen CEO, der gefestigt, erwachsen und konzentriert ist.“

„All das bin ich …“

Die drei Männer schüttelten die Köpfe. Trip biss die Zähne zusammen.

Mason seufzte. „Du hast das Zeug zu einem großartigen CEO, aber du verhältst dich impulsiv, manchmal sogar leichtsinnig. Nur aus einer Laune heraus bist du nach Ecuador geflogen.“

Das war keine Laune, dachte Trip. Alles in ihm zog sich zusammen, auf einmal fiel ihm das Atmen schwer. Die Reise war absolut unumgänglich gewesen. In New York hatte er das Gefühl gehabt zu ersticken – erdrückt von der Scheinheiligkeit seines Vaters.

„Außerdem ist dein Privatleben bestenfalls chaotisch zu nennen. Deine Freunde machen aus den falschen Gründen Schlagzeilen. Wenn du eine feste Freundin hättest, die dir Halt gibt … aber laut Internet verbringst du deine Freizeit damit, durch die Stadt zu schlendern und mit jeder Frau zu schlafen, der du begegnest.“

Trips Augen verengten sich. „Das entspricht nicht der Wahrheit. Tatsächlich bin ich verlobt.“

Die Worte sprudelten aus seinem Mund, bevor er begriffen hatte, was er sagen wollte. Fassungslose Stille breitete sich in dem Raum aus. Die drei Männer schauten ihn noch schockierter als zuvor an – als fiele es ihnen leichter zu glauben, er sei von den Toten auferstanden, als dass er verlobt war.

Ron Maidman kam als Erster wieder zu sich. „Verlobt? Mit wem?“

Trip blinzelte. Gute Frage, dachte er.

Die Ehe gehörte zu den Dingen, über die er nur auf abstrakte Weise nachdachte. Irgendwie fühlte es sich unausweichlich an zu heiraten, da die meisten Menschen es an einem Punkt in ihrem Leben taten. Also stellte er sich vor, dass er früher oder später auch vor den Altar treten würde. Doch der Weg dorthin schien ihm unklar und verworren. Außerdem besaß er keine wirkliche Vorstellung davon, was eine Ehe bedeutete. Seine Eltern wurden oft als Beispiel für ein glückliches Paar angeführt, aber das war nur die Fassade für die Öffentlichkeit gewesen. In Wahrheit glich die Beziehung eher dem Zusammenleben zweier fremder Menschen denn einem gemeinsamen Leben.

Er spürte die neugierigen Blicke der drei Männer auf sich ruhen und durchforstete sein Gehirn nach dem Namen der gefestigtsten, erwachsensten und konzentriertesten Frau, der ihm einfiel.

„Lily. Lily Dempsey.“

Damit schien niemand gerechnet zu haben. Das Erstaunen der drei Männer wirkte so komisch, dass er am liebsten gelacht hätte. Aber ihm war nicht nach Lachen zumute.

Lily Dempsey. Mit ihrem Mona-Lisa-Lächeln und den kühlen, abweisenden grauen Augen. Sie entsprach der Definition von gefestigt, erwachsen und konzentriert. Ein Anker in Menschengestalt.

Leider hasste sie ihn. Und, um ehrlich zu sein, er mochte sie auch nicht besonders. Dafür gab es keinen bestimmten Grund. Sie schienen einfach nur immer aneinander zu geraten – falls sie sich herabließ, seine Existenz zu bemerken. Meistens schaute sie durch ihn hindurch, und das war eine so irritierende Erfahrung, dass er sich dabei ertappte, ihr absichtlich in die Quere zu kommen – nur um es dann zu bereuen, wenn sie ihn in diesem kühlen, herablassenden Tonfall ansprach, der deutlich machte, wie oberflächlich sie seinen Charme fand. 

All das machte die Tatsache, dass sie in den zwei Monaten vor seiner Abreise nach Ecuador heimlich miteinander geschlafen hatten, nicht nur unverständlich, sondern zu einem unlösbaren Rätsel. Natürlich war es nur Sex. Anfangs schien mehr als eine Nacht auch undenkbar zu sein, aber dann waren sie sich bei einer anderen Veranstaltung über den Weg gelaufen … und es war wieder passiert. Und so war es weitergegangen. Plötzlich hatten sie schon einen Monat miteinander geschlafen, dann noch einen.

Und noch immer hatte er keine Ahnung, warum. Zwar mochten sie wie Hund und Katze zueinander sein. Aber im Bett existierte nur flammende Leidenschaft. Unvermittelt spannten sich die Muskeln in seiner Körpermitte, sodass er die Erinnerung daran, wie sie sich an ihn schmiegte, rasch ausblenden musste.

„Du bist mit Lily Dempsey verlobt?“

Quer durch den Raum starrte er in Masons ungläubiges Gesicht.

Nein, dachte er.

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