Das Licht unserer Liebe

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Nie hat Marley einen Mann mehr geliebt, nie stärker begehrt als Yannis Anetakis. Der reiche griechische Unternehmer hat sie geküsst, sanft verführt und eine unstillbare Leidenschaft in ihr geweckt … Allein bei dem Gedanken an die Nächte mit ihm schlägt Marleys Herz schneller. Sie hatte geglaubt, dass das Licht ihrer Liebe ewig leuchten würde. Und jetzt? Weil er sie für eine Verräterin hält, hat er sie einfach rausgeworfen! Zwecklos, ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen. Deshalb reist Marley stolz zurück nach New York - ohne Yannis zu sagen, dass sie sein Kind erwartet


  • Erscheinungstag 22.11.2009
  • Bandnummer 1591
  • ISBN / Artikelnummer 9783862955527
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Schwanger.

Obwohl es ein warmer Sommertag war, fröstelte Marley Jameson. Sie setzte sich auf ihre Lieblingsbank in dem kleinen Park unweit des Appartements, das sie mit Yannis Anetakis bewohnte.

Die Sonne schien warm auf ihre Haut, konnte die Gänsehaut jedoch nicht vertreiben. Stavros würde über ihr unangemeldetes Verschwinden gar nicht glücklich sein. Genauso wenig wie Yannis, wenn Stavros ihm davon erzählte. Aber zu ihrem Arzttermin hatte Marley den imposanten Leibwächter auf keinen Fall mitnehmen wollen. Dann hätte Yannis es gleich erfahren.

Wie würde er auf die Neuigkeit reagieren? Sie waren immer vorsichtig gewesen, und trotzdem war Marley jetzt in der achten Woche schwanger. Wahrscheinlich war es nach seiner Geschäftsreise in Europa passiert. Yannis hatte einfach nicht genug von ihr bekommen können. Und sie nicht von ihm.

Der Gedanke an jene Nacht trieb Marley die Röte ins Gesicht. Unzählige Male hatte er mit ihr geschlafen und ihr ins Ohr geflüstert – warme, sanfte Worte, die ihr Herz höher schlagen ließen.

Nervös blickte sie auf die Uhr und schrak auf. In ein paar Stunden würde Yannis nach Hause kommen, und sie saß hier und brütete vor sich hin. Sie musste sich noch umziehen – Jeans und T-Shirt trug sie nur, wenn er nicht da war.

Widerstrebend erhob sich Marley und ging zurück zu dem herrschaftlichen Gebäude, in dem sich Yannis’ Wohnung befand. Sie hatte Angst.

„Sei nicht albern“, ermahnte sie sich und ging entschlossen auf den Eingang zu.

Lächelnd hielt ihr der Pförtner die Tür auf. Sicher wunderte er sich, dass sie zu Fuß unterwegs war.

Marley betrat den Fahrstuhl und drückte den obersten Knopf. Nach einer Weile kam der Lift sanft zum Stehen, und die Türen glitten auf. Doch Marley stieg nicht sofort aus, sondern strich sich gedankenverloren über den noch flachen Bauch, bevor sie den Fuß auf den Teppich setzte.

Sie durchquerte den Eingangsbereich, streifte die Schuhe auf dem Weg ins Wohnzimmer ab und warf die Tasche achtlos auf die Couch. Marley fühlte sich erschöpft, am liebsten hätte sie sich hingelegt. Doch zuerst musste sie darüber nachdenken, wie sie bei Yannis das Thema Beziehung anschneiden sollte.

Vor ein paar Tagen war noch alles in Ordnung gewesen. Aber das Ergebnis des Schwangerschaftstests hatte alles verändert und sie dazu gebracht, über die letzten sechs Monate mit Yannis nachzudenken.

Marley liebte ihn von ganzem Herzen – aber empfand er dasselbe für sie? Der Sex war fantastisch. Doch jetzt gab es ein Baby, auf das sie Rücksicht nehmen musste. Und sie wollte mehr als heißen Sex – mehr Zeit mit ihm, auch ohne auf seine Termine Rücksicht zu nehmen.

Seufzend ging sie ins Schlafzimmer – und zuckte zusammen, als Yannis plötzlich vor ihr stand, ein Handtuch um die Hüften geschlungen.

Er schenkte ihr sein umwerfendes Lächeln. Wenn Marley ihn sah, war es immer wie beim ersten Mal: Sie bekam eine Gänsehaut, und ihr zitterten die Knie. „D…du bist früh dran“, brachte sie heraus.

„Ich habe auf dich gewartet“, sagte er mit rauer Stimme.

Als er das Handtuch fallen ließ, schluckte sie. Er war erregt. Sein Blick so gefährlich wie der einer Raubkatze, kam er auf sie zu und legte die Hände auf ihre Schultern. Dann küsste er Marley leidenschaftlich.

Leise seufzte sie auf. Sie konnte nicht genug von ihm bekommen. Sobald er sie berührte, stand sie regelrecht in Flammen.

Mit den Lippen glitt er über ihren Hals, während er ungeduldig an ihrem Shirt zog. Sehnsüchtig griff sie in sein dunkles Haar und zog ihn näher zu sich. Sein Körper war schlank und durchtrainiert. Er bewegte sich anmutig und berührte sie so, wie sie es mochte. Als er mit ihr auf das Bett sank, schlang sie den Arm um ihn.

„Du hast eindeutig zu viel an“, murmelte er und zog ihr das Shirt über den Kopf.

Marley wusste, dass sie mit ihm reden sollte. Aber sie hatte ihn so sehr vermisst. Ein Teil von ihr wollte einfach diesen Moment genießen, ehe sich alles unwiderruflich veränderte.

Geschickt öffnete er den Verschluss ihres BHs und berührte ihre Brustwarzen, die während der Schwangerschaft noch empfindlicher waren. Sie fragte sich, ob er es bemerken würde.

„Hast du mich vermisst?“

„Das weißt du doch“, stieß sie atemlos hervor.

„Dann sag es!“

„Ich habe dich vermisst“, antwortete sie und lächelte.

Er zögerte nicht länger, sondern zerrte ihr die Jeans herunter und warf die Hose dann quer durchs Zimmer. Der BH folgte, dann der Slip. Sekunden später legte Yannis sich sanft auf sie und küsste sie stürmisch. Sie hob sich ihm entgegen und erschauerte, als er in sie eindrang. Die ihr so vertraute brennende Leidenschaft erfüllte sie und riss sie mit sich. Beinah verzweifelt liebten sie sich, wie im Rausch.

Kurz vor dem Höhepunkt nahm er sie fest in die Arme und flüsterte ihr ein paar griechische Worte ins Ohr. Seine Stimme zu hören, empfand sie wie eine zusätzliche Liebkosung, die sie noch schneller dem Gipfel entgegentrug.

Minuten später kuschelte sie sich zufrieden und glücklich an ihn und wartete darauf, dass sich ihr unregelmäßiger Atem beruhigte.

Als sie die Augen aufschlug, lag Yannis neben ihr und betrachtete sie zufrieden. Marley musste kurz eingeschlafen sein. Verträumt erwiderte sie seinen Blick und dachte, dass seine Augen wie Gold glänzten.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, das Thema anzusprechen. Eine bessere Gelegenheit würde es nicht geben. Warum hatte sie nur solche Angst davor?

„Yannis“, begann sie zaghaft.

„Was ist los?“, fragte er und runzelte die Stirn.

„Ich muss mit dir reden.“

Er rückte ein Stück von ihr ab, wobei ihm das Laken bis zur Hüfte herunterrutschte. Marley fühlte sich verletzlich und durchschaubar. Sie zitterte, als er sanft ihre Brust streichelte. „Worüber willst du reden?“

„Über uns“, antwortete sie schlicht.

Sein Blick wurde wachsam, dann zog Yannis sich mit einem Mal zurück und wirkte fast abweisend. Marley erschrak.

In diesem Moment ertönte der Türsummer. Yannis fluchte leise und streckte die Hand nach der Gegensprechanlage aus.

„Was ist?“, fragte er barsch.

„Hier ist Roslyn. Kann ich hochkommen?“

Marley verdrehte die Augen, als sie die Stimme von Yannis’ Assistentin hörte. Es war spät am Abend, und trotzdem schneite die Frau einfach in sein privates Appartement herein.

„Ich bin beschäftigt, Roslyn. Kann das nicht bis morgen warten?“

„Es tut mir leid, Sir, aber es ist dringend. Der Vertrag muss bis sieben Uhr morgen früh unterzeichnet sein.“

„Kommen Sie hoch!“ Fluchend schwang er die Beine aus dem Bett und stand auf. Dann streifte er Hemd und Hose über.

„Was will sie hier?“, fragte Marley leise.

Irritiert sah Yannis sie an. „Sie ist meine Assistentin. Das ist ihr Job.“

„Ja, aber das ist deine Privatwohnung.“

Er schüttelte den Kopf und knöpfte sich das Hemd zu. „Ich bin gleich zurück, dann reden wir weiter.“

Bekümmert sah Marley ihm nach. Das Gespräch auf einen anderen Abend zu verschieben wäre vielleicht nicht schlecht. Aber sie musste wissen, was er für sie empfand. Ob er eine Zukunft für sie beide sah. Erst dann konnte sie ihm von der Schwangerschaft erzählen.

Das Warten machte sie nervös. Sie wollte ihm nicht nackt gegenübertreten, daher schlüpfte sie schnell aus dem Bett und zog sich Jeans und T-Shirt über. Aber auch das beruhigte sie nicht. Seufzend schüttelte Marley den Kopf.

Endlich hörte sie seine Schritte im Flur. Mit besorgter Miene betrat er das Zimmer. Als er sie sah, zog er die Mundwinkel nach unten. „Nackt mag ich dich lieber.“

Sie lächelte schwach und ließ sich aufs Bett sinken. „Ist alles in Ordnung?“

Yannis hob abwehrend die Hand. „Nichts weiter, nur eine fehlende Unterschrift.“ Begehrlich betrachtete er sie und kam auf das Bett zu. Direkt vor ihr blieb er stehen und knöpfte sich das Hemd langsam wieder auf.

„Yannis … wir müssen reden.“

Ein Ausdruck von Verärgerung huschte über sein Gesicht. Resigniert ließ er sich neben sie aufs Bett fallen. „Dann rede, Marley. Was macht dir Sorgen?“

Ihn so nahe zu spüren brachte sie aus der Fassung. Unruhig rückte Marley ein Stück von ihm ab. „Ich möchte wissen, wie du über mich denkst. Über uns“, begann sie nervös und sah ihn eindringlich an. „Ob wir eine Zukunft haben.“

Die Lippen aufeinandergepresst, erwiderte Yannis ihren Blick. „Jetzt ist es also so weit“, entgegnete er. Im nächsten Moment stand er auf und wandte ihr den Rücken zu.

„Wie meinst du das? Ich möchte wissen, was du für mich empfindest. Ob wir eine Zukunft haben. Du sprichst nie darüber“, erklärte sie mutlos.

Er beugte sich zu ihr hinab. „Wir haben keine Beziehung. Ich gehe keine Beziehungen ein, und das weißt du. Du bist meine Mätresse.“

Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Marley starrte ihn mit offenem Mund an. „Mätresse?“, wiederholte sie keuchend. Geliebte vielleicht. Liebhaberin. Derzeitige Freundin. All diese Bezeichnungen hätte sie verkraftet. Aber Mätresse? Eine käufliche Frau? Eine, die er für Sex bezahlte? Übelkeit stieg in Marley auf.

Sie taumelte auf die Füße und wich rückwärts vor ihm zurück. Verwirrt blickte Yannis sie an. „Ist das wirklich alles, was ich für dich bin?“, stieß sie hervor. Sie konnte es nicht glauben. „Eine … Mätresse?“

Er seufzte ungeduldig. „Du verstehst das falsch. Ich hatte eine anstrengende Woche, und dir geht es offensichtlich nicht gut. Setz dich, ich hole dir etwas zu trinken. Es bringt nichts, wenn wir jetzt weiterreden.“

Yannis drückte sie zurück aufs Bett und ging in die Küche.

Seit einer Woche versuchte er nun schon, den Spion in seiner Firma dingfest zu machen. Einen Streit mit Marley konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen.

Er schenkte ihr ein Glas Saft ein und gönnte sich einen großen Schluck Brandy. So langsam bekam er Kopfschmerzen.

Als er Marleys Schuhe mitten im Gang liegen sah, musste er lächeln. Sie hatte sie gleich hinter dem Lift ausgezogen. Er folgte ihrer Spur bis zur Couch, wo die Tasche lag.

Normalerweise war sie eine entspannte, unkomplizierte Frau. Dieser untypische Gefühlsausbruch hatte ihn völlig überrumpelt. Ihre Beziehung hatte deshalb so lange gehalten, weil sie nie klammerte. Moment, Beziehung? Gerade eben hatte er noch geleugnet, dass sie eine hatten.

Ich sollte nicht so hart sein, dachte Yannis. Wahrscheinlich fühlte sie sich nicht wohl und sehnte sich nach mehr Nähe. Marley war immer für ihn da, wenn er nach wochenlangen Geschäftsreisen oder anstrengenden Meetings nach Hause kam. Es war zwar eine ungewohnte Situation für Yannis, aber letztlich war es nur fair, dass sie mehr als Sex wollte. Obwohl Sex mit ihr ganz oben auf seiner Wunschliste stand.

Yannis wandte sich zum Schlafzimmer, um sich zu entschuldigen, als sein Blick auf einen Stapel Papiere in Marleys Tasche fiel. Irritiert blieb er stehen und stellte die Gläser auf den Couchtisch.

Mit einem Mal war sein Hals wie zugeschnürt. Das konnte nicht sein! Yannis zog die Papiere aus der Tasche und faltete sie auseinander. Zorn stieg in ihm auf. Marley, seine Marley, war der Spion in seiner Firma?

Das konnte nicht sein, es durfte einfach nicht sein. Aber da stand der Beweis schwarz auf weiß. Heute Morgen hatte er absichtlich eine Falschmeldung in Umlauf gebracht, um zu sehen, wer sie an die Konkurrenz verkaufte. Und genau diese Meldung steckte jetzt in Marleys Tasche.

Die plötzliche Erkenntnis traf Yannis wie ein Schlag. Die ersten Bauzeichnungen waren ungefähr zur selben Zeit verschwunden, als Marley bei ihm eingezogen war. Sie hatte für ihn gearbeitet, bis er sie überredet hatte, den Job aufzugeben, damit er sie ganz für sich haben konnte. Auch jetzt konnte Marley jederzeit ungehindert in seine Büros gehen.

Wie dumm er gewesen war! Er erinnerte sich an den Anruf von Stavros. Marley war einige Stunden ohne den Leibwächter weg gewesen. Yannis hatte sie noch bitten wollen, besser auf sich aufzupassen. Dabei war er derjenige, der aufpassen musste! Sie war in seinem Büro gewesen und danach verschwunden. Und jetzt lagen die Unterlagen in ihrer Tasche!

Er zerknüllte die Papiere in seiner Hand und rannte ins Schlafzimmer. Marley saß immer noch auf dem Bett. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, aber Yannis konnte nur daran denken, wie geschickt sie ihn manipuliert hatte.

„Ich gebe dir eine halbe Stunde, dann bist du weg!“, sagte er knapp.

Erschrocken sah Marley ihn an. „Ich verstehe nicht“, brachte sie heraus.

„Du hast dreißig Minuten, um deine Sachen zusammenzupacken. Danach rufe ich den Sicherheitsdienst.“

Abrupt sprang sie auf die Füße. Sie hatte ihm doch noch nicht einmal von dem Baby erzählt! „Yannis, was ist los? Warum bist du so wütend? Weil ich nicht deine Mätresse sein will? Es ist ein Schock für mich. Ich dachte, dass ich dir mehr bedeute!“

„Jetzt hast du nur noch achtundzwanzig Minuten“, erwiderte er kalt. Er hielt ihr die zerknüllten Papiere entgegen. „Dachtest du, du würdest damit durchkommen? Glaubst du wirklich, du kannst mich betrügen? Ich dulde keine Lügner und Betrüger, und du, meine Liebe, bist beides!“

Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. Sie schwankte, aber Yannis machte keinerlei Anstalten, sie zu stützen. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Was sind das für Unterlagen?“

Verächtlich schürzte er die Lippen. „Du hast mich bestohlen! Sei froh, dass ich nicht die Polizei rufe. Du hättest meine Firma zerstören können. Aber diesmal hast du dich verraten. Diese Unterlagen habe ich gefälscht, um dem Täter auf die Schliche zu kommen!“

„Gestohlen?“ Ihre Stimme überschlug sich. Marley riss ihm die Papiere aus der Hand, Schrift und Grafiken erkannte sie nur noch verschwommen. Es war eine E-Mail mit vertraulichen Informationen. Detaillierte Baupläne für ein Großprojekt irgendwo im Ausland. Das ergab alles keinen Sinn. Marley hob den Kopf und sah Yannis in die Augen. Die Welt zerfiel um sie herum, schien von jetzt auf gleich in Scherben zu liegen. „Du glaubst, dass ich das gestohlen habe?“

„Das war in deiner Tasche! Mach es nicht noch schlimmer, indem du es abstreitest. Ich möchte, dass du jetzt gehst.“ Übertrieben auffällig blickte er auf die Uhr. „Dir bleiben noch fünfundzwanzig Minuten.“

Marleys Hals war wie zugeschnürt, sie bekam kaum noch Luft. Sie konnte nicht denken, nicht reagieren. Wie betäubt lief sie zur Tür, ohne ihre Sachen zusammenzusuchen. Sie wollte nur weg. Am Türrahmen blieb sie kurz stehen und drehte sich zu ihm um. Kalt blickte Yannis sie an.

„Wie kannst du nur denken, dass ich so etwas tue?“, flüsterte sie. Dann lief sie davon.

Halb blind vor Tränen, taumelte sie in den Aufzug und drückte den Knopf für das Erdgeschoss. Wenige Augenblick darauf lief Marley schluchzend hinaus in die Nacht. Ungehindert liefen ihr jetzt die Tränen über die Wangen, aber sie kümmerte sich nicht darum. Er würde ihr schon zuhören, das musste er einfach! Sie würde warten, bis er sich beruhigt hatte, und es ihm dann sagen. Es war alles ein schrecklicher Irrtum. Es musste einen Weg geben, ihn zur Vernunft zu bringen.

In ihrer Verzweiflung bemerkte Marley den Mann nicht, der sie verfolgte. Als sie um die Ecke bog, griff er nach ihrem Arm und zog einen Sack über ihren Kopf. Ihr Schrei erstarb unter dem groben Stoff.

Trotz ihrer heftigen Gegenwehr wurde Marley auf den Rücksitz eines Wagens gedrängt. Die Tür schlug zu, und der Wagen fuhr los.

2. KAPITEL

Drei Monate später

Yannis saß in seinem Appartement und grübelte stumm vor sich hin. Er sollte beruhigt sein, weil seiner Firma keine Gefahr mehr drohte. Doch der Grund dafür war wenig tröstlich. Müde betrachtete er den Dokumentenstapel, der vor ihm lag. Im Hintergrund liefen die Abendnachrichten.

Er war nur für ein paar Tage in New York. Morgen flog er nach London, um mit seinem Bruder Theron bei der Grundsteinlegung für das neue Luxushotel dabei zu sein. Hätte Marley Erfolg gehabt, würde es dieses Hotel nicht geben. Yannis verzog den Mund. Er, der Firmenchef von Anetakis International, war von einer Frau manipuliert und bestohlen worden. Bevor er sie entlarven konnte, hatten seine Brüder und er zwei Entwürfe an den größten Konkurrenten verloren. Yannis hätte sie der Polizei übergeben sollen, aber er war einfach zu schockiert gewesen, zu schwach.

Noch nicht einmal ihre Sachen hatte er aus seinem Appartement geräumt. Anfangs hatte er geglaubt, dass sie alles abholen würde. Vielleicht hatte ein kleiner Teil von ihm das sogar gehofft. Zu gern hätte er sie gefragt, warum sie ihm das angetan hatte. Aber es war Zeit, sie zu vergessen.

Plötzlich horchte Yannis auf. Träumte er, oder hatte er ihren Namen gehört? Marley Jameson – kein Zweifel, die Stimme im Fernseher nannte ihren Namen! Ruckartig drehte Yannis sich um. Ein Reporter berichtete aus dem örtlichen Krankenhaus. Dann wurden Aufnahmen einer Frau eingeblendet, die von Sanitätern aus einem heruntergekommenen Gebäude getragen wurde. Ungläubig lehnte Yannis sich vor. Es war Marley!

Er sprang auf und stellte den Ton lauter.

Offensichtlich war Marley entführt und heute von der Polizei gerettet worden. Es war noch nicht klar, wer sie entführt hatte und warum, aber sie war lange in Gefangenschaft gewesen. Angespannt wartete Yannis darauf, ob sein Name genannt wurde. Er hatte die Beziehung geheim gehalten. Er hatte immer streng darauf geachtet, dass keine privaten Informationen über ihn an die Öffentlichkeit gelangten. Und nachdem Marley ihn betrogen hatte, war er doppelt froh darüber gewesen. Sie hatte ihn blamiert, und sein einziger Trost bestand darin, dass es niemand wusste.

Die Kamera zeigte eine Nahaufnahme von Marleys Gesicht, sie sah blass und verängstigt aus. Yannis wurde übel. Genauso hatte sie in der Nacht ausgesehen, als er sie beschuldigt hatte: blass, schockiert und verletzt.

Und das war noch nicht alles. Zwar hatten die Kidnapper Marley sehr lange festgehalten, aber der Reporter ging davon aus, dass die Gefangenschaft dem Baby nicht geschadet habe. Schätzungen zufolge war Marley im vierten oder fünften Monat schwanger!

„Mein Gott!“, murmelte er, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Er stand auf, griff nach seinem Handy und verließ das Appartement. Als er aus dem Eingang des Hochhauses stürmte, fuhr die Limousine vor.

Noch aus dem Auto rief er in dem Krankenhaus an, in das Marley eingeliefert worden war.

„Körperlich geht es ihr den Umständen entsprechend gut“, informierte der Arzt ihn. „Aber ich mache mir Sorgen um ihren seelischen Zustand.“

Yannis fiel es schwer stillzusitzen. Als man ihm zunächst jegliche Auskunft verweigert hatte, hatte er sich kurzerhand als Marleys Verlobter ausgegeben. Dann hatte er sie in ein Einzelzimmer verlegen lassen und einen Spezialisten angefordert. „Sie ist also nicht verletzt?“

„Das habe ich nicht gesagt“, erwiderte der Arzt. „Aber ihr Zustand ist nicht kritisch.“

„Sprechen Sie bitte Klartext.“

Prüfend sah der Arzt ihn an. „Miss Jameson hat ein schweres Trauma erlitten. Ich kann nicht genau sagen, wie schwer, da sie sich nicht an ihre Gefangenschaft erinnert.“

„Wie bitte?“ Yannis starrte den Arzt ungläubig an.

„Sie erinnert sich auch nicht an die Zeit vor der Entführung. Sie weiß ihren Namen, aber das ist auch schon alles. Ihr war nicht einmal bewusst, dass sie schwanger ist. Das war ein ziemlicher Schock für sie.“

Yannis fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Sie erinnert sich an nichts? Gar nichts?“

Der Arzt schüttelte den Kopf. „Ich fürchte nicht. Sie ist extrem verletzlich. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich nicht aufregt. Sie muss das Baby noch vier Monate austragen und sich von diesem schrecklichen Erlebnis erholen.“

Gereizt seufzte Yannis. „Natürlich werde ich sie schonen. Ich kann es nur kaum glauben, dass sie sich an nichts erinnert.“

Der Arzt blickte ihn an. „Die Gefangenschaft war sehr traumatisch. Ich nehme an, dass ihr Gehirn sich auf diese Art schützt. Es blockiert die Erinnerung so lange, bis sie stark genug ist, sich dem Ganzen zu stellen.“

„Wurde sie …“ Yannis brachte die Worte kaum über die Lippen, und doch musste er es wissen. „Haben sie ihr wehgetan?“

Der Gesichtsausdruck des Arztes wurde weich. „Ich habe keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass sie misshandelt wurde. Zumindest nicht körperlich. Erst wenn sie sich wieder erinnert, wissen wir genau, was passiert ist. Bis dahin müssen wir Geduld haben. Wie gesagt, sie ist sehr verwundbar, und wenn wir zu tief bohren, könnte es schlimme Folgen haben.“

Er fluchte leise. „Ich verstehe. Ich kümmere mich darum, dass sie gut versorgt wird. Kann ich sie jetzt sehen?“

Der Arzt zögerte. „Ja. Aber bitte erzählen Sie ihr nichts über die Entführung.“

Yannis musterte den Arzt ungläubig. „Ich soll sie anlügen?“

„Ich möchte nur nicht, dass sie sich aufregt. Sie können ihr gern Details aus ihrem Leben erzählen. Was sie gern gemacht hat, wie sie sich kennengelernt haben. Alltägliche Sachen eben. Der Psychiater war der Meinung, wir sollten sie vorerst nicht mit der Wahrheit belasten. Wir wissen sowieso sehr wenig, also wäre es unklug, sie zu verwirren. Sie braucht Ruhe!“

Widerwillig nickte Yannis. Der Arzt hatte recht, und doch musste er unbedingt wissen, was mit Marley geschehen war. Aber um sie und das Baby nicht zu gefährden, würde er warten. Er sah auf die Uhr. Die Polizei erwartete ihn, aber zuerst wollte er zu Marley.

Der Arzt nickte. „Die Schwester wird Sie hinaufbringen.“

Marley fühlte sich wie hinter einem dichten Nebelschleier. Sie wollte das Bewusstsein nicht erlangen, sehnte sich nach der Dunkelheit, dem Vergessen.

Ihr ganzes Leben erschien ihr wie ein großes schwarzes Loch. Das Einzige, was ihr durch den Kopf geisterte, war ihr Name. Marley.

Sie suchte nach Antworten auf die Fragen, die über sie hereinbrachen, wenn sie wach war. Die Antworten schienen so nah zu sein, entflohen ihr jedoch jedes Mal, wenn sie danach zu greifen versuchte. Marley drehte sich zur Seite und bemühte sich, wieder einzuschlafen, als eine Hand nach ihrem Arm griff.

Panisch zog sie den Arm weg.

„Du darfst nicht wieder einschlafen, meine Kleine. Noch nicht.“

Die Stimme des Mannes war wie ein sanftes Streicheln. Vorsichtig drehte sie den Kopf und sah den Fremden an. War er überhaupt ein Fremder, oder kannte sie ihn? War er vielleicht der Vater des Kindes, das sie unter dem Herzen trug?

Instinktiv legte sie sich die Hand auf den Bauch, während sie den Besucher musterte. Er sah wirklich beeindruckend aus, war groß, schlank und hatte bernsteinfarbene Augen. Er war eindeutig kein Amerikaner. Sie sollte ihn fragen, wer er war und warum er hier war. Der Gedanke brachte sie fast zum Lachen.

„Unserem Baby geht es gut“, sagte er, als sie die Hand beschützend auf ihren Bauch legte.

Marley erstarrte. Behauptete er, der Vater des Kindes zu sein? Dann müsste sie ihn doch kennen! Fieberhaft suchte sie nach irgendetwas, das ihr bekannt vorkam. „Wer sind Sie?“, brachte sie schließlich heraus.

Ein Schatten glitt über seine Züge, doch er fing sich schnell wieder. Sie versuchte, sich in seine Lage zu versetzen. Wie würde ich mich fühlen, wenn der Vater meines Babys sich auf einmal nicht mehr an mich erinnert?

Der Mann zog einen Stuhl ans Bett und setzte sich. Wieder nahm er ihre Hand, und diesmal ließ Marley ihn gewähren. „Ich bin Yannis Anetakis. Dein Verlobter.“

Marley versuchte in seinem Gesicht die Wahrheit zu lesen. Ruhig erwiderte er ihren Blick, ohne eine Spur von Gefühlen zu zeigen. „Es tut mir leid“, sagte sie. Ihr versagte die Stimme, und sie schluckte schwer. „Ich kann mich nicht erinnern …“

„Ich weiß, ich habe mit den Ärzten gesprochen. Es ist jetzt nicht wichtig, woran du dich erinnerst. Hauptsache, du ruhst dich aus und wirst schnell wieder gesund, sodass ich dich mit nach Hause nehmen kann.“

Panik stieg in ihr auf. Nervös befeuchtete Marley sich die Lippen. „Nach Hause?“

Er nickte. „Ja, nach Hause.“

„Wo ist das?“ Es war schrecklich, dass sie das fragen musste. Genauso schrecklich wie hier zu liegen und sich mit einem völlig Fremden zu unterhalten. Abgesehen davon, dass er das anscheinend nicht war, ein Fremder. Offensichtlich hatte sie mit ihm geschlafen, aller Wahrscheinlichkeit nach war sie in ihn verliebt. Sie waren schließlich verlobt, und sie war schwanger.

„Du bemühst dich zu sehr, meine Kleine“, sagte er sanft. „Es strengt dich zu sehr an. Du darfst nichts überstürzen. Der Arzt hat gesagt, dass deine Erinnerungen früher oder später zurückkommen.“

„Bist du sicher? Was, wenn nicht?“ Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Marley konnte kaum atmen.

Yannis streckte eine Hand aus und streichelte ihr Gesicht. „Beruhige dich, Marley. Es ist nicht gut für das Baby, wenn du dich aufregst.“

Es war seltsam, ihren Namen aus seinem Mund zu hören. Es fühlte sich an, als spräche er von einer Fremden, obwohl sie sich an ihren Namen erinnerte … Vielleicht hatte sie im Stillen befürchtet, dass es gar nicht ihr Name war.

„Kannst du mir etwas über mich erzählen? Irgendetwas?“ Noch während sie die Worte aussprach, wurde ihr bewusst, wie verzweifelt sie sich anhörte, beinah flehend. Tränen brannten ihr in den Augen.

„Wir haben später noch genug Zeit zum Reden“, erwiderte er tröstend und strich ihr über die Stirn. „Ruh dich jetzt aus. Ich bereite zu Hause alles für dich vor.“

Bereits zum zweiten Mal erwähnte er ihr Zuhause. Ihr fiel auf, dass er noch immer nicht gesagt hatte, wo das war. „Wo ist unser Zuhause?“, fragte sie erneut.

Für einen kurzen Moment presste er die Lippen aufeinander, dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck. „Unser Zuhause ist hier in der Stadt. Ich bin geschäftlich viel unterwegs, aber wir hatten hier ein gemeinsames Appartement. Ich möchte dich gern mit auf meine Insel nehmen, sobald es dir besser geht.“

Marley sah ihn prüfend an. Seine Worte klangen seltsam, so unbeteiligt. Es lagen keine Gefühle darin, keine Freude.

Er schien zu spüren, dass sie noch mehr fragen wollte, und küsste sie schnell auf die Stirn. „Ruh dich aus, meine Kleine. Ich muss einiges vorbereiten. Der Arzt sagt, du kannst in ein paar Tagen entlassen werden, wenn alles gut geht.“

Erschöpft schloss sie die Augen und nickte. Als er die Tür hinter sich schloss, öffnete sie sie wieder. Tränen liefen ihr über das Gesicht.

Sie sollte froh sein, dass sie nicht allein war. Der Besuch von Yannis Anetakis hatte sie jedoch nicht beruhigt. Im Gegenteil, sie war noch aufgewühlter als zuvor und wusste nicht einmal, warum. Marley zog die dünne Decke enger um ihren Körper und schloss die Augen. Der Schlaf würde ihr zumindest ein wenig Seelenfrieden bringen.

Als sie wieder aufwachte, stand eine Krankenschwester an ihrem Bett und überprüfte den Blutdruck.

„Oh, gut, Sie sind wach“, sagte die Schwester fröhlich. „Ich habe das Abendessen mitgebracht. Haben Sie Hunger?“

Autor

Maya Banks

Maya Banks lebt mit ihrem Mann, drei Kindern und einer ganzen Schar von Katzen in Texas. Wenn sie nicht schreibt, trifft man sie beim Jagen und Fischen oder beim Poker spielen. Als typisches Mädchen aus den Südstaaten beschreibt sie in ihren Geschichten leidenschaftlich gern Charaktere und Landschaften aus ihrer Heimat....

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