Der Tod trägt dein Gesicht

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Gefesselt, vergewaltigt, durch den Wald gehetzt und erschossen - drei Frauen sind grausam ermordet worden. Kommissarin Casey O'Toole leitet die Ermittlung und macht eine verstörende Entdeckung: Die Opfer sahen ihr verblüffend ähnlich - rotes Haar, blaue Augen - und alle drei waren bei dem Schönheitschirurgen Dr. Mark Adams in Behandlung. Kommt er als Serienkiller in Frage? Für Casey eine Frage auf Leben und Tod: Während die Angst unter der Bevölkerung vor einem neuen Frauenmord wächst, zeigt ihr der prominente Arzt, dass sie für ihn die Schönste ist. Zwischen Misstrauen und Sehnsucht lässt Casey sich zu einer Affäre hinreißen - und beschwört damit eine Katastrophe herauf ...


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • ISBN / Artikelnummer 9783955761868
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Ginna Gray

Der Tod trägt dein Gesicht

Roman

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgaben:

Fatal Flaw

Copyright © 2005 by Virginia Gray

erschienen bei: Mira Books, Toronto

Übersetzt von Martha Windgassen

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Getty Images, München

Autorenfoto: © © by Harlequin Enterprise S.A., Schweiz

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN eBook 978-3-95576-186-8

www.mira-taschenbuch.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

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1. KAPITEL

Er war hinter ihr her.

Sie konnte spüren, wie er näher kam. Er wollte sie umbringen.

Sie preschte durch das Dickicht. Tiefe Äste und Dornensträucher verhedderten sich in ihrer Kleidung und in ihrem Haar, aber sie bemerkte es kaum.

Sie rannte einfach drauflos. Sie sprang über Baumstämme, die am Boden lagen, und schlug sich durch Büsche. Sie lief mit dem Einsatz ihres ganzen Körpers. Jeder Muskel war angespannt. Nach einigen Schritten warf sie einen ängstlichen Blick über die Schulter. Die Luft, die in ihre Lungen ein- und ausströmte, brannte in ihrem Hals. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Entsetzen packte sie. Sie war kurz davor, in Panik auszubrechen.

Nein. Nein, das durfte sie nicht zulassen, ermahnte sie sich, während sie einen dornigen Ast zur Seite schlug. Sie musste die Nerven behalten. Sie musste einfach.

Sonst würde sie sterben. Wie diese anderen armen Frauen. Jeden Abend hatte sie die Berichte über die Morde in den Nachrichten gesehen. Der Mörder dieser Frauen und der Mann, der sie verfolgte, waren ein und derselbe.

Er war krank. Er liebt es, daraus eine Art Sport zu machen, kam ihr in den Sinn. Ohne langsamer zu werden, duckte sie sich unter einem tief herabhängenden Ast. Der Mann lockte seine Opfer mit der Chance, entkommen zu können, auch wenn sie noch so klein war. Verdammter Perverser!

Er wird den Tag noch bereuen, an dem er mich aufgespürt hat, schwor sie sich und versuchte nach Kräften, ihren Mut zusammenzunehmen. Dieses Mal hatte er sich die Falsche ausgesucht. Sie war keine von diesen flatterhaften Schwächlingen, die draufgingen, ohne zu kämpfen.

Sie presste die Zähne aufeinander, während sie über ein trockenes Bachbett sprang. Den stechenden Schmerz, der sich in ihrem Fußknöchel ausbreitete, ignorierte sie. Er glaubte wohl, er könne ihr eine Minute Vorsprung geben, um sie dann wie ein Tier zu jagen, was? Na, da würde sie ihn aber überraschen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie mit ihrem Vater und ihren Brüdern in diesem Wald gejagt. Sie kannte sich hier ebenso gut aus wie der Killer. Vielleicht sogar noch besser.

Die anderen Frauen waren kopflos umhergerannt. Sie hatten weder gewusst, wohin sie liefen, noch, wie sie ihrem Verfolger entkommen konnten.

Sie nicht.

Sie hatte einen Plan.

Natürlich fürchtete sie sich zu Tode. Aber sie war außerdem extrem wütend. Ihre einzige Chance bestand darin, beides für sich auszunutzen, die Angst und die Wut. Sie musste es versuchen. Herrgott, sie musste es einfach versuchen!

Sie rannte noch tiefer in den Wald hinein, der sich den Berg hinaufzog. Es war anstrengend. An einigen Stellen war die Steigung gering, an anderen konnte sie die steilen Strecken nur bewältigen, indem sie nach Büschen und Ästen griff, um sich daran hochzuziehen. Aber das Adrenalin gab ihr Kraft. Als sie ungefähr eineinhalb Kilometer vorangekommen war, steuerte sie in einem großen Bogen nach links.

Nach einer Weile fand sie, wonach sie gesucht hatte. Sie sprang in den flachen Bergbach, dann wandte sie sich wieder nach links und rutschte im Wasser den Hang wieder hinab.

Sie war nicht so dumm zu glauben, dass ihre Taktik den Mann längere Zeit an der Nase herumführen würde. Aber wenn sie Glück hatte, würde er einige Minuten brauchen, um sie wieder einzuholen. Wahrscheinlich nahm er an, dass sie desorientiert durch den Wald lief wie die anderen Frauen auch. Vielleicht hatte er nicht mitbekommen, dass sie wieder auf dem Weg zurück war.

Jedenfalls würde er es nicht bemerken, bis sie sich wieder auf dem Forstweg befand. Zwar könnte man sie dort sehen, und es gab wenig Fahrzeuge, die diese Straße befuhren, besonders so früh am Morgen, aber wenigstens kam sie dort ein gutes Stück voran.

Als sie auf der Fläche des Lastwagens von ihrem Entführer lag, hatte sie die Male gezählt, die er herunterschalten musste, als er die Schotterpiste hinauffuhr. Und sie wusste, dass sie sich nur drei Kurven außerhalb der Stadt befanden, vielleicht war sie hier sogar noch innerhalb der Stadtgrenzen.

Als er am Straßenrand anhielt und sie aus dem Wagen holte, hatte sie zwischen den Bäumen die Kirchturmspitze der Ebenezer Baptistengemeinde und die vergoldete Kuppel der First National Bank gesehen. Auf beiden lag Frost, der im Morgenlicht glänzte. Beide Gebäude lagen am östlichen Rand von Mears. Genauso wie das Polizeirevier.

Der Weg in die Stadt führte den Berg hinunter. Wenn sie auf der Innenseite der Kurven lief, würde man sie von oben nicht so leicht sehen können. Und wenn sie Glück hatte, würde zufällig ein Förster die Straße entlangfahren und sie mitnehmen. Falls nicht, würde sie wie der Blitz in die Stadt rennen.

Hundert Meter den Bach hinunter gab es eine drei Meter hohe Stromschnelle. Die Frau krabbelte ans Ufer und den Hang herab. Das Ufergebüsch gab ihr Halt.

Während sie um einen Geröllhaufen herumlief, nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Ihr Herz machte einen Satz. Sie hielt die Luft an und duckte sich auf den Boden. Sie betete. Ihr Herz schlug so laut, dass sie sicher war, man würde es hören. Nach einem Augenblick entspannte sie sich ein wenig und spähte zwischen zwei Felsblöcken hindurch. Hinter den Bäumen sah sie ihren Verfolger. Er war etwa fünfhundert Meter entfernt.

Sie duckte sich wieder hinter die Felsen und hielt sich die Hände vor den Mund. Oh mein Gott! Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr schon so dicht auf den Fersen war. Sie hatte die Entfernung, die sie zurückgelegt hatte, falsch eingeschätzt. Was sollte sie jetzt tun?

Sie schob sich am Felsen hoch, um noch einen Blick zu wagen. Der Mann ging an ihr vorbei, allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Sein Blick war auf den Weg vor ihm gerichtet. Er verfolgte ihre Spuren zurück. Mit beiden Händen hielt er sein Jagdgewehr in Schussposition.

Ohne Vorankündigung hob er den Kopf und lauschte. Das Raubtier schnupperte nach der Fährte seines Opfers. Langsam drehte er sich um und schien sie einige Sekunden lang direkt anzusehen.

Die Frau hielt die Luft an. Sie wagte nicht, sich zu rühren. Oder nur zu blinzeln. Sie wusste aus Erfahrung, dass in der Stille des Waldes die geringste Bewegung die Aufmerksamkeit auf sich zog.

In der Nähe schrie eine Elster in einem Baum. Irgendwo schnatterten Meisen, und ein kleines Tier raschelte durch das Unterholz. Die Frau bewegte sich nicht. Nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, senkte der Mann seinen Blick wieder auf den Boden und fuhr fort, ihre Spur zu verfolgen.

Sie wartete so lange, wie sie es aushielt, so lange, wie ihre Nerven es erlaubten. Aber als ihr Verfolger wieder im Unterholz verschwunden war, lief sie wie der Teufel los.

Zuvor hatte sie sich bemüht, sich vorsichtig und ruhig zu bewegen, während sie aus ganzer Kraft rannte. Da sie aber ihren Mörder so nah gesehen hatte, war sie nicht mehr zu halten. Schrecken und Hysterie bemächtigten sich ihrer. Sie gab ihr letztes Bisschen Selbstkontrolle auf. Sie rannte um ihr Leben.

Sie flog, schlitterte den Hügel in einem gefährlichen Galopp hinunter, der unter ihren Füßen Geröll, Äste und Laub wie kleine Erdrutsche lostrat. Das Echo des Lärms hallte vom Wald zurück, aber sie hörte es nicht.

Ihre Lungen und ihre Kehle brannten. Ihre Jacke war zerrissen, und überall auf der bloßen Haut hatten Dornen blutige Wunden hinterlassen. Während sie nach Luft rang, rollte sie kopfüber den Hügel hinunter, jede Faser ihres Körpers war nur auf ein einziges Ziel gerichtet: zu entkommen.

Sie rannte aus dem Wald heraus. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Gott sei Dank!

Sie hatte Glück. Von links kam ein Lieferwagen die Straße hinab und fuhr auf sie zu. Sie watete durch den eiskalten Bach, der neben der Straße floss. Fast hätte sie das Gleichgewicht in dem schnell fließenden knietiefen Wasser verloren. Aus Angst, dass der Wagen an ihr vorbeifahren könnte, ohne dass der Fahrer sie gesehen hätte, kletterte sie die Böschung hinauf, während aus ihrer Kehle kleine verzweifelte Krächzer drangen. Als sie die Böschung erklommen hatte, war der Wagen fast auf ihrer Höhe. Sie schnellte mitten auf die Straße, direkt vor den Kühlergrill und hob beide Arme.

Der Fahrer trat auf die Bremse und lenkte das Fahrzeug knapp an ihr vorbei. Noch bevor der Wagen zum Stehen kam, war sie auf die Beifahrerseite gelaufen.

“Verdammt! Sind Sie irre? Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun? Einfach so auf die Straße zu laufen! Ich hätte Sie umnieten können!”

“B-bitte helfen sie mir”, japste sie. “Sie müssen mich von hier wegbringen. Ein Verrückter versucht, mich umzubringen!”

“Verdammt!” Der Fahrer sah sich um und lehnte sich hinüber, um ihr die Tür aufzuhalten. “Steigen Sie ein.”

Sie stellte einen Fuß auf das Trittbrett und hielt sich am Türrahmen fest, um sich hinaufzuziehen, als die erste Kugel sie mitten in den Rücken traf.

“Verdammte Scheiße!”, rief der gute Samariter.

Die Wucht des Schusses warf sie nach vorn und ließ einen Regen aus Blut auf den unteren Teil des Armaturenbrettes und die Fußmatten niedergehen. Ein Loch von der Größe eines Daumens erschien im Bodenblech, nur wenige Zentimeter vom rechten Fuß des Mannes entfernt.

Einen Moment lang sahen sie und der entsetzte Mann sich an. Als der zweite Schuss sie traf, zuckte sie und riss die Augen auf. Ganz langsam erlosch ihr Blick. Ihr lebloser Körper rutschte von dem Sitz und auf den Boden.

Der Fahrer fluchte ununterbrochen, als er aufs Gaspedal trat und mit quietschenden Reifen davonfuhr. Der Wagen nahm Fahrt auf, beschleunigte und raste die nächste Haarnadelkurve hinunter, während die noch offene Beifahrertür hin und her schwang.

Die Frau lag zusammengekrümmt auf der Straße. Für sie kam jede Hilfe zu spät.

2. KAPITEL

“Was haben wir hier, Novak?”

Während sie sich Latexhandschuhe anzog, duckte sich Detective Casey O’Toole unter der Polizeiabsperrung hindurch und näherte sich der Leiche. Sie achtete darauf, keine Spuren zu verwischen, und musterte kurz die Abdrücke, die Schuhe und Reifen im weichen Boden hinterlassen hatten. Zwar waren schon einige Streifenwagen, ein Krankenwagen und die Spurensicherung vor Ort, aber als Hauptkommissarin war es Caseys Aufgabe, den Tatort als Erste in Augenschein zu nehmen.

“Weibliches Tötungsopfer. Schusswaffe”, antwortete ihr der uniformierte Beamte.

Na toll, dachte Casey. Noch ein weibliches Mordopfer. Wenigstens hatte Novak sich zurückgehalten und nicht alles gleich über Funk weitergegeben. Der routinierte Polizeibeamte hatte alle über sein privates Mobiltelefon angefordert und so vermieden, dass die Medien davon Wind bekamen. Sonst hätte sich der Tatort schon jetzt in einen Zirkus verwandelt.

Natürlich würden sie früh genug von dem Mord erfahren. Die Geier von der Presse schienen sehr schnell von einem neuen Todesfall die Witterung aufzunehmen. In den letzten Monaten hatten sie Sheriff Crawford wegen der anderen Morde das Leben zur Hölle gemacht. Und auch wenn sie wenig Respekt für diesen Mann hegte, tat er ihr fast leid.

Casey verzog das Gesicht. Wenn die Reporter herausbekamen, dass es einen Mord an einer weiteren Frau, nun schon der dritten, gab, dann würden sie erst recht Blut lecken.

“Es muss erst vor wenigen Minuten passiert sein, kurz nachdem es hell geworden ist”, erklärte Novak. Er deutete mit dem Kopf auf einen Mann, der auf der anderen Seite der Absperrung auf der Stoßstange eines Pick-ups saß. “Wir hatten schon fast Feierabend. Mein Partner und ich fuhren gerade die Pinion Avenue hinunter, als uns plötzlich dieser Typ da entgegenkam. Er fuhr, als sei der Teufel hinter ihm her.”

Casey ging um die Leiche herum und machte aus jedem Winkel ein Foto. Auch später würde die Spurensicherung Fotos von dem Opfer und dem Tatort machen, aber sie hatte gern ihre eigenen Bilder.

Als sie damit fertig war, zupfte sie ihre Hosenbeine an den Oberschenkeln ein wenig herauf und ging neben dem Opfer in die Hocke. Diese Frau war attraktiv. Anfang dreißig, schlank, durchtrainierter Körper. Schöne Haut, mal von den blutigen Kratzern abgesehen. Langes rotes Haar. Zwar gefärbt, aber gut gemacht.

Ihre Kleidung war ungewöhnlich. Hautenge Lycraleggings, die auf der Hüfte saßen und dazu ein passendes Oberteil, das ebenso eng anlag. Es sah nach etwas aus, was man im Sportstudio oder zum Aerobic anziehen würde. Der einzige Schmuck, den sie trug, waren kleine Diamantohrstecker. An der Taille hatte sie eine kleine Rose eintätowiert.

Ihre Sportschuhe und die Hosenbeine waren bis zu den Knien nass. Rote Male von Fesseln waren an den Hand- und Fußgelenken zu sehen, aber sonst zeigte sie keine offensichtlichen Spuren von Gewalt.

Die Frau lag auf ihrer Seite mit im spitzen Winkel angezogenen Knien, als sei sie auf die Knie gefallen und dann zur Seite gekippt. Ihre Arme waren ein wenig erhoben. Der Tod war erst kürzlich eingetreten, sodass immer noch Blut aus ihren Wunden austrat, ihre Haarspitzen durchnässte und einen dunklen Kreis unter ihrem Rücken hinterließ.

“Er heißt Alfred Denner. Er ist mindestens hundert gefahren”, fuhr Officer Novak fort. “Ich wollte ihn gerade an die Seite winken, aber bevor ich noch die Sirene anschalten konnte, hatte er uns schon gesehen. Er hätte uns fast über den Haufen gefahren, so schnell wollte er uns einholen. Er war so geschockt, dass er nur Unsinn gebrabbelt hat. Als ich und Henderson ihn endlich so weit hatten, dass er reden konnte, sagte er, dass gerade vor seinen Augen eine Frau erschossen worden sei.”

Casey sah auf. “Er war dabei, als sie erschossen wurde?”

“Ja. Er hat noch die Blutspritzer auf seinem rechten Hosenbein, und die Kabine seines Lieferwagens sieht schlimm aus. Er sagte, sie sei gerade dabei gewesen, zu ihm ins Auto zu steigen, als die Kugeln sie trafen. Der Ärmste! Er ist immer noch ganz durcheinander.”

“Stellen Sie sicher, dass er hierbleibt. Ich will mit ihm reden, sobald ich fertig bin. Und lassen Sie niemanden an den Pick-up.”

“Alles klar, Detective.” Officer Novak ging zu dem Zeugen.

Das Geräusch auf dem Schotter kündigte ein weiteres Fahrzeug an, das die Straße hinauffuhr. Einige Sekunden später bog eine unauffällige graue Limousine um die Kurve. Sie kündigte sich mit angeschalteter Sirene an. Dennis Shannon, Caseys Partner, verlangsamte den Wagen. Er parkte auf der anderen Seite der Absperrung und stieg aus.

Er ging geduckt unter dem Band hindurch und näherte sich ihr mit seinem typischen zögernden Gang, der sie an einen Bären erinnerte. Als früherer Abwehrspieler der Denver Broncos, einer bekannten Footballmannschaft, war Dennis kräftig, stämmig und Furcht einflößend. Allein seine Größe reichte meist aus, um seine Gegner einzuschüchtern. Für den seltenen Fall, dass ein Verdächtiger nicht gleich Angst bekam, brachte er ihn mit demselben wilden Gesichtsausdruck zum Schweigen, der ihm auch auf dem Footballfeld zu Ruhm und Ehre gereicht hatte. In der Abteilung wurde Dennis scherzhaft “Hulk” genannt.

Aber seine animalische Bissigkeit war nur Show. Casey hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass hinter der rauen Schale ein liebenswerter alter Softie steckte. Besonders, wenn es um seine Frau und seinen zweijährigen Sohn Roger ging.

“Hey, Tiger, wie sieht’s aus?”, rief er ihr zu.

Casey sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an und verzog den Mund. “Der Boss hat mich mitten beim Laufen angerufen. Ich habe meinen Tag mit einem sinnlosen Mord begonnen. Und dabei habe ich noch nicht mal einen Kaffee gehabt! Was sagst du nun?”

“Oh, oh. Warte ’ne Sekunde.” Dennis hielt kurz an und hielt seine Hände wie ein Megafon vor den Mund: “Alarmstufe Rot! Casey hatte noch keinen Kaffee! Hat jemand welchen dabei?”

Ein allgemeines Murren wurde laut, und sowohl uniformierte Beamte wie Kommissare setzten sich in Bewegung. Innerhalb von Sekunden brachte ein neuer junger Kollege eine Thermoskanne und gab sie Dennis. “Der ist aus der Maschine vom Revier. Er ist wahrscheinlich so stark, dass man damit eine Eisenplatte zersägen kann, und es gibt keine Informationen darüber, wie alt er ist, aber es ist Koffein.”

“Das ist die Hauptsache. Danke. Sie retten mein Leben.”

“Ich versuche nur, meine Haut zu retten”, gab der junge Polizist zurück und verdrehte dabei die Augen.

Caseys sagenumwobene Koffeinabhängigkeit sowie die katastrophale Auswirkung auf ihren Zustand, wenn sie nicht mit dem Getränk versorgt wurde, waren Teil einer urbanen Legende, die sich Polizisten in der Stadt untereinander erzählten, besonders im Zweiten Bezirk. Ihre Mitarbeiter mochten und respektierten Casey, und sie wurde in der Abteilung von ihren Kollegen gleichberechtigt behandelt. Seit ihr Mann ein Jahr zuvor gestorben war, hatten alle in der Truppe das Gefühl, ein bisschen auf sie aufpassen zu müssen. Aber wenn der Koffeinspiegel in Caseys Blut zu stark abfiel, dann rannten auch die stärksten Polizisten um ihr Leben.

“Hier, Tiger. Nimm einen Schluck”, sagte Dennis und reichte ihr die Kappe der Thermoskanne.

Sie griff danach wie ein Ertrinkender die rettende Leine und spülte die Brühe in drei Schlucken hinunter. Sollte sie den bitteren Geschmack und die Temperatur gespürt haben, ließ sie sich davon nichts anmerken.

“Himmel, die Schleimhäute in deinem Mund müssen aus Asbest sein”, rief ihr Partner aus und verzog das Gesicht.

“Was?”, fragte Casey und sah ihn irritiert an. “Es ist doch nur Kaffee.”

“Machst du Witze? Mit dem Zeug kann man Möbel abbeizen. Ich würde es nicht in den Mund nehmen.”

“Ja, lieber eine altmodische Tasse Java als dieser Kräutertee, den dir Mary Kate verabreicht.”

“Das stimmt. Tut mir außerdem leid, dass ich zu spät dran bin.” Dennis schraubte den Becher zurück auf die Kanne. “Mein Tag hat heute Morgen auch nicht gerade sanft begonnen.”

“Was ist los? Hatte Mary Kate noch einen Hormonschub?”

“Oh ja. Ich hatte nur die Vorhänge aufgemacht und gesagt, dass es ein schöner Tag sei, und schon brach sie in Tränen aus. Mann, und ich dachte, dass die ersten vier Monate mit der Morgenübelkeit schlimm wären.” Dennis holte Latexhandschuhe aus seiner Manteltasche und zog sie über. “Jedes Mal, wenn sie sich übergab, sah sie mich mit einem Blick an, als wollte sie mir sagen: ‘Das ist alles nur deine Schuld.’ Aber diese Stimmungsschwankungen, die sie hat, seitdem die Übelkeit weg ist, sind noch schlimmer. Wenn das so weitergeht, glaube ich nicht, dass ich das die nächsten zwei Monate noch länger durchstehe. Ich liebe diese Frau bis zum Wahnsinn, aber sie macht mich auch echt verrückt.”

“Armer Hase.” Casey sah zu ihrem Kollegen auf und grinste. “Von mir bekommst du kein Mitleid! Drei Kinder in drei Jahren Ehe, das macht jede Frau ein wenig bekloppt.”

“Woher sollte ich denn wissen, dass es beim zweiten Mal Zwillinge würden? Und außerdem, du bist meine Partnerin. Du solltest auf meiner Seite sein.”

“Pech gehabt. Mary Kate ist meine Cousine und schon viel länger meine beste Freundin, als wir beide zusammenarbeiten.”

Er verdrehte die Augen und murmelte vor sich hin: “Frauen! Sie halten zusammen wie Pech und Schwefel. Sogar Tante Maureen. Als ich heute Morgen zur Arbeit ging, kümmerte sie sich um Mary Kate wie eine alte Glucke.”

“Gut.” Casey sagte das ohne die geringste Spur von Mitleid. “Mary Kate hat es verdient, dass man sie jetzt besonders verwöhnt.”

Die Schwangerschaft ihrer Cousine war schwierig, denn sie erwartete Zwillinge. In der Mitte des fünften Monats hatte der Gynäkologe ihr strikte Bettruhe verordnet – eine unmögliche Anweisung für die Mutter eines aufgeweckten zweijährigen Jungen. Es sei denn, sie hatte die Unterstützung ihrer Familie.

Die hatte Mary Kate allerdings in Hülle und Fülle. Kaum dass sie von der Anweisung des Arztes gehört hatte, war Caseys Mutter Maureen Collins zusammen mit Francis O’Toole in die Wohnung der Shannons eingefallen wie ein Sondereinsatzkommando. Francis war die Nachbarin und beste Freundin von Maureen und zufällig auch Caseys Schwiegermutter. Die beiden Frauen hatten das Hab und Gut der jungen Familie kurzerhand eingepackt und in das kleine Wochenendhaus befördert, das hinten auf dem Grundstück ihrer beiden Einfamilienhäuser stand. Caseys Vater, Patrick Collins, und ihr Schwiegervater, Joe O’Toole, hatten es vor mehr als fünfunddreißig Jahren gebaut; es war Caseys Hochzeitsgeschenk gewesen, als sie vor zehn Jahren Tim geheiratet hatte. Das Häuschen hatte leer gestanden, seit Casey vor fast einem Jahr nach Mears in ein Stadthaus gezogen war.

Jetzt brachte Dennis seine schwangere Frau und ihren kleinen Sohn fast täglich zu Tante und Onkel. Das passte allen Betroffenen ausgezeichnet. Jemand kümmerte sich um Mary Kate, und ihre Mutter und ihre Schwiegermutter genossen es, sich mit dem kleinen Roger zu beschäftigen, und Dennis konnte arbeiten gehen und wusste, dass seine Frau und der Sohn in guten Händen waren.

Dennis kam zu Casey und beugte sich über den Leichnam, um ihn sich genauer anzusehen. “Nicht schon wieder eine Frau!”

“Sieht ganz danach aus.” Casey benutzte das Ende ihres Bleistiftes, um vorsichtig das Haar der Frau anzuheben. So konnte sie besser die Wunden sehen, die sich auf ihrem Rücken befanden. “Zwei Schüsse in den Rücken.”

“Hm. Genau wie bei den beiden Fällen von Sheriff Crawford.”

Diese Opfer waren in den Wäldern von Spaziergängern entdeckt worden. Beide waren erschossen worden, bei beiden wurden Spuren von Fesseln an Handgelenken und Fußknöcheln gefunden. Da Casey sich Mühe gab, Sheriff Crawford, so gut es ging, aus dem Wege zu gehen, hatte sie keine detaillierten Informationen über die Fälle, aber nach dem zu urteilen, was sie gehört hatte, gab es nur wenige Hinweise auf den Täter. Dem Sheriff zufolge hatte der Täter die Frauen sexuell belästigt, sie dann im Wald ausgesetzt und sie schließlich wie Wild gejagt.

“Sieht so aus”, stimmte Casey zu. “Nur mit dem Unterschied, dass auf diese Opfer nur einmal geschossen worden ist. Es scheint so, dass diese Frau, anstatt kopflos durch den Wald zu fliehen, so klug war, einen Ausweg zu suchen. Ich nehme an, sie hat sich auf die Straße gerettet, um Hilfe zu suchen, oder weil sie hoffte, es in die Stadt zu schaffen. Gute Idee. Nur ein paar Sekunden später, und sie hätte in Sicherheit sein können. Pech für uns. Weil sie es bis auf die Straße geschafft hat, fällt sie in unseren Bezirk. Knapp.” Casey deutete auf den anderen Straßengraben. “Die Stadtgrenze verläuft an der Böschung. Nur fünf Meter weiter in die Richtung, auf der anderen Seite des Baches, dann wäre dieser Fall dem Sheriff in den Schoß gefallen. Wie die beiden anderen Fälle.”

Dennis schnaufte verächtlich. “Und nun haben wir den Ärger am Hals. Was wahrscheinlich bedeutet, dass wir mit diesem widerlichen arroganten Typen zusammenarbeiten müssen.”

“Ach, erinnere mich bloß nicht auch noch daran”, bat Casey. “Ich hatte erst eine Tasse Kaffee, ja?”

“Drei Morde an Frauen in zwei Monaten.” Dennis schüttelte seinen Kopf. “Das ist Rekord für diese Gegend.”

Mit knapp über 90.000 Einwohnern zählte Mears zu den größten Städten im Westen Colorados. Die Stadt wuchs ständig, dank der zuziehenden Rentner und Großstädter, die den Massen und der Kriminalität der Metropolen zu entkommen versuchten.

Die Innenstadt bestand aus den typischen Bürogebäuden und Geschäften. Es gab reiche Viertel, Slums, einen historischen Stadtkern und moderne Wohngegenden, in denen die Mittel- und die Oberschicht wohnten, die sich durch den Norden und den Süden der Stadt zogen.

Mears, Colorado, lag in einem tiefen, schmalen Tal zwischen zwei lang gestreckten Bergketten. Die Industrie- und Handelskammer bezeichnete die Stadt als “pittoreskes Paradies der Rocky Mountains”, Casey und ihre Kollegen hatten jedoch eine realistischere Sicht auf ihre Heimatstadt.

Wie in jeder Stadt, so gab es auch in Mears Überfälle, Kneipenprügeleien, Vergewaltigungen und Drogenhandel – und ab und zu sogar einen bewaffneten Bankraub. Aber die durchschnittliche Anzahl der Morde im gesamten Regierungsbezirk pendelte sich gewöhnlich bei achtzehn oder zwanzig ein. Dieses Jahr allerdings wurden schon vierzehn Morde gezählt, und es war erst der 1. Juni.

Die Tötungsdelikte, mit denen sie sich beschäftigten, waren hauptsächlich Morde aus Leidenschaft, das Ergebnis eines Ehekrachs oder wenn der betrunkene Ex nach einer Auseinandersetzung eine Waffe in die Hand bekam. Soweit Casey wusste, hatten sie es bisher noch nie mit einem mordenden Psychopathen zu tun gehabt.

Sie stand auf und ging um die Leiche herum. “Aufgrund der Größe der Wunde würde ich sagen, dass der Mörder ein großkalibriges Jagdgewehr benutzt hat. Zweimal auf sie zu schießen, erscheint mir ein bisschen übertrieben gewesen zu sein. Schon der erste Schuss muss sie tödlich getroffen haben.”

“Ja”, stimmte ihr Dennis zu. “Entweder hatte er es wirklich auf sie abgesehen, oder er wollte ganz sichergehen, dass sie wirklich tot ist. Ich glaube, bei der Patrone handelt es sich um eine .300 Winchester Magnum. Es gibt fünf oder sechs Jagdgewehre, für die diese Patronen benutzt werden. Ich habe auch einige davon zu Hause.”

“Die hatten mein Vater und meine Brüder auch”, fügte Casey hinzu. “Mit so einer großen Patrone kann man mühelos einen Elch auf einige hundert Meter erlegen.”

“Hm. Die Ausschusswunden liegen einige Zentimeter tiefer als die Einschusslöcher”, bemerkte Casey. Sie stand wieder auf und starrte den Hügel hinauf. “Die Schüsse müssen von dort oben gekommen sein. Schau mal, du kannst sogar noch ihre Fußspuren im Frost auf der anderen Seite des Baches erkennen. Dort muss sie aus dem Wald herausgekommen sein.”

“Dann kann der Todeszeitpunkt noch nicht lange her sein.”

“So, wie unser Zeuge sagte, ist es weniger als eine halbe Stunde her.”

Dennis riss überrascht die Augen auf. “Wir haben einen Zeugen? He, da haben wir aber Glück gehabt.”

“Das hoffe ich. Aber das hängt davon ab, was er wirklich gesehen hat.” Casey suchte mit den Augen den ganzen Berg ab. “Der Killer ist vielleicht noch da oben und beobachtet uns.”

Dennis zog die Stirn in Falten. “Oder macht sich an sein nächstes Opfer heran.” Wie zufällig veränderte er seinen Standort, sodass er nun zwischen dem Berg und Casey stand.

Auch wenn es ganz zufällig erschien, war es Casey nicht entgangen. “Was machst du da?”, fragte sie ihn und knuffte ihn auf den Arm. “Du bist mein Partner, nicht mein Beschützer. Ich dachte, das hätten wir schon vor Jahren geklärt.”

“Ja, aber der Psycho knallt Frauen ab, nicht Männer. Außerdem weißt du, dass Mary Kate mich umbringen würde, wenn dir etwas passiert.”

“Oh, verstehe”, gab sie zurück und sah ihn ausdruckslos an. “Eigentlich geht es dir nur darum, dass dir selbst nichts passiert, oder? Na, mach dir keine Sorgen, ich glaube, du bist in Sicherheit. Auch wenn er noch da oben sein sollte, bin ich mir sicher, dass er nicht irgendetwas anstellt, solange hier noch so viele Menschen sind. Wenn es derselbe Mann ist, der die beiden anderen Frauen umgebracht hat, dann steht er darauf, das Opfer zuerst zu vergewaltigen und es dann herumzujagen.”

“Die Armen. Eine Scheißart, die letzten Minuten auf der Erde zu verbringen.”

“Stimmt”, gab ihm Casey trocken recht.

Sie versuchte nicht, sich vorzustellen, was die Opfer durchgemacht haben mussten: die Erniedrigung, die schreckliche Angst, für jemanden in einem tödlichen Spiel das Opfer zu sein und wie ein wildes Tier gejagt zu werden. Diese Morde erschütterten sie. Sie empfand Trauer und Mitleid für die unglücklichen Frauen. Aber es war ihr Job, den Mörder zu finden, bevor noch andere Frauen durch ihn zum Opfer wurden. Sie musste all ihre Aufmerksamkeit und Energie auf diesen Fall richten.

“Ich möchte, dass einige Männer ihre Spuren zurückverfolgen. Los, lass sie an die Arbeit gehen.”

Eine Gruppe Polizisten in Uniformen und einige in Zivil standen vor dem Absperrband. Normalerweise gehörte es zu ihren Aufgaben, nach Zeugen zu suchen, Passanten zu verscheuchen oder den Verkehr am Tatort vorbeizuleiten, aber aufgrund des abgelegenen Ortes und der frühen Tageszeit war das nicht nötig. Einige von ihnen hatten sich etwa hundert Meter weiter unten auf der Straße postiert, um ankommende Fahrzeuge zu stoppen, aber der Forstweg war immer noch leer. Die meisten Beamten warteten auf einen Befehl von ihr.

“Ist das Keith?”, fragte Casey, als sie auf das Grüppchen zuging. Sie deutete mit dem Kopf auf jemanden in Jeans und Lederjacke, der mit dem Rücken zu ihr stand und sich mit zwei Kollegen unterhielt.

“Ja, glaube schon. Wir haben sonst niemanden mit dieser Haarfarbe.”

“Keith, was machst du denn hier?”

Der blonde Mann drehte sich zu ihr um und warf ihr sein strahlendes Lächeln zu. “Hey, Casey. Martin hat mir gesagt, dass du diesen Fall erwischt hast. Eine tolle Art, einen so schönen Morgen zu verbringen.”

“Das kannst du laut sagen. Aber was treibt dich hierher? Ich dachte, du hättest heute frei?”

“Habe ich auch.” Er sah sie ein wenig schief an. “Aber du kennst das ja. Ich wollte ein bisschen zum Angeln raus, als ich den Wagen von der Spurensicherung und eine Menge Streifenwagen hier hochjagen sah, also bin ich ihnen hinterhergefahren.”

“Wenn du schon mal hier bist … Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dir Arbeit gebe?”

“Natürlich nicht. Du weißt doch, dass ich alles für dich tun würde, Puppe.”

Sie ignorierte den Kosenamen und deutete mit dem Finger auf die noch sichtbaren Spuren im vom Frost bedeckten Gras. “Du bist doch ein großer Reh- und Elchjäger. Ich brauche dich zum Spurenlesen. Das Opfer hat eine Spur hinterlassen. Such dir ein paar Männer zusammen, und verfolge mit ihnen diese Fußabdrücke zurück zu der Stelle, wo der Schütze das Opfer hat laufen lassen. Wenn du den Ort gefunden hast, ruf mich. Geh langsam und achte auf alles, was uns helfen könnte. Und lass die Grobiane bitte nicht meine Spuren zerstampfen.”

Keith lachte. “Okay. Lass mich nur schnell meine Pistole aus meinem Wagen holen. Hey, Bennetti. Adams. Kommt mit”, rief er und machte sich auf den Weg zu seinem Pick-up.

“Und seid vorsichtig”, rief ihm Casey hinterher, “der Schütze ist vielleicht noch da oben.”

“Machen wir. Und außerdem: Ich hoffe, er treibt sich noch im Berg herum. Ich würde diesen Schuft gern erwischen.”

“Das glaube ich sofort”, murmelte Dennis.

“Was?”

“Nichts. Ich habe nur Selbstgespräche geführt.”

Casey neigte den Kopf zur Seite und betrachtete ihren Partner mit einem scharfsinnigen Blick. “Du kannst Keith nicht sonderlich leiden, oder?”

Dennis zuckte mit den Schultern. “Er regt mich einfach auf. Er macht immer alles komplizierter, als es ist. Wenn er nicht so einen Schlag bei Frauen hätte, würde ich denken, er sei schwul.”

Casey lachte. “Komm schon, so schlimm ist er auch wieder nicht.”

“Machst du Witze? Hast du dir mal seinen Schreibtisch angesehen? Der sieht aus, wie mit einem Lineal ausgerichtet – und wehe dir, wenn du etwas verschiebst oder eine Schublade öffnest … Seine Briefe sind immer perfekt, und nie sitzt auch nur ein einziges Haar seiner Frisur schief. Sein Hemd ist immer supergebügelt, seine Bügelfalten sind immer frisch, und in seinem Spind hat er ein Outfit in Reserve, inklusive Schuhe, Socken und Unterwäsche, falls bei einer Verhaftung mal etwas derangiert wird. Ich habe keine Ahnung, worum er sich Sorgen macht. Ich kenne sonst niemanden, der auf einer Müllhalde nach Beweisen suchen kann und hinterher immer noch so frisch aussieht wie ein Gänseblümchen.”

Als Dennis seine Tirade beendet hatte, lachte Casey laut auf. “Komm schon, sei nicht so”, schalt sie ihn aus Spaß. “Ich weiß, dass Keith manchmal mit seinem Ordnungsfimmel nervt, aber das ist kein Grund, ihn nicht zu mögen. Und du musst zugeben, dass er viel arbeitet und ein guter Kommissar ist.”

Das stimmte zwar alles, aber insgeheim wusste Casey, dass genau diese Ordnungsliebe, ja fast Zwanghaftigkeit, mit der Keith die Regeln befolgte, ihn daran hindern würde, in der Abteilung, in der er sich gerade befand, aufzusteigen. Ihm fehlten Flexibilität und eine Vision. Wirklich gute Ermittler vertrauten ihrem Bauchgefühl und hielten sich nicht immer an die Regeln, um einen Fall zu lösen. Casey bezweifelte, dass Keith sich jemals von seinem Instinkt hatte leiten lassen.

“Ach ja? Das kann ich leider nicht bestätigen”, grummelte Dennis.

Casey neigte wieder den Kopf zur Seite. “Da ist noch etwas, was du mir nicht erzählst, stimmt’s? Los, Dennis. Ich kenne dich doch. Du magst jemanden nicht nur deswegen nicht, weil er einen Ordnungstick hat. Also, raus damit!”

Dennis presste die Lippen aufeinander. Es war offensichtlich, dass er die Frage nicht beantworten wollte. Aber auch er kannte Casey gut. Sie würde nicht eher Ruhe geben, bis er ihr die Wahrheit sagte. “Der Typ läuft dem Ruhm hinterher. Wenn wir diesen Mörder fangen, wird unser guter Keith es irgendwie schaffen, die Lorbeeren dafür einzuheimsen. Seit letztes Jahr sein Foto in der Zeitung war, glaubt er, er sei eine bekannte Persönlichkeit. Und es ist nicht sehr hilfreich, dass ihn jeder auf dem Revier wie einen Helden behandelt.”

Casey schloss kurz die Augen, damit Dennis nicht sehen konnte, wie sehr sie sein letzter Satz verletzt hatte. Deshalb drehte sie sich weg und ging los, um den Zeugen zu suchen. Dennis holte sie ein. “Lass ihn einfach in Ruhe, okay?”, sagte sie mit zitternder Stimme. “Immerhin hat er Juan Santos erwischt.”

“Verdammt! Es tut mir leid, Casey. Ich hätte davon nicht anfangen dürfen. Ich wollte nicht, dass du an die Sache erinnert wirst. Ich weiß, wie dankbar du Keith dafür bist, dass er den Mörder deines Mannes gefunden hat. Es ist nur so, dass …”

“Was?”

“Ach, schon gut. Ich muss lernen, einfach mal meine große Klappe zu halten.”

“Nein. Komm schon, spuck’s aus.”

“Nun … ich finde, Keith wäre ein Held gewesen, wenn er Santos erschossen hätte, bevor der Tim mit vier Schüssen durchsiebte.”

“Er hat doch erklärt, wie es passiert ist.”

“Ja, schon gut, ich weiß.” Dennis legte seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie kurz. “Vergiss, was ich gesagt habe, okay? Vielleicht bin ich einfach nur neidisch, dass der Kerl so gut aussieht, und das ist alles.”

Sie sah ihren Kollegen mit einem müden Lächeln an. Casey bezweifelte, dass es nur an Keiths Aussehen lag. Dennis war der nüchternste Mensch, den sie kannte, und er war mit seinem Leben zufrieden. Außerdem betete Mary Kate ihren bärenstarken Mann an, so wie er war, und Casey wusste, dass Dennis das um nichts in der Welt ändern wollte.

Allerdings gab es jede Menge Polizisten in Mears, die den Expartner ihres Mannes beneideten. Detective Keith Watson hatte das jungenhafte Aussehen eines blonden Surfers aus Kalifornien, ein perfektes Lächeln und aufregende blaue Augen.

Er hatte den Ruf eines Frauenhelden und genoss sein Singledasein in vollen Zügen. Immerzu riefen Frauen auf der Wache an und hinterließen Nachrichten für Keith. Tim hatte ihr einmal erzählt, dass Keith eine ganze Reihe von Frauen traf, aber er hielt es mit keiner lange aus.

“Mr. Denner?”, fragte Casey, während sie auf den Mann zuging, der immer noch auf der Stoßstange seines Lieferwagens saß.

Officer Novak, der den Zeugen und seinen Wagen im Auge behalten hatte, ging auf ihn zu. “Das hier ist Detective O’Toole und ihr Partner, Detective Shannon – Mr. Denner. Detective O’Toole betreut diesen Fall. Sie wird ihnen ein paar Fragen stellen.” Er sah Casey an. “Wollen Sie, dass ich den Leuten von der Spurensicherung jetzt grünes Licht gebe?”

“Ja, sie können mit der Leiche anfangen, aber sie sollen mit dem Lieferwagen warten, bis ich ihn mir angesehen habe.” Während sie sich zu dem Zeugen umdrehte und ihn kurz musterte, notierte sie in Gedanken automatisch eine Personenbeschreibung. Er war so groß und so dünn, dass seine Hose nur mit großer mentaler Willensanstrengung auf seinen Hüftknochen zu sitzen schien. Er hatte braunes Haar, das schon dünner wurde, tief liegende dunkelbraune Augen und dunkle Haut, wie sie Menschen haben, die viel Zeit draußen verbringen. In diesem Augenblick zitterte er so stark, dass seine Knochen buchstäblich aneinander klapperten.

“Wie heißen Sie, Sir?”, fragte Casey höflich.

“Alfred Picket Denner.” Er hielt eine brennende Zigarette zwischen dem gelben Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand. Er hob die Zigarette, um einen Zug zu nehmen, aber seine Hand zitterte so stark, dass er mit ihr seinen Mund fast verfehlte. Er inhalierte tief, atmete eine Wolke Rauch aus und schnippte dann die Asche auf den Boden.

“Schlimme Angewohnheit”, sagte er voller Reue und schüttelte den Kopf. “Ich habe vor vier Monaten mit dem Rauchen aufgehört, aber nach dem, was passiert ist, musste ich eine rauchen, um mich zu beruhigen. Ich habe einen Ihrer Officer um einige Zigaretten angepumpt. Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich rauche.”

Casey zuckte mit den Schultern. “Es sind Ihre Lungen.” Sie zog einen kleinen Notizblock und einen Bleistift aus der Tasche ihres Blazers. “So. Ich möchte, dass Sie mir erzählen, was passiert ist. Lassen Sie sich Zeit, Mr. Denner, und versuchen Sie, sich so genau wie möglich zu erinnern. Für mich ist jedes Detail wichtig. Einverstanden?”

“Okay.” Mit zittriger Stimme erzählte er, wie die Frau aus dem Wald gerannt kam, ihn anhielt und ihn bat, sie ein Stück mitzunehmen, weil ein Verrückter sie angeblich umbringen wolle.

“Ich habe ihr gesagt, sie soll einsteigen, aber kaum hatte sie einen Fuß auf das Trittbrett gesetzt, schoss ihr jemand in den Rücken. Es war furchtbar. Die Kugel ging einfach durch sie hindurch und dann auch noch durch mein Bodenblech. Das Blut spritzte überallhin. Dann sah sie mich nur an, sie war unter Schock, und ihre Augen waren glasig. Dann traf sie ein zweiter Schuss, und sie rutschte auf den Boden. Dann habe ich mich aus dem Staub gemacht. Ich konnte ihr nicht mehr helfen, verstehen Sie?”, fügte er schnell hinzu. “Wenn ich hiergeblieben wäre, wäre ich einfach auch erschossen worden.”

“Ich verstehe, Mr. Denner. Sie haben richtig gehandelt”, versicherte Casey ihm. “Wahrscheinlich war sie schon tot, bevor sie auf die Straße fiel.”

“Richtig. Sie war schon tot”, bestätigte er eilfertig, um sich einer möglichen Schuld zu entledigen. Offensichtlich hatte er ein schlechtes Gewissen. “Nie werde ich den Ausdruck in ihren Augen vergessen, als sie mich ansah. Solange ich lebe.” Wieder hob er die Hand, um zitternd einen Zug von der Zigarette zu nehmen. “Verdammte Scheiße.”

Casey wandte sich an Dennis. “Geh und sag der Spurensicherung, sie sollen nach den Patronen suchen, die in der Nähe des Opfers in den Boden eingeschlagen sind.”

“Mach ich.” Dennis verschwand in Richtung ihrer Kollegen.

“Kannten Sie das Opfer, Mr. Denner?”

“Nee. Habe sie noch nie vorher gesehen.”

“Ich verstehe. Was haben Sie so früh am Morgen hier oben gemacht?”

“Ich war – hey! Einen Moment mal!” Er rutschte wütend von der Stoßstange. “Was fragen Sie mich da? Verdächtigen Sie etwa mich? Ich habe Ihnen doch gerade erzählt, was passiert ist. Sehen Sie sich mal meine Klamotten an – alles voller Blut. Gucken Sie in meinen Truck. Sie werden die Einschusslöcher im Bodenblech finden, genau so, wie ich es Ihnen gesagt habe.”

“Beruhigen Sie sich, Mr. Denner. Niemand verdächtigt Sie. Ich stelle Ihnen nur einige Routinefragen. Der Staatsanwalt wird wissen wollen, was Sie hier getan haben, um Sie zu einem glaubwürdigen Zeugen erklären zu können. Erst dann können Sie vor Gericht gegen denjenigen aussagen, der das hier gemacht hat.”

Eigentlich schloss Casey zu diesem Zeitpunkt nichts und niemanden aus. Wenn Alfred Denner die Wahrheit sagte, würde sich seine Geschichte mit Leichtigkeit nachprüfen lassen. Aber bis dahin hielt sich Casey mit einem Urteil zurück.

“Oh, verstehe. Entschuldigung”, sagte er und sprach wieder langsamer. “Ich bin immer noch etwas durcheinander. Ich bin Förster. Wir haben ein Problem mit Landstreichern, die sich im Naturschutzgebiet um Echo Basin niederlassen. Wir haben sie vor ein paar Tagen verjagt, aber um sicherzugehen, dass sie nicht zurückgekommen sind, bin ich vor Sonnenaufgang noch einmal hinaufgefahren, um nachzusehen. Sie waren nicht dort, also bin ich wieder heruntergefahren, um mir etwas zum Frühstücken zu kaufen.”

“Ich verstehe. Sind Ihnen auf dem Weg andere Fahrzeuge begegnet?”

“Nur ein heller Lieferwagen – beige, glaube ich, vielleicht war er auch weiß und einfach nur schmutzig. Er parkte genau hinter der Kurve da oben. Ich dachte, vielleicht sollte ich anhalten und nachsehen, ob das ein Wilderer ist. In dieser Jahreszeit ist die Schädlingsjagd die einzige, die erlaubt ist. Aber ich hatte Lust auf eine Tasse Kaffee, und da in neun von zehn Fällen der Fahrer eines geparkten Fahrzeugs nur jemand ist, der sich im Wald erleichtern geht, bin ich weitergefahren.”

“Haben Sie die Marke erkannt? Oder den Bautyp?”

“Es war ein Plymouth, glaube ich. Einer von diesen Lieferwagen, die hinten an den Seiten keine Fenster haben. Ich habe nicht auf das Modell oder das Alter des Wagens geachtet, aber er hatte ein Kennzeichen aus Colorado. Ich habe mir die Zahlen nicht gemerkt. Tut mir leid.”

“Gab es an dem Lieferwagen irgendetwas Auffälliges? Vielleicht etwas, an dem man ihn erkennen könnte? Vielleicht eine Beule? Ein Logo? So etwas Ähnliches?”

“Ich glaube nicht, aber ich bin mir nicht sicher. Glauben Sie, der Fahrer war der Mörder? Jesus Maria!” Alfred Denner wurde blass und schluckte schwer, sein hervorstehender Adamsapfel bewegte sich auf und ab. “Mann, bin ich froh, dass ich ihm nicht in den Wald gefolgt bin und ihn angesprochen habe. Er hätte mich umbringen können!”

“Gibt es sonst noch etwas, was Ihnen einfällt? Irgendetwas?”

“Das ist alles.”

“Okay. Danke für Ihre Hilfe, Mr. Denner. Hier ist meine Visitenkarte. Sollte Ihnen später noch etwas einfallen, rufen sie mich einfach an. Im Moment ist das alles. Wenn Sie jetzt einfach dort drüben bei dem Wagen warten wollen. Sobald ich hier fertig bin, fahren wir aufs Revier und nehmen Ihre Zeugenaussage auf. Danach können Sie gehen.”

“Was ist mit meinem Truck? Ich kann ihn doch nicht einfach hierlassen! Er ist Eigentum der Bezirksregierung.”

“Ich fürchte, wir werden Ihren Wagen beschlagnahmen müssen. Sobald er von meinen Kollegen von der Spurensicherung gründlich untersucht und fotografiert worden ist, bekommen Sie ihn wieder.”

“Na toll! Das wird meinem Chef aber nicht gefallen.”

“Wenn wir auf dem Revier sind, rufe ich ihn an und erkläre ihm die Situation, wenn Sie wollen.”

“Danke”, grummelte er und machte sich auf den Weg zu Caseys Wagen. “Junge, der Tag fängt ja wirklich gut an.”

Casey öffnete die Beifahrertür des Pick-ups und musterte den Innenraum der Fahrerkabine, ohne etwas zu berühren. Es sah genau so aus, wie es der Förster beschrieben hatte: Im Bodenblech befanden sich neben dem Gaspedal zwei daumengroße Einschusslöcher. Blut und Gewebereste waren über dem Sitz, dem Armaturenbrett und auf dem Boden verteilt. Entlang der Außenkante des Beifahrersitzes und dem Laufbrett war ein langer Schmierstreifen Blut zu sehen, der von dem Abrutschen des Opfers stammen musste. Alles stimmte mit den Angaben des Zeugen überein.

“Hey, Casey.”

Sie machte die Wagentür zu und drehte sich um. Keith kam geradewegs auf sie zu. Hinter ihm stand das kleine Grüppchen Polizisten, das mit ihm auf Spurensicherung am Rande des Waldes gewesen war. “Das ging ja schnell.”

“Das liegt daran, weil ich die Spur verloren habe.” Er deutete auf den kleinen Bach, der den Berg hinabplätscherte und in den Wasserlauf mündete, der entlang der Straße floss. “Irgendwo weiter oben muss sie in den Bach gelaufen sein. Ich kann nicht sagen, wo.”

“Kannst du dem Fluss nicht aufwärts folgen, bis du ihre Spur wiederfindest?”

“Kann ich tun, aber ich kann nicht garantieren, dass ich ihre Spur finde. Und ich weiß auch nicht, wie lange es dauert.”

“Verstehe. Nun, dann sollte ich wohl besser Oscar Tuttle und seine Hunde herholen.”

Keith grunzte. “Ich kann den alten Knacker nicht leiden. Er stinkt mehr als seine Hunde. Ich wette, es ist Jahre her, dass er gebadet hat. Gib mir doch noch einen Versuch, bevor du ihn rufst.”

“Okay, aber ich kann nicht zu lange warten, sonst wird die Spur kalt.”

“Genau.” Keith drehte sich um und joggte seinen Kollegen entgegen. Innerhalb von Sekunden waren sie wieder im Wald verschwunden.

“Wir haben die Patronen! Sie sind beschriftet und eingetütet”, rief ihr Dennis mit einem triumphierenden Lächeln zu und hielt die beiden Papiertüten hoch, in denen sich die Beweise befanden.

“Super. Bin gleich da”, antwortete Casey und ging zu dem Team, das sich an der Leiche zu schaffen machte.

Sie sah sich noch einmal die Stelle an, wo das Opfer aus dem Wald herausgekommen war. Im Osten würde die Sonne bald die Wipfel erreichen. Wenn das passierte, würde der Frost innerhalb von Sekunden vom Gras verschwinden, zusammen mit allen, auch den kleinsten Hinweisen auf den Weg des Opfers.

Dennis hielt ihr die Papiertüten entgegen und grinste immer noch. “Vielleicht können wir den Fall mit den Patronen lösen. Gott sei Dank haben wir sie gefunden.”

Casey sah ihren Partner matt an. Dieser Tatort hatte nur wenige Informationen preisgegeben, aber das schmälerte Dennis’ Optimismus nicht. Er war wie ein großer, sanfter Bär. Nichts konnte ihn so schnell entmutigen, nicht einmal die derzeitigen Stimmungsschwankungen seiner Frau.

“Ja, klar”, sagte Casey gedehnt. “Jetzt müssen wir nur noch die Waffe finden, aus der geschossen wurde. Und davon gibt es hier in der Gegend schließlich nur Tausende.”

“Hey. Im Moment ist es vielleicht noch nicht viel, aber es ist der erste reelle Beweis, den wir gegen diesen Typen in der Hand haben.” Er grinste wieder, aber dieses Mal mit einem diabolischen Augenzwinkern. “Das ist schon eine ganze Menge mehr, als der Sheriff vorzuweisen hat.”

Casey schüttelte den Kopf, während sie gegen ihren Willen anfangen musste zu lächeln. Eine Strähne ihres lockigen hellroten Haares war aus dem Knoten, den sie auf dem Hinterkopf gebunden hatte, gerutscht und wehte im Wind. Das Licht der frühen Morgensonne verfing sich darin und ließ es wie ein Flammenband erstrahlen, während Casey zum Leiter der Spurensicherung ging.

“Bitte markiere die Stelle, an der sie gefallen ist, besonders sorgfältig, Rob. Ich will, dass die Flugbahn der Patronen berechnet wird.”

“Wird gemacht, Detective.”

Von der nächsten Straßenbiegung drang ein Ruf zu ihr hin, und Casey drehte sich in Richtung der nächsten Nadelkurve, während sie geistesabwesend die Strähne hinters Ohr klemmte. “Das wird Keith sein. Komm!”, rief sie Dennis zu und lief den Forstweg hinauf.

Hinter der nächsten Kurve, ungefähr dreißig Meter die Straße hinauf, fanden sie Keith und die anderen Polizisten. Keith und sein Kollege, Detective Tony Bennetti, kauerten auf ihren Fersen und betrachteten den Boden. Die anderen Polizisten untersuchten die umliegende Region.

“Habt ihr was gefunden?”, fragte Casey, als sie neben Keith stand.

“Ja. Das hier ist die Stelle, an der der Schuft sie losgelassen hat.” Er deutete auf zwei Fußspuren und Reifenabdrücke, die auf den weichen Boden neben dem Asphalt geprägt waren. “Sieht so aus, als habe er sie hier hinten aus seinem Fahrzeug gezogen. Vielleicht aus einem Kofferraum oder aus dem Laderaum eines Lieferwagens. Ich glaube nicht, dass er sie auf der Ladefläche eines offenen Pick-ups transportiert hat. Das Risiko wäre zu groß gewesen, dass jemand sie gesehen hätte.”

“Glaube ich auch”, stimmte Casey ihm zu.

“Siehst du, wie die ersten Fußabdrücke der Frau vom hinteren Ende des Fahrzeugs wegzeigen? Seine Abdrücke kommen von der Fahrerseite. Hier wurde ein wenig hin und her gegangen”, sagte Keith und zeigte auf ein Stück, wo die Erde platt getrampelt war. “Dann führen ihre Abdrücke in diese Richtung. Siehst du, wie tief sie sind? Sie muss gerannt sein. Ich nehme an, dass er ihr ein wenig Vorsprung gegeben hat, dann hat er sie verfolgt.”

“Wie kannst du das wissen? Vielleicht hat sie sich losgerissen und er ist ihr hinterhergelaufen?”

“Das glaube ich nicht. Siehst du, wie seine Fußabdrücke parallel zu ihren verlaufen? Er hat sehr darauf geachtet, nicht auf ihre Abdrücke zu treten. Nein, er hat sie definitiv anhand ihrer Spuren verfolgt.”

Casey durchlief ein Schauer. Welcher Mensch jagte einen anderen, als wäre er eine Trophäe?

“Die Spur insgesamt ist ein weiter Bogen. Unser Mädchen ist wohl einige Hundert Meter geradewegs in den Wald gerannt, bis sie an den Fluss gekommen ist. Dort ist sie dann umgekehrt. Der Jäger muss sie gesehen haben, denn seine Spuren folgen ihren nur für ein Stück, dann biegen sie senkrecht ab. Es sieht so aus, als sei er den Berg hinabgerannt und habe hier angehalten. Hier hatte er einen guten Überblick.”

“Hast du irgendetwas gefunden, was wir verwenden können? Patronenhülsen? Hat er irgendetwas verloren?”

“Nein, nichts. Aber ich habe das Gebiet abgesteckt. Möchtest du es dir anschauen?”

“Ja, danke. Aber erst einmal muss ich den Chef anrufen.” Sie drehte sich zu ihrem Partner um und sagte: “Würdest du bitte die Leute von der Spurensicherung herbringen? Sag ihnen, ich möchte Fotos aus allen möglichen Winkeln und Gipsabdrücke sowohl von beiden Fußspuren als auch von den Reifenabdrücken.”

“Ich kümmere mich darum”, entgegnete Dennis und ging wieder auf die Straße.

Casey nahm ihr Mobiltelefon aus der Tasche ihres Blazers und wählte eine Kurzwahltaste. Schon nach dem ersten Läuten war ihr Chef dran.

“Lieutenant Bradshaw.”

“Ich bin’s, Boss. Casey.”

“Das wurde ja auch Zeit. Wie sieht’s aus?”

“Wir haben Hinweise darauf, dass wir hinter demselben Mann her sind, der die Mordfälle von Sheriff Crawford begangen hat.”

“Ach du Scheiße.” Lange Zeit kam dann nichts mehr. Casey konnte sich vorstellen, wie ihr Chef nun in seinem Büro auf und ab ging und sich mit der Hand durch seine silbergrauen Haare fuhr.

“Sind Sie sicher?”

“Ich bin sicher.” Sie hielt inne und fügte dann mit einer ernsten Stimme hinzu: “Wir haben es mit einem Serienmörder zu tun. Und der befindet sich auf freiem Fuß.”

3. KAPITEL

“Ist das alles? Einige Kugeln und ein Zeuge, der den Mord gesehen hat, aber nicht den Schützen?” Lieutenant Bradshaw saß Casey an seinem Schreibtisch gegenüber und runzelte die Stirn.

“Plus Fuß- und Reifenspuren”, erinnerte sie ihn ruhig. Sie ließ sich nicht von der schlechten Laune ihres Chefs beeindrucken.

Lieutenant Bradshaw war ein erfahrener Polizist, der seinen Job seit einunddreißig Jahren machte. Die ersten neunzehn hatte er sowohl als Beamter in Uniform als auch als Kommissar auf der Straße gearbeitet. Er war mürrisch und nicht kleinzukriegen, schonungslos und jähzornig. Narren und Faulpelze konnte er nicht leiden. Punkt. Aber er war auch geradeheraus, ehrlich, fair und klug. Und er stand hinter seinen Detectives. Wenn man seinen Job erledigte und ehrlich zu ihm war, konnte man in jedem Fall auf ihn zählen, sei es, wenn es Ärger mit der Staatsanwaltschaft gab, mit dem Innenministerium, der Presse oder Politikern. Kurz, Lieutenant Bradshaw war ein Polizist, wie er im Buche stand.

Bei Bradshaw musste man nie fürchten, dass er etwas im Schilde führte. Was man sah, war so ziemlich das, was man bekam: einen routinierten Polizisten, der hart mit einem umsprang, hohe Ansprüche stellte und der für seine Arbeit lebte.

Casey mochte seine aufrichtige Art. Sie hatte einen alten, schlecht gelaunten Veteranen sehr viel lieber zum Boss als einen überambitionierten Streber, der Fälle nur löste, um auf der Karriereleiter aufzusteigen.

Man munkelte, dass es genau diese Loyalität von Lieutenant Bradshaw war, die ihn vor einigen Jahren daran gehindert hatte, zum Captain befördert zu werden. Deshalb mochten ihn alle Kollegen und Kolleginnen in der Staffel besonders.

“Wir müssen auf die Ergebnisse des Mediziners warten, dann wissen wir, ob der Typ das Opfer vergewaltigt hat”, fuhr Casey fort. “Aber als Todesursache kommen hundertprozentig nur die beiden Schüsse in den Rücken infrage, genau wie in den anderen Fällen.”

“Unser Zeuge hat einen hellen Lieferwagen am Straßenrand parken sehen, bevor die Frau aus dem Wald rannte”, fügte Dennis hinzu. “Aber er hat sich das Nummernschild nicht gemerkt.”

“Prima”, zischte Lieutenant Bradshaw. “Das hilft uns ja mächtig weiter. Allein in dieser County gibt es Tausende von hellen Lieferwagen, wenn wir mal davon ausgehen, dass der Mörder hier aus der Gegend stammt.”

“Die Spurensicherung ist noch dabei, den Tatort zu untersuchen.” Casey stützte die Ellbogen auf die Stuhllehnen, verschränkte ihre Finger und schürzte die Lippen. “Allerdings glaube ich nicht, dass sie noch viel finden werden. Dieser Typ ist nicht dumm. In den ersten beiden Fällen ist er sofort nach der Tat verschwunden. Dass wir in diesem Fall einige Hinweise haben, liegt nur daran, dass das Opfer einen klaren Kopf behalten hat und dem Täter fast entkommen ist. Das war in zweifacher Hinsicht Glück für uns: Wir haben erstens einen Zeugen, und zweitens hatte der Mörder keine Zeit, Fuß- und Reifenspuren zu vernichten. Er wusste, dass wir innerhalb von Minuten dort sein würden, deshalb musste er so schnell wie möglich verschwinden. Und deswegen waren wir in der Lage, die Patronen zu finden, die unser Opfer getötet haben. Sie wurde auf der Straße erschossen und nicht im Wald.”

“Genau”, stimmte ihr Partner zu. “Es wird so viel gejagt in diesen Wäldern. Wenn die Spurensicherung dort Patronen gefunden hätte, hätten sie ebenso gut von einer Jagd stammen können.”

“Die Ballistiker werden die Spuren auf den Patronen dokumentieren, und das Labor wird die Kleidung des Mädchens, des Zeugen und die Spuren im Wagen untersuchen. Außerdem schicke ich die Gipsabdrücke der Reifen an einen Spezialisten, der herausfinden wird, um welches Modell es sich handelt und ob es einen speziellen Hinweis auf den Täter durch das Reifenprofil gibt. Aber bis wir diesen Lieferwagen oder die Waffe oder einen Verdächtigen haben, nützen uns alle bisherigen Ergebnisse nichts.”

“Haben wir den Namen des Opfers?”, fragte der Lieutenant.

“Nein, wir haben sie noch nicht identifizieren können. Sie hatte keine Papiere bei sich. Ihre Leggings und das Sportoberteil hatten keine Taschen, und bisher wurden weder ein Portemonnaie noch ein Ausweis gefunden.”

“Das stimmt auch wieder mit den Fällen vom Sheriff überein. Verdammt”, fluchte Dennis. “Das bedeutet, dass wir Crawford anrufen und ihn überreden müssen, mit uns zu kooperieren.”

Die Wände von Lieutenant Bradshaws Büro bestanden in der oberen Hälfte aus Glas. Dennis lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen, sein Rücken war dem Großraumbüro zugewandt. Mit den ausgestreckten Beinen und den muskulösen Armen, die sich über seiner massiven Brust spannten, sah er so aus, aus würde er alles tun, um nicht mit Sheriff Crawford zusammenarbeiten zu müssen.

“Ich werde mich darum kümmern. Ich möchte, dass Sie herausfinden, wer diese Frau ist”, forderte Lieutenant Bradshaw die beiden auf. “Niemand sollte sterben, ohne dass die Familie davon erfährt.”

“Okay, Chef.” Casey stand auf, dann gingen sie und Dennis zur Tür. “Ich werde die Vermisstenanzeigen überprüfen. Wenn das nichts bringt, besuchen wir Sportund Tanzstudios.”

“Gut. Halten Sie mich auf dem Laufenden.”

Fünfzehn Minuten später telefonierte Casey noch immer mit der Vermisstenabteilung, als ein älterer Mann das Büro betrat. Er trug eine Jeans, ein Westernhemd, Cowboystiefel und einen Stetson. Er war groß und sehr schlank, seine Haut war von der Sonne gebräunt und faltig. Er sah aus wie der Prototyp eines gealterten Cowboys. Zwei jüngere Männer, die ähnlich gebaut waren und deren Kleidung der seinen sehr ähnlich war, begleiteten den alten Mann. Sie alle sahen besorgt aus.

Das Trio stand vor dem Tresen von Monica Hudson, der Zivilassistentin. Bevor sie sie ansprachen, nahmen die Männer höflich die Hüte ab.

“Entschuldigen Sie, Miss. Mein Name ist Henry Belcamp. Ich möchte meine Tochter als vermisst melden”, sagte der alte Mann, während er seinen zerschlissenen Stetson nervös in seinen riesigen rauen Händen drehte.

Casey beendete schnell ihr Telefonat und stand auf.

“Es tut mir leid, Sir, aber die Vermisstenabteilung ist oben im vierten Stock. Sie müssten …”

“Schon gut, Monica. Ich rede mit Mr. Belcamp”, unterbrach sie Casey. Sie ging auf die Männer zu und streckte ihnen die Hand entgegen. “Hallo, Sir. Ich bin Detective O’Toole, und das hier ist mein Partner, Detective Shannon.”

“Henry Belcamp. Das sind meine Söhne John Henry und Rafe.”

Nachdem Dennis und sie die Männer begrüßt hatten, schlug Casey vor: “Lassen Sie uns in der Cafeteria reden, wenn Sie nichts dagegen haben.”

Als sie sich um den langen Tisch gesetzt hatten, fragte sie: “Wie heißt Ihre Tochter, Mr. Belcamp, und seit wann vermissen Sie sie?”

“Sie heißt Becky. Becky Sue Belcamp. Soweit wir das sagen können, hat sie seit gestern Abend um sechs niemand mehr gesehen. Da sind die beiden Fitnesstrainer, die für sie arbeiten, nach Hause gegangen. Becky hat das Studio abends bis neun Uhr geöffnet für Mitglieder, die nach der Arbeit noch trainieren wollen. Meistens übernimmt sie diese Schicht. Wir haben eine Ranch ungefähr dreißig Kilometer nördlich von hier. Ich und die Jungs stehen auf, bevor es hell wird, deswegen schlafen wir immer schon, wenn Becky heimkommt. Wir wussten nicht, dass sie weg ist, bevor sie nicht zum Frühstück herunterkam.”

“Ihre Tochter wohnt bei Ihnen?”

“Ja. Sie hat ihr Aerobicstudio erst vor vier Monaten eröffnet, deswegen hat sie wenig Geld.”

“Becky hat schon immer zu Hause gewohnt”, warf Rafe ein. “Sie hat Geld für ihr eigenes Studio gespart, seitdem sie zwanzig ist.”

“Und wie alt ist sie jetzt?”

“Achtundzwanzig.”

“Sie hat wirklich eine ordentliche Summe gespart”, sagte ihr Vater stolz. “Und ich habe ihr den Rest geliehen, damit sie das Studio aufmachen konnte. Jedenfalls habe ich heute John Henry nach oben geschickt, um sie aufzuwecken. Aber in ihrem Bett hatte sie nicht geschlafen.”

“Ist Ihre Tochter jemals über Nacht fortgeblieben?”

“Nein, natürlich nicht!”, fuhr der alte Mann auf. “Was wollen Sie mit der Frage sagen? Becky ist ein ordentliches Mädchen.”

“Bitte, Sir, regen Sie sich nicht auf. Es gibt einige Routinefragen, die ich Ihnen stellen muss. Ist es möglich, dass Ihre Tochter in ihrem Studio übernachtet hat? Oder bei einer Freundin?”

“Nein, sonst hätte sie uns angerufen. Wir haben im Studio angerufen, als wir gesehen haben, dass sie nicht zu Hause ist. Wir haben es auch auf ihrem Handy versucht, aber da ging auch niemand ran. Dann, gegen halb sieben Uhr morgens, rief uns eine ihrer Trainerinnen an, dass das Studio verschlossen sei und niemand die Tür öffne. Becky ist um diese Zeit aber immer dort. Ich und meine Jungs sind dann in die Stadt gefahren, um nachzusehen, was los ist. Beckys Auto stand noch auf dem Parkplatz. So, wie es aussah, hat es dort die ganze Nacht gestanden. Als wir ankamen, war noch Frost drauf. Ich habe dann mit meinem Schlüssel das Studio aufgeschlossen.” Der alte Mann fuhr sich mit der Hand durch seine grauen Haare. “Ich sage Ihnen, ich habe mich zu Tode gefürchtet, weil ich nicht wusste, was mich drinnen erwarten würde, aber drinnen war alles leer.”

“War alles an seinem Ort? Fehlte etwas?”

“Nein. Becky verlässt das Studio immer erst, nachdem sie aufgeräumt hat. Alles sah ordentlich aus.”

“Ich verstehe. Würden Sie uns Ihre Tochter beschreiben, Mr. Belcamp?”

“Sicher. Sie ist ungefähr ein Meter siebzig groß, hat braune Augen und lange Haare. Jetzt sind sie rot, aber nächste Woche können sie auch blond oder schwarz sein. Bei Becky weiß man nie.”

“Sie ist schlank, sehr sportlich, eher muskulös”, warf ihr Bruder John Henry ein. “Und sie trägt immer die Diamantohrstecker von unserer Mutter.”

“Und sie hat eine kleine Rose auf die Hüfte tätowiert”, ergänzte Rafe.

Der alte Belcamp schnaufte verächtlich. “Total verrückt, wenn Sie mich fragen, seinen Körper so zu verschandeln. Wir hatten deswegen einen ordentlichen Streit. Sie sagte, damit würde sie hip aussehen, und das sei wichtig in ihrem Geschäft.”

“Haben Sie sich oft mit Ihrer Tochter gestritten?”

“Worauf wollen Sie hinaus? Wenn Sie glauben, mein Vater …”

Casey brachte John Henry mit einem Blick zum Schweigen. “Wie ich bereits sagte, diese Fragen hier gehören zur Routine. Ich würde meiner Pflicht nicht nachkommen, wenn ich sie nicht stellen würde.”

“Manchmal fragt man unangenehme Dinge, um jemanden als Verdächtigen auszuschließen”, setzte Dennis nach.

“Reg dich ab, Junge. Detective O’Toole weiß, was sie tut”, redete der alte Mann auf seinen Sohn beruhigend ein. “Abgesehen von dem Tattoo, habe ich mit meiner Tochter immer nur darüber gestritten, dass sie mit ihrem Aussehen unzufrieden war. Sie hat immer verrücktes Zeug mit sich angestellt. Ich habe ihr gesagt, dass sie ihre Zeit damit verschwendet – und auch ihr Geld. Sie ist schön, und zwar so, wie Gott sie geschaffen hat.”

Casey verkniff sich ein Lächeln. Dieser Ausspruch strotzte vor väterlicher Liebe und Stolz und hörte sich an wie etwas, das auch ihr eigener Vater gesagt haben könnte.

Casey und Dennis sahen sich kurz an. Sie wusste, dass er das gleiche Gefühl in der Magengegend hatte wie sie. Es war nötig, das Opfer zu identifizieren, um den Fall lösen zu können. Sie wollte dieser Familie nicht sagen müssen, dass ihre geliebte Tochter und Schwester einem Mord zum Opfer gefallen war.

“Normalerweise suchen wir nicht nach einer erwachsenen Person, solange sie nicht bereits achtundvierzig Stunden vermisst ist. Jedoch glaube ich, dass wir Ihnen über Ihre Tochter Auskunft geben können.” Casey streckte eine Hand aus und legte sie auf die geballte Faust des alten Mannes. “Mr. Belcamp, würden Sie sich ein paar Fotos ansehen?”

Autor

Ginna Gray

Ginna Gray wuchs in einer sehr fantasievollen und kreativen Familie in Texas auf. Erst mit zwölf Jahren erkannte sie, dass es nicht selbstverständlich war, wie leicht es ihr fiel, sich Geschichten auszudenken.

Schon ihre Lehrer erkannten ihr Talent und Ginna war sich sehr früh sicher, dass sie Schriftstellerin werden wollte....

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