Der verräterische Kuss des Millionärs

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Dieser Mann geht Genevieve nicht mehr aus dem Kopf: ihr Chef Lucas McDowell! Der gut aussehende Millionär hat ihr einen Job gegeben, nachdem sie unverschuldet ihr Erbe, ihre Sicherheit und ihre Zukunft verloren hat. Doch mit ihrem Retter zusammen zu arbeiten, ist nicht leicht. Denn so energisch Lucas seine sozialen Projekte anpackt und zu Genevieve dabei umwerfend charmant ist - um zärtliche Gefühle macht er einen großen Bogen. Was hat er nur erlebt, das ihm den Glauben an die Liebe genommen hat? Und wie kann Genevieve ihm diesen Glauben zurückzugeben?


  • Erscheinungstag 24.03.2012
  • Bandnummer 1942
  • ISBN / Artikelnummer 9783864941429
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Genevieve Patchett blickte starr auf die Mahagonitür zu dem Büro, in dem das erste Bewerbungsgespräch ihres Lebens stattfinden sollte. Obwohl sie schon sechsundzwanzig war, hatte sie nur Lücken im Lebenslauf und beängstigend hohe Schulden. Und Lucas McDowell, der Mann, der über ihre Zukunft entscheiden würde, galt als harter Geschäftsmann, der nur die Besten einstellte, zu denen sie absolut nicht gehörte.

Mit zittriger Hand umfasste sie den Türknauf und konzentrierte sich darauf, zumindest einen tüchtigen Eindruck zu erwecken. Sie musste diesen Job unbedingt haben. Ihre Freundin Teresa hatte sich sehr für sie eingesetzt, um ihr diese Unterredung zu verschaffen.

Genevieve öffnete die Tür einen Spaltbreit … und verharrte mitten in der Bewegung. Aus dem Raum drang eine wütende Frauenstimme, die immer lauter wurde.

Plötzlich flog die Tür auf, und Genevieve sah sich einer äußerst attraktiven Brünetten gegenüber.

Als Genevieve einen Schritt zurückwich, lachte die Fremde höhnisch. „Ach, laufen Sie nicht weg, Schätzchen. Er gehört jetzt Ihnen. Aber verlieben Sie sich bloß nicht in ihn, denn er hat keine Seele.“ Dann warf sie den Kopf zurück und blickte über die Schulter. „Lucas, dein nächstes Opfer ist da.“

Während die Frau die Eingangshalle durchquerte, betrachtete Genevieve den breitschultrigen dunkelhaarigen Mann, der an seinem Schreibtisch stand. Obwohl Lucas McDowell einen teuren Maßanzug trug, wirkte er mit den harten Zügen und den stahlgrauen Augen wie ein Mitglied einer Straßengang. Mit finsterer Miene blickte er sie an.

„Kommen Sie rein. Schließen Sie die Tür. Setzen Sie sich.“ Er deutete auf den Stuhl vor ihm.

Genevieve gehorchte. Sie war es gewohnt, zurechtgewiesen zu werden, denn ihre Eltern waren sehr launisch gewesen.

Ihr Gegenüber betrachtete sie von Kopf bis Fuß, und es kostete sie große Mühe, gleichmäßig zu atmen und sich nicht zu krampfhaft an den Armlehnen festzuhalten.

„Ich schätze, Sie sind Genevieve Patchett“, sagte er. „Okay, lassen Sie uns anfangen.“ Doch er runzelte nur die Stirn.

Am liebsten hätte sie gestöhnt. Zum unzähligsten Mal, seit man ihr vor sechs Monaten alles genommen hatte, schien es ihr, als würde sie an einem Abgrund stehen. Sie war in tausend Ängsten. Ihr Ruf war zerstört, nachdem ihr ehemaliger Verlobter die meisten ihrer Konten abgeräumt hatte, und bald würde auch ihr letztes Geld weg und sie obdachlos sein. Vor Lucas McDowell die Flucht zu ergreifen stand also nicht zur Wahl.

Dann riss sie sich zusammen. Der Mann mochte sie einschüchtern und seine Firma für Sportgeräte zu den umsatzstärksten in den USA gehören, doch sie war in einer Familie aufgewachsen, die von den Reichsten und Berühmtesten der Welt gefeiert worden war. Dass sie nun kaum genug zu essen hatte, änderte nichts daran. Außerdem hatten ihr die Eltern vermittelt, dass man mit dem richtigen Auftreten alles erreichen konnte.

„Mr McDowell.“ Genevieve straffte sich und versuchte, das unangenehme Szenario mit der Brünetten zu vergessen. Entschlossen blickte sie ihrem Gegenüber in die silbergrauen Augen. „Ich würde gern …“

„Nein“, unterbrach er sie scharf. „Ms Patchett, was Sie möchten, wird heute nicht über Ihr Schicksal entscheiden, das wissen wir beide.“

„Mein … Schicksal?“ Ihr wurde übel, und sie fühlte sich noch einsamer als bisher. „Okay“, sagte sie und wartete darauf, dass er weitersprach. Es fiel ihr schwer, nicht zusammenzuzucken, als er sie unverschämt musterte.

„Lassen Sie uns eins klarstellen: Sie sind nur hier, weil eine meiner Angestellten gerade nach Australien abgehauen ist und Teresa March Sie mir empfohlen hat.“

Das wusste sie bereits. Es war reines Glück gewesen, dass ihre Freundin gerade Verwandte in Chicago besucht und erwähnt hatte, dass ihr ehemaliger Arbeitgeber auch in der Stadt wäre und eine Assistentin suchen würde.

Was soll ich bloß sagen? überlegte Genevieve hektisch. Soll ich ihm erzählen, wie dankbar ich Teresa bin? Oder wirke ich dann zu verzweifelt? Das hier war alles Neuland für sie. Anfängerinnen brauchten sich über solche Dinge keine Gedanken zu machen.

Hör auf dein Bauchgefühl, dachte sie. Das hatte sie allerdings schon einmal getäuscht, als sie Barry, der sie belogen und betrogen hatte, blind vertraut hatte. Da Teresa ihr aber vielleicht das Leben gerettet hatte, gebührte ihr Lob.

„Teresa ist eine Heilige“, begann sie und errötete prompt, als Lucas eine Braue hochzog. Die Freundin war zwar hochintelligent und sehr gut in ihrem Job, feierte jedoch gern und viel.

„Na ja, das vielleicht nicht, aber sie ist sehr nett“, verbesserte Genevieve sich deshalb. „Natürlich kennen Sie mich nicht und …“

Mit undurchdringlicher Miene wartete er, dass sie fortfuhr. Am liebsten hätte sie sich die Hand vor den Mund geschlagen. Offenbar betrachtete Lucas McDowell sie nicht als seine Traumkandidatin. Bestimmt wird er gleich das Gespräch beenden.

„Ich bin ihr wahnsinnig dankbar, dass sie mir dieses Gespräch vermittelt hat“, fügte sie wenig überzeugend hinzu und fragte sich dann, ob sie zu eifrig wirkte.

Nachdem er ihr einen forschenden Blick zugeworfen hatte, als könnte er ihre Gedanken lesen, schrieb er etwas auf einen Notizblock. Ihr Herz klopfte noch schneller.

„Entschuldigen Sie. Ich … Mr McDowell, könnten wir bitte noch einmal von vorn anfangen?“

Er legte den Block weg, bevor er um den Schreibtisch herumkam, sich dagegen lehnte und die Arme verschränkte. Nun war sie gezwungen, zu ihm aufzublicken.

„Noch einmal von vorn?“

„Ja. So zum Beispiel. Ich bin Genevieve Patchett und möchte mich auf die freie Stelle bei Ihnen bewerben. Ich kann auch Referenzen vorweisen.“ Genevieve nahm die Liste, bei der Teresa ihr geholfen hatte, aus ihrer Handtasche und hielt sie ihm hin. Sie fühlte sich schuldig, weil die Empfehlungen vor allem von Leuten kamen, denen die üblen Gerüchte, die Barry über sie in die Welt gesetzt hatte, wahrscheinlich noch nicht zu Ohren gekommen waren. Am liebsten hätte sie Lucas gesagt, er solle es nicht glauben, falls er Klatsch über sie hörte, doch Teresa hatte ihr dringend davon abgeraten. Trotzdem fiel es ihr schwer, den Mund zu halten.

Ihr stockte der Atem, als Lucas das Blatt entgegennahm und es auf seinen Schreibtisch legte, ohne es anzusehen.

„Interessieren die Beurteilungen Sie nicht?“, erkundigte sie sich irritiert.

„Ich brauche sie nicht. Ich habe schon Erkundigungen über Sie eingezogen und weiß alles über Sie. Sonst wären Sie nicht hier.“

„Verstehe“, erwiderte Genevieve leise. Ihre Gedanken jagten einander. Was mochte er gehört haben?

Zum ersten Mal umspielte ein Lächeln seine Lippen. Es ließ seine Züge noch maskuliner wirken. Und gefährlicher. Erst jetzt merkte sie, dass sie unwillkürlich die Schultern hatte hängen lassen. Doch dann besann sie sich auf ihre Erziehung und straffte sich wieder. Versuch wenigstens, selbstsicher und kompetent zu wirken, befahl sie sich.

„Nein, das tun Sie nicht“, entgegnete er. „Das ist allerdings nicht Ihre Schuld. Dieser Job ist anders als alles, was Sie bisher gemacht haben.“

Genevieve wollte ihn darauf hinweisen, dass sie noch nie gearbeitet hatte, riss sich dann jedoch zusammen. Falls Lucas tatsächlich Auskünfte über sie eingeholt hatte, war es ihm bekannt. Aber vielleicht wollte er sie nur auf die Probe stellen.

„Ich …“ Für einige Sekunden schloss sie die Augen, in der Hoffnung, das Richtige zu sagen.

„Sie hatten noch nie einen richtigen Job, stimmt’s?“, unterbrach er sie und erlöste Genevieve damit aus ihrem Dilemma.

Wieder wurde ihr übel. Mühsam schluckte sie. „Spielt es denn eine Rolle?“ Bitte verneinen Sie es, flehte sie insgeheim.

„Das weiß ich noch nicht. Es kommt darauf an.“

So musste es sich anfühlen, wenn man auf einem Seil über einen reißenden Fluss balancierte. Ein Fehltritt, und man landete im Wasser.

Genevieve atmete tief durch, damit Lucas McDowell nicht merkte, wie nervös sie war. „Worauf … worauf kommt es denn an?“

„Sie haben nicht den leisesten Schimmer, worum es geht, stimmt’s?“

„Eigentlich nicht.“ Sie hoffte nur, es war nichts Anstößiges oder etwas, das sie überforderte. „Was soll ich denn tun?“

„Falls ich Ihnen den Job gebe … Beginnen wir mit ein paar Dingen, die Sie betreffen.“

Er hatte ihre Frage nicht beantwortet. Und nun wurde es brenzlig. Sprechen Sie mich nicht auf die Lügen an, die Barry über mich verbreitet hat, denn es haben mir deswegen schon zu viele Leute den Rücken gekehrt.

„Über welche besonderen Fähigkeiten verfügen Sie?“

„Ich …“ Ich kann Small Talk machen, mich gut kleiden, Hausangestellte anleiten und kenne mich mit Weinen aus. „Vielleicht verraten Sie mir, worauf Sie Wert legen“, forderte sie ihn auf, in der Hoffnung, dass er ihr auf die Sprünge half.

„Das ist keine Antwort. Na gut, ich brauche jemanden, der gut organisieren kann.“

„Ich …“ Ihr versagte die Stimme, doch Genevieve riss sich zusammen. Wenn sie jetzt nicht überzeugend klang, würde sie diese Chance vertun. „Ich … ich habe … Veranstaltungen organisiert und Gästelisten erstellt.“ Okay, bei den Veranstaltungen handelte es sich lediglich um eine Party, die ihre Eltern jedes Jahr gaben, und ihr Part dabei war nie besonders schwierig gewesen. Ihre Eltern hatten ihr immer genaue Anweisungen gegeben, und der Ablauf war immer derselbe gewesen. Und da die Kunstobjekte der beiden von jeher sehr begehrt waren, hatte ihre eigentliche Aufgabe darin bestanden, die Gästeliste zusammenzustreichen.

Lucas verschränkte die Arme vor der Brust, was seine breiten Schultern betonte und bei ihr bewirkte, dass sie sich noch kleiner fühlte. Erneut umspielte ein Lächeln seine Lippen, als wüsste er, was in ihr vorging.

„Ihre Eltern, Ann und Theo Patchett, haben mit ihren mundgeblasenen Glasobjekten wirklich für Furore gesorgt. Soweit ich weiß, sind Sie mit ihnen um die ganze Welt gereist. Ihr Organisationstalent wurde Ihnen offenbar in die Wiege gelegt.“

Da täuschen Sie sich, ging es ihr durch den Kopf. Ihr Vater und ihre Mutter waren einnehmende Persönlichkeiten gewesen, und sie hatte gelernt, es ihnen immer recht zu machen. Dabei war ihr Selbstwertgefühl auf der Strecke geblieben. Nach dem Tod ihrer Eltern war sie auf einen Schwindler hereingefallen, einen Mann, den die beiden bewundert und mit dem sie ihre Tochter noch zu ihren Lebzeiten bekannt gemacht hatten. Sie hatte sich mit ihm verlobt und war von ihm betrogen und fallen gelassen worden. Sie war also alles andere als ein Tatmensch.

Lucas McDowell hingegen schien anderer Meinung zu sein. Sollte sie ihm die Wahrheit sagen?

Nein, du verstehst dich darauf, Anweisungen zu befolgen. Versuch einfach, zu tun, was er dir aufträgt. Falls er dich einstellt.

„Ihre Eltern haben einige der luxuriösesten Villen der Welt ausgestattet“, erklärte er. „Teresa hat mich auf Sie aufmerksam gemacht, als ich gerade mit den Vorstellungsgesprächen begonnen hatte. Ich brauche jemanden, der sich aufs Einrichten versteht und Organisationstalent hat.“

Genevieve fragte sich, was genau die Freundin ihm erzählt hatte und wie gut er diese kannte. Sie war eine intelligente Frau, neigte allerdings dazu, Geschichten auszuschmücken. Falls er sie also für ein kreatives Genie hielt und die Wahrheit erfuhr … Nach allem, was sie mit Barry erlebt hatte, konnte Genevieve nicht lügen. Gab es trotzdem nicht irgendeine Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen?

„Ich verfüge nicht über so viel Erfahrung wie meine Eltern“, erwiderte sie wahrheitsgemäß. „Ich habe zwar mein ganzes Leben in schönen Räumen verbracht und sie lange auf mich wirken lassen. Manchmal habe ich sogar alles schriftlich festgehalten, wenn meine Eltern Unterstützung brauchten.“ So etwas schwebte Lucas bestimmt nicht vor, doch … er sah sie forschend an.

Sie versuchte, ihn als ganz normalen Mann zu betrachten. Ihr Vertrauen war oft enttäuscht worden, aber niemand hatte sie derartig verletzt wie Barry. Sie war blind vor Liebe gewesen, und so etwas würde ihr nie wieder passieren. Teresa hatte sie schon gewarnt, dass Lucas ein ruheloser Geist und ein Herzensbrecher sei, der keine Frau wirklich an sich heranließ. Außerdem hatte sie betont, dass er ungemein attraktiv sei, was sie sich allerdings hätte sparen können.

Es spielt für mich keine Rolle, dachte Genevieve, denn sie wollte keinen Mann. Sie brauchte jetzt nur Arbeit, Geld und ein neues Leben, in dem sie auf eigenen Füßen stehen konnte und von niemandem abhängig war.

Doch zuerst einmal musste sie den Job bekommen. Als sie aufblickte, stellte sie fest, dass Lucas sie immer noch eingehend betrachtete.

„Wer hat Ihr Outfit ausgesucht?“, erkundigte er sich dann unvermittelt.

Verwirrt blinzelte sie. Das war eine seltsame Frage, aber vielleicht war Lucas McDowell nur ein Exzentriker. „Ich.“ Okay, sie hatte es schneidern lassen. Zu der Zeit hatte sie noch viel Geld gehabt.

„Hm.“

Eigentlich wollte sie darauf nicht eingehen. „Ist das abfällig gemeint?“, fragte sie dennoch.

„Nein, es hat mich nur interessiert.“ Er musterte ihre goldfarbene Bluse mit den kleinen cremefarbenen Glasknöpfen in Sternenform, die sie selbst gemacht hatte und die alle Unikate waren, sowie ihren Rock. „Es ist geschmackvoll, dezent, in gewisser Weise sogar ein bisschen altmodisch. Aber die Knöpfe sind … wirklich außergewöhnlich. Obwohl es ein Stilbruch ist, geben sie Ihrem Outfit eine ganz persönliche Note. Und die Töne passen gut zu Ihrem roten Haar.“

Genevieve war dankbar, dass er nicht den Ausdruck flammend rot benutzt hatte. Ihre Eltern hatten sie oft dazu zu bewegen versucht, ihre Haare zu färben. Barry hatte Blondinen bevorzugt. Oder zumindest die Blondine, für die er ihr Geld ausgegeben hatte. Sie hatte es immer so gelassen, aber streng aus dem Gesicht gekämmt und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, damit es nicht so auffiel.

„Der Rock ist allerdings zu kurz“, verkündete Lucas plötzlich, und automatisch blickte sie auf ihre übereinandergeschlagenen Beine. Das gute Stück war ihr bis über die Knie gerutscht.

Verlegen biss sie sich auf die Lippe. „Ich … trage immer Minis. Verstößt das bei Ihnen gegen die Kleiderordnung?“

Nun wirkte er amüsiert. „Es gibt keine. Ich wollte nur wissen, ob Sie zu Ihrem Geschmack stehen.“

„Ich …“ Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass sie seine Art unfair fand, aber so etwas war nicht ihr Stil. „Ich wünschte, Sie würden keine Spielchen mit mir treiben“, fuhr sie zu ihrer eigenen Überraschung fort.

„Sie haben recht. Es war nicht astrein. Also, einigen wir uns auf Folgendes: Sie legen Ihre Nervosität ab und verhalten sich so, als würden Sie schon für mich arbeiten. Einverstanden?“

„Und …“ Genevieve schluckte. „Was ist, wenn es Ihnen nicht gefällt?“

Er zuckte die Schultern. „Dann stelle ich Sie nicht ein. Sobald ich auch nur den geringsten Zweifel habe, beende ich das Gespräch. In Ordnung?“

„Sind Sie immer so direkt, Mr McDowell?“

„Ja.“

Als er ihr in die Augen sah, konnte sie den Blick nicht abwenden. Dieser Mann war sehr mächtig, und dass er über ihre Zukunft entscheiden würde, machte ihr Angst. Doch sie hatte sich für die Wahrheit entschieden, und Lucas McDowell hatte das Gespräch bisher nicht beendet. Sie hatte also noch eine Chance.

„Ich glaube … ich bin gut in all diesen Dingen, Mr McDowell.“

„Ich muss zugeben, ich habe mich wie ein Idiot verhalten. An Ihrem Rock ist nichts auszusetzen.“

Sein Eingeständnis überraschte sie. Außerdem war ihr überdeutlich bewusst geworden, dass Lucas McDowell ihre Beine über Gebühr lange betrachtet hatte.

„Okay“, sagte sie.

Um seine Mundwinkel zuckte es. „Warum okay? Weil ich mich wie ein Idiot verhalten habe oder weil an Ihrem Kleidungsstück nichts auszusetzen ist?“

„Ich …“

Er schüttelte den Kopf. „Schon gut. Doch jetzt beantworten Sie mir bitte folgende Frage. Was halten Sie von Obdachlosen, Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben und vielleicht in Schwierigkeiten sind?“

Gleich falle ich in Ohnmacht, dachte Genevieve. Meint er etwa mich? Was genau hat er über mich herausgefunden?

„Ich finde … dass man Leute nicht nach ihrer finanziellen Situation beurteilen sollte. Und ich hoffe, die meisten denken so.“ Natürlich wusste sie, dass das nicht der Fall war.

Lucas nickte. „Gut. Letzte Frage. Sie und Teresa haben sich in den letzten Jahren kaum gesehen, obwohl Sie beide sich den Worten Ihrer Freundin zufolge sehr nahegestanden haben. Bestimmt hat sie Ihnen auch Intimes anvertraut. Grundsätzlich möchte ich alles über meine Angestellten erfahren. Können Sie mir einige von ihren Geheimnissen verraten?“

„Nein!“, rief sie, schockiert über sein Anliegen. So etwas gehörte nun wirklich nicht in ein Bewerbungsgespräch.

Als sie ihn anschaute, befürchtete sie, dass sie ihr Schicksal mit ihrer Ablehnung besiegelt hatte, denn in seinen grauen Augen lag ein harter Ausdruck. Nun würde sie bald erfahren, wie es wäre, obdachlos zu sein und nichts zu essen zu haben.

„Nein“, bekräftigte sie, diesmal leiser. Theresa hatte eine schwere Kindheit gehabt. Sie vertraute ihr.

Doch dann wurde sein Blick unmerklich sanfter. „Wann können Sie anfangen?“

Sie sah ihn irritiert an.

„Wann können Sie bei mir anfangen?“, wiederholte er ungeduldig. „Deswegen sind Sie doch hier, oder?“

„Ja, aber ich dachte … Ihre Frage …“

„Die meisten Menschen haben irgendetwas zu verbergen. Ich bin jedoch nicht daran interessiert, in Theresas Vergangenheit herumzustochern. Ich wollte nur wissen, ob Sie Ihre Freundin verraten würden, um einen Job zu bekommen.“

Seine tiefe Stimme schien in ihren Ohren widerzuhallen, und ein heißes Prickeln überlief sie. Genevieve atmete tief aus, noch immer verwirrt und zutiefst alarmiert, weil sie sich plötzlich so stark zu diesem Mann hingezogen fühlte. Wie, in aller Welt, sollte sie mit jemandem umgehen, der eigene Regeln hatte?

„Theresa hat mir erzählt, dass für den Job Organisationstalent und PC-Kenntnisse erforderlich wären und man eventuell auch Erfahrung im Dekorieren haben müsste. Wie ich schon sagte, habe ich keine genaue Vorstellung davon, was die Arbeit mit sich bringt oder warum ich Details über die Vergangenheit meiner Freundin ausplaudern sollte.“

„Ich weiß, und ich entschuldige mich für meine seltsamen Fragen. Ich kann mich nur damit rechtfertigen, dass die Tätigkeit in mancher Hinsicht viel Diskretion erfordert. Die Kraft, die ich einstelle, muss in der Lage sein, verantwortungsvoll mit heiklen persönlichen Informationen umzugehen. Die meisten Bewerberinnen würden behaupten, sie wären verschwiegen, wenngleich nur wenige der Versuchung widerstehen könnten, eine pikante Geschichte zu erzählen. Also bitte ich Sie um Verständnis. Ich verspreche Ihnen, dass unsere Beziehung von jetzt an rein geschäftlicher Natur sein wird.“

„Na gut“, erwiderte sie. „Würden Sie mir jetzt bitte verraten, um was für einen Job es sich handelt?“

Er wirkte leicht amüsiert.

„Was belustigt Sie so?“

„Dass Sie immer noch höflich sind, obwohl ich Ihnen gerade Angst gemacht habe.“

Genevieve neigte den Kopf. „Sie halten schließlich alle Trümpfe in der Hand.“

„Stimmt. Also gut, Genevieve. Ich habe ein großes Anwesen am Stadtrand gekauft und möchte es in einen Zufluchtsort für Frauen umwandeln, die aus irgendwelchen Gründen gescheitert sind und sich ein neues Leben aufbauen wollen. Wir werden etwas schaffen, worauf alle in der Stadt stolz sein können. Und da ich einige Nachahmer zu finden hoffe, brauchen wir viel Publicity. ‚Angies Haus‘ soll ein Erfolg und der Beginn einer Bewegung werden, die das Dasein vieler Ihrer Geschlechtsgenossinnen verändert. Das bedeutet unter anderem, dass Sponsoren gesucht werden müssen.

Andererseits dürfen wir nicht vergessen, dass die zukünftigen Bewohnerinnen große Enttäuschungen erlebt haben. Einige von ihnen wollen vielleicht nicht darüber reden, andere vertrauen sich Ihnen möglicherweise an. Meine Assistentin muss also in der Lage sein, gute Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und gleichzeitig vertrauenswürdig zu sein. Wir werden uns auf einem schmalen Grat bewegen.“

Sie schauderte, denn sie hatte ja selbst erfahren, wie es war, wenn man enttäuscht wurde.

„Deswegen haben Sie mich also nach Theresa gefragt, nicht wahr?“

„Hätten Sie auch nur irgendetwas über ihre Vergangenheit verlauten lassen, hätte ich Sie niemals eingestellt.“

Nachdenklich betrachtete sie seine energischen Gesichtszüge. „Mr McDowell, ich verstehe genau, was Sie meinen. Es ist nicht immer einfach oder klug, jemandem zu vertrauen.“

„Stimmt.“

„Und … warum ausgerechnet ich?“, hakte sie nach.

Lucas zuckte die Schultern. „Ich suche mir meine Angestellten sehr genau aus. Theresa ist vertrauenswürdig. Sie hat Sie mir empfohlen. Ich brauche einen guten Projektleiter und hätte sicher auch jemand anders finden können, aber Sie haben einen entscheidenden Vorzug.“

Als Projektleiterin? Hatte Theresa bei der Beschreibung ihrer Fähigkeiten übertrieben?

„Und der wäre?“, stieß Genevieve atemlos hervor.

„Dass Sie die Feiern Ihrer Eltern organisiert haben, beweist, Sie können unter Zeitdruck arbeiten und Probleme jeder Art in den Griff bekommen. Außerdem sind Sie, wie ich festgestellt habe, in der Lage, ein Geheimnis für sich zu behalten, und im Gegensatz zu mir besitzen Sie Stilgefühl und Geschmack. Ich habe ja schon erwähnt, dass ‚Angies Haus‘ kein Einzelprojekt werden soll. Und mit Ihrem Namen können Sie uns Türen öffnen und Sponsoren für weitere Einrichtungen dieser Art gewinnen.“

Prompt begannen ihre Hände zu beben. Auf keinen Fall wollte sie in ihrer jetzigen Situation Aufmerksamkeit erregen. Und nur mit ihrem Namen andere für sich zu gewinnen lag ihr überhaupt nicht.

Es dauerte einen Moment, bis sie die Sprache wiedergefunden hatte. „Sie sind doch viel bekannter.“

Lucas schüttelte den Kopf. „Ich habe zwar Geld und ein erfolgreiches Unternehmen, bin den Leuten jedoch nur selten ein Begriff, ganz im Unterschied zu Ihren weltberühmten Künstler-Eltern. Die Menschen verbinden mit ihnen nur Positives und übertragen das auf Sie als Tochter sicher auch.“

Seine Worte machten sie traurig, weil sie endlich als eigenständige Person und nicht mehr als das Anhängsel ihrer Eltern wahrgenommen werden wollte. Doch sie konnte es sich nicht leisten, sein Angebot abzulehnen.

„Heißt das, ich habe den Job?“

„Wenn Sie ihn wollen.“

Natürlich wollte sie ihn, aber sie durfte nicht zu eifrig wirken.

„Wenn nicht, sagen Sie es mir bitte jetzt. Ich habe einen engen Zeitplan. In sechs Wochen soll das Projekt beendet sein, weil danach jeweils eins in Frankreich und in Japan gestartet werden soll.“

Am liebsten hätte Genevieve die Flucht ergriffen, weil ihr einiges nicht gefiel. Ihr Name würde gar nichts bewirken, und darauf müsste sie Lucas eigentlich hinweisen. Sie verfügte ja nicht einmal über die Fähigkeiten, die er ihr nachsagte. Außerdem war er viel zu attraktiv. Andererseits hatte sie keine Wahl, denn sie brauchte den Job, um zu überleben.

Autor

Myrna Mackenzie
Myrna Mackenzie wusste in ihrer Jugend zunächst nicht, was sie später einmal beruflich machen wollte. Aber sie wusste, dass sie Geschichten und Happy Ends liebte. Und so war der Schritt zur Liebesroman-Autorin nahezu unvermeidlich.
Die inzwischen preisgekrönte Autorin von über 35 Romanen wurde in einer kleinen Stadt in Dunklin County im...
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