Die Hure und der Krieger

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"Komm in mein Bett, Engel!" Der jungen Heilerin Keeley ist klar, dass der gut aussehende Krieger, den sie verletzt vor ihrer Hütte im Wald gefunden hat, die Worte im Fieberwahn gesprochen hat. Auch der leidenschaftliche Kuss, den der fremde Highlander ihr geraubt hat, galt nicht ihr, sondern einer anderen … Dennoch weckt Alaric McCabe eine ungekannte Leidenschaft in ihr. Um ihn gesund zu pflegen, folgt Keeley ihm auf seine Burg. Und das Feuer zwischen ihnen brennt bald heiß! Immer wieder verbringen sie zügellose Nächte miteinander, und Keeley beginnt von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Bis sie erfährt, dass Alaric bereits einer anderen Frau versprochen ist …


  • Erscheinungstag 01.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739645
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Alaric McCabe ließ seinen Blick über die Weiten des McCabe-Landes schweifen, während er versuchte, seine widersprüchlichen Gefühle zu ordnen. Er atmete die kühle Luft ein und sah gen Himmel. Heute würde es noch nicht schneien, aber bald. Der Herbst war in die Highlands gekommen, und mit ihm hatten Kälte und kürzere Tage Einzug gehalten.

Viele Jahre hatte sein Bruder Ewan sich gemüht, sie alle durchzubringen und den Clan aufs Neue erstarken zu lassen. Und er hatte große Fortschritte dabei erzielt, den McCabes zu ihrem alten Ruhm zu verhelfen. In diesem Winter würde niemand hungern, und alle Kinder würden warme Kleidung tragen.

Nun war es an ihm, Alaric, etwas für den Clan zu tun. Gleich würde er zur Feste der McDonalds aufbrechen und offiziell um Rionna McDonalds Hand anhalten.

Es war nichts als eine Formalität, denn die Übereinkunft war bereits vor Wochen getroffen worden. Laird McDonald kam in die Jahre und wollte, dass sein zukünftiger Schwiegersohn bereits jetzt Zeit in dem Clan verbrachte, dem er angehören würde, sobald er McDonalds Tochter und Erbin geehelicht hatte.

Im Burghof herrschte reger Betrieb. Eine Schar McCabe-Krieger machte sich bereit, gemeinsam mit Alaric aufzubrechen.

Ewan, sein älterer Bruder und Laird des McCabe-Clans, hatte ihm seine treuesten Mannen an die Seite stellen wollen, aber Alaric hatte abgelehnt. Denn Mairin, Ewans hochschwangere Gemahlin, schwebte noch immer in Gefahr.

Solange Duncan Cameron am Leben war, stellte er eine Bedrohung für die McCabes dar. Er gierte nach dem, was Ewan gehörte – nach dessen Frau ebenso wie nach der Macht, die Neamh Álainn ihm versprach. Letzteres hatte Mairin als Tochter des einstigen schottischen Königs mit in die Ehe gebracht. Neamh Álainn würde an ihr Kind übergehen.

Derzeit herrschte ein höchst unsicherer Frieden in den Highlands, denn Duncan Cameron bedrohte nicht nur alle benachbarten Clans, sondern auch König Davids Thron. Daher hatte sich Alaric mit dieser Heirat einverstanden erklärt, die das Bündnis zwischen den McCabes und dem Clan festigen würde, dessen Land zwischen dem ihren und Neamh Álainn lag.

Somit machte er eine gute Partie. Rionna McDonald war schön, wenn auch recht eigen. Sie kleidete und gab sich wie ein Mann und nicht so, wie es für eine Frau angemessen gewesen wäre. Zudem würde er bekommen, was er bei den McCabes, wo er in der Rangfolge unter Ewan stand, niemals haben könnte. Er würde Anführer eines eigenen Clans sein, Land besitzen und seine Machtposition an seinen Sohn vererben können.

Weshalb also stieg er nicht freudiger aufs Pferd, um seiner Bestimmung entgegenzureiten?

Als Alaric links von sich einen Laut hörte, wandte er sich um. Mairin McCabe kam auf ihn zugeeilt – oder versuchte zumindest zu eilen. Cormac, der heute über sie wachte, lief hinter ihr her und wirkte verzweifelt. Mairin hatte sich fest in ihr Schultertuch gewickelt, und ihre Lippen zitterten vor Kälte.

Alaric streckte ihr eine Hand entgegen. Mairin ergriff sie und stützte sich, wobei sie nach Atem rang.

„Ihr solltet nicht hier oben sein“, sagte er vorwurfsvoll. „Ihr holt Euch noch den Tod.“

„Ganz recht, sollte sie nicht“, pflichtete Cormac ihm bei. „Wenn der Laird das erfährt, wird er ganz schön ungemütlich werden.“

Mairin verdrehte die Augen, ehe sie besorgt zu Alaric aufblickte. „Habt Ihr alles, was Ihr für die Reise braucht?“

Er lächelte. „Aye, das habe ich. Gertie hat mir so viel Proviant eingepackt, dass es für einen doppelt so langen Ritt reichen würde.“

Sie ergriff seine rechte Hand fester, drückte und streichelte sie abwechselnd und blickte beklommen vor sich hin. Mit ihrer anderen Hand rieb sie sich über den Bauch. Alaric zog sie näher an sich, um sie zu wärmen.

„Wollt Ihr nicht lieber noch einen Tag warten?“, fragte sie. „Es ist schon fast Mittag. Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr erst morgen früh aufbrecht.“

Alaric unterdrückte ein Grinsen. Sie war nicht glücklich darüber, dass er fortging, denn sie hatte ihren Clan gern um sich – innerhalb der Grenzen des McCabe-Landes. Und nun, da sein Aufbruch unmittelbar bevorstand, tat sie ihre Sorge und ihren Unmut umso lauter kund.

„So lange werde ich doch gar nicht fort sein, Mairin“, sagte er sanft. „Höchstens ein paar Wochen. Dann kehre ich zurück, zumindest bis die Hochzeit stattfindet und ich für immer zu den McDonalds gehe.“

Bei der Erinnerung daran, dass er die McCabes verlassen und ein McDonald werden würde, verzog sie traurig die Mundwinkel nach unten.

„Macht kein solches Gesicht, Mairin, das ist nicht gut für das Kind. Ebenso wenig wie der Umstand, dass Ihr hier draußen in der Kälte steht.“

Seufzend schlang sie ihm die Arme um den Leib. Er trat einen Schritt zurück und tauschte über ihren Kopf hinweg einen amüsierten Blick mit Cormac. Seit Mairin ein Kind trug, war sie in ihren Empfindungen noch offenherziger und emotionaler als zuvor. Jedoch hatte sich der Clan inzwischen an ihre jähen Gefühlsausbrüche gewöhnt.

„Ich werde Euch vermissen, Alaric. Und ich weiß, dass auch Ewan Euch vermissen wird. Das sagt er zwar nicht, aber er ist stiller als sonst.“

„Ich werde Euch ebenfalls vermissen“, erwiderte er ernst. „Und seid versichert, dass ich hier sein werde, wenn Ihr den nächsten McCabe zur Welt bringt.“

Ihre Miene hellte sich auf. Sie trat zurück und legte ihm eine Hand an die Wange.

„Seid gut zu Rionna, Alaric. Ich weiß, dass Ewan und Ihr glaubt, sie brauche eine strenge Hand, doch ich denke, was sie vor allem benötigt, sind Liebe und Nachsicht.“

Er trat von einem Bein aufs andere, entgeistert darüber, dass sie mit ihm über Liebesdinge sprechen wollte. Grundgütiger!

Sie lachte. „Schon gut, ich sehe, wie unbehaglich Ihr Euch fühlt. Aber denkt an meine Worte.“

„Mylady“, ließ Cormac sich vernehmen. „Der Laird hat Euch erspäht, und er wirkt nicht eben glücklich.“

Alaric wandte sich um und sah Ewan im Burghof stehen. Er schaute finster drein und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

„Kommt, Mairin.“ Er hakte sie unter. „Ich bringe Euch besser zu meinem Bruder zurück, ehe er Euch holen kommt.“

Sie murmelte etwas Unverständliches, ließ sich aber von ihm die Anhöhe hinabführen.

Als sie in den Hof kamen, bedachte Ewan seine Gemahlin mit einem durchdringenden Blick, doch es war Alaric, an den er sich wandte. „Hast du alles, was du benötigst?“

Er nickte.

Caelen, sein jüngerer Bruder, trat neben Ewan. „Bist du sicher, dass ich dich nicht begleiten soll?“

„Du wirst hier gebraucht. Bald wird es schneien. Es würde Duncans Wesen entsprechen, genau dann anzugreifen, wenn er denkt, dass wir nicht damit rechnen.“

Alaric spürte Mairin an seiner Seite erschauern und drehte sich zu ihr um. „Umarmt mich, Schwester, und begebt Euch wieder in den Wohnturm, bevor Ihr Euch in dieser Kälte wirklich den Tod holt. Meine Männer sind so weit, und ich möchte den Abschied ohne Eure Tränen hinter mich bringen.“

Wie erwartet, funkelte sie ihn böse an, schloss ihn aber bereitwillig in die Arme und drückte ihn fest.

„Gott sei mit Euch“, flüsterte sie.

Sanft strich er ihr übers Haar und schob sie anschließend auf den Wohnturm zu. Ewan bestärkte die Anweisung seines Bruders mit einem grimmigen Blick.

Mairin streckte ihm die Zunge heraus und wandte sich, begleitet von Cormac, der Treppe zu.

„Wenn du mich brauchst, schick mir eine Nachricht“, sagte Ewan. „Dann werde ich umgehend aufbrechen.“

Alaric hielt Ewan an einem Arm fest, und sie sahen sich lange an, ehe er losließ. Als er zu seinem Pferd schritt, klopfte Caelen ihm aufmunternd auf den Rücken.

„Du kannst dich glücklich schätzen“, meinte er.

Alaric schwang sich auf sein Pferd, blickte auf seinen Bruder hinab und verspürte erstmals so etwas wie Zufriedenheit. „Aye, wohl wahr.“

Tief atmete er durch und nahm die Zügel auf. Sein Land. Sein Clan. Er würde Laird sein. Aye, er konnte sich glücklich schätzen.

Gemeinsam mit einem Dutzend McCabe-Krieger brach Alaric auf. Sie schlugen ein langsames, gleichmäßiges Tempo an, das sie den ganzen Tag hielten. Da sie spät losgeritten waren, würden sie das Land der McDonalds ohnehin erst morgen Mittag erreichen, obwohl die Strecke gemeinhin an einem Tag zu bewältigen war.

Daher trieb Alaric die anderen nicht an, sondern ließ sie kurz nach Einbruch der Dämmerung halten. Sie zündeten nur ein einziges Lagerfeuer an und achteten darauf, dass die Flammen nicht zu hoch aufloderten. Ein großes Feuer hätte man aus weiter Ferne erspähen können.

Nachdem sie gegessen hatten, teilte er seine Krieger in zwei Gruppen ein und betraute die eine mit der ersten Wache. Die sechs Männer bezogen Posten rund ums Lager, damit die übrigen sechs für ein paar Stunden sicher ruhen konnten.

Obwohl er selbst erst für die zweite Wache eingeteilt war, konnte er nicht schlafen. Er lag auf dem harten Boden und starrte in den mit Sternen übersäten Himmel. Die Nacht war klar und kalt. Der Wind kam von Norden und hatte aufgefrischt, was von einem anstehenden Wetterwechsel kündete.

Verheiratet. Mit Rionna McDonald. Sosehr er es auch versuchte, gelang es ihm nicht, ihr Bild heraufzubeschwören. Lediglich ihr leuchtend goldenes Haar sah er vor sich. Sie war still, was vermutlich von Vorteil war bei einer Frau. Wobei man Mairin kaum still oder gehorsam nennen konnte, und dennoch hatte sie ihn für sich eingenommen. Und er wusste, dass auch Ewan nicht das Geringste an ihr ändern würde, wenn er es gekonnt hätte.

Allerdings war Mairin in anderer Hinsicht genau das, was eine Frau sein sollte: sanftmütig und liebreizend. Wohingegen Rionna sich sowohl männlich kleidete als auch verhielt. Sie war beileibe nicht unansehnlich, und das machte es umso unverständlicher, dass sie Dinge tat, die für eine Dame so gar nicht angemessen waren.

Alaric beschloss, sich dessen umgehend anzunehmen.

Nur ein Lufthauch warnte ihn, ehe er sich auch schon herumwarf. Eine Schwertspitze bohrte sich ihm in die Seite und schnitt durch Kleidung und Fleisch.

Schmerz durchzuckte ihn, doch Alaric verdrängte ihn, griff zu seiner eigenen Waffe und sprang auf. Auch seine Männer waren jäh auf den Beinen, und Kampfeslärm erfüllte die Nacht.

Alaric rang gegen zwei Krieger gleichzeitig, und das Klirren der sich kreuzenden Klingen hallte ihm in den Ohren wider. Die Hände bebten ihm von der Wucht, mit der er parierte und vorstieß.

Er wurde an den Rand des Lagers zurückgedrängt, wo er seine Männer als Wachen postiert hatte, und wäre beinahe über einen von ihnen gestolpert. Ein Pfeil ragte aus der Brust des Niedergestreckten und zeugte davon, wie klammheimlich sich die Angreifer angeschlichen hatten, ehe sie über sie hergefallen waren.

Die McCabes waren weit in der Unterzahl, und obgleich Alaric seine Kämpfer siegesgewiss gegen jeden Gegner ins Feld geführt hätte, konnte er nun nur den Rückzug befehlen, auf dass sie nicht alle abgeschlachtet würden. Es war schlicht unmöglich, gegen die zahlenmäßig überlegenen Feinde anzukommen: Auf je einen seiner Krieger trafen sechs Gegner.

Er rief seinen Männern zu, sich auf die Pferde zu schwingen. Danach entledigte er sich des Kontrahenten vor ihm und kämpfte sich zu seinem eigenen Pferd durch. Blut strömte ihm aus der Seite, der metallische Geruch mischte sich in die kalte Luft und stieg ihm in die Nase. Seine Augen ließen ihn bereits im Stich, und er wusste, wenn er es nicht bis in den Sattel schaffte, würde er erledigt sein.

Alaric pfiff, und sein Pferd stürmte vor, während ihn ein weiterer Krieger angriff. Der Blutverlust schwächte ihn, und daher ging er nicht mit der Disziplin zu Werke, die Ewan ihm eingebläut hatte. Er ging Risiken ein. Er war leichtsinnig. Er kämpfte verzweifelt um sein Leben.

Brüllend stieß sein Gegner vor. Alaric schwang das Schwert mit beiden Händen und trennte dem Angreifer sauber den Kopf vom Rumpf.

Nicht einen Augenblick verschwendete er darauf, seinen Sieg auszukosten, denn schon stürzte der nächste Feind auf ihn zu. Mit letzter Kraft zog Alaric sich in den Sattel und gab brüllend den Befehl zur Flucht.

Sein Pferd preschte los. Er machte die Umrisse von am Boden liegenden Gestalten aus, und beklommen erkannte er, dass es nicht etwa die gegnerischen Mannen waren. Er hatte bei diesem Angriff die meisten, wenn nicht gar alle seiner Krieger verloren.

„Heimwärts!“, rief er heiser.

Seine Seite umklammernd, rang er tapfer darum, nicht die Besinnung zu verlieren, doch mit jedem Satz, den sein Pferd machte, spürte er seine Sehkraft weiter schwinden.

Sein letzter klarer Gedanke war, dass er es bis nach Hause schaffen musste, um Ewan zu warnen. Er hoffte inständig, dass die heimatliche Feste nicht bereits angegriffen worden war.

2. KAPITEL

Keeley McDonald war noch vor dem Morgengrauen auf den Beinen, um das Feuer zu schüren und sich für den Tag zu rüsten. Bereits auf halbem Wege zu dem Holzstapel hinter ihrer Kate ging ihr auf, wie lächerlich es anmutete, sich vorzumachen, dass sie einem Tag voller Pflichten und Aufgaben entgegensehe.

Als sie um die Ecke der Hütte bog, blieb sie stehen und ließ den Blick über das Tal schweifen, das sich bis zu dem Hügelkamm zog, auf dem sich die Feste der McDonalds erhob. Von der Burg und den umstehenden Behausungen stieg Rauch auf und kräuselte sich träge gen Himmel.

Wie passend, dass sie ausgerechnet den einen Ort ständig im Blick hatte, an dem sie nicht erwünscht war: ihr Zuhause. Nur dass es nicht mehr ihr Zuhause war, denn die McDonalds hatten ihr den Rücken gekehrt und erkannten sie nicht länger als ein Clanmitglied an. Keeley war eine Ausgestoßene.

War dies etwa ihre Strafe? In eine Kate verbannt zu sein, in der sie bei jedem Blick aus dem kleinen Fenster an ihre Herkunft erinnert wurde – ihren Geburtsort stets vor Augen zu haben, ohne heimkehren zu dürfen?

Vermutlich sollte sie dankbar sein, überhaupt ein Obdach zu haben. Es hätte schlimmer kommen können. Man hätte sie auch vertreiben können, ohne ihr eine Unterkunft zuzuweisen, sodass sie sich ihr Brot als Hure auf dem Rücken liegend hätte verdienen müssen.

Verächtlich verzog sie die Lippen.

Sich mit dieser Angelegenheit zu befassen stellte ihr ansonsten heiteres Wesen auf eine harte Probe. Es machte sie verbittert und wütend, denn es gab nichts, was sie hätte tun können. Sie konnte die Vergangenheit nicht ändern, doch sie bedauerte sehr, dass sie diesen Bastard McDonald für sein Tun nicht hatte zur Rechenschaft ziehen können. Ihn ebenso wenig wie seine Frau, die die Wahrheit gekannt hatte. Das hatte der Burgherrin deutlich in den Augen gestanden. Und dennoch werde ich für die Sünden bestraft, die eigentlich Laird McDonald anzulasten sind, dachte Keeley zornig.

Catriona McDonald war vor vier Jahren verschieden. Und dennoch hat Rionna nicht nach mir geschickt. Ihre älteste und engste Freundin aus Kindertagen war nicht gekommen und hatte sie nicht nach Hause geholt. Dabei wusste Rionna doch, was wirklich geschehen war.

Keeley seufzte. Es war töricht, hier herumzustehen und sich mit vergangener Pein und zerschmetterten Hoffnungen zu quälen. Es war töricht, je darauf gewartet zu haben, dass der Clan sie nach dem Tod von Rionnas Mutter wieder willkommen heißen würde.

Beim Schnauben eines Pferdes fuhr sie herum, wobei sie ihr Feuerholz losließ, das zu Boden fiel. Hufschläge näherten sich. Schließlich blieb das Tier neben ihr stehen. Sein Hals glänzte vor Schweiß, und in seinen Augen lag etwas Gehetztes. Etwas musste ihm einen Schrecken eingejagt haben.

Doch was ihren Blick auf sich zog, war der Krieger, der zusammengesunken im Sattel des Tieres saß und von dessen Leib stetig Blut tropfte.

Noch ehe sie handeln konnte, kippte der Mann vom Pferd und landete mit einem dumpfen Laut auf der Erde. Keeley zuckte zusammen. Allmächtiger, das muss wehgetan haben!

Das Pferd tänzelte seitwärts davon. Sie kniete sich hin und zog an der Tunika des Liegenden, um zu erkunden, woher das Blut kam. Seitlich befand sich ein langer Riss im Stoff. Keeley schob die Fetzen beiseite und keuchte auf.

Von der Hüfte des Mannes bis fast zu seiner Achsel hinauf verlief ein Schnitt. Das Fleisch klaffte auseinander, und die Wunde schien tief.

Hier musste nicht nur genäht, sondern auch inbrünstig darum gebetet werden, dass der Verletzte sich kein Fieber zuzog.

Besorgt fuhr Keeley ihm über den straffen Bauch. Der Mann war stark, schlank und muskulös. Er trug bereits Narben, eine auf dem Bauch und eine an der Schulter. Beide Blessuren schienen eine Weile zurückzuliegen und nicht so schlimm gewesen zu sein wie die gegenwärtige Verletzung.

Wie sollte sie ihn nur in ihre Kate schaffen? Sie schaute flüchtig zur Tür hinüber. Der Mann war zu groß und kräftig, als dass eine junge Frau wie sie ihn hätte bewegen können. Aus dieser Klemme konnte ihr nur ihr Verstand helfen.

Sie stand auf und eilte in die Kate, wo sie das Laken vom Bett riss und zusammenknüllte. Wieder draußen angelangt, schüttelte sie den Stoff aus und ließ ihn im Wind flattern.

Es kostete sie einen Moment, das Laken auf dem Boden auszubreiten, und sie musste die Enden mit Steinen beschweren, damit der Wind es nicht bauschte. Danach trat sie auf die andere Seite des Kriegers und versuchte, ihn auf das Laken zu wälzen.

Es war, als versuchte sie, einen Felsbrocken zu bewegen.

Sie biss die Zähne zusammen und legte sich stärker ins Zeug. Sein Leib schaukelte ein winziges Stück vor und gleich wieder zurück.

„Wacht gefälligst auf und helft mir!“, rief sie verzweifelt. „Ich kann Euch schlecht hier draußen in der Kälte liegen lassen. Vermutlich schneit es heute. Ihr blutet noch immer. Liegt Euch denn gar nichts an Eurem Leben?“

Sie knuffte ihn, und als das keine Wirkung zeigte, verpasste sie ihm eine Ohrfeige.

Er regte sich und legte die Stirn in Falten, ohne die Augen zu öffnen. Das kehlige Knurren, das er ausstieß, hätte sie beinahe in die Sicherheit ihrer Hütte getrieben.

Keeley riss sich zusammen und beugte sich über ihn, damit er sie hören konnte. „Ihr mögt stur sein, aye, aber Ihr werdet schon noch merken, dass ich weitaus sturer bin. Diesen Kampf gewinnt Ihr nicht, Krieger. Besser, Ihr ergebt Euch gleich und helft mir bei meinem Unterfangen.“

„Lass mich“, brummte er, die Lider nach wie vor geschlossen. „Ich helfe dir gewiss nicht dabei, mich zur Hölle fahren zu lassen.“

„Zur Hölle fahrt Ihr, wenn Ihr Euch weiterhin widersetzt. Nun bewegt Euch endlich!“

Überrascht stellte sie fest, dass er zwar murrte, sich aber mühte, ihr zu helfen. Endlich lag er auf dem Laken.

„Hab ja gewusst, dass die Hölle voller Weibsvolk ist“, murmelte er. „Und es wundert mich kein bisschen, dass sie hier ebenso viele Scherereien machen wie auf Erden.“

„Allmählich bin ich versucht, Euch in der Kälte Eurem Schicksal zu überlassen“, fauchte sie. „Ihr seid ein undankbarer Grobian, und Eure Ansichten über Frauen sind ebenso erbärmlich wie Eure Manieren. Dass Ihr Frauen so abstoßend findet, wundert mich wiederum nicht. Wahrscheinlich seid Ihr keiner je nahe genug gekommen, um Eure Meinung ändern zu können.“

Zu ihrer Verblüffung lachte er, ehe er prompt vor Schmerz aufstöhnte. Ein Teil ihres Ärgers verpuffte, als sie sah, dass sein Gesicht aschfahl wurde und ihm Schweiß auf die Stirn trat. Er litt Todesqualen, und da kam sie und stritt sich mit ihm.

Unmutig schüttelte sie den Kopf, griff nach den Enden des Lakens und legte sie sich über die Schultern.

„Herr, gib mir Kraft“, betete sie. „Ohne deine Hilfe werde ich diesen Mann nie in meine Kate bringen können.“

Dann biss sie die Zähne zusammen und zog mit aller Macht – nur um nach hinten gerissen zu werden und fast zu Boden zu gehen. Der Recke hatte sich kein Haarbreit bewegt.

„Nun, ich habe Gott schließlich nicht um übermenschliche Kraft gebeten“, murmelte sie. „Und vielleicht erfüllt er ja nur Wünsche, die im Bereich des Möglichen liegen.“

Sie starrte auf das Problem zu ihren Füßen und von diesem zu dem Pferd, das ein wenig entfernt an den welken Grashalmen zupfte.

Forschen Schrittes ging sie hinüber und ergriff die Zügel. Zunächst weigerte sich das Tier, sich zu rühren, aber Keeley blieb hartnäckig. Sie lockte, zog und flehte das riesige Ross an, zu tun, was sie von ihm wollte.

„Verstehst du das etwa unter Treue?“, hielt sie ihm vor. „Dein Herr liegt schwer verletzt am Boden, und du denkst nur daran, deinen Magen zu füllen?“

Das Pferd schien wenig beeindruckt von ihrer Ansprache, ließ sich aber endlich dazu herab, ihr zu folgen. Es beschnupperte den Hals des Liegenden, doch Keeley zog es fort.

Wenn sie die Enden des Lakens am Sattel befestigte, würde das Pferd den Mann in die Kate ziehen können. Nicht dass sie dieses schmutzige, recht streng riechende Tier in ihrem Heim wollte, aber im Moment fiel ihr nichts anderes ein.

Nachdem das Laken am Sattel festgeknotet war und sie sich davon überzeugt hatte, dass der Mann nicht hinunterrollen würde, führte sie das Pferd auf die Kate zu.

Es klappte, wie sie begeistert feststellte – das Pferd schleifte den Krieger hinter sich her. Es würde eine geschlagene Woche dauern, die Erde aus dem Laken zu waschen, aber die Hauptsache war, dass sie den Mann endlich in Sicherheit bringen konnte.

In der Kate angekommen, füllten Tier und Krieger beinahe den gesamten Raum aus, sodass sie sich kaum rühren konnte.

Hastig band Keeley das Laken los, um das Pferd wieder hinauszuführen. Aber das widerspenstige Wesen hatte offenbar beschlossen, dass das warme Innere der Kate der Kälte draußen vorzuziehen sei. Es kostete Keeley eine ganze Weile, es vom Gegenteil zu überzeugen.

Als es endlich wieder dort war, wo es hingehörte, schlug sie die Tür zu, lehnte sich schwer dagegen und hielt sich vor Augen, dass gute Taten selten vergolten wurden.

Die Anstrengung hatte sie ausgelaugt, doch ihr Krieger musste versorgt werden, wenn er am Leben bleiben sollte.

Mein Krieger? Sie schnaubte. Eher mein Klotz am Bein. Für närrische, versponnene Gedanken bestand wahrlich kein Anlass. Wenn er starb, würde man vermutlich sie zur Rechenschaft ziehen.

Sie musterte ihn eingehender. Offenbar war er kein McDonald. War er ein Feind der McDonalds? Nicht, dass sie dem Clan zu Treue verpflichtet wäre, aber auch sie hatte einst zu ihnen gehört, und somit war ein Feind der Sippe auch der ihre. Stand sie etwa im Begriff, einen Mann zu retten, der ihr gefährlich werden konnte?

„Nicht schon wieder, Keeley“, murmelte sie. Nicht selten gingen ihre Hirngespinste mit ihr durch und nahmen die abwegigsten Formen an. Die Gedanken, die ihr Kopf hervorbrachte, ließen die Einbildungskraft jedes Barden blass aussehen.

Die Farben, die der Krieger trug, waren ihr nicht bekannt. Allerdings war sie in ihrem Leben nie über die Grenzen des McDonald-Landes hinausgekommen.

Den Mann zu ihrem Bett zu schaffen, erschien ihr aussichtslos. Also tat sie das Nächstbeste – sie schaffte das Bettzeug zu ihm.

Sie umgab ihn mit Decken und Kissen, sodass er es bequem hatte, und legte Holz auf das erlöschende Feuer. In der Kate war es bereits kühl geworden.

Anschließend holte sie, was sie für die Behandlung brauchte. Sie dankte dem Herrn dafür, dass sie wenige Tage zuvor im nahe gelegenen Dorf ihre mageren Vorräte aufgestockt hatte. Das meiste von dem, was sie benötigte, sammelte sie selbst. Ein zweites Stoßgebet des Dankes galt ihren heilerischen Fähigkeiten, durch die sie in den vergangenen Jahren ihr Auskommen gehabt hatte.

Zwar hatten die McDonalds sie ohne mit der Wimper zu zucken verstoßen, andererseits jedoch keine Hemmungen, sie aufzusuchen, wann immer sie ihrer Heilkunst bedurften. Es war nicht ungewöhnlich, dass Keeley einen McDonald-Krieger versorgte, der bei den Waffenübungen verunglückt war, oder die Kopfwunde eines Kindes behandelte, das die Treppe hinuntergefallen war.

In der McDonald-Feste lebte zwar eine Heilerin, doch die kam in die Jahre. Ihre Finger waren nicht mehr ruhig genug zum Nähen tiefer Wunden, und es hieß, sie richte mehr Schaden als Gutes an, wenn sie die Nadel ansetze.

Wäre sie kleinlich gewesen, hätte Keeley die Menschen abgewiesen, weil diese sie fortgeschickt hatten. Aber das Geld, das ihre Dienste ihr dann und wann einbrachten, sorgte dafür, dass sie etwas zu essen auf dem Tisch hatte, wenn die Jagdbeute einmal mager ausfiel. Auch konnte sie davon Dinge erwerben, die sie nicht erjagen oder sammeln konnte.

Sie mischte Kräuter, zerstieß sie und fügte gerade genug Wasser hinzu, dass eine Paste entstand. Als sie zufrieden mit der Beschaffenheit war, stellte sie die Schale beiseite und bereitete Verbände vor. Für derlei Notfälle hatte sie eigens ein altes Laken in Streifen geschnitten.

Als alles vorbereitet war, kehrte sie zu ihrem Krieger zurück und kniete sich neben ihn. Seit das Pferd ihn in die Hütte gezogen hatte, war er zum Glück nicht wieder zu sich gekommen. Das Letzte, was sie brauchte, war ein Mann, der zweimal so schwer wie sie war und sich zur Wehr setzte.

Keeley tauchte ein Tuch in eine Wasserschüssel und reinigte die Wunde behutsam. Während sie das verkrustete Blut abwusch, begann frisches zu fließen. Sie ging gründlich vor, denn wenn sie den Schnitt verschloss, sollte dieser vollkommen sauber sein.

Die Ränder der Verletzung waren uneben. Eine ausgeprägte Narbe würde zurückbleiben, aber sterben würde der Mann nicht. Sofern er nicht zu fiebern begann.

Schließlich drückte sie das Fleisch zusammen und griff nach der Nadel. Als sie den ersten Stich setzte, hielt sie den Atem an, doch der Krieger wachte nicht auf. Sie arbeitete zügig, wobei sie darauf achtete, dass die Naht straff war und sie nur wenig Abstand zwischen den Einstichen ließ.

Bei seiner Hüfte angekommen, tat ihr der Rücken weh, und vor Anstrengung tränten ihr die Augen. Der Schnitt war etwa fünf Zoll lang, schätzte sie. Jedenfalls würde jede Bewegung dem Mann in den folgenden Tagen Schmerzen bereiten.

Nach dem letzten Stich richtete sie sich auf und seufzte erleichtert. Das Schwierigste war bewältigt.

Als sie dem Krieger eine Kompresse auf die Wunde gelegt hatte, war sie völlig erschöpft. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und trat nach draußen, um sich zu waschen und die steifen Glieder zu strecken. Unweit der Hütte plätscherte ein Bach. Keeley kniete sich am Ufer nieder und schöpfte Wasser mit den Händen.

Anschließend füllte sie eine Schüssel und schritt zurück zur Kate. Sie nahm die Kompresse ab, säuberte ein weiteres Mal die Wunde, ehe sie die vorbereitete Paste auf die Naht strich. Dann faltete sie mehrere Stoffstreifen zusammen, drückte sie dem Mann auf die Seite und begann, ihm einige längere Bahnen um den Leib zu wickeln, um den Umschlag zu befestigen. Was sich als schwierig erwies.

Wenn sie ihn doch nur aufrichten könnte; das würde ihr die Aufgabe erleichtern. Keeley entschied, dass im Hinblick auf die Verletzung nichts dagegensprach, ihn hochzustemmen. Also umfasste sie seinen Kopf, brachte sich hinter dem Mann in Stellung und hob ihn mit aller Kraft hoch.

Er sackte nach vorn, und weiteres Blut sickerte durch den Stoffstreifen. Rasch wand Keeley ihm die Bandagen um den Rumpf, achtete darauf, dass sie stramm saßen, und versicherte sich nochmals, dass sie nicht verrutschen würden.

Dann legte sie den Mann behutsam wieder ab und bettete sein Haupt auf eines der kleinen Kissen. Sie strich ihm das Haar aus der Stirn und berührte einen der beiden Zöpfe, die sein Gesicht umrahmten.

So schön war sein Antlitz, dass sie nicht widerstehen konnte und ihm mit dem Finger über Wangen und Kiefer fuhr. Ein wahrhaft ansehnlicher Mann mit ebenmäßigen Zügen. Ein stattlicher Krieger, gestählt in den Feuern vieler Zweikämpfe.

Von welcher Farbe seine Augen wohl sein mochten? Blau, mutmaßte sie. Im Zusammenspiel mit seinem dunklen Haar wären blaue Augen betörend, aber sie konnten ebenso gut braun sein.

Als wollte er ihre stumme Frage beantworten, schlug er in diesem Moment die Lider auf. Er starrte ins Leere. Keeley nahm überrascht und bezaubert wahr, dass seine von dunklen Wimpern umrahmten Augen moosgrün waren. Beides machte ihn umso schöner.

Schön. Sie brauchte eindeutig ein trefflicheres Wort. Er würde tödlich beleidigt sein, von einer Frau als „schön“ bezeichnet zu werden. Gut aussehend. Aye. Wenngleich „gut aussehend“ es nicht annähernd traf.

„Ein Engel“, krächzte er. „Ich muss im Himmel sein. Nichts sonst könnte diese Schönheit erklären.“

Keeley freute sich, bis ihr einfiel, dass er sie vorhin erst der Hölle zugeordnet hatte. Seufzend strich sie ihm über das unrasierte Kinn, spürte die rauen Stoppeln auf ihrer Handfläche und fragte sich kurz, wie es sich wohl anfühlte, ihm über andere Körperstellen zu fahren.

Sie errötete und schob den sündigen Gedanken rasch fort.

Nay, Krieger, Ihr habt keineswegs den Himmel gefunden. Ihr seid noch immer im Diesseits, auch wenn Ihr Euch fühlt, als würdet Ihr im Höllenfeuer schmoren.“

„Unmöglich, einen Engel wie dich in den Tiefen des Höllenschlunds zu finden“, flüsterte er mit schwerer Zunge.

Lächelnd strich sie ihm über die Wange. Er wandte den Kopf, schmiegte sich in ihre Hand und schloss die Augen. Zufriedenheit spiegelte sich in seiner Miene.

„Schlaft nun, Krieger“, raunte sie. „Bei Gott, Ihr habt einen langen Weg der Genesung vor Euch.“

„Geh nicht fort“, murmelte er.

Nay, Krieger, ich gehe nicht fort.“

3. KAPITEL

Das Erste, was Alaric spürte, war sengender Schmerz in der Seite, der mit jedem Augenblick, da er wieder bei Besinnung war, schlimmer wurde. So quälend war die Pein, dass er sich hin- und herwarf in dem Bemühen, das unerbittliche Ziehen zu lindern.

„Ruhig, Krieger, sonst reißt die Naht auf.“

Die honigsüße Stimme wurde von der Berührung sanfter Finger begleitet, die ihm die ohnehin schon glühende Haut zu verbrennen schienen. Schier unerträglich war die Hitze, und doch lag er still, denn er wollte nicht, dass sein Engel die Hände fortnahm. Die Liebkosung war das einzig Angenehme in seinem derzeitigen Zustand.

Wie er sowohl im Höllenfeuer schmoren und zugleich vom lieblichsten aller Engel umsorgt werden konnte, war ihm ein Rätsel. Womöglich befand er sich zwischen Himmel und Hölle, ohne dass feststand, welcher Ort ihm bestimmt war.

„Durst“, brachte er heiser heraus und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen, gesprungenen Lippen. Er verzehrte sich nach kühlendem Wasser.

Aye, aber nur ein Schluck. Nicht, dass Ihr mir die Kate vollspeit“, erwiderte der Engel.

Sie schob ihm einen Arm unter den Nacken und hob ihm den Kopf. Alaric fühlte sich schwach wie ein neugeborenes Kätzchen und schämte sich dessen. Ohne ihren festen Griff hätte er sich nicht aufrecht halten können.

Er spürte einen Becher an seinem Mund und trank gierig. Das kalte Wasser traf ihn so jäh, dass er erschauerte. Das Eis als Gegensatz zu dem Feuer, das ihm das Fleisch versengte, war fast schmerzhaft.

„Langsam“, sagte der Engel beschwichtigend. „Das reicht fürs Erste. Ich weiß, dass Ihr leidet. Ich werde Euch einen Kräutertee zubereiten, der gegen die Schmerzen hilft und Euch besser schlafen lassen wird.“

Doch er wollte nicht schlafen. Er wollte in ihren Armen liegen bleiben, an ihren Busen gedrückt – ein wunderbarer Busen, weich und voll, so wie die Brüste einer Frau sein sollten. Er drehte den Kopf und schmiegte sich an sie. Als er ihren lieblichen Duft einatmete, spürte er die Flammen der Hölle erlöschen. Ein Gefühl des Friedens umhüllte ihn. Ah, er war auf dem Weg in den Himmel, das stand fest.

„Nenn mir deinen Namen“, befahl er. Hatten Engel überhaupt Namen?

„Keeley, Krieger. Mein Name ist Keeley. Und nun seid still, Ihr braucht Ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen. Ich habe mich nicht geplagt, nur damit Ihr so rücksichtslos seid und mir doch noch sterbt.“

Nay, er würde nicht sterben. Er hatte Wichtigeres zu erledigen, obgleich seinem geschundenen Geist gerade entfallen war, welchen dringlichen Auftrag er verfolgen sollte.

Vielleicht hatte sie recht, und er musste sich eine Weile ausruhen. Vielleicht würde er sich wieder erinnern, wenn er das nächste Mal erwachte.

Abermals atmete er tief ein und entspannte sich. Am Rande nahm er wahr, dass sein Engel ihn wieder ablegte. Ein letztes Mal sog er ihren Duft ein, der ihn wie süffiger Wein berauschte. Ein tiefes, beruhigendes Summen strömte ihm durch die Adern und machte ihn schläfrig.

Er wehrte sich nicht länger. Sein Engel würde nicht zulassen, dass er starb.

„Ganz recht, Krieger, ich werde nicht zulassen, dass Ihr sterbt.“

Alaric spürte ihre zarten Lippen über seine Stirn gleiten und auf seiner Schläfe verweilen. Er wandte das Gesicht, wollte ihren Mund auf dem seinen fühlen. Wenn sie ihn nicht küsste, würde er womöglich doch sterben.

Sie zögerte, und es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, ehe sie ihn endlich küsste. Es war eine schlichte, unschuldige Geste, wie man sie von einem Kind erwarten mochte.

Er knurrte kehlig. Als hätte er bloß einen flüchtigen Hauch gewollt!

„Küss mich, Engel.“

Alaric spürte ihr Keuchen mehr, als dass er es hörte. Sie atmete stoßweise, er fühlte es warm auf seinen Lippen. Er roch sie. Spürte, wie sie bebte. Ihr Atem sagte ihm, dass sie nah war, ganz nah.

Es kostete ihn alle Kraft, den Arm zu heben, ihr mit der Hand durchs Haar zu fahren, ihren Nacken zu umfassen und sie festzuhalten. Er hob den Kopf, und ihre Lippen trafen sich.

Allmächtiger, wie süß sie war. Ihr Geschmack erfüllte seinen Mund, rann ihm wie geschmeidiger Honig über die Zunge. Ungeduldig drängte er sie, die Lippen weiter zu öffnen, und schließlich gab sie seufzend nach. Mit der Zunge tauchte er ein und erkundete ihren Mund.

Aye, dies war der Himmel. Denn wenn es die Hölle wäre, würde in ganz Schottland kein Mann je auch nur einen Fuß auf den rechten Weg setzen.

Seine Kraft schwand, und er fiel zurück, wobei sein Kopf dumpf auf dem Kissen aufschlug.

„Ihr habt Euch verausgabt, Krieger“, hielt sie ihm vor.

„Das war es wert“, entgegnete er leise.

Er meinte, sie lächeln zu sehen, doch alles um ihn herum war so verschwommen, dass er nicht sicher sein konnte. Vage nahm er wahr, dass sie ging, aber er war zu ermattet, um etwas einzuwenden. Einige Zeit darauf kehrte sie zurück und hielt ihm einmal mehr einen Becher an die Lippen.

Das Gebräu war bitter. Alaric hustete, aber sein Engel blieb hartnäckig und zwang ihn zu trinken. Er konnte schlucken oder ersticken.

Als der Becher leer war, ließ sie seinen Kopf wieder aufs Kissen sinken und fuhr ihm mit den Fingern über die Stirn.

„Schlaft nun, Krieger.“

„Bleib bei mir, Engel. Wenn du bei mir bist, tut es nicht so weh.“

Etwas raschelte leise, und dann streckte sie sich an seiner unversehrten Seite aus. Ihr Leib war weich und warm und hielt die Kälte fern, die ihm nun statt des Feuers zusetzte. Mit jedem Herzschlag fröstelte er mehr.

Der Duft seines Engels umgab ihn, und die Berührung linderte die quälenden Schmerzen. Abermals senkte sich Frieden auf ihn herab, und sein Atem ging ruhiger. Aye, sie war sein Engel, gekommen, ihn vor der Hölle zu bewahren.

Für den Fall, dass sie sich ihm zu entziehen trachtete, schlang er ihr einen Arm um den Leib und zog sie fester an sich. Er drehte den Kopf, bis ihr Haar ihn an der Nase kitzelte. Tief atmete er ein, ehe er sich der Dunkelheit ergab, die ihn mit sich fortriss.

Aye, sie war gefangen. Der Krieger hatte ihr einen Arm um die Taille gelegt und hielt sie fest. Sein Griff war dem einer Eisenzwinge gleich. Seit Stunden lag sie nun schon so da. Keeley hatte gehofft, dass sie sich lösen könnte, sobald er eingeschlafen wäre, aber noch immer presste er sie fest an sich.

Sie spürte jedes Beben seines Leibes, jeden Fieberschauer, der ihn überkam. Mehrmals murmelte er im Schlaf vor sich hin, und sie strich ihm über die Brust und streichelte sein Gesicht, in dem Bemühen, ihn zu beruhigen.

Dabei flüsterte sie Worte ohne jeden Sinn. Sie sprach sanft und tröstend, und jedes Mal schien er tatsächlich beschwichtigt und entspannte sich wieder.

Keeley legte den Kopf in seine Armbeuge und bettete eine Wange an seine breite Brust. Es war sündig, wie sehr sie es genoss, bei ihm zu liegen. Andererseits sah niemand sie, und Gott würde ihr gewiss vergeben, wenn sie diesem Mann nur das Leben rettete.

Sie schaute zum Fenster und verzog das Gesicht. Die Abenddämmerung brach herein, und mit jedem Atemzug wurde es kühler. Sie musste das Fenster verhängen und das Feuer schüren, wenn sie heute Nacht nicht frieren wollten.

Zudem war da noch das Pferd, sofern es sich nicht längst aus dem Staub gemacht hatte. Kaum etwas versetzte einen Mann so sehr in Rage wie die Vernachlässigung seines Reittiers. Vermutlich würde der Krieger ihr eher eine unzureichende Versorgung seiner Wunde nachsehen. Manche Dinge hatten für einen Mann eben Vorrang.

Sie seufzte bedauernd auf, als sie versuchte, sich seinem Griff zu entwinden. Das war kein eben leichtes Unterfangen, da er entschlossen schien, sie an seiner Seite zu halten.

Er runzelte im Schlaf die Stirn und murmelte etwas, das ihr die Schamesröte in die Wangen trieb. Letztlich gewann sie jedoch. Es gelang ihr, sich ihm zu entziehen und unter seinem Arm hindurchzuschlüpfen.

Sie stand auf, streckte sich, weil sie ganz steif war, und ging zum Fenster, um die hochgebundene Bespannung herunterzulassen und an den Seiten zu befestigen. Der Wind hatte aufgefrischt und pfiff durch das Reetdach. Es sollte sie wundern, wenn es nicht bald schneite.

Keeley griff sich ihren Umhang, wickelte sich fest hinein, trat nach draußen und blickte sich nach dem Pferd um. Erstaunt sah sie das Tier direkt vor dem Fenster stehen, so als habe es nach seinem Herrn schauen wollen.

Sie klopfte ihm den Hals. „Du bist zweifellos bessere Pflege gewöhnt, als ich dir angedeihen lassen kann, aber ich habe keinen Stall, in dem ich dich unterbringen könnte. Meinst du, du überstehst die Nacht hier draußen?“

Schnaubend stieß es den warmen Atem aus und hob und senkte den Kopf. Es war groß und kräftig und hatte sicherlich schon Ärgeres überstanden.

Sie tätschelte ihm noch einmal den Hals und holte einen Eimer Wasser, um es zu tränken. Anschließend sammelte sie Scheite fürs Feuer. Der Stapel schrumpfte zusehends. Morgen früh würde sie Holz hacken müssen.

Keeley zitterte, als der Wind sie beinahe mit sich riss und am Saum ihres Umhangs zerrte, als wollte er sie zu Fall bringen. Eilig trat sie in die Hütte und stapelte das Holz neben der Feuerstelle. Danach vergewisserte sie sich, dass Tür und Fenster verschlossen waren, und legte Scheite nach. Sie schürte die Glut, bis die Flammen hell aufloderten.

Ihr Magen knurrte und gemahnte sie daran, dass sie seit heute Morgen nichts mehr gegessen hatte, und das war noch vor Tagesanbruch gewesen. Sie gab sich mit Salzfisch und einem übrig gebliebenen Brotkanten zufrieden, setzte sich mit gekreuzten Beinen neben den schlafenden Krieger ans warme Feuer und aß.

Während sie geistesabwesend kaute, betrachtete sie ihn. Sein Gesicht war in den goldenen Schein der Flammen getaucht, und wieder einmal begann ihre rege Einbildungskraft, sich Dinge auszumalen. Angenehme Dinge. Keeley seufzte bei dem Gedanken daran, wie es wohl wäre, diesem Mann zu gehören. Sie stellte sich vor, wie es wäre, abends nach dem harten Tagewerk mit ihm gemeinsam zu essen. Wie es wäre, ihn nach einer Schlacht zu Hause willkommen zu heißen. Natürlich würde er siegreich heimkehren, und sie würde ihn wie einen Helden empfangen.

Er würde sich freuen, sie zu sehen, sie in die Arme schließen und sie küssen, bis sie keine Luft mehr bekam. Dann würde er ihr sagen, wie sehr er sie vermisst hätte und wie oft er an sie dachte, wenn er fort war.

Alte Erinnerungen stiegen in ihr auf. Sie lächelte leicht, und ihr wurde eng ums Herz. Als Rionna und sie noch Kinder gewesen waren, hatten sie von jenem Tag geträumt, da jede von ihnen einen Krieger heiraten würde. Dieser Traum war brutal zerstört worden, und mit ihm war auch die Freundschaft gestorben, die ihr so viel bedeutet hatte.

Keeley glaubte nicht, dass sie jemals einen Gemahl finden würde. Der McDonald-Clan behandelte sie wie eine Aussätzige, und weiter als bis zu dieser Kate hier war sie nie gekommen.

Doch dass ihr ein gut aussehender Krieger vor die Füße fiel, musste ein Zeichen sein, oder? Vielleicht war dies ihre große Chance. Vielleicht musste sie sich aber auch mit Tagträumen begnügen und ihn ziehen lassen, sobald er so weit wiederhergestellt war, dass er aufbrechen konnte. Was immer der Fall sein mochte – sie beschloss, ihre Schwelgereien zu genießen, selbst wenn sie töricht und pure Zeitverschwendung waren. Manchmal waren Illusionen alles, auf das sie sich stützen konnte.

Abermals lächelte sie. Er hatte sie einen Engel genannt. Er fand sie schön. Oh, das zeugte nur davon, dass sein Geist vom Fieber umnachtet war. Dennoch machte es sie ein wenig stolz, dass dieser stattliche Krieger ihr unbedingt einen Kuss hatte abringen wollen.

Sie berührte ihre Lippen und beschwor noch einmal die prickelnde Wärme herauf, die sein Mund ausgelöst hatte. Sie hatte nicht versucht, sich seiner Liebkosung zu entziehen, und womöglich machte sie dies zu ebender Hure, als die sie von den McDonalds gebrandmarkt worden war. Aber sie weigerte sich, deshalb ein schlechtes Gewissen zu haben. Es gab niemanden mehr, der etwas von ihr hielt, und daher konnte ihr Ansehen keinen weiteren Schaden nehmen.

So gesehen erschien ihre plötzliche Verruchtheit in einem gar nicht mehr so sündigen Lichte.

Wer würde es schon erfahren? Ein paar geraubte Küsse und mädchenhafte Träume taten niemandem weh. Sie war es leid, sich ständig selbst zur Vernunft zu rufen. Sie würde ihre Pflicht tun und den Krieger gesund pflegen, und wenn sie sich dabei den einen oder anderen Kuss stahl …

Keeley musterte den Mann, ehe sie entschied, dass sie am besten ein Auge auf seine Verfassung haben konnte, wenn sie genau dort schlief, wo sie zuvor gelegen hatte.

Vorsichtig hob sie seinen Arm, streckte sich aus und schmiegte sich an die Seite ihres Kriegers. Der umklammerte sie sogleich wieder und drehte den Kopf, als suchte er nach ihr.

„Engel“, raunte er, und das wärmte Keeley bis hinab in die Zehen.

Lächelnd drückte sie sich ein wenig enger an seinen warmen Leib. „Aye“, flüsterte sie. „Euer Engel ist wieder da.“

4. KAPITEL

Wie schnell aus dem Engel doch wieder ein Teufel geworden war. Den ganzen nächsten Tag über hatte das Fieber den Krieger in den Klauen. Er verfluchte sie als des Teufels Gespielin, die ihn in die Tiefen der Hölle zu zerren trachte, nur um sie gleich darauf wieder für den lieblichsten aller Engel zu halten.

Keeley war erschöpft und wusste nie, ob er versuchen würde, sie besinnungslos zu küssen, oder ob er sie so weit von sich schleudern würde, wie er nur konnte. Zum Glück war er durch Verletzung und Fieber so geschwächt, dass er nicht viel mehr vermochte, als um sich zu schlagen.

Er tat ihr leid, aufrichtig leid. Sie versuchte, ihn zu besänftigen, und wischte ihm die Stirn ab. Wieder und wieder raunte sie ihm beruhigende Worte zu, strich ihm übers Haar und küsste ihn auf die Schläfe. Offensichtlich gefielen ihm die Küsse.

Einmal wandte er den Kopf so, dass er ihre Lippen mit den seinen fing. Er küsste sie hungrig und verlangend und raubte ihr den Atem. Der Mann hatte einen herzhaften Appetit, was die Liebe anging, das stand fest. Wenn er sie nicht gerade verfluchte, verwendete er jeden Augenblick darauf, ihr mit seinen Küssen die Sinne schwinden zu lassen.

Im Laufe des Nachmittags goss sie von dem Wildbret-Eintopf, den sie zubereitet hatte, ein wenig Brühe ab. Ein dankbarer Empfänger ihrer Heilkunst hatte den Teil eines Rehs vor der Tür abgelegt. Keeley hatte sich sehr gefreut, denn von dem Fleisch würde sie tagelang satt werden, und köstlich war es obendrein.

Sie trug die Brühe in einer irdenen Schale zu ihrem Krieger, kniete sich neben ihn und machte sich an die mühevolle Aufgabe, ihm die warme Flüssigkeit einzuflößen.

Glücklicherweise war er gerade nicht in kampflustiger Stimmung, sondern hielt sie einmal mehr für den anmutigsten aller Engel. Er trank die Brühe, als sei sie himmlischer Nektar.

Als es an der Tür klopfte, hätte Keeley ihm die Suppe beinahe übers Kinn geschüttet. Vor Angst krampfte sich ihr Magen zusammen, und hastig sah sie sich um. Wo sollte sie den Krieger verstecken? Wie einen solchen Mann überhaupt verbergen? Er nahm ja beinahe den gesamten Boden ihrer Kate ein.

Sie stellte die Schale beiseite und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Stirn mit der stummen Bitte, er möge nicht ausgerechnet jetzt wieder anfangen, lästerliche Dinge auszustoßen. Schließlich erhob sie sich und eilte zum Eingang.

Keeley öffnete die Tür nur einen Spaltbreit und spähte hinaus. Die Sonne stand tief über dem Horizont und war beinahe hinter den fernen Bergen verschwunden. Der elende kalte Wind erfasste sie und ließ sie zittern.

Als sie sah, dass nur eine benachbarte Kleinbäuerin vor der Kate stand, atmete sie auf. Die Erleichterung verflog allerdings gleich wieder, als ihr das riesige Streitross neben ihrer Hütte einfiel.

Lächelnd trat sie nach draußen und schaute nach links und rechts, nur um stirnrunzelnd festzustellen, dass von dem Tier keine Spur zu sehen war. Wo war es hin? Der Krieger wäre alles andere als begeistert darüber, ein solch herrliches Pferd zu verlieren. Vielleicht war es gestohlen worden. Keeley hatte all ihre Aufmerksamkeit darauf gerichtet, den Verletzten zu versorgen.

„Tut mir leid, dich zu behelligen, Keeley, noch dazu an einem solch garstigen Tag“, setzte Jane McNab an.

Keeley rang sich ein Lächeln ab. „Das macht doch nichts. Aber du solltest auf Abstand bleiben. Ich bin krank.“

Jane riss die Augen auf und wich hastig einen Schritt zurück. Nun würde sie wenigstens nicht erwarten, hereingebeten zu werden.

„Ich wollte dich um etwas Salbe für Angus’ Brust bitten. Er hustet fürchterlich. Tut er jedes Mal, wenn das Wetter umschlägt.“

„Natürlich“, erwiderte Keeley. „Ich habe vor zwei Tagen neue Salbe zubereitet. Warte, ich hole etwas davon.“

Sie schlüpfte hinein und kramte in dem Winkel, in dem sie ihre Mixturen und Tränke aufbewahrte. Von der verlangten dicken Salbe hatte sie besonders viel hergestellt, da mehrere Leute von demselben Leiden wie Angus betroffen waren und sie regelmäßig brauchten. Keeley gab etwas davon in eine ihrer irdenen Schalen. Das sollte eine Woche reichen. Sie brachte das Gefäß nach draußen, wo Jane bibbernd in der Kälte wartete.

„Danke, Keeley. Ich werde dafür beten, dass es dir bald besser geht“, sagte Jane, drückte ihr eine Münze in die Hand und war davongeeilt, ehe Keeley etwas einwenden konnte.

Sie zuckte mit den Schultern und ging wieder hinein, wo sie die Münze in das Stück Leinen knotete, in dem sie ihre mageren Ersparnisse aufbewahrte. Der Winter nahte. Um sich Nahrung zu besorgen, würde sie alles Geld brauchen, das sie zusammenkratzen konnte.

Ihr Krieger schlief, wenn auch unruhig. Er zuckte und wand sich, aber wenigstens stieß er keine Verwünschungen mehr aus. Keeley seufzte erleichtert. Sie hatte das müde, kränkliche Aussehen nicht vortäuschen müssen, um Jane davon zu überzeugen, dass sie nicht wohlauf war. Sie war in der Tat entkräftet. Was gäbe sie nicht alles für eine geruhsame Nacht.

Sie kniete neben dem Krieger nieder und legte ihm prüfend die Hand auf die Stirn. Besorgt stellte sie fest, dass seine Haut trocken und heiß war. Sie spürte ihn erschauern.

Ein Blick zur Feuerstelle sagte ihr, dass sie noch einmal nach draußen gehen musste, um den Holzvorrat für die Nacht aufzustocken. Der Wind heulte und pfiff gegen die Tierhaut, mit der das Fenster bespannt war.

Abermals wickelte sie sich fest in ihren Umhang, um einen letzten Armvoll Holz zu holen. Besser, es gleich zu erledigen, damit sie den restlichen Abend in der Wärme ihrer Kate bleiben konnte.

Als sie vom Holzstapel zurückkehrte, hatte der Wind ihr den Umhang beinahe vom Leibe gezerrt. Sie schob sich durch die Tür und schloss sie eilig. Dann legte sie die Scheite ab und schürte das Feuer, bis die Flammen hochzüngelten.

Sie war hungrig, aber schlicht zu müde zum Essen. Sie wollte sich nur noch hinlegen und die Augen schließen. Mit einem Blick auf den Krieger fragte sie sich, ob sie ihn wohl dazu bringen konnte, einen Schlaftrunk zu sich zu nehmen.

Dass er sich wieder einmal heftig herumwarf, tat seiner Wunde nicht gut. Zudem würden sie beide kaum die dringend benötigte Ruhe finden, wenn er mit Gott weiß was für welchen Dämonen rang und sich dabei hin- und herwälzte.

Ob sie heute Nacht überhaupt zur Ruhe käme? Nachdem sie den Trank angemischt hatte, kniete sie sich neben den Krieger und schob ihm einen Arm unter den Nacken. Sie hievte seinen Oberkörper hoch, so weit sie es vermochte, und hielt dem Mann den Becher an die Lippen.

„Trinkt“, sagte sie besänftigend. „Ihr braucht Schlaf.“

Ebenso wie ich.

Gehorsam folgte er ihrer Anweisung und zog nur beim letzten Schluck eine Grimasse. Keeley atmete erleichtert aus und ließ ihn wieder hinunter auf das Kissen. Dann deckte sie ihn mit einem Fell zu und legte sich neben ihn, ihren Kopf wie zuvor an seinen Arm gebettet.

Als sie sich an ihn schmiegte, ließ sein Zittern nach. Er seufzte zufrieden, drehte sich zu ihr um, ohne die Augen aufzuschlagen, und schlang ihr einen Arm um die Taille. Sie spürte seine Hand über ihren Rücken gleiten und mit gespreizten Fingern zwischen ihren Schulterblättern verharren. Er zog sie an sich, sodass ihr Kopf in seiner Schulterbeuge zu liegen kam.

Ihr war, als loderten rings um sie her Flammen auf. Hitze drang ihr ins Fleisch, bis sie zu glühen meinte. Sie achtete darauf, nicht an seine verletzte Seite zu fassen, obgleich sie ihm gern ebenfalls besitzergreifend einen Arm um den Leib gelegt hätte. Stattdessen gab sie sich damit zufrieden, eine Hand auf seine Brust zu legen und seinen Herzschlag zu fühlen.

„Ihr seid schön, Krieger“, flüsterte sie. „Ich weiß nicht, woher Ihr kommt und ob Ihr Freund oder Feind seid, aber Ihr seid der schönste Mann, den ich je gesehen habe.“

Autor

Maya Banks
Die Nr.1-New York Times-Bestsellerautorin Maya Banks lebt mit ihrer Familie und einer ganzen Schar von Haustieren in Texas und ist ein echtes Südstaatenmädchen. Wenn sie nicht an einem ihrer packenden Romane schreibt, trifft man sie beim Jagen und Fischen oder beim Pokerspielen.
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