Dr. Zinetti bricht das Eis

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Stiefel statt Stilettos, Anorak statt Abendkleid: Meg ist eine Naturschönheit. Seit ihrer Trennung lebt sie allein für ihren Sohn und ihre Arbeit bei der Bergwacht. Bis Dr. Zinetti zum Team stößt - ein Italiener, dessen Anblick selbst Gletscher schmelzen lässt …


  • Erscheinungstag 04.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736224
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„D…du h…hast mich gef…funden. Mir ist so k…kalt, Meg. Muss ich st…sterben?“

Der Junge war bei dem wütenden Heulen des Windes kaum zu hören, und Megan spürte die eisige Kälte sogar durch ihre dick gefütterte Jacke.

„Du stirbst nicht, Harry. Und ich darf auch noch nicht sterben, weil ich meine Weihnachtseinkäufe noch nicht erledigt habe …“ Sie sprach lauter, damit er sie hören konnte und sich beruhigte. „Außerdem liegt in meinem Kühlschrank ein Stück verschimmelter Käse, das ich schon längst wegwerfen wollte. Wenn meine Mum das findet, bringt sie mich um. Also los, wir müssen so schnell wie möglich nach Hause!“

Megan öffnete ihren Rucksack und holte die Ausrüstung heraus, die sie brauchte. „Ich habe das Bergrettungsteam angerufen. Sie sind schon unterwegs, aber bis sie ankommen, bringe ich uns erst mal ins Warme.“ Als hätte er etwas dagegen, heulte der Wind noch lauter und erdrückte fast ihren Körper. Sie stützte sich mit einer behandschuhten Hand ab und schützte den Jungen mit ihrem Körper.

Hinter ihnen lagen schneebedeckte, zerklüftete Felsen, und neben ihnen fiel der Berg steil ab in eine tiefe Schlucht.

Megan zog den Kragen ihrer Jacke über den Mund und versuchte, zu Atem zu kommen. Eigensinnig ignorierte sie ihre nagenden Zweifel, ob es bei dem starken Wind überhaupt möglich wäre, den Jungen von dieser gefährlichen Stelle zu evakuieren.

Auf ihren Pfiff erschien Rambo, ein zum Rettungshund ausgebildeter Deutscher Schäferhund. Er trottete zu dem Jungen, setzte sich vor ihn und schützte ihn so vor dem eisigen Wind.

„So, Harry.“ Sie musste schreien, damit er sie überhaupt hörte. „Ich kann dir leider kein warmes Wohnzimmer mit knisterndem Kaminfeuer und geschmücktem Weihnachtsbaum bieten, aber das hier sollte seinen Zweck erfüllen.“ Sie ließ das tragbare Zelt, das sie aus ihrem Rucksack gezogen hatte, aufschnappen. Sofort verfing sich der Wind darin und riss sie beinahe mit. „Ver… ich muss wirklich mehr Schokolade essen.“ Megan zog mit aller Kraft und konnte das Zelt schließlich verankern. Schnell brachte sie den verletzten Jungen hinein. Als sie sich keuchend den Schnee aus dem Gesicht wischte, fragte sie: „Was hast du bloß gemacht, Harry? Du siehst aus wie ein Statist aus einem billigen Horrorfilm.“

Im schwindenden Licht konnte sie die tiefe Schnittwunde an seinem Kopf und die blauen Prellungen sehen.

Harry fasste mit einer blutigen Hand nach seiner Wunde. „Ist es schlimm?“

„Ich habe schon Schlimmeres gesehen.“

„Aber du arbeitest in der Notaufnahme, da ist das nicht unbedingt ein Trost.“

„Du wirst wieder gesund, Harry.“ Megan zog ihre Handschuhe aus und öffnete die Gurte ihres Rucksacks. „Morgen hast du garantiert Kopfschmerzen, aber nach ein paar Tagen Bettruhe ist das auskuriert.“ Sie ließ ihre Stimme sachlich klingen und achtete auf seine Reaktionen, auf Anzeichen von Verwirrung oder Orientierungslosigkeit als Ergebnis der Kopfverletzung. „Warst du bewusstlos?“

„I…ich glaube schon.“

„Weißt du, welcher Tag heute ist?“

„Sonntag“, murmelte er. „Und ich werde tierischen Ärger kriegen, weil ich in die Berge gegangen bin.“ Er schloss die Augen und lehnte sich an ihren Rucksack. „Du fragst mich ja gar nicht, was ich mir dabei gedacht habe, allein hier hochzugehen …“

Weil sie wusste, dass die Unterkühlung ihn schneller umbringen konnte als die Kopfverletzung, deckte Megan den Jungen mit allem zu, was sie hatte. „Das überlasse ich deiner Mum. Rambo und ich kümmern uns nur um die Rettung, nicht um die Erziehung.“

Als sie seine Mutter erwähnte, wurde Harry kreidebleich. „Sie macht sich bestimmt große Sorgen. Ich habe ihr gesagt, dass ich nur für eine Stunde rausgehe.“

„Solche Erlebnisse gehören für eine Mutter dazu.“ Megan untersuchte seine Kopfverletzung, machte ein Foto davon und bedeckte die Wunde dann mit einer sterilen Kompresse, die sie mit einem Verband fixierte.

„Warum fotografierst du mich?“

„Weil das Traumateam den Verband dann nicht entfernen muss, um sich die Verletzung anzusehen.“ Für den Fall, dass er gleich in den OP gebracht werden musste.

Der Wind drückte das Zelt gegen ihren Körper, und Megan lehnte sich gegen das Material, froh, dass sie wenigstens etwas vor dem tobenden Schneesturm geschützt waren. „Als Mum macht man sich immer Sorgen. Jemand vom Bergrettungsteam hat sie bestimmt angerufen und ihr gesagt, dass wir dich gefunden haben. Für deinen Kopf kann ich im Moment leider nicht mehr tun, daher kümmere ich mich jetzt um deinen Arm. Erzähl mir, was passiert ist, als du gefallen bist. Erinnerst du dich daran?“

„Ich bin ausgerutscht und in die Schlucht gefallen, dabei bin ich mit dem Kopf gegen einen Felsen geschlagen.“ Der Junge öffnete die Augen und sah sie benommen an. „Als ich aufgewacht bin, hatte ich Blut im Gesicht, und mein Handgelenk sah irgendwie seltsam aus. Ich konnte den Knochen sehen.“

Megan bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. „Das müssen wir in Ordnung bringen, so kannst du schließlich nicht rumlaufen – die Leute hätten ja Angst vor dir.“

Harry umklammerte ihren Arm mit seiner gesunden Hand. „Ich dachte, ich sterbe allein hier draußen. Als ich Rambos Bellen gehört habe, war ich so froh. Du bist so cool, Meg.“

Vorsichtig schob Megan den Ärmel seiner Jacke hoch, damit sie sich seine Verletzungen ansehen konnte.

„Ich weiß, dass dich das Bergrettungsteam Wolfsmädchen nennt, weil du und Rambo so ein gutes Team seid. Und du bist so fit …“ Er verstummte, und seine Augen fielen zu.

Alarmiert sah Megan auf. „Sprich mit mir, Harry! Erzähl mir, was du dir zu Weihnachten wünschst.“ War er bewusstlos? Hatte er …?

„Jetzt gerade?“ Er hielt seine Augen geschlossen, als koste es zu viel Kraft, sie zu öffnen. „In meinem Zimmer zu liegen. Ich habe das komische Gefühl, dass ich es nie wiedersehen werde.“

„Doch, das wirst du.“ Megan zog den Verbandskasten, den sie immer dabei hatte, aus ihrem Rucksack.

„Meg?“ Seine Stimme klang schwach.

„Ich bin hier.“

„Wir werden es nicht schaffen, oder? Sei ehrlich, ich bin jetzt dreizehn und kein Kind mehr.“

Immer noch ein Kind, dachte Megan mit einem Kloß im Hals. „Wir schaffen es, Harry. Das verspreche ich dir.“ Aber es würde nicht einfach werden. Sie sah auf sein schwer verletztes Handgelenk und seine geschwollene Gesichtshälfte, und ihr Herz zog sich zusammen. Sie machte noch ein Foto vom Handgelenk und schickte es schnell an ihre Kollegen in der Notaufnahme, bevor sie die Wunde mit einer sterilen Kompresse bedeckte und mit einem Verband fixierte. Draußen heulte der Wind, und plötzlich fühlte sie sich schrecklich allein. Was als entspannter Übungsspaziergang für sie und Rambo begonnen hatte, war plötzlich todernst geworden.

Wenn sie sich nicht entschlossen hätte, loszugehen …

Energisch schob sie den Gedanken beiseite, zog ihr Thermometer heraus und überprüfte Harrys Temperatur. Er kühlte aus, dabei hatte sie ihn mit allem zugedeckt, was sie hatte. Sie überlegte gerade, ob sie es riskieren konnte, ihm ihre Jacke zu geben, als Rambo bellte.

Megan war erleichtert. „Schau, Rambo sagt mir, dass Verstärkung angekommen ist. Halt noch ein paar Minuten durch, Harry, dann bekommst du etwas gegen die Schmerzen, und wir bringen dich ins Tal.“

Auf Händen und Knien rutschte sie zum Zelteingang und spähte nach draußen. Durch den wirbelnden Schnee sah sie kräftige Beine auf sich zukommen. Kurz darauf kniete sich ein Mann vor das Zelt, und sie sah in strahlende dunkle Augen, die ihr Herz zum Rasen brachten.

„Na, wenn das nicht unser Wolfsmädchen ist“, sagte der Mann gedehnt.

„Dino, Gott sei Dank bist du hier! Wo ist der Rest des Teams?“

„Ich fürchte, ich bin erst einmal alleine“, sagte er ruhig und nahm seinen Rucksack ab. „Aber Klasse ist doch besser als Masse, wobei du mit mir sogar beides bekommst.“ Er zwinkerte ihr verführerisch zu. „Was du brauchst, ist ein großer, starker Mann, und hier bin ich, also entspann dich, amore. Jetzt kümmere ich mich um alles.“

Megan sah ihn vernichtend an. „Ich bin nicht deine amore und werde es auch nie sein. Und ich brauche dich nicht, damit du dich um alles kümmerst. Ich habe es schließlich bis jetzt allein geschafft, während du wahrscheinlich mit einer dürren Blondine in einem teuren Restaurant essen warst.“

Mit einem aufreizenden Lächeln drängte er sich an ihr vorbei in das winzige Zelt. „Sie war brünett.“

„Dieses Zelt ist nicht groß genug für uns beide“, sagte Megan mit zusammengebissenen Zähnen, aber er ignorierte sie und ließ sich neben dem verletzten Jungen nieder. Seine breiten Schultern drückten gegen die dünne Zeltplane, und es blieb kaum Platz zum Atmen, aber ihn schien das nicht zu stören. Und im Augenblick war es ihr auch egal. Sie würde es zwar niemals zugeben, aber sie war wirklich froh, dass er gekommen war.

Dino Zinetti mochte unverschämt gut aussehen und sie in den Wahnsinn treiben, aber er war auch ein hervorragender Arzt und ein erfahrener Bergsteiger.

„Du hast dir für deinen Ausflug wirklich schönes Wetter ausgesucht, Harry.“ Seine Augen, die sie gerade noch verführerisch angesehen hatten, wirkten jetzt aufmerksam und konzentriert, sein herausforderndes Lächeln war einem beruhigenden gewichen. „Wie gut, dass Megan heute eine ihrer einsamen Wanderungen gemacht hat.“

Harrys Lippen verfärbten sich langsam blau.

Dino überprüfte schnell Puls, Pupillen und andere Reaktionen.

„Glaubst du, der Helikopter schafft es, oder ist das Wetter zu schlecht?“

„Warum willst du hier weg?“ Schmunzelnd wandte sich Dino Harrys gebrochenem Handgelenk zu. „Das hier ist doch der romantischste Ort, um die Nacht zu verbringen. Eine wunderschöne Frau allein mit zwei starken Männern?“

„Ein starker Mann. Ich glaube nicht, dass ich zähle.“ Harry lächelte müde. „Sie sind ziemlich cool, Dr. Zinetti. Wenn ich älter bin, möchte ich so werden wie Sie.“

„Glaub mir, das willst du nicht.“ Megan presste sich gegen das Zelt, um so viel Abstand wie möglich zu ihm zu schaffen. „Dr. Zinetti ist Italiener, nur darum kommt er mit seiner Machotour durch. Du hast diese Entschuldigung nicht.“

„Ich fühl mich nicht so gut …“ Harry fielen die Augen zu, und diesmal öffnete er sie nicht wieder.

Megans Herz zog sich zusammen. Statt darauf zu achten, Dino nicht zu nahe zu kommen, konzentrierte sie sich ganz auf Harry. „Er …“

„Tief durchatmen, Wolfsmädchen“, sagte Dino ruhig. „Im Rucksack habe ich eine Extrajacke und eine Rettungsdecke. Deck ihn damit zu. Seine Temperatur sinkt, und wir sollten vermeiden, dass er auch noch unterkühlt. Es wird Zeit, die Kavallerie zu rufen.“ Er griff in seine Tasche und zog ein Satellitentelefon heraus, während Megan die Stoffschichten um den verletzten Jungen feststeckte.

Dino sprach mit dem Rettungsteam und gab GPS-Koordinaten durch.

„Sie schicken einen Helikopter los.“ Dino runzelte die Stirn, als der Wind das Zelt gegen seinen Rücken drückte.

„Es ist zu stürmisch für den Helikopter.“

„Der Wind hat leicht nachgelassen. Sie wollen es versuchen, auch wenn es hier in der Schlucht nicht leicht wird.“ Er lächelte schief. „Hoffen wir, dass der Windenführer Herausforderungen mag. Kommt Rambo mit lauten Hubschraubern klar?“

„Natürlich. Er ist schon öfter damit geflogen als du.“ Besorgt sah Megan auf Harry, der immer blasser wurde. „Dino …“

„Ich weiß, ich sehe es auch. Er muss schleunigst ins Krankenhaus.“

In dem engen Zelt waren sich ihre Gesichter so nah, dass sie seine dichten Wimpern und den dunklen Bartschatten um sein Kinn sehen konnte. Er war so attraktiv, dass keine Frau an ihm vorbeigehen konnte, ohne ihn begehrlich anzusehen. Außer ihr natürlich. Entschlossen sah sie in die andere Richtung. Sobald sie ihn als attraktiven Mann wahrnehmen würde, wäre sie ernsthaft in Schwierigkeiten. Okay, er hatte umwerfend sexy Augen. Na und? „Fliegst du nicht im Helikopter mit?“

„Nein, ich bleibe bei dir, Wolfsmädchen.“ Plötzlich wirkten diese verführerischen Augen sehr ernst. „Was wolltest du hier oben, Meg? Ein Blizzard ist wohl kaum das passende Wetter für einen Abendspaziergang.“

„Der perfekte Abend für eine Wanderung.“ Megan machte sich erst gar nicht die Mühe, ihm zu erklären, dass sie das wilde Wetter mochte. „Wäre ich zu Hause geblieben, hätte ich Harry nicht gefunden. Ich wollte eigentlich nicht so weit hoch, aber Rambo hatte seine Fährte aufgenommen.“

„Du solltest zu Hause Plätzchen backen oder deine Nägel lackieren.“

Auch wenn sie wusste, dass er sie absichtlich aufzog, setzten ihr solche Bemerkungen immer noch zu. Megan verzog das Gesicht. „Da lasse ich mich lieber bei Windstärke neun von einer Brücke wehen. Aber ich erwarte gar nicht, dass du das verstehst. Die Frauen, mit denen du ausgehst, können ja nicht mal gleichzeitig gehen und blinzeln. Konnte die heutige Flamme wenigstens sprechen und essen?“

„Eifersüchtig, amore?“

„Nein. Lieber steche ich mir eine Gabel ins Auge, als mit dir romantisch essen zu gehen.“

„Ist das so? Du hast seltsame Anwandlungen, Meg Miller.“ Amüsiert sah Dino ihr in die Augen, bevor er sich wieder Harry zuwandte.

„Vielleicht sollten wir …“ Megan brach ab, als Dino ihren Arm berührte.

„Hörst du das? Windstille. Das muss das Sturmzentrum sein.“

Alles, was sie hörte, war das Rauschen des Blutes in ihren Ohren, aber das hatte bestimmt nichts mit seiner Berührung zu tun oder der Tatsache, dass sie sich nicht bewegen konnten, ohne den anderen zu streifen. Plötzlich bemerkte sie, dass das Zelt nicht mehr so heftig flatterte. „Ich kann den Helikopter hören.“ Sie riskierte einen Blick nach draußen und sah Lichter, die sich ihnen von oben näherten. „Sie müssen über der Schlucht schweben.“

Dino kroch aus dem Zelt, um der Helikopterbesatzung zu helfen, und Megans Blick verweilte auf seinen Schultern. Ich bin Sportlerin, sagte sie sich. Es ist nur natürlich, dass mir definierte Muskeln und eine kräftige Statur gefallen.

Als der Helikopter über ihnen schwebte, wirbelte der Abwind den frisch gefallenen Schnee auf und ließ das Zelt flattern. Eilig wurde der Windenführer aus dem Helikopter abgeseilt, und zu dritt schnallten sie Harry sicher auf der Trage fest. Dabei sicherten sie zusätzlich seinen Rücken und Hals. Während er hochgezogen wurde, hielt Dino das Führungsseil fest, um ein gefährliches Schwingen des Windenseils gegen die Wände der Schlucht zu verhindern. Sobald Harry sicher im Helikopter war, ließ die Besatzung das Führungsseil los und verschwand in der Dunkelheit.

Megan fühlte, wie ihr Adrenalinspiegel sank und sich Erleichterung breitmachte, darum kehrte sie ins Zelt zurück, setzte sich, atmete langsam und versuchte, nicht daran zu denken, was alles hätte passieren können.

Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Nur nebenbei bekam sie mit, dass Dino das Führungsseil eingesammelt hatte und jetzt wieder bei ihr im Zelt war. „Ich kenne Harry seit seiner Geburt. Früher habe ich immer geholfen, ihn zu baden.“

„So ein Glückspilz.“ Dino verstaute das Seil in seinem Rucksack und löste dann sanft ihre Hände von ihrem Gesicht. „Das hast du gut gemacht, Wolfsmädchen. Du hast ihm wahrscheinlich das Leben gerettet.“

„Ich lackiere mir vielleicht nicht die Nägel oder backe Plätzchen, aber ich habe auch ein paar Talente.“ Hatte das in Harrys Fall jedoch ausgereicht? Wenn sie ihn nun nicht schnell genug ins Krankenhaus bringen konnten? Jetzt drohte sie plötzlich die Angst zu überwältigen, die sie während der Rettungsaktion unterdrückt hatte. Am liebsten wollte sie sich an Dinos breite Brust schmiegen und einfach nur weinen. Es war ihr egal, dass er ein notorischer Herzensbrecher war und sie seinen Avancen seit Monaten auswich. Sie wollte diese starken Arme um sich spüren. „Dino …“

„Wie gut, dass ich hier bin, nicht? Ein schwaches, hilfloses Mädchen wie du braucht einen großen, starken Mann wie mich, der ihm aus der Patsche hilft.“

Sofort löste sich ihre Angst in Luft auf. „Glaubst du im Ernst, ich brauche deine Hilfe?“

, natürlich.“ Er begann seine Ausrüstung wieder im Rucksack zu verstauen. „Du bist zu klein und zart, um allein diesen Berg hinunterzulaufen. Der Wind hat zwar nachgelassen, aber das wird nicht lange anhalten. Du wärst nicht fit genug, umso schnell zu laufen, wie du musst. Wir bleiben die Nacht hier, und ich beschütze dich.“ Sein Mund verzog sich zu einem sinnlichen Lächeln. „Nur du und ich hier allein. So hatte ich mir unsere erste Nacht zusammen zwar nicht vorgestellt, aber ich bin flexibel. Hast du zufällig einen Mistelzweig dabei?“

Wut verdrängte die Sorge um Harry. „Wenn ich einen dabei hätte, würde ich dich mit den giftigen Beeren füttern. Ich bin nicht in Stimmung, Dino …“

Ohne Vorwarnung beugte er sich zu ihr, und für einen atemlosen Augenblick dachte sie, er würde sie küssen. Dunkel glitzerten seine Augen, und Megan fühlte etwas, das sie sonst nie zuließ. Als würde sie von einer unsichtbaren Kraft kontrolliert.

Abrupt kam sie wieder zur Vernunft und schob ihn entschieden von sich. „Was zum Teufel hast du vor?“

„Ich wollte dich in Stimmung bringen“, raunte er.

„Ich meinte, dass ich nicht in Stimmung bin für dein Flirten“, krächzte sie, „nichts anderes.“ Es beunruhigte sie, dass ihre Hände zitterten.

„Das hast du gemeint?“ Diese verführerischen Augen neckten sie. „Dann musst du dich deutlicher ausdrücken.“

Ihre Lippen prickelten, und ihr war heiß. „Tu das nie wieder, Zinetti!“

„Was?“ Lächelnd streichelte Dino ihre Wange. „Ich habe doch noch gar nichts gemacht. Aber vielleicht ist das ein günstiger Moment, um dir ein angewandtes Beispiel zu geben, wie man Unterkühlung vermeidet.“

Hastig rutschte Megan so weit von ihm weg, wie es das Zelt zuließ; zu aufgewühlt von ihrer Reaktion auf ihn, um sein kleines, zufriedenes Lächeln zu bemerken. „Bestimmt nicht! Selbst wenn wir die letzten Menschen auf diesem Planeten wären. Da sterbe ich lieber an Unterkühlung.“

„Wunderschöne Megan.“ Seine Stimme klang sanft. „Eine Frau wie du sollte einen Mann in ihrem Leben haben, aber du machst alles allein.“

„So gefällt es mir am besten.“

„Weil du Angst hast?“

„Dino!“ Mühsam beherrschte sich Megan. „Raus aus meinem Zelt. Ich will hier runter, und zwar jetzt. Ich halte es keine Minute länger mit einem süßholzraspelnden Italiener aus. Du bist schlimmer als das Wetter.“

Zu ihrer Überraschung widersprach er nicht, sondern half ihr, die Ausrüstung zusammenzupacken, bevor er die Lampe an seinem Helm einschaltete.

Megan war so wütend und aufgewühlt, dass sie den steilen Hang kaum wahrnahm. Dino blieb während des gesamten Abstiegs vor ihr, so hatte sie Zeit genug, seinen Rücken mit bösen Blicken zu durchbohren und Rachepläne zu schmieden. Vielleicht sollte sie ihn in eine peinliche Situation bringen, während all die Krankenschwestern da waren, die ihn so anhimmelten. Er brauchte dringend eine Lektion.

Sie stapfte und stolperte durch den tiefen Schnee und die Dunkelheit, Rambo zuverlässig an ihrer Seite.

Erst als sie das sichere Tal erreichten und ihr Adrenalinspiegel sank, wurde Megan klar, was Dino getan hatte.

Sie blieb kurz stehen und verfluchte sich insgeheim dafür, dass sie ihn nicht gleich durchschaut hatte.

Dino drehte sich mit gerunzelter Stirn zu ihr um. „Das ist kein guter Ort, um anzuhalten, Wolfsmädchen. Ist irgendwas?“

„Das hast du absichtlich gemacht, stimmt’s?“ Die Windböen rissen sie beinahe um. „Du hast mich wütend gemacht, du …“

Aufreizend lächelnd zuckte Dino die Schultern und ging weiter.

Megan sah ihm böse nach und kam sich unglaublich dumm vor. Es war nur ein Trick gewesen, damit sie sich nicht mehr um Harry sorgte. Schnell folgte sie ihm und holte ihn am Auto ein. „Manchmal machst du mich wirklich wahnsinnig, Dr. Zinetti.“

„Davon gehe ich aus. Brauchst du Hilfe mit dem Rucksack?“ Er nahm seinen eigenen ab und verstaute ihn im Kofferraum.

„Das schaffe ich allein“, fauchte sie. „Und ich komme auch auf einem Berg allein zurecht. Es gefällt mir nicht, dass du …“ Beinahe hätte sie gesagt, „dass du mich so durcheinanderbringst“, aber sie brach rechtzeitig ab. Er sollte schließlich nicht wissen, was der Gedanke, ihn zu küssen, in ihr auslöste.

„Du hättest fast geweint, Wolfsmädchen, und ich konnte da oben auf dem Berg keine hysterische Frau gebrauchen. Lieber habe ich mit zehn Schädelfrakturen zu tun als mit einer hysterischen Frau.“

„Ich war nicht hysterisch und hätte auch nicht geweint.“

„Du warst zittrig, und so schwach hätte ich dich nicht vom Berg herunterbekommen.“

„Schwach?“ Megan holte tief Luft, als ihr das Ausmaß seiner Manipulation klar wurde. „Du hattest nie vor, die Nacht dort oben zu verbringen …“

„Extremüberlebenstraining macht mir zwar Spaß“, er schloss den Kofferraum, „aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du hast nicht gerade viel Körperfett. Dich warmzuhalten, wäre nicht so einfach gewesen. Wo wir gerade davon sprechen, wir sollten aus dem Wind raus.“

Er hatte sie aufgestachelt, und dann hatte er beinahe … und sie hatte beinahe … „Ich hasse dich.“

„Nein, das tust du nicht.“ Er drängte sie gegen das Auto und stützte sich auf jeder Seite von ihr mit den Armen ab, sodass sie nicht entkommen konnte. „Du hast Angst vor dem, was du für mich empfindest, amore, und das verstehe ich, weil es so stark ist.“ Er streichelte mit seiner behandschuhten Hand über ihre Wange und betrachtete sie nachdenklich. „Interessant, oder? Das Wolfsmädchen, das nie einen Mann an sich heranlässt, spürt auf einmal die Chemie.“

Für einen Moment war Megan von seinen dunklen Augen wie hypnotisiert. „Nein, tut sie nicht. Das Letzte, was ich in meinem Leben brauche, ist ein südländischer Macho. Du bist nicht mein Typ und ich bestimmt nicht deiner.“

„Du kennst mich nicht gut genug, um das zu beurteilen.“

„Vielleicht möchte ich das auch gar nicht.“ Sie drückte mit den Händen gegen seine Brust, aber er rührte sich nicht. „Dino …“

Rambo knurrte leise, und Dino gab sie lächelnd frei.

„Ich werde mich hüten, zwischen das Wolfsmädchen und ihren Wolf zu kommen.“ Er sprach mit dem Hund leise auf Italienisch, und Megan fühlte, wie eine Horde Schmetterlinge durch ihren Magen flatterte. Sie würde es nie zugeben, aber seine Worte klangen unglaublich poetisch und sexy.

„Er beschützt mich.“

„Ich weiß. Er ist ein toller Hund. Aber vor mir musst du nicht beschützt werden. Ich bin nicht der Feind.“ Sanft streichelte er Rambos Kopf. „Er hat mich noch nie zuvor angeknurrt.“

„Du hast mich ja auch noch nie an ein Auto gedrückt.“ Sie versuchte nicht zu zeigen, wie verwirrt sie war. Obwohl er sie nicht mehr berührte, spürte sie seinen kräftigen Körper noch immer. „Ich wollte dich wegschieben, und du hast dich nicht bewegt, darum hat er dich gewarnt. Damit sind wir schon zwei.“

„Wird er zulassen, dass du mich mitnimmst? Mein Lamborghini steht vor deinem Cottage.“

„Du bist bei diesem Wetter mit dem Lamborghini gefahren?“ Megan warf einen Blick auf die mit Eis und Schnee bedeckte Straße, bevor sie ihn fassungslos ansah. Seine Augen schimmerten teuflisch, und sein Gesicht war im Mondlicht so atemberaubend attraktiv.

„Ich mag Herausforderungen genauso wie du.“

Und deshalb war er so gefährlich. „Am liebsten würde ich dich zu Fuß von hier nach Hause zu deiner Brünetten schicken. Die kalte Luft dürfte dir guttun.“

„Auf mich wartet niemand, Meg. Und abgesehen davon fahre ich ins Krankenhaus. Sie sind überlastet, und außerdem will ich nach Harry sehen.“

Gereizt atmete Megan aus. „So was macht mich echt wütend! Gerade will ich dir deine Oberflächlichkeit vor Augen führen, und da tust du etwas wirklich … wirklich …“, sie zuckte die Schultern, „Anständiges. Komm, steig ein, bevor ich meine Meinung ändere. Rambo, lass ihn leben. Er wird Harry helfen. Aber das ist auch der einzige Grund, warum du ihn nicht fressen darfst.“

Während sie ihren allradangetriebenen Wagen durch die engen Straßen zu ihrem Cottage lenkte, versuchte sie die Erinnerung daran zu verdrängen, dass er sie beinahe geküsst hätte. „Ich kann nicht glauben, dass du mit dem Lamborghini gefahren bist …“

„Ich war essen, erinnerst du dich? Mit einer Frau.“

„Also gehört der Lamborghini zur Zinetti-Verführungstechnik?“ Aus irgendeinem Grund störte sie das, und sie schaltete ruckartig. „Fallen Frauen wirklich auf so was rein?“

„Alle. Könntest du etwas langsamer fahren, bevor du uns beide umbringst?“

„Ich kenne diese Straße. Du scheinst dich mit ziemlich oberflächlichen Frauen zu treffen.“

„Ich tue mein Bestes. Du fährst zu schnell, Meg.“

„Und das sagt jemand, der einen Lamborghini und einen Ferrari besitzt. Fehlt nur noch, dass du so ein Chauvinist bist, der es nicht ertragen kann, von einer Frau gefahren zu werden.“

Dino klammerte sich an den Sitz. „Ich werde generell nicht gerne gefahren.“

„Weil du ein Kontrollfreak bist.“

, ich gebe zu, dass ich gern die Kontrolle habe.“ Amüsiert sah er zu ihr hinüber. „Ich bin gerne oben.“

„Das bestätigt nur, dass ich nicht dein Typ bin, weil ich auch gern oben bin.“ Megan gab Gas und genoss, wie er scharf Luft holte. „Zwei Kontrollfreaks sind das perfekte Rezept für eine Katastrophe.“

„Oder für explosive Leidenschaft. Wollen wir herausfinden, was von beidem eher zutrifft?“

Nur für einen Moment verlor sie die Konzentration und spürte, wie ihr Wagen auf dem Eis ins rutschen geriet. Sie lenkte gegen und hatte das Auto schnell wieder unter Kontrolle. „Das war lustig!“ Ihr Herz klopfte wild, und ihr Mund fühlte sich trocken an. „Zumindest bist du jetzt ruhig. Alles okay?“

Autor

Sarah Morgan

Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 18 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen. Manchmal sitzt Sie...

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Sarah Morgan

Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 18 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen. Manchmal sitzt Sie...

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