Ein aufregender Vorschlag

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Kyra ist am Ende ihrer Kräfte: Tagsüber arbeitet sie für einen Makler, abends in einem Restaurant. Sie muss die Schulden ihres Vaters abzahlen und für ihre geliebte Großmutter sorgen. Ihr neuer Chef, der attraktive James Redman, scheint die Lösung all ihrer Probleme parat zu haben. Er bittet sie, gegen gute Bezahlung für ein Jahr eine Vernunftehe mit ihm einzugehen. Dass sie bald ein ganz neues Problem haben wird, ahnt Kyra noch nicht …


  • Erscheinungstag 30.08.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753448
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Langsam und genussvoll steckte Kyra Symington den Löffel ins Eis, durch die geschlagene Sahne hindurch in die weiche Schokoladencreme hinein. Dann drehte sie ihn sachte herum und holte ihn wieder heraus mit einer Ladung der köstlichsten Mischung, die man sich vorstellen konnte. Ihre Diät war zu Ende, sie hatte zwölf Pfund abgenommen und die Wette gegen ihre Kolleginnen gewonnen. Das musste gefeiert werden!

„Oh je, so kriegst du alles sofort wieder drauf!“, warnte Chareen Wolf. Sie strich sich das goldblonde Haar hinter die Ohren und sah Kyra mit großen Augen zu. Sie und drei andere junge Frauen saßen am Angestelltentisch in der Cafeteria ihrer Firma und beobachteten, wie ihre Kollegin genussvoll das Eis aß und nicht mehr – wie sie – nur einen spartanisch angerichteten Kohlsalat.

Alle fünf hatten gemeinsam eine Diät gemacht. Chareen hatte dabei acht Pfund abgenommen, die rothaarige Gayle Smith dagegen drei Pfund zugenommen. Bei den anderen hatte sich nichts geändert. Also bestand kein Zweifel daran, dass Kyra die Siegerin war und sich den Eisbecher verdient hatte. Chareen konnte es trotzdem nicht lassen. „Das sind bestimmt tausend Kalorien!“

„Ich weiß“, sagte Kyra träumerisch und schaute auf den gefüllten Löffel. Die Schlagsahne war schneeweiß, das Vanilleeis sanftgelb, und die Karamellcreme goldbraun. Schon die Vorfreude war wunderbar, aber dann kam der schönste Moment: wenn das Ganze kühl im Mund zerging. Gut zu wissen, dass es Dinge im Leben gab, die einem immer gefallen würden! Kyra schaute ihre drei Kolleginnen an, die sie gespannt beobachteten, und legte noch einen drauf. „Mmmm“, machte sie genüsslich, und ihre Freundinnen waren sichtlich neidisch.

Sie schloss die Augen und legte den Kopf zurück, sodass ihr honigblondes Haar sich wie ein Fächer auf ihren Schultern ausbreitete. „Oh“, seufzte sie und übertrieb noch ein bisschen. „Ahh!“

Nun lachten alle.

Als sie wieder aufschaute, blickte sie direkt in die Augen des neuen Direktors der Abteilung „Spezialprojekte“, der im Türrahmen stand. Er hatte Kyras Stöhnen offenbar mitbekommen. Und seinem schiefen Lächeln konnte man entnehmen, dass er sich köstlich amüsierte.

„Oh je“, meinte Kyra verlegen.

Die Freundinnen hatten den Blickkontakt der beiden mitbekommen.

Als Mr. Redman sich nun einer Gruppe von Kollegen zuwandte und in den Essbereich der Vorstandsmitglieder ging, rief Chareen nervös: „Ach du meine Güte! Habt ihr sein Gesicht gesehen?“

Allen war das Ganze ein bisschen peinlich.

Kyra schwieg. Vor Scham war sie rot geworden. Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken.

„Wartet es nur ab, für den Auftritt bekommt sie eine Gehaltserhöhung!“, meinte dann eine der Freundinnen.

„Oder sie wird bestimmt befördert!“

„Oder Mr. Redman bittet sie darum, seine persönliche Assistentin zu werden, ha, ha!“

„Hey, Süße“, Gayle imitierte die tiefe Stimme eines Mannes, „helfen Sie mir doch mal beim Kopieren.“

„Dem würde ich bei allem helfen“, meinte Chareen schwärmerisch. Sie warf ihr helles Haar zurück und setzte sich in Pose. „Dazu könnte ich ihm gern ein paar Vorschläge machen.“

Alle schwatzten nun durcheinander, aber Kyra hörte es kaum. Sie war noch immer verwirrt. Seitdem der attraktive Mr. Redman vor ein paar Wochen aus der Filiale in Dallas zu ihnen gekommen war, hatte sie öfter an ihn denken müssen. Er war nicht zu übersehen. Sobald er irgendwo auftauchte oder den Flur entlang ging, weckte er das Interesse aller Frauen. Es war jedes Mal, als ginge ein Wind durch ein Weizenfeld. Aber gerade eben, als ihre Blicke sich getroffen hatten, war da so etwas wie ein besonderer Kick gewesen. Zumindest, was sie betraf!

Kyra seufzte. Ihm war vermutlich nichts weiter aufgefallen, wieso auch. Jede Frau im achten Stock war ganz wild auf ihn, was ihn jedoch vermutlich überhaupt nicht interessierte. Über ihre kleine Vorstellung hatte er nur gelacht. Nein, er hatte über sie gelacht! Das war nun wirklich kein Grund zur Freude! Mit düsterem Blick wendete sie sich wieder ihren Kolleginnen zu.

„Cheryl Pervis behauptet, er hätte sich um sie bemüht, als sie ihm beim Roberts-Bericht half“, behauptete Gayle.

„Wer, Mr. Redman?“, fragte Kyra, die sich bemühte, ihre Enttäuschung über die Mitteilung zu verbergen.

„Ach, Cheryl glaubt ja sogar, der Hauswart will was von ihr, wenn er sie bittet, ihre Beine zur Seite zu nehmen, damit er den Mülleimer unter ihrem Schreibtisch entfernen kann“, gab Chareen zu bedenken.

„Vielleicht“, bemerkte Gayle mit blitzenden Augen. „Aber der Mann ist ein Jagdhund. Habt ihr sein Lächeln gesehen? Ein Spieler, Mädels, das steht fest!“

Kyra starrte auf den Rest in ihrem Eisbecher, der zu schmelzen begann. So wie mein Leben dahinschmilzt, dachte sie. Es wäre doch schön, sich einzubilden, dass dieser Mr. Redman sich tatsächlich für sie interessierte. Das würde die langen Stunden, die sie im Büro zubrachte, ein wenig würzen. Aber so etwas passierte ihr nie. Die meisten Männer interessierten sich mehr für so kokette Frauen wie Chareen oder so elegante, wie Gayle eine war. Kyra war den meisten Männern zu ernst. Und das stimmte wohl auch.

So war es allerdings nicht immer gewesen. Als sie auf die Highschool ging, war sie ziemlich oft mit Jungen ausgegangen. Nicht dass sie zu den beliebtesten Mädchen zählte, das nicht, aber sie hatte immer viele Freunde gehabt und sich gut mit ihnen amüsiert, bei Partys und Picknicks und bei Kreuzfahrten nach Catalina. Im letzten Schuljahr hatte sie sich sogar eingebildet, richtig verliebt zu sein.

Gary war zärtlich und aufmerksam gewesen, und Kyra hatte sich so gefreut, mit ihm zusammen zu sein, dass ihr gar nicht aufgefallen war, dass sich immer nur alles um ihn drehte und nicht um sie. Sie hatten dasselbe College besucht und sich eine Weile gut verstanden. Und – das sah sie noch heute so – durch ihn war vieles in ihrem Leben leichter gewesen.

Aber das schien eine Ewigkeit her zu sein. Als sie im zweiten Semester war, kamen ihre Eltern durch einen Flugzeugabsturz in der kleinen Maschine ihres Vaters ums Leben. Seitdem hatte sich alles geändert. Damals war ihre Welt zusammengebrochen. Sie musste nicht nur mit dem furchtbaren persönlichen Verlust fertig werden, sondern außerdem entdeckte sie, dass ihr Vater ein heilloses finanzielles Durcheinander hinterlassen hatte. Dazu einen Berg Schulden, der durch die Lebensversicherung nicht annähernd gedeckt wurde.

Obendrein war die Beziehung mit Gary den Bach runtergegangen. Er wollte nicht mit derartigen Problemen konfrontiert werden, und nachdem das alles passiert war, verschwand er einfach. So erlebte Kyra, was es heißt, sich auf jemanden zu verlassen, wenn man in Not war …

Zum Glück gab es noch die Großeltern mütterlicherseits. Die hatten zwar kein Geld, aber umso mehr Liebe zu geben. Kyra zog zu ihnen, ging aufs dortige College und jobbte nebenbei, um zum Unterhalt beizutragen. Und um nach Möglichkeit sogar etwas von den Schulden des Vaters abzutragen.

Dann fand sie eine Stellung bei der TriTerraCorp, einem großen Immobilienunternehmen mit Projekten überall im Land, das sich auf die kalifornische Küste, auf Texas und auf Florida spezialisiert hatte. Die Bezahlung war nicht umwerfend, aber das Gebäude war modern, mit getönten Fensterscheiben und blankem Stahl, mit teppichbelegten Fluren und kleineren Zimmern statt der sonst üblichen Großraumbüros. Ein angenehmer Arbeitsplatz. Aber mit zwei Jobs blieb ihr wenig Zeit, um einen Mann kennenzulernen.

„Lass es uns wissen, falls Mr. Redman dich zu einem Privatgespräch bittet“, scherzte Chareen. „Bei mir ist es so lange her, dass sich mal ein Mann für mich interessiert hat, dass ich es schon toll finde, nur mal etwas davon zu hören.“

„Du brauchst doch kein männliches Interesse“, meinte Gayle. „Schließlich hast du zwei kleine Jungs zu Hause, das ist schon Glück genug.“

Gayles Stimme hatte sehnsüchtig geklungen. Sie hatte lange versucht, schwanger zu werden, aber ihr Mann war erheblich älter als sie und nicht mehr besonders gesund. Auch eine künstliche Befruchtung hatte nicht geholfen.

Dafür hatte Chareen Zwillinge, aber keinen Mann. Die beiden Jungen allein aufzuziehen war nicht gerade leicht. Kyra dachte plötzlich, dass sie eigentlich keinen Grund hatte, sich zu beklagen, auch wenn sie es nur heimlich tat. Andere hatten weit schwerwiegendere Probleme als sie!

Das Mittagessen war vorüber. Sie hatte den größten Teil der Eiscreme im Glas gelassen, obgleich die anderen sie deswegen neckten. Der Appetit war ihr jedoch schlagartig vergangen.

Als sie die Cafeteria verließ, entdeckte sie Mr. Redman, der gerade mit einer Gruppe Männer in die entgegengesetzte Richtung ging und Kyra nicht bemerkte. Aber beim Anblick seiner breiten Schultern kicherte sie unwillkürlich. Wie albern! Als wäre ich ein Teenager, schimpfte sie innerlich. Hoffentlich hatten die anderen es nicht mitbekommen!

An ihrem Schreibtisch machte sie sich an die Korrespondenz mit Klienten. Es gab einen Stapel Briefe zu beantworten. Abends musste sie pünktlich aufhören, da ihr Job im Restaurant um sechs Uhr begann und sie vorher noch kurz nach ihrer Großmutter schauen wollte. Acht Stunden bei der TriTerraCorp und dann noch vier Stunden im „Rusty Scupper“ – das war ein endlos langer Arbeitstag.

Da war kaum Zeit, über den neuen Chef der Spezialprojekte nachzudenken, selbst wenn er unglaublich attraktiv war.

Kyra seufzte und träumte dennoch einen Moment vor sich hin.

Mr. Redman war wirklich ein schönes Traumobjekt. Wie er wohl mit Vornamen hieß? Die meisten Vorstandsvorsitzenden waren dicklich, hatten eine beginnende Glatze und waren verheiratet. Redman dagegen war jung, sah aus wie ein Filmstar, und bei seinem Lächeln konnte einem schon mal die Seele flattern.

Es gab Gerüchte, dass er ein Herzensbrecher sei. Allerdings wusste niemand etwas Konkretes, keiner hatte ihn bislang mit einer Frau gesehen. Das förderte nur die Spekulationen und das Interesse an ihm.

Auch im Laufe des Abends musste Kyra noch immer an ihn denken, während sie im „Rusty Scupper“ Gäste zu ihrem Tisch führte. Wenn er hier erschiene, dann sicherlich mit einer Frau am Arm. Also war es besser, seine grünblauen Augen zu vergessen und sich auf die Arbeit zu konzentrieren.

Als sie am nächsten Tag in der TriTerraCorp aus dem Fahrstuhl stieg, schaute sie unwillkürlich in Richtung seines Büros – und ärgerte sich sogleich über diesen Unsinn. Das musste aufhören! Es gab wirklich keinen Grund für solche Gedanken.

Den Vormittag verbrachte sie mit Tabellenkalkulationen und war so beschäftigt, dass sie beinahe das Mittagessen verpasst hätte. Dann bemerkte sie auch noch, dass sie in einer Spalte einen Rechenfehler gemacht hatte, was bedeutete, dass sie wieder ganz von vorn beginnen musste. Deshalb war sie nicht bester Stimmung, als Chareen bei ihr stehen blieb.

„Kommst du mit zum Essen?“, wollte Chareen wissen.

„Ich weiß es noch nicht. Vielleicht hole ich mir nur etwas zum Knabbern.“

„Nein, das tust du nicht! Du hast diese Diät doch nicht gemacht, um gleich wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen, oder?“ Chareen klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. „Nun komm schon, ein paar Minuten wirst du doch wohl haben, damit du etwas Vernünftigeres zu essen bekommst als Süßigkeiten. Du brauchst sicher ohnehin eine Pause. Wenn man sich etwas erholt hat, läuft die Arbeit hinterher wieder umso besser.“

Kyra lächelte. „Du hast völlig recht, Chareen.“ Damit nahm sie ihre Handtasche und stand auf. „Lass uns gehen.“

In der Cafeteria stellten sie sich in die Schlange, stellten sich jeweils einen knackigen Salat auf ihre Tabletts und setzten sich zu den anderen an den Tisch. Die Möbel waren um einen offenen Kamin gruppiert, der im Winter angezündet wurde und im Sommer mit Pflanzen dekoriert war.

Sie aßen und schwatzten über dies und jenes. Es tut gut, sich mit den Freundinnen ein bisschen zu entspannen, dachte Kyra. Das waren schöne Momente. Freunde waren etwas Wichtiges. Wozu brauchte sie einen Mann?

Auf einmal jedoch tauchte „er“ wieder auf. Alle starrten zur Tür. Dieses Mal betrat er den Essraum der normalen Angestellten, der hohe Decken hatte und ein Büfett mit verschiedenen Essensangeboten, und kam direkt auf ihren Tisch zu!

Mit seinem teuren Anzug, dem weißen Hemd und den unglaublich blaugrünen Augen sah er tatsächlich fantastisch aus.

An dem Mann war irgendetwas, dass man sich einbilden konnte, ihn selbst aus der Ferne riechen und die Wärme seiner Haut spüren zu können, dachte Kyra.

Aller Augen waren auf ihn gerichtet, als er selbstbewusst zu ihnen kam, an ihrem Tisch stehen blieb und die Frauen der Reihe nach ansah.

„Hallo, meine Damen“, grüßte er. „Ich dachte, ich sollte mir auch mal diesen Teil der Cafeteria anschauen. Ich war noch nie hier.“

Chareen fand als Erste ihre Stimme wieder. „Nun ja, dann sind Sie ja genau da, wo Sie hin wollten.“

Er lächelte. „Stimmt.“ Er blickte in die Runde. „Mein Name ist James Redman, und Sie sind …?“

Da er in diesem Augenblick Chareen ansah, stellte sie sich zuerst vor. Dann folgten die anderen.

„Tracy Martin.“

„Gayle Smith.“

„Ann Marie Hope.“

„Kyra Symington.“ Kyra war die Letzte, und Redman schaute sie am längsten an und wiederholte leise ihren Namen. Es gab eine Pause, die irgendwie überbrückt werden musste. Also streckte Kyra ihre Hand aus. Er schüttelte sie und sagte ihren Namen ein weiteres Mal, als wolle er ihn sich gut einprägen.

Ihr klopfte das Herz. Was wollte er wohl? Schnell zog sie die Hand wieder zurück.

„Was essen Sie, einen Cesar-Salat?“, fragte er.

„Ja.“

„Und wie schmeckt er?“

„Hm, ganz gut.“ Sein Lächeln löste bei Kyra ein Prickeln auf der Haut aus. „Möchten Sie mal probieren?“, fragte sie plötzlich ganz spontan, ohne groß nachzudenken.

Die beiden sahen sich so lange an, dass ihre Freundinnen schon zu kichern begannen. Kyra hätte sie am liebsten zum Teufel gejagt. Das Ganze war so unwirklich und seltsam, und sie verstand gar nicht, was da eigentlich geschah.

„Nein, danke, jetzt nicht“, lehnte er ab. Sein Blick verunsicherte sie zutiefst. „Vielleicht ein anderes Mal.“

Er lächelte noch ein letztes Mal in die Runde, drehte sich um und ging in Richtung der anderen Welt, dahin, wo die höheren Angestellten und Manager aßen.

„Das habe ich doch geträumt, oder?“, meinte Chareen fassungslos. „Habt ihr gesehen, wie er Kyra angesehen hat? Diesen Blick?“

Kyra bewegte sich wie abwesend. „Ich glaube nicht, dass es etwas zu bedeuten hatte“, erklärte sie steif und pikste mit der Gabel in den Salat.

„Dann bist du blind! Das hatte sehr wohl etwas zu bedeuten, Schätzchen! Seine Blicke sprachen Bände!“

„Oh, Kyra“, meinte Ann Marie seufzend, wobei ihr das seidige schwarze Haar in die Stirn fiel, „er will was von dir, das steht fest.“

Kyra schüttelte den Kopf. „Nein, nein, das glaube ich nicht.“

„Ich wette zehn zu eins, dass er dich heute Nachmittag anruft.“

„Pass bloß auf“, unkte Chareen. „Wenn er dich in deinem Büro anruft, solltest du dein Tränengasspray zur Hand haben!“

„Unsinn“, schnurrte Gayle, „nimm lieber ein Negligé.“

Chareen lachte. „Also, ich nehme Wetten an. Ich denke, er wird versuchen, sie zu küssen.“

Gayle schnaubte. „Ich schätze, er legt sie auf den Schreibtisch und treibt es gleich dort ganz leidenschaftlich mit ihr.“

„Oh, je!“, meldete Ann Marie sich, „dann hat sie nachher alle Stifte an ihrer Bluse hängen. Ich tippe mehr auf den Teppich, der soll in seinem Büro ziemlich dick sein.“

Jetzt meldete sich Tracy zu Wort, die meist ruhiger war und sich aufs Zuhören beschränkte. „Ich glaube, er wird sich mit ihr verabreden wollen“, sagte sie leise.

Sie war jünger und zarter als die anderen. Mit ihrer sanften Art gelang es ihr manchmal, die zynischeren unter ihnen etwas zu bremsen. Alle schauten sie einen Moment lang an.

Nachdem sie kurz darüber nachgedacht hatte, widersprach Chareen: „Vorstandsmitglieder bitten schlichte Bürofrauen nie um eine Verabredung.“

Tracy hob das Kinn. „Warum sollte sie dann überhaupt etwas mit ihm zu tun haben wollen?“

Kyra gefiel dieser nüchterne Einwand. „Stimmt genau, wieso sollte ich.“

Alle stöhnten, aber Kyra gab Tracy recht. Entweder machte man etwas nach herkömmlichen Regeln, oder man ließ es besser ganz. Sie legte die Gabel auf den Teller und stand auf.

„Erinnert ihr euch an den Song ‚Respect‘?“ Kyra schnipste mit den Fingern und ging summend mit dem Tablett in Richtung Ablage. Von der Tür aus nickte sie ihren Freundinnen noch einmal fröhlich zu, dann verschwand sie.

Ihr Lächeln erstarb jedoch, sobald sie wieder an ihrem Schreibtisch saß und die falschen Zahlenreihen auf dem Bildschirm ihres Computers betrachtete. Außerdem lag in dem Eingangsfach schon wieder weitere Arbeit für sie. Keine Zeit, an attraktive Chefs zu denken, erst rief die Pflicht. Heute wollte sie pünktlich nach Hause gehen, zumal sie noch in der Apotheke ein Rezept einlösen und für Schwester O’Brien, die die Großmutter nachmittags betreute, einige Medikamente besorgen musste. Arbeit gab es immer, und manchmal schien der Berg geradezu unüberwindbar hoch zu sein.

„Zähne zusammenbeißen und die Ohren steif halten“, rief sie sich murmelnd zur Ordnung. Schließlich wusste sie, was sie zu tun hatte.

Eine Stunde später machte Chareen auf dem Weg zum Kopierer Halt bei Kyra, die endlich die Zahlenkolonne in Reih und Glied bekommen hatte.

„Na, Neuigkeiten von Mr. Wunderbar?“, wisperte sie pathetisch.

Kyra schaute sie düster an. „Neuigkeiten, Neuigkeiten. Es gibt hier genug zu tun, meine Liebe.“

Chareen zog eine der fein nachgezogenen Augenbrauen hoch. „Du kennst den Spruch: viel Arbeit, wenig Vergnügen. Nicht?“

„Aber Arbeit bringt schließlich Geld. Lass mich bitte allein, Chareen, ich bin ziemlich im Rückstand.“

Chareen ging. Der Gedanke ließ Kyra jedoch nicht los. Eigentlich konnte sich jemand wie dieser Redman gar nicht für sie interessieren, aber er hatte ihre Hand tatsächlich ausgesprochen lange festgehalten. Und er hatte ihren Namen wiederholt. Und sie angelächelt, als gäbe es sonst niemanden am Tisch! Hatte das vielleicht doch etwas zu bedeuten?

Na ja, und wenn schon. Auf die Annäherungsversuche eines Playboys würde sie ohnehin nicht reagieren. Chareen hatte recht. Die gehobenen Angestellten pflegten sich nie mit den einfachen abzugeben. Selbst wenn sie mal Interesse zeigten, ging es höchstens um Sex. Was sie ihren Freundinnen beim Mittagessen gesagt hatte, stimmte. Als Frau musste man Selbstachtung zeigen. Kyra hatte sich nie zum Spielobjekt gemacht, und das sollte auch so bleiben. Schließlich arbeitete sie hart genug, um sich über die Runden zu bringen. Für Träumereien über einen Chef hatte sie keine Zeit!

Dennoch – er hatte ihre Hand wirklich ziemlich lange gehalten.

Kyra war so in Gedanken, dass sie gar nicht bemerkte, dass ihre Vorgesetzte sich genähert hatte, bis sie direkt vorm Schreibtisch stand.

„Sagen Sie“, begann sie mit kühlem Blick, „ich wusste gar nicht, dass Sie an einer Versetzung zu den Spezialprojekten interessiert sind.“

„Wie bitte?“ Kyra schaute Alice Beals überrascht an. „Ich habe nicht um Versetzung gebeten!“

„Ach nein?“ Alice schaute skeptisch drein. „Wieso hat mich dann der neue Leiter der Abteilung gefragt, ob Sie abkömmlich seien?“

Kyras Wangen röteten sich. „Ich … weiß nicht … was hat er? Meinen Sie Mr. Redman?“

„Sollte es noch einen anderen Chef der Spezialprojekte geben, wäre mir das neu.“

„Nein, ich meine …“

„Ja genau, Mr. Redman. Seine Sekretärin hat mich angerufen und gefragt, ob Sie für ein großes Werbeprojekt, das dort in Planung ist, freigestellt werden könnten.“

Kyra klopfte das Herz. „Was sagen Sie da?“

Alice zuckte mit den Achseln. „Die Abteilungschefs bekommen immer, was sie wollen. Ich sagte, Sie würden bestimmt jederzeit den Griffel fallen lassen und sich dorthin versetzen lassen. Was für mich natürlich bedeutet, dass alle Termine durcheinander geraten und mir eine Arbeitskraft fehlt.“ Sie wirkte sehr ärgerlich. „Na, das Spiel kann ich auch spielen. Ich werde die Finanzabteilung bitten, mir Sharon Nishiyama auszuleihen, und behaupten, Mr. Hoover hätte darum gebeten.“ Bevor sie sich abwendete, blitzte es in ihren Augen zufrieden auf.

„Alice!“, rief Kyra ihr hinterher, „was soll ich denn tun?“

Alice schnaubte kurz. „Ihre Arbeit, was denn sonst! Es wurde ja nur danach gefragt, ob Sie eventuell verfügbar seien. Noch steht gar nichts fest.“

„Ach so.“ Kyra atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Kein Grund, sich schon den Kopf zu zerbrechen. In dieser Abteilung arbeitete sie seit zwei Jahren, und noch nie war etwas Derartiges passiert. Das Beste war sicher, das zu tun, wozu Alice geraten hatte: einfach weiterzuarbeiten.

Kyra zwang sich, wieder auf den Bildschirm zu sehen, aber sie bekam irgendwie nichts mehr mit. So war sie beinahe erleichtert, als eine junge Frau erschien und fragte: „Sind Sie Kyra Symington?“

Kyra kannte sie, es war Pam Haines, Mr. Redmans Assistentin. Ihr Puls beschleunigte sich erneut, und gleichzeitig war da ein Gefühl des Unausweichlichen.

„Ja, die bin ich.“ Unwillkürlich straffte sie sich und hob das Kinn.

„Mr. Redman bittet Sie, in sein Büro zu kommen, so gegen vier Uhr. Er möchte mit Ihnen etwas besprechen.“

Die junge Frau war so schnell verschwunden, dass Kyra keine Einzelheiten mehr erfragen konnte. Die scherzhaften Bemerkungen von Chareen und Gayle schwirrten ihr durch den Kopf. Das war natürlich Unsinn, aber dennoch. Wie er sie angelächelt hatte … Beim Gedanken daran wurde ihr der Mund ganz trocken.

Würde es länger als eine halbe Stunde dauern? Konnte sie ihm sagen, dass sie abends keine Zeit hatte, sich Gedanken über sein neues Projekt zu machen? Länger als nötig bei diesem Mann zu bleiben würde ohnehin problematisch werden. Musste sie sich womöglich auf einen aggressiven Flirt einstellen?

Nein, dachte sie, während sie die Aktenordner wegräumte, das glaube ich nicht. Vielleicht wollte er nur ihre Meinung zum Kantinenessen einholen. Oder sie sollte sich um ein Unterhaltungsprogramm für einen Betriebsausflug kümmern. Oder er brauchte jemanden, der sich am Wochenende um die Post kümmerte.

Was immer es war, den Rest des Tages konnte sie sich nicht mehr konzentrieren. Nervös betrachtete sie sich im Spiegel und holte ihr Make-up aus der Handtasche. In dem Moment fiel ihr ein, dass es falsch war, sich auch noch attraktiver zu machen, denn damit lüde sie ihn ja geradezu ein, sich an sie heranzumachen! Also zog sie den Reißverschluss des Kosmetiktäschchens wieder zu und beschloss, so zu bleiben, wie sie war.

Dennoch gelang es ihr nicht, weiterzuarbeiten. Es gab wohl nur zwei Möglichkeiten. Entweder würde er sie um etwas ganz Normales, Geschäftliches bitten, das sie akzeptieren oder ablehnen konnte, oder er würde versuchen, sie in eine romantische Situation zu bringen. Je mehr sie darüber nachdachte, umso wahrscheinlicher erschien ihr das Letztere. Aber wieso kam er gerade auf sie?

2. KAPITEL

James Redman balancierte einen Radiergummi auf einem Bleistift, beobachtete, wie es wackelte und auf den Mahagonischreibtisch fiel. Irgendwie musste er plötzlich über sein Leben nachdenken.

Sein Job gefiel ihm sehr. In letzter Zeit arbeitete er noch mehr als früher, um seine neue Stellung in der Filiale von TriTerraCorp an der Westküste zu festigen. Man hatte ihn aus Texas geholt, um die Vertragsabteilung zu übernehmen, aber es hatte ein ziemliches Durcheinander gegeben, sodass ihm zuerst nun die Spezialprojekte anvertraut worden waren, bis man die Dinge gesichtet hätte. Auch dort wollte er sich beweisen, und das bedeutete harte Arbeit.

Doch dran war er gewöhnt, denn seit seinem dreißigsten Geburtstag hatte sich seine Lust auf Ablenkung ziemlich gelegt.

„Das ist nur natürlich“, hatte Tante Jo gemeint, als er sich vor ein paar Monaten darüber bei ihr beklagte. „Es wird Zeit für dich zu heiraten. Für alles gibt es einen bestimmten Moment, und für dich ist unausweichlich der Moment der Familiengründung angesagt.“

Was für bedrohliche Perspektiven! James liebte Tante Jo sehr, aber es gab Dinge, die er nie tun würde, und dazu gehörte heiraten.

Seine Sprechanlage summte. Noch immer konnte er die verschiedenen Blinkzeichen und Summtöne nicht auseinander halten, sodass er sich lieber bei seiner Sekretärin erkundigte. Er drückte eine bestimmte Taste. „Was ist los, Pam?“

„Ein Anruf auf Leitung eins. Da ist eine junge Frau, die …“, Pam räusperte sich, „… Piccadilly oder so heißt, Sir. So hörte es sich jedenfalls an.“

„Piccadilly?“ James lächelte schief. „Ach, Sie meinen Pica Delay. Ja, die hat einen ziemlichen Dialekt drauf. Eine alte Freundin. Stellen Sie sie durch.“

Autor

Raye Morgan

Raye Morgan wuchs in so unterschiedlichen Ländern wie Holland, Guam und Kalifornien auf und verbrachte später einige Jahre in Washington, D.C. Jetzt lebt sie mit ihrem Mann, der Geologe und Informatiker ist, und zwei ihrer vier Söhne in Los Angeles. „Die beiden Jungen zu Hause halten mich immer auf dem...

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