Ein Geschenk des Himmels

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Was für ein Zufall! Als Clemmie ihren neuen Nachbarn kennenlernt, trifft es sie wie ein Blitz: Vor ihr steht Alec, der Mann, den sie einst über alles geliebt hat. Aber ist es wirklich nur ein Zufall? Oder hat ihr ein Weihnachtsengel den Mann ihrer Träume geschickt?


  • Erscheinungstag 28.11.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504706
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Dieser Junge musste unbedingt ihr Freund werden. Schon beim ersten Anblick von Alec Cutler war Clemmie sicher, dass er genau der Richtige war.

Nur ein winziges Hindernis stand dem Ganzen im Weg: Er war leider mit einer anderen zusammen.

Schlimmer noch. Obwohl er erst achtzehn Jahre alt war, schien es ihm ernst mit seiner Mitschülerin zu sein. Sehr, sehr ernst sogar. Alle behaupteten es.

Clemmie glaubte es trotzdem nicht. Wenigstens zunächst nicht. In dem Alter dachte niemand an die Ehe – so ernst konnte es also nicht sein, oder? Okay, man konnte sich mit achtzehn verlieben. Aber deshalb heiratete man normalerweise nicht. Wozu sollte das gut sein?

Und überhaupt, dachte Clemmie und starrte auf ihren Füllfederhalter. Alec konnte unmöglich in Alison Fleming verliebt sein, selbst wenn er das meinte. Es passte nicht zu Clemmies Lebensplan. Er sollte sich in sie verlieben, ebenso wie sie sich auf Anhieb in ihn verliebt hatte. An ihrem ersten Schultag, als er ihr die Tür aufgehalten und „Hi“ gesagt hatte. Winzige Fältchen hatten sich an den Winkeln seiner blaugrünen Augen gebildet, während er sie absolut umwerfend angelächelt hatte.

Es war, als sei sie verzaubert worden – es gab kein anderes Wort dafür. Leider hatte Alec bisher nicht erkannt, was für sie mehr als offensichtlich war: dass sie beide füreinander bestimmt waren. Doch das würde sich bald ändern.

Clemmie seufzte tief und blickte in das Lehrbuch, das geöffnet vor ihr lag. Sie langweilte sich, das war das Problem. Sie langweilte sich schon einen ganzen Monat, seit sie in die Oberstufe der Highschool von Ashfield gekommen war. Seit einem Monat versuchte sie, sich an das neue Haus, die neue Stadt, die neue Schule, den neuen Stiefvater zu gewöhnen …

Clemmie biss sich auf die Unterlippe und nahm den Füller in die Hand. Sie konnte sich jedoch nicht aufs Schreiben konzentrieren und legte ihn kurz darauf wieder hin. Gedankenverloren blickte sie aus dem Fenster zu den Rasenflächen und den Sportplätzen des Schulgeländes.

Es lag nicht daran, dass sie ihren Stiefvater nicht mochte. Im Gegenteil. Dan war ein guter Mann, der ihre Mutter aufrichtig liebte. Und ihre Mutter hatte diese Liebe verdient. Clemmies Vater war gestorben, als sie noch klein gewesen war. Deshalb hatte ihre Mutter hart kämpfen müssen, um sich und ihre Tochter durchzubringen. Der Grund war vielmehr …

Erneut seufzte Clemmie und band die Schleife an einem ihrer beiden dicken Zöpfe wieder fest. Mussten Alec und Alison sich die ganze Zeit so anschmachten? Noch dazu vor ihren Augen?

Nicht, dass sie sich pausenlos betatscht oder geküsst hätten. Doch manchmal sahen sie sich so an, wie ihre Mutter und Dan sich anschauten. In diesen Momenten hatte sie das Gefühl … nun, dass sie nicht im selben Haus mit den beiden sein sollte. Und schon gar nicht im selben Raum.

Die Schule war ganz in Ordnung, wie Clemmie ehrlich zugeben musste. Viel entspannter als die städtische Schule, auf die sie in London gegangen war. Sie hatte einen guten akademischen Ruf und war nicht allzu groß. Außerdem gab es dort zahlreiche Plätze, an denen man zur Mittagszeit herumbummeln und die Seele baumeln lassen konnte. Die anderen Mädchen ihres Jahrgangs waren recht nett. Auch die Jungen, dachte Clemmie und zuckte innerlich zusammen. Manche waren sogar sehr nett zu ihr.

Außer Alec Cutler natürlich.

Abgesehen davon, dass er ihr am ersten Schultag so umwerfend zugelächelt hatte, war er stets höflich und kühl geblieben.

Er war eine Klasse über ihr und der unbestrittene Star der Schule. Einer jener Jungen, die man am liebsten dafür hassen wollte, dass sie so vollkommen waren – und die man trotzdem heimlich seufzend beobachtete.

Alec liebte Sport und verabscheute Bücher, hatte aber dennoch als Bester seines Jahrgangs abgeschlossen. Nie zeigte er auch nur das geringste Anzeichen von Eitelkeit. Es schien ihm völlig egal zu sein, wie er aussah. Und dabei sah er immer fantastisch aus, ganz gleich, was er tat. Selbst verschmutzt und in viel zu kurzen Shorts zog er die schwärmerischen Blicke von ganzen Mädchenscharen auf sich. Von Schulmädchen, die normalerweise einen Fußball nicht von einem Rugbyball unterscheiden konnten.

Alec lebte auf der Farm seiner Eltern am Rand von Ashfield und arbeitete dort jedes Wochenende und die ganzen Ferien. Die harte körperliche Arbeit hatte ihn fitter und zäher gemacht als alle anderen Jungen seines Jahrgangs.

Clemmie war zu dem Schluss gekommen, dass er in jeder Beziehung wunderbar war. Nur einen einzigen dunklen Fleck gab es auf seiner weißen Weste: seine Freundin Alison Fleming.

Unauffällig hatte Clemmie versucht, so viel wie möglich über die beiden herauszufinden. Die Tatsachen sprachen für sich: Seit sechs Monaten ging Alec bereits mit Alison Fleming und hatte seitdem kein anderes weibliches Wesen mehr angesehen. Schlimmer war allerdings noch, dass Alison Fleming sehr hübsch war. Sie hatte helle türkisfarbene Augen und dichtes honigblondes Haar, das glänzend auf ihre Schultern fiel.

Clemmie tat alles in ihrer Macht Stehende, um Alec auf sich aufmerksam zu machen. Dabei legte sie eine Raffinesse an den Tag, von deren Existenz sie bisher nichts geahnt hatte. Für gewöhnlich gab sie sich in der Schule beschäftigt, bis sie ihn das Gebäude verlassen sah – mit oder ohne Alison.

Anschließend schlenderte sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite nach Hause. Ihr langes rotbraunes Haar flog dabei im Wind. Den kurzen Rock hatte sie an der Taille extra zweimal umgeschlagen, sodass ihre langen bestrumpften Beine zu sehen waren.

Außerdem trat sie dem Debattierklub der Schule bei, dessen Vorsitzender Alec war. Doch zu ihrem Kummer vergaß sie jedes Mal sofort ihre brillant zurechtgelegten Argumente, sobald er den Raum betrat. Stattdessen starrte sie ihn nur stumm an. Für eine Karriere, bei der sie öffentlich Reden halten müsste, empfahl sie sich dadurch gewiss nicht.

Während das Schuljahr sich unaufhaltsam dem Ende näherte, musste Clemmie sich allmählich eingestehen, dass ihre heiß ersehnte Liebesaffäre nicht stattfinden würde. Alec würde die Schule bald verlassen und auf die Universität gehen. Und zwar nicht allein, sondern gemeinsam mit Alison. Offensichtlich war er an keinem anderen Mädchen interessiert. Obwohl Clemmie schwören könnte, dass er sie manchmal – leider nur manchmal – aus seinen schönen blaugrünen Augen verstohlen musterte.

Alles hätte ein ruhiges Ende genommen, wenn am letzten Abend nicht der Sommerball stattgefunden hätte. Die Feier wurde zu Ehren der Schüler veranstaltet, die die Schule danach verlassen würden. Zunächst hatte Clemmie keine rechte Lust gehabt, daran teilzunehmen. Alec ein letztes Mal zu sehen und zu beobachten, wie er seine Arme um Alison legte, war ihr wie die reinste Folter vorgekommen.

Aber schließlich hatte ihre Mutter ein ernstes Wörtchen mit ihr geredet.

„Du musst dort hingehen, Clemmie“, hatte Hilary Powers gesagt und ihre Tochter dabei fest angesehen. „Ständig beklagst du dich, dass hier nichts los ist. Und jetzt schlägst du die Möglichkeit aus, zu einem richtig netten Fest zu gehen.“

Clemmie hatte nicht geantwortet. Was hätte sie sagen sollen? Dass sie sich Hals über Kopf in einen jungen Mann verliebt hatte, der nur Augen für eine andere hatte?

„Ich spendiere dir das Geld für ein neues Kleid“, hatte Dan lächelnd hinzugefügt. „Was hältst du davon?“

Dagegen war sie nicht angekommen. Daraufhin kaufte Clemmie sich ein neues, absolut hinreißendes Kleid, das der Fantasie aber wenig Spielraum ließ: Der schwarze glänzende Stoff umhüllte ihren Körper hauteng, sodass sie darunter nur ein winziges schwarzes Spitzenhöschen tragen konnte.

„Gefällt es dir?“, fragte sie ihre Mutter.

Mrs. Powers betrachtete ihre Tochter aufmerksam – das blasse Gesicht mit den vielen Sommersprossen und das dichte Haar, das wie rotbraune Seide auf ihre Schultern fiel. Offenbar fand sie sie einfach entzückend. Aber das Kleid? „Ich weiß nicht recht, mein Schatz. Es ist ein bisschen freizügig.“

„Vielen Dank, Mum!“, schimpfte Clemmie. „Du baust mein Selbstvertrauen wirklich auf!“ Was war bloß manchmal mit den Müttern los?

„Trägst du beim Ball einen BH darunter?“

„Das geht nicht. Den würde man sehen.“

„Dann leihe ich dir mein schwarzes Chiffontuch“, erklärte ihre Mutter bestimmt. „Leg es um deine Schultern. Das sieht zumindest etwas dezenter aus.“

Clemmie holte am Abend des Sommerballs ihre Mitschülerin Mary Adams ab. Die beiden Mädchen kicherten vor Aufregung, während Clemmie noch mehr Mascara auf ihre dunklen Wimpern auftrug. Sie war so nervös, dass sie ein Glas Wein aus Marys Kühlschrank trank und sich dann noch ein weiteres nahm.

Als sie auf dem Ball eintrafen, kam sie sich vor, als würde sie auf Wolken gehen. Sie tanzte mit jedem jungen Mann, der sie aufforderte.

Clemmie war viel zu ausgelassen und erregt, um etwas zu essen. Als ihr jemand ein Glas Fruchtpunsch reichte, stürzte sie es hinunter. Angestrengt versuchte sie, nicht zu Alison Fleming hinüberzusehen, die zurückhaltend in Weiß gekleidet war.

Alec schien der einzige richtige Mann im Saal zu sein. Seine Größe, seine breiten Schultern, sein ganzes Verhalten verliehen ihm eine Ausstrahlung, neben der Clemmie alle anderen wie Pappfiguren vorkamen.

Auf dem Rückweg von den Toiletten lief sie ein bisschen unsicher den Korridor entlang, als sie plötzlich Alec entdeckte.

Reglos stand er mit dem Rücken zu ihr am Fenster eines leeren, unbeleuchteten Klassenzimmers. Seines alten Klassenzimmers …

Sehnsüchtig holte Clemmie tief Luft. Sie sollte schweigend weitergehen. Alec interessierte sich nicht für sie. Er hatte eine Freundin.

Aber der Wein und der Punsch hatten ihre Zunge gelockert. Und dies war vermutlich das letzte Mal, dass sie Alec begegnen würde.

„Hi“, sagte sie beherzt und blieb auf dem hell erleuchteten Korridor stehen.

Langsam drehte Alec sich um. Dabei ließ er seinen Blick in einer Weise über ihren Körper gleiten, die sie nicht recht deuten konnte. Falls es ihn überraschte, sie zu sehen, ließ er es sich nicht anmerken. Allerdings stand ihm selten ins Gesicht geschrieben, was in ihm vorging. Und in diesem Moment konnte Clemmie sich sowieso nicht darauf konzentrieren, über seine Miene nachzudenken.

„Hi“, erwiderte er kühl.

Clemmie schluckte, ging zu ihm und trat neben ihn ans Fenster, durch das sie die Tennisplätze und das Fußballfeld dahinter erkennen konnte. Wie wird es hier im nächsten Schuljahr sein?, überlegte sie. Ohne Alec Cutler sehen zu können und der Fantasie freien Lauf zu lassen … Nein, daran wollte sie jetzt lieber nicht denken.

„Was beobachtest du da?“, fragte sie und spähte ebenfalls hinaus, als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.

Leise lachend schüttelte er den Kopf. „Gar nichts.“

Clemmie wurde mutiger. „O doch, du hast etwas beobachtet“, widersprach sie fröhlich. „Ich habe es genau gesehen.“ In Alecs Gegenwart war sie beinahe so aufgekratzt wie ein junger Hund.

Mit leichtem Widerwillen lächelte er. „Also gut“, gab er zu. „Ich habe das alte Haus dort drüben betrachtet. Siehst du es?“

Sie folgte seinem Blick. Doch sie wusste bereits, wovon er sprach: von dem baufälligen Gebäude hoch über der Stadt. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus konnte sie es sehen. Der Rasen musste dringend gemäht werden, und das Unkraut wucherte in den Blumenbeeten. Im Herbst würden die Äpfel und Birnen von den Bäumen fallen und unbeachtet auf dem Boden verrotten. Ein trauriges Haus, hatte sie schon oft gedacht. Ein vernachlässigtes Haus.

„Du meinst das alte graue Haus? Spukt es darin nicht?“

Alec schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht an solche Dinge. Es wirkt bloß so unheimlich, weil dort seit Jahren kein Mensch mehr wohnt.“

„Mich würde interessieren, weshalb nicht“, sagte sie.

Nachdenklich schaute Alec sie an. Es erschien ihm unwahrscheinlich leicht, sich mit Clemmie zu unterhalten. Andererseits spürte er dabei eine unbekannte Gefahr, die in der Luft lag. „Weil es sehr groß ist. Und total heruntergekommen. Man braucht eine Menge Geld, um es zu renovieren und anschließend instand zu halten. Und Leute mit so viel Geld wollen normalerweise nicht in einer Kleinstadt wie Ashfield leben.“

„Aber du würdest gern hier leben?“, fragte sie einfühlsam.

Er zuckte mit den Schultern. „Möglicherweise.“

Einen Moment trat eine tiefe Stille ein, in der Clemmie ihr eigenes Herz in der Brust schlagen hörte. Verstohlen betrachtete sie Alecs Gesicht. „Bist du traurig?“, erkundigte sie sich leise.

Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. Anscheinend war er es nicht gewohnt, nach seinen Gefühlen befragt zu werden. „Traurig?“

„Weil du gehst.“ Sie merkte, dass er ihr nicht mehr in die Augen blickte, sondern eindringlich ihr hautenges schwarzes Seidenkleid musterte. Ein Muskel zuckte in seiner rechten Wange.

Nach einer kurzen Pause erklärte er: „Ein bisschen. Wenn man ein Kapitel seines Lebens abschließt, wird ja jeder etwas sentimental.“ Er lachte leise und wandte sich abrupt ab. Aber nicht für lange. Kurz darauf sah er sie wieder intensiv an, und Clemmie fühlte sich wie magisch angezogen von dem kühlen, beinahe etwas spöttischen Ausdruck in seinen Augen. „Obwohl … Nostalgisch wäre vielleicht das passendere Wort.“

„Ja.“ Geistesabwesend strich Clemmie sich durchs Haar, sodass es in weichen Wellen über ihre Brüste unter der straffen Seide floss. Sie war leicht beschwipst, aber schwindelig fühlte sie sich vor allem vor Sehnsucht. Angestrengt suchte sie nach einer interessanten, originellen Bemerkung. Doch ihr fiel nichts ein. „Tut es dir leid, dass du Ashfield verlassen musst?“ Rücklings lehnte sie sich gegen eine Schulbank und lächelte Alec an.

Ihre unerwartete Bewegung und ihr einladender Blick verwirrten Alec vollkommen. Unwillkürlich betrachtete er den sanft glänzenden Stoff ihres Kleides, unter dem sich ihre Brüste wölbten. Mit einem Mal durchzuckte ihn heftiges Verlangen. „Natürlich tut es mir leid“, sagte er mit einer Stimme, die er kaum als die eigene erkannte. „Mir wird eine ganze Menge von hier fehlen.“

Ihm so nahe zu sein, machte Clemmie glücklich. Sie freute sich über die unübersehbare Anerkennung in seinem Gesicht. Mit verheißungsvollem Unterton schnurrte sie: „Und was wird dir am meisten fehlen?“

Als Clemmie sich auf der Tischplatte weiter nach hinten beugte, spürte Alec, wie sich seine Muskeln anspannten. Ihr Kleid verbarg sehr wenig – ebenso gut hätte sie nackt sein können. Das Oberteil ihres Kleides spannte über ihren üppigen Brüsten. Die zarte Seide umschmiegte ihren Körper wie eine zweite Haut. Eine Ausnahme bildete das aufreizend winzige Höschen, dessen Umrisse er deutlich erkannte.

„Nun, du wirst mir zum Beispiel fehlen“, flüsterte er ziemlich heiser.

Clemmies dunkle Augen wurden noch größer. Ihre Überraschung war kein bisschen gespielt. „Wirklich?“

„Ja, natürlich.“

„Und ich dachte, du hättest mich nicht einmal bemerkt“, erklärte sie aufrichtig.

Er lachte ein wenig schuldbewusst, als ihm klar wurde, dass die Erinnerung an Alison zu verblassen begann. „Wie sollte das möglich sein?“, fragte er nach kurzem Zögern. „Na, hör mal. Man müsste blind sein, um solch ein hübsches Mädchen wie dich nicht zu bemerken.“

Seine Miene bei diesen Worten sagte alles.

Clemmie erkannte, wie er innerlich mit sich kämpfte. Aber sie war zu gefangen von ihrer eigenen Leidenschaft, um sich auf seinen inneren Kampf konzentrieren zu können. Zu sehr geschmeichelt von dem Ausdruck auf Alecs Gesicht.

Von diesem Ausdruck hatte sie geträumt, Nacht für Nacht. Doch nie hätte sie geglaubt, dass er ihn ihr eines Tages zeigen würde. Getrieben von einem unbändigen Begehren, legte sie sich hin.

Sie hob die Hände und bettete ihren Kopf darauf – eine Bewegung, die ihre Brüste noch stärker betonte. „Du sagst sehr nette Dinge“, meinte sie lächelnd.

Alec war entsetzt über sein eigenes Verhalten. Andererseits sah er keinen Grund, sich zurückzuhalten. Er trat einen Schritt vor. Weshalb sollte er Clemmie nicht geben, was sie eindeutig wollte? Was er ebenfalls eindeutig wollte? „Wirklich?“, murmelte er. „Ich sage nicht nur sehr nette Dinge, Clemmie. Ich tue sie auch …“ Langsam senkte er den Kopf.

Einen kurzen Moment überlegte Clemmie, ob seine Worte tatsächlich fast warnend geklungen hatten, oder ob sie sich das nur eingebildet hatte. Aber dann nahm Alec Besitz von ihren Lippen. Hitze durchströmte sie, und es war, als wäre eine Fackel entzündet worden.

Dabei ging er nicht so zärtlich und sachte vor wie der Alec in ihren Träumen. Stattdessen nahm er sie entschlossen in seine Arme, küsste sie unerwartet leidenschaftlich und unglaublich sinnlich. Eigentlich hätte Clemmie entrüstet sein müssen. Doch sie erwiderte seinen Kuss, als hätte sie verzweifelt auf diesen Augenblick gewartet.

Alec zog sie näher an sich – so nahe, dass sich ihre Brüste gegen ihn drängten. Als er ihre festen Knospen an seinem Oberkörper spürte, konnte er einfach nicht anders: Federleicht strich er über ihre aufgerichteten Spitzen und war dabei jederzeit darauf gefasst, eine schallende Ohrfeige zu erhalten. Clemmie tat allerdings nichts dergleichen.

Sie konnte es nicht. Allein bei Alecs Berührung konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen und wollte sich voll und ganz ihren Empfindungen hingeben. Aber sie wusste, dass sie das nicht zulassen durfte. Dass sie Alec eigentlich zurückweisen sollte. Dennoch durchzuckte sie eine fast übermächtige Lust, sobald er ihre Brüste berührte.

Der Wein, ihre Sehnsucht und die Gefühle, die sie seit ihrer ersten Begegnung für Alec hegte: Alles wirbelte durcheinander und verband sich wie in einem Strudel, der sie mit sich zu reißen drohte, untrennbar miteinander.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, drängte Alec nun sein Knie zwischen ihre Schenkel. Er schob die Finger unter ihr seidiges Oberteil, strich über die nackte Haut und umkreiste schließlich ihre festen Knospen.

„Clemmie“, stöhnte er an ihrem Mund.

„W…was ist?“

„Meine Güte, du bist so wunderschön“, stieß er hervor.

Sie legte den Kopf in den Nacken, als er ihren Hals liebkoste. „Nein, ich bin n…nicht …“

„Du bist wunderschön“, widersprach er ihr. „Und ich begehre dich. Weißt du das? Ich begehre dich so sehr.“

„Ich begehre dich auch“, gab sie zurück. Obwohl seine Worte sie verwunderten, vergrub sie ihre Hände in seinem dichten dunklen Haar.

Alec ließ eine Hand zu ihrem wohlgeformten Po hinabgleiten und umschloss ihn stöhnend. Als er gerade den seidigen Stoff hinaufschieben wollte, ertönten plötzlich die raschen Schritte einer dritten Person. Im nächsten Moment durchflutete helles Licht den Raum.

Abrupt lösten sich Alec und Clemmie voneinander – und entdeckten den Physiklehrer am Lichtschalter. Hinter ihm hatte sich die halbe zehnte Klasse versammelt. Einige Schüler kicherten.

„Guten Abend, Cutler“, sagte der Lehrer mit versteinerter Miene. „Würden Sie und Miss Powers bitte zu mir ins Büro kommen? Mir scheint, wir müssen uns dringend unterhalten.“

Clemmie sah Alec an, und für den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke. Dabei bemerkte sie die unmissverständlichen Anzeichen von Verachtung und Selbstvorwürfen in seinem Gesicht.

In diesem Moment begriff sie, weshalb Mütter ihre Töchter stets davor warnten, zu leichtfertig zu sein. Sie hätte alles dafür getan, um diesen feindseligen Ausdruck aus Alecs schönen Augen zu vertreiben.

Autor

Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

Sharon träumte davon, Journalistin zu werden, doch...
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