Ein Playboy zum Verlieben?

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Playboy Declan Masterson muss sich schnellstens ein seriöses Image zulegen – sonst verliert er sein Erbe. Eine Segelregatta für wohltätige Zwecke, auf der er sich mit Charlotte ein Boot teilt, scheint die perfekte Gelegenheit zu sein! Charlotte hat so gar nichts mit ihm gemeinsam: Sie stammt aus einer angesehenen Familie, kleidet sich zurückhaltend und benimmt sich nie daneben. Doch als sie Schiffbruch erleiden und in einer kleinen Hütte festsitzen, entdeckt Declan, dass Gegensätze sich auch anziehen können ...


  • Erscheinungstag 15.08.2023
  • Bandnummer 2303
  • ISBN / Artikelnummer 0803232303
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

„Du hast drei Monate, um zu beweisen, dass du ein echter Masterson bist, sonst bist du raus.“

Declan Masterson scheute eigentlich keine Herausforderung, nun wurde ihm aber doch flau.

Vor vielen Jahren hatte J. J. Masterson, einer der ganz Großen im Filmbusiness, ihn und seinen Bruder Nash adoptiert und aus einer Pflegefamilie in die schillernde Welt von Hollywood verpflanzt. Diesen Makel in seiner Abstammung schlug J. J. ihm regelmäßig um die Ohren, wenn Declan mal wieder den hohen Ansprüchen seines Vaters nicht genügte. Als Reaktion auf solche Kritik stürzte Declan sich genauso regelmäßig direkt ins nächste Abenteuer. Bis vor Kurzem, denn da J. J. ihn endlich offiziell zum Thronfolger ernennen wollte, hatte er Besserung gelobt.

„Was genau heißt ‚raus‘?“ Obwohl er vermeintlich entspannt dasaß, ließ Declan seinen Vater nicht aus den Augen. J. J.s lässiges Auftreten, ohne Sakko, die Ärmel des weißen Hemds hochgekrempelt, täuschte darüber hinweg, wie fatal es wäre, den Mann zu unterschätzen. Diesen Fehler machte keiner ein zweites Mal.

„Gefeuert. Nicht mehr kommissarischer Geschäftsführer von Masterson Entertainment. Ich habe einen potenziellen Käufer – und der hat keine Verwendung für dich.“

Declans Kiefer mahlten. Zwei Jahre lang hatte er sich nun schon unter J. J.s Knute abgerackert für die Chance, in naher Zukunft die Firmenleitung zu übernehmen, eigene Projekte anzustoßen und Filme zu produzieren, die etwas bewirkten. Sein Vater hatte ihm nichts geschenkt. Seiner Ansicht nach verdiente man sich etwas oder ließ es bleiben, also hatte Declan das Filmemachen von der Pike auf gelernt. Und jetzt sollte ihm all das genommen werden? Nur weil er kein echter Masterson war?

„Ich habe unseren Gewinn verdreifacht“, bemerkte er. „Ich bin gut in dem Job, das weißt du genau.“

Masterson Entertainment unterstützte große Filmstudios bei der Finanzierung ihrer Produktionen. Wenn Declan ausstieg und mit dem Vermögen, das er als Schauspieler verdient hatte, sein eigenes Filmstudio gründete, musste er Projekte aufgeben, die ihm am Herzen lagen, und bei null anfangen. Doch eine Null wollte er nie wieder sein, das hatte er sich geschworen.

J. J. warf ihm einen ungehaltenen Blick zu. „Mit deinen Dummheiten hast du den Namen Masterson ins Lächerliche gezogen. Allein in den letzten zwei Jahren bist du ungesichert aufs höchste Kasino in Las Vegas geklettert, hast an diesem wahnwitzigen Downhill-Radmarathon in den Alpen teilgenommen und musstest mit Weißen Haien tauchen.“

Dass er gleichzeitig ein Unternehmen geleitet und im vergangenen Jahr einen Mega-Blockbuster gedreht hatte, zählte nicht angesichts seines Rufs als Partyprinz des Filmbusiness.

Allerdings konnte Declan nicht einmal sich selbst die Rastlosigkeit erklären, die ihn immer wieder dazu trieb, sich in halsbrecherische Abenteuer zu stürzen. Im Rahmen seines Berufs – er zählte zu den bestbezahlten Actiondarstellern in Hollywood – konnte er sich zwar weitgehend austoben, weil er sich aber nicht ständig am Set aufhielt, ging er nebenbei klettern, Extrem-Ski fahren und bestritt spektakuläre Rennen. Je waghalsiger, umso lieber. Er hatte erfolgreich an ein paar der härtesten Segelregatten der Welt teilgenommen und galt als ernstzunehmende Konkurrenz. Und wenn er mal nicht um den Sieg bei einem Rennen, um einen Filmvertrag oder einen Geschäftsabschluss kämpfte, gab es ja auch noch Frauen.

„In Maßen wäre das ja in Ordnung“, fuhr J. J. fort. „Aber du musst aus allem ein Spektakel machen, mit bescheuerten Wetten, Frauen und Kameras, immer vor Kameras. Der Heiratsantrag, den du dieser Schauspielerin gemacht hast. Für den du auf den Balkon ihres Hotelzimmers geklettert bist, um Mitternacht, in Boxershorts und mit einem Candy-Ring von der Tankstelle …“

Declan grinste. „Die Juweliere hatten schon zu, deshalb musste ich improvisieren. Vergiss nicht, dass sie mir einen Korb gegeben hat – vor laufender Kamera.“

Mit diesem Auftritt hatte er in der Öffentlichkeit den letzten Rest von Seriosität verspielt, aber es hatte Spaß gemacht, zumindest bis die Fotos aufgetaucht waren und seine Impulsivität in der Boulevardpresse und auf Dutzenden von Klatschseiten im Netz breitgetreten wurde.

Jessie St. Chiles hatte in seinem letzten Film die weibliche Hauptrolle gespielt. Die Idee, ihr einen Antrag zu machen, war spontan entstanden. Sie waren befreundet und hatten ein paar Mal miteinander geschlafen, aber ihm war klar, dass er nicht wirklich zum Ehemann taugte. Sein leiblicher Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, als Declan noch klein war, und J. J.s Frau hatte nach nur sechs Monaten Ehe die Scheidung eingereicht, lange bevor er und Nash in die Villa in Malibu einzogen. Jessie hatte sofort kapiert, dass er es nicht ernst meinte, sie hatten sich königlich amüsiert.

„Sobald dein Name auftaucht, fragt sich jeder sofort, was für eine schräge Nummer du als Nächstes abziehst“, knurrte J. J.

„Was fürs Image der Firma durchaus positiv ist.“

J. J.s Miene verfinsterte sich. „Bei den Nachwuchsfilmern mag das ankommen und auch in der Marketingabteilung. Aber während du für diesen Radmarathon zwei Wochen lang wie vom Erdboden verschluckt warst, ist ein wichtiger Vertrag geplatzt. Weil unser Geschäftsführer nirgends zu finden war! Du verbringst mehr Zeit außerhalb des Büros als am Schreibtisch, und die übrigen Vorstandsmitglieder nehmen dich nicht ernst, weil man sich nicht auf dich verlassen kann. Nein, du bist kein Masterson.“

Declan wurde nervös. Ein ruhiges Leben kam in seinen Augen einem hübschen Gefängnis gleich. Er hatte als Stuntman angefangen, ehe er als Schauspieler Karriere machte. Alle ihre Nachbarn in Malibu, wo er aufgewachsen war, arbeiteten in der Branche, als Schauspieler, Produzenten, Drehbuchautoren, Musiker. Bei seinen Spielkameraden standen Oscars oder Golden Globes auf dem Kaminsims. Bodyguards und Nobelkarossen gehörten genauso zum Alltag wie die Paparazzi, die hinter jeder gut gepflegten Palme lauerten.

Da er aus einfachen Verhältnissen stammte, war er anfangs entsetzt gewesen, dann geflasht und schließlich wild entschlossen, dazuzugehören zu diesen schönen Menschen, dem mächtigen Hollywood-Clan.

J. J. schob ein Foto über den Tisch. Die Frau, die darauf abgebildet war, war Ende zwanzig. Sie hatte das braune Haar zu einem braven Pferdeschwanz gebunden und trug ein langweiliges weißes Polohemd mit der Aufschrift „Martha’s Kids“.

„Das ist die Tochter von Bryant Palsgrave, einem erfolgreichen Wall-Street-Investor. Er stammt aus einer der ältesten Familien in Neuengland, ist sehr vermögend, lebt aber eher zurückgezogen. Ihr Bruder könnte einmal Präsident werden.“

„Nett.“ Declan hatte keine Ahnung, worauf das hinauslaufen sollte. Normalerweise wollte der alte Geldadel mit einem dekadenten Schauspieler wie ihm nichts zu tun haben.

Als Nächstes zeigte J. J. ihm eine auf Hochglanzpapier gedruckte Presseankündigung für ein Bootsrennen in New England, über das Declan nur lachen konnte, denn es ging um einmastige Segelboote mit geringem Tiefgang und nur zwei Mann Besatzung. Da hatte er ja schon als Teenager schnellere und größere Boote gesegelt.

„Eine Segelregatta rund um Martha’s Vineyard nächsten Monat, mit der Spenden für wohltätige Zwecke gesammelt werden. Die Mannschaften bestehen jeweils aus einem Einheimischen und einem Promi. Der Sieger bekommt eine Million Dollar für ein karitatives Projekt seiner Wahl. Charlotte Palsgrave sucht noch einen Partner, und ich schulde ihrem Vater einen Gefallen.“

„Das ist nicht dein Ernst!“ Wenn Declan segelte, dann mit einer gut ausgebildeten Crew auf Millionen Dollar teuren Jachten und gerne unter extremen Bedingungen. Unter keinen Umständen würde er sich zu einem verzogenen Provinz-Prinzesschen in eine solche Nussschale setzen.

J. J. legte die Fingerspitzen aneinander. „Du wirst die Regatta für Charlotte gewinnen und die Mastersons tadellos vertreten. Ohne den Hauch eines Skandals. Du wirst ein für alle Mal beweisen, dass du ein würdiger Nachfolger für mich und zuverlässig zur Stelle bist, wenn du gebraucht wirst. Im Gegenzug werde ich das Übernahmeangebot ablehnen und Masterson Entertainment an dich überschreiben. Dann gehört die Firma dir, mit allem Drum und Dran, du hast die alleinige Kontrolle. Wenn du die Regatta gewinnst, ist alles deins.“

J. J. war ein Kontrollfreak, er liebte nichts mehr, als sich Herausforderungen für seine Söhne auszudenken. Aufgaben, die ihnen deutlich zeigten, wie wenig sie den Preis verdienten, den er ihnen in Aussicht stellte. Declans Bruder Nash hatte sich dem Zirkus schon vor fünf Jahren entzogen, indem er seine eigene Öl- und Chemiefirma gründete, und er, Declan, hatte es auf seine Weise getan, bis er vor zwei Jahren der Versuchung erlag und zurückkam. Er ertrug das alles nur, weil er die Ziellinie bereits sah. Allerdings hatte J. J. die soeben verschoben. Konnte er trotzdem gewinnen?

Nur eine Regatta, überlegte Declan, bloß eine Runde um Martha’s Vineyard – Pipifax! Ein paar Fotos mit dem Prinzesschen und dann zurück nach Hollywood, wo der wahre Preis wartete. Allerdings hatte er in Hollywood einige wichtige Lektionen gelernt, und die wichtigste lautete: Lass dir alles schriftlich geben.

„Setz einen Vertrag auf“, sagte er. „Wenn ich die Regatta gewinne und keine schlechte Presse kriege, bekomme ich Masterson Entertainment.“

Diesmal würde er nicht verlieren.

2. KAPITEL

Aschenputtel und der Prinz – jeder weiß, wie die Geschichte ausgeht, dachte Charlotte Palsgrave. In Wahrheit glaubte sie nicht daran. Nicht mehr. Vor lauter Nervosität wusste das Mauerblümchen in ihr nicht, wo oben und unten war. Trotzdem würgte sie den dicken Brocken in ihrem Hals hinunter. Wenn sie in aller Öffentlichkeit einen Heulkrampf bekäme, würde alles herauskommen.

Seit Monaten lebte sie in panischer Angst, dass das passierte, und am liebsten hätte sie die Wahrheit laut herausgeschrien. Alles gebeichtet. Sie hatte es verbockt.

Die Bootsregatta war ihre allerletzte Chance, alles wiedergutzumachen, bevor jemand wegen ihrer Dummheit leiden musste. Deshalb war es unbedingt notwendig, Mister Märchenprinz für ihren Plan zu gewinnen. Hätte sie vorher gewusst, wie schnell das Leben einem einen Strich durch die Rechnung machen konnte, hätte sie sich einen besseren Plan zurechtgelegt und in ein Paar superscharfe gläserne Pantoffeln investiert.

Nur für den Fall, dass sich eine gute Fee ihrer doch noch erbarmte, warf sie einen Blick auf ihre Füße. Fehlanzeige. Sie steckten nach wie vor in praktischen marineblauen Sneakers, und sie stand mutterseelenallein da. In solchen Augenblicken schaffte sie es nie, die missbilligende Stimme ihres Vaters in ihrem Kopf auszublenden. Du bist nicht gut genug, tönte es, nie machst du was richtig. Es gelang ihr zwar immer besser, diese Stimme zu ignorieren, gelegentlich widersprach sie sogar, aber sobald Publikum beteiligt war, wie gerade eben, war ihr hart erkämpftes Selbstvertrauen wie weggeblasen.

Nicht genug, dass sie sich im exklusivsten Jachtclub von Martha’s Vineyard befand, sie hatte sich auch freiwillig bereit erklärt, in ein Boot zu steigen und mit unvorstellbarer Geschwindigkeit über das offene Meer zu segeln, und das in Begleitung des angesagtesten Märchenprinzen überhaupt, Declan Masterson, Personifizierung ihrer Bestrafung. Sie musste das Rennen unbedingt gewinnen, aber der Typ wollte ihren Plan nicht akzeptieren.

Das Problem war, dass sie sich für alles erst einen Masterplan zurechtlegte, den sie dann Schritt für Schritt abarbeitete, wohingegen Declan einfach drauflosstürmte. Gläserne Pantoffeln herbeizaubern wäre definitiv die leichtere Übung gewesen.

Was noch schlimmer war, der Typ sah zwar aus wie ein strahlender Held, doch in Wahrheit war er ein richtiger Fiesling.

Charlotte schielte dorthin, wo er Hof hielt. Dass er so viele Bewunderer anzog, in diesem Fall Jachtbesitzer und Journalisten, lag zum Teil an seiner Berühmtheit, aber vor allem an der animalischen Ausstrahlung des Kerls. Der Mann war schön wie ein Kunstwerk, und wenn sie ihn ansah, kribbelte es sie am ganzen Körper. So etwas kannte sie eigentlich nicht von sich. Eine dermaßen intensive Reaktion auf seine Nähe, kombiniert mit der neugierigen Überlegung, wie es wohl wäre, ihm noch näher zu kommen. Viel näher. Der Typ musste einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben, um mit Charme ausgestattet zu werden, den er an- und ausknipsen konnte, wie es ihm gerade gefiel.

Heute trug er Räuberlook: zerzauste blonde Locken, das markante Kinn unrasiert und dieser Mund … Nur gut, dass das, was herauskam, wenn er ihn aufmachte, ihren Puls sofort auf hundertachtzig jagte.

Sei froh, dass sie ihn fotografieren, nicht dich!

Sobald sich eine Kamera auf sie richtete, erstarrte Charlotte zu Eis. Sie arbeitete lieber hinter den Kulissen. Als Leiterin von Martha’s Kids, einer gemeinnützigen Organisation, richtete sie Sommercamps für Kinder aus Pflegefamilien aus, damit die schwimmen und Kajak fahren, Freundschaftsarmbänder tauschen und eine Zeit lang unbeschwert leben konnten. Weil sie selbst die Zeit im Ferienlager immer als willkommene Flucht aus ihrem nicht gerade liebevollen Elternhaus empfunden hatte, lag es ihr am Herzen, diesen Kindern etwas Besonderes zu bieten.

„Komm doch zu uns, Charlotte“, rief ihre persönliche Heimsuchung mit den goldenen Haaren und den haselnussbraunen Augen, und schon setzten sich ihre Füße in Bewegung.

Der Mann musste über ein Kraftfeld verfügen. Sie war aufgeschmissen.

Widerstehe.

Sie blieb stehen und machte von ihrer Geheimwaffe Gebrauch, der Wahrheit. „Ihr braucht mich doch gar nicht. Aber danke“, erklärte sie. Dazu lächelte sie, denn es war wichtig, höflich zu sein.

Declan musterte sie nachdenklich. Das machte sie nervös. Die meisten Leute sahen durch sie hindurch, schenkten ihrem gewöhnlichen Gesicht und ihrem mittellangen braunen Haar, das sie immer zu einem Pferdeschwanz band, nur einen flüchtigen Blick. Abgesehen von einer Feuchtigkeitscreme mit Lichtschutzfaktor verwendete sie kein Make-up, und ihre Garderobe bestand aus Yogakleidung und bequemen Schuhen. Wahrscheinlich kam sie ziemlich dröge rüber, aber sie mochte sich so und fühlte sich sicher, und darauf kam es an.

Halt, nein, sie hatte sich sicher gefühlt, bis sich ihr Ex-Verlobter mitsamt ihren Träumen und dem Löwenanteil des Jahresbudgets von Martha’s Kids aus dem Staub gemacht hatte. Deshalb hatte sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um an der Regatta teilnehmen zu können, die in drei Wochen stattfand.

Trotz seiner menschlichen Schwächen hatte ihr Vater auf der Insel etwas zu sagen, und mit dem Teamkollegen, den ihr der Zufall beschert hatte, hatte sie das große Los gezogen. Declans hübsches Gesicht und seine Bekanntheit würden eine Menge Spenden einfahren, denn einen Mann wie ihn wollte jeder glücklich machen. Außerdem verstand er was vom Segeln. Sie hatten den Sieg praktisch in der Tasche, und das Preisgeld würde reichen, um das Haushaltsdefizit auszugleichen – sofern Declan sich überreden ließ, das Geld an Martha’s Kids zu spenden.

„Komm schon, Darling. Wir sind doch Partner.“ Er zwinkerte ihr zu wie einer, der weiß, dass keine Frau ihm widerstehen kann, weil er so gutaussehend war, so sexy und so weiter …

Vergesst ihn, befahl sie ihren Hormonen.

Insgeheim hatte sie bereits eine Sechzig-vierzig-Aufgabenteilung vorgenommen, bei der sie beide ihre Stärken ausspielen konnten. Sie fällte die Entscheidungen und trug die Verantwortung, während er hübsch aussah und den Glamourfaktor bediente. „Die Uhr tickt“, sagte sie. „Sobald du fertig bist mit Posieren, treffen wir uns zu einer Probefahrt auf dem Boot.“

Kopfschüttelnd streckte er ihr eine kräftige, sonnengebräunte Hand hin. Er trug verblichene Surfer-Shorts und ein weißes T-Shirt, das sich wie eine zweite Haut um seinen muskulösen Oberkörper schmiegte. Mit dem verstrubbelten Haar und den Bartstoppeln sah er aus wie gerade aus dem Bett gefallen, und man fragte sich automatisch, mit wem er es geteilt hatte.

Charlotte ging einen Schritt weiter und malte sich aus, sie läge in diesem Bett, am liebsten in dem, auf dem er und die weibliche Hauptrolle in seinem letzten Kinohit sich gegenseitig die Kleider vom Leib gefetzt hatten, um den Sieg über die Bösen zu feiern. Schnell senkte sie den Blick, Declan musste nicht unbedingt mitbekommen, dass sie sich ihn gerade nackt vorstellte. Alles nur eine Nebenwirkung des Märchenprinzen-Effekts, tröstete sie sich, das vergeht, sobald ich mich aus seiner Umlaufbahn gelöst habe.

Sie ignorierte seine ausgestreckte Hand. „Aber nur ein Foto.“ Sie würden ja doch nicht vorankommen, ehe er dazu bereit war, und wenn sie gewinnen wollte, musste sie in den nächsten viel zu knappen drei Wochen trainieren, viel trainieren, und sich oft aufs Wasser wagen. Im Gegensatz zu Declan, der Regatten auf allen sieben Weltmeeren gewonnen hatte, verband sie eine Art Hassliebe mit dem Ozean. Seit sie einmal fast ertrunken wäre, bewunderte sie ihn lieber nur noch vom Strand aus.

Declan wackelte mit den Augenbrauen, und Charlotte spielte kurz mit dem Gedanken, ihm an die Gurgel zu springen. Allerdings erst, nachdem sie das Rennen gewonnen und ihre Kinder gerettet hatte.

Also polterte sie über den Steg und stellte sich verlegen neben ihn. Trotz ihrer eins fünfundsiebzig – ohne Schuhe – überragte der Kerl sie locker um fünfzehn Zentimeter. Er übernahm sofort die Regie, selbstverständlich und sehr charmant, indem er einen Arm um ihre Schultern legte, sie an sich zog und sie so drehte, dass sie beide zu den Fotografen sahen. Die Kameras klickten, und er ließ sie wieder los. Was ihr nichts ausmachte, wie sie sich einredete.

Als Protest laut wurde, schüttelte er den Kopf. „Eins, hat die Dame gesagt.“ Er schlüpfte in ein weißes Leinenhemd und setzte eine Sonnenbrille auf.

Ein Reporter stellte die unvermeidliche Frage: „Haben Sie entschieden, wohin das Preisgeld geht?“

Ehe Charlotte den Mund aufmachen konnte, antwortete Declan freundlich lächelnd: „Wir werden eine Tierschutzorganisation unterstützen.“

Wir haben noch gar nichts entschieden“, widersprach sie, aber der Einspruch wurde ignoriert, weil die ganze Meute wie gebannt beobachtete, wie Prince Charming sein Hemd zuknöpfte. „Meine erste Wahl ist selbstverständlich Martha’s Kids. Wir werden Sie zur gegebenen Zeit informieren.“

Declan hatte sie natürlich verstanden, er wollte nur nicht auf sie hören und zählte sechs verschiedene Tierhilfsorganisationen auf, eine spezieller als die andere.

„Wir überlegen noch“, ließ er verlauten, blinzelte ihr zu und spazierte auf seine leider viel zu sexy Art davon.

Das bedeutete, dass er als Erster am Boot sein und das Steuer übernehmen würde, so wie er grundsätzlich gerne das Ruder übernahm. Eine mutigere Frau würde ihn kurzerhand vom Steg schubsen. Ein Anlauf, ein kleiner Stoß, und dieses sonnengebräunte, arrogante Muskelpaket würde zwischen dem öligen, brackigen Treibgut landen, das überall im Jachthafen dümpelte. So ein Bad überstünde nicht mal sein Filmstar-Look unbeschadet.

Wenn ich bloß nicht unbedingt diese Regatta gewinnen müsste!

Außerdem war sie eine besonnene, umgängliche Person, und nette Menschen schubsten niemanden ins Wasser. Nicht mal, wenn es jemand wirklich verdient hatte. Aber sie setzte die Aktion ganz oben auf ihre To-do-Liste für nach dem Rennen.

Alles war so schnell gegangen. Mit seinem guten Aussehen und seinem Charme hatte ihr Ex, George Moore, bei seinem Vorstellungsgespräch vor sechs Monaten den Vorstand von Martha’s Kids um den Finger gewickelt. Er hatte ausdrücklich darum gebeten, mit ihr zusammenzuarbeiten, und weil er die perfekte Besetzung zu sein schien, hatte sie ihm die gesamte Buchhaltung überlassen, ohne ihm auf die Finger zu sehen. Hoffnungslos verknallt und völlig hin und weg von der Tatsache, dass George, der Frauenschwarm, sich ausgerechnet für sie, das stille, schüchterne Mädchen interessierte, war sie gar nicht auf die Idee gekommen, seine Beweggründe zu hinterfragen.

Nach wenigen Wochen schon sprach er von Heirat. Ihr Vater sagte ihr zwar auf den Kopf zu, dass es ausgeschlossen war, dass ein Mann, der aussah wie ein griechischer Gott, sich ernsthaft für eine farblose Maus wie sie interessierte, aber mit diesem Einwand hatte sie gerechnet. Genau genommen zementierte er ihren Entschluss, dieses eine Mal nicht nachzugeben und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Ein Riesenfehler, denn sechs Monate nach seinem ersten großen Auftritt machte George in aller Stille einen Abgang – und plünderte vorher nicht nur ihr Bankkonto, sondern auch das von Martha’s Kids. Was sie für romantisch gehalten hatte, hatte ihm lediglich als Vernebelungstaktik gedient. Und das würde demnächst an die Öffentlichkeit gelangen, nämlich dann, wenn die Staatsanwaltschaft George wegen Unterschlagung anklagte.

Mit ihrer Teilnahme an der Regatta hoffte Charlotte, den Schaden, den George angerichtet hatte, wiedergutzumachen. Das Preisgeld würde zumindest das Konto der Stiftung wieder füllen, auch wenn ihre Schuld niemals getilgt wäre.

Da konnte die Sonne noch so hell vom makellos blauen Himmel strahlen und die Planken des Anlegers erwärmen, die Möwen noch so frech kreischen, nichts löste ihre Anspannung. Um sich von der beängstigenden Vorstellung, auf den Ozean hinauszusegeln, abzulenken, und auch um Declan einzuholen, fiel sie in würdelosen Trab.

„Wo ist das Problem, Charlotte?“, fragte er, als sie ihn erreichte. „Reden wir darüber.“

„Für dich ist alles immer easy, oder?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, sag jetzt nichts. Lass uns lieber besprechen, wohin unser Geld geht.“

„Meine Vorschläge hast du ausnahmslos abgelehnt.“

So, wie er das sagte, klang es, als wäre sie der nervige Teil des Teams, dabei verhielt es sich doch genau andersherum.

„Die waren ja auch idiotisch.“

„Dann überzeuge mich.“ Er breitete die Arme aus. „Ich bin ganz Ohr. Warum ausgerechnet Martha’s Kids?“

„Weil ich dort arbeite? Weil diese Kinder ein bisschen Spaß verdient haben? Weil es allemal besser ist, als eine Million Dollar in die Rettung von Meerschweinchen zu stecken? Also wirklich!“

Er zuckte mit den Schultern. „Meerschweinchen sind niedlich.“

„Aber keine Million wert.“ Sie fiel in einen Laufschritt, um vor ihm das Zweimannboot zu erreichen, das natürlich am entferntesten Ende des Anlegers ankerte.

Declans raues Lachen folgte ihr. Dass der Kerl nie ernst sein kann! Sie zog die Schuhe aus, tastete sich vorsichtig bis an den Rand des Stegs vor … und blieb stocksteif stehen. Sie hätte einen großen Schritt machen müssen, um aufs Boot zu kommen, und unter ihr nur Wasser …

„Netter Versuch.“

Warme Hände legten sich um ihre Taille und schoben sie sanft zur Seite. Fast hätte sie aufgequietscht, sie war furchtbar kitzelig. Und da war noch was, ein Kribbeln, das sie sich aber nicht eingestehen wollte.

Charlotte bedauerte nicht zum ersten Mal, dass die Wohltäter von Martha’s Vineyard ausgerechnet dem Jachtclub angehörten, anstatt sich für Golf, Badminton oder Vögel zu interessieren. Die Wellen klatschten gegen den Steg, das Wasser schimmerte nachtblau und abgrundtief. Wenigstens musste sie nicht untertauchen, um ihr Problem zu lösen – man sollte auch für die kleinen Dinge dankbar sein.

Declan streckte ihr eine Hand hin. „Verrätst du mir, wieso jemand, der solche Angst vorm Wasser hat wie du, sich ausgerechnet für eine Segelregatta anmeldet?“

Charlotte hatte sich nicht umsonst jahrelang darin geübt, den Mund zu halten und so zu tun, als wäre alles bestens. Sie konterte sofort: „Verrate du mir lieber, warum du dich für ein absolut unbedeutendes Bootsrennen hergibst, anstatt in Hollywood dem süßen Leben zu frönen.“

3. KAPITEL

Charlotte Palsgrave tat zwar so, als wäre alles in Ordnung, aber Declan hatte gelernt, auf die Körpersprache seines Gegenübers zu achten. Und die seiner neuen Partnerin schrie gerade laut: Panik! Außerdem war die junge Dame ganz schön mürrisch. Und überraschend sexy.

Wovon man auf Anhieb allerdings wenig mitbekam, denn die kurzen Momente, in denen sie nicht versuchte, mit dem Hintergrund zu verschmelzen, waren die, in denen sie sich mit ihm kabbelte, und selbst da beschränkte sie sich auf knappe Spitzen und böse Blicke. Sie konnte ihn nicht ausstehen. Auf den Tod nicht.

Das passierte ihm nicht oft. Die meisten Leute ließen sich von seinem Ruhm und seinem Reichtum blenden oder gierten nach Promiklatsch und Insiderinfos über das dekadente Leben in Malibu. Um zu begreifen, dass er nur die Rolle spielte, für die er gecastet worden war, musste man ihn schon näher kennenlernen. Charlotte hatte ihn von Anfang an abgelehnt, doch als jemand, der im Licht der Öffentlichkeit lebte, juckte ihn Kritik normalerweise wenig.

Falls sie dasselbe Prickeln verspürte, das ihn in ihrer Nähe überfiel, verbarg sie es gut. Er bekam nur ihre Abneigung zu spüren, ihre Ungeduld und eine gewisse Überheblichkeit. Er dagegen konnte sich kaum auf die Vorbereitungen für die Regatta konzentrieren, sondern musste ständig daran denken, wie es wohl wäre, ihren fest zusammengepressten Mund so lange zu küssen, bis die vollen Lippen weich wurden. Auch wenn Charlotte das Rampenlicht mied und ihre Schönheit nicht von der Art war, auf die die Fotografen ansprangen, hatte sie doch dieses gewisse Etwas. Und er hatte ein Problem. 

„Hinsetzen.“ Er reichte ihr eine Schwimmweste und zeigte auf einen Platz, wo sie am wenigsten im Weg war. Ihren leisen Protestlaut, ein „Wuff!“, ignorierte er.

Während sie sichtlich angefressen in dem Ordner mit den vielen bunten Klebezetteln blätterte, an den sie sich klammerte wie an eine Rettungsleine, legte er ab. Für ihn war es ein Kinderspiel, das sechs Meter lange Segelboot an den fest verankerten Luxusjachten vorbeizuleiten, dennoch wollte er ein Gefühl für den Kahn bekommen und ein paar Wendemanöver ausprobieren.

Charlotte war anders als die Frauen, die er kannte, sie war reizbar, dickköpfig und legte es offenbar darauf an, ihm das Leben schwer zu machen. Andererseits verstand er auf einmal, was gemeint war, wenn jemand sagte: Wahre Schönheit kommt von innen. Objektiv betrachtet, sah sie eher durchschnittlich aus. Braunes Haar, braune Augen, definitiv keine Size zero, trotzdem hatte sie etwas an sich, das ihn fesselte.

Das Boot nahm Fahrt auf, die cremeweißen Sandstrände und die exklusiven Ferienhäuser von Martha’s Vineyard glitten an ihnen vorüber. Beim vertrauten Knattern des Segeltuchs und dem Rauschen des Wassers unter dem Kiel hob sich seine Laune, auch wenn er immer noch mit sich haderte, weil er schon wieder nach der Pfeife seines Adoptivvaters tanzte und sich von ihm auf die Probe stellen ließ. Alles nur, um J. J.s Nachfolge anzutreten. Dass er dadurch Charlotte Palsgrave kennengelernt hatte, machte das allerdings wett.

Das ging ihm durch den Kopf, als er aufs offene Meer zuhielt, bis ein unterdrückter Schrei seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Begleiterin lenkte, die sich verzweifelt an den Ordner klammerte und starr den Horizont fixierte. Mit sanfter Gewalt löste er den Ordner aus ihren Fingern und verstaute ihn im wasserdichten Fach unter seinem Sitz.

Autor

Anne Marsh
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