Ein verbotener Kuss, eine verbotene Liebe?

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"So ist es richtig, paidi mou, zeig mir, wie gut wir zueinander passen." Seit sechs Jahren unterdrückt Kayla die zärtlichen Gefühle für ihren Boss Andreas Kostas. Sie weiß, dass der griechische Tycoon niemals Romantik und Job verbinden würde. Doch als Andreas feurig erklärt, dass er heiraten und eine Familie gründen will, ist Kaylas Verzweiflung grenzenlos. Für immer wird sie ihn an eine andere verlieren. Doch weit gefehlt: Plötzlich küsst ihr Chef sie heiß und bittet sie, seine Frau zu werden! Wartet auf Kayla das lang ersehnte Happy End - oder die Hölle auf Erden? Denn Andreas redet nur von einer Zweckehe …


  • Erscheinungstag 02.01.2019
  • Bandnummer 2369
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711900
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Kayla Jones hüpfte über den Flur und versuchte dabei, die Schnallen an ihren Sandalen zu schließen. Sie hatte kaum eine Minute gebraucht, um den Schutzanzug auszuziehen, den sie im Computerlabor getragen hatte. Sich wieder anzuziehen dauerte länger.

Es war nicht klug, zu einer wichtigen Konferenz mit dem Präsidenten von KJ Software zu spät zu kommen.

Auch wenn der Präsident theoretisch ihr Geschäftspartner war.

In letzter Zeit hatte Andreas sich seltsam benommen. Er war schlecht gelaunt. Noch korrekter als üblich.

Auf dem Weg durch das Vorzimmer stoppte Bradley, Andreas’ persönlicher Assistent, sie mit einer Geste. Kayla blieb widerwillig stehen und signalisierte ihm mit einem Blick, wie ungelegen ihr die Unterbrechung kam.

Ich weiß, formte er mit den Lippen. Er deutete auf ihre pfirsichfarbene Strickjacke, und Kayla fiel auf, dass sie das Kleidungsstück auf links gedreht trug.

Dankbar lächelnd korrigierte sie den Fehler, bevor sie die Tür zu Andreas’ Büro öffnete. „Tut mir leid, dass ich so spät dran bin, Andreas. Ich musste an Delfin noch etwas testen.“ Kayla benannte ihre Projekte gern nach Meerestieren.

Sie blieb abrupt stehen, als sie feststellte, dass ihr Partner nicht wie üblich hinter dem Schreibtisch saß, sondern am Kopfende des Konferenztischs.

Er war nicht allein.

Die blonde, hübsch frisierte Frau im schicken weißen Hosenanzug, die neben ihm saß, musterte Kayla skeptisch. „Ist das Ihre Partnerin?“

„Ja.“ Andreas warf Kayla einen ungehaltenen Blick zu. „Ich habe dir doch gesagt, dass die Besprechung wichtig ist.“

Sie unterdrückte den Drang, sich zu entschuldigen.

Daran musste sie noch arbeiten. Sich nicht dauernd zu entschuldigen.

„Immerhin ist sie jetzt hier“, bemerkte die Frau. „Können wir anfangen?“ Es klang energisch, aber sie blickte dabei fragend zu Andreas.

„Womit anfangen?“ Kayla setzte sich auf einen Stuhl neben Andreas, der Fremden gegenüber. Wer war diese Frau, und worum ging es überhaupt?

Andreas war anscheinend noch immer wütend über Kaylas Verspätung. Er antwortete nicht.

Kayla rollte die Augen. Andreas hatte das Meeting als wichtig gekennzeichnet, aber Bradley hatte den Termin erst eingetragen, als sie die Zeit schon geblockt hatte. Die Tests an Delfin waren auch wichtig.

Die blonde Frau seufzte ungeduldig. „Andreas will heiraten. Es geht heute darum, wie sich das auf sein Berufsleben auswirken wird.“

Einen Moment lang blieb die Zeit stehen. Kayla nahm alles überdeutlich wahr: das Geräusch der Atemzüge, das den stillen Raum erfüllte. Das süßliche Parfüm, das die unbekannte Frau trug.

Sie schüttelte den Kopf. Das konnte unmöglich stimmen.

Andreas war auch keine Hilfe. Sein gut aussehendes, scharf geschnittenes Gesicht verriet noch immer Missbilligung.

„Er will heiraten?“, sagte Kayla schwach. Ihr wurde kalt, dann heiß.

Endlich ließ sich Andreas dazu herab, zu nicken. „Es ist an der Zeit.“

„Ist es das?“ Kayla war nicht aufgefallen, dass Andreas weniger Zeit im Büro verbracht hatte. Oder öfter ausgegangen war.

Sie hätte eine solche Veränderung bemerkt.

Er war in den letzten Wochen eher noch verbissener und arbeitswütiger gewesen als sonst. Hatte Überstunden gemacht und von ihr dasselbe erwartet. Delfin sollte pünktlich fertig werden.

„Ich bin jetzt reicher als mein Vater. Eine Frau und Familie stehen als Nächstes auf der Liste.“ Sein Tonfall verriet Gleichgültigkeit.

Als ob es sich dabei nicht um eine kolossal wichtige Entscheidung handelte, die sein ganzes Leben verändern würde. Und die Kayla sich immer von ihm erhofft hatte, selbst nachdem sie sich damals getrennt hatten.

Kayla sah die Frau an, die sie über Andreas’ Vorhaben informiert hatte. Wer war sie? Und warum wusste sie von Andreas’ Plänen – und Kayla nicht?

Ihr kam ein schrecklicher Gedanke. Ist die Frau etwa eine Heiratsvermittlerin? Das sähe Andreas ähnlich, einen Profi anzuheuern, um eine Frau zu finden.

Nicht, dass er das nötig hatte.

Kayla hatte die letzten Jahre so gut wie keusch gelebt. Auf Andreas traf das allerdings nicht zu. Er hatte mit vielen schönen Frauen geschlafen, und jede einzelne von ihnen hatte Kaylas Träume von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm bedroht. Aber es war Andreas nie ernst gewesen, und deshalb hatte sich Kayla weiter Hoffnungen gemacht.

„Aus diesem Grund bin ich hier“, sagte die Blondine betont heiter. Es freute sie sichtlich, jemanden wie Andreas als Kunden zu haben.

„Sind Sie Heiratsvermittlerin?“, fragte Kayla, nur um sicherzugehen.

Die Frau nickte. „Mir gehört die Patterson Group.“

Das klang wie eine Anwaltskanzlei, nicht wie eine Partnervermittlung.

„Millionäre sind ihre Spezialität“, fügte Andreas hinzu.

Als wäre das wichtig.

„Du bist Milliardär.“ Jedenfalls auf dem Papier.

KJ Software war unglaublich erfolgreich, genau wie Andreas es vorhergesagt hatte. Die Firma, die ihm zu fünfundneunzig Prozent gehörte, wurde inzwischen auf über eine Milliarde Dollar geschätzt. Nicht schlecht für sechs Jahre Blut, Schweiß und schlaflose Nächte.

Die Heiratsvermittlerin nickte. Es war deutlich zu sehen, dass ihr der Unterschied wichtig war. Da war sie nicht die Einzige. Die Milliardengrenze war auch für Andreas ein Meilenstein. Und anscheinend ausschlaggebend für seinen Entschluss, zu heiraten. Er mochte mehr Geld haben als sein Vater, musste sich aber immer noch etwas beweisen.

Andreas warf Kayla wieder einen missbilligenden Blick zu. „Haarspalterei. Die Sache ist die: Miss Patterson hat …“

„Genevieve, bitte.“ Das Lächeln war professionell, aber oberflächlich.

Kayla fragte sich, ob Genevieve bemerkte, wie Andreas die Zähne zusammenbiss. „Genevieve hat sich darauf spezialisiert, geeignete Partnerinnen für wohlhabende Männer zu finden.“

Kayla war entsetzt. „Ich glaube nicht, dass das funktioniert.“

Sie hatte nichts gegen Partnervermittlungen. Aber diese eiskalte Frau? Genevieves Geschäftssinn war so ausgeprägt wie der von Andreas. Kayla hatte schon als Kind gelernt, Leute einzuschätzen. Hätte sie das nicht getan, hätte sie ihre Kindheit nicht überlebt.

Der Eigentümerin der Patterson Group ging es nicht um das Glück ihrer Kunden. Ganz und gar nicht.

„Meine Erfolgsbilanz spricht für sich.“ In Genevieves Stimme lag Selbstgefälligkeit. Sie mochte froh sein, Andreas als Kunden zu haben, war aber offenbar auch sehr von sich und ihren Fähigkeiten überzeugt.

„Wenn das nicht der Fall wäre, würde ich Ihnen auch keine fünfundzwanzigtausend Dollar als Honorar zahlen.“

Kayla keuchte auf. „Für das Geld könntest du dir eine Braut kaufen.“

Oder die Frau heiraten, die dich seit acht Jahren liebt und seit sechs Jahren auf dich wartet.

„Ihr Arbeitgeber sucht nicht nach einer Vorzeigefrau, sondern nach einer echten Partnerin.“

Das hätte deutlich überzeugender geklungen, wenn Andreas es nicht eben gleichmütig als nächsten Punkt auf seiner To-do-Liste bezeichnet hätte. Und wenn er wirklich nach einer Partnerin suchte, warum versuchte er es dann nicht mit der Frau, die er seit beinahe acht Jahren als seine beste Freundin betrachtete?

Sie hatten sich damals ja nicht getrennt, weil es Streit gegeben hatte. Oder weil es zwischen ihnen im Bett nicht funktionierte. Sondern sie hatten ihre sexuelle Beziehung auf Eis gelegt, weil Andreas Berufliches und Privates strikt trennen wollte.

Allerdings waren sie auch nie richtig ein Paar gewesen. Eher Freunde, die miteinander Sex hatten.

Kayla hatte gedacht, sie wären auf dem Weg, ihre Beziehung zu vertiefen. Leider hatte sie sich gründlich geirrt.

Andreas hatte zwar eine andere Art von Beziehung gewollt, aber keine persönliche. Er wollte ihre Abschlussarbeit in Informatik zum Grundstein seines neuen digitalen Sicherheitsunternehmens machen. Ihre Talente als Softwareentwicklerin waren ihm wichtiger als ihre Bereitschaft, mit ihm zu schlafen.

Der Schmerz, von dem sie geglaubt hatte, sie hätte ihn überwunden, flammte von Neuem auf und versetzte ihr einen heftigen Stich.

Kayla verbarg ihre Gefühle hinter einer ausdruckslosen Miene. Das hatte sie als Kind gelernt, auf ihrer Reise von einer Pflegefamilie in die nächste. „Warum bin ich hier? Was geht mich das an?“

„Du bist meine Geschäftspartnerin“, sagte Andreas, als ob das als Erklärung ausreichte.

„Ein Anteil von fünf Prozent reicht nicht, um von einer echten Partnerschaft zu sprechen.“

Genevieves Gesichtsausdruck verriet, dass sie das genauso sah.

Andreas runzelte die Stirn. Er konnte es nicht ausstehen, korrigiert zu werden. Selbst von Kayla ließ er sich das nur ungern gefallen. Sie sagte trotzdem, was sie dachte. Zumindest, wenn es um geschäftliche Dinge ging.

„Du bist meine Partnerin. Wenn sich mein Leben ändert, wirkt sich das auf die Firma aus und damit automatisch auch auf dich.“ Andreas’ Ton ließ keinen Widerspruch zu.

Kayla war immer noch verwirrt.

Das war normal, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen ging, aber nicht, wenn es die Firma betraf. „Wieso das?“

Sie war ja als Kandidatin nicht im Rennen. Dass er eine Heiratsvermittlerin angeheuert hatte und bereit war, ihr ein lächerlich hohes Honorar zu zahlen, bewies das nur allzu deutlich. Und es tat weh.

Aber Andreas wusste nichts davon. Warum glaubte er dann, dass seine Heirat Auswirkungen auf Kayla haben würde?

Schon wieder sah er sie so an, als wäre sie ein wenig begriffsstutzig. Aber da er selbst eine wesentliche Tatsache nicht begriffen hatte – dass sie ihn liebte –, machte es ihr nicht so viel aus wie sonst.

Genevieve schlug einen betont geduldigen Tonfall an, als versuchte sie, einem kleinen Kind etwas zu erklären. „Eine Ehe bringt Veränderungen mit sich. Da Andreas die treibende Kraft hinter diesem Unternehmen ist, wird seine Heirat aller Voraussicht nach großen Einfluss auf die Firma und ihre Angestellten haben.“

Andreas runzelte die Stirn. Weil Genevieve seinen Vornamen gebraucht hatte, oder weil sie Kayla als seine Angestellte bezeichnet hatte statt als seine Partnerin?

„Gehen wir an die Börse?“, fragte Kayla. Sie hatten davon gesprochen. Zumindest hatte Andreas ihr letztes Jahr erzählt, dass er darüber nachdachte.

Damit würde er wirklich Milliardär werden. Nicht nur auf dem Papier. Und Kayla würde mit ihrem Anteil in der Lage sein, Kayla-for-Kids weiter auszubauen, ihr gemeinnütziges Projekt für Kinder und Jugendliche, die ihr Zuhause verloren hatten.

„Nein.“ Andreas runzelte erneut die Stirn. „Ich arbeite für mich und für niemanden sonst.“

Das überraschte Kayla gar nicht. Andreas wollte niemandem Rechenschaft schuldig sein – weder Anteilseignern noch einem Aufsichtsrat. Andreas’ Vater, ein griechischer Geschäftsmann, hatte früher eigenmächtig und arrogant über das Leben seines Sohnes bestimmt. Andreas hatte ihn dafür gehasst und alles getan, um sich seinem Einfluss zu entziehen. Niemand würde ihm je wieder sagen, was er zu tun hatte.

„Vielleicht sollten Sie die Firma ganz verkaufen, wie Sie es bei unserem ersten Treffen angedeutet haben. Dann hätten Sie genug Zeit, nach einer geeigneten Ehefrau zu suchen.“ Genevieves Tonfall verriet, dass sie es für eine sinnvolle Lösung hielt. „Über so viel Geld frei verfügen zu können, würde Ihre Chancen bei der Partnersuche deutlich erhöhen. Damit wäre selbst eine Prinzessin in Reichweite.“

Kayla fiel das Atmen schwer. „Sie wollen, dass er die Firma verkauft?“ Damit er sich eine Prinzessin kaufen konnte?

So viel dazu, dass Andreas nicht nach einer Vorzeigefrau suchte.

„Es wäre eine Lösung.“

„Wofür?“ Bisher hatte Kayla noch kein Problem erkannt, das einer Lösung bedurfte.

Bis auf Andreas’ Idee, sich eine Frau zu kaufen. Und dafür hatte er Geld genug, auch ohne die Firma zu veräußern. Ohne alles zu zerstören, was Kayla und er in den letzten sechs Jahren zusammen aufgebaut hatten.

„Andreas kann nicht länger so viele Überstunden machen. Das ist ein Teil seiner Vereinbarung mit meiner Agentur.“ Genevieve tippte mit einem perfekt manikürten Finger auf ihr Tablet.

„Hast du etwa einen Vertrag unterschrieben?“ Kayla schaute zu Andreas hinüber.

Er warf ihr seinen speziellen Blick zu. Den, der besagte, dass sie noch nicht ganz zu Ende gedacht hatte.

„Einen Vertrag, der deine Arbeitszeit begrenzt?“, fragte sie noch einmal nach.

„Ja.“

„Deshalb musst du noch nicht gleich darüber nachdenken, die Firma zu verkaufen.“

Andreas würde bestimmt nicht nachgeben, oder? Das Unternehmen war ihm viel zu wichtig.

Okay, er liebte sie also nicht. Vielleicht hatte er in ihr nie mehr gesehen als eine begabte Programmiererin mit kreativen Ideen. Aber die Firma bedeutete ihm etwas. KJ Software war nicht nur Kaylas Lebensinhalt, hatte nicht nur ihr die Stabilität gegeben, die sie brauchte.

Andreas hatte die Firma gegen alle Versuche, sie vom Markt zu drängen, mit Zähnen und Klauen verteidigt. Allein der Gedanke, dass er sie verkaufen wollte, war lächerlich. Oder nicht?

Kayla schaute zu Andreas. Der nachdenkliche Glanz in seinen grünen Augen brachte sie dazu, ihre kurzen Fingernägel in ihre plötzlich feuchten Handflächen zu bohren.

Er hatte im letzten Jahr manchmal spöttische Bemerkungen gemacht, sarkastisch erklärt, KJ Software verkaufen zu wollen. Aber sie hatte seinen Worten keine Beachtung geschenkt.

Andreas mochte die treibende Kraft hinter KJ Software sein, aber eins hatte Genevieve nicht verstanden. Auf dem Papier war Kayla für Recherche und Entwicklung zuständig, nur eine Abteilungsleiterin von mehreren, aber in Wirklichkeit war sie das Herz dieses Unternehmens. Doch ihr eigenes Herz brach gerade hinsichtlich Andreas’ Plänen.

„Geht es dir gut, Kayla?“ In Andreas’ Gesicht spiegelte sich milde Besorgnis.

Sie starrte ihn an und konnte nicht antworten. Ihre ganze Welt stürzte gerade in sich zusammen.

„Wir haben mit der Firma alles erreicht, was wir vorhatten.“ Andreas lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er klang zufrieden, als ob er ihr mit seinen Worten nicht gerade ein Messer in die Brust rammte. „Sebastian Hawk hat mich angesprochen und mir ein Angebot für eine Fusion mit seinem Konzern unterbreitet.“

„Eine Fusion?“, fragte sie. „Oder eine Übernahme?“

Andreas verzog das Gesicht. Vielleicht, weil er begriff, dass seine Neuigkeiten nicht auf das erwartete positive Echo stießen. „Eine Übernahme ist wahrscheinlicher.“

„Warum?“ Sebastian Hawk, der Chef eines der weltweit größten Sicherheitsunternehmen, war von Beginn an ihr wichtigster Kunde gewesen. „Er hat schon Lizenzen für unsere Software.“

„Er will die Entwicklung gern selbst steuern.“

„Er will die Kontrolle haben. So wie du.“

Andreas zuckte mit den Schultern. „Er hat drei Kinder und will ihnen ein Firmenimperium hinterlassen.“

„Was ist mit deinen Kindern?“ Wenn Andreas heiraten wollte, wünschte er sich bestimmt auch Kinder. Er hatte oft genug gesagt, der einzige Grund für eine Heirat sei eine echte Familie. Wollte er seinen Kindern etwa nichts hinterlassen?

„Ich überlege, in den Kapitalmarkt einzusteigen.“

„Du hast zu viel ferngesehen.“ Seine Lieblingssendung war eine Realityshow, bei der erfolgreiche Geschäftsleute in Start-ups investierten. Andreas war stolz auf seine Fähigkeit, vorhersagen zu können, welche Unternehmen Angebote bekommen und welche leer ausgehen würden. Er wollte im Haifischbecken des globalen Kapitalismus mitschwimmen.

„So faszinierend das alles auch ist, wir müssen zum Ende kommen.“ Genevieve schaute auf ihre Designeruhr. „Ich habe noch einen weiteren Termin.“

Wirklich? Gab es so viele wohlhabende Männer, die sich Ehefrauen vermitteln ließen? „Wie viele Klienten haben Sie denn?“

„Das ist vertraulich“, teilte Genevieve ihr hochmütig mit.

Kayla hatte den größten Teil ihres Lebens in Pflegefamilien und staatlicher Obhut verbracht. Hochmut beeindruckte sie nicht. „Nicht bei dem Honorar, das Sie verlangen.“

Genevieve schaute zu Andreas. „Ich bin davon ausgegangen, dass dieses Geld aus Ihrem privaten Vermögen stammt?“

Andreas wirkte verärgert. „Selbstverständlich.“

„Dann, fürchte ich, geht es Sie nichts an, Miss Jones.“

Ihr herablassender Tonfall hätte Kayla geärgert, wenn sie nicht sehr viel größere Sorgen gehabt hätte.

Sie stand auf. Ihre Beine zitterten. „Da haben Sie recht. Es geht mich nichts an. Um ehrlich zu ein, weiß ich immer noch nicht, was ich hier überhaupt soll.“ Sie schaute zu Andreas hinüber. „Wenn du die Firma verkaufen willst, kann ich dich nicht daran hindern. Wenn du Miss Patterson mehr zahlen willst, als manche Leute in einem Jahr verdienen, um für dich eine Frau zu finden – und das, obwohl du sonst keine Probleme damit hast –, ist das nicht meine Sache.“ Die Kälte in ihrem Inneren wuchs. Die Entschlossenheit auch. „Dafür hättest du mich nicht bei der Arbeit stören müssen. Eine Textnachricht hätte gereicht.“ Ich habe eine Heiratsvermittlerin engagiert.

„Hast du von mir erwartet, dir per Textnachricht zu sagen, dass ich die Firma verkaufen will?“, fragte Andreas ungläubig.

„Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass du die Firma verkaufst. Und ganz sicher nicht, dass du mich einfach vor vollendete Tatsachen stellst – in einer Besprechung mit einer Wildfremden.“ Sie sah Andreas an, als wäre Genevieve gar nicht im Raum. „Aber offensichtlich habe ich mich in vielen Dingen grundlegend geirrt.“

Er hatte so getan, als ginge es um ein Meeting mit seiner Heiratsvermittlerin. Der Verkauf des Unternehmens war nur zufällig zur Sprache gekommen.

Kayla drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Büro. Mit der Kälte breitete sich Taubheit in ihr aus. Ein Gefühl, das sie kannte. Sie hatte es schon mehr als einmal verspürt.

Als sie begriffen hatte, dass ihre Mutter nicht zurückkommen würde. Sie hatte hinterher zwei Jahre lang kein Wort gesprochen.

Als ihre Pflegemutter gestorben war und Kayla ihre Reise durch zahllose weitere Pflegefamilien begonnen hatte.

Als sie begriffen hatte, dass Andreas nicht mit ihr zusammen sein wollte, weil ihm an ihren Programmierkünsten mehr lag als an ihr.

Bradley stand auf, als Kayla aus dem Büro kam. „Ist alles in Ordnung?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Was ist denn los?“

„Er will heiraten.“ Kayla hatte nicht vor, ihm von dem drohenden Verkauf der Firma zu erzählen. Immerhin war das nicht der offizielle Anlass für die Besprechung gewesen.

„Doch nicht etwa sie?“ Bradley neigte den Kopf in Richtung des Konferenzraums, die Augen groß wie Untertassen.

„Sie ist nur die Heiratsvermittlerin.“

Bradley legte Kayla die Hand auf den Arm. „Das tut mir so leid.“

Sonst sagte er nichts, aber Bradley arbeitete schon seit sechs Jahren in der Firma und kannte Kayla besser als jeder andere – von Andreas einmal abgesehen. Vielleicht sogar besser als er. Immerhin hatte Bradley schon ganz zu Anfang bemerkt, dass sie unsterblich verliebt in seinen ahnungslosen Chef war.

2. KAPITEL

Einige Stunden später saß Kayla an ihrem Schreibtisch und arbeitete an einem Projekt, das sie eigentlich letztes Jahr auf Eis gelegt hatten. Als ihr jemand plötzlich die Hand auf die Schulter legte, wusste sie sofort, wer es war. „Ich bin beschäftigt, Andreas.“

„Woran arbeitest du gerade?“

„An einem Programm, mit dem Sebastian Hawk hundert Millionen Dollar verdienen wird, sobald ich es zum Laufen bekomme.“

„Wir haben die Firma noch nicht verkauft.“

„Aber wir werden sie verkaufen.“

„Werden wir das?“

Sie drehte sich zu Andreas um. „Spiel keine Spiele mit mir.“

Er seufzte und fuhr sich mit den Fingern durch das glänzende schwarze Haar. „Ja, wir werden sie verkaufen.“

„Und wann wolltest du mir das sagen?“ Sie wollte ihn anschreien, Antworten verlangen, ihn fragen, wie er es fertigbrachte, ihr mit einem Schlag alles zu entreißen, was ihr wichtig war.

„Nach unserem Treffen mit Miss Patterson.“

„Wieso sollte ich bei diesem Treffen überhaupt dabei sein?“

„Sie wollte dir Fragen stellen.“

„Warum?“ Kayla versuchte ihr Möglichstes, das Wort nicht wie einen Schrei klingen zu lassen.

Andreas verzog das Gesicht. „Du bist meine beste Freundin und kennst mich sehr gut.“

„Wir sind wirklich tolle Freunde. Du hast mir noch nicht mal erzählt, dass du heiraten willst. Dass du eine Heiratsvermittlerin engagiert hast. Oder unsere Firma verkaufen willst. Ja, so sieht echte Freundschaft aus.“ Ihre Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. Das konnte selbst er nicht überhören.

„Ich habe dir von Genevieve erzählt.“ Er runzelte die Stirn. „Heute.“

Kayla rieb sich die Stirn. Über dem linken Auge begann es, schmerzhaft zu pochen. „Freunde besprechen solche Dinge vorher.“

„Woher weißt du das?“

„Ich weiß, was echte Freundschaft bedeutet.“ Sie hatte nicht viele Freunde, aber immerhin mehr als er.

Er zog eine Braue hoch. „Ich etwa nicht?“

„Wenn es nicht gerade darum geht, ein Problem mit Geld zu lösen, dann nein.“

„Ich werde so tun, als hätte ich das überhört.“

Wie nett von ihm.

Kayla rieb sich die Schläfe. Es half nicht gegen die Kopfschmerzen. Dagegen würde nur eins helfen: das Ende dieser Unterhaltung. „Bradley hätte es mir gesagt. Ihm hast du übrigens auch nichts erzählt.“

„Bradley ist nicht mein Freund. Er ist mein Angestellter.“ Andreas zog eine Grimasse.

„Das wird er auch bald herausfinden. Spätestens, wenn er hört, dass du die Firma verkaufen willst und sein Arbeitsplatz auf dem Spiel steht.“

„Ich habe vor, Bradley mitzunehmen.“

Das überraschte sie nicht. „Gut.“ Zumindest hatte Bradley dann eine Perspektive. Und er und Andreas kamen gut miteinander aus.

Andreas lächelte. Das Lächeln eines Siegertypen, das immer dann auf seinem Gesicht erschien, wenn er sich sicher war, dass alles nach Plan verlief. „Der Verkauf der Firma wird genug Profit abwerfen, dass du in das neue Unternehmen mit einsteigen kannst.“

„Nein danke.“ Sie hatte eigene Pläne gemacht für den Fall, dass sie an die Börse gingen. Diese Pläne änderten sich nicht, nur weil aus dem Börsengang ein Verkauf wurde.

„Wir sind ein gutes Team.“

„Trotzdem nein.“

Zum ersten Mal wirkte Andreas beunruhigt. „Du hast mir noch nicht einmal zugehört.“

„Das muss ich auch nicht. Ich habe nicht vor, meinen Job zu wechseln.“

„Willst du eine neue Firma gründen und Hawk Konkurrenz machen? Muss ich dich daran erinnern, dass du von geschäftlichen Dingen keine Ahnung hast?“

Wenn sie doch nur etwas gewaltbereiter wäre! Nach einer Ohrfeige würde er nicht mehr so selbstzufrieden dreinschauen. „Nein. Wenn ich vorhätte, eine eigene Softwarefirma zu gründen, würde ich mir einen Partner dafür suchen. Aber ich sehe keinen Grund, zu gehen. Sebastian Hawk kennt und respektiert mich. Er weiß, dass die Entwicklungsabteilung ohne mich nicht funktionieren würde.“

„Du hast eine hohe Meinung von deinen Fähigkeiten.“

„Das hattest du auch mal.“

„Das habe ich immer noch.“

Darauf gab Kayla keine Antwort. Die Unterhaltung war ohnehin sinnlos. Sie drehte sich wieder zu ihrem Computer um und änderte eine Zeile ihres Codes, bevor sie den neuen Block einfügte, den sie in der letzten Stunde geschrieben hatte.

„Kayla.“

„Lass mich in Ruhe, Andreas.“

„Genevieve möchte wirklich gern mit dir sprechen.“

„Ich wüsste nicht, wieso. Sie kann mir ihre Fragen per E-Mail schicken.“

„Ich dachte, wir könnten uns alle zusammensetzen.“

Wie gut das funktionierte, hatten sie ja gesehen. „Geh weg, Andreas.“

Wenn sie es oft genug wiederholte, würde er es schließlich tun.

Alle gingen irgendwann, selbst er.

Andreas sagte noch einmal ihren Namen. Kayla ignorierte ihn, setzte ihre Ohrstöpsel ein und rief ihre Lieblingsplaylist auf. Sie begann zu tippen.

Er blieb deutlich länger hinter ihr stehen als erwartet, aber nach dem zweiten Lied war er endlich weg.

Kayla ließ die Schultern sinken. Sie atmete tief durch und ignorierte den Schmerz in ihrer Brust.

Sosehr sie es auch versuchte, es gelang ihr nicht, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren.

Sie musste wissen, wie ihre Zukunft aussehen würde.

Dass Andreas Kostas kein Teil davon sein würde, hatte sie nun begriffen.

Von ihrem Computerarbeitsplatz, an dem sie keinen Internetanschluss hatte, wechselte sie an ihren Schreibtisch und griff nach dem Tablet. Es war einfacher als erwartet, für den nächsten Tag einen Flug nach New York zu buchen. Dort hatte Sebastian Hawks Unternehmen seinen Hauptsitz.

Andreas las die E-Mail der Patterson Group und fluchte leise. Genevieve wies ihn freundlich, aber bestimmt darauf hin, dass er vor dem nächsten Treffen den Persönlichkeitstest und den Fragebogen ausfüllen musste. Er hatte gedacht, mit dem Anmeldeformular wären bereits alle Fragen beantwortet.

Anscheinend nicht.

Wenn Kayla nicht so wütend auf ihn gewesen wäre, hätte er sie um Hilfe bitten können. Auch wenn sie schüchtern und manchmal unbeholfen war, in solchen Dingen war sie erstaunlich versiert.

Die Besprechung zwischen ihr und der Heiratsvermittlerin hätte kaum schlechter verlaufen können. Dabei hatte er keine Ahnung, wie es ihm und Genevieve gelungen war, Kayla so gegen sich aufzubringen.

Es war Jahre her, dass sie ihre Ohrstöpsel zum Einsatz gebracht hatte. Aber wenn sie das tat, war jeder Versuch, weiter mit ihr zu kommunizieren, zum Scheitern verurteilt.

Wenn es um etwas ging, das ihr wichtig war, konnte Kayla sogar noch sturer sein als Andreas.

Sie war wütend, dass er sich entschieden hatte, die Firma zu verkaufen. So viel war ihm klar geworden. Genevieve davon zu erzählen, bevor er mit Kayla gesprochen hatte, war offenbar ein Fehler gewesen.

Aber anscheinend dachte Kayla auch, er hätte mit ihr über seine Absicht, eine Heiratsvermittlerin zu engagieren, im Vorfeld sprechen sollen.

Autor

Lucy Monroe
<p>Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...
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