Eine Nacht für immer?

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Nach einer unvergesslich leidenschaftlichen Nacht ist Megan schwanger. Ausgerechnet von Daniel Pak, dem jungen CFO in der Firma ihres Vaters! Daniels Antrag lehnt sie ab – sicher will er sie nur aus Angst um seinen Job und aus Pflichtgefühl heiraten. Megan dagegen träumt von einer Liebesheirat. Doch unauslöschlich lodert das Verlangen zwischen ihnen! Bedeuten die sinnlichen Zärtlichkeiten, die Megan immer wieder in Daniels Armen genießt, dass sie hoffen darf, sein Herz noch zu erobern?


  • Erscheinungstag 23.05.2023
  • Bandnummer 2290
  • ISBN / Artikelnummer 0803232290
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

PROLOG

Wenn Megan Han und ihre Schwestern gemeinsam als das Hana Trio auftraten, verbanden sich die Klänge ihrer drei Instrumente zu einem harmonischen Ganzen – was auf Koreanisch hana hieß. Angies Cello, Chloes Bratsche und Megans Violine verliehen den zauberhaften Melodien, die die Schwestern tief in ihren Herzen trugen, auf magische Weise Gestalt. Nichts konnte die Freude und Zufriedenheit übertreffen, die Megan empfand, weil sie Teil dieses Zaubers sein durfte. Sie lebte ihren Traum, den sie mit ihren Schwestern teilte. Ein anderes Leben konnte sie sich nicht vorstellen.

Doch seit Kurzem empfand sie eine unerklärliche Unruhe, denn durch die Verbundenheit mit ihren Schwestern wusste sie nicht, wie es war, auf sich allein gestellt zu sein. Vielleicht hatte sie deswegen eingewilligt, in einem kleinen Nachtclub namens Tipsy Dahlia in Hollywood Rock-Violine zu spielen. Das Timing war nicht gerade ideal, denn ihr Auftritt sollte in derselben Nacht stattfinden, in der das Hana Trio sein letztes Konzert der Saison gab. Allerdings durften No-Name-Musikerinnen nicht wählerisch sein. Megan hatte nämlich verschwiegen, dass sie Teil des berühmten Hana Trios war.

Ihre neueste Leidenschaft war die elektrische Geige, mit deren Hilfe sie herausfinden wollte, ob sie ihr Publikum auch ohne ihre Schwestern begeistern konnte. Obwohl sie in ihrer Freizeit tun und lassen konnte, was sie wollte, fühlte sich ihr Auftritt in dem Club wie ein kleines aufregendes Geheimnis an.

Das Geräusch tosenden Beifalls riss sie aus ihren Träumereien und katapultierte sie in die Gegenwart zurück. Ihre Schwestern und sie standen hinter dem Vorhang und warteten auf ihren Auftritt. Megan klatschte ebenfalls, denn das Chamber Orchestra hatte ganz wundervoll gespielt.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass heute schon wieder Schluss ist“, meinte Chloe kopfschüttelnd.

Angie seufzte. „Ich weiß, was du meinst. Die Saison kann ja manchmal ziemlich anstrengend sein“, bemerkte sie. „Trotzdem wird es mir fehlen, vor großem Publikum zu spielen. Die Energie auf diesen Konzerten ist einfach fabelhaft.“

„Tja, dann lasst uns mal rausgehen und für genügend Energie sorgen, dass wir über die konzertfreie Zeit kommen.“ Megan strich über ihr bordeauxrotes bodenlanges Kleid. „Showtime, Ladys.“

Als sie die Bühne betraten, applaudierte das Publikum begeistert. Megan legte sich die Hand auf die Brust und lächelte dankbar. In jüngster Vergangenheit war das Hana Trio noch populärer geworden – woran das Werk, das sie am heutigen Abend spielen würden, nicht ganz unschuldig war. Angies Ehemann Joshua hatte es eigens für sie komponiert. Seit der Premiere in der vergangenen Konzertsaison war es zu einem ihrer bekanntesten Stücke geworden, das ihre Fans immer wieder von ihnen hören wollten.

Nachdem sie sich gesetzt hatten, verstummte das Publikum in gespannter Erwartung. Megan legte die Geige an ihr Kinn und sah ihren Schwestern in die Augen. Dann nickte sie sacht und senkte den Bogen auf die Saiten, und die ersten zarten Klänge des Hana Trios erfüllten das Auditorium.

Der Zauber des Stücks schlug sie augenblicklich in seinen Bann, und bedächtig wiegte sie sich im Takt der Musik. Zu ihren Seiten taten ihre Schwestern es ihr gleich, während die Melodie durch sie hindurchfloss, über ihre Instrumente Gestalt annahm und die Menschen in den Bann zog.

Bis die letzte Note gespielt worden war, verharrten die Zuhörer völlig reglos und still. Doch dann, beinahe so, als hätte ein Hypnotiseur das Zeichen zum Aufwachen gegeben, sprangen die Menschen auf und klatschten frenetisch Beifall. Megan und ihre Schwestern erhoben sich ebenfalls und verneigten sich tief – erst einmal, dann ein zweites Mal. Erfüllt von euphorischer Hochstimmung, verließ Megan schließlich gemeinsam mit Angie und Chloe die Bühne.

„Ich bin so stolz auf euch.“ Angie umarmte erst Chloe und anschließend Megan, wobei sie immer noch ihr Cello festhielt.

„Und wir auf dich.“ Megan erwiderte die Umarmung ihrer älteren Schwester.

„Vergesst bitte Joshua nicht“, meldete sich ihre jüngere Schwester zu Wort. „Wir sollten es ihm hoch anrechnen, ein solches Meisterwerk für uns komponiert zu haben.“

„Danke, Chloe“, sagte Joshua, der gerade zu ihnen hinter die Bühne gekommen war. „Ihr drei habt einfach überwältigend schön gespielt.“

Er umarmte Angie und küsste sie zärtlich auf die Stirn. Mit einem verträumten Seufzen beobachtete Megan die beiden. Eines Tages würde auch ihr Seelenverwandter sie finden. Sie wünschte nur, er ließe sich nicht so furchtbar viel Zeit damit.

„Mir ist schon klar, dass ich das Kompliment des Komponisten wohl nicht mehr toppen kann.“ Mit einem stolzen Lächeln trat ihr Vater hinzu. „Aber ihr habt einfach zauberhaft gespielt.“

Nachdem er Megan und Chloe umarmt hatte, wandte er sich an Angie und zögerte einen Moment. Schließich schlang sie lächelnd die Arme um seine Taille und zog ihn an sich. Er schloss die Augen und wirkte so, als würde er diesen kostbaren Moment für immer in seiner Erinnerung abspeichern. Angie und ihr Dad hatten nahezu sechs Jahre lang jeglichen Kontakt miteinander gemieden. Erst im vergangenen Jahr hatten sie wieder zueinandergefunden.

Ahbunim.“ Joshua verneigte sich.

„Es tut gut, dich zu sehen, Sohn.“ Ihr Vater klopfte Joshua auf den Rücken, bevor er auf ein Paar deutete, das etwas abseits stand. „Mädchen, erinnert ihr euch an Mr. und Mrs. Werner?“

„Ihr drei seid so entzückende talentierte junge Damen geworden“, sagte Anne Werner herzlich. „Eure Mom wäre stolz auf euch.“

Ihr Vater war CEO der Jigu Corporation, ein Unternehmen, das auf elektronische Bauteile spezialisiert war. Anne Werner war Vorstandsmitglied und früher eine enge Freundin von Megans, Chloes und Angies Mutter gewesen, bevor diese vor sieben Jahren einer Krebserkrankung erlag.

„Vielen Dank“, erwiderte Megan und drückte Anne. Ihre Schwestern folgten ihrem Beispiel.

„Eigentlich wollte ich euch unseren neuen kaufmännischen Geschäftsführer vorstellen.“ Ihr Vater sah sich suchend um. „Aber leider ist er nicht zum Konzert gekommen. Vielleicht hat ihn die Arbeit von dem Besuch abgehalten.“

„Wie überaus respektlos“, bemerkte Anne. „Minsung, ich habe dir doch gesagt, dieser junge Mann ist arroganter, als ihm guttut.“

„Du verwechselst Arroganz mit Selbstvertrauen“, erklärte Minsung Han besonnen. „Er wird die Jigu Corporation noch erfolgreicher machen. Ihr werdet schon sehen.“

„Anne …“ Tim Werner legte seiner Frau beschwichtigend die Hand auf die Schulter, als sie Luft holte, um etwas auf Minsungs Bemerkung zu erwidern. „Denkst du nicht auch, dass es besser ist, ein anderes Mal über das Geschäft zu sprechen? Heute Abend sollte es nur um das Hana Trio und die Chamber Music Society gehen.“

„Weise Worte, Tim“, meinte ihr Vater erleichtert. „Und jetzt sollten wir rausgehen und feiern – wir alle.“

„Ich, ähm …“ Megan sah rasch auf die Uhr. Mist. Ihr blieb weniger als eine Stunde, um sich umzuziehen und nach Hollywood zu ihrem Debüt in den Nachtclub zu fahren. Demonstrativ gähnte sie. „Also, ich bin völlig erledigt und mache mich wohl besser auf den Heimweg.“

„Dann fahre ich mit dir nach Hause“, erklärte ihr Dad besorgt. Sofort plagten Megan Gewissensbisse, denn sie hasste es, zu lügen, selbst wenn es sich nur um eine harmlose Notlüge handelte. Doch im Augenblick war sie noch nicht bereit, irgendjemandem etwas von ihrem Ausflug in die Welt der Rockmusik zu erzählen. Sie wusste ja noch nicht einmal, ob sie ohne ihre Schwestern erfolgreich sein würde.

„Das ist doch nicht nötig“, erwiderte sie rasch. „Geh und feiere mit den anderen. Wir sind doch auch mit zwei Autos hergekommen. Wir sehen uns morgen früh, Appa“, schlug sie vor, wobei sie die koreanische Anrede für „Daddy“ verwendete.

Bevor jemand etwas darauf entgegnen konnte, raffte sie ihr Kleid und eilte in den Umkleideraum, wo außer ihr im Augenblick niemand war.

Hastig streifte sie ihr Abendkleid hinunter und schlüpfte in eine enge, zerrissene Jeans und ein schwarzes Bustiertop. Dann schüttelte sie ihre schwarzen Locken auf und band sie zu einem lässigen Pferdeschwanz zusammen. Anschließend trug sie noch dunklen Lidschatten und purpurfarbenen Lippenstift auf.

Lächelnd betrachtete sie die Fremde, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte. Das machte wirklich Spaß. Um niemandem etwas erklären zu müssen, beeilte sie sich, unentdeckt zu ihrem Auto zu gelangen. Als sie den Motor startete, blieben ihr noch fünfundvierzig Minuten, weswegen sie ordentlich aufs Gaspedal ihres roten Porsche Carrera trat.

Keinesfalls wollte sie zu spät zu ihrem ersten Auftritt kommen. Als professionelle Musikerin verabscheute sie die Vorstellung, ihr Publikum warten zu lassen. Doch sie war nur noch zwei Blocks von der Bar entfernt, als ihr Porsche unvermittelt an Geschwindigkeit verlor und zu ruckeln begann. Megan konnte den Wagen gerade noch an den Bordstein lenken, als der Motor auch schon mit einem leisen Jammern erstarb.

„Nein, nein, nein!“ Verzweifelt umklammerte sie das Lenkrad und rüttelte daran, als könne sie den Porsche auf diese Weise wieder zum Leben erwecken. Als das nicht half, stieg sie aus und ging zum Heck des Autos, um die Klappe zu öffnen und einen Blick auf den Motor zu werfen. Stöhnend fasste sie sich an den Kopf. „Ich weiß ja nicht mal, wonach ich eigentlich suche“, sagte sie zu sich selbst.

Ein schwarzer Maserati fuhr hinter sie an die Seite und hielt an. Dem Himmel sei Dank für diesen barmherzigen Samariter! dachte Megan und drehte sich neugierig um, um den Mann in Augenschein zu nehmen, der aus dem Wagen stieg. Er war groß, attraktiv und hatte sich das schwarze Haar aus der Stirn gestrichen. Seine Augen waren kaffeebraun, und die hohen Wangenknochen verliehen dem Fremden eine so faszinierende Ausstrahlung, dass Megan den Blick nicht abwenden konnte.

Erst als ihr auffiel, dass sich die Lippen dieses gut aussehenden Mannes bewegten, schüttelte sie hastig den Kopf. „Entschuldigen Sie“, bat sie. „Was haben Sie gerade gesagt?“

„Brauchen Sie Hilfe?“, fragte er mit seinem sexy Bariton und stellte sich neben Megan.

„Ja, mein Auto hat gerade den Geist aufgegeben.“ Schnell blickte sie wieder in den Motorraum, um nicht unentwegt den Mann anzustarren.

„Lassen Sie mich mal einen Blick darauf werfen.“ Er löste seine Manschettenknöpfe und rollte die Ärmel hoch, wobei er muskulöse Unterarme entblößte. „Wollen Sie noch mal versuchen, den Motor zu starten?“

„Wie? Ach so, ja, klar“, erwiderte sie, blieb jedoch wie angewurzelt stehen. Fragend sah der Fremde Megan an. „Oh, natürlich. Ich gehe jetzt. Den Wagen anlassen.“

Beinahe hätte sie sich Luft zugefächelt, nachdem sie sich auf den Fahrersitz gesetzt hatte, unterdrückte den Impuls aber gerade noch rechtzeitig. Wie alt war sie denn? Zwölf? Sie fiel ja beinahe in Ohnmacht vor Verzückung. Zeig wenigstens ein bisschen Würde, Megan! ermahnte sie sich. Außerdem war sie in Eile, denn sie musste unbedingt zum Club, wenn sie sich nicht verspäten wollte. Gerade als sie nach dem Zündschlüssel griff, fiel ihr Blick auf eine Anzeige auf dem Armaturenbrett.

„Nein!“ Heftig schüttelte sie den Kopf. „Bitte, das kann doch nicht sein!“

Doch die Tankanzeige enthüllte die schonungslose Wahrheit: Ihr Auto war nicht kaputt – Megan hatte lediglich vergessen zu tanken. Stöhnend stieß Megan mit der Stirn gegen das Lenkrad. Wie hatte sie nur derart unaufmerksam sein können?

„Alles in Ordnung bei Ihnen?“

Mit einem überraschten Aufschrei setzte Megan sich auf. Du liebe Güte, sie hatte den Samariter ja völlig vergessen! Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass ihr völlig entgangen war, wie der Fremde neben die Fahrertür getreten war.

„Ja, also, ähm … Hi!“ Sie fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden.

„Hi“, erwiderte er und begann, unmerklich zu lächeln. „Geht es Ihnen gut?“

„Ja, danke.“ Sie atmete tief aus. „Aber ich weiß jetzt, was mit meinem Auto nicht stimmt, und es ist mir total peinlich. Ich habe kein Benzin mehr.“

Er zog die Augenbrauen hoch und sagte ohne eine Spur von Ironie: „Na, da bin ich aber froh, dass Sie das Problem erkannt haben.“

„Ja, vielen Dank noch mal, dass Sie helfen wollten“, sagte sie leise und griff verlegen nach ihrem Handy, denn auf keinen Fall konnte sie dem Fremden jetzt in die Augen sehen. Allerdings wusste sie, dass sie keine Chance hatte, an einem Samstagabend nach einundzwanzig Uhr ein Taxi oder eine andere Mitfahrgelegenheit in Los Angeles zu ergattern, um nach Hollywood zu kommen. „Ich bin verloren.“ Die App, die sie aufgerufen hatte, bestätigte Sekunden später ihre Befürchtungen.

„Wieso?“

Sie sah hoch und entdeckte wieder dieses flüchtige Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte. „Wenn man mal davon absieht, dass Sie am Straßenrand festsitzen“, fügte der Fremde hinzu.

„Ich habe gleich einen Auftritt in einem Club in Hollywood, aber ich werde es wohl nicht mehr pünktlich schaffen.“ Sie öffnete eine andere App und seufzte. „Zurzeit sind alle Fahrer ausgebucht.“

„Ich würde Ihnen ja gern anbieten, Sie zu fahren, aber ich muss zu einer Veranstaltung der Chamber Music Society.“

Nun war es an ihr, ihn mitleidig anzulächeln. „Sorry, aber das Konzert ist bereits seit einer halben Stunde beendet.“

„Shit!“ Er richtete sich auf und strich sich durchs Haar. „Das bedeutet dann wohl, dass ich Sie doch nach Hollywood fahren kann“, sagte er nachdenklich.

Vermutlich war es die blödeste Idee ihres Lebens, bei einem völlig Fremden mitzufahren, doch die Musikerin in ihr wollte um keinen Preis ihr Debüt verpassen. Außerdem war sie eine gute Menschenkennerin und hatte sich bisher stets auf ihr Bauchgefühl verlassen können – und bei diesem Mann schien es keinerlei Einwände zu haben.

„Ich fürchte, dass ich Ihre Freundlichkeit ganz unverschämt ausnutzen muss“, sagte sie und knabberte gedankenverloren an ihrer Unterlippe, in der Hoffnung, ihre Entscheidung nicht zu bereuen.

„Unbedingt“, entgegnete er liebenswürdig.

Also holte Megan ihre Geige und verriegelte den Wagen. Glücklicherweise war sie in einer Straße stehen geblieben, in der man von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens parken durfte. So konnte sie nach ihrem Auftritt mit einem Kanister Benzin zurückkehren. Sie gingen zu dem Maserati, und der Mann hielt die Beifahrertür für sie auf.

Nachdem er Tipsy Dahlia – den Namen des Clubs, in dem Megan auftreten würde – in sein Navi eingegeben hatte, steuerte er den Wagen wieder auf die Straße. Verstohlen und mit wild klopfendem Herzen musterte Megan ihren Retter. Sie wusste nicht, wann sie sich das letzte Mal so sehr zu einem Mann hingezogen gefühlt hatte – was vermutlich daran lag, dass sie so etwas in dieser Intensität noch nie empfunden hatte. Die magische Anziehungskraft, die von ihm ausging, war prickelnd und nervig zugleich.

„Sie sind nicht zufälligerweise ein Axtmörder oder so was in der Art?“, fragte sie, um sich von dem lustvollen Gefühl, das sich in ihr ausbreitete, abzulenken.

„Hätten Sie das nicht besser schon gefragt, bevor Sie sich zu mir ins Auto gesetzt haben?“, erkundigte er sich amüsiert. „Aber keine Sorge. Ich kann Ihnen versichern, dass ich noch nie eine Axt besessen habe.“

Sie lachte erleichtert. „Übrigens, ich heiße Megan.“

„Und ich Daniel“, erwiderte er und warf ihr einen interessierten Blick zu, der Megan erschauern ließ. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“

„Danke, dass Sie mir helfen.“ Schüchtern sah sie auf ihre Hände.

„Ist mir ein Vergnügen.“ Der Klang seiner samtig tiefen Stimme fühlte sich an wie eine zärtliche Berührung. „Darf ich fragen, was Sie heute Abend vortragen?“

„Etwas, das ich zum ersten Mal mache“, gestand sie. „Ich spiele Rock-Violine.“

„Faszinierend“, erwiderte er, und Megan war nicht sicher, ob er ihren Auftritt oder sie damit meinte. „Ist das Ihre Geige?“

„Ja, meine E-Geige.“ Sie tätschelte den Kasten neben ihren Beinen. Das Instrument darin war in einem strahlenden Rot lackiert und sah einfach spektakulär aus.

„Ich freue mich schon darauf, Sie zu hören“, erwiderte er.

„Dann wollen Sie also bleiben?“, fragte sie glücklich lächelnd.

„Ich täte nichts lieber.“ Sein sanftes Lächeln ließ Megans Herz höherschlagen.

Vermutlich sollte sie der Sache nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Bestimmt war er nur neugierig darauf, ein Konzert mit einer Rock-Violine zu hören. Megan erging es nicht anders, schließlich war sie auch noch nie auf einem gewesen oder hatte auf einem gespielt. Hoffentlich kam sie noch rechtzeitig in den Club, denn sie fürchtete, nicht mehr auftreten zu können, wenn sie sich verspätete. Ängstlich starrte sie auf die Uhr im Armaturenbrett.

„Wann beginnt denn Ihr Auftritt?“, wollte Daniel wissen.

„Um zehn.“ Unruhig rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her.

„Das schaffen wir“, versicherte er und trat aufs Gaspedal.

Genau drei Minuten vor zehn fuhren sie vor dem Club vor. Hastig griff Megan nach ihrer Violine und stieg aus dem Maserati. „Vielen Dank noch mal!“, rief sie, als sie schon auf dem Bürgersteig stand.

Als sie das Tipsy Dahlia betrat, blieben ihr noch zwei Minuten. Eine kostbare Minute verbrachte sie damit, ihr Augen-Make-up aufzufrischen, bevor sie sich durch die Menschenmenge in Richtung Backstage hindurchzwängte. Zumindest hoffte sie, die richtige Richtung eingeschlagen zu haben, denn der Club war zwar klein, aber gut besucht.

Atemlos erreichte sie die Bühne, da kündigte sie der Moderator auch schon an. „Und hier ist Megan, die euch mit ihrer Violine so richtig einheizen wird!“

Ein wohlbekanntes Gefühl – eine Mischung aus Angst und Euphorie – erfasste sie, als sie die Bühne betrat. Allein. Das Spotlicht war so blendend, dass sie kaum etwas sehen konnte. Unwillkürlich sah sie über die Schulter nach hinten, doch ihre Schwestern waren nicht da, um ihr aufmunternd zuzulächeln oder ihre Hand zu drücken.

Nervös schluckte sie und sah wieder zum Publikum. Obwohl sie wegen des hellen Lichts immer noch nichts sah, hatte sie das Gefühl, als würden sich die anwesenden Menschen zu einer Meereswoge formen und sie sanft umspülen. Tief atmete Megan ein. Diese Menschen waren hier, um Musik zu hören, und nichts tat sie lieber, als ihre Musik mit dem Publikum zu teilen. Sie klemmte die Violine unter das Kinn und lächelte glücklich, denn sie wusste, dass sie das schaffte.

Ihr Auftritt war wild, laut und pure Energie. Sie gab sich voll und ganz der Musik hin, die einen ursprünglichen, kraftvollen Zauber wob. Als Megan die höchsten Töne des Stücks immer schneller spielte, während sie ihre liebsten Heavy-Metal-Gitarren-Solos interpretierte, tobte das Publikum vor Begeisterung. Wie auf einer Welle trug Megans Musik sie auf schwindelerregende Höhen, um sie dann wieder ins Tal zu stürzen und kurz darauf wieder von vorn zu beginnen. Als sie fertig war, riss sie die Arme in die Höhe, in der einen Hand die Violine, in der anderen den Bogen, und genoss den Jubel.

„Danke schön! Ihr seid einfach großartig!“, stieß sie hervor, bevor sie schwitzend, doch gleichzeitig beflügelt von all dem Adrenalin in ihrem Körper die Bühne verließ.

Sie hatte es geschafft, hatte tatsächlich ihren ersten verfluchten Soloauftritt hingelegt. Hin- und hergerissen zwischen Lachen und Weinen presste sie schluchzend die Hand auf den Mund. Es war ein unbeschreiblich gutes Gefühl, zu wissen, in sich selbst verankert zu sein und auch allein ihre Träume verwirklichen zu können. Sie schloss die Augen, um diesen Moment zu genießen.

„Ein spektakulärer Auftritt.“

Megan riss die Augen auf und drehte sich um. Mit verschränkten Armen lehnte der attraktive Fremde an der Wand.

„Sie sind also tatsächlich geblieben“, presste sie glücklich hervor.

„Ich habe doch gesagt, dass ich bleibe.“ Er stieß sich von der Wand ab und kam zu ihr herüber.

Rasch verstaute sie ihre Geige und richtete sich auf, um ihn anzusehen. „Warum?“

Ein paar Schritte von ihr entfernt blieb er stehen und musterte sie so verlangend, dass Megan das Gefühl hatte, vor Lust vergehen zu müssen. „Ihretwegen.“

Instinkt war schon eine witzige Angelegenheit. Zwar hatte sie nie zuvor einen Mann attackiert, aber diesem Fremden fiel sie um den Hals, als hätte sie es schon hundert Mal getan. Verlangend schmiegte sie sich an ihn, als könnte sie auf diese Weise mit ihm verschmelzen. Dabei griff sie in sein dichtes Haar und presste begierig die Lippen auf seine, wobei sie ihm ein Bein um die Taille schlang.

Dankbar bemerkte sie, wie er ihren Po umfasste. Lustvoll stöhnte sie auf, und seine Zunge eroberte siegessicher ihren Mund. Ihre Zähne schlugen sacht aneinander, als Megan ihn tiefer in sich aufnahm und sich atemlos dem leidenschaftlichen Kuss hingab.

Dabei hatte sie bestimmt noch nicht mehr als zehn Sätze mit diesem Mann gewechselt und kannte nicht einmal seinen Nachnamen. Doch das spielte keine Rolle, denn ihr Körper hatte die Kontrolle übernommen. Es machte ihr verdammt noch mal nicht das Geringste aus, dass sie einen Fremden küsste, als hinge ihr Leben davon ab.

Er umfasste ihre Taille und hob sie hoch, sodass sie auch ihr anderes Bein um seine Taille legen konnte. Rasch drehte er sich mit ihr herum, und einen Augenblick später fühlte Megan die Wand an ihrem Rücken. Überrascht stieß sie den Atem aus, als er mit einer Hand eine ihrer Brüste umfasste. Nichts um sich herum nahm Megan mehr wahr, bis Daniel sie wieder auf den Boden stellte – ihre Taille weiterhin fest umklammert.

„Lass uns von hier verschwinden“, stieß er atemlos hervor.

Da Megan nicht sicher war, ob sie im Augenblick sprechen konnte, nickte sie nur. Dunkle Lust flammte in seinem Blick auf, als er ihre Hand nahm und mit ihr auf den Ausgang zusteuerte. Glücklich lächelnd lief Megan neben ihm her. Diese absolut außergewöhnliche Nacht gehörte ihr ganz allein.

1. KAPITEL

Drei Monate später

„Bitte erzähl mir nicht, dass das dein Lunch ist“, sagte Angie und verzog beim Anblick der Tüte mit supersauren Gummibärchen angewidert das Gesicht.

Ungerührt steckte Megan sich ein weiteres Gummitierchen in den Mund und kaute, um gegen die aufsteigende Welle von Übelkeit anzukämpfen. „Natürlich nicht“, erwiderte sie. „Es ist 15 Uhr. Wer isst denn um diese Zeit noch Lunch?“

Sie befand sich kurz vor dem zweiten Trimester ihrer Schwangerschaft, und ihre Morgenübelkeit, die sich zumeist über den ganzen Tag erstreckte, ließ allmählich nach. Immerhin konnte sie zum Mittag schon ein paar Löffel Suppe essen, die sie anschließend mit einer Flasche Cola herunterspülte, weil sie den Geschmack von Wasser immer noch ekelerregend fand. Auf jeden Fall war es besser, als von sauren Gummibärchen und kandiertem Ingwer zu leben, wie sie es in den vergangenen Monaten getan hatte.

„Ich mache mir Sorgen um dich“, gestand ihre ältere Schwester. „Du hast abgenommen.“

Megan lächelte. Sie liebte es, von ihrer Unnie umsorgt zu werden. Das Wort Unnie verwandte man im Koreanischen für eine ältere Frau. Auf der einen Seite konnte sie es kaum erwarten, ihren Schwestern von ihrer Schwangerschaft zu erzählen, damit sie sich nicht noch mehr Gedanken über sie machten. Doch auf der anderen Seite wollte sie Chloe und Angie nicht unnötig beunruhigen, denn sie plante, das Kind allein aufzuziehen.

Kurz erschien das Bild des schönen Fremden vor ihrem geistigen Auge, doch sie schob es beiseite. Das war alles, was er war. Ein Fremder. Außerdem hatte sie gar keine Möglichkeit, ihn zu kontaktieren, um ihm von ihrer Schwangerschaft zu berichten. Dieses Baby gehörte ihr ganz allein.

Sie atmete tief ein, um gegen die aufsteigende Panik anzukämpfen. Sie würde es allein schaffen – schon ihrem Baby zuliebe. Mein Baby. Sie dachte an ihren Auftritt im Tipsy Dahlia und daran, wie gut es sich angefühlt hatte, etwas allein zu schaffen. Dieser Gedanke erfüllte sie mit neuem Mut. Ich schaffe das! dachte sie zuversichtlich.

„Vor allem bist du sowieso schon so schlank und kannst es dir nicht leisten, weiter abzunehmen“, fügte Chloe hinzu. „Wenn ich ein paar Pfund verlieren sollte, wäre das ja nicht so schlimm.“

Angie schnalzte mit der Zunge. „Du bist genau richtig, so wie du bist.“

„Ich weiß doch“, erwiderte Chloe lächelnd. „Ich wollte ja nur sagen, dass Megan wieder besser essen muss.“

„Jetzt hört aber auf, euch gegen mich zu verbünden“, beschwerte sich Megan und rollte mit den Augen. Schon vor ihrer Schwangerschaft hatten ihre Schwestern ständig Aufhebens um Megans Leidenschaft für Süßigkeiten gemacht. „Ich esse auch richtige Sachen. Zufrieden?“

„Ja.“ Angie nickte. „Können wir an die Arbeit gehen?“

„Auf geht’s!“ Chloe hob die Bratsche an ihr Kinn. „Dieses Stück haben wir schon seit Monaten nicht mehr gespielt. Da müssen wir wohl viel üben.“

Dreimal pro Woche probten Megan und ihre Schwestern in einem Raum, den sie im örtlichen Community College gemietet hatten. Da die neue Spielsaison kurz bevorstand, würden sie sogar noch häufiger üben müssen.

Autor

Jayci Lee
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