Falsches Spiel, echte Gefühle?

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Der vierte Autounfall innerhalb kurzer Zeit! Amelia ist dem heißen Footballspieler Antone Williams hinten draufgefahren. Aus Angst um ihren Führerschein gibt sie sich als ihre Zwillingsschwester aus – die prominente Schauspielerin hat bestimmt nichts zu befürchten. Prompt bittet Antone sie um ein Date! Auch wenn ihre Identität falsch ist – Amelias Gefühle für Antone sind bald umso echter! Aber was wird passieren, wenn sie dem Football-Promi gesteht, dass er nur eine gewöhnliche Geschäftsfrau datet und nicht die berühmte Hollywoodschönheit?


  • Erscheinungstag 06.06.2023
  • Bandnummer 2293
  • ISBN / Artikelnummer 0803232293
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein Unglück kommt selten allein.

Betreff: Ankündigung eines Rechtsverfahrens

Sehr geehrte Amelia Hartmann,

wir bitten Sie, dieses Schreiben als offizielle Aufkündigung der Vereinbarung über die Unterhaltszahlungen im Fall Amelia Hartmann gegen Scott Altman zu verstehen.

Mr. Altman verlangt im Fall der Scheidung eine einmalige Abfindung statt regelmäßiger Unterhaltszahlungen. Wir bedauern die Notwendigkeit eines Rechtsverfahrens in dieser Sache, doch wir müssen darauf bestehen, dass Sie dieses Schreiben als verbindlich im Sinne der Rechtsprechung des Staates Montana betrachten.

Bla, bla, bla …

Amelia las den Brief zum hundertsten Mal, während sie versuchte, Ruhe zu bewahren. Immerhin gab es einen Silberstreif am Horizont: Die Scheidung rückte endlich näher.

„Wir bedauern die Notwendigkeit eines Rechtsverfahrens … von wegen!“ Ihre Hände zitterten. „Klar, ich bin sicher, dass er vor Gram weint.“

Mehr konnte an diesem Montag kaum schiefgehen. Amelia gab das Schreiben ihrem neuen Anwalt, PJ Banks, und bedauerte kurz, dass sie den langjährigen Familienanwalt Saul Kellermann nicht mit diesem skandalösen Vorgang beauftragen konnte. Doch sobald Saul Kellermann Wind von der Sache bekam, erfuhr es auch ihre Mutter und, schlimmer noch, ihr großer Bruder Nick, der Inbegriff von Vernunft und Verantwortungsbewusstsein. Ehe sie sichs versah, würde sie mit guten Ratschlägen bombardiert werden.

Vor elf Monaten hatte Saul das Scheidungsverfahren eingeleitet, doch dann war alles ins Stocken geraten, und sie hatte die Sache selbst in die Hand genommen. Sie hatte damals Saul gebeten, zumindest einen Standardvertrag für die Scheidung auszuarbeiten, damit es eine Verhandlungsgrundlage gab. Hauptsache, die Familie wurde nicht hineingezogen. Leider war es ohne einen Anwalt schwierig, ihre Interessen bei der Scheidung durchzusetzen. Daher war es ihr als Fügung erschienen, als sie PJ kennenlernte.

Was sie mehr als alles andere fürchtete, war, dass ihr älterer Bruder Nick, CEO von Hartmann Enterprises, ihr Vorwürfe machte und dann sein Scheckbuch zückte, um das Problem mit ihrer Scheidung aus der Welt zu schaffen. Es war schon peinlich genug gewesen, dass sie sich überhaupt scheiden lassen wollte. Und jetzt musste sie sich höchstwahrscheinlich auch noch medienwirksam mit ihrem arbeitslosen Exmann wegen der Unterhaltszahlungen streiten. Dabei nahm ihre Familie an, dass die Scheidung längst durch war. Sie musste die Sache unbedingt für sich behalten, auch wenn es durch das aktuelle Schreiben nun schien, als würde es für sie ziemlich teuer werden …

Was für ein Glück, dass PJ Banks aufgetaucht war. Er würde als ihr Anwalt die Scheidung diskret durchboxen. Niemand würde etwas erfahren. Amelia hatte ihn vor zwei Wochen bei einer exklusiven Veranstaltung für ehemalige Harvard-Absolventen kennengelernt. Als er ihr seine Visitenkarte gab, flatterten Schmetterlinge in ihrem Bauch auf. Er war groß und sah verteufelt gut aus. Vielleicht wirkte er ein bisschen zu glatt und war ein bisschen zu charmant, aber das konnte bei einem Anwalt nicht schaden.

Amelia grub ihre Fingernägel in die Handflächen. Sie musste endlich damit aufhören, Dinge zu tun, die nicht funktionierten, und gleichzeitig darauf zu hoffen, dass man sie ernst nahm. Ständig wollte sie ihre Familie beeindrucken und erreichte nur das Gegenteil. Es wurde Zeit, erwachsen zu werden.

„Machen Sie sich keine Sorgen, Ms. Hartmann. Solche offiziellen Schreiben klingen alle gleich. Die Gegenseite versucht, Stärke zu zeigen. Das ist gut, so haben wir eine Chance auf Einigung“, sagte PJ gelassen und lehnte sich auf dem ledernen Bürostuhl zurück.

„Bitte nennen Sie mich Amelia“, bat sie und fand es schade, dass er es nicht von sich aus getan hatte. Er war sexy, und ihr war das das ganze Gespräch viel zu geschäftsmäßig.

„Es heißt, dass Ihre Freunde Sie Mia nennen“, bemerkte PJ und zog eine Augenbraue hoch.

Schon besser. „Stimmt. Aber ich glaube nicht, dass wir bereits Freunde sind“, erwiderte sie.

„Verstehe“, antwortete er und wedelte mit dem Brief, während er Amelia über den Konferenztisch hinweg einen Moment zu lange in die Augen schaute. „Machen Sie sich keine Sorgen, hübsche Lady. Wir regeln die Sache, bevor wir uns näherkommen.“

„Ich werde mich nicht auf diese Abfindung einlassen“, sagte Amelia hart und war überrascht, wie entschlossen sie klang. Sie war mehr als nur eine hübsche Lady. „Für das, was Scott tut, bin ich nicht mehr verantwortlich“, fügte sie hinzu und milderte ihre erste Aussage mit einem halben Lächeln. „Wir sind geschieden. Jedenfalls hat er in die Scheidung eingewilligt. Er kann nicht einfach ein halbes Jahr später kommen und alles infrage stellen.“

Nervös strich sie ihren Bleistiftrock glatt. Sie war sehr jung gewesen, als sie Scott geheiratet hatte, diesen höchst selbstbewussten Typ mit dem Grübchen in der Wange. Die Romanze war heiß gewesen und schnell erkaltet. Bald hatte sie gemerkt, dass sie überhaupt nicht zusammenpassten. Zweiundzwanzig war zu jung gewesen, um zu heiraten, aber nun schien es ihr, als sei neunundzwanzig zu alt für eine Scheidung.

Sie riss sich aus ihren Gedanken. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein Glas Mineralwasser?“ Da PJ hier in Bozeman kein eigenes Büro zur Verfügung hatte, da sich der Sitz seiner Anwaltskanzlei in New York City befand, hätten sie sich in einem der Büros treffen können, die zum immensen Immobilienbesitz der Hartmanns gehörten. Doch da sie das Treffen geheim halten wollte, war sie zu ihm ins Hotel gegangen. Nun saßen sie sich in einem der hoteleigenen Konferenzräume gegenüber. Ehe sie PJ angerufen und ihn gebeten hatte, nach Bozeman zu kommen, hatte sie sich ein wenig schlau über ihn gemacht und bei seiner Sekretärin Referenzen angefordert. Was sie erfuhr, war nicht erstklassig, aber er war offensichtlich gut in seinem Job. Und der größte Vorteil war, dass er keinerlei Verbindung zu ihrer Familie hatte, abgesehen von seinem Harvard-Examen.

„Mit Kohlensäure, wenn es geht“, sagte PJ, doch dann stand er selbst auf und fügte hinzu: „Ich hole uns was. Es ist immer lustig, herauszufinden, wo sie die Minibar versteckt haben. Diese Hoteldesigner denken sich immer neue Orte aus. Schränke oder Bücherregale …“ PJ fand den Kühlschrank und kam mit zwei Gläsern Mineralwasser zurück. Er schob einen Untersetzer über den Tisch und gönnte Amelia ein jungenhaftes Lächeln.

Es fiel ihr schwer, ihre Enttäuschung über die bevorstehende Scheidungsklage zu unterdrücken. Wahrscheinlich war es naiv, aber es schockierte sie, dass der Mann, den sie einmal geliebt hatte, so offensichtlich hinter ihrem Geld her war. Und das auf solch brutale Weise. Unter dem Tisch trommelte Amelia mit den Fingern auf ihren Oberschenkel. Es war eine dumme Angewohnheit, aber es half ihr, Stress abzubauen.

„Und was nun?“, fragte sie und trommelte weiter.

„Hören Sie, die Familie Altman hat nicht viel zu verlieren. Die Tatsache, dass er enterbt wurde, ehe er Sie geheiratet hat …“

„Das hat er mir nie gesagt“, unterbrach sie ihn überrascht. Sie hatte immer angenommen, dass er erst enterbt worden war, nachdem er mit ihr durchgebrannt war. Denn nach der Hochzeit hatte er sie verantwortlich dafür gemacht, dass er nun mittellos war. Anscheinend war all dies Teil seines Plans gewesen, eine Hartmann zu heiraten, um sich finanziell zu sanieren. Und sie war darauf hereingefallen.

„Das ist nur ein Gerücht“, korrigierte er sich sofort. „Auf jeden Fall war er bei der Heirat finanziell in einer völlig anderen Situation als Sie. Die Scheidung gibt ihm nun Grund, auf Unterhalt zu klagen.“

„Aber wir haben einen Ehevertrag und keine Kinder“, wandte sie ein. „Außerdem könnte er ja arbeiten gehen. Dieser Rechtsstreit ist eine Farce.“ Sicher war sie da jedoch nicht. Nur gut, dass Nick und Saul vor sieben Jahren auf diesem Ehevertrag bestanden hatten.

„Ms. Hartmann. Amelia. Ich möchte Sie bitten, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Sich vor Gericht zu streiten, kostet viel Geld und Zeit. Es könnte also sein, dass es für Sie günstiger ist, auf die Forderung einzugehen. Auch Ihr Ehemann weiß das.“ PJ lächelte.

„Ex-Mann“, korrigierte Amelia. „Wollen Sie mir damit sagen, dass mich ein Scheidungsverfahren mehr kosten würde als fünfhunderttausend Dollar Abfindung? Was passiert, wenn er plötzlich eine Million will? Es überrascht mich, dass er den Schmerz und den Stress vergisst, den er mir bereitet hat. Meine Familie geht davon aus, dass ich längst geschieden bin. Sie dürfen nicht wissen, dass das Verfahren noch läuft.“

Sie vergrub das Gesicht in den Händen. „Das ist alles so peinlich“, seufzte sie, dann griff sie nach dem Anwaltsschreiben und hielt es hoch. „Dieser Brief klingt eher nach einer Lösegeldforderung als nach einer offiziellen Scheidungsklage.“ Ihre Stimme zitterte.

„Bei Ihrem Vermögen wäre die geforderte Summe doch relativ unbedeutend“ bemerkte PJ. „Diese Anwaltsschreiben sind standardisiert. Es geht nur darum, die beste Verhandlungsposition zu erreichen. Denken Sie positiv, Amelia. Es würde Sie gar nicht so viel kosten, selbst, nachdem Sie mein Honorar bezahlt haben.“ Er lachte über seinen Scherz.

Der Optimismus ihres Anwalts beruhigte sie etwas. Er würde bestimmt nicht scherzen, wenn es sich um ein ernstes Problem handeln würde.

„Es gibt keinen Anlass, positiv zu denken.“ Sie nahm ihr Wasserglas, stellte es jedoch gleich darauf mit so viel Nachdruck wieder hin, dass Wasser herausschwappte. Fieberhaft dachte sie über einen Ausweg nach. Wenn sie nachweisen konnte, dass Scott ihr über seine finanziellen Verhältnisse nicht die Wahrheit gesagt hatte und schon vor der Hochzeit enterbt worden war, konnte sie vielleicht auf einer Annullierung der Ehe bestehen statt eine Scheidung durchzufechten. Dann würde sich die Unterhaltsforderung von selbst erledigen.

Oder falls er sich einer kriminellen Handlung schuldig gemacht hatte – was bei Scott durchaus im Bereich des Möglichen lag – und sie es beweisen konnte, wäre sie frei.

PJ räusperte sich. „Ich bin Ihr Anwalt und arbeite für Sie. Es ist meine Pflicht, Sie zu beraten. Meine Erfahrung sagt mir, dass es immer preiswerter ist, eine Einigung zu erzielen. Es tut gar nicht so weh.“

Amelia schüttelte den Kopf. „Das Letzte, was die Familie Hartmann braucht, ist ein Dominoeffekt aus wiederholten Forderungen. Ich werde darauf nicht eingehen.“

Sie trank einen Schluck Wasser, stellte das Glas auf den ledernen Untersetzer, stand auf und verließ den Konferenzraum.

Wie sehr sie sich danach sehnte, das alles hinter sich zu lassen. Aber dieser Albtraum hörte und hörte nicht auf.

Derzeit war es nicht einfach, Amelia Hartmann zu sein.

Nicht weinen.

Amelia kniff die Augen zusammen und bemühte sich um Fassung. Es war ja nur ein kleiner Zusammenstoß, kein Unfall mit Verletzten oder gar Toten.

Andererseits war es eine Katastrophe. Denn dies war der vierte Autounfall, den sie in den letzten vier Monaten verschuldet hatte. Sie würde ihren Führerschein verlieren.

Wie viel Punkte bekam man für überhöhte Geschwindigkeit? Sechs? Und dann noch zwei für den Unfall?

Ohne die Augen zu öffnen, dachte sie an den Termin vor drei Wochen in der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle. Es war demütigend gewesen. Man hatte ihr gedroht, ihr den Führerschein wegzunehmen. Und jetzt hatte sie wieder einen Unfall gebaut.

Ein Unglück kam eben selten allein. Und das an einem Montag.

Sie redete sich ein, dass sie diesmal gar nicht schuld an dem Crash war. Der Lexus vor ihr hatte unvermittelt gebremst. Niemand konnte von ihr verlangen, dass sie so etwas voraussah. Dieser Fahrer hatte sich einfach unverantwortlich verhalten.

Eine innere Stimme sagte ihr allerdings, dass sie trotzdem hätte bremsen müssen.

Und jetzt? Musste sie sich in Zukunft von einem neugierigen Chauffeur herumkutschieren lassen, so wie ihr Bruder Nick? Wie oft hatten sie und ihre Zwillingsschwester Evie ihn aufgezogen, weil er eine Vorliebe dafür besaß, nicht selbst am Steuer zu sitzen. Falls sie ihren Führerschein verlor, musste sie demnächst eine der Familienlimousinen nutzen und sich von einem livrierten Fahrer die Tür aufhalten lassen, wenn sie sich einen Kaffee bei Starbucks holen wollte. Nein, das ging gar nicht. Ihre Scheidung hatte sie sowieso schon zum Gespött der Familie gemacht.

Obwohl sie eineiige Zwillinge waren, gab es große Unterschiede zwischen ihr und ihrer Schwester. Evie führte ein glamouröses Leben als Hollywood-Sternchen, während Amelia versuchte, den schwächelnden Hotelbereich des bekannten Familienunternehmens am Laufen zu halten. Evie galt in der Familie als jemand, die niemals stolperte, und Amelia als diejenige, die den Kopf hinhielt, wenn etwas schiefging. Evie hatte noch nie einen Strafzettel bekommen, aber soweit Amelia wusste, lag das mehr an ihrer Bekanntheit als Schauspielerin und ihrem Talent, mit Ordnungshütern zu flirten, als daran, dass sie unter einem guten Stern geboren war.

Amelia öffnete die Augen. Sie waren Zwillinge. Dann waren sie ja unter dem gleichen guten Stern geboren, oder? Doch ein Blick auf den Polizisten, der zufällig Zeuge des Crashs gewesen war, genügte, und sie wusste es besser.

Der uniformierte Cop kam mit wiegendem Schritt auf sie zu. Seine Haltung verriet, dass er das Recht auf seiner Seite wusste.

Klar, sie würde einen Strafzettel bekommen, und wenn der Polizist den Namen Hartmann auf ihrem Führerschein las, gab es zwei Möglichkeiten. Entweder er war ein Fan der Familie oder er war keiner.

Sie beugte sich vor und suchte nach ihrer Handtasche, die vor dem Beifahrersitz auf dem Boden lag. Doch zu ihrer Überraschung ertastete sie dort zuerst Evies Clutch. Wieder einmal hatte sie ihre Tasche in Mias Auto vergessen.

Sofort überlegte sie, ob wohl Evies Führerschein darin lag. Nervös kramte sie darin. Gefunden! Der Führerschein ihrer Zwillingsschwester. Die noch nie einen Strafzettel bekommen hatte. Und ihr zum Verwechseln ähnlich sah.

„Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte, Ma’am“, sagte der Cop und streckte die Hand aus.

Es schien ihr eine gute Idee, dem Polizisten Evies Papiere zu geben, doch sobald der Mann nach vorne zum Fahrer des Lexus ging, bereute sie ihre unüberlegte Entscheidung. Sie hatte mal wieder Mist gebaut.

Einen Polizisten anzulügen war kriminell. Oder nicht?

Amelia strich sich das Haar aus dem Gesicht und konzentrierte sich, um sich abzulenken, auf den Inhalt von Evies Tasche. Sie fand einen knallroten Lippenstift, öffnete ihn und trug ihn auf. Wenn sie schon Evie Hartmann spielte, dann wollte sie auch überzeugend wirken.

Der Cop beugte sich nun zum Wagenfenster des Lexus, und Amelia beobachtete überrascht, dass der Polizist seine Sonnenbrille abnahm, dem Fahrer einen Notizblock und einen Stift reichte, und danach ein Selfie mit ihm machte.

Verrückt, dachte Amelia. Habe ich einen Instagram-Influencer gerammt? Aber welcher Cop interessierte sich für Influencer?

Nun nickte der Polizist, und Amelia sah entsetzt, dass er dem Fahrer ihre Papiere in den Wagen reichte. Oder besser: die Papiere ihrer Schwester.

Nervös angelte sie nach dem Wasser im Halter neben dem Fahrersitz und trank einen Schluck. Selfies? Echt? Okay, sie war vermutlich schuld an dem kleinen Auffahrunfall, aber es war illegal, dem Fahrer ihre Dokumente auszuhändigen. Oder ehrlicherweise die ihrer Schwester. Mit diesem Cop würde sie ein Wörtchen zu reden haben. Oder mit seinem Vorgesetzten. Schließlich hatte ihr großer Bruder die private Mobilnummer des Innenministers. Und dann würde dieser Polizist erfahren, was passierte, wenn er sich mit den Hartmanns anlegte …

Doch dann fiel ihr ein, dass sie ihren Bruder in dieser Sache nicht einschalten konnte, denn sonst musste sie zugeben, dass sie sich für ihre Schwester ausgegeben hatte.

Angestrengt spähte Amelia nach vorn und versuchte, durch die getönten Scheiben des Lexus zu erkennen, wer der Fahrer war. In diesem Moment wurde die Fahrertür geöffnet, und der schönste Mann, den sie je gesehen hatte, stieg aus.

Hastig trank sie noch einen Schluck Wasser und war dankbar für Evies Lippenstift. Ob in der Tasche auch ein Parfüm war? Sie wühlte kurz und förderte ein Pröbchen ‚J’adore‘ zutage. Auf Evie und ihre Liebe zu Dior war Verlass. Rasch wollte sie ein wenig Parfüm auflegen, doch die Düse schien verstopft.

Als Amelia aufsah, bemerkte sie, dass der superattraktive Typ zu ihr rüberkam. Hektisch versuchte sie wieder, den Sprühknopf zu betätigen, diesmal näher an ihrem Hals. Da rutschte ihr Daumen ab, und in einem unerklärlichen Reflex wiederholte sie die Bewegung.

Sofort war das ganze Auto erfüllt von dem süßlichen, schweren Duft. Statt weniger Duftmoleküle hatte sie das Parfüm als nassen Fleck auf ihrer Seidenbluse verteilt. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte das ganze Desaster. Sie war eben nicht Evie, sondern die unbeholfene Mia, nur beinahe geschieden und außerstande, einen guten Eindruck zu machen, wenn sie gleich das erste Mal mit dem unglaublich gut aussehenden Fahrer des Wagens, den sie gerade zerbeult hatte, zusammentraf.

Dieser Mann war hochgewachsen und hatte eine blendende Figur, aber das war es nicht, was ihren Atem stocken ließ. Irgendwie kam ihr der Typ bekannt vor. Er hätte ein Filmstar sein können, aber sie war sicher, dass sie ihn in einem anderen Zusammenhang gesehen hatte. Mit bebenden Fingern knöpfte sie ihre Bluse ein wenig weiter auf und schob den Kragen zurück. Besser zu viel Dekolleté als ein nasser Fleck.

In dem Augenblick trat er an ihr Wagenfenster und gab ihr den Führerschein zurück.

„Schön, Sie kennenzulernen, Evie Hartmann“, sagte er mit tiefer, warmer Stimme. Und diese Stimme besaß auch noch einen sinnlichen Unterton. Offenbar war er tatsächlich erfreut, Evie Hartmann zu treffen.

Amelia ließ das Wagenfenster etwas weiter herunter, nahm den Führerschein und schaute in schokoladenbraune Augen, aus denen Wärme strahlte.

„Es tut mir leid, dass ich Ihren Wagen gerammt habe“, erklärte sie. „Aber Sie haben so plötzlich gebremst, und ich habe nicht erwartet …“

Er winkte ab und bedeutete ihr, das Fenster weiter zu öffnen.

Da sie befürchtete, ein Schwall von Parfüm würde dann nach außen dringen, stieg sie hastig aus und warf die Fahrertür zu.

„Es tut mir wirklich leid“, begann sie erneut und bemühte sich um den atemlosen, verführerischen Tonfall, den Evie immer draufhatte.

„Das glaube ich Ihnen.“ Der Mann lächelte.

Im Gegensatz zu ihr hatte er ganz klar kein Problem mit kaputten Sprühköpfen. Sein Duft, den Amelia nun wahrnahm, war würzig-frisch und sehr männlich. Er roch unglaublich sexy.

Er war Afroamerikaner, durchtrainiert, mit breiten Schultern und einem selbstbewussten Lächeln. Zu seiner bordeauxfarbenen Baumwollhose trug er ein kastanienbraunes Sakko, darunter ein schwarzes T-Shirt, das seine muskulöse Brust betonte. Der Mann hatte die Figur eines professionellen Athleten oder Martial-Art-Kämpfers. Amelia war kurz davor, hysterisch zu kichern und ihr Haar über die Schulter zurückzuwerfen, doch stattdessen lächelte sie steif und sagte: „Ich weiß wirklich nicht, wie mir das passieren konnte. Vermutlich war ich nicht darauf gefasst, dass Sie so plötzlich bremsen.“

Das strahlende Lächeln des Mannes verschwand, und Mia bereute das, was sie gesagt hatte. Die vergangenen elf Monate hatten an ihren Nerven gezerrt, mit dem Erfolg, dass sie sich schnell in die Defensive drängen ließ.

„Es ist mir völlig gleichgültig, weshalb es passiert ist“, erwiderte der Mann. „Hauptsache, die Medien bekommen keinen Wind davon.“

Keine Medien, aha. Wer war dieser Typ?

„Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin, hm, Evie Hartmann.“ Ihre Stimme klang brüchig, und sie straffte ihre Schultern. Immerhin war sie eine Hartmann. „Ich habe auch kein Interesse daran, dass dieser Vorfall in die Öffentlichkeit gelangt.“ Selbst wenn er nicht von hier war, wusste er bestimmt, wer die Hartmanns waren. Jeder kannte die Familie.

„Antone. Ich bin Antone Williams.“

Sofort begriff sie, weshalb er ihr so bekannt vorkam. Antone Williams, Wide Receiver der Texas Horns und der erfolgreichste Spieler in der National Football League seit Jerry Rice.

Jetzt wünschte sie, tatsächlich Evie zu sein. Dann wäre sie nicht um eine kluge oder witzige Antwort verlegen gewesen. Stattdessen sagte sie: „Schön, Sie kennenzulernen.“ Das war weder brillant noch witzig. Und die Parfümwolke, die sie umgab, war ihr unglaublich peinlich, obgleich er es nicht zu riechen schien.

„Wie gut, dass wir uns treffen“, konstatierte er.

Seltsame Antwort. „Wieso? Finden Sie es gut, dass ich Ihnen reingefahren bin? An einem Montag kommt man doch gern zu spät zu einem Meeting.“

„Tut mir leid, wenn ich Sie aufgehalten habe“, gab er kühl zurück.

Nervös trat Amelia in ihren Stiletto-Pumps von einem Fuß auf den anderen. „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich komme natürlich für den Schaden auf.“

Der athletische Mann winkte ab. „Es sind doch nur ein paar Kratzer. Mir geht es vor allem darum, die Sache aus den Medien herauszuhalten. Der Polizist ist einverstanden, keine Anzeige wegen rücksichtsloser Verkehrsgefährdung zu erstatten, solange ich es nicht tue.“

„Rücksichtslose Verkehrsgefährdung?“, wiederholte sie entsetzt. Das war eine Straftat und wäre sie teurer zu stehen gekommen als nur den Verlust des Führerscheins. Oder besser Evies Führerschein …

„Hier ist eine Baustelle, daher gibt es tagsüber eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf zwanzig Meilen die Stunde. Sie hatten bestimmt vierzig drauf, als Sie auf mich draufgefahren sind. Dazu handelt es sich um eine verkehrsberuhigte Zone vor einer Schule …“

Seine klare Missbilligung brachte sie auf die Palme. „Weder die Baustelle noch die Schule sind eindeutig gekennzeichnet“, gab sie zurück. „Mein Anwalt würde da sicher …“ Sie brach ab, weil sie erkannte, wie hoffnungslos sie im Unrecht war.

„Ich habe dem Cop ein Autogramm gegeben, und er durfte ein Selfie mit mir machen. Von meiner Seite aus ist die Sache erledigt.“ Antone lächelte entwaffnend.

Amelias Mund wurde trocken. „D…danke“, stammelte sie. Sein perfekt getrimmter Bart, der das Grübchen in seinem Kinn gerade noch erahnen ließ, machte sein Gesicht mit den intelligenten, funkelnden Augen und dem kurzen Haar noch attraktiver. Hastig strich sie eine Haarsträhne hinters Ohr und versuchte, Evies flirtendes Lächeln nachzuahmen. Leider war sie, seit die Scheidung lief, ziemlich aus der Übung.

„Ich mache das nicht umsonst.“ Er zwinkerte ihr zu. „Es gibt eine Bedingung.“

Klar. Wie konnte es anders sein.

Es gab immer eine Bedingung. Und nie zu ihren Gunsten.

2. KAPITEL

Eine gute Gelegenheit

Antone Williams lächelte, als er beobachtete, wie die Brünette unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. Was für ein unglaublicher Zufall, dass ihm ausgerechnet Joannas Lieblingsschauspielerin aufgefahren war. Heute morgen erst hatte sich die Frau seines besten Freundes zwanzig Minuten lang über die neueste romantische Komödie mit Evie Hartmann ausgebreitet. Und hier war sie, die Hauptdarstellerin, in Fleisch und Blut. Sicher, in Montana auf ein Mitglied der Hartmanns zu treffen, war immer möglich. Schließlich handelte es sich um die einflussreichste Familie im Bundesstaat und gleichzeitig um einen der größten Arbeitgeber – bisher zumindest. Es war ein Glücksfall, Evie zwischen zwei Produktionen anzutreffen. Bisher hatte er noch kein Geburtstagsgeschenk für Joanna, und nun war es ihm quasi vor die Füße gefallen. Ganz zu schweigen davon, dass die lokale Berühmtheit Evie Hartmann ihm bei der Präsentation seiner neuen Firma helfen konnte. Falls sie sich dazu überreden ließ.

Er runzelte die Stirn. Eigentlich brauchte er sie gar nicht zu überreden, denn sie hatte ebenso wie er nicht das geringste Interesse, dass der Unfall öffentlich bekannt wurde.

Als er das Foto auf dem Führerschein gesehen hatte, den der Cop ihm reichte, war er neugierig geworden. Es war kein Geheimnis, dass er für Dunkelhaarige etwas übrighatte. Doch dann hatte er den Namen gelesen und sich spontan entschlossen, den Unfall für seine Zwecke zu nutzen. Normalerweise war das nicht sein Stil, doch hier machte er eine Ausnahme. Er gönnte dem Cop ein Selfie, und als Gegenleistung durfte er Miss Hartmann den Führerschein persönlich zurückgeben. Das hatte sich gelohnt, denn jetzt lächelte ihn die schöne Brünette an.

„Sie sind anders, als ich es erwartet habe“, begann er und hoffte, dass die kleine Drohung wegen Verkehrsgefährdung gewirkt hatte. Er wollte, dass Evie Hartmann sich ihm verpflichtet fühlte. Das würde die Dinge vereinfachen.

„Und was haben Sie erwartet?“, gab sie lächelnd zurück und klimperte ein bisschen zu auffällig mit den langen Wimpern.

„Wir sollten uns zuerst einmal den Schaden ansehen“, schlug er vor. „Dann klären wir die Spielstrategie.“ Spielstrategie? Er dachte offenbar immer noch wie ein Wide Receiver. Aber Strategie stimmte. Schließlich war er dabei, ein erfolgreicher Geschäftsmann zu werden.

Evie Hartmann war größer, als er gedacht hatte, aber dafür waren vermutlich auch die Manolos mit ihren zwölf Zentimetern Absatz verantwortlich. Doch selbst damit wirkte sie neben ihm zierlich, allerdings mit atemberaubenden Kurven. Sie trug ein Kostüm, und er fragte sich, ob sie auf dem Weg zu einem Agenten oder Produzenten war. Jedenfalls sah sie nicht aus wie ein Modefreak. Allerdings stand die Bluse etwas zu weit offen, was einen reizvollen Kontrast zu dem Business-Outfit bildete. 

Als Evie nun zu seinem Lexus vorauseilte, um sich die Beule, die sie verursacht hatte, anzuschauen, blickte Antone ihr einen Moment nach und fand, dass es einige gute Argumente für Bleistiftröcke gab. Sie betonten das, was an einer Frau besonders anziehend war.

Er ignorierte die Reaktion seines Körpers und folgte ihr.

„Ich glaube, das ist leicht zu reparieren. Also, jedenfalls habe ich schon Schlimmeres gesehen“, plapperte sie und vermied es, ihn anzusehen.

„Ich wusste gar nicht, dass Sie Automechanikerin sind“, bemerkte er.

„Und ich wusste nicht, dass Sie so spitzzüngig sind.“

Er ging nicht darauf ein. „Es wäre lästig, meinen Wagen in die Werkstatt bringen zu müssen, denn ich bin geschäftlich unterwegs. In dringenden Angelegenheiten.“ Evie Hartmann konnte ihm nützlich sein. Sie war genau das, was er brauchte. In mehr als einer Hinsicht. „Also, hören Sie, ich kümmere mich um den Schaden, aber ich möchte von Ihnen eine Gegenleistung.“

Sie holte eine große Sonnenbrille aus ihrer Tasche und setzte sie auf. „Halt, das ist …“

„Es geht nicht um die Kosten“, sagte er rasch. „Aber vielleicht könnte ich Sie überreden, mit mir auf eine Geburtstagsparty zu gehen.“

Überrascht und nicht besonders erfreut sah sie zu ihm auf.

Autor

Katie Frey
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