Geraubt vom Highlander

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Am Hochzeitsmorgen entführt! Die schöne Lady Arabella wollte Caelan Mackintosh ehelichen, damit endlich Frieden zwischen ihren verfeindeten Clans einkehrt. Stattdessen wird sie von Caelans Cousin Brodie in die Highlands verschleppt. Dem Mörder ihres Bruders! Wie eine Wildkatze kämpft Arabella gegen Brodies breitschultrige Überlegenheit, seine unverschämte männliche Anziehungskraft unter den Sternen der Highlands - vergeblich: Sein erster Kuss zeigt ihr, dass Leidenschaft heißer als Hass brennen kann. Aber soll sie Brodie deshalb glauben? Er behauptet, dass nicht er, sondern ihr Bräutigam den Tod ihres Bruders auf dem Gewissen hat …


  • Erscheinungstag 14.02.2017
  • Bandnummer 330
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768072
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Arabella Cameron konnte nachempfinden, wie sich die Eisschicht auf einem winterlichen See anfühlte. Das Lächeln, wie festgefroren in ihrem Gesicht, als sich ein weiterer Mackintosh daranmachte, ihre Schönheit in Versen zu preisen, würde bald zerspringen wie brüchiges Eis, das von einem Stein getroffen wird. Sie war nicht besonders zuversichtlich, das Lächeln noch lang aufrechterhalten zu können, während der Lobgesang sich zu immer absurderen Höhen aufschwang. Es kribbelte ihr in der Nase, und ihre Sorge, ihr würden die Gesichtszüge entgleisen, wich der noch größeren Angst, in Gelächter auszubrechen.

Sie atmete langsam ein und blinzelte einige Male in der Hoffnung, so die Fassung wahren zu können. Arabella sah auf und erschrak, als sie Brodie Mackintoshs düsterem glühendem Blick begegnete. Der ältere der beiden Männer, die als Nachfolger des Mackintosh gehandelt wurden, saß am Ende des Tisches zu ihrer Rechten und starrte sie unverwandt an. Sie konnte sich nicht entsinnen, ihn in der kurzen Zeit, die sie ihn nun kannte, auch nur einmal lächeln gesehen zu haben.

Nichts in seinen mahagonibraunen Augen verriet ihr, was er von den Männern hielt, die die Clans mit Lobpreisungen ihrer, Arabellas, Schönheit und ihres Anmuts ergötzten. Oder was er über Arabella dachte. Oder über die Tatsache, dass sie binnen weniger Monate seine Frau sein könnte. Völlig in Bann geschlagen von seinem durchdringenden Blick, hatte sie gar nicht bemerkt, dass der Barde zum Ende gekommen war und sich erwartungsvolle Stille auf den Saal herabgesenkt hatte.

Bis Brodie Mackintosh den Blick abwandte und den Kopf drehte zu … zum Barden des Mackintosh-Clans, der verstummt war und Arabella nun gespannt ansah. Arabella nickte und klatschte in die Hände.

„Eure gütigen Worte ehren mich sehr …“ Sie konnte sich nicht an seinen Namen erinnern.

„Dougal war keineswegs gütig, Lady Arabella“, unterbrach Caelan Mackintosh sie. Er saß zu ihrer Linken und zwinkerte ihr zu. Offenbar hatte er gemerkt, dass sie den Namen des Barden vergessen hatte. „Er hat nichts als die Wahrheit gesagt, wie wir alle sehen können.“ Sie wandte sich wieder dem Barden zu.

„Dennoch ehrt mich Euer Lob, Dougal. Und ich danke Euch für Eure Komposition und Euren Vortrag.“

Der Barde verneigte sich und kehrte unter dem Beifall der Festgesellschaft zu seinem Platz zurück. Caelan neigte sich zu ihr und sprach so leise, dass die anderen es nicht hören konnten.

„Mit Eurer Schönheit und Eurer Anmut habt Ihr alle Mackintoshs betört, Arabella. Die Camerons hätten längst siegreich aus dieser Fehde hervorgehen können, wenn sie Euch als Geheimwaffe eingesetzt hätten.“ Er strich ihr sanft über die Hand und führte dann den Becher zum Mund, wobei er sie nicht aus den Augen ließ. „Ihr habt mich betört.“

Diese Worte hörte sie nicht zum ersten Mal. Sie war schon oft für ihre Schönheit gerühmt worden, die doch nichts war als ein Geschenk des Allmächtigen, das nichts mit ihren eigenen Leistungen zu tun hatte. Doch als sie in Caelans tiefblaue Augen sah, wünschte sie sich, seinen Worten Glauben schenken zu können.

Er bot ihr seinen Becher an, sodass ihre Lippen die Stelle berührten, von der er getrunken hatte. Arabella ließ es zu, gewährte dem Mann, den sie vielleicht heiraten würde, diese kleine Geste der Intimität. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem verlockenden Lächeln, als sie trank. Die Hitze, die sie daraufhin durchströmte, rührte nicht von dem Wein, sondern von der Art, wie Caelan sie ansah, während sie sich einen Tropfen von den Lippen leckte. Er beugte sich vor, als würde er hier und jetzt einen Kuss wagen, und sie hielt den Atem an.

Ein lautes Krachen ließ sie zusammenfahren, und sie drehte sich um. Sie sah noch, wie Brodie sich nach seinem schweren Becher bückte und ihn auf den Tisch zurückstellte. Der Zwischenfall, ob nun absichtlich herbeigeführt oder nicht, hatte den Moment zwischen ihr und Caelan zerstört. Jede Hoffnung, ihn wieder aufleben zu lassen, wurde zunichte gemacht, als ihr Vater das Wort ergriff.

„Deine Tante wartet auf dich, Arabella. Such dein Gemach auf.“

Wenn nur ihr Vater und ihr eigener Clan anwesend gewesen wären, hätte sie sich vielleicht widersetzt, doch hier und jetzt hätte sie das niemals getan. Nicht nachdem so viel davon abhing, dass sie sich als gehorsame, pflichtbewusste Tochter zeigte, deren einzige Aufgabe darin bestand, ihren Clan vor tödlichem Gemetzel und völliger Auslöschung zu bewahren.

Sie setzte das verhasste Lächeln auf, erhob sich und knickste vor ihrem Vater und dem Mackintosh. Danach ging sie um den Tisch und die Stufen nach unten. Dort stand ihre Tante Devorgilla und beobachtete sie. Zweifellos würde sie ihr einen Vortrag über ihr Benehmen und ihre Erscheinung halten. Arabella bedachte jeden, der sie grüßte, mit einem Lächeln und einem Kopfnicken. Von all den Stunden erzwungener Liebenswürdigkeit war sie völlig erschöpft.

Ein Dienstbote mit einer Fackel geleitete sie durch den Flur und die Treppe hinauf in das Gemach, das ihr für ihren Aufenthalt zugeteilt worden war. Dort angekommen, ließ sie sich auf das Bett fallen und gestattete ihren gequälten Gesichtszügen, sich zu entspannen. Sie wusste, was jetzt kommen würde.

„Du hast zu dicht bei dem einen gesessen und den anderen ignoriert, Arabella.“ An der Art, wie sich die hohe Stimme im Raum bewegte, erkannte Arabella selbst mit geschlossenen Augen, dass ihre Tante vor dem Bett auf und ab marschierte. „Du darfst nicht den Anschein erwecken, als gäbest du einem von beiden den Vorzug.“

„Aye, Tante Devorgilla“, sagte sie, ohne die Augen zu öffnen.

„Während des letzten Vortrags hast du nicht aufgepasst. Eine solche Missachtung solltest du weder dem Barden der Mackintoshs noch dem Harfenisten noch …“

„Schon gut, Tante Devorgilla“, fiel sie ihrer Tante ins Wort. „Meine Mutter hätte sich wegen meines schlechten Benehmens auf dem Fest furchtbar geschämt … und weil ich deinen Warnungen nicht genügend Beachtung geschenkt habe …“ Diese und andere Bekenntnisse strömten aus ihr heraus, und dem darauffolgenden Schweigen entnahm Arabella, dass sie ihre Tante betroffen gemacht hatte.

„Kind“, flüsterte Devorgilla. „Deine Mutter wäre stolz auf dich gewesen. Stolz darauf, dass du die Pflicht erfüllst, zu der du geboren wurdest.“ Die Stimme ihrer Tante klang erstickt, und Arabella hob den Kopf, um die jüngste Schwester ihrer Mutter anzusehen. „Sie wäre so stolz darauf gewesen, dass du deine Pflicht erfüllst, obwohl es einfacher wäre, es nicht zu tun. Obwohl es bedeutet, dass du den Rest deines Lebens unter unseren Feinden zubringen musst.“

„Tante Gillie“, sagte sie. Sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. „Es tut mir ja so leid. Ich wollte mich nicht wie ein eigensinniges Kind verhalten. Ich weiß deinen Rat zu schätzen, ehrlich. Ich bin einfach müde. Morgen früh werde ich dem Ganzen gelassener begegnen.“

„Komm jetzt, Kind“, meinte ihre Tante und trat zu ihr. „Ich helfe dir, dich bettfertig zu machen.“

„Nay. Dazu kann ich Ailean rufen.“ Ihre jüngere Cousine diente ihr als Gesellschafterin und Zofe, wenn es nötig war.

„Still jetzt“, entgegnete Devorgilla und lockerte die Bänder an Arabellas Oberkleid. Bald stand Arabella im Hemd da. Als ihre Tante begann, ihren langen Zopf zu lösen, seufzte sie auf. „Setz dich“, ordnete ihre Tante an.

Zuerst teilte sie die geflochtenen Strähnen und kämmte das Haar dann mit einer weichen Bürste aus. Mit jedem Augenblick, der verging, löste sich die Spannung in Arabella, und sie gab sich ihrer Erschöpfung hin. Ihre Lider wurden schwer, und ihr Körper wurde schlaff. Mit jedem Bürstenstrich schwanden ihre Sorgen.

„Was ist für morgen geplant?“

Solcherart an die vor ihr liegende Ungewissheit erinnert, seufzte Arabella erneut auf.

„Ein Ausritt mit Caelan am Morgen, ein Ausritt mit Brodie nach dem Mittagsmahl. Keine Sorge, Tante Gillie, Ailean wird an meiner Seite sein, sobald ich die Burg verlasse.“

„Wegen deiner Sicherheit mache ich mir keine Sorgen, Kind. Ich sorge mich um dein Herz.“ Ihre Tante ließ die Bürste sinken und trat einen Schritt zurück. Arabella wandte sich um und entdeckte im Blick ihrer Tante eine Trauer, die sie dort noch nie gesehen hatte. „Lass nicht zu, dass du dein Herz an einen von beiden verlierst, ehe die Ältesten entscheiden, wer der Nachfolger des Mackintosh werden soll. Damit handelst du dir für die vor dir liegenden Jahre nur Schmerz und Kummer ein.“

„Tante Gillie, was …?“ Damit hatte sie nicht gerechnet. Hinter dieser überraschenden Bemerkung steckte sicher mehr, als schlichte Fürsorglichkeit.

„Nun, wie auch immer, Arabella“, unterbrach ihre Tante sie, ehe sie die Frage beenden konnte. „Ich bin wohl doch müder, als ich dachte. Ich werde nun mein Nachtlager aufsuchen.“

Ohne ein weiteres Wort legte ihre Tante die Bürste hin, wandte sich um und verließ den Raum. Zugegeben, die Warnung, auf ihr Herz achtzugeben, hatte sie schon öfter gehört, doch was ihre Tante über Schmerz und Kummer gesagt hatte, ließ auf etwas Persönliches schließen. Sie würde dem am nächsten Morgen nachgehen. Ein leises Klopfen kündigte Aileans Kommen an. Kurz darauf lag Arabella in der stillen Dunkelheit und dachte über die Unterschiede zwischen den Mackintosh-Vettern und ihre Zukunft als Ehefrau von einem von beiden nach.

Wohlmeinend wie ihre Tante war, hatte sie allerdings nicht berücksichtigt, was Arabella angesichts der einen Tatsache empfand, die sich niemals ändern würde – wen sie auch heiratete, sie würde sich ihrem Feind schenken. Sie würde in den Clan einheiraten, der ihre Familie über Generationen bekriegt und massakriert hatte. Man hoffte auf ein Ende der Fehde, wenn sie das nächste Oberhaupt der Mackintoshs ehelichte.

Was auch geschah, Arabella würde sehr bald einen Feind heiraten.

Brodie hielt einer der Frauen, die am Tisch bedienten, den Becher hin und sah zu, wie sie ihn füllte. Er bedankte sich mit einem Nicken und fuhr fort, sämtliche Camerons in der großen Halle zu beobachten. Sie kamen unter der Flagge des Waffenstillstands und nahmen die angebotene Gastfreundschaft in Anspruch, doch Brodie traute keinem von ihnen.

Während er von Krieger zu Krieger blickte, war er sich bewusst, dass einige von ihnen in den Scharmützeln und Schlachten der Vergangenheit Mackintoshs getötet hatten. Und unter den älteren Camerons waren einige, die weder den Waffenstillstand noch das bevorstehende Abkommen wollten. Umso mehr Grund, ihnen nicht zu trauen.

Nicht einmal der goldbezopften Erbin des Clans traute er. Die Halle, in der das Fest zu ihrer Begrüßung stattfand, begann sich zu leeren, nachdem Lady Arabella Cameron sich zurückgezogen hatte. Er sah sich im Raum um und begegnete dem Blick der Männer, die er in der Nähe der Camerons postiert hatte.

Sollten die Barden doch ein Loblied auf ihre Schönheit singen. Sollte sein Vetter ihr doch mit Feuereifer den Hof machen. Er kümmerte sich um die Sicherheit seines Clans, während andere den Höfling spielten und die Gefahren ignorierten. Nachdem ihm jeder seiner Männer zugenickt hatte, wandte er sich wieder seinem Onkel, seinem Vetter und ihren Gästen zu.

Brodie war zufrieden, einfach nur das Geschehen um sich herum aufzunehmen und sich auf kein Gespräch einzulassen. Dabei bemerkte er, wie der Cameron und Malcolm, sein ältester Sohn, dasaßen und redeten, und er sah auch, wie sie ihn beäugten. Es bestärkte ihn in der Ansicht, dass auf beiden Seiten ein gewisses Misstrauen herrschte. Und dass ihnen möglicherweise Verrat drohte, worin die Camerons besonders gut waren. Sein Onkel erhob sich, und jeder an der Tafel tat es ihm gleich. Das Fest war vorüber.

Brodie stellte seinen Becher ab und ging zu seinem Onkel, während die Camerons sich auf ihre Zimmer bringen ließen, die ihnen im Nordturm zugewiesen worden waren. Sie alle an einem Fleck unterzubringen machte es leichter, sie im Auge zu behalten. Und sie zu isolieren, falls es Schwierigkeiten gab. Das entlockte ihm ein Lächeln.

„Du wirst die kleine Cameron nach dem Mittagsmahl begleiten“, sagte sein Onkel, was ihm Brodies volle Aufmerksamkeit eintrug.

„Nay, Onkel, ich muss mich um …“, begann Brodie zu erklären.

„Du wirst sie begleiten, Brodie. Das ist morgen deine Aufgabe.“

Über diesen Punkt waren sie schon vor der Ankunft der Camerons uneins gewesen. Brodie hielt das alles für verfrüht, während die Clanältesten auf der Seite seines Onkels waren. Sie fanden, es böte ihnen einen Weg, die beiden Vettern zu bewerten, ehe sie ihre Wahl trafen.

Nachdem sie jedwede Prüfung hinter sich gebracht hatten, welche die Ältesten für sie vorgesehen hatten, würde einer von beiden zum Than und Erben des Clanoberhaupts der Mackintoshs erklärt werden. Nach dem Tod ihres Onkels würde entweder er oder Caelan die Chattan-Konföderation leiten, den Zusammenschluss verschiedener Clans. Die Ältesten würden einen von ihnen beiden zum Oberhaupt über die Leute, das Land und den Reichtum ihres Clans küren.

Er war Lachlan, der ihn nach dem Tod seiner Eltern aufgezogen hatte, zu großem Dank verpflichtet. Der Laird hatte ihn die Fähigkeiten gelehrt, die er zum Leben und Führen brauchte. Und so würde er das tun, worum sein Onkel ihn bat oder was er ihm befahl, selbst wenn er selbst anderer Meinung war.

Nun hatte sein Onkel zu der Liste von Fähigkeiten, die vom neuen Clanoberhaupt erwartet wurden, eine neue hinzugefügt: die Cameron-Tochter umwerben. Er sah auf, fing den entschlossenen Blick seines Onkels auf und die frohlockende, siegesgewisse Miene seines Vetters.

Aye, Caelan konnte es mit den Frauen, mit seinen sanften Worten und Liebkosungen hatte er schon viele in sein Bett gelockt. Er war geübt darin, die Frauen nach Belieben zu benutzen und fallen zu lassen, und er würde all seine Erfahrung einsetzen, um das Herz der Cameron-Tochter zu gewinnen. Brodie machte sich keinerlei Hoffnungen, dass die Frau, die die Generationen umfassende Fehde zwischen ihren Familien beenden könnte, von seinem Vetter nicht gefesselt sein würde.

„Aye, Onkel.“ Brodie hätte sich lieber mit der Schulung neuer Wachen oder der Verteidigung ihrer Grenzen beschäftigt, als sich mit diesem sinnlosen Werben herumzuschlagen. Doch aus dem wütenden Blick seines Onkels und der Art, wie er die Arme vor dem mächtigen Brustkorb verschränkte, schloss Brodie, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als Zeit mit Arabella zu verbringen.

„Versuch nicht, sie einzuschläfern“, spottete Caelan im Weggehen.

Sosehr Brodie sich wünschte, darauf etwas Witziges oder sogar Beißendes zu erwidern, es fiel ihm nichts ein. Er war ja auch weder für seinen Witz noch für seinen Sinn für Humor bekannt. Und auch nicht für seine Gewandtheit im Umgang mit Frauen. Brodie stieß den Atem aus und verließ die Halle.

Er war gut darin, seinen Clan und ihr Land vor den ständigen Überfällen ihrer Feinde zu beschützen. Er wünschte sich schon sehr lange, dass diese Fehde ein Ende nähme, schon bevor seine Eltern in einem Hinterhalt am Loch Arkaig ermordet worden waren. Mit jedem neuen Kampf, jeder neuen Schlacht, die zum Verlust weiterer Familienmitglieder führte, wuchs sein Wunsch, irgendwie Frieden zwischen den Mackintoshs und den Camerons zu schaffen. Und wenn die Fehde ohne weiteres Blutvergießen beendet werden könnte, nun, umso besser. Er zog Frieden durch Verhandlungen vor, doch er würde jeden Weg beschreiten, der zum Ziel führen würde.

Selbst wenn es bedeutete, dass er die Frau heiratete, die ihr falsches Lächeln wie eine zweite Haut trug.

Und daher würde er trotz des Misstrauens, das sein ständiger Begleiter geworden war, den Befehlen seines Onkels Folge leisten und mit ihr irgendwohin ausreiten. Danach würde er alle Aufmerksamkeit auf das richten, was wirklich zählte – dass er zum nächsten Clanoberhaupt gekürt würde.

Und wenn er dazu eine Feindin heiraten müsste, dann würde er auch das tun.

2. KAPITEL

Es lief besser als erwartet, als Arabella die Burg in Caelan Mackintoshs Gesellschaft verließ. Begleitet von Ailean und jeweils einem Clanmitglied als Wache, ritt sie an Caelans Seite durch das Tor und das Dorf, das wie die Burg der Mackintoshs Drumlui hieß. Auch an diesem Morgen lächelte sie, doch diesmal hatte er sie dazu gebracht. Und zum Lachen. Und dass sie sich wirklich wohlfühlte.

Seine Komplimente waren nicht so übertrieben wie die, die sie sonst zu hören bekam, und er setzte sie geschickt und nicht zu oft ein. Caelan entlockte sogar ihrer verdrießlichen Cousine Ailean ein Lächeln, und das war keine einfache Sache. Sie wandten sich gen Osten und folgten dann einem breiten Fluss in den Wald. Eine Weile ritten sie am Fluss entlang, ließen dabei die anderen ein Stückchen hinter sich, aber immer in Sichtweite.

Als sie zum Mittagsmahl zurückkehrten, staunte Arabella darüber, wie schnell die Zeit mit ihm vergangen war.

„Hoffentlich hattet Ihr einen angenehmen Ausritt, Lady Arabella“, sagte er und hob ihre Hand an die Lippen. „Ailean, Eure Begleitung war eine Bereicherung“, fügte er hinzu und nickte ihrer Cousine zu, die daraufhin rot anlief und irgendetwas Unverständliches stammelte. Wenigstens eine Cameron hatte Caelan bereits für sich gewonnen, und die nächste würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.

„Gewiss, mein Herr. Und wie schön, nach all den stürmischen Tagen einmal einen klaren, sonnigen Morgen zu erleben“, sagte Arabella.

„Beinahe, als lachte uns das Schicksal.“

Da rief ihre Tante nach ihr. Es wurde Zeit, sich der nächsten Aufgabe zu widmen. Zumindest hatte der Tag gut angefangen.

„Ich überlasse Euch nun Euren Pflichten“, sagte sie und neigte den Kopf.

Seine blauen Augen blitzten, und als er sie anlächelte, bemerkte sie das reizende Grübchen an seinem Kinn. Anziehend, gastfreundlich und charmant zu sein waren für einen zukünftigen Ehemann nicht die schlechtesten Eigenschaften, entschied sie, während sie ihrer Tante hinterherging. Sie sprachen nicht, bis sie ihr Gemach erreicht hatten. Dort schickte Devorgilla Ailean auf einen Botengang, damit sie unter sich waren.

„Die Farbe in deinen Wangen und das Funkeln in deinen Augen legen den Schluss nahe, dass der Morgen gut verlaufen ist?“, fragte ihre Tante. Eine Schüssel mit Wasser erwartete sie, und Arabella nahm den Waschlappen entgegen.

„Ja. Er ist … annehmbar“, sagte sie. Sie tauchte den Lappen ins Wasser und säuberte sich Gesicht und Hände. Dabei lächelte sie.

„Annehmbar? Mehr nicht?“, hakte ihre Tante nach. „Von den beiden scheint Caelan der Freundlichere zu sein.“

„Aye, Tante.“ Sie gab den Lappen zurück und legte den Reif ab, der ihren Schleier hielt. „Du hast mir geraten, ich solle keinem den Vorzug geben. Ich versuche nur, deinem Rat zu folgen.“

Sie setzte sich, damit ihre Tante Gillie ihr das offene Haar erneut zum Zopf flechten und sie für das Mittagsmahl zurechtmachen konnte. „Obzwar ich mir mit dem einen wohl etwas bessere Chancen auf eine glückliche Ehe ausrechne als mit dem anderen.“ Ihre Tante riss an ihren Haaren, was sie zum Schweigen brachte.

„Glück ist nicht der Grund für diese Hochzeit, Arabella. Halte dir das immer vor Augen, wenn du Zeit mit diesen Männern verbringst. Ihre Clanältesten werden die Entscheidung treffen, und du wirst heiraten, wen sie auswählen.“

Bei diesen warnenden Worten verlor Arabella alle Freude an dem schönen Ausflug. Sie wusste, worin ihre Pflicht bestand, und war bereit, sie zu erfüllen, aber das hieß doch nicht, dass sie die kleinen Momente, in denen die Entscheidung noch in weiter Ferne zu warten schien, nicht genießen durfte! Jemand klopfte an die Tür und hinderte sie an einer Antwort. Im nächsten Augenblick trat Ailean ins Zimmer.

„Sie rufen jetzt zum Mittagsmahl“, sagte sie.

„Komm, Tante Gillie. Wir dürfen sie nicht warten lassen.“ Arabella stand auf und schüttelte ihr Gewand aus.

Ailean führte sie hinunter in die große Halle; sie hatte sich inzwischen mit den vielen verschlungenen Gängen dieser großen steinernen Burg vertraut gemacht. Arabella versuchte ihre Gedanken zu ordnen und sich keine Sorgen zu machen wegen dem, was vor ihr lag … mit Brodie Mackintosh. Er war das genaue Gegenteil seines Vetters – er düster und abweisend, Caelan freundlich und lächelnd. Während Caelan locker mit ihr plauderte und scherzte, starrte Brodie sie finster und mit einem Ausdruck der Missbilligung an, die sie sich nicht erklären konnte. Es war, als wäre sie in seinen Augen unzulänglich.

Und so hörte sie mit Erleichterung, als sein Onkel erklärte, Brodie nehme am Mahl nicht teil. Zumindest die Mahlzeit würde sich als angenehm erweisen.

Und so war es dann auch. Caelan saß ein paar Plätze von ihr entfernt neben ihrem Bruder und schenkte ihr seine ganze Aufmerksamkeit. Ihr Vater lächelte mehr als sonst, ebenso der Mackintosh. Mit jedem Tag, den sie hier weilten, schien sich die Spannung, die bei ihrer Ankunft vor vier Tagen noch mit Händen zu greifen gewesen war, ein wenig mehr zu legen.

Viel zu bald endete das Mahl, und es wurde Zeit für Arabella, ihren Nachmittag mit Brodie zu verbringen. Sie atmete tief durch und nickte ihrer Tante und ihrer Cousine zu. Der Laird befahl einem seiner Diener, sie in den Hof zu geleiten. Sie bemerkte, wie Caelan sich erbötig machte, diese Aufgabe zu übernehmen, jedoch von einem Kopfschütteln seines Onkels daran gehindert wurde. Und so erhob Arabella sich und folgte dem Mann nach draußen. Sie entließ den Diener mit einem Winken, als sie Brodie neben den Pferden entdeckte, und ging zu ihm.

Brodie beugte sich vor und zog den Gurt um den Bauch des Pferdes fest, bis er sicher saß. Er streichelte das Pferd, keines der ihren, aber ein herrliches Tier. Die Camerons kannten sich mit Pferden aus und hatten eine der besten Herden in den Highlands. Brodie flüsterte dem Pferd beruhigende Dinge zu, während er seine Aufgabe beendete. Beziehungsweise hätte es getan, wenn er nicht von seinem Freund Rob unterbrochen worden wäre.

„Na, das ist ja mal ein wirklich schönes Mädchen, was?“, sagte Rob von der anderen Seite des Pferds. Brodie sah seinen Freund stirnrunzelnd an und warf einen vielsagenden Blick unter den Bauch des Tiers.

„Aye, er ist ein schöner Bursche“, meinte er kopfschüttelnd, während er das Zaumzeug prüfte.

„Bist du blind, Brodie?“ Rob schob das Gesicht über den Pferderücken. „Das Cameron-Mädchen. Das Cameron-Mädchen ist schön.“

„Oh, das Cameron-Mädchen. Aye“, murmelte Brodie und konzentrierte sich auf die Zügel. Allmählich kam er zu dem Schluss, dass es ein Fehler gewesen war, Rob zu bitten, sie auf dem Ausritt zu begleiten. Er hätte stattdessen einen der Dienst tuenden Männer fragen sollen.

„Komm schon, du musst doch zugeben, dass es nicht schwierig wäre, mit ihr verheiratet zu sein! Mit ihr das Lager zu teilen. Ihr Haar offen zu sehen. Diese Augen, dieser Mund!“, sagte Rob leise und lachte dann. „Ich hätte nichts dagegen, wenn ich nach Abschluss der Verhandlungen mit ihr verheiratet wäre!“

„Ein schönes Mädchen? Aye, sie ist schön“, räumte Brodie laut ein. Er trat zurück, sah sich das Pferd ein letztes Mal an und zuckte dann mit den Schultern. „Um ehrlich zu sein, Rob, mir wären am Ende ein Dutzend Rinder oder Pferde wie das hier lieber. Rinder und Pferde wären uns sehr viel nützlicher als eine Frau, die sich nur durch ihre Schönheit auszeichnet.“

Aus der erstarrten Miene seines Freundes und dem plötzlichen Schweigen ringsum auf dem Hof schloss Brodie, dass sie hinter ihm stand. Er verdrehte kurz die Augen und stieß den Atem aus. Seine Worte waren hart gewesen. Nicht für ihre Ohren bestimmt. Sie hatte es gehört, und nun musste er sich entschuldigen. Sein Onkel würde Kleinholz aus ihm machen, wenn er das nicht in Ordnung brachte. Er zermarterte sich den Kopf, was er sagen könnte, und drehte sich langsam zu ihr um.

Wenn er einen Augenblick länger gezögert hätte, hätte er das flüchtige Verdunkeln ihres Blicks verpasst und die Art, wie sie die Mundwinkel senkte. Bei dem Anblick krampfte sich ihm der Magen zusammen. Dann setzte sie wieder ihr leeres Lächeln auf und ging auf ihn zu.

„Es ist sehr nett von Euch, mir Euer Land zu zeigen“, sagte sie lächelnd. „Ich weiß, dass Ihr eigentlich anderes zu tun hättet, und weiß es zu schätzen, dass Ihr mir Eure Zeit widmet.“

„Lady Arabella“, begann er. Und dann … nichts.

Ihm fielen weder die falschen noch die richtigen Worte ein. Sondern gar keine.

„Was haltet Ihr von ihm?“, fragte sie. „Ist er nicht herrlich?“ Sie war so freundlich, ihm nach der Beleidigung, mit der er sie eben bedacht hatte, einen Ausweg zu bieten. Er nahm ihn dankbar an.

„Aye, das ist er. Kräftig und lebhaft“, sagte er, strich langsam über die Flanke des Pferdes und nickte. Er blickte auf die Beine des Tieres. „Und ausdauernd, möchte ich meinen.“

„Oh, er hält tagelang durch“, erwiderte sie, trat vor und streichelte den Kopf des Pferdes. „Er hat mich schon auf vielen Reisen getragen.“ Sie machte einen Schritt zurück und begegnete Brodies Blick. Er suchte nach Anzeichen, dass er sie beleidigt oder verletzt haben könnte, doch ihre blauen Augen waren bar jeglichen Gefühls. „Sollen wir uns auf den Weg machen?“, fragte sie und blickte hinauf in den Himmel, wo sich Wolken zusammenballten.

„Alles aufsteigen“, rief er der restlichen Truppe zu, während er ihr auf das Pferd half.

Er reichte ihr die Zügel und schwang sich selbst in den Sattel. Sie saß im Sattel, als wäre sie dort geboren worden, hatte den mächtigen Hengst völlig in der Hand. Er konnte sie nur anstarren, während sie sich die Lederriemen ums Handgelenk wand, bis die Zügel genau die richtige Spannung aufwiesen, um dem Pferd genügend Freiheit zu lassen, es aber auch ihre Kommandos spüren zu lassen. Brodie ritt voran, führte die Gruppe durch das Tor und schlug genau die entgegengesetzte Richtung ein, die Caelan am Morgen gewählt hatte.

Rob wusste, wohin sie unterwegs waren, und so ritt Brodie voraus, während die Wache der Camerons die Nachhut bildete. Die Cousine des Mädchens, eine junge Frau namens Ailean, welche die Haltung und die saure Miene einer alten Jungfer an den Tag legte, bezog direkt hinter ihm und neben Arabella Stellung. Etwa eine Meile von der Burg entfernt überquerten sie den Fluss und wandten sich dann in Richtung der Berge, die sich am Horizont erhoben. Ein paar Minuten später hörte er die Frauen miteinander flüstern, und dann schloss das Cameron-Mädchen plötzlich zu ihm auf.

„Also, Brodie, wohin reiten wir?“, fragte sie mit weicher Stimme, den Blick fest auf die unebene Straße vor ihnen gerichtet.

„Ihr habt unser Land am See gesehen. Wir reiten zu einer Stelle hoch oben auf dem Berg, dann kann ich Euch mal etwas anderes zeigen.“ Es war sein Lieblingsplatz, doch das verriet er ihr nicht. „Noch ein kurzes Stück geradeaus, dann zweigt der Pfad nach oben ab.“

Sie ließ sich nicht zurückfallen, um wieder neben ihrer Cousine zu reiten. Nein, sie blieb an seiner Seite. Wie sie es bei Caelan vermutlich auch getan hatte. Ihm war unwohl zumute – lieber hätte er gegen eine ganze Armee von Camerons gekämpft, als sich mit diesem Mädchen auseinanderzusetzen. Schlimmer, sie ging gar nicht auf die Beleidigung ein, mit der er sie empfangen hatte – weswegen er an gar nichts anderes mehr denken konnte, während sie den Bergpfad erklommen.

Nach einer Wegbiegung gelangten sie zu einer Lichtung, einen Felsvorsprung hoch über dem Mackintosh-Land. Er mochte den Blick, er kam oft hierher, wenn er die Einsamkeit suchte. In diesem Augenblick war der Himmel wolkenverhangen, doch wenn die Sonne schien und ein lauer Wind wehte, konnte man meilenweit blicken, über die Hügel bis zum Meer und auf der anderen Seite bis zum See.

„Wie schön!“ Ihre atemlose Stimme ließ ihn hochschrecken, denn er hatte ihre Gegenwart für einen Augenblick vergessen.

„Aye.“

Er riskierte einen vorsichtigen Blick und sah, dass ihr sonst so leerer Blick voll staunender Bewunderung auf die vor ihnen liegende Aussicht geheftet war. Einen verrückten Augenblick dachte Brodie, dass sie nicht nur die Aussicht, sondern die Ländereien selbst zu bewundern schien. Ländereien, die viel größer waren als die der Camerons, selbst wenn man die Gebiete mit einrechnete, die sie den Mackintoshs damals vor vielen Generationen geraubt hatten. Sobald sie die anderen näher kommen hörten, wandelte sich ihr Blick, und das gefürchtete Lächeln kehrte zurück.

„Ich bin ein wenig verwirrt, was die Orientierung angeht“, sagte sie. „Der See ist … wo?“

Brodie drehte sich im Sattel und deutete nach rechts. „Loch Lochy liegt etwa fünf Meilen in diese Richtung. Loch Arkaig liegt im Norden. Und das Meer ungefähr dreißig Meilen im Westen.“

„Und die Ländereien der Mackintoshs?“, fragte sie und blickte zum Horizont.

„Bis zum See und so weit, wie Ihr nach Westen blicken könnt“, erwiderte er, ohne den Stolz in seiner Stimme zu dämpfen. „Und ebenso meilenweit nach Norden und nach Süden.“ Sie blickte in die Richtungen, in die er gedeutet hatte, und nickte.

„Dann hattet Ihr recht“, sagte sie leise und sah ihn endlich an.

„Recht, Lady Arabella?“ Er lenkte sein Pferd an ihre Seite. Ein, zwei Schritt mehr, und die Tiere hätten sich berührt. „Womit hatte ich recht?“

Brodie konnte sich nicht entsinnen, dass er sich über irgendetwas anderes als die Ländereien geäußert hätte. Und dass er dabei recht gehabt hatte, wusste er. Er kannte das Land, am helllichten Tag und bei finsterer Nacht.

„Dass Euch zusätzliche Rinder oder Pferde nützlich wären. Vielleicht solltet Ihr sie auf Eure Liste von Forderungen für die Verhandlungen setzen, ehe es zu spät ist?“

Himmel hilf, in ihren Augen blitzte eisiges Feuer, und ihr Lächeln war vollständig erloschen. Erst als Rob hinter ihnen leise kicherte, bekam sie ihre Züge wieder unter Kontrolle. So viel hatte er sie noch nie sagen hören, und er hatte das Gefühl, in diesem Augenblick ihr wahres Gesicht zu sehen. Und dann war es vorüber. Die Eisjungfrau saß wieder hoch zu Ross und lächelte ihn an. Dann lenkte sie ihr Pferd mit einer leichten Kopfbewegung um ihn herum und von der Lichtung. Die anderen folgten ihr eilig, sodass er allein zurückblieb, mit Blick auf die Ländereien und im Bewusstsein all die Fehler, die er bis jetzt begangen hatte.

Zunächst einmal war er so damit beschäftigt gewesen, sie und die mögliche Heirat zu ignorieren, dass ihm ihre wahre Natur völlig entgangen war. Für einen Mann, der die Späher des Clans beaufsichtigte, war dies ein mächtiger Fehlschlag.

Dann hatte Brodie darin versagt, was er sonst am besten konnte – die Sicherheit des Clans zu gewährleisten und seine Männer in Kampfbereitschaft zu halten. Er hatte nur das gesehen, was Arabella Cameron ihn – sie – hatte sehen lassen wollen: eine Frau, die keinen eigenen Willen besaß und tat, was man ihr befahl.

Und schließlich, und das war für seinen Seelenfrieden das Schlimmste, hatte ihn die Entdeckung, dass sie keine hohlköpfige Schönheit war, auf eine Weise erfreut, über die er nicht weiter nachdenken, ja sich nicht einmal eingestehen wollte.

Während er die Lichtung verließ und den Pfad hinunterritt, wurde Brodie klar, dass er sie genauer im Auge behalten musste. Warum ihm das ein Lächeln entlockte, wusste er nicht. Er holte die anderen ein und zügelte sein Pferd neben ihrem, drängte dabei ihre Cousine weiter nach vorn zu Rob und den Wachen. Er musste sich immer noch für seine beleidigenden Worte entschuldigen.

„Lady Arabella“, sagte er und ritt langsamer, sodass sich der Abstand zu den anderen vergrößerte. „Auf ein Wort bitte.“

Als sich die Zofe zu ihr umblickte und den wachsenden Abstand bemerkte, winkte Arabella nur ab. Sie passte das Tempo ihres Pferdes dem seinen an. Eine Weile ritten sie schweigend nebeneinanderher, während er sich seine Worte etwas sorgfältiger zurechtzulegen versuchte. Wieder einmal kam sie ihm zu Hilfe.

„Mein Herr … Brodie“, begann sie ruhig, ohne ihn anzusehen. „Ich wurde dazu erzogen, meine Pflicht gegenüber meiner Familie zu erfüllen. Diese Pflicht besteht darin, den zu heiraten, der zum nächsten Oberhaupt Eures Clans ernannt wird. Und dieser Pflicht werde ich nachkommen, egal, was ich persönlich dabei empfinde. Ich nehme doch an, dass Ihr das Gleiche tun werdet?“ Sie hob den Blick, bis sie ihm direkt in die Augen sah.

„Ich werde meine Pflicht erfüllen“, sagte er und nickte. Was seine persönlichen Gefühle anging, so war Brodie sich ihrer nicht ganz gewiss, wenn sie ihn so ansah, doch darum würde er sich später kümmern. Jetzt erst einmal …

„Lady Arabella, ich …“ Er stolperte über die Worte, die er sich zurechtgelegt hatte. „Ich hätte nicht so über Euch reden sollen.“

„Habt Ihr es denn so gemeint? Dass Ihr Rinder oder Pferde nötiger braucht als mich?“ Weder ihr Ton noch ihre Miene verrieten, wie es um ihre Gefühle bestellt war.

„Möchtet Ihr die Wahrheit wissen?“

„Ich ziehe die Wahrheit vor. Ich bekomme sie so selten zu hören.“

„Aye, wir brauchen mehr Rinder.“

Die Stille stand zwischen ihnen, doch keiner wich dem Blick des anderen aus.

„Dann ist es ja gut, eine Frau zu bekommen, die Gold in die Ehe mitbringt, von dem Ihr neue Rinder kaufen könnt.“

Sie bewegte sich im Sattel, er sah, dass sie sich von seiner Seite entfernen wollte. Brodie streckte den Arm aus und griff nach ihrer Hand. Bei der Berührung zuckte sie zusammen, entzog sich ihm aber nicht.

„Aye. Ich hätte das trotzdem nicht sagen sollen.“

„Aye“, stimmte sie zu, löste die Hand aus seiner und fasste die Zügel kürzer. „Das hättet Ihr nicht.“

Während sie sich zu den anderen gesellte, lachte er zum ersten Mal seit Langem laut auf. Arabella sah sich zu ihm um und nickte ihm zu. In ihrem Gesicht sah er das erste echte Lächeln.

Das Mädchen hatte mehr an sich, als er gedacht hatte. Vielleicht wäre es gar nicht so schlimm, wenn er sie heiraten müsste?

3. KAPITEL

Malcolm näherte sich dem Tisch, bahnte sich seinen Weg durch die zahlreichen Mackintoshs, die sich zum Mahl versammelt hatten. Arabella sah, wie er mehr als einmal innehielt, um mit der einen oder anderen jungen Frau zu plaudern. Ihr Bruder hatte diese Wirkung auf Frauen. Er war groß und attraktiv und zog viele Blicke auf sich, während er sich zu dem Tisch auf der Estrade begab. Lächelnd ließ er sich auf dem Platz neben ihr nieder.

„Noch zwei Tage, dann lassen wir diesen Ort hinter uns“, flüsterte er ihr zu, während er sich den Becher von einer aufmerksamen drallen Dienstbotin füllen ließ.

„Genau, in zwei Tagen brechen wir auf“, sagte sie. „Ich jedoch werde in wenigen Monaten hierher zurückkehren und für immer bleiben müssen.“ Er sah sie an, betrachtete forschend ihr Gesicht und ihre Augen.

„Bist du nicht mehr bereit, einen Mackintosh zu heiraten? Hast du deine Meinung geändert?“ Er hob ihr Kinn an und sah sie mit schmalen Augen an. „Sag mir die Wahrheit.“

Er war der einzige Mensch, dem sie sich wirklich öffnen konnte. Sie hatten den Leib ihrer Mutter geteilt und ihr Leben von klein auf zusammen verbracht.

„Ob bereit oder nicht, ich werde tun, was man von mir erwartet. Das weißt du doch“, flüsterte sie. „Ich wünschte nur, ich wüsste mehr über die beiden. Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit. Ich wünschte …“

Sie verstummte. Ihre Wünsche hatten in den Verhandlungen oder dem, was darauf folgte, nicht die geringste Bedeutung. Ihr brannte die Kehle, als ihr plötzlich die Tränen kamen. Sie ergriff ihren Becher und trank etwas Ale, um sie hinunterzuspülen.

„Was kann ich tun, um dir die Last und die Sorgen zu erleichtern, Schwesterherz?“ Sie wusste, dass er ihr helfen würde, wenn er konnte.

„Den heiraten, der zum Than ernannt wird?“, schlug sie vor. Bei dieser unangebrachten Bemerkung entfuhr Malcolm ein lautes Lachen, so laut, dass es Aufmerksamkeit erregte. Ihre Tante warf ihnen ein warnendes Stirnrunzeln zu, um Arabella zu bedeuten, dass ihr Benehmen unpassend war.

„Glaub bloß nicht, dass ich einer arrangierten Heirat entkomme“, sagte Malcolm. „Wenn es hier eine Tochter gäbe, hätte man mich zweifellos ebenso als Opferlamm zum Altar geführt, wie man es nun mit dir macht.“ Er beugte sich zu ihr und fügte hinzu: „So wird man mich eben an den nächstbesten Höchstbietenden verkaufen.“

Irgendeiner seiner Freunde rief ihn, worauf Malcolm seinen Becher in einem Zug leerte, ehe er sie verließ. Im letzten Augenblick wurde seine Miene ernst.

„Wirklich, kann ich irgendetwas tun, um dir die Heirat und den ganzen Handel irgendwie zu erleichtern?“

„Finde heraus, was für Männer das sind.“

Das war es, was sie wirklich wissen wollte. Sie sah nur das, was sie sie sehen ließen, sie wusste von den beiden ebenso wenig wie sie von ihr. Einer von beiden sollte ihr Ehemann werden und hätte sie dann vollkommen in seiner Macht – ihren Körper, ihren Reichtum, ihre Zukunft. Die Männer hatten von einer Ehe nichts zu befürchten, denn sie hatten dabei nichts zu verlieren, während sie als Frau jede Menge Grund hatte, sich Sorgen zu machen. Sorgen, denen sie keinerlei Ausdruck verleihen konnte, Sorgen, die ihr den Schlaf raubten.

„Was soll ich herausfinden?“, fragte er und nickte seinen Freunden noch einmal zu.

„Was sie für Menschen sind. Wie sie andere Frauen behandeln. Was ihr Clan von ihnen hält. Solcherlei Dinge. Geselle dich zu ihnen“

„Wie lang ihr bestes Stück …“ Sie schlug ihm die Hand vor den Mund, bevor er das Wort aussprechen konnte. Ihre Wangen röteten sich. So etwas konnte nur ihr respektloser Bruder zu ihr sagen. Sie in Verlegenheit zu bringen bereitete ihm ja auch diebische Freude.

„Malcolm!“

Er nahm ihre Hand aus seinem Gesicht und hauchte einen Kuss darauf. Dann stand er auf, verneigte sich vor ihrem Vater und dem Mackintosh und ging dann mit einem Zwinkern davon. Bald war er von Freunden umgeben, und Arabella lächelte. Er hatte es ernst gemeint – er würde versuchen herauszufinden, was sie wissen musste. Er würde sie nicht enttäuschen, er würde ihr helfen, sich auf ihr neues Leben vorzubereiten.

Als Arabella sich von ihrem Bruder abwandte, fing sie Brodies Blick auf. Er wirkte nie richtig entspannt, sondern immer wachsam, während er sich umsah und jeden unter Beobachtung zu halten schien. Sie glaubte, ein paar verstohlene Gesten und Signale zwischen ihm und ein paar über den Saal verteilten Männern gesehen zu haben.

Da! Er tat es schon wieder – er hatte irgendeine geheime Botschaft mit einem großen Mann ausgetauscht, der im rückwärtigen Teil der Halle stand. Sie nippte an ihrem Ale und beobachtete ihn über den Rand hinweg. Er wiederholte die Prozedur – nahm Kontakt auf, gab die gleichen Signale, widmete sich dann dem nächsten Mann – immer wieder, bis sein Blick durch den gesamten Raum gewandert war und … auf sie fiel.

Sie war versucht, den Blick zu senken, nickte ihm stattdessen jedoch zu und beobachtete, wie er sich ihr näherte. Er war größer als sein Vetter und trug sein dunkelbraunes Haar lang, nur an den Schläfen zurückgebunden. Auch wenn er nur selten zu lächeln schien, sah sie Lachfältchen um seine braunen Augen und seinen Mund. Mit seinen langen Beinen hatte er die Entfernung zwischen ihnen rasch bewältigt, und dann stand er vor ihr, die Arme vor der Brust verschränkt, und musterte sie ähnlich aufmerksam wie sie ihn.

Seit ihrem Ausritt in die Hügel, als er erklärt hatte, er gebe ein paar Rindern den Vorzug vor ihr, waren sie sich einige Male begegnet, und ihre Zusammentreffen hatten sich als interessante Mischung aus Höflichkeit und Herausforderung erwiesen. Erst gestern hatte er beim Nachtmahl eine Frage über Feldfrüchte einfließen lassen und nur mit einem leisen Brummen verraten, wie überrascht er war, als sie darauf etwas zu sagen wusste. An diesem Morgen hatte er sie im Hof um Erlaubnis gebeten, ihr Pferd reiten zu dürfen. Er hatte gesagt, das Tier brauche ein wenig Auslauf, nachdem es so lang im Stall gestanden habe, doch ihr war klar gewesen, dass er ein gutes Pferd ebenso zu schätzen wusste wie sie.

Nun stand er vor ihr und wartete darauf, dass sie ihn einlud, sich zu ihr zu setzen. Sie stellte den Becher ab und nickte. Brodie setzte sich auf den Platz, den ihr Bruder gerade verlassen hatte.

„Meinen Dank, Lady Arabella, dass Ihr mir gestattet habt, das Pferd zu reiten.“ Er lächelte, und die Art, wie sein schönes Gesicht plötzlich aufleuchtete, raubte ihr den Atem. Wie war sie je auf die Idee gekommen, er könnte düster und furchterregend sein?

„Was haltet Ihr von ihm?“, fragte sie, während ihre Becher gefüllt wurden. „Wie weit seid Ihr geritten?“

„Ein paar Meilen über die Lichtung hinaus“, sagte er. „In die Hügel und noch weiter. Ich habe die Zügel schießen lassen, und er hat die Gelegenheit genutzt.“ Brodie lachte, und sie bemerkte, dass sich viele in der Halle danach umdrehten. „Er konnte gar nicht genug davon bekommen, doch ich wollte ihn nicht zu sehr ermüden, da Eure Abreise ja bald bevorsteht.“

„Bisher ist es mir noch nicht gelungen, ihn zu ermüden“, entgegnete sie. „Meist bin ich diejenige, die sich geschlagen gibt.“ Sie lachte. „Sogar mein Bruder Malcolm hat es noch nicht geschafft, daher weiß ich, dass meine Reitkünste nicht ganz zu verachten sind.“

Er blieb an ihrer Seite. Beide sahen zu, wie sich die Leute zu kleinen Gruppen zusammenfanden und die Tische beiseiteräumten, damit der Tanz beginnen konnte.

„Habt Ihr Stuten, die er decken könnte?“, fragte sie. Das Pferd hatte wunderbare Eigenschaften, die es an seine Nachkömmlinge weitergeben könnte. Brodie verschluckte sich und hustete.

„Lady“, flüsterte er, „was für ein unpassendes Thema …“

Sie wandte ihm das Gesicht zu, schüttelte den Kopf und stellte den Becher ab.

„Er ist mein und wird mein bleiben, Brodie“, erklärte sie. „Auch wenn mein Ehemann über alles andere, was ich in diese Ehe mitbringe, die Kontrolle erhält – dieses Pferd gehört mir. Nachdem Ihr an ihm interessiert seid, dachte ich, wenn ich ihn Euch als Zuchthengst anbiete, hättet Ihr seine Nachkommen.“

Arabella war sich bewusst, dass ihre Tante und ihr Vater beinahe ebenso entsetzt gewesen wären wie Brodie, wenn sie gehört hätten, was für Reden sie hier führte, oder dass sie über derartige Dinge überhaupt Bescheid wusste. Sie wartete auf seine Reaktion.

Er lachte.

Lachte. Er hob den Becher, lächelte und prostete ihr zu.

„Dann nehme ich Euer freundliches Angebot an, Mylady“, erklärte er. „Und ich habe auch schon eine Stute für ihn ins Auge gefasst.“

Während sie zusah, wie sich erst Überraschung, dann Staunen und schließlich Anerkennung in seinem Blick zeigten, fragte sie sich, ob es wirklich so schrecklich wäre, diesen Mann zu heiraten, wie sie zuerst gedacht hatte. Entsetzt, dass sie etwas Derartiges in Betracht ziehen konnte, ohne dabei die alte Angst zu empfinden, hörte sie zu, während er über Themen redete, von denen Caelan nie sprach: das Land, Ackerbau, Vieh und dergleichen.

Nachdem sie sich nun in seiner Gegenwart entspannter fühlte, wollte Arabella ihm eine weitere Frage stellen, eine über die heimlichen Zeichen, die er mit seinen Männern austauschte. Doch dann kam Caelan und unterbrach sie dabei.

„Die Musik fängt an, Arabella“, sagte er. „Ich weiß, dass mein Vetter nicht gern tanzt, aber dass Ihr Gefallen daran findet. Also, darf ich bitten?“ Er streckte ihr die Hand entgegen und wartete darauf, dass sie sie ergriff.

Doch das tat sie nicht. Zum ersten Mal siegte die Neugier über ihr Bedürfnis, liebenswürdig zu sein. Wie immer lächelnd, schüttelte sie den Kopf und nahm seine Hand nicht.

„Mein Magen ist ein wenig in Aufruhr, ich möchte mit dem Tanzen noch ein wenig warten“, sagte sie. „Es muss wohl am Reisen und der Aufregung liegen.“ Als beide Vettern ob dieser Bemerkung die Stirn runzelten, fügte sie hinzu: „Caelan, bestimmt vergeht es bald wieder, dann suche ich Euch auf und werde gern mit Euch tanzen.“

„Soll ich Eure Cousine oder Tante rufen?“, bot Brodie an.

„Nay. Ich muss nur noch ein Weilchen sitzen.“ Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass Caelan ihr zu Hilfe käme, daher hatte Brodies Angebot sie überrascht. Nun warf sie Caelan einen Blick zu und stellte fest, dass er ein Stück zurückgetreten war. Seine sonst so freundliche Miene wirkte ein wenig eingefallen.

„Na schön“, meinte er schließlich. „Ich warte dann dort drüben.“ Er deutete auf einen Platz am anderen Tischende. Und dann begab er sich rasch dorthin.

Dieses Benehmen war für sie die nächste Überraschung. Sie wusste nicht, wie sie sein merkwürdiges Verhalten deuten sollte, doch Brodie erklärte es ihr.

„Mein Vetter hat große Angst vor Krankheiten. Er meidet jene, die sich nicht wohlfühlen oder krank sind. Das tut er schon seit seiner Kindheit.“ In seiner Stimme schwang eine Spur Belustigung mit. Er blickte sie an und musterte ihr Gesicht mit jenem durchbohrenden Blick, den sie schon früher an ihm wahrgenommen hatte. „Wahrhaftig, braucht Ihr Hilfe? Eine Eurer Frauen? Unseren Heiler?“

Arabella konnte sich einen kleinen Streich nicht verkneifen, auch wenn Brodie diesmal freundlich und hilfsbereit war und sie einmal nicht ärgerte oder beleidigte. Durch gesenkte Wimpern blickte sie zu ihm auf und sprach mit ihrer verführerischsten Stimme – mit der sie normalerweise jeden Mann um den Finger wickelte.

„Ihr könntet tatsächlich etwas für mich tun“, sagte sie ihm. Sie ließ die Hand sinken, bis niemand außer ihm sie mehr sehen konnte, und bildete eines der Zeichen, die er mit seinen Männern getauscht hatte. „Ihr könntet mir verraten, was das heißt.“

Er blickte auf ihre Hand, hob abrupt den Kopf, starrte Arabella an und senkte dann noch einmal den Blick, als könnte er nicht glauben, was er dort sah.

Autor

Terri Brisbin
Das geschriebene Wort begleitet Terri Brisbin schon ihr ganzes Leben lang. So verfasste sie zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, bis sie 1994 anfing Romane zu schreiben. Seit 1998 hat sie mehr als 18 historische und übersinnliche Romane veröffentlicht. Wenn sie nicht gerade ihr Leben als Liebesromanautorin in New Jersey genießt, verbringt...
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