Heißes Wiedersehen in Texas

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"Hallo, Fremde. Willst du dich zu mir setzen?" Typisch Ethan! Frech flirtet er Aria in der Bar an, obwohl sie sich schon seit ihrer Kindheit kennen. Doch aus dem Abend wird eine heiße Nacht, aus der Freundschaft eine Affäre mit dem besten Sex, den Aria je hatte. Schade nur, dass sie weiß: Ethan scheut sich vor einer richtigen Beziehung. Bevor sie restlos ihr Herz an ihn verliert, lässt sie sich aus Vernunftgründen auf einen anderen Mann ein. Umso verblüffter ist sie von Ethans Reaktion: Er kämpft um sie, als hätte er die Liebe entdeckt!
  • Erscheinungstag 05.12.2023
  • Bandnummer 2136
  • ISBN / Artikelnummer 9783963692420
  • Laufzeit 05:20:00
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ethan Barringer fühlte sich, als könnte er Bäume ausreißen. Nachdem er monatelang allzu oft die Nächte durchgemacht, jede Menge Verhandlungen geführt und eigentlich viel zu viel gearbeitet hatte, zahlten sich sein Tatendrang und sein Einsatz endlich aus. Perry Construction war ausgewählt worden, das Gebäude in Houston zu renovieren, das zum Sitz eines brandneuen Zweigs des Texas Cattleman’s Club werden sollte. Zwar gehörte die Firma streng genommen dem siebzigjährigen Sterling Perry. Der würde sicher so tun, als wäre dieser Erfolg allein sein Verdienst, aber Ethan, Sterlings Geschäftsführer und rechte Hand, genoss trotzdem das Gefühl zu wissen, dass die Firma diesen Auftrag nur ihm zu verdanken hatte.

Er rollte eine Flasche Bier zwischen den Händen, und sein rechtes Knie wippte unaufhörlich auf und ab. Die Ironie war ihm durchaus bewusst: Das hier war der perfekte Anlass zum Feiern, doch er hatte sein Privatleben in den letzten paar Monaten so sehr vernachlässigt, dass niemand hier war, mit dem er das Glas hätte erheben können.

Er war ins Royal Diner gegangen, weil es gemütlich war und man sich hier auch gut allein aufhalten konnte, ohne deswegen irritierte Blicke zu kassieren. Nun, da er gegessen hatte, lag ein langer einsamer Abend vor ihm.

Morgen würde er nach Houston fliegen und erst in sechs Wochen wieder zurückkehren. Er hatte hier in Royal zwar eine Zweitwohnung, aber sein Haus und sein Büro befanden sich in Houston. Er pendelte immer wieder zwischen der Großstadt und dem kleinen Ort, in dem er geboren war, hin und her. Er mochte beide Orte auf ihre Art: Ihm gefiel die Anonymität der geschäftigen Metropole Houston, doch nichts übertraf das Zugehörigkeitsgefühl, das er in Royal verspürte.

Plötzlich flog die Tür des Diners auf. Jemand kam herein, und der starke Januarwind riss die gläserne Tür beinahe aus den Angeln. Zusammen mit der kalten Luft wehte ein Gast in das Diner. Die Frau blieb kurz im Eingangsbereich stehen und strich sich das Haar glatt.

Amanda Battle, die Besitzerin des kleinen Lokals und Frau des Sheriffs, hob lächelnd eine Hand. „Hey, Aria. Du siehst ja völlig durchgefroren aus. Setz dich an den Tresen, falls du nicht verabredet bist, dann können wir uns unterhalten.“

Die Frau sah nicht in Ethans Richtung, doch er erkannte sie sofort: Aria Jensen. Einen Meter zweiundsechzig groß. Augen so blau wie der Himmel über Texas. Langes blondes Haar, das gerade leicht zerzaust war. Und Kurven, die die Aufmerksamkeit eines jeden Mannes erregten.

Ethan lauschte ungeniert.

Amanda brachte Aria eine Tasse Kaffee und die Tageskarte. „Was führt dich bei diesem Wetter her?“

„Hauptsächlich Hunger.“ Lächelnd zog Aria den Mantel aus und hängte ihn über den Barhocker neben sich.

Amanda nickte. „Das verstehe ich. Am Ende eines langen Tages hat niemand noch Lust zu kochen. Freut mich, dass du vorbeigekommen bist.“

Aria nippte an ihrem Kaffee und zeigte auf die Karte. „Ich nehme die Nummer drei. Ich brauche ein wenig Futter für die Seele.“

Einem plötzlichen Impuls folgend durchquerte Ethan den Raum und tippte ihr auf die Schulter. „Hallo, Fremde. Ich habe zwar schon gegessen, aber ich könnte ein wenig Gesellschaft gebrauchen. Willst du dich vielleicht zu mir setzen?“

Sie schaute ihn mit großen Augen an. „Ethan. Schön, dich zu sehen.“

Die Worte klangen zwar recht freundlich, doch ihre Miene wirkte reserviert. Er und Aria kannten sich schon seit Grundschulzeiten. Ihr Zögern verletzte seinen Stolz, auch wenn er zugeben musste, dass sie sich in den letzten paar Jahren aus den Augen verloren hatten.

Er wiederholte die Einladung, berührte sie dieses Mal jedoch nicht. „Komm schon“, sagte er. „Du hast doch sicher jede Menge zu erzählen.“

Amanda kam ihm unwissentlich zur Hilfe. „Geh ruhig“, sagte sie. „Ich bringe dir das Essen, sobald es fertig ist. Heute Abend ist eh nicht viel los.“

Aria schenkte ihr ein Lächeln. „Danke.“ Sie nahm sich ihren Mantel und ihre Handtasche und folgte Ethan in die Nische, in der er gesessen hatte. Ihre Wangen waren gerötet. Das konnte durchaus daran liegen, dass sie gerade erst ins Warme gekommen war – oder ihr war unbehaglich zumute.

Der Gedanke gefiel Ethan nicht. Vor Jahren hatte er eine Zeit lang überlegt, eine heiße Affäre mit ihr zu beginnen, doch er hatte sich gerade noch zurückhalten können. Aria war jemand für eine ernste Beziehung, und allein die Vorstellung, sich ernsthaft zu binden, schreckte Ethan ab.

Trotzdem freute er sich, sie nun wiederzusehen. Er wartete ab, bis sie sich gesetzt hatte, ehe er Platz nahm. Amanda brachte ihm ein zweites Bier und füllte Arias Kaffee nach. Kurz darauf waren sie miteinander allein.

Er lächelte sie an. „Du siehst gut aus, Aria.“

„Danke. Du auch.“

„Gibt es mittlerweile einen Mann in deinem Leben? Wir haben uns jetzt ja schon zwei Jahre nicht mehr gesehen.“

„Wahrscheinlicher eher länger“, sagte sie sachlich. „Du bist ja die meiste Zeit über in Houston.“

Da knisterte etwas zwischen ihnen im darauffolgenden Schweigen. Etwas, das ihn nervös machte. „Bist du glücklich?“ Die Frage rutschte ihm ungewollt heraus. Er hatte sich vor Jahren gegen die Versuchung gewehrt, ihr näherzukommen, weil er gedacht hatte, er würde ihr damit einen Gefallen tun. Nun fragte er sich, ob dieses Opfer vollkommen umsonst gewesen war.

Sein eigener Vater hatte seine Mutter mehrmals betrogen. Ethan befürchtete, dass er diese Veranlagung geerbt hatte. Also sorgte er dafür, dass all seine Beziehungen kurz und oberflächlich blieben. Und doch war er nun hier und wollte sich an die guten alten Zeiten mit der Frau erinnern, die jahrelang all seine Höhen und Tiefen miterlebt hatte.

Sie nickte langsam. „Ich bin glücklich. Ich habe ein tolles Leben.“

„Gut. Gut …“ Verdammt. Er klang wie ein betagter Verwandter.

Amanda trat mit Arias Essen an den Tisch: Käsetoast und Gemüsesuppe.

„Guten Appetit“, sagte sie und warf Ethan einen eigenartigen Blick zu, ehe sie wieder ging.

Aria stürzte sich auf das Essen, als hätte sie seit Tagen nichts mehr bekommen. Ihr Enthusiasmus und die Art, wie sie dieses einfache Gericht genoss, lösten in Ethan seltsame Gefühle aus. War sie im Bett genauso leidenschaftlich? Seine Kehle wurde trocken und seine Hose ein wenig eng. Wahrscheinlich war es ziemlich bizarr, dass es ihn erregte, einer Frau beim Suppeessen zuzusehen.

Aria bemerkte sein Dilemma glücklicherweise nicht. Sie leckte sich ein wenig Käse von der Lippe und sah ihn über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg an. „Was ist mit dir, Ethan? Ich höre immer nur Gutes über deinen Job in Houston. Auch wenn es sicher nicht leicht ist, für Sterling Perry zu arbeiten.“

Er lachte, und langsam fiel der Stress der letzten zehn Wochen von ihm ab. Einen Großkonzern wie Perry Holdings zu leiten, nahm sein Leben ganz und gar in Anspruch. „Das kannst du laut sagen. Aber Sterling und ich verstehen uns ganz gut miteinander.“

„Wahrscheinlich, weil ihr nicht miteinander verwandt seid“, sagte Aria trocken.

„Wahrscheinlich.“ Sterlings vier erwachsene Kinder hatten alle kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater.

„Ich habe heute im Club ein interessantes Gerücht gehört …“

„Es stimmt. Heute Nachmittag habe ich erfahren, dass unsere Bauabteilung den Auftrag zur Renovierung des neuen TCC-Standorts in Houston ergattern konnte. Ich bin schon ganz aufgeregt.“

Zum ersten Mal schenkte Aria ihm ein offenes Lächeln. „Das ist toll“, sagte sie und strahlte ihn an. „Ich freue mich für dich.“

„Ich war nicht sicher, ob wir den Auftrag wirklich bekommen würden.“

„Wieso bist du dann in Royal?“

„Na ja, ich hatte ein paar Meetings mit den TCC-Vorstandsmitgliedern, um sicherzugehen, dass wir ihren Vorstellungen gerecht werden können. In nächster Zeit werde ich wohl überwiegend in Houston sein und nur hin und wieder ein paar Tage in Royal verbringen.“

„Es hat mich überrascht zu hören, dass ein Gebäude dafür renoviert wird. Ich war ständig unterwegs und habe daher einen Teil der Diskussionen verpasst. Wieso wird nicht einfach etwas Neues gebaut?“

„Ryder Currin hat ein tolles Gebäude mitten in der Innenstadt gefunden. Es war früher ein Luxus-Boutique-Hotel, das während der Rezession pleite gegangen ist. Das Gebäude ist mittlerweile ziemlich heruntergekommen.“

„Und jetzt könnt ihr es erneuern.“

„Genau. Von Grund auf.“ Arias Begeisterung war Balsam für seine Seele. Ethan wusste jetzt schon, dass es ein kompliziertes Projekt werden würde. Sterling Perry hatte zwar den Zuschlag für den Bau gewonnen, aber sein Erzfeind, der wesentlich jüngere Ryder Currin, war die eigentliche treibende Kraft hinter dem neuen Ableger des TCC in Houston gewesen. Nun kämpften die beiden Männer um die Kontrolle. Zwischen ihnen gab es böses Blut, und Kollateralschäden waren nach Ethans Ansicht nicht ausgeschlossen.

Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch, immer noch ganz aufgekratzt vom Adrenalin … und von etwas anderem. Es fühlte sich an wie eine Naturgewalt, ein intensives körperliches Bewusstsein, das er schon immer in Arias Gegenwart verspürt hatte. „Du solltest es dir mal ansehen“, sagte er spontan. „Wenn wir erst einmal Fortschritte gemacht haben, kann ich dich gern rumführen.“

Sie blinzelte ihn an. „Ich soll nach Houston kommen?“

Er legte den Kopf schief. „Es ist nicht weit“, sagte er gedehnt. „Es gibt da diese tolle Erfindung namens Flugzeug.“

„Sehr witzig.“ Wieder röteten sich ihre Wangen. „Das würde mir gefallen.“ Sie überraschte ihn, als sie eine Hand auf seine legte. „Ich bin wirklich stolz auf dich, Ethan. Dieses Projekt ist eine große Sache.“

„Ich wollte feiern, aber ich habe meine Freunde zu lange ignoriert.“

„Du arbeitest zu viel.“

Es war keine Frage. Er umschloss ihre Hand mit den Fingern. „Die Arbeit ist einfach alles, was ich habe“, sagte er. „Wenn man es in dieser Welt zu etwas bringen will, muss man hundertzehn Prozent geben.“

„Ist das denn wirklich alles, was du willst?“

Ihre leise Frage raubte ihm den Atem. Nein, verdammt, das war es nicht … Aber Aria war tabu. „Im Leben hat man nicht immer die Wahl“, sagte er und strich ihr über die Handfläche.

„Vielleicht hast du einfach Angst.“ Sie entzog ihm die Hand.

Ihre spitze Bemerkung alarmierte ihn. „Ich habe keine Angst, vor nichts und niemandem.“

Aria verschränkte die Arme und lenkte seine Aufmerksamkeit damit auf ihre Brüste. Das darauffolgende Schweigen hielt nur wenige Sekunden an, auch wenn es sich länger anfühlte. Amanda trat an den Tisch, um das Geschirr einzusammeln. Sie schien die Spannung zwischen ihnen nicht zu bemerken.

Als sie wieder allein waren, schenkte Aria ihm ein herausforderndes Lächeln. „Beweis es.“

Verwirrt starrte er sie an. Alles Blut hatte seinen Kopf verlassen und sich auf den Weg in einen ganz bestimmten anderen Körperteil gemacht. „Was denn beweisen?“

„Dass du keine Angst hast.“

Er konnte diese Herausforderung nicht ablehnen. Hatte er Aria überhaupt je richtig gekannt, oder hatte sie sich so verändert? Das Angebot hätte nicht eindeutiger sein können – und das ausgerechnet von der Frau, die er immer für eher passiv, wenn nicht sogar verklemmt gehalten hatte.

Doch ihr Blick sagte etwas anderes. Unter dem weichen Stoff ihres Pullovers hatten sich ihre Brustwarzen zusammengezogen und zeigten ihm ganz eindeutig, wie sehr ihr dieses verbale Vorspiel gefiel. Plötzlich stand ihm der Schweiß auf der Stirn. „Na ja, ich …“

„Ich habe zufällig eine Flasche Champagner zu Hause“, sagte sie leise. „Ich würde sie heute Abend gern dir zu Ehren öffnen. Was sagst du?“

Er sollte Nein sagen. Es hatte sich nichts geändert. Er und Aria waren schon seit Jahren miteinander befreundet. Sex mit ihr kam nicht infrage. Konnte er es schaffen, sie nach Hause zu begleiten, mit ihr zur Feier des Tages ein Glas Champagner zu trinken und dann einfach wieder zu gehen? Er bezweifelte es. Doch er würde es trotzdem versuchen. Er konnte ihrem Lächeln einfach nicht widerstehen. „Gerne“, krächzte er. „Ich schätze, ich habe genug Zeit für ein Glas. Ist deine Adresse immer noch dieselbe?“

„Ja.“ Sie zog sich ihren Mantel über und unterschrieb auf der Kreditkartenabrechnung, die Amanda unauffällig auf dem Tisch hinterlassen hatte.

Ethan runzelte die Stirn. „Ich hätte dich einladen sollen. Ich habe nicht aufgepasst.“

„Sei nicht albern. Das hier ist doch kein Date.“ Sie erhob sich und strich sich das Haar zurück. „Wir treffen uns bei mir.“ Und schon war sie weg, zur Tür hinaus in einem weiteren kalten Luftzug.

Ethan war immer noch völlig überrumpelt. Was war gerade passiert? Er ging zum Tresen. „Hey, Amanda. Du hast mir noch gar nicht die Rechnung gebracht.“

Amanda grinste breit. „Aria hat für dich bezahlt.“

Ungläubig starrte er sie an. „Was? Wie das denn?“

„Sie hat eine Nachricht an mich auf ihre Quittung gekritzelt. Meinte, es sei zur Feier des Tages. Ich habe von dem neuen Projekt gehört. Herzlichen Glückwunsch.“

„Das hat sich ja schnell herumgesprochen“, murmelte er.

„In Royal geht das immer schnell.“

Wie benommen verließ Ethan das Diner. Er wurde von etwas getrieben, von einer unaufhaltsamen Kraft – Schicksal oder Neugierde oder vielleicht einfach Lust. Was es auch war, er konnte ihm nicht widerstehen.

Er machte sich auf den Weg zu Arias Haus, um mit ihr Champagner zu trinken. Die Fahrt war nicht sonderlich lang, sie dauerte keine fünfzehn Minuten. Vor ihrem Bungalow angekommen, fand er sofort einen Parkplatz.

Als er ihr Haus musterte – perfekt für eine Familie mit Hund oder Katze und zwei Kindern –, zog sich ihm der Magen zusammen. Er sollte umdrehen, wieder ins Auto steigen. Am besten sofort. All die Gründe, wegen derer er sich in der Vergangenheit von Aria ferngehalten hatte, galten auch jetzt noch. Er wollte sie, das hatte er schon immer getan. Aber er wäre nicht gut für sie.

Als sie noch Kinder waren und zusammen zur Schule gingen, hatte er die Raufbolde und Rüpel von ihr ferngehalten, damit sie der unbändige Wildfang sein konnte, der sie sein wollte. Er hatte sie beschützt, sich um sie gekümmert, dafür gesorgt, dass sie immer sicher und glücklich war.

Doch als sie Teenager gewesen waren und schließlich erwachsen wurden, hatte er die schmerzliche Wahrheit über die vielen Affären seines Vaters erfahren. Seine Mutter hatte es ihm nicht verraten, doch Ethan hatte sie eines Tages weinen sehen und auf eigene Faust Nachforschungen angestellt. Als er die Wahrheit erfuhr, hatte sich ihm der Magen umgedreht.

Nach dieser Entdeckung war er jedes Mal, wenn Aria ihn in Versuchung brachte, auf Abstand gegangen. Nur zu ihrem Besten …

2. KAPITEL

Aria war gerade damit fertig, sich ein wenig frischzumachen, als es an der Tür klingelte. Sie legte sich eine Hand auf den Bauch und atmete tief durch. Es würde nichts passieren. Ethan war ein alter Freund. Ein attraktiver, nicht verfügbarer Freund.

Sie ließ ihn herein, nahm ihm den Mantel ab und winkte ihn ins Wohnzimmer. „Fühl dich wie zu Hause“, sagte sie. „Ich hole den Champagner.“

Als sie keine fünf Minuten später zurückkehrte, hatte Ethan den Kopf an die Sofakissen gelehnt, die Augen geschlossen und die Füße auf ihrem wurmstichigen Kaffeetisch abgelegt. Der Anblick brachte sie innerlich zum Lächeln. „Los geht’s.“

Ethan sah wirklich umwerfend aus, wenn auch erschöpft. Er hörte ihre leisen Worte gar nicht. Vielleicht hätte sie beleidigt sein sollen, dass er eingeschlafen war, doch in Wahrheit berührte es sie, dass er sich bei ihr so wohlfühlte.

Ethan hatte lange ganz selbstverständlich zu ihrem Leben dazugehört. Zumindest war das bis vor fünf Jahren so gewesen, als er Royal der Arbeit wegen verlassen hatte. Selbst wenn er nun über die Feiertage nach Hause kam, war ihre Beziehung doch nie wie früher. Irgendetwas hatte sich geändert. Plötzlich war er in ihrer Gegenwart immer vorsichtig, blieb stets sorgfältig auf Abstand.

Zunächst hatte sie vermutet, er wäre mittlerweile in einer Beziehung, und die andere Frau wollte nicht, dass er Zeit mit ihr verbrachte. Doch die Wahrheit war weit entmutigender und schwerer nachzuvollziehen: Ethan führte einfach keine Beziehungen. Zumindest nicht in Royal. Wahrscheinlich gab es durchaus die eine oder andere Frau in Houston. Aber wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, handelte es sich dabei ausschließlich um One-Night-Stands. Rein körperlich, mehr nicht. Er war allein, und es gefiel ihm so.

Aria setzte sich neben ihn, zwischen ihnen war nur etwa ein Meter Abstand. Ethan war der Grund, wieso sie jede ihrer romantischen Beziehungen langweilig und öde gefunden hatte. Sie hatte jahrelang für ihn geschwärmt, und nun hielt sie dieses Gefühl davon ab, das Leben zu führen, das sie sich so sehr wünschte. Das sie sich verdient hatte. Vielleicht hatte das Schicksal sie ja heute Abend zusammengeführt.

Sie wollte nicht länger die passive, vernünftige Frau sein. Zwischen Ethan und ihr war irgendetwas, und sie würde herausfinden, was es war, auch wenn allein die Vorstellung sie nervös machte.

„Ethan.“

Er schreckte hoch und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. „Tut mir leid“, murmelte er. „Ich habe in letzter Zeit nicht viel geschlafen.“

„Macht doch nichts.“ Sie reichte ihm die Flasche Champagner. „Würdest du die öffnen? Ich habe damit nicht viel Erfahrung.“

Er warf ihr einen Blick zu. „Und du denkst, ich schon?“ Doch er nahm die Flasche entgegen. Ihre Finger berührten sich, und Arias Kehle wurde trocken. Ethan mühte sich mit dem Draht und der Folie am Korken ab. „Sollten wir das nicht vorsichtshalber in der Küche machen?“

Sie legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel. „Heute Abend würde ich gern gefährlich leben.“

Abrupt stand Ethan auf, um weiter mit der Flasche zu kämpfen, und ihre Hand rutschte von seinem Bein. War das Absicht gewesen? Seine Wangen waren gerötet. Und sie hätte schwören können, dass er bei dem Wort „gefährlich“ zusammengezuckt war.

Mit einem lauten Knall schoss der Korken durchs Zimmer, und Ethan schnappte sich ein Glas. „Genau das hatte ich befürchtet.“ Schnell goss er die schäumende Flüssigkeit in die zwei Champagnerflöten.

Aria nahm das Geschirrtuch zur Hand, das sie mitgebracht hatte, und wischte die kleine Pfütze auf. „Nichts passiert.“

Ethan reichte ihr ein Glas. „Ladies first.“

Sie hob die Flöte und stieß mit ihm an. „Auf dich, Ethan. Auf all deine harte Arbeit und die Erfolge, die du deswegen feiern kannst. Perry Construction hat wirklich Glück, dich zu haben.“

Sein Lächeln wirkte verlegen und erfreut zugleich. „Danke, Aria.“

Sie sahen einander in die Augen, während sie dastanden und die Gläser in einem Zug leerten. „Gern geschehen. Ich bin wirklich froh, dass wir uns über den Weg gelaufen sind. Niemand sollte allein feiern müssen.“

Er schluckte sichtlich. „Noch ein Glas?“

Sie nickte und hielt ihm die Flöte hin. „Der ist gut, oder? Ich habe gehört, dass die Bläschen in der Nase kitzeln, aber das ist mir tatsächlich noch nie passiert. Ich mag Champagner.“

„Das tun die meisten“, sagte er trocken. „Oder zumindest tun sie so als ob. Wieso sollte man sonst zu jedem feierlichen Anlass Champagner trinken?“ Er legte eine Hand um ihre, während er ihr nachschenkte.

„Das ist mein letztes Glas“, sagte sie nachdrücklich und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr seine Berührung sie aus der Fassung brachte.

Er ließ ihre Hand los und schenkte sich selbst nach, eine Augenbraue gehoben. „Verträgst du keinen Alkohol?“

„Ich bin einfach schnell beschwipst.“ Sie nippte an ihrem Glas. „Ich brauche nicht einmal viel dazu. Aber dadurch sind die Dates mit mir wenigstens billig.“

Erneut hob er sein Glas und sah sie dabei mit einem intensiven Blick an. „An dir ist nun wirklich rein gar nichts billig, Aria. Du bist toll, auf jede erdenkliche Art.“

Das unerwartete Kompliment überraschte sie. War das etwa Erregung in seinen Augen? Begehren in seiner Stimme? Sie hatte erst anderthalb Gläser Champagner getrunken und ihren Kopf noch perfekt unter Kontrolle. Doch ihre Gefühle waren eine andere Geschichte. Plötzlich wurde sie von einer Sehnsucht überrollt, die alles andere davonspülte, wie ein Tsunami.

Einen Augenblick lang war sie wieder sechzehn. In dem Alter hatte sie sich in Ethan verliebt. Ihre Eltern hatten gesagt, es sei nur eine jugendliche Schwärmerei, dass sie da schon noch herauswachsen würde. Ihre Freunde hatten gesagt, er sei älter und zu erfahren, um ein Mädchen wie sie auch nur in Betracht zu ziehen. Aber Aria kannte Ethan. Sie wusste, dass sie ihm wichtig war und er sie beschützen wollte. Sie wusste, wie ehrenhaft er war, und wie sehr er seine Mutter anbetete. Und sie wusste, wie er sie ansah, wenn er dachte, sie würde es nicht merken.

Die restliche Zeit in der Highschool und selbst die vier Jahre am College über hatte sie ihre Liebe für Ethan gehegt und gepflegt. Als sie nach dem College nach Royal zurückkehrte, war Ethan ebenfalls wieder da – nun kein Junge mehr, sondern ein Mann. Eigentlich war dies endlich der richtige Zeitpunkt für sie beide gewesen zusammenzukommen. Doch sie war zu schüchtern gewesen, um den ersten Schritt zu wagen, und Ethan hatte ihr nie das geringste Zeichen gegeben, dass er auf diese Art an ihr interessiert sein könnte. Er gab sich freundlich, aber auch distanziert. Jegliche zärtlichen Gefühle, die er eventuell für sie gehabt haben mochte, hatte er sorgfältig vor ihr verborgen.

Der neue Ethan, der nach Royal zurückgekehrt war, wirkte härter und männlicher auf sie. Weniger zugänglich. Jahrelang hatte sie sich nach ihm gesehnt, bis er dann nach Houston gezogen war. Das war eine schwere Zeit für sie gewesen. Sie hatte über einige Dinge nachdenken müssen, ehe sie der Wahrheit ins Gesicht sehen konnte: Ethan war einfach nicht für sie bestimmt.

In den Jahren darauf war sie mit mehreren Männern ausgegangen, aber irgendetwas hatte immer gefehlt. Nur zwei ihrer Freunde hatten es bis in ihr Bett geschafft. Der Sex war nett gewesen. Zufriedenstellend. Aber nicht überragend. Sie war irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass sie aufgrund von Büchern und Filmen eben zu hohe Erwartungen hatte. So etwas wie Seelenverwandte gab es nicht. Nun drohte eine zufällige Begegnung mit einem Mann, den sie schon von Kindesbeinen an kannte, diesen hart erkämpften Frieden zu zerstören.

Ethan schenkte sich ein letztes Glas Champagner ein. Die Flasche war fast leer. Er hielt sie hoch, sein Blick fragend. Aria schüttelte den Kopf. „Trink ruhig aus.“ Er wog wesentlich mehr als sie, es sollte ihm also kaum etwas ausmachen, wenn er den Rest allein trank.

Sie stellte ihre leere Champagnerflöte auf den Kaffeetisch und sah ihm dabei zu, wie er sein Glas leerte und es dann ebenfalls beiseite stellte.

Ethan war hier. In ihrem Haus. Nah genug, um ihn zu berühren. Sie könnten ungestört diese Anziehungskraft erforschen, die sie nun schon zehn Jahre lang so gekonnt ignoriert hatten. Würde sie es wagen? Konnte sie diesen Mann verführen?

Aria holte tief Luft. Ehe sie die Nerven verlor, stürzte sie sich auf ihn. Sie schlang ihm die Arme um den Hals, drückte die Lippen auf seine und küsste ihn. Er schmeckte wie ein wahr gewordener Traum. Sie hatte sich diesen Moment tausende Male vorgestellt. Nun war sie hier, an seine warme Brust gekuschelt.

Doch nur wenige Augenblicke später wurde sie von der Realität eingeholt: Ethan blieb vollkommen reglos. Seine Lippen bewegten sich nicht unter ihren, und er berührte sie nicht.

Sofort wich sie zurück, ihr Gesicht schamrot. Sie wischte sich über den Mund, als könne das ihren Fehler auslöschen. „Oh Mist, tut mir leid. Ich habe die Signale falsch gedeutet. Mein Fehler.“ Sie war noch nie zuvor so gedemütigt worden – oder so verletzt.

Ethan war trotz der natürlichen Bräune seiner Haut kreidebleich. „Aria?“

Sie hob eine Hand. „Geh einfach. Bitte. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe.“

Am liebsten wäre sie geflohen, doch sie waren in ihrem Haus. Was, wenn er ihr folgte? Das könnte sie nicht ertragen. Seine Reaktion war entsetzlicher als alles, was sie sich je hätte ausmalen können. Ethan fühlte sich nicht zu ihr hingezogen. Sie hatte sich von einer dummen Teenager-Schwärmerei täuschen lassen. Tränen traten ihr in die Augen, Tränen, die sie auf keinen Fall vergießen wollte. Diese Demütigung hätte das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.

Er trat einen Schritt auf sie zu. Nur einen. Doch sie erstarrte. „Geh“, flehte sie. „Mach das hier nicht noch schlimmer.“

In seinen Augen glühte ein starkes Gefühl, das sie nicht entschlüsseln konnte. „Verdammt, Aria. Gib mir eine Minute, das zu verarbeiten. Ich habe mein ganzes Erwachsenenleben damit verbracht, mich von dir fernzuhalten. Du hast mich einfach überrascht, das ist alles. Gott, ja, ich will dich. Ich will dich schon seit Jahren. Aber ich wusste schon immer, dass es ein Fehler wäre, dich zu berühren.“

Ihr Magen zog sich zusammen. „Warum?“

Er trat vor sie und nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Weil ich wusste, dass ich nicht mehr damit aufhören wollen würde, wenn ich einmal angefangen hätte. Ist das deutlich genug?“

„Oh.“

Er küsste sie eindringlich und stöhnte dabei auf. „Bist du dir sicher?“

Sie zitterte wie Espenlaub. „Ich will mit dir schlafen, Ethan.“ Da. Sie hatte es ausgesprochen. Wie eine selbstbewusste Frau, die sich nahm, was sie wollte.

Er fluchte leise, ehe er sie erneut küsste. Sanft streichelte er ihr mit den Daumen am Kiefer entlang, und während er auf Abstand blieb, versuchte sie, sich an ihn zu pressen. Als er schließlich nachgab und sie an sich zog, konnte sie seine Erektion am Bauch spüren. Er knabberte an ihrem Ohrläppchen, sein Atem heiß auf ihrem Hals.

„Du warst schon als Teenager hinreißend, aber jetzt bist du absolut umwerfend.“

„Du hast nie etwas gesagt.“

„Ja, weil du nicht für mich bestimmt warst.“

Autor

Janice Maynard
Janice Maynard wuchs in Chattanooga, Tennessee auf. Sie heiratete ihre High-School-Liebe während beide das College gemeinsam in Virginia abschlossen. Später machte sie ihren Master in Literaturwissenschaften an der East Tennessee State University. 15 Jahre lang lehrte sie in einem Kindergarten und einer zweiten Klasse in Knoxville an den Ausläufern der...
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