Baccara Collection Band 451

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KALTER DEAL UM HEISSE GEFÜHLE von MAUREEN CHILD
Als Sadie ihrem Ex Justin gesteht, dass sie einen gemeinsamen Sohn haben, zeigt er plötzlich Vatergefühle. Dabei war es Justin, der ihre Affäre beendet hat! Hat er ehrliches Interesse an einer gemeinsamen Zukunft – oder will er sie nur für einen Businessdeal um den Finger wickeln?

ICH WILL DICH MEHR ALS JE ZUVOR von SHERYL LISTER
Alexis hat ihre große Liebe Derek Moore niemals vergessen. Bei einer Charity-Auktion ersteigert sie einen Abend mit ihm, und ihre alte Leidenschaft entbrennt erneut. Dann stellt sich heraus, dass diese eine Nacht süße Folgen hatte! Wird Derek jetzt erneut ihr Herz brechen?

TRAUMHAFT HEISSE KÜSSE von TAWNY WEBER
Vom willensstarken Polizisten Diego ist Jade fasziniert, und von seinen leidenschaftlichen Küssen bekommt sie nie genug. Doch gerade, als aus ihren wilden Nächten mehr werden könnte, macht Diego einen Rückzieher. Ist er doch nicht der Traummann, den Jade in ihm sieht?


  • Erscheinungstag 01.11.2022
  • Bandnummer 451
  • ISBN / Artikelnummer 9783751508353
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maureen Child, Sheryl Lister, Tawny Weber

BACCARA COLLECTION BAND 451

MAUREEN CHILD

Kalter Deal um heiße Gefühle

Vor anderthalb Jahren hatten Justin und Sadie eine heiße Affäre. Weil er ihr Hotel kaufen will, begegnen sie sich wieder, und die alten Gefühle flackern wieder auf. Da gesteht sie ihm Unglaubliches: Er ist Vater! Natürlich will er sich um seinen Sohn kümmern, doch wenn er den Deal mit Sadie abschließen will, darf er sich nicht von seinen Gefühlen leiten lassen!

SHERYL LISTER

Ich will dich mehr als je zuvor

Alexis ist so schön wie damals! Derek Moore ist vom Anblick seiner Jugendliebe gefesselt. Nur zu gerne verbringt er mit ihr einen leidenschaftlichen Abend. Als Alexis ihm gesteht, dass diese eine Nacht süße Folgen hatte, ist Derek schockiert. Er weiß genau, dass er kein guter Vater sein kann. Aber den Gedanken an ein Leben ohne Alexis kann er einfach nicht ertragen!

TAWNY WEBER

Traumhaft heiße Küsse

Von Diegos leidenschaftlichen Küssen bekommt Jane nie genug. Er ist der perfekte Mann für sie! Doch gerade, als aus ihren wilden Nächten mehr werden könnte, macht Diego einen Rückzieher. Hat Jade sich etwa in ihm getäuscht?

1. KAPITEL

Justin Carey sah sich im Konferenzraum der Carey Corporation um und war sich wieder bewusst, warum er Familientreffen normalerweise schwänzte.

Er saß bereits seit einer halben Stunde hier, und sie waren dem Ende des Meetings nicht näher als zu Beginn des Treffens. Das Carey-Vermächtnis erforderte mindestens ein Treffen im Monat, und Justin blieb diesen Treffen so oft wie möglich fern. Natürlich wollte er auch Zeit mit seiner Familie verbringen. Aber er war definitiv nicht daran interessiert, ein Teil der Carey-Familienkette zu werden.

Das Carey Center, im Grunde ein Palast für darstellende Künste, war die Grande Dame unter ihren Besitztümern. Aber es gab auch ein Fünf-Sterne-Restaurant, ein exklusives Einkaufszentrum namens FireWood und Dutzende von Immobilien. Nichts davon interessierte Justin.

Er wollte seinen eigenen Weg gehen. Seinen eigenen Beitrag zum Vermächtnis der Careys leisten. Er hatte das Gefühl gehabt, er würde ersticken, wenn er sich hier einreihte und ein Büro auf dem „Mutterschiff“ übernahm.

Dennoch musste er zugeben, dass die letzten Monate positive Veränderungen mit sich gebracht hatten. Seine Schwestern, Amanda und Serena, sprachen von nichts anderem mehr als ihren bevorstehenden Hochzeiten. Und der Älteste der Geschwister, Bennett, schien fast entspannt zu sein. Was einfach nervte.

Bennett war immer der Ehrgeizigste von ihnen gewesen. Er führte ein Leben nach Zeitplänen und Listen – und doch umspielte ein kleines selbstzufriedenes Lächeln seinen Mund, seit er sich heute Morgen hingesetzt hatte. Zurückgelehnt saß er auf dem schwarzen Ledersessel am Kopfende des Tisches und beobachtete die Familie wie ein wohlwollender alter Onkel. Erstaunlich, was die Liebe zu Hannah Yates, einer außergewöhnlichen Bauunternehmerin, bei Bennett bewirkt hatte.

Während Justin darauf wartete, dass die Sitzung nach einer kurzen Pause wieder aufgenommen wurde, beobachtete er seine Schwestern. Amanda und Serena blätterten wie wild in einem Brautmodenmagazin, wobei sie gelegentlich seufzten oder einen leisen Schrei der Zustimmung ausstießen.

Nur die Beziehung seiner Eltern hatte sich nicht verändert. Der „Rentenkrieg“, wie seine Geschwister und er es nannten, war immer noch in vollem Gange. Sein Vater, Martin, hatte seiner Frau versprochen, in den Ruhestand zu gehen, sobald Bennett die Leitung der Carey Corporation übernommen hatte. Mittlerweile war Bennett der CEO, doch Martin konnte nicht loslassen. Deshalb war Justins Mutter, Candace, aus dem gemeinsamen Haus aus- und bei Bennett eingezogen.

Justin musste schmunzeln bei dem Gedanken daran, wie hart Bennett daran gearbeitet hatte, seine Mutter aus dem Haus zu bekommen – ohne Erfolg. Aber seit auch Hannah bei ihm eingezogen war, schien es ihm nicht mehr so viel auszumachen. Nur eine weitere verblüffende Veränderung unter vielen anderen. Verdammt, vielleicht sollte er doch häufiger an den Meetings teilnehmen. Nur so bliebe er auf dem Laufenden.

„Candy“, sagte Martin Carey, „es wird Zeit, dass dies ein Ende findet. Wir haben zwei Töchter, die heiraten werden, und Hannah ist bei Bennett eingezogen. Die beiden möchten vermutlich etwas Privatsphäre …“

„Zieh mich da nicht mit rein“, sagte Bennett.

Justin schwieg und beobachtete das Spielchen.

„Candy, komm nach Hause, und wir sprechen über den Ruhestandsplan.“

Candace tippte mit dem Finger auf die Tischplatte und schüttelte den Kopf. „Nein, Marty. Ich komme nicht nach Hause. Ich fühle mich in Bennetts Haus sehr wohl. Tatsächlich genießen Hannah und ich es, diesen beigefarbenen Palast in ein Zuhause zu verwandeln.“

„He …“, mischte Bennett sich wieder ein, und jetzt blickten sogar Justins Schwestern auf und hörten zu.

„Tut mir leid, mein Lieber“, sagte Candace. „Aber du weißt, wie begabt Hannah darin ist, Häuser wieder zum Leben zu erwecken.“

Bennett seufzte und zog ein finsteres Gesicht.

„Die Küche wird gerade renoviert, und das Wohnzimmer ist bereits in einem wundervollen dunklen Waldgrün gestrichen …“

„Mich interessiert nicht, was du mit Bennetts Haus anstellst“, grummelte Martin.

„Sollte es aber. Es wird wunderschön.“

„Candy, ich vermisse dich“, sagte Martin und biss die Zähne zusammen. „Es wird Zeit, dass du zu mir zurückkommst. Rede mit mir.“

„Es ist bereits alles gesagt“, erwiderte Candace leise. „Du weißt, was du tun musst, wenn du diesen Zustand beenden willst.“

Justin zuckte zusammen. Er wusste, wie sehr sich seine Eltern liebten, aber er wusste auch, dass seine Mutter nicht nachgeben würde, wenn sie sich im Recht fühlte.

„Du bist wirklich uneinsichtig“, klagte Martin.

„Und du hast dein Wort gebrochen.“

Er zog ein beleidigtes Gesicht. „Das habe ich nicht.“

„Entschuldige“, sagte Candace und blickte sich im Raum um. „Sind wir gerade auf einem Kreuzfahrtschiff? Ist es mir nur entgangen?“

Martin knirschte mit den Zähnen, und Justin wollte seinem Vater sagen, dass er einfach nachgeben sollte. Candace fand immer einen Weg zu gewinnen. Keines ihrer vier Kinder hatte es je geschafft, sie umzustimmen. Und ihr Mann würde es auch nicht schaffen.

Während die Familie übereinander und miteinander sprach, setzte Justin sich zurück und betrachtete alles aus der Sicht eines Außenstehenden. Denn im Grunde war er genau das.

In der Welt der Maßanzüge und hohen Erwartungen war er der Typ mit der schwarzen Armani-Lederjacke, der seinen eigenen Weg ging. Er nahm nicht gern Befehle entgegen und hatte nicht das geringste Interesse am Familienunternehmen.

Und niemand in der Familie verstand das.

Sein ganzes Leben lang war ihm das Vermächtnis der Careys wie ein Reifen vorgehalten worden, durch den er springen musste. Er vermutete, dass so mancher das als ein Versprechen auf eine Zukunft sah. Ein Weg, der sauber angelegt vor ihm lag.

Für Justin jedoch führte dieser Weg nicht dorthin, wo er sein wollte. Er liebte seine Familie, aber der Gedanke, jeden Tag seines Lebens hinter dem Schreibtisch zu verbringen, kam ihm wie eine Gefängnisstrafe vor.

Und er hatte früh gelernt, dass der Versuch, es seiner Familie recht zu machen, für ihn vergebliche Liebesmühe bedeutete. Als Jüngster unter den Geschwistern musste er feststellen, dass jeder eine Meinung dazu hatte, was er zu tun hatte. Und damit er ihnen nicht eines Tages grollte, weil sie sich zu sehr in sein Leben einmischten, musste er sich abnabeln.

Musste seinen Weg finden, einen individuellen Beitrag zur Carey Corporation zu leisten.

Und jetzt hatte er ihn. Er war fast so weit, seiner Familie zu zeigen, dass er mehr war als nur „der Jüngste“.

„Okay, lasst uns über die Sommerkonzertreihe sprechen“, sagte Bennett, und die Gespräche verebbten langsam.

Die Sonne schien in den Raum, aber dank der getönten Scheiben war das Licht gedämpft. An der Wand hingen gerahmte Familienfotos, außerdem Fotos vom Carey Center, dem Restaurant und dem Einkaufszentrum. Eines Tages, so sagte Justin sich, würde es gerahmte Fotos von seinem Beitrag zum Familienunternehmen geben. Er freute sich darauf.

„Alles läuft nach Plan, Bennett“, sagte Amanda, die immer noch in dem Brautmodenmagazin blätterte.

„Danke für deine Aufmerksamkeit, Mandy“, sagte Bennett trocken.

Sie sah ihn an. „Es ist nicht das erste Mal, dass ich die Konzertreihe durchführe, Bennett. Ich habe jeden Abend einen vollen Saal. Unsere Stammdarsteller freuen sich, hier zu sein, und die neuen Künstler können es kaum erwarten, im berühmten Carey Center aufzutreten. Der Ticketverkauf geht durch die Decke, und wir haben die Pläne für den Pub und den Fußweg zwischen dem Center und dem neuen Lokal fertig, und sie sind fantastisch.“

„Wann beginnen die Arbeiten an dem neuen Projekt?“ Bennett sah sie an.

„Hannah hat, wie du weißt, den Entwurf gemacht …“

Bennett nickte.

„Da sie mit dem Bau von Allis Schloss und der Stützmauer bei Jacks Haus beschäftigt ist, haben wir einen anderen Bauunternehmer für das Projekt gefunden. Wir sollten nächsten Monat mit dem Bau beginnen können.“

„Gute Nachrichten“, sagte Bennett. „Hannah wird mit dem Schloss in ein paar Wochen fertig sein, aber sie hat jetzt schon Aufträge für die nächsten zwei Monate in der Tasche. Ganz abgesehen davon, dass einige ihrer Leute in meinem Haus sind, um einen Frühstücksraum an die Küche anzubauen und alle Wände zu streichen.“

„Hurra“, jubelte Amanda. „Kein Beige mehr.“

„Sehr lustig“, entgegnete Bennett.

„Wie auch immer“, Amanda nickte ihrer Schwester zu. „Serena hat noch ein paar neue Punkte zu dem Summer-Stars-Programm, aber was mich angeht, läuft alles wie geschmiert.“ Sie holte Luft, sah ihn durchdringend an und erinnerte ihn: „Außerdem heirate ich in ein paar Monaten, und ich brauche etwas Zeit, um die Hochzeit zu planen.“

„Ich weiß.“ Er richtete den Blick auf die andere Schwester. „Okay, Serena. Die Gewinner der Summer Stars. Sind sie fit für den Auftritt in diesem Sommer?“

Sie nickte, und ihr blondes Haar umschmeichelte ihre Schultern. „Natürlich, Bennett. Hältst du mich für inkompetent?“

„Was? Nein. Natürlich nicht.“ Bennett schaute sich am Tisch um, und Justin konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er aussah, als überlegte er, wie er sich aus der Bredouille herausreden konnte. „Ich versuche nur …“

„Zu kontrollieren?“, fragte Serena und stand langsam auf. „Warum glauben Männer, sie hätten die Antwort auf alles, und wir sind nur diejenigen, die ihnen zujubeln?“

„Ich glaube nicht …“

„Ihr seid alle gleich“, sagte Serena, und Justin bemerkte erschrocken, wie sich die Augen seiner sensiblen Schwester mit Tränen füllten.

„He“, sagte Bennett und erhob sich ebenfalls. „Ich versuche nicht, dich zu kontrollieren, Serena. Aber ich kann es, wenn du möchtest.“

„Ganz ehrlich, Bennett? Du könntest versuchen, hilfreich zu sein.“ Amanda zeigte mit dem Finger auf ihren Bruder. „Ihr haltet alle zusammen, egal was passiert.“

„Was ist denn hier los?“, fragte Martin.

„Keine Ahnung“, erwiderte Candace und sah ihre Tochter besorgt an.

„Bennett …“ Justin sah seine Schwestern an und sagte dann: „Vielleicht sollten wir uns erst einmal beruhigen und …“

„Du hältst dich da raus“, sagte Serena und wischte sich eine Träne von der Wange. „Du bist nie hier, Justin, und jetzt schlägst du dich auf Bennetts Seite gegen mich?“

„Ich ergreife für niemanden Partei“, protestierte er und blickte Hilfe suchend zu seinem Bruder. Aber Bennett war genauso verwirrt.

„Auf wessen Seite soll ich denn stehen?“, fragte Bennett. „Wovon redest du?“

„Jack“, antwortete sie kurz angebunden. „Von Jack natürlich. Er will diesen Sommer heiraten, und wir haben keine Zeit. Es ist bereits Sommer, verdammt noch mal. Ich will bis Weihnachten warten …“

„Klar, weil du um Weihnachten herum ja nichts zu tun hast“, murmelte Justin.

„Du bist auch auf Jacks Seite“, sagte Serena.

„Süße“, sagte Candace leise. „Das ist keine Tragödie. Wir werden uns schon etwas einfallen lassen.“

„Ich kann mich mit all dem heute nicht befassen.“ Serena verließ den Raum, und Amanda sah ihr nach.

„Siehst du, was du getan hast? Ich kann nicht glauben, dass du so unsensibel bist, Bennett. Hat Hannah schon diese hässliche Seite an dir kennengelernt?“ Amanda nahm ihr Brautmodenmagazin.

Sie lief Serena hinterher, und Bennett sah Justin an. „Was zum Teufel war das denn gerade? Ich habe nach den Summer Stars gefragt, und plötzlich bin ich unsensibel?“

„Keine Ahnung.“ Justin sah Candace an. „Mom, hast du eine Ahnung, was da los ist?“

Candace erhob sich langsam, sah ihre Söhne an und richtete ihren Blick dann kurz auf ihren Mann. „Was los ist? Ihr Männer weigert euch wieder einmal, uns zuzuhören. Und leider gilt das auch für Jack und vermutlich auch für Henry. Ich vermute, keiner von euch kann etwas dafür. Es liegt einfach an eurem Geschlecht.“

„Moment“, sagte Martin, der ebenfalls aufgestanden war. „Wie bin ich da nur reingeraten?“

„Du bist ein Mann, und du hörst nicht zu.“ Candace drehte sich um und folgte ihren Töchtern. Martin war nur ein oder zwei Schritte hinter ihr.

Justin sah Bennett an. „Was zum Teufel haben wir getan?“

„Wir wurden als Männer geboren. Ich bin froh, dass du hier bist und diese hitzige Auseinandersetzung miterlebt hast.“

„Ja. Wirklich schön, dass ich mir die Zeit genommen habe, zu diesem Familientreffen zu kommen.“

Bennett runzelte die Stirn. „Wenn du häufiger kämst, könntest du mir helfen, mit unseren Schwestern besser fertigzuwerden.“

„Ja, aber nein, danke.“ Justin grinste und steckte die Hände in die Taschen. „Du bist der CEO. Es ist dein Job, dich um den Scheiß zu kümmern.“

„Das steht nicht im Vertrag“, murmelte Bennett.

„Dad hat dich einen Vertrag unterschreiben lassen?“

„Egal.“ Bennett schüttelte den Kopf. „Warum bist du überhaupt zum heutigen Treffen gekommen? Das sich übrigens zum kürzesten Familientreffen der Geschichte entwickelt hat, allen kleinen Geschäftsgöttern sei Dank.“

Justin lachte kurz auf. Das war eine Seite an seinem älteren Bruder, die er nicht kannte. „Verdammt, Bennett, ich habe noch nie erlebt, dass dich diese Treffen nerven. Was ist mit dir passiert?“

Bennett zog einen Mundwinkel hoch, und sein Blick wurde weicher. „Ich habe Hannah gefunden und entdeckt, wie es ist, ein richtiges Leben zu haben.“

Hannah Yates, Bauunternehmerin und offenbar auch Bruderbändigerin. Er selbst hatte sie nur ein einziges Mal getroffen, bei einem großen pompösen Dinner im The Carey – dem Vorzeigerestaurant des Familienunternehmens, das Hannah und ihr Team nach einem Brand komplett wiederaufgebaut hatten. Aber schon bei diesem einen Treffen waren Justin die Veränderungen aufgefallen, die sie bei seinem Bruder bewirkt hatte.

Und verdammt, wenn Bennett Carey sich ändern konnte, dann war alles möglich.

Justin lächelte. „Ich bin nur gekommen, um dir persönlich dafür zu danken, dass du mir vor ein paar Wochen das Geld geliehen hast. Ich möchte es dir heute zurückgeben.“ Er reichte Bennett einen Scheck und war im Stillen dem Großvater dankbar, der jedem der Geschwister ein beträchtliches Vermögen hinterlassen hatte. Dennoch, es gab einige Hürden zu überwinden, wenn man auf das Geld zugreifen wollte. Er aber hatte das Geld schnell gebraucht, und Bennett hatte geholfen. Justin würde es ihm nicht vergessen.

Bennett legte den Scheck auf den Tisch. „Darf ich jetzt erfahren, wofür du es gebraucht hast?“

Justin grinste. Er war seit drei Monaten an dieser Sache dran. Verdammt, länger, wenn er in Betracht zog, dass er vor anderthalb Jahren zum ersten Mal versucht hatte, das Geschäft abzuschließen.

Aber es spielte keine Rolle mehr, wie lange es gedauert hatte. Der Punkt war, dass der Deal jetzt abgeschlossen war. Er hatte die Zahlung erst vor ein paar Wochen geleistet, und es gab kein Zurück mehr. Die Weichen waren gestellt, jetzt musste er nur noch allen beweisen, dass er wusste, was er tat. Dass die Gründung eines neuen Zweigs der Carey Corporation das Richtige für ihn war.

„Erde an Justin.“

„Was?“

„Ich habe gefragt, ob ich jetzt erfahre, wofür du das Geld gebraucht hast. Warum du in den letzten Monaten so ein Geheimnis darum gemacht hast, was du tust.“

Er war immer noch nicht bereit, es seiner Familie zu sagen.

Bennett seufzte. „Also nein. Ich sehe es deinem Gesicht an.“

„Ja, es ist ein Nein. Heute. Aber bald erfährst du es“, versicherte Justin ihm.

„Klar.“ Bennett lachte. „Das habe ich schon oft von dir gehört. Doch nichts ändert sich.“

„Bald, Bennett. Du wirst es früh genug sehen.“

Das war das Problem, wenn man der Jüngste in der Familie war. Jeder hatte das Gefühl, ein Mitspracherecht in seinem Leben zu haben. Sie wollten „helfen“, aber zu oft endete es damit, dass sie versuchten, ihn auf einen ihrer Meinung nach sicheren Weg zu lenken.

Nun, Justin war an „sicher“ nicht interessiert. Er kümmerte sich nicht um die Erwartungen, die an ihn gestellt wurden. Er wollte seinen eigenen Weg gehen und seiner Familie endlich beweisen, dass er, auch wenn er nicht in das Familienunternehmen eingetreten war, ein echter Carey war.

Ein paar Stunden später war Justin genau dort, wo er sein wollte.

Er stand auf einer Schieferterrasse und schaute über den Pazifik, der sich vor ihm erstreckte. Schwere graue Wolken zogen am Horizont auf und kamen schnell näher. Und hinter ihm stand das Hotel, das sein Anteil an der Carey-Familienkette sein würde.

Alles hing von dieser Sache ab. Er hatte vor Jahren Stellung bezogen – nicht gegen seine Familie, aber dagegen, in das Familienunternehmen hineingezogen zu werden. Und dies war seine Chance zu beweisen, dass dieser Schritt der Richtige gewesen war.

Hier in La Jolla, nur wenige Meilen von San Diego entfernt, war er gut zwei Stunden von Orange County, Kalifornien, entfernt, wo der Lebensmittelpunkt seiner Familie war. Hier war er nicht der Jüngste der Carey-Geschwister. Hier war er derjenige, der er sein wollte, verdammt noch mal.

Er liebte seine Familie, aber er hatte sich immer wie der sprichwörtliche quadratische Pflock gefühlt, den man in ein rundes Loch zu drehen versucht. Irgendwann hatte er schließlich den Entschluss gefasst, seinen eigenen Weg zu gehen.

Seine Familie verstand das nicht. Für sie war er immer noch das schwarze Schaf. Der Rebell. Aber sobald er ihnen gesagt hatte, an was er arbeitete, würde sich das vielleicht ändern. Vielleicht.

Während die kalte Meeresbrise über ihn hinwegwehte, sein Haar zerzauste und an seiner schwarzen Lederjacke zerrte, hallte in seinem Kopf das letzte Gespräch mit seinem älteren Bruder an diesem Morgen wider.

„Du gehst der Familie seit Monaten aus dem Weg, Justin. Es wird Zeit, dass du uns sagst, was du vorhast.“

„Das werde ich. Bald.“

„Das hast du letzten Monat auch schon gesagt.“

Als Jüngster der vier Geschwister war Justin daran gewöhnt, dass die Familie ihn entweder an die Kandare nehmen oder ihm „Ratschläge“ geben wollte, wie er sein Leben führen sollte. Diesmal würde er seine Pläne für sich behalten, bis alles in trockenen Tüchern war.

Er liebte seine Familie. Sie alle. Aber dieses musste er für sich selbst tun.

„Ich bin fast so weit, Bennett“, sagte er. „Glaube mir, ich möchte, dass ihr alle es wisst.“

„Gut.“ Bennetts Seufzer war geduldig und genervt zugleich. Justin wusste nicht, wie er das schaffte. „Ich bin froh, dass du heute gekommen bist. Du könntest versuchen, an mehr Familientreffen teilzunehmen.“

Jetzt war es an Justin zu seufzen. „Ich bin nicht Teil der Carey Corporation, Bennett.“

„Du bist aber Teil der Carey-Familie, Justin. Es wird langsam Zeit, dass du dich auch so verhältst.“

Bei der Erinnerung an den Schlagabtausch rollte Justin die Schultern, als wollte er Bennetts letzte spitze Bemerkung abschütteln. Sie hatte wehgetan, denn es steckte viel Wahres darin. Er vermisste seine Familie wirklich. Aber solange er nicht fest in seinem eigenen Geschäft verankert war, würde er sich zurückhalten. So wie er bisher getan hatte.

Justin starrte auf das aufgewühlte Meer und beobachtete, wie die Wellen ans Ufer schlugen, sich kräuselten und ein wellenartiges Muster in den Sand malten. Strandläufer trippelten über den nassen Sand und hinterließen ihre winzigen Spuren, bis das Wasser sie wegspülte.

Warum um alles auf der Welt sollte er an einem Meeting in der Firmenzentrale teilnehmen wollen, wenn er hier stehen konnte, zwischen dem Meer und dem Hotel, das sein Beitrag zum Familienvermächtnis sein würde?

Er bewunderte, was seine Familie aufgebaut hatte – im Grunde einen Tempel der Kunst –, aber es war nicht seins. Es hatte ihn nie so in den Bann gezogen, wie das bei seinen Geschwistern der Fall war. Selbst seine Schwester Serena war Teil des Unternehmens geworden, und wie er gehört hatte, machte sie ihren Job verdammt gut. Aber Justin wollte sich selbst einen Namen machen. In dieser Hinsicht war er wie sein Vater und sein älterer Bruder.

Sie hatten dem Carey Center ihren Stempel aufgedrückt. Er würde sich abseits des Centers einen Namen machen. Jeder von ihnen tat es auf seine Weise.

Und hier war der Ort, wo er es tun würde.

„Hey“ rief eine Stimme hinter ihm. „Ich suche dich schon seit einer halben Stunde.“

Justin drehte sich um und lächelte, als Sam Jonas auf ihn zukam. Groß und schlaksig, mit langen blonden Haaren, in abgewetzten Jeans und einem verblichenen roten T-Shirt sah Sam nach dem aus, was er selbst war, ein Surfer. Zudem war er Miteigentümer von Jonas and Son Builders und kümmerte sich derzeit um die Sanierung des Hotels.

„Hey, Sam.“

„Ich hätte wissen müssen, dass ich dich hier draußen finde“, sagte Sam und hielt sein Gesicht in den Wind.

„Schwer zu widerstehen“, gab Justin zu. Auf dem Meer gab es ein paar Surfer und einige kleine Segelboote, deren bunte Segel sich im Wind aufblähten. Und die Gewitterwolken kamen gerade näher. „Eine Wahnsinnsaussicht.“

„Das ist es.“

Vor fünf Jahren hatte er Sam vor einem Pub in Irland kennengelernt, als sie beide auf einsamen Rucksacktouren durch Europa unterwegs waren. Da sie die einzigen Amerikaner waren, hatten sie sich schnell angefreundet und waren die nächsten Monate gemeinsam gereist.

Ihre Freundschaft hielt noch lange nach dem Ende der Reise an. Sam war in das Geschäft seines Vaters eingestiegen, und jetzt arbeitete seine Firma Jonas and Son Builders von San Diego aus. Auch wenn Justin selbst kein Interesse am Unternehmen seiner Familie hatte, so beneidete er Sam manchmal darum, tun zu können, was er liebte, und trotzdem seine Familie zufriedenzustellen.

„Warum hast du nach mir gesucht?“

„Was? Ach so. Ich wollte dir sagen, dass die Innenarchitekten mit der Einrichtung der Hotelzimmer begonnen haben.“

„Das sind gute Nachrichten.“ Da die vordere Seite des Hotels – die Seite mit Meerblick – fast fertig war und die Arbeiten in den anderen Zimmern zügig vorangingen, würden sie das Haus Ende des Monats wieder eröffnen können.

„Und noch etwas“, sagte Sam. „Die Behandlungsräume sind bis auf die Leuchtkörper auch fertig, und die werden heute Nachmittag installiert.“

„Ernsthaft? Verdammt, Mann, du verschwendest keine Zeit“, sagte Justin lächelnd.

„Du bezahlst mich ja nicht dafür, Zeit zu verschwenden, mein Freund“, betonte Sam. „Wir brauchen noch ein oder zwei Wochen, um die Saunen und den Pool so hinzubekommen, wie wir es haben wollen, aber sonst ist alles fertig.“

„Ich schulde dir eine Flasche Scotch, oder?“

„Richtig.“ Sam schlug ihm leicht auf die Schulter. „Single Malt, mindestens fünfzehn Jahre alt und vorzugsweise aus den Highlands.“

Justin lachte. „Verstanden. Sonst noch etwas?“

„Ja, eigentlich schon“, sagte Sam nachdenklich. „Sobald du eröffnet hast, möchte ich eins der schönsten Zimmer für ein langes Wochenende haben.“

Immer noch lachend sah Justin ihn an. „Ernsthaft? Du willst eins der Zimmer?“

„Nicht für mich. Für Kate.“

Kate O’Hara, Krankenschwester in der Geburtshilfe und Sams Verlobte.

„Für sie? Bekommst du, Mann. Schönstes Zimmer im Haus.“ Grinsend fügte Justin hinzu: „Ich verstehe immer noch nicht, wie sie dich mir vorziehen konnte.“

„Sie hat eben einen guten Geschmack“, scherzte Sam. „Unglaublich, dass die Hochzeit schon in drei Wochen stattfindet.“

„Du bist doch nicht nervös, oder?“ Sam grinste.

„Natürlich nicht.“ Sam zuckte mit den Schultern. „Nervös trifft es nicht ganz. Ich komme fast um vor Angst. Was ist falsch daran, durchzubrennen? Warum muss ich vor ein paar hundert Leuten stehen?“

„Weil Kate es so möchte und du verrückt nach ihr bist und ihr deshalb diesen Wunsch erfüllst.“

Sam nickte. „Du hast recht.“ Er warf Justin einen Blick zu. „Hast du als mein Trauzeuge die Junggesellenparty schon geplant?“

„Oh ja. Es wird super werden.“ Wenn sie dann geplant war. Verdammt, er war so beschäftigt gewesen, dass er das ganz vergessen hatte. Aber das war leicht zu beheben.

„Und es ist nicht der Abend vor der Hochzeit, richtig? Kate ist da sehr eigen. Sie will nicht, dass ich verkatert heirate.“

„Frauen.“ Justin schlug seinem Freund auf den Rücken. „Mach dir keine Sorgen. Ich sorge dafür, dass du bei der Hochzeit stocknüchtern bist.“

„Ja, obwohl das vielleicht auch keine gute Idee ist.“

Lachend drehte Justin sich halb um, als er ein Geräusch, einen Geruch, eine Bewegung wahrnahm. Er könnte schwören, dass sich alle Nervenenden in seinem Körper aufrichteten, als er sie erblickte. Ihm wurde flau im Magen, und weiter unten rührte sich etwas.

Sam folgte Justins Blick. „Okay. Ich mache mich wieder an die Arbeit.“

„Was? Oh.“ Verdammt, ein Blick auf sie und Justin hatte vergessen, dass sein Freund direkt neben ihm stand. „Okay. Wir sehen uns später.“

Sam ging, und als er an der Frau vorbeikam, die in Justins Richtung ging, sagte er: „Guten Morgen, Sadie.“

Sie lächelte, doch kaum war er an ihr vorbei, verschwand das Lächeln, und sie bedachte Justin mit diesem kühlen Blick, an den er sich mittlerweile fast gewöhnt hatte.

Sadie Harris.

Die Frau, die er nie hatte vergessen können. Die Frau, die immer noch Gastauftritte in seinen Träumen hatte. Die Frau, die ihn mit einem abweisenden Blick ansah, der ihn provozierte.

Sadie.

2. KAPITEL

„Hallo, Justin.“

Ihre leise, heisere Stimme durchfuhr ihn und löste eine Hitzewelle aus, die ihn, dessen war er sicher, jeden Moment verbrennen könnte. Die Stimme erinnerte ihn an all die Nächte, die sie zusammen verbracht hatten. Nur anderthalb Jahre war es her, dass sie in langen Nächten seinen Namen geflüstert und ihre langen Beine um ihn geschlungen hatte.

„Sadie“, sagte er.

Sie trat ans Geländer, hielt aber etwa einen Meter Abstand zu ihm. Justin fragte sich, warum ihre gleichgültige Haltung so verdammt attraktiv war. Sie war groß, über einen Meter siebzig, und das meiste davon waren Beine.

Ihre langen, wohlgeformten und gebräunten Beine waren ihm zuerst aufgefallen, als er sie kennenlernte, und er wusste, dass es jedem heterosexuellen Mann genauso ergehen würde.

Aber es waren ihre Augen, die ihn besonders gefesselt hatten. Große braune Augen mit winzigen goldenen Flecken in der Mitte. Sie blickten wachsam, aufmerksam, sogar misstrauisch, und er war jedes Mal fasziniert gewesen, wenn sich ihre Blicke trafen.

Ihr Haar hatte die Farbe eines guten Whiskeys – braun mit bernsteinfarbenen Strähnen –, und in diesem Moment fiel die schwere Masse in Wellen bis zur Mitte ihres Rückens. Er wusste, wie es sich in seinen Händen anfühlte, und er wollte es wieder fühlen.

Sie hatte sich verändert, seit er sie das erste Mal gesehen hatte. Ihre Brüste waren voller, die Hüften runder, als hätte sie an den richtigen Stellen etwas zugenommen. Er war seit ein paar Monaten wieder hier, und seit er sie wiedergesehen hatte, quälten ihn die Gedanken an sie. Ob mit Absicht oder nicht. Allein ihr Anblick entfachte ein Feuer in ihm. Diese Frau hatte immer sein Innerstes nach außen gekehrt und ließ ihn jetzt nach dem schmachten, was sie einst gemeinsam erlebt hatten.

Dennoch war Sadie jetzt viel reizbarer, als sie damals gewesen war. Sie trug helle cremefarbene Shorts, ein enges mintgrünes T-Shirt und Sandalen. An ihr sah selbst dieses einfache Outfit atemberaubend aus. Er wartete, bis sie sich zu ihm drehte, und als sich ihre Blicke trafen, wurde ihm heiß.

Sie umfasste das feuchte, kalte Geländer und richtete den Blick wieder auf das Meer. Fast, so dachte er, als könnte sie es nicht ertragen, ihn anzusehen. So war sie nicht immer gewesen. Als sie sich vor mehr als einem Jahr kennenlernten, hatten sie die Hände nicht voneinander lassen können.

Damals hatte sie ihn nicht mit diesem eisigen Blick bedacht. Damals hatte er Hitze in ihren Augen gesehen.

Aber offenbar hatten sich die Dinge geändert.

„Wir arbeiten jetzt schon seit ein paar Monaten zusammen“, sagte Justin. „Willst du mir nicht sagen, warum du mich immer noch wie einen Feind behandelst? All das hier – das ganze Projekt – ist deinetwegen. Und wegen deines Vaters“, fügte er hinzu. „Ihr seid zu mir gekommen, erinnerst du dich?“

Sie hielt ihr Gesicht in den Wind, und er sah, wie die Brise mit ihrem Haar spielte. Verführerisch, ja, das war sie. Die reinste Versuchung.

„Ich erinnere mich“, sagte sie schließlich. „Das heißt aber nicht, dass ich glücklich darüber bin.“

Ein Mann, der mit zwei Schwestern gesegnet war, wusste, wie kompliziert der Umgang mit Frauen war, aber mit Sadie war es noch schwieriger. Er hatte sie seit anderthalb Jahren nicht mehr gesehen, als sie ihn vor drei Monaten anrief und ihm ein Angebot machte, das er nicht ablehnen konnte. Es klang wie eine Filmgeschichte, doch es war die Wahrheit. Aber von dem unerwarteten Anruf an bis jetzt, war sie so unterkühlt höflich, dass man davon Frostbeulen bekommen könnte.

Und er hatte keine Ahnung, warum sie so wütend war. Er hatte bis jetzt nicht gefragt, weil er davon ausging, dass sie es ihm irgendwann sagen würde. Doch sie schwieg.

Das Schlimmste war, dass er sie immer noch begehrte.

„Verhältst du dich so, weil du Hilfe brauchtest?“ fragte er schließlich, ehrlich neugierig. „Oder weil du Hilfe von mir brauchtest?“

„Gute Frage“, murmelte sie und warf ihm dann einen Blick zu. „Ich glaube Letzteres.“

„Toll. Ein Fortschritt. Und warum das? Bist du immer noch sauer, weil ich gegangen bin?“

„Bitte.“ Sie lachte ein wenig, aber es klang nicht amüsiert. „Bilde dir nicht so viel auf dich ein.“

Er zog eine Augenbraue hoch. Es war keine richtige Unterhaltung, aber zumindest sprach sie mit ihm. „Okay, gut. Warum dann?“

„Fragst du das wirklich, Justin? Kannst du dir nicht vorstellen, was ich hier gerade mitmache?“ Sadies Augen blitzten, und das war die größte Emotion, die er von ihr gesehen hatte, seit er nach San Diego zurückgekommen war. Verdammt, auch wenn sie wütend war, jetzt wusste er zumindest, dass sie irgendetwas fühlte.

Sie drehte sich zu ihm. „Lass mich mal nachdenken“, sagte sie knapp. „Vielleicht liegt es daran, dass ich unser Hotel nicht verkaufen wollte, aber keine andere Wahl hatte?“ Sie strich sich das Haar zurück und starrte ihn an. „Könnte es etwas damit zu tun haben?“

„Wie gesagt, Sadie, niemand hat dich gezwungen, mich anzurufen, richtig? Hierher zurückzukommen, war nicht meine Idee, erinnerst du dich?“

„Oh, glaube mir, Justin“, entgegnete sie. „Ich habe nicht vergessen, dass du damals nicht zurückgekommen bist. Und jetzt bist du hier und nimmst all diese Veränderungen vor.“

„Du wolltest renovieren.“

„Natürlich, aber ich wollte auch etwas von der Geschichte bewahren. Es ist das Haus meiner Familie. Das Erbe meines Urgroßvaters, und zu viel wird jetzt verändert.“

Er seufzte, rieb sich übers Gesicht und versuchte, schnell einen Weg zu finden, das zu sagen, was gesagt werden musste. Ohne Sadie dabei noch weiter wegzustoßen, als sie es ohnehin schon war.

Vor anderthalb Jahren hatte Justin versucht, das wunderschöne alte Hotel zu kaufen. Nach wochenlangen Gesprächen und Verhandlungen, die zu nichts führten, hatten sie und ihr Vater ihm eine Absage erteilt. Seitdem war Justin auf der Suche nach einem Ort, der mit dem Cliffside konkurrieren konnte, hatte aber nie einen solchen gefunden.

Dann, vor drei Monaten, hatte Sadie ihn aus heiterem Himmel angerufen, um die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Er hatte nicht verstanden, was sie umgestimmt hatte, und ehrlich gesagt war es ihm auch egal gewesen. Hauptsache, er konnte das Cliffside übernehmen. Jetzt allerdings wollte er ein paar Antworten haben.

„Wir bewahren einen Teil der Historie. Doch die verblasste Tapete musste weg. Außerdem“, erinnerte Justin sie noch einmal, „hast du angerufen und mir das Angebot gemacht.“

„Weil ich keine andere Wahl hatte.“ Sie seufzte und blickte kurz in Richtung Meer, bevor sie Justin wieder ansah.

Justin verstand das. Ihr Vater war krank gewesen, und sie hatte schnell Geld gebraucht, um die Rechnungen zu bezahlen, die auf sie zukamen. Hatte Justin die Situation ausgenutzt? Nein, das glaubte er nicht. Sie hatte ihn gebraucht, und der Deal, den sie schließlich ausgehandelt hatten, war mehr als fair gewesen.

Dennoch wusste er, was ihr das Hotel bedeutete – und ihrer Familie. Das alte Haus war seit Jahrzehnten im Besitz ihrer Familie, und als ein Carey wusste er, was eine solche Tradition bedeuten konnte. Es war nicht nur eine Verantwortung, sondern auch eine Art Last, die sie bedrückte und dazu brachte, jede Entscheidung, die sie traf, immer wieder zu überdenken.

„Das verstehe ich. Es muss schwer gewesen sein, aber wir alle tun, was wir tun müssen.“ Er beobachtete sie. „Wie geht es eigentlich deinem Vater?“

Sie seufzte, und er wusste nicht, ob es Verärgerung oder Resignation war. „Viel besser. Danke.“

Er mochte ihren Vater sehr, und es bereitete ihm Sorgen, dass der Mann gesundheitliche Probleme hatte. Aber Justin bedauerte nicht, dass er das Hotel bekommen hatte. Und er bereute es nicht, wieder hier zu sein. Bei Sadie.

„Wir sind jetzt ein Team, Sadie“, sagte er schließlich. „Ob es dir gefällt oder nicht.“

„Ein Team.“ Sie verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln, das ihn tief berührte.

Er trat einen Schritt auf sie zu und hielt inne, als sie ihn ansah, als wollte sie sich umdrehen und davonlaufen. „Dir ist klar, dass du dich daran gewöhnen musst, mich um dich zu haben. Du wirst mit mir klarkommen müssen.“

„Oh, glaube mir“, murmelte sie und wandte das Gesicht dem Meer zu, statt ihn anzusehen. „Ich weiß es.“

Vor ungefähr einem Jahr hatte sie in seinem Bett gelegen und seine körperliche Nähe genossen. Verdammt, allein die Erinnerung an die leidenschaftlichen Nächte mit Sadie ließen ihn hart werden. Allerdings schien ihre Erinnerung daran nicht so angenehm zu sein wie seine.

Oder sie belog sich selbst.

Die Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, ließen ihn erschaudern, und er blickte über die Schulter zu dem Hotel. Es war der Grund für seine Bereitschaft, Sadies schlechte Laune und die Erinnerungen zu ertragen, die ihn nicht in Ruhe lassen wollten.

Das Cliffside Hotel. Es war praktisch eine Institution in La Jolla, Kalifornien. Der Ort lag nur elf Meilen von San Diego entfernt und verfügte über einige der schönsten Küstenabschnitte des Staates. Der weltberühmte Torrey Pines Golfplatz befand sich ganz in der Nähe und lag auf den Küstenklippen mit Blick auf den Ozean. Direkt hinter dem Hotel befand sich der Ort La Jolla mit seinen Kunstgalerien, Fünf-Sterne-Hotels und exklusiven Boutiquen. Das winzige Städtchen zog Touristen aus der ganzen Welt an, und bald würde das Cliffside Hotel and Spa mit den besten Resorts im Ort konkurrieren können.

Entlang der Küste gab es Gezeitentümpel zu entdecken und La Jolla Cove, eine kleine Tiefwasserbucht, die Schnorchler und Taucher von überall anlockte.

Das Cliffside selbst lag direkt am Strand. Vom Restaurant aus hatte man einen traumhaften Blick aufs Meer. Die Zimmer erstreckten sich über drei Stockwerke und bildeten ein Hufeisen, sodass jedes Zimmer über einen Balkon verfügte, von dem aus man auf den Ozean oder auf den Ort und die weitläufigen Gärten blicken konnte.

Das Cliffside gab es seit mehr als sechzig Jahren, und obwohl es immer noch spektakulär war, sah es allmählich ein wenig heruntergekommen aus. Seeluft und die salzige Gischt hatten der Farbe zugesetzt, und die breite Holzveranda musste neu gestrichen werden, damit das Zedernholz der Feuchtigkeit standhielt. Zudem mussten die Zimmer modernisiert werden.

„Verdammt, Sadie, wir wissen, dass es ein gutes Geschäft für uns beide ist.“ Er trat einen Schritt näher und blieb stehen, als sie sich zu ihm umdrehte. „Wir können entweder freundschaftlich zusammenarbeiten, oder du behältst dieses abweisende Verhalten einer Eisfrau bei.“

Sie lachte ein wenig, aber das Lachen erreichte nicht ihre Augen, und das war ein wenig enttäuschend. Denn er erinnerte sich, was für ein wunderschönes Lachen sie hatte und wie ihre Augen dabei leuchteten.

„Eisfrau“, wiederholte sie. „Das mag ich irgendwie.“

„Natürlich tust du das.“ Er streckte die Hand aus und berührte fast ihre auf dem schwarzen Geländer, doch sie zog sie zurück, und Justin seufzte.

„Schön“, sagte er. „Aber wenn du es so möchtest, dann wird es eine schwierige Partnerschaft.“

„Partner?“

„Uns beiden gehört das Hotel. Also ja, Partner.“

Sie schüttelte den Kopf und sah ihn lange an, bevor sie sagte: „Dir gehören fünfundsiebzig Prozent und mir fünfundzwanzig. Das ist nicht gerade eine gleichberechtigte Partnerschaft.“

„Ich habe nicht von einer gleichberechtigten Partnerschaft gesprochen“, betonte er, und schenkte ihr ein Lächeln, auf das sie nicht reagierte. „Hör zu, der Papierkram ist unterschrieben. Du hast vor ein paar Wochen dein Geld bekommen, warum also heute diese feindselige Haltung?“

Sadie schlug mit einer Hand auf das Geländer. „Weil ich den Vertrag nicht abschließen wollte.“

„Ja, das hast du deutlich zu verstehen gegeben, als ich vor anderthalb Jahren hier war.“

„Fünfzehn Monate“, korrigierte sie.

Drei Monate machten so einen großen Unterschied? Er sah sie verwundert an. „Das ist sehr genau. Kannst du es auch auf Tage und Stunden genau sagen?“

„Du wärst überrascht.“

Ihr Gesichtsausdruck war unlesbar, und doch starrte er sie an. Diese Augen zogen ihn an. So war es vom ersten Moment an gewesen. Und selbst in Momenten wie diesen, wenn sie wütend war, konnte er das Verlangen nicht leugnen, das sie in ihm weckte. Und er fragte sich, ob sie ihn wegstoßen würde, wenn er sie jetzt an sich zog und küsste. Oder würde sie den Kuss erwidern?

Er war nicht sicher, ob er es wissen wollte. Im Moment.

Er wechselte das Thema. „Die Innenarchitekten beenden gerade ihre Arbeit in den Zimmern mit Meerblick.“

„Ja, ich weiß. Ich habe mir ein paar von ihnen angesehen, bevor ich hierherkam.“

Ironisch sagte er: „Wow, du sprühst ja direkt vor Begeisterung, Sadie.“ Er lachte kurz auf. „Wir haben in diesen Räumen die meisten deiner Ideen umgesetzt. Ich hätte gedacht, du würdest dich über das Ergebnis mehr freuen.“

„Natürlich freue ich mich darüber“, sagte sie. „Ich wollte die Zimmer schon lange renovieren. Dad und ich haben viel darüber gesprochen, wie du weißt. Es war nicht allein deine geniale Idee. Wir konnten es nur nicht früher tun.“

Sie sah ihm in die Augen und sagte: „Was meine Ideen angeht? Sie waren gut, und das weißt du, jetzt tu also nicht so, als hättest du sie nur mir zuliebe umgesetzt.“

„Ich habe nicht …“

Sie schnitt ihm das Wort ab. „Vor fünfzehn Monaten bist du hierhergekommen und hast ein Angebot für unser Hotel unterbreitet.“

„Und du hast Nein gesagt“, fügte er hinzu, bevor sie es tun konnte. „Die Zeiten ändern sich.“

Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Ja. Jetzt haben wir es verkauft. Aber das war nicht freiwillig. Wir hatten keine andere Wahl.“

„Vielleicht nicht. Aber du hast dich über die Barauszahlung gefreut“, erinnerte er sie. „Und du konntest mich zu dem Indoor-Pool und dem Swim-Spa überreden.“

„Das war brillant, und du weißt es. Die Gäste werden es lieben.“

Er hatte bereits zugegeben, dass sie mit dem Swim-Spa recht hatte. „Ich will damit sagen, dass du viel Mitspracherecht bei dem hast, was wir tun. Verdammt, du hast mir das Hotel verkauft und es trotzdem geschafft, fünfundzwanzig Prozent davon zu behalten“, sagte er. „Zumindest das sollte dich glücklich machen, wenn es sonst nichts gibt.“

Ihm hatten ihre Bedingungen nicht gefallen. Er hatte keinen Geschäftspartner gewollt. Aber in dem Punkt waren sie hart geblieben, deshalb hatte er akzeptiert, denn das Hotel sollte der Anfang von etwas Großem für ihn sein. Sobald sich das Cliffside etabliert hatte, würde er ein weiteres Hotel dazukaufen.

Justin würde beweisen, dass es richtig gewesen war, dass er seinen eigenen Weg eingeschlagen hatte. Und wenn es bedeutete, dass er bei diesem Hotel, dem ersten von vielen, um etwas handeln musste, dann sollte es so sein.

„Oh ja“, sagte Sadie ironisch. „Fünfundzwanzig Prozent von einem Hotel, das bis vor einem Monat zu hundert Prozent meiner Familie gehört hat.“

Justin starrte sie einen langen Moment an. Abgesehen davon, dass sie mit einem Blick ein Feuer in ihm entzünden konnte, war sie ihm ein verdammtes Rätsel. Das hatte ihm an ihr gefallen, als sie sich kennenlernten, denn er hatte keine langfristige Beziehung gesucht. Wenn sie ihre Geheimnisse für sich behalten wollte, okay. Das war besser für sie beide. Gegen eine Menge Lust und Leidenschaft war nichts einzuwenden. Keiner von ihnen war schließlich auf der Suche nach Liebe gewesen.

Aber jetzt würden sie zusammenarbeiten. Aneinander gebunden durch einen Vertrag, der es ihnen unmöglich machte, sich aus dem Weg zu gehen. Die Zeit der Geheimnisse war also vorbei.

Er steckte die Hände in die Tasche, spreizte die Beine und neigte den Kopf zur Seite. „Wir haben uns mal gemocht, Sadie.“

„Gemocht?“, wiederholte sie. „Das denkst du also? Wir mochten uns?“

„Haben wir das nicht?“ Jetzt war er verwirrt und auch ein wenig verärgert. „Ich mochte dich, und soweit ich mich erinnere, hattest du mich auch ziemlich gern.“

„Mehr als gern, und das weißt du.“ Sie atmete scharf ein. „Zumindest bis du verschwunden bist.“

Er erinnerte sich. Aber er hatte getan, was er hatte tun müssen. „Ich bin gegangen. Das ist ein Unterschied.“

„Sicher“, sagte sie. „Du hast mein Bett verlassen, um zu duschen, wie du sagtest, und dann warst du weg. Ohne ein Wort.“

Er rieb sich übers Gesicht. Sie hatte recht, aber er hatte es damals nicht so gesehen. Er hatte gehen müssen, denn wenn er geblieben wäre, hätte er den Absprung vielleicht nie geschafft. Und er hatte sich nicht auf eine feste Beziehung einlassen können, solange er seinen beruflichen Weg nicht gefunden hatte. „Verdammt, Sadie. Ich wollte dir nicht wehtun. Aber ich konnte nicht bleiben.“

„Nun, dann ist es ja gut. Vielen Dank.“

„Wir hatten eine Affäre, Sadie. Eine verdammt heiße Affäre. Und eine vorübergehende“, verteidigte er sich gegen den Vorwurf, den er in ihren Augen sah. „Keiner von uns hat Versprechen abgegeben.“

Stimmt, sagte Sadie sich. Keine Versprechen, nur die Magie des Zusammenseins mit ihm. Das Kribbeln, wenn er sie berührte, und das Verlangen, das er in ihr weckte, wie es kein anderer Mann je getan hatte – oder tun würde. Und dann war alles vorbei gewesen.

„Nein. Haben wir nicht.“ Sadie Harris seufzte und stellte fest, dass es nichts brachte, darüber zu reden. Ganz sicher fühlte sie sich dadurch nicht besser. Aber sie hatte lange Zeit an diesen Gefühlen festgehalten. War es so schlimm, einige davon bei ihm abzuladen, jetzt, wo sie die Gelegenheit dazu hatte?

Allein sein Anblick ließ ihr Blut in Wallung geraten und ihr Herz schneller schlagen. Sie erinnerte sich an jede Minute jeder einzelnen Nacht, die sie mit ihm verbracht hatte, auch wenn es eine Ewigkeit her schien. Sie erinnerte sich an das Gefühl, wenn seine Hände über ihren Körper glitten. Die Hitze seines Atems, wenn er an ihren Brüsten saugte, und die unglaubliche Reibung, wenn er in sie drang. Sie zitterte und presste die Knie aneinander, um nicht einfach auf den Boden zu sinken.

Justins braunes, von der Sonne aufgehelltes Haar war ein wenig zu lang, kräuselte sich über seinem Kragen. Sie wollte mit den Fingern darin wühlen. Seine hellblauen Augen leuchteten wie Eiskristalle, doch sie wusste genau, wie sie aussahen, wenn sie das Feuer reflektierten, das zwischen ihnen brannte. Er hatte einen Dreitagebart, was ihn noch attraktiver machte.

Er trug diese schwarze Lederjacke von Armani, die er so sehr liebte, über einem schwarzen T-Shirt und schwarzen Jeans. Seine schwarzen Stiefel waren abgenutzt und verschrammt und irgendwie genau richtig. Er war groß, gut über einen Meter achtzig, sodass sie trotz ihrer Größe zu ihm aufblicken musste.

Sie hatte ihn vermisst. Und das war ein gefährlicher Gedanke.

Vor fünfzehn Monaten hatte sie zwei Wochen mit Justin Carey verbracht, und es waren die schönsten zwei Wochen ihres Lebens gewesen. Er war witzig und klug, und er besaß eine angeborene Freundlichkeit, die sie von Anfang an angezogen hatte. Die Tatsache, dass er mit einem Kuss ein Feuer in ihr entzünden konnte, hatte ein Übriges getan.

Aber als er an jenem letzten Morgen ging und sich nicht einmal die Mühe machte, ihr zuzuwinken, war sie am Boden zerstört gewesen. Nein, sie hatten sich nichts versprochen, aber sie waren so gut zusammen gewesen, dass sie irgendwie gehofft hatte – geglaubt hatte –, dass mehr zwischen ihnen war als nur Leidenschaft.

Sie hatte sich geirrt.

„Hör zu“, sagte er gerade, und sie blickte in die blauen Augen, die sie nie vergessen hatte. „Wir müssen keine Freunde sein, Sadie. Aber ich will keine Geschäftspartnerin haben, mit der ich mich jeden Tag bekriege. Warum sagst du mir nicht einfach, was dich stört? Bring es hinter dich.“

Gott, dachte sie. Wie beginnen? Mit einer Lüge? Oder der Wahrheit?

Sie holte tief Luft und wappnete sich für das, was kommen würde. „Du willst, dass ich deine Neugier befriedige?“

Er zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?“

„Weil ich dir nichts schuldig bin.“ Zumindest hatte sie sich das in den letzten fünfzehn Monaten eingeredet. Sie hoffte, dass es stimmte. Sie hoffte, dass sie das Richtige getan hatte.

„Das habe ich auch nicht gesagt, aber du solltest vielleicht noch einmal darüber nachdenken, da wir jetzt Partner sind.“

„Nur, was das Hotel angeht.“

„Nun ja. Was gibt es denn sonst noch für Möglichkeiten?“

Sadie lachte. „Fünfzehn Monate, und du hast dich nicht ein bisschen verändert.“

„Was soll das nun wieder heißen? Klingt irgendwie, als sollte ich beleidigt sein.“

„Das Hotel war damals alles, was du gesehen hast, und das ist jetzt noch genauso.“

„Deshalb bin ich hier“, betonte er. „Du hast mich wegen des Hotels angerufen. Was soll ich denn sonst noch sehen?“

„Vergiss es, Justin.“ Sie wandte sich zum Gehen, doch er hielt sie am Arm fest. Die Hitze seiner Berührung ging ihr bis in die Knochen und breitete sich in ihrem ganzen Körper aus.

„Warte.“

Sie schaute in seine blauen Augen und wünschte, die Dinge lägen anders. Wünschte, sie könnten irgendwie neu anfangen. Doch Wünsche hatten noch nie jemandem etwas gebracht.

„Was zum Teufel ist los, Sadie? Soweit ich mich erinnere, haben wir uns vor anderthalb Jahren gut verstanden.“

„Fünfzehn Monate“, murmelte sie.

„Schön. Fünfzehn Monate. Was ich sagen will ist, dass wir eine tolle Zeit miteinander hatten.“

„Und dann bist du gegangen“, konterte sie.

„Nun ja.“ Justin ließ sie los und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich wollte das Hotel deiner Familie haben. Ihr wolltet nicht verkaufen. Warum hätte ich bleiben sollen?“

„Richtig“, sagte sie. „Du hattest keinen Grund zu bleiben. Wir waren einfach zwei Wochen lang jede Nacht zusammen.“

„Ist es das, worum es hier geht?“ Er schüttelte den Kopf und lachte. „Verdammt, Sadie. Wir wussten doch beide, was wir tun. Es war eine Affäre. Eine verdammt heiße“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu, das, wie sie vermutete, charmant sein sollte. „Aber eben nur eine Affäre. Niemand hat etwas davon gesagt, dass ich für immer bleibe.“

„Wer hat von einem Für-immer gesprochen?“, fragte Sadie. „Wie wäre es mit einem einfachen ‚Tschüss, Sadie‘, gewesen. ‚Es war schön mit dir.‘ Aber nicht einmal das hast du geschafft. Eines Morgens warst du einfach … weg.“

„Ist es das, was dich jetzt seit Wochen nervt?“ Er schob die Hände in die Taschen. „Ich musste gehen. Familienkram, um den ich mich kümmern musste.“

„Und das konntest du mir nicht sagen?“

Er seufzte. „Doch, ich hätte es tun können. Hätte es tun sollen. Ich weiß nicht.“ Sein Blick bohrte sich in ihren. „Aber es gab für mich keinen Grund zu bleiben, Sadie. Du wusstest das. Du und dein Dad wolltet das Hotel nicht verkaufen, und der Grund für mein Hiersein hatte sich in Luft aufgelöst.“

„Wir hatten etwas, Justin“, sagte sie. „Selbst wenn es nur einen Abschied verdient hätte, wir hatten etwas.“

„Wir hatten eine gute Zeit.“ Er hob eine Hand, um Sadie zu berühren, doch sie wich zurück.

Fünfzehn Monate ohne ihn, und jetzt war er zurück. Sie hatte ihm das Hotel verkauft, also würde er auch bleiben. Vielleicht hätte sie von jemand anderem mehr Geld bekommen können – von wem auch immer. Aber sie hatte keine Zeit gehabt, sich nach einem Käufer umzusehen. Stattdessen hatte sie den Mann angerufen, von dem sie wusste, dass er ihr Hotel unbedingt haben wollte. Es war Zeit, dass Justin verstand, was passiert war, während er weg gewesen war.

„Das hatten wir“, sagte sie. „Und jetzt bist du zurück.“

„Und ich bleibe.“

„Richtig. Also.“ Sie holte tief Luft, sah kurz aufs Meer und dann wieder zu Justin. Er war der Mann, den sie nie vergessen hatte. Der Mann, der sich in ihre Träume schlich, und wegen dem sie morgens voller Verlangen aufwachte. Der Mann, der ihr Leben verändert hatte.

„Also?“

„Wir müssen reden, Justin.“

„Ich dachte, das tun wir“, scherzte er.

Sie ging nicht darauf ein. „Du hast nicht gefragt, wie es mir geht. Ob es etwas Neues gibt.“

Er runzelte sichtlich verwirrt die Stirn. „Okay. Wie geht es dir, Sadie? Gibt es etwas Neues?“

„Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Und was es Neues gibt? Nun, er ist jetzt sechs Monate alt, also nicht wirklich neu. Aber ziemlich neu.“

Justin wurde still. Als er wieder sprach, war seine Stimme leise. „Wer ist sechs Monate alt?“

„Dein Sohn“, sagte sie und blickte in seine hellblauen Augen. „Unser Sohn.“

3. KAPITEL

Er hielt eine Hand hoch. „Entschuldige. Was?

„Unser Sohn. Ethan.“ Allein das Aussprechen des Namens ihres Babys zauberte ein Lächeln auf Sadies Gesicht, aber es verschwand genauso schnell wieder.

Unser Sohn. Ethan“, sagte er.

Sie holte Luft. „Das hier wird ewig dauern, wenn du immer nur wiederholst, was ich dir sage.“

„Sechs Monate alt?“, fragte er.

„Ja.“

Er rieb sich übers Gesicht. „Du hast ein Baby bekommen. Mein Baby.“

Weil ihr Sohn Justin wie aus dem Gesicht geschnitten war, konnte sie es nicht leugnen, selbst wenn sie wollte. Und doch. „Ja. Nun, mein Baby.“

Er raufte sich das Haar. „Zum Teufel, Sadie. Du hast es nicht für nötig gehalten, mir zu sagen, dass ich Vater bin?“

„Nein, habe ich nicht. Du hast es ja auch nicht für nötig gehalten, dich zu verabschieden, als du gegangen bist.“

„Das ist nicht dein Ernst. Du kannst doch diese beiden Dinge nicht vergleichen. Das ist nicht fair.“

Sie rang mit sich, ob sie ihm gestehen sollte, dass diese langen Monate der Schwangerschaft die einsamsten ihres Lebens gewesen waren. Oh, sie hatte ihre Eltern gehabt, die sie unterstützt hatten, obwohl ihr Vater Justin zur Rede stellen wollte, und nur Sadies drängendes Bitten ihn hatte stoppen können. Aber sie hatte die Freuden, die Ängste, die Magie dieser neun Monate als die alleinerziehende Mutter erlebt, die sie sein würde.

Vielleicht hätte sie es ihm sagen sollen, dass er Vater wurde. Vielleicht. Aber als sie zusammen waren, hatte er ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht auf der Suche nach einer langfristigen Beziehung war.

Und um fair zu sein, sie hatte auch nicht danach gesucht. Zuerst.

Aber schon nach einer Woche mit Justin hatte Sadie mehr gewollt.

Und sie hatte mehr bekommen, wie sie feststellte, als er bereits weg war.

Sie hatte nicht vorgehabt, einfach so mit der Wahrheit herauszuplatzen. Der Plan war gewesen, ihm behutsam beizubringen, dass er Vater war.

Zu ihrer Verteidigung musste sie sagen, dass sie sich schrecklich gefühlt hatte, weil sie ihm die Schwangerschaft verschwiegen hatte. Aber hätte sie ihn wirklich ausfindig machen und ihm sagen sollen, dass sie ein Baby erwartete, nachdem er ohne ein Wort gegangen war und so deutlich gemacht hatte, dass sie ihm nicht wichtig war? Und wenn sie nicht wichtig war, wie sollte es dann ihr Sohn sein?

Nein. Sie hatte das Richtige getan.

Justin Careys Familie hatte mehr Geld, als sie sich überhaupt vorstellen konnte. Wenn er gewollt hätte, hätte er ihr Ethan wegnehmen können. Er hätte sich die besten Anwälte nehmen können, während sie sich keinen langen Rechtsstreit hätte leisten können. Sie hätte ihren Sohn an einen Mann verlieren können, der sie ohne ein Wort verlassen hatte. Und es bestand immer noch die Möglichkeit, dass dies passieren würde – obwohl sie sich mit allem, was sie hatte, dagegen wehren würde.

Wegen all dieser Gründe hatte sie das Richtige getan, auch wenn sie Schuldgefühle hatte.

„Wo ist er?“

Sie sah ihn an. „In Sicherheit.“

„In Sicherheit? Das ist alles?“ Er warf beide Hände hoch. „Du wohnst hier im Hotel. Ich war in deiner Suite. Ich habe ihn nicht gesehen.“

„Ich wollte es nicht. Nicht bevor wir geredet haben.“

„Und für das ‚Reden‘ hast du zwei Monate gebraucht? Seit Beginn dieses Projekts waren wir fast jeden Tag zusammen, Sadie. Und doch hast du Ethan nie erwähnt.“

Es war nicht einfach für sie gewesen. Viele Male hätte sie fast ausgesprochen, dass sie ein gemeinsames Kind hatten. „Ich musste den richtigen Zeitpunkt finden.“

„Klar. Ich meine es ernst, Sadie.“ Justin machte einen Schritt auf sie zu, dann blieb er wieder stehen. „Falls ich einen Sohn habe, dann möchte ich ihn sehen.“

Falls? Warum sollte ich dich belügen?“

„Gute Frage. Aber du lügst mich seit fünfzehn Monaten an.“

„Ich habe nicht gelogen“, entgegnete sie schnell. „Ich habe nur nichts gesagt.“

„Ein feiner Unterschied.“

„Justin, ich will mit dir nicht deswegen streiten.“

„Schade.“ Er trat noch näher, und Sadie schaffte es gerade noch, nicht zurückzuweichen. Aber sie wollte keine Schwäche zeigen, auch wenn sie sich schwach fühlte. Am liebsten würde sie weglaufen.

„Ich will ihn sehen.“

„Das wirst du.“ Sadie hob leicht das Kinn. „Aber erst, wenn du dich beruhigt hast.“

Er lachte humorlos. „Ich habe gerade erfahren, dass ich einen Sohn habe, und du willst, dass ich mich beruhige?“

„Justin“, sagte sie und kämpfte selbst um Ruhe. „Erinnerst du dich, wie du nach unserer letzten gemeinsamen Nacht gegangen bist?“

„Was hat das denn jetzt damit zu tun?“

Sie biss die Zähne zusammen und holte tief Luft. „Zwei Wochen lang waren wir jede Nacht zusammen.“

Er starrte sie an, sagte aber nichts, also machte Sadie weiter.

Sie konnte immer noch nicht glauben, wie sie auf ihn reagiert hatte. Rückblickend schien es, als hätte eine unsichtbare Kraft sie von dem Moment an, als sie sich trafen, zueinander gezogen. Sie hatte nie zuvor so etwas erlebt und auch danach nicht mehr.

Sie war keine Frau für One-Night-Stands, aber bei ihm hatte sie nicht anders gekonnt. Es war Hitze und Leidenschaft und der beste Sex ihres Lebens, und sie hatte sich dummerweise in ihn verliebt. Glücklicherweise war sie darüber hinweggekommen.

„Ich weiß.“

„Und weißt du auch noch, dass du verschwunden bist, als mein Vater den Verkauf des Hotels endgültig abgelehnt hat?“

„Ich bin gegangen. Das ist ein Unterschied.“

„Nicht wirklich“, widersprach sie und überlegte, ob sie ihm gestehen sollte, was sie das letzte Jahr gefühlt hatte. Sie hatte ihn geliebt, hatte davon geträumt, immer mit ihm zusammen zu sein. Sie hatte sich eingeredet, dass seine Berührungen, sein Flüstern in der Nacht bedeuteten, dass er sie auch liebte. Sie hatte sich getäuscht.

„Du hast mein Zimmer mitten in der Nacht verlassen, und morgens warst du einfach weg. Als wärst du nie da gewesen.“ Das tat immer noch weh. „Kein Anruf. Keine Nachricht. Kein herzliches Lebewohl. Du bist einfach gegangen. Ohne einen Blick zurückzuwerfen.“

Er fuhr sich durchs Haar. „Ich habe nie gesagt, dass ich bleiben würde, Sadie.“

„Nein, das hast du nicht. Und sage auch nicht, dass ich das wollte.“ Jetzt log sie, aber das musste er nicht wissen.

„Was willst du dann sagen?“

„Du hast es nicht für nötig befunden, dich zu verabschieden. Wie konnte ich da glauben, dass dich eine ungeplante Schwangerschaft interessieren würde?“

„Okay. Da könntest du recht haben.“ Er schüttelte den Kopf. „Es sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Und wenn wir schon dabei sind, wir haben Kondome benutzt. Wie konntest du schwanger werden?“

„Sie sind nicht vollkommen sicher.“

„Toll.“ Er warf die Hände hoch. „Diese Dinger haben nur eine Aufgabe, und die schaffen sie nicht.“ Immer noch kopfschüttelnd entfernte er sich von ihr, starrte einen langen Moment auf das Meer hinaus und drehte sich dann wieder zu ihr um. „Du hattest viel Zeit, Sadie. Du hättest es nicht vor mir verheimlichen dürfen. Du hattest kein Recht dazu.“

„Oh doch, das hatte ich“, widersprach sie. „Er ist mein Sohn, und ich werde nicht zulassen, dass er leidet, weil sein Vater eines Tages entscheidet, einfach wieder zu verschwinden.“

Er sah sie finster an. „Das würde ich nicht tun.“

„Wirklich?“ Sie neigte den Kopf zur Seite und schaute ihn an. „Du hast es bereits einmal getan.“

„Verdammt, Sadie. Du hättest es mir sagen müssen.“

Vermutlich. Sie schlang die Arme um sich, als wollte sie sich selbst trösten. „Ich weiß nicht, Justin. Vielleicht hätte ich es tun sollen. Doch wenn ich noch einmal die Entscheidung treffen müsste, weiß ich nicht, ob ich es anders machen würde. Ich muss meinen Sohn schützen.“

„Er ist auch mein Sohn, Sadie. Und ich will ihn sehen.“ Nachdenklich sah er sie an. „Deshalb hast du darauf bestanden, fünfundzwanzig Prozent des Hotels zu behalten. Wegen des Babys.“

Sie seufzte. „Hauptsächlich, ja. Solange dein Plan aufgeht, das Hotel in ein Weltklasse-Spa-Resort zu verwandeln, muss ich mir keine finanziellen Sorgen um Ethan machen.“

Mit ein paar langen Schritten ging er die wenigen Meter, die sie voneinander trennten und griff nach ihren Oberarmen.

„Hast du wirklich gedacht, ich würde nicht für meinen Sohn sorgen?“

„Es geht nicht darum, was du tun würdest, Justin. Ich sorge für Ethan. Ich.“ Sie riss sich los. „Das ist genau das, was ich befürchtet habe.“

„Was?“

„Dass du hier mit deinem Namen und deinem Geld reinschneist und versuchst, alles zu übernehmen. Ethan und ich brauchen dich nicht. Wir kommen gut ohne dich zurecht.“

„Es spielt keine Rolle, was du willst. Ich kenne jetzt die Wahrheit, und du wirst ihn nicht von mir fernhalten.“

Das klang wie eine Drohung, und selbst wenn es keine war, so wusste sie, dass es eine hätte sein können. Angesichts des Geldes, das Justins Familie hatte, war sie klar im Nachteil.

„Also, wo ist er?“

Der Wind war eisig, aber nicht deshalb lief Sadie ein kalter Schauer über den Rücken. „In meiner Suite.“

„Lass uns gehen.“ Er nahm ihren Arm und drehte sie in Richtung Hotel.

Seine Berührung erfüllte sie mit Wärme, und doch reichte es nicht aus, die kalte Angst zu vertreiben. Angst um ihren Sohn. Um sie selbst. Um das Leben, das sie für sie beide aufgebaut hatte. Sadie hatte gewusst, dass es gefährlich sein würde, Justin ins Hotel zurückzuholen. Dass sie sich wieder in etwas verstricken könnte und er ihre Gefühle durcheinanderbringen könnte. Aber das zu wissen, machte es nicht einfacher.

Mit diesen Gedanken im Kopf sah sie auf das Hotel, als sie näher kamen, und bemerkte all die Veränderungen, die mit dem Geld der Careys bereits vorgenommen worden waren. Neue rot-weiß gestreifte Sonnenschirme über brandneuen runden Tischen und Eisenstühlen mit cremefarbenen Polstern. Die Terrassenplatten waren mit einem Hochdruckreiniger gesäubert und neu verlegt worden und glänzten im Sonnenlicht.

Durch neue Glastüren gelangte man von der Terrasse in den Hauptspeisesaal. Das Gebäude selbst sollte in ein paar Tagen gestrichen werden. Die spanischen Terrakottaziegel auf dem Dach waren durch die gleiche Art von Ziegeln ersetzt worden, allerdings in Aquamarin, was an das Meer erinnerte.

Er hatte viele schrittweise Veränderungen vorgenommen, dass das Hotel im Ganzen in neuem Glanz erstrahlte. Ihr Urgroßvater hatte das Haus gebaut, und jahrelang war das Hotel gut gelaufen, vor allem wegen seiner herausragenden Lage. Nicht viele Hotels konnten sich damit rühmen, direkt am Strand von La Jolla zu liegen. Aber die Leute wollten heute mehr als nur einfachen Zugang zum Meer. Sie wollten ein Erlebnis, wenn es um ihr Hotel ging. Sie wollten verwöhnt werden, und mit seiner Lage war das Cliffside bestens für eine solche Umgestaltung geeignet.

Natürlich hatte ihr Vater Justins Angebot vor fünfzehn Monaten abgelehnt. Er hatte gehofft, diese Veränderungen selbst vornehmen zu können. Aber dann war ihr Dad krank geworden. Er musste am Herzen operiert werden, und er musste in eine warme und trockene Gegend ziehen und sich zum ersten Mal in seinem Leben entspannen.

Sadie hatte keine andere Wahl gehabt, als Justin anzurufen, und die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Dieses Mal fiel sein Angebot wesentlich höher aus – einschließlich eines Bonus’ in bar, auf den sie wegen ihres Vaters bestanden hatte. Außerdem hatte sie eine Beteilung am Hotel ihrer Familie behalten, was ihre und Ethans Zukunft sicherte. Ganz zu schweigen davon, dass sie mitbestimmen konnte, wie das Hotel ihrer Familie umgestaltet wurde.

Er hatte ihren Oberarm fest im Griff und stampfte neben ihr her, während sich ihr Gedankenkarussell drehte. Vielleicht weil sie versuchte, nicht an ihn und Ethan zusammen zu denken. Weil sie Justin das Herz ihres Sohnes anvertrauen musste. Weil sie Justin ganz allgemein vertrauen musste.

Eines musste man Justin lassen. Er hatte keine Zeit verschwendet, kaum dass ihm das Hotel gehörte. In den letzten drei Monaten war er immer wieder in San Diego gewesen, hatte Geld in das Cliffside gesteckt und mit Designern und Sadie zusammengearbeitet, um das Fitnessstudio und Behandlungsräume für den Spa-Bereich zu bauen.

Wenn Justin Carey etwas wollte, ließ er sich durch nichts aufhalten. Er hatte auch sie mal auf diese Weise gewollt, und die Erinnerung an seine Entschlossenheit, sie in sein Bett zu bekommen, erschütterte sie zutiefst. Was ein weiterer Grund war, wachsam zu sein. Wenn er beschloss, dass er seinen Sohn haben wollte – was konnte ihn dann aufhalten?

Sie immer noch festhaltend ging Justin zu den Fahrstühlen. Sadie riss sich los. „Ich kenne den Weg.“

„Gut. Dann los.“ Er drückte den Knopf, und als die Fahrstuhltür aufglitt, winkte er Sadie hinein.

Sie drückte die Taste für die oberste Etage und trat dann in den hinteren Teil der Kabine, um einen sicheren Abstand zwischen ihnen zu bewahren.

Justin beobachtete sie, und trotz der Umstände spürte er dieses vertraute Brennen im Körper. Sicher, im Moment war ein Großteil dieser Hitze Wut. Aber er konnte nicht leugnen, dass er sich sexuell zu ihr hingezogen fühlte. Seit er vor fünfzehn Monaten das erste Mal in ihre gold gefleckten Augen gesehen und ihre Hand geschüttelt hatte, war diese Anziehungskraft da. In dem Moment, als sich ihre Hände berührten, durchfuhr ihn ein elektrischer Schlag – und er spürte ihn immer noch.

In Sadies Nähe verspürte er Lust. Er wollte sie. Immer noch. Obwohl er wusste, dass sie ihn die letzten anderthalb Jahre angelogen hatte.

Er betrachtete ihren Körper und verstand jetzt, warum er reifer und fülliger aussah, als er in Erinnerung hatte. Sie hatte ein Kind bekommen. Sein Kind.

Er war Vater.

Er verspürte Angst bei dem Gedanken. Die meisten Männer hatten neun Monate Zeit, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, für ein winziges menschliches Wesen verantwortlich zu sein. Er hatte fünf Minuten gehabt, und das reichte bei Weitem nicht.

Vorausgesetzt, sie sagte die Wahrheit. Aber warum sollte sie lügen, nachdem sie die Sache die ganze Zeit geheim gehalten hatte? Er würde es überprüfen. Er würde einen DNA-Test machen lassen – um wirklich sicher zu sein.

Die Tür glitt auf, und er wartete darauf, dass sie vorausging. Er kannte ihre Suite gut. Von zwei Seiten des Wohnbereichs und von beiden Schlafzimmern aus hatte man einen Blick auf das Meer. Diese Aussicht war so traumhaft, dass sie nie die Vorhänge zuzog. Selbst nachts nicht.

Weder er noch sie sagten etwas. Verdammt, er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Er war Vater. Der Gedanke war erschreckend und … faszinierend zugleich.

Er hatte immer daran gedacht, irgendwann in ferner Zukunft mal Kinder zu haben. Eine Frau. Ein Zuhause. Aber jetzt noch nicht. Jetzt versuchte er noch, seinen eigenen Weg innerhalb seiner Familie zu finden. Seine eigene Zukunft aufzubauen. Und er fragte sich, ob er dies hier schaffen konnte. Vater sein. Was, wenn er alles vermasselte? Was, wenn er so schlechte Erziehungsarbeit leistete, dass sein Kind zu einem gemeinen kleinen Mistkerl wurde? Oder noch schlimmer? Ganz zu schweigen davon, dass er jetzt für immer an Sadie gebunden sein würde. Diese sexuelle Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, würde jetzt ein fester Bestandteil seines Lebens sein.

Seine Schwester Serena hatte sich immer gewünscht, Mutter zu werden, und jetzt hatte sie eine Tochter, seine Nichte Alli, und war mit Jack Colton verlobt. Amanda war ebenfalls verlobt, mit Henry Porter, sodass Justin davon ausging, dass auch sie irgendwann ein Kind haben würde. Selbst Bennett, der Älteste der Geschwister, hatte sich verliebt und war verlobt, und Hannah machte kein Geheimnis daraus, dass sie sich viele Kinder wünschte.

Seltsam, dass gerade Justin derjenige war, der den Careys das zweite Enkelkind schenkte. Seltsam und – er schämte sich nicht, es zuzugeben – auch beängstigend.

Sadie benutzte ihre Schlüsselkarte, schwang die Tür zu der gut ausgestatteten Zimmerflucht auf und rief: „Mike. Ich bin zurück.“

„Mike?“ Justin starrte sie an. Sie hatte einen Mann in ihrer Suite? Irgend so ein Kerl passte auf seinen Sohn auf? Sie vertraute einem anderen Mann Justins Sohn an? Ließ zu, dass er eine Beziehung zu ihm aufbaute? Hatte er auch eine Beziehung mit Sadie? Der Gedanke gefiel ihm gar nicht. „Gibt es noch etwas, was du mir sagen möchtest?“

Bevor Sadie antworten konnte, trat eine junge Frau mit einem Baby auf dem Arum aus einem der Schlafzimmer. Sie hatte kurzes blondes Haar und einen verdächtigen Schimmer in den Augen, als sie Justin ansah. Aber er hatte nur Augen für den winzigen Jungen, der lächelte und Unverständliches brabbelte.

„Mike, das ist Justin Carey.“ Sie hielt inne. „Ethans Vater. Justin, das ist Michelle Franks. Mike arbeitet hier im Hotel und hilft mir mit dem Baby.“

Er hörte Sadie kaum. Er hatte nur Augen für das Baby. Er trat näher und blickte in das winzige Gesichtchen, das seinem eigenen so ähnlich war, dass er nicht wusste, was er sagen sollte.

DNA-Test oder nicht, das war sein Sohn.

Es ließ sich nicht leugnen. Der Junge hatte sogar Justins hellblaue Augen und ein Grübchen in der linken Wange. Er ist die Miniaturausgabe von mir, dachte Justin.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, gestand Justin.

„Ich weiß, dass du geschockt bist“, sagte sie. „Es ist eine Menge zu verdauen. Aber ich will nichts von dir. Ethan und mir geht es gut. Ich dachte nur, du solltest es wissen.“

„Weil es zu schwer wurde, ihn vor mir geheim zu halten, jetzt, wo ich vor Ort bin?“

„Hauptsächlich deshalb“, gab sie zu. „Aber nicht nur.“

Er drehte sich zu ihr und starrte sie an. Verdammt, er hatte geglaubt, Sadie Harris zu kennen. Diese zwei Wochen mit ihr waren der Stoff, aus dem Fantasien sind. Sie war sexy und nett, lustig und klug und alles in allem die perfekte Frau. Was ein weiterer Grund war, warum er so schnell gegangen war. Er war nicht bereit für sie gewesen. Er war nicht bereit gewesen für das geflüsterte „Ich liebe dich“, das ihr in der letzten gemeinsamen Nacht herausgerutscht war.

Liebe? Für immer? Er hatte zu viel zu beweisen gehabt. Zu viele Dinge zu tun. Also war er gegangen, solange er noch konnte.

Fünfzehn Monate später“, sagte er. „Erst jetzt dachtest du, ich sollte es wissen.“ Justin kämpfte darum, die in ihm brodelnde Wut in den Griff zu bekommen. Er sah von ihr zu dem gemeinsamen Kind und versuchte, die unzähligen Emotionen zu sortieren, die ihn durchströmten. Warum hatte er nicht gewusst, dass er Vater war? Hätte er es nicht irgendwie spüren müssen? Verdammt, er hatte bei der Schaffung eines neuen Wesens geholfen und hatte es nicht realisiert.

Sein Blick blieb an dem Baby hängen, und er spürte einen Kloß im Hals. Er und Sadie hatten ein Kind, und er hatte keine Ahnung gehabt.

In den letzten anderthalb Jahren hatte es Momente gegeben, da hatte er darüber nachgedacht, sie anzurufen. Wenn er es bereute, gegangen zu sein. Wenn er mitten in der Nacht voller Sehnsucht nach ihr aufwachte. Aber er hatte nicht angerufen, weil … die Gründe spielten keine Rolle. Jetzt nicht. Nicht, wenn er in das Gesicht eines Kindes sah, das seine Augen hatte. Sein Lächeln. Dieses Grübchen.

„Verdammt, Sadie“, murmelte er, ohne den Blick von dem winzigen Jungen zu wenden. „Du hattest kein Recht, mir das vorzuenthalten.“

„Mike, du kannst jetzt nach unten gehen. Sieh nach, ob sie Hilfe brauchen.“

„Sicher?“, fragte Mike, als sie Sadie das Baby übergab.

„Ja. Alles klar hier. Danke.“

Justin wartete, bis die Frau gegangen war, dann warf er Sadie einen finsteren Blick zu und wartete auf irgendeine verdammte Erklärung.

„Justin, du bist gegangen.“ Sie hob trotzig das Kinn. „Du hast nie angerufen. Du bist nie zurückgekommen. Warum hätte ich denken sollen, dass du dich für mein Kind interessierst, wenn du kein Interesse an mir hast?“

„Nicht nur dein Kind, Sadie.“

Autor

Maureen Child

Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal.

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