Herr Anwalt, ich liebe Sie

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Wie konnte es nur zu diesem Missverständnis kommen? Doch während es Laura noch peinlich ist, dass sie den Oberstaatsanwalt Nick Farrell für einen Stripper gehalten hat, lacht er nur darüber. Und so wird die Hochzeitsfeier von gemeinsamen Freunden, bei der sie sich zufällig wiedersehen, wunderschön. Zu schön - denn Laura hat Angst, sich zu verlieben, während auch für Nick die Vergangenheit nicht leicht war. Beide haben so schmerzliche Erfahrungen machen müssen, dass sie nicht mehr an die Liebe glauben. Aber Nick hat zwei Töchter, die sich nach einer neuen Mutter sehnen und Laura ideal finden! Raffiniert schmieden sie einen Plan, um das Glück zurück in das Leben ihres Vaters zu bringen ...


  • Erscheinungstag 15.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747312
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Vor der Mall stand nur ein einziger Mann, dem man gern zusehen würde, wenn er sich auszöge. Laura Goodman erkannte ihn auf den ersten Blick. Lässig lehnte er am Briefkasten vor dem Café. Das musste der Typ sein, den sie hier abholen sollte.

Er sah wirklich umwerfend aus. Das eng anliegende T-Shirt betonte breite Schultern und ungewöhnlich kräftige Arme. In den Jeans steckten schmale Hüften und lange Beine.

Schon von weitem sah man, dass er eine gesunde sonnengebräunte Haut hatte, und seine Haltung strahlte Gelassenheit und Selbstvertrauen aus.

Laura blieb im Auto sitzen und ließ den Blick noch einmal über den Eingang zur Mall schweifen. Alle anderen Männer dort waren entweder kahlköpfig und dick oder zu jung und hatten Pickel im Gesicht. Der Mann am Briefkasten musste der professionelle Stripper sein.

Laura schaltete den Motor aus, atmete tief durch und stieg aus. Klar, dass sie von Susie und ihren Freundinnen dazu auserwählt worden war, den Mann hier abzuholen und zur Party zu kutschieren. Man wusste ja, dass sie den ganzen Abend keinen Alkohol trinken würde. Für sie selbst aber gab es viele Gründe, warum sie lieber zu Hause geblieben wäre, als zur Mall zu spazieren und einen wildfremden Mann anzusprechen.

Sie ging nun einmal mitten in der Woche nicht gern aus. Aber Susie feierte heute Abend ihren Jungesellinnenabschied, und sie, Laura, war Susies beste Freundin und Trauzeugin.

Außerdem müsste sie jetzt eigentlich mit sämtlichen Agenturen in Brisbane telefonieren, um für die Vorlesestunde in der Kinderklinik am nächsten Tag einen Ersatzclown zu finden. Seit sie zur Leiterin der Bibliothek befördert worden war, fiel dies in ihren Aufgabenbereich, und sie würde sich viel lieber darum kümmern als um das fragwürdige Vergnügen, das Susie und ihre Freundinnen im Sinn hatten.

Seufzend strich Laura ihr Kleid glatt, in dem sie sich nicht besonders wohl fühlte, und ging über den gepflasterten Platz zur Mall. Sie achtete darauf, dass sie mit den hohen Absätzen zwischen den Pflastersteinen nicht stecken blieb, und dachte weiter über eine Lösung für das Problem in der Kinderklinik nach.

Kurz bevor sie ihre Wohnung verlassen hatte, hatte sie der Clown angerufen, der sie sonst immer begleitete. Er war krank geworden und konnte am nächsten Tag nicht zur Lesestunde kommen.

Laura hatte aber den Kindern versprochen, beim nächsten Mal einen Clown mitzubringen. Die Kleinen freuten sich darauf. Wie sollte sie bloß in so kurzer Zeit einen Ersatz auftreiben?

Ich könnte das in aller Ruhe klären und später zur Party gehen, dachte sie. Aber sie hatte Susie nachmittags versprochen, „ein Schatz zu sein“. Nun musste sie den merkwürdigen Kerl hier abholen.

Lauras Blick fiel jetzt auf lange Beine in ausgeblichenen Jeans. Sie blieb stehen. Das war er.

Der Stripper.

Nur wenige Zentimeter von ihr entfernt, lehnte er noch immer lässig am Briefkasten.

Sie würde über Kinder und Clowns später nachdenken müssen. Weil sie in ihrem Leben noch keinem Stripper begegnet war, biss sie die Zähne zusammen und lächelte leicht.

„Guten Abend.“ Sie legte großen Wert darauf, höflich zu sein. Ganz gleich, wem sie gegenüberstand.

„N’abend.“

Seine tiefe, warme Stimme überraschte Laura. Und zwar so sehr, dass sie vergaß, wie sie den Mann hatte ansprechen wollen. Als er sich jetzt vom Briefkasten löste, sich vor ihr in voller Größe aufbaute und sie von oben herab mit einem undurchdringlichen Blick betrachtete, war Laura völlig aus dem Konzept gebracht. Er verschränkte die Arme über der Brust und runzelte die Stirn.

Laura brachte kein Wort hervor.

Sein Gesicht wirkte aus der Nähe noch attraktiver, als Laura den Eindruck gehabt hatte. Ihr Vorurteil Strippern gegenüber traf auf diesen Mann nicht zu, denn seine grauen Augen sahen hellwach und klug aus. Sein dichtes schwarzes Haar glänzte, und obwohl er sich nicht rasiert hatte, konnte sie sehen, dass er ein markantes Kinn hatte.

Laura überlegte noch immer, wie sie ihn ansprechen sollte. Sie konnte wohl kaum einfach fragen, ob er der Stripper sei. Irgendetwas aber musste sie sagen. Und zwar recht bald, denn er sah sie inzwischen an, als wäre sie ein Klecks, den ein Vogel hatte fallen lassen.

„Suchen Sie jemand?“, fragte er plötzlich.

„Oh … ja!“ Laura überspielte ihre Verlegenheit mit einem Schulterzucken. Sie nahm ihr Abendtäschchen in die andere Hand, ließ es an dem seidenen Schulterriemen hin und her baumeln und versuchte, dabei so elegant und lässig zu wirken wie ihre Freundinnen, die sich jetzt auf Susies Party tummelten, zu viele Champagnercocktails tranken und sie in diese peinliche Lage gebracht hatten.

Sie nahm sich ein Herz und lächelte. „Ja, ich suche einen Mann. Und ich glaube …“, sie runzelte die Stirn und lächelte weiterhin tapfer, „… sie sind der Mann.“

Seine Augen funkelten. „Nun, es tut mir wirklich leid, Schätzchen, aber ich habe heute Abend schon etwas anderes vor – und das ist umsonst.“

Laura blickte ihn sekundenlang starr an und überlegte, ob sie seine Antwort richtig verstanden hatte. Glaubte er etwa, sie sei …?

„Oh nein!“, rief sie. „Sie können mich doch nicht …“ Wütend wich sie einen Schritt zurück, geriet dabei mit dem Absatz zwischen zwei Pflastersteine und verlor das Gleichgewicht.

Um nicht hinzufallen, ruderte sie mit den Armen. Dabei traf der Verschluss ihrer Handtasche ihn am Kinn. Er fluchte leise, während Laura verzweifelt versuchte, ihr Gleichgewicht wieder zu finden und die Tasche in den Griff zu bekommen. Schließlich hatte sie sich gefangen und sah ihn betroffen an.

Er rieb sich das Kinn, verzog dann das Gesicht und sah ziemlich fassungslos aus.

Laura hielt ihm die Hand hin. „Tut mir wirklich leid.“

„So schlimm ist’s nicht“, antwortete er und schob die Hände in die Hosentaschen. Dann warf er einen Blick über die Schulter, als suchte er jemanden, der ihn von Laura befreien könnte.

„Wie gesagt, ich bin nicht das, wofür Sie mich halten“, erklärte sie ihm rasch. „Ich hole Sie nur ab, ich meine, man hat mich gebeten, Sie hier abzuholen. Und zur Party zu bringen.“

„Zu welcher Party?“

„Susies. Sie hat mich darum gebeten, weil die Mall praktisch auf meinem Weg liegt.“

„Ist hier die Rede von Susie Thomson, die mit Rob Parker verlobt ist?“ Endlich schien der skeptische Ausdruck aus seinen grauen Augen zu verschwinden.

„Ja.“

Susie hat Sie hierher geschickt? Ich hätte mir lieber ein Taxi nehmen sollen. Aber Rob wollte mich unbedingt abholen lassen.“

Laura zuckte die Schultern. „Wie Sie sehen, habe ich das große Los gezogen und darf Sie fahren.“ Erleichtert stellte sie fest, dass er ihr glaubte und sich entspannte.

Er lächelte sogar. „Dann brauchen wir ja nicht länger hier herumzustehen. Machen wir uns also auf.“

Sie sieht aus wie ein Flederwisch auf zwei Beinen, dachte Nick, während er mit Laura zu ihrem Wagen ging. Auch wenn ihre Beine, wie er sich eingestehen musste, wirklich hinreißend waren. Fast so hinreißend wie ihr rötlich schimmerndes Haar und die dunkelblauen Augen.

Was man von ihrem merkwürdigen Kleid nicht gerade behaupten konnte. Es sah so aus, als hätte sie sich einfach eine lange blaue Federboa um den Leib gewickelt.

Kein Wunder, dass er sie auf den ersten Blick für ein Flittchen gehalten hatte. Die „Federboa“ verbarg kaum ihre verführerischen Kurven, und bei einem solchen Anblick würden die meisten Männer nur an den Körper darunter denken.

Als Laura ihr Auto aufschloss, legten sich einige Federn zur Seite und gaben den Blick auf ihre Schulter frei.

„Steigen Sie ein. Man erwartet Sie sicher schon auf der Party“, sagte sie.

Nick glitt auf den Beifahrersitz, während Laura den Motor anließ.

„Sie können den Sitz zurückschieben, damit Sie mehr Platz für Ihre Beine haben.“

„Danke.“ Er griff unter den Sitz und rückte nach hinten. „Schöner Wagen.“

„Ja, er ist neu, und ich bin richtig stolz darauf. Ich habe ihn mir nach meiner Beförderung gekauft.“

Man merkte, dass sie gern fuhr, als sie das Auto geschickt in den Verkehr einreihte. Nick warf ihr einen bewundernden Blick zu. Sie war also befördert worden. Vielleicht war sie doch keine so hirnlose Frau.

Laura wechselte auf die andere Fahrbahn und lächelte ihn fragend an. „Wie soll ich Sie nennen? Haben Sie einen … speziellen Namen, wenn Sie bei Partys auftreten?“

„Wie bitte?“

„Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Sie Ihr berufliches Treiben … von Ihrem Privatleben zu trennen wünschen. Benutzen Sie ein Pseudonym?“

„Ein Pseudonym?“

„Ja.“

Nick sah sie erstaunt an. „Benutzen Sie einen anderen Namen, wenn Sie auf eine Party gehen?“

„Natürlich nicht!“, antwortete sie. „Aber ich sagte bereits, dass ich keine …“ Laura beendete den Satz nicht. Sie hatte eine Ampel erreicht und trat auf die Bremse.

Im Licht der Straßenlampen erkannte er, dass die junge Frau genauso verwirrt aussah, wie sie daherredete, und er kam zu dem Schluss, dass sie ganz offenkundig ein Schussel war.

„Hören Sie“, meinte er seufzend, als Laura wieder anfuhr, „ich bin Nick … auf Partys … im Beruf … und zu Hause. Ich bin immer Nick Farrell, ganz gleich, ob ich arbeite oder mit meinen Freunden feiere.“

Erleichtert lächelte sie ihn an. „Hallo, Nick. Ich bin Laura. Laura Goodman.“

„Laura“, wiederholte Nick. Nach dem Auftritt in der Glenwood-Mall hätte er eher einen exotisch klingenden Namen erwartet. Aber hier, neben ihr im Auto, wo es nach Rosen und Jasmin duftete und sie so verwirrt und erschrocken aussah, als hätte sie Angst vor ihm, fand er plötzlich, dass der altmodische Name gut zu ihr passte.

Laura verlangsamte das Tempo und parkte ihr Auto dann zwischen anderen ein. „Wir sind da.“

Nick runzelte die Stirn. „Aber hier wohnt doch nicht Rob.“

„Rob?“ Auch Laura runzelte die Stirn. „Die Party findet bei Susie statt. Rob ist der Bräutigam.“

Nick sah sie verständnislos an. „Feiert Rob seinen Junggesellenabschied etwa bei Susie?“

„Nein, natürlich nicht. Susie feiert ihren hier. Den sie allerdings Vamptails nennt.“ Laura verdrehte die Augen und zupfte an einer blauen Feder. „Deswegen trage ich dieses tolle Kleid. Es war Susies Idee, dass wir uns alle wie Vamps anziehen und dann möglichst viele Cocktails trinken. Verstehen Sie jetzt? Dabei trinke ich überhaupt nicht …“

Nick fiel ihr ins Wort. „Nein, ich verstehe nichts. Schon gar nicht, warum Sie mich hierher gebracht haben!“

Laura sah ihn mit ihren großen blauen Augen an. „Aber Sie sind doch … der wichtigste Partygast.“

Ich? Der wichtigste Gast?

Jetzt war Nick sich sicher, dass Laura Goodman nicht alle Tassen im Schrank hatte. Er überlegte, was er tun sollte. Schnell aus dem Auto springen, zur nächsten Telefonzelle rennen und sich ein Taxi bestellen? Oder mutig an Susies Haustür läuten, einen Blick auf die Party werfen und die Sache klären? Immerhin war Susie die Verlobte seines besten Freundes, und auch wenn er, Nick, sie nicht gut kannte, hatte sie doch einen ganz vernünftigen Eindruck auf ihn gemacht.

Bestimmt konnte Susie ihm erklären, was hier vorging.

Laura wandte Nick das Gesicht zu, auf dem sich Ungeduld und Mitleid spiegelten. „Lassen Sie uns reingehen“, bat sie ihn leise. „Susie hat sich das ausgedacht. Sie kann Ihnen alles erklären. Mich hat sie nur gebeten, Sie hierher zu bringen.“

„Sie ist mir eine verdammte Erklärung schuldig“, antwortete er wütend und stieg aus.

Auf dem Bürgersteig atmete er tief durch. Es duftete nach Sommer. Schrilles Frauengelächter und laute Popmusik drangen aus einem hell erleuchteten Haus in der Nähe.

Hinter sich aber hörte Nick plötzlich etwas anderes.

„Oh nein!“

Laura, die gerade ihr Auto abschließen wollte, presste sich eine Hand auf die Brust und versuchte mit der anderen verzweifelt, das flatternde Ende ihrer Federboa zu erwischen. Laura war wohl beim Aussteigen irgendwo hängen geblieben. Das luftige Etwas, das man wirklich nicht als Kleid bezeichnen konnte, löste sich nach und nach in Wohlgefallen auf. Was Nick, der sich zu ihr umgedreht hatte, einen freien Blick auf ein zartes Spitzenhemdchen gestattete und auf einen Rücken, der im Mondlicht schimmerte.

„Verflixt und zugenäht!“, schimpfte Laura und sah Nick hilflos an.

Er ging zu ihr. „Darf ich?“

Ohne eine Antwort abzuwarten, griff er nach der Federboa und legte sie Laura wieder um.

„Lassen Sie das“, fuhr sie ihn an.

Er ließ sich jedoch nicht beirren. „Was soll hiermit geschehen?“, fragte er und hielt ihr das Ende der Federboa unter die Nase. So dicht vor ihr stehend, bemerkte er noch einmal überrascht, wie gut sie aussah und roch.

Ihr blumiges Parfüm duftete verführerisch – irgendwie reif und unschuldig zugleich.

Laura riss ihm die Federboa aus der Hand. „Vielen Dank. Ich kann das ganz gut allein.“ Mit ihren blauen Augen sah sie ihn vorwurfsvoll an.

Nick war nicht auf den Kopf gefallen. Natürlich wusste er, dass Laura auf seine Hilfe nicht länger angewiesen war. Trotzdem blieb er einfach stehen und ließ den Blick auf Laura Goodmans betörend schönen Schultern ruhen, die so perfekt wie die einer griechischen Marmorstatue waren.

„Ihre Hilfsbereitschaft ist wahrscheinlich berufsbedingt“, sagte Laura und fuchtelte mit der Federboa herum. „Aber ich lege Wert auf andere Dinge.“

Er sah sie verblüfft an. „Was soll das heißen? Wissen Sie denn, wie ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene?“

„Gehen Sie endlich zu Susie“, antwortete Laura verärgert. „Schließlich ist sie diejenige, die Sie herbestellt hat.“

Irgendwie ahnte Nick, dass er sich vor Susies Haustür noch idiotischer fühlen würde als hier an der Seite dieses zarten Federwesens, das in Wahrheit ein Drache war.

Von der Frau, die sein Freund Rob heiraten wollte, wusste er nichts, außer, dass Rob sich Hals über Kopf in sie verliebt hatte.

„Okay, ich drehe mich um, solange Sie Ihr Kleid in Ordnung bringen“, sagte er. „Allerdings würde ich gern wissen, für wen Sie mich halten.“

Bevor Laura ihm antworten konnte, rief eine junge Frau vom Gartentor des hell erleuchteten Hauses aus: „Laura? Bist du’s? Hast du Nick gefunden? Die Mädels sind schon ganz aufgeregt.“

Am Tor stand Susie Thomson, schlank und schön wie ein Model. Nick erkannte sie und ging rasch auf sie zu. „Was soll das alles, Susie? Rob wartet bestimmt schon auf mich.“

Susie strahlte ihn an und hakte sich bei ihm unter. „Oh nein, das tut er nicht. Du bist hier genau richtig. Wir erwarten dich.“ Lachend zog sie Nick zum Hauseingang.

Als er die ausgelassenen Frauenstimmen hörte, dachte er, dass sich so mancher Mann in einem Haus, in dem es von beschwipsten jungen Frauen nur so wimmelte, wie im siebten Himmel fühlen würde. Er aber hatte das Gefühl, dass ihn hier keine angenehme Überraschung erwartete.

Sollte er sich aus Susies Griff befreien und weglaufen? Er beruhigte sich und redete sich ein, dass ihm nichts geschehen könne.

Schließlich wollte Susie seinen besten Freund heiraten, und er, Nick, würde bei der Hochzeit am Samstag ihr Trauzeuge sein. Sicherlich würde sich das Missverständnis gleich aufklären.

Jetzt sah Susie ihn lachend an und stieß die Haustür auf. „Die Mädels können es kaum erwarten.“

Nick folgte ihr und begegnete, wie befürchtet, lauter lachenden und wild durcheinander rufenden Frauen, die Gläser mit Champagnercocktails in der Hand hielten und so auffällige Klamotten trugen, dass Laura Goodmans Federkleid dagegen ein wahres Musterbeispiel für guten Geschmack war.

„Mädels“, rief Susie, und es wurde plötzlich sehr still. Alle Frauen starrten Nick an. „Hier ist er endlich: Unser Stripper!“

Strip… Stripper!

Nick glaubte zu ersticken. Dann schien er einem Herzinfarkt nahe zu sein. Ein gewaltiger Adrenalinstoß durchflutete ihn, und es rauschte ihm in den Ohren. Sekunden später begriff er, dass die Frauen einen irren Radau machten.

„Das soll wohl ein Witz sein“, stieß er hervor.

Susies Griff um seinen Arm verstärkte sich. „Nein, keineswegs. Rob hat mir erzählt, dass du ein Hit auf jeder Party bist.“

„Was?“, fragte er stockend. „Was hat Rob gesagt?“

Nick sah Susie verwirrt an. Obwohl Panik und Entsetzen ihm den Verstand zu rauben drohten, ging ihm plötzlich ein Licht auf. Rob Parker, sein bester Freund, hatte ihn gründlich hereingelegt.

Seit sie beide sich auf der Grundschule kennengelernt hatten, hatten sie einander immer wieder auf die Schippe genommen und den Mut des anderen auf die Probe gestellt. Natürlich trug die Szene hier Robs Handschrift.

Aber Nick hätte nie gedacht, dass sein Freund zu einer solchen Geschmacklosigkeit imstande sein würde. Ganz gleich, was sie bisher angestellt hatten, es hatte sich nicht unterhalb der Gürtellinie abgespielt!

Nick rang sich ein Lächeln ab. „Okay, Susie, ihr habt mich fast zu Tode erschreckt. Ein gelungener Scherz, wirklich. Aber wie geht’s jetzt weiter? Wer bringt mich zu Robs Party?“

„So weit sind wir noch nicht, Nick“, antwortete Susie lächelnd. „Erst wirst du uns zeigen, was du kannst – und hast. Rob meinte übrigens, du würdest bestimmt nicht kneifen.“

„K… kneifen?“

„Ich fürchte, die Mädels würden dich lynchen, wenn du dich drückst.“

Nick schluckte. Das war wohl das Ende einer guten Freundschaft. Seit er als Achtjähriger seinen gleichaltrigen Freund Rob herausgefordert hatte, über eine Koppel grasender Stiere zu laufen, hatte es keiner der beiden je gewagt, einer Mutprobe auszuweichen. Nach der Party aber würde er mit Rob abrechnen, und der würde sich dann gut überlegen müssen, ob er wirklich heiraten wollte.

Nick betrachtete zuerst Susie, deren Gesichtsausdruck Entschlossenheit verriet, und dann die Frauen, die sich um ihn drängten und ihn erwartungsvoll und unverschämt zugleich ansahen. Er fragte sich, wo eigentlich Laura Goodman geblieben war. Wahrscheinlich versteckte sie sich, weil sie sich schuldig fühlte.

Aber darüber konnte er jetzt nicht länger nachdenken, denn offenkundig gab es niemanden, der ihn aus dieser misslichen Lage befreien würde. Ihm zog sich der Magen zusammen. „Ich soll mich also für euch ausziehen?“

„Ja, Süßer“, sagte Susie und lächelte aufmunternd. „Wir können es kaum erwarten.“

„Bis auf den Slip?“

Susie verdrehte die Augen, als hätte sie noch nie eine so dumme Frage gehört.

Nervös sah Nick sich um und entdeckte am anderen Ende des Raums einen Tisch, auf dem Platten mit Appetithäppchen standen. „Ich … ich muss mich erst mal stärken.“

„Klar!“ Susie rief einer ihrer Freundinnen zu: „Amanda, bringst du unserem Stargast bitte etwas zum Essen?“

Es wirbelten gleich mehrere Frauen durch das Zimmer, und kurz darauf wurde Nick ein halbes Dutzend Teller mit Essen gereicht. Er ließ sich Zeit, aß einige Häppchen und unterhielt sich mit den Frauen um ihn herum.

„Himmel, der lässt es sich aber schmecken“, säuselte eine attraktive Blondine. „Ich liebe Männer, die es nicht eilig haben.“

Nick verschluckte sich beinahe und aß schneller. Dann stürzte er zwei Champagnercocktails hinunter in der Hoffnung, sich besser zu fühlen. Als auch das nichts half, bat er um einen Dritten.

Susie kam zu ihm und flüsterte: „Bist du soweit?“

„Ich … ich brauche die richtige Musik, weißt du.“

Susie lächelte. „Zum Glück besitze ich viele CDs. Komm, du findest bestimmt etwas Passendes.“

Indem er die CDs langsam durchsah, gelang es Nick, Zeit zu gewinnen. Doch allzu schnell nahm Susie ihm die CD aus der Hand, die er gerade genommen hatte.

„Salsa! Eine gute Wahl. Ausgezeichnet!“

Nick zuckte zusammen. „Oh … ich weiß nicht recht.“

„Ich schon“, erwiderte Susie honigsüß, legte die CD auf und wandte sich an ihre Gäste: „Mädels, lasst uns Nick herzlich willkommen heißen. Er wird uns etwas ganz Besonderes zeigen!“

Sein Herz hämmerte, als die Frauen im Zimmer zu pfeifen und klatschen anfingen.

2. KAPITEL

Laura stand auf der dunklen Straße. Sie hatte ihr Kleid zwar längst wieder in Ordnung gebracht, brauchte aber noch etwas Zeit, um sich zu sammeln. Als Nick Farrell ihr die Federboa um die Schultern gelegt hatte, hatte er sie so angesehen, wie ein Mann eine Frau ansieht, die er begehrt. Das hatte Laura verwirrt.

Vor allem, weil es sie nicht kalt gelassen, sondern erregt hatte.

Wie peinlich! Dass ausgerechnet sie auf einen Mann, der keine Moral hatte und sich als Stripper seinen Lebensunterhalt verdiente, so reagierte!

Nick flirtete wahrscheinlich aus lauter Gewohnheit. Bestimmt sah er jetzt jede andere Frau auf der Party so glutvoll an, dass Susie lieber ihre nagelneuen Rauchmelder ausschalten sollte.

Langsam ging Laura auf Susies Haus zu. Sicherlich hätten die meisten Frauen mit einem einladenden Lächeln auf Nicks Blick reagiert. Aber sie war eben nicht wie die anderen. Sie hatte schon immer das Gefühl gehabt, in der falschen Zeit zu leben, und viele ihrer Bekannten fanden sie für ihre neunundzwanzig Jahre zu altmodisch. Aber so war sie nun einmal. Daran konnte sie nichts ändern.

Sie war eine Goodman, und die Goodmans nahmen das Leben ernst. Wahrscheinlich hatte ein Urahne den Nachnamen nur deswegen erhalten, weil er so gut gewesen war. Diese überdurchschnittliche Menge an „Mutter-Theresa-Genen“ war durch die Jahrhunderte an alle Goodmans weitergegeben worden – und das war keineswegs nur von Vorteil.

Getreu der Goodman-Tradition war Laura in einer Hütte in Kambodscha zur Welt gekommen, wo ihre Eltern als Ärzteteam in einem Waisenheim tätig gewesen waren. Zwar kehrte die Familie nach Australien zurück, als Laura und ihr Bruder eingeschult werden mussten, doch ihre Eltern hatten neben ihren Jobs im Royal-Brisbane-Krankenhaus noch andere in zahlreichen Wohltätigkeitsorganisationen inne. Jetzt lebten Lauras Eltern in Osttimor, und ihr Bruder Phil, der im nächsten Jahr sein Medizinstudium abschließen würde, wollte dem guten Beispiel seiner Eltern folgen. Laura bewunderte das Engagement ihrer Familie, hatte selbst aber andere Ziele. Sie war so etwas wie ein schwarzes Schaf, weil sie lieber Bücher las, als sich für andere Menschen aufzuopfern.

Selbstverständlich waren ihre Eltern enttäuscht gewesen, als sie sich entschied, Bibliothekarin zu werden. Später tröstete man sich damit, dass Laura noch etwas Exotischeres hätte werden können – wie Solistin oder Archäologin.

Aber auch die große Liebe zur Literatur hatte Laura nicht ganz von ihrer Erblast befreit. Deswegen fuhr sie jeden Mittwoch in die Klinik, um kranken Kindern eine Freude zu bereiten. Ihre Kollegin Susie fand dagegen, dass sie schon ein gutes Werk tat, wenn sie die heißesten Liebesromane ihren bevorzugten Leserinnen – meistens ältere Damen – zurücklegte.

Nun war Laura beinahe zehn Minuten lang vor dem Haus auf und ab gegangen und hatte sich etwas beruhigt. Noch einmal zupfte sie ihr Kleid zurecht und mischte sich dann unter die feiernden Frauen.

Sie hatte sich gerade ein Glas Orangensaft ohne Champagner geholt und eine Bekannte begrüßt, als Nick sich scheinbar gelassen in die Mitte des Raumes stellte. Die Show konnte beginnen. Alle ließen sich vom Salsa-Rhythmus mitreißen, klatschten und drängten sich um Nick.

Laura schluckte. Jetzt würde sie also zum ersten Mal in ihrem Leben einen professionellen Striptease sehen.

Nick wirkte ruhig, fast arrogant. Er schien die Frauen, die ihn regelrecht anhimmelten, kaum zu bemerken. Wahrscheinlich distanzierte er sich innerlich von seinem Publikum, um ihm schließlich einen gelangweilten Blick zu schenken.

„Oh Mann“, seufzte eine von Susies Cousinen, „der ist ja ’ne Wucht. Genau der Richtige für mich. Das wird er hoffentlich merken, wenn er mich sieht.“

„Träum nur weiter, Sandy“, zog ihre Freundin sie auf.

Laura ließ Nick, der sich im Rhythmus der lauten Musik zu bewegen begann, nicht aus den Augen. Ganz langsam kehrte er den Frauen den Rücken zu, wobei er sich dehnte und streckte und das Becken langsam kreisen ließ. Die Frauen jubelten.

„Einfach göttlich!“, rief eine.

Auch Laura musste zugeben, dass Nick seine Sache gut machte. Während er sich jetzt wieder dem Publikum zuwandte, zog er langsam das T-Shirt aus der Jeans und schob es immer höher.

Einige Frauen riefen: „Aus-zie-hen!“

Laura schluckte und sah wie gebannt auf die gebräunte Haut zwischen Nicks weißem Shirt und der engen Jeans.

Autor

Barbara Hannay
Die Kreativität war immer schon ein Teil von Barbara Hannays Leben: Als Kind erzählte sie ihren jüngeren Schwestern Geschichten und dachte sich Filmhandlungen aus, als Teenager verfasste sie Gedichte und Kurzgeschichten.
Auch für ihre vier Kinder schrieb sie und ermutigte sie stets dazu, ihren kreativen Neigungen nachzugehen.
Doch erst als...
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