Ich begehre dich noch immer

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Sie war seine erste große Liebe! Nie hat Mark Maxwell, der erfolgreiche Arzt, Emily vergessen können. Als er durch einen Zufall ein Foto von ihr in einer Zeitschrift sieht, weiß er, was er tun muss: noch einmal Emily sehen, um das Kapitel seines Lebens abzuschließen! Aufgeregt wie ein Teenager, fliegt er nach Kalifornien. Es kommt ihm vor, als sei er endlich zu Hause eingetroffen: Emily sehen - und erneut zu begehren, ist eins. Starke Gefühle, die offensichtlich erwidert werden! Sinnliche Nächte, Leidenschaft ganz ohne Tabus - Mark könnte eigentlich glücklich sein. Nur eins quält ihn nach wie vor: Warum hat sich Emily damals von ihm getrennt?


  • Erscheinungstag 05.06.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773496
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Endlich bin ich wieder zu Hause, dachte Mark Maxwell und setzte seine schwere Reisetasche ab. Er war wieder in Boston, nachdem er ein Jahr in Paris gelebt und gearbeitet hatte. Die Zeit dort war ihm sehr lang erschienen.

Das Forschungsprojekt, an dem er teilgenommen hatte, war eine faszinierende Herausforderung gewesen, und es wurde allgemein als große Ehre betrachtet, daran mitarbeiten zu dürfen. Das Problem war nur, dass sich die Vorstellungen seiner Landsleute von Paris als wahr erwiesen hatten. Wo immer er hingegangen war, es kam ihm vor, als wäre er von verliebten Paaren umzingelt.

Vielleicht wimmelte es in Boston genauso von Verliebten, aber wenn ja, dann war es ihm jedenfalls nie aufgefallen. In Paris wurde er andauernd damit konfrontiert. Obwohl er sich dafür verachtete, hatte er ständig an eine Zeit denken müssen, als er selbst verliebt gewesen war und sein Herz an ein Mädchen mit süßem Lächeln und strahlenden braunen Augen verloren hatte.

Sie hatten Pläne für eine gemeinsame Zukunft geschmiedet, stundenlang über das Haus geredet, in dem sie leben würden, über die Kinder, die sie sich wünschten, und darüber, wie glücklich sie zusammen sein würden.

Aber nichts davon hatte Bestand gehabt – jedenfalls nicht für Emily.

Sie hatte ihm das Herz gebrochen, sodass er voller Bitterkeit beschlossen hatte, sich nie wieder zu verlieben. Er hatte geglaubt, dass er diesen schmerzlichen Abschnitt seines Lebens hinter sich gelassen und vergessen hätte, was sie ihm einmal bedeutet und was sie ihm angetan hatte. Aber als er in Paris gewesen war, inmitten all der Paare, die Händchen haltend durch die Stadt schlenderten, waren die alten Erinnerungen wieder in ihm hochgekommen, hatten ihn gequält und ihm klar gemacht, dass er Emily weder vergessen noch ihr vergeben hatte.

Er durchquerte das Wohnzimmer und ging zur Küche. Für die Dauer seines Aufenthalts in Paris hatte er die Wohnung an seinen Freund Eric vermietet, einen frisch geschiedenen Arzt, der in einem Krankenhaus arbeitete. Eric hatte Mark neulich am Telefon gesagt, dass er vor seiner Rückkehr den Kühlschrank füllen würde. Und er hatte auch die Zeitschriften und die übrige Post, die während Marks Abwesenheit angekommen war, in einen Karton gepackt und in eine Ecke der Küche gestellt.

Mark schlug vier Eier in eine Pfanne, fügte geriebenen Käse und gewürfelten Schinken hinzu, atmete den köstlichen Duft ein und füllte dann einen Teller mit seinem Omelett und trug ihn zum Küchentisch. Er goss sich ein Glas Milch ein, setzte sich und schob sich genüsslich den ersten Bissen in den Mund.

Oh ja, dachte er, nachdem er sich satt gegessen hatte, jetzt noch ein paar Stunden Schlaf, und ich werde wieder der gleiche alte Dr. Mark Maxwell sein, der Boston vor einem Jahr verlassen hat.

Ganz unbewusst runzelte er die Stirn und blickte nachdenklich kauend vor sich hin. Der gleiche alte Dr. Mark Maxwell, wiederholte er im Stillen. Dr. Mark Maxwell, der in den vergangenen vierzehn Jahren alles getan hatte, um eine ernsthafte Beziehung mit einer Frau zu vermeiden. Dr. Mark Maxwell, der sich in seine Arbeit vergräbt und im Alter von nur zweiunddreißig Jahren schon als Wunderkind in der medizinischen Forschung galt. Dr. Mark Maxwell, der hier in Boston genauso einsam war wie in Paris, der es sich aber erst in diesem Moment eingestand.

„Verdammt!“, murmelte er. Offenbar hatte die Erschöpfung nach dem Flug zur Folge, dass er sehr viel empfindlicher war als sonst. Schließlich war er nicht der einzige Mann auf der Welt, der über seine Arbeit sein Privatleben vernachlässigt hatte. Was das Berufliche anging, so hatten sich seine Hoffnungen und Träume über jede Erwartung hinaus verwirklicht, aber er musste zugeben, dass er emotional im Grunde immer noch der junge Mann von damals war – zutiefst verletzt, verbittert und wütend.

„Na, wunderbar.“ Mark schüttelte den Kopf. „Und was jetzt, Maxwell? Wie beabsichtigst du, dich von den Erinnerungen an die alte Geschichte zu befreien, die dich verfolgt wie ein Gespenst?“

Er hatte nicht die geringste Ahnung. Aber es würde ihm schon etwas einfallen, sobald er erst mal seinen Schlaf nachgeholt hatte. Schließlich hatte er nicht die Absicht, den Rest seines Lebens als einsamer Single zu verbringen – und alles nur wegen dieser Frau, die ihn so tief verletzt hatte. Nein, davon durfte er sich in Zukunft auf keinen Fall beeinflussen lassen.

„Darüber denke ich später nach“, sagte er leise zu sich selbst und stand müde auf. Im Augenblick war er nicht einmal in der Lage, geradeaus zu gucken, geschweige denn einen Weg aus seiner Misere zu finden. Er nahm sich die Zeitschrift, die zuoberst im Karton in der Ecke der Küche lag, und sah sich die Titelseite an.

„Quer durch die USA“ stand da. Er setzte sich wieder und blätterte lustlos weiter. Plötzlich hielt er inne, jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an, während er die Schlagzeile las:

Märchenhochzeit in Ventura, Kalifornien – zwei Cousinen aus bürgerlicher Familie heiraten in königliche Familie ein.

Marks Herz klopfte heftig. Auf einem Farbfoto war eine große Zahl von Leuten zu sehen, die der Bildtext als die Familien der Brautleute identifizierte, die königliche von der Insel Wilshire und die bürgerliche Familie aus Ventura.

Und da war Emily.

Sie stand genau in der Reihe hinter den beiden Hochzeitspaaren. Es war eindeutig sie.

Mark stand so abrupt auf, dass der Stuhl auf den Boden krachte. Aber Mark hörte es nicht. Sein Blick ruhte wie gebannt auf dem Foto.

Wie seltsam, dachte er. Es ist richtig unheimlich. Hier versuche ich, mit den Problemen fertig zu werden, die ich ihretwegen habe, und jetzt starrt sie mich aus diesem Foto an?

Reiß dich zusammen, sagte er sich, hob den Stuhl auf und setzte sich wieder. Vielleicht war es doch nicht so seltsam. Vielleicht war es eine Art Zeichen, das ihm sagen wollte, er könnte sich nur dann von ihr lösen, wenn er sie ein letztes Mal wiedersah. Dann würde er es endlich schaffen, eine Frau zu finden und sein Leben mit Liebe und Gelächter, einem Zuhause und Kindern zu füllen und die Kälte der Einsamkeit zu vertreiben.

Er würde es noch einmal überschlafen, aber wenn sein Einfall ihm immer noch so gut vorkam, wenn er morgen früh ausgeruht aufwachte, dann würde er nach Ventura reisen, komme, was wolle. Er würde ans andere Ende der Staaten fahren und sein Herz von ihr zurückverlangen, denn irgendwie hatte sie es geschafft, es all die Jahre zu behalten.

Mark sah sich noch einmal das Foto an. Er konnte nicht den Blick losreißen von ihrem Lächeln, das ihm auch nach all den Jahren nur allzu vertraut war, dem blonden Haar, den großen braunen Augen, den sinnlichen Lippen, die schmeckten wie süßer Nektar.

Sie ist verdammt schön, dachte er fast ärgerlich. Sie war eine erwachsene Frau und kein junges Mädchen mehr. Sicher, sie hatte im Lauf der Jahre ein bisschen zugenommen, aber es stand ihr gut. Sie war unglaublich schön und …

Er knallte die Zeitschrift auf den Tisch und wies mit dem Finger auf ihr Bild. „Du wirst sehr bald Besuch bekommen“, sagte er mit rauer Stimme. „Es ist Zeit, deine Schulden zu bezahlen, Emily MacAllister.“

„Grandma“, rief Emily MacAllister, als sie die von Sonnenlicht durchflutete Küche betrat, „ich habe die Blumen mitgebracht, wie versprochen, und sie sind wunderschön. Sie werden dir gefallen. Du kannst auf der Terrasse sitzen und mich beaufsichtigen, während ich sie einpflanze. Grandma, wo bist du?“

„Ich bin im Wohnzimmer, Liebes“, antwortete Margaret MacAllister.

Emily durchquerte das Esszimmer und betrat das Wohnzimmer. Sie begrüßte ihre Großmutter mit einem liebevollen Lächeln. Dann blieb sie abrupt stehen und spürte, wie sie blass wurde. Sekundenlang stockte ihr der Atem, und sie glaubte, das Herz würde ihr stehen bleiben.

In diesem Augenblick, wo sie den hochgewachsenen Mann ungläubig anstarrte, der sich erhob, als sie hereinkam, vergaß sie all die Jahre, die vergangenen waren, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Sie war nicht einunddreißig Jahre alt, sondern wieder achtzehn. Sie war keine erwachsene Frau mit ausgeprägten Kurven, sondern ein schlanker Teenager mit beneidenswerter Figur. Sie trug keine Sachen, die aussahen, als hätte sie sie sich von einer Stadtstreicherin ausgeliehen, sondern hatte eine moderne Designerjeans an, deren berühmter Markenname auf der Tasche über ihrem festen Po prangte.

Emily musste gegen einen plötzlichen Schwindelanfall ankämpfen, und sie suchte instinktiv Halt an einer Stuhllehne, während sich das Zimmer um sie zu drehen schien.

Das passiert nicht wirklich, sagte sie sich verzweifelt. Es ist ein Albtraum, und du wachst gleich auf, und der Tag wird normal wie immer weitergehen. Mark Maxwell stand nicht wirklich vor ihr und sah sie mit diesem seltsamen, schwer zu deutenden Ausdruck an. Nein, es war unmöglich.

„Ist das nicht eine schöne Überraschung, Emily?“, sagte Margaret vergnügt. „Mark ist gekommen, um uns nach all den Jahren zu besuchen.“

Nein, das ist er nicht, dachte Emily. Sie weigerte sich, die Realität zu akzeptieren. Warum klingelte nicht endlich der Wecker und befreite sie von dieser schrecklichen Situation? Nein, nein, nein. Mark Maxwell ist nicht hier.

„Hallo, Emily“, sagte Mark leise.

Es war kein Traum. Er war tatsächlich hier. Emily legte sich unwillkürlich die Hand auf die Stirn. Aber der Mann, der vor ihr stand, war nicht mehr der dünne, schlaksige, liebenswert zerstreute Mark Maxwell von einst. Dieser Mark war mindestens eins achtzig groß und hatte ein attraktives, männlich markantes Gesicht und breite Schultern.

Wo waren die vielen Kugelschreiber, die er immer in seine Hemdtaschen gestopft hatte? Wo waren die Haartolle und der niedliche kleine Wirbel auf seinem Kopf? Wo waren die Arme und Beine und riesigen Füße, die viel zu groß erschienen für seinen noch hageren Körper?

„Emily?“, sagte Margaret. „Willst du Mark nicht begrüßen? Ich weiß ja, dass ihr beide euch unter Umständen getrennt habt, die für uns Außenstehende ziemlich verwirrend waren, aber das ist doch so lange her, meine Liebe. Schnee von gestern, wie die jungen Leute sagen. Und du bist wirklich nicht sehr höflich.“

„Oh.“ Emily holte tief Luft, und erst jetzt wurde ihr klar, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. „Tut mir leid. Hallo, Mark. Warum, um alles in der Welt, bist du hierher gekommen?“

„Emily, um Himmels willen“, sagte Margaret. „Das ist sehr unhöflich. Bitte nimm es ihr nicht übel, Mark. Sie meint es nicht so.“

„Das macht nichts, Margaret“, erwiderte er. „Ich bin sicher, dass mein unangekündigtes Erscheinen ein ziemlicher Schock für Emily ist.“ Er konnte es kaum fassen, dass er wirklich hier war, nur wenige Meter von Emily entfernt.

Er betrachtete ihr seidig glänzendes blondes Haar, das er früher immer so gern gestreichelt hatte und das sie jetzt in Schulterlänge trug. Ihre schönen braunen Augen, die vor Belustigung funkeln konnten, sich in leidenschaftlichen Momenten verdunkelten oder glänzten, wenn sie sich vor Kummer oder Freude mit Tränen füllten.

Sie war angezogen wie ein wandelnder Ramschverkauf und wog mehr als früher. Außerdem schien sie keinen Hauch von Make-up zu tragen, und eine ihrer Zehen lugte doch tatsächlich durch ein Loch ihrer uralten Tennisschuhe.

Hier war sie also, seine Emily. Und in seinen Augen war sie wunderschön.

Mark wäre am liebsten sofort zu ihr gegangen, um sie in die Arme zu nehmen und sie zu küssen, bis sie …

Nimm dich zusammen, Maxwell, ermahnte er sich streng. Hier ging es schließlich um Emily MacAllister, die trotz allem, was geschehen war, sein Herz gefangen hielt, und er war hier, um sich von ihr zu lösen, und nicht, um sie zu küssen. Das durfte er nicht vergessen.

„Mark war ein Jahr in Paris, Emily, und ist gerade erst zurückgekommen“, sagte Margaret. „Er gehörte dort zu einem sorgfältig ausgewählten Forscherteam. Sein Posten in Boston wurde inzwischen mit einem anderen Arzt besetzt, aber bevor er sich entscheidet, wo er als Nächstes hingeht, hat er sich erst einmal einen wohlverdienten Urlaub genommen. Und so schaut er also auch kurz hier in Ventura vorbei, um Hallo zu sagen. Ist das nicht nett?“

„Netter, als ich ausdrücken kann“, meinte Emily ironisch, ging um den Stuhl herum, an den sie sich immer noch klammerte, und ließ sich darauf sinken, weil ihre zitternden Beine sich weigerten, sie noch eine Sekunde länger zu tragen.

Mark setzte sich wieder auf das Sofa und schlug die Beine übereinander. Emilys Blick wurde wie magnetisch vom Spiel seiner Muskeln unter dem dünnen Stoff seiner Hose angezogen. Sie blinzelte, wandte hastig den Blick ab und betrachtete stattdessen ihre Fingernägel, als hätte sie noch nie etwas Interessanteres gesehen.

„Es gibt mehrere Gründe, weswegen ich nach Ventura gekommen bin, Margaret“, sagte Mark. „Einer davon ist, weil ich mich bei dir und Robert dafür entschuldigen möchte, dass ich nicht in Kontakt mit euch geblieben bin. Eine Weihnachtskarte jedes Jahr reicht nicht. Wenn ihr mich nicht bei euch aufgenommen hättet, als mein Vater bei dem Unfall ums Leben kam, hätte man mich ins Waisenhaus gesteckt. Ich schulde euch sehr viel, und ich habe meine Dankbarkeit nicht genug zum Ausdruck gebracht, das weiß ich.“

„Wir haben dich sehr gern in unsere Familie aufgenommen“, sagte Margaret leise. „Selbst wenn wir geahnt hätten, was zwischen dir und …“

„Grandma“, unterbrach Emily sie, „lass uns keine alte Geschichten aufwärmen, okay?“ Sie sah Mark an. „Du hast gesagt, es gibt noch andere Gründe für deinen Besuch in Ventura?“

Mark nickte. Emily wartete darauf, dass er fortfuhr, aber Sekunden vergingen, und er schien nicht vorzuhaben, auf ihre unausgesprochene Frage zu reagieren.

„Ist das eine Art Ratespiel?“, sagte sie schließlich und runzelte die Stirn. „Hast du die Absicht, uns diesen anderen Grund zu verraten, oder nicht?“

„Alles zu seiner Zeit.“ Mark machte eine kurze Pause. „Margaret sagte mir, du hast einen sehr anspruchsvollen Beruf und dass du kürzlich in ein Büro in der Stadt umziehen musstest. Wie ich höre, erforschst du die Geschichte alter Häuser. Wie faszinierend! Und du arbeitest außerdem noch für die Restaurierungsabteilung von MacAllister Architects, damit sie alte Gebäude auf eine Weise restaurieren können, die ihnen die Anerkennung durch die hiesige Historische Gesellschaft einbringt. Außerdem genießt du an der ganzen Westküste den Ruf, zu den Besten deines Fachs zu gehören.“

Emily warf ihrer Großmutter einen tadelnden Blick zu. „Hast du auch nicht vergessen, ihm zu sagen, dass ich mir morgens nach dem Aufwachen die Zähne putze und es vor dem Zubettgehen wiederhole, Grandma?“

Margaret lachte. „Sei nicht albern, mein Kind. Mark hat mich gefragt, was du so tust, und ich habe ihm geantwortet. Eine stolze Großmutter wird doch wohl noch prahlen dürfen. Wir haben nicht nur ein Recht darauf, es ist sogar unsere Pflicht. Wir waren schon zu einem anderen Thema übergegangen, zu der aufregenden Tatsache, dass Maggie und Alice geheiratet haben und jetzt auf der Insel Wilshire leben.“

„Ein gutes Thema“, meinte Emily mit einem Anflug von Ironie. „Es geht doch nichts über ein, zwei Märchenhochzeiten, um ein wenig Schwung in den Alltag zu bringen. Jessica hat auch geheiratet. Sie ist eine erfolgreiche Anwältin geworden und ist wahnsinnig in einen Polizisten namens Daniel verliebt, der eine kleine Tochter hat. Wir MacAllisters verbringen sehr viel Zeit auf Hochzeiten, wie es scheint …“

„Aber du hast nicht geheiratet?“, unterbrach Mark sie.

„Ich?“ Sie legte eine Hand an ihren Hals, als wollte sie ihren Puls beruhigen, der sich plötzlich dramatisch beschleunigt hatte. „Ach, Himmel, nein. Als ich jung und unreif und naiv war, da dachte ich noch, dass mir so ein Leben gefallen würde. Aber dann ist mir klar geworden, dass die Ehe nichts für mich ist.“

Sie lächelte, und hoffte, Gelassenheit auszustrahlen, obwohl sie total durcheinander war. „Na ja, das weißt du ja alles, weil wir beide unzertrennlich waren vom Tag an, als du nach Ventura gezogen bist und bevor du nach Boston verschwunden bist, um reich und berühmt zu werden. Wie albern wir doch waren, zu glauben, dass wir ineinander … Na ja, wir waren noch so jung und dumm, nicht wahr? Egal, genug von dem Thema.“

Was sie sagte, traf ihn mitten ins Herz. Emilys Worte waren wie ein Echo dessen, was sie ihm in jenem Brief vor so vielen Jahren geschrieben hatte. Sein erster Impuls damals war gewesen, sich gleich in die nächste Maschine nach Kalifornien zu setzen und nach Ventura zu fahren, um Emily zur Rede zu stellen. Sie sollte ihm in die Augen sehen und wiederholen, was in ihrem Brief gestanden hatte. Aber er hatte kaum genug Geld zum Leben gehabt, geschweige denn für ein Flugticket. Und außerdem hatte Emily in dem Brief ausdrücklich betont, dass zwischen ihnen alles aus war. Was hätte es also für einen Sinn gehabt, mit ihr darüber zu reden?

Und jetzt saß er über ein Dutzend Jahre später mit ihr zusammen im selben Raum, und sie brachte es wirklich übers Herz, ihm diesen Unsinn ins Gesicht zu sagen. Und es tat immer noch weh. Sehr viel mehr, als er es für möglich gehalten hätte.

Andererseits würde er den Zweck seines Besuchs bald erfüllt haben. Schon bei ihrer ersten Begegnung an seinem ersten Tag in Ventura lieferte Emily ihm die Gründe, die er brauchte, um sich endgültig von ihr zu lösen.

Und trotzdem …

Was sie gerade gesagt hatte, ergab keinen Sinn. Sie ließ es so aussehen, als wären sie beide übereingekommen, dass ihre Gefühle füreinander sich verändert hatten. Was ganz und gar nicht zutraf. Er war mit dem aufrichtigen Versprechen fortgegangen, Emily nachkommen zu lassen, sobald er sich eine Unterkunft für sie beide leisten konnte, während er sich auf dem College mit einem äußerst knapp bemessenen Stipendium durchschlug. Und Emily hatte geschworen, auf ihn zu warten, wie lange es auch dauern mochte, aber nur einen Monat später war der vernichtende Brief angekommen, und …

„Hallo, ihr da drin!“, rief jemand und riss Mark aus seinen Gedanken. „Ich bin herbestellt worden, um im Garten zu helfen.“

Emily sprang abrupt auf. „Das geht nicht. Nicht heute. Entschuldige, Grandma, aber ich habe wahnsinnige Kopfschmerzen. Lass es uns morgen machen, okay? Ich gehe nur kurz und sage dem Jungen Bescheid. Auf Wiedersehen, Mark. Genieß deinen Urlaub hier.“

In diesem Moment wurde die Haustür geöffnet, und ein Junge kam ins Wohnzimmer geschlendert.

„Oh, lieber Himmel!“, flüsterte Emily. „Bitte nicht.“

„Hi“, sagte der Junge. „Habt ihr mich nicht rufen hören? Ich bin gleich mit meinem Fahrrad hergefahren, als ich vom Schwimmen nach Hause kam und deine Nachricht gelesen hab, Mom. Hi, Grandma. Wir werden Erde schaufeln und Blumen einpflanzen, bis wir nicht mehr können.“ Erst jetzt bemerkte er den hochgewachsenen Mann, der gerade langsam aufstand. „Oh, hi. Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass ihr Besuch habt.“ Er sah seine Mutter fragend an.

„Nun ja …“, stammelte Emily atemlos. „Mark Maxwell, das ist …“ Sie holte zitternd Luft. „Das ist mein Sohn Trevor. Trevor, das ist Dr. Mark Maxwell, ein alter Schulfreund von mir.“

„Stark“, erwiderte Trevor. „Hi.“

„Du bist Emilys Sohn?“, fragte Mark mit einer Stimme, die ihm selbst ganz fremd vorkam.

„Klar. Ihr genialer Sprössling. Haben Sie gesehen, dass ich jetzt schon größer bin als sie? Klasse, was?“

„Oh ja“, antwortete Mark automatisch. „Wie alt bist du, Trevor?“

Verrat es ihm nicht, dachte Emily verzweifelt und ging unwillkürlich einen Schritt auf Trevor zu.

„Das musste ja einmal kommen“, flüsterte Margaret.

„Ich bin fast dreizehn“, erwiderte Trevor eifrig.

Der Junge sieht genauso aus wie ich in seinem Alter, schoss es Mark durch den Kopf. Lang, schlaksig, mit großen Füßen, die durch die klobigen Turnschuhe betont wurden. Arme und Beine erschienen zu lang für seinen Körper. Er hatte braune Augen und hellbraunes Haar, das auf dem Scheitel einen widerspenstigen Wirbel bildete.

Marks Gedanken rasten. Das war Emilys Sohn? Mark konnte es nicht fassen. Er bezweifelte natürlich nicht, dass sie diesen Jungen zur Welt gebracht hatte, aber er war nicht nur ihr Sohn, Himmel noch mal!

Mark war sich absolut sicher, dass nur er Trevors Vater sein konnte.

2. KAPITEL

Kurz nach zehn Uhr an diesem Abend stand Emily vor dem hohen Spiegel an der Innenseite ihrer Schlafzimmertür und seufzte, während sie ihr Spiegelbild betrachtete.

Herrje, dachte sie düster. In ihrer Jeans und der weiten Bluse, die sie trug, kam sie sich schrecklich unattraktiv vor. Sicher, sie hatte sich das Haar gewaschen, und das leichte Make-up betonte ihre schönen braunen Augen, das sozusagen das Markenzeichen der MacAllisters war, aber nichts konnte die Tatsache verbergen, dass sie zehn Kilo zu viel auf die Waage brachte.

Emily war stolz darauf, dass sie in den vergangenen Monaten fünfzehn Kilo verloren hatte, aber die zehn restlichen überflüssigen Kilos schienen wie Sandsäcke um Schenkel, Bauch und Po zu liegen, und sie fand, dass sie ein ausgesprochenes Mondgesicht hatte.

„Mist!“, schimpfte sie, ging aus dem Schlafzimmer und drückte heftiger auf den Lichtschalter als nötig. Sie ging den Flur in das kleine Wohnzimmer hinunter. Trevors Stereoanlage war schon seit einer ganzen Weile nicht mehr zu hören, und es schien kein Licht mehr unter der Tür durch.

Und jetzt würde Mark bald an die Tür klopfen. Emily ließ sich bedrückt auf das Sofa sinken. Man brauchte weder in den Karten zu lesen oder in eine Kristallkugel zu blicken, um zu wissen, dass er sehr bald auf ihrer Schwelle stehen würde – gleich nachdem er sicher sein konnte, dass Trevor im Bett lag und fest schlief.

Sie hatte den Ausdruck auf Marks Gesicht gesehen, als er Trevor am Nachmittag ungläubig angestarrt hatte, sein absolutes Ebenbild, als er im gleichen Alter gewesen war. Emily erschauerte. Sie schlang die Arme um sich, rutschte zum Rand des Sofas und beugte sich leicht vor.

Sie fühlte sich so seltsam, als wäre sie gar nicht in ihrem Wohnzimmer, sondern irgendwo in einem Kino und verfolgte das Geschehen auf der Leinwand. Die ganze Geschichte begann mit einem hübschen, schlanken Mädchen und einem intelligenten, linkischen Jungen. Sie waren unsterblich ineinander verliebt und zeugten gemeinsam ein Kind, von dem der Held der Geschichte nichts wusste.

Dann schnelles Vorspulen zur Gegenwart und zum zweiten Akt. Der Held war jetzt ein erfolgreicher und hoch angesehener Arzt in der Welt der medizinischen Forschung und die Heldin eine dicke, unattraktive Frau, die mit der Kraft der Verzweiflung um einen letzten Rest Selbstachtung kämpfte.

Was war mit ihrer Liebe geschehen?

Ein Teil ihres Herzens würde immer Mark Maxwell gehören, der Ventura verlassen hatte, um seine Träume zu verwirklichen – ihrem Mark, der so ernst gewesen war und so entschlossen, seine Ziele zu erreichen, weil er ihr ein Leben bieten wollte, das sie seiner Meinung nach gewöhnt war, weil sie aus einer wohlhabenden Familie stammte.

Autor

Joan Elliott Pickart
Joan Elliott Pickart ist eine berühmte amerikanische Schriftstellerin, die seit 1984 über 100 Liebesromane veröffentlicht hat. Sie schreibt auch unter dem Pseudonym Robin Elliott. Joan Elliott Pickart ist Mitbegründerin der Autorenvereinigung Prescott, einem Mitglied der Romance Writers of America (RWA).
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