Im süßen Rausch der Leidenschaft

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Eine romantische Beziehung kommt für den vermögenden Mailänder Investor Vincenzo Giansante nicht mehr infrage – die Frauen wollen nur sein Geld! Als er bei einer Party in einem Londoner Luxushotel die schöne Siena trifft, verführt er sie zu einer einzigen rauschhaften Nacht der Lust – ohne zu verraten, wer er ist! Trotzdem muss er wenig später fürchten, erneut auf eine skrupellose Mitgiftjägerin hereingefallen zu sein. Überraschend taucht Siena in seinem Büro auf und behauptet, sein Kind unter dem Herzen zu tragen. Jäh steht sein Leben kopf …


  • Erscheinungstag 05.08.2025
  • Bandnummer 2713
  • ISBN / Artikelnummer 0800252713
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

Julia James

Im süßen Rausch der Leidenschaft

1. KAPITEL

Vincenzo Giansante stand am Bett und blickte auf die Frau, die darin schlief. Er wollte sie nicht aufwecken.

Doch es musste sein.

Einen Moment gönnte er sich jedoch noch. Die Decke war verrutscht und gab den Blick auf ihren perfekt geformten, nackten Rücken frei. Sie lag auf dem Bauch, eine Hand an ihrem langen, schlanken Hals, der andere Arm ausgestreckt auf der leeren Seite des Bettes. Ihr langes, dunkles Haar breitete sich wie ein Fächer auf dem Kopfkissen aus, und ihr Gesicht war dorthin gewandt, wo er vorhin noch gelegen hatte.

Er verzog keine Miene, doch seine Gedanken rasten. Hatte er das letzte Nacht wirklich getan? Der Beweis lag jedenfalls vor ihm in dem gedämpften Licht, das durch den Vorhang in sein Hotelzimmer fiel. Ein Strahl drang auch aus dem Bad ein. Sie war nicht aufgewacht, als er geduscht und sich angezogen hatte. Kein Wunder, denn in der Nacht hatte sie nicht viel Schlaf abbekommen …

Er versuchte, nicht daran zu denken. Daran, wie er ihr langsam das kurze, eng anliegende Kleid ausgezogen hatte, das sich an ihren perfekten Körper schmiegte … Wie er ihre herrlichen Brüste aus dem BH befreit und sie umfasst hatte, wie sie sich an ihn gepresst, ihm die Arme um den Hals gelegt und ihn geküsst hatte …

Zu Vincenzos Verdruss spürte er, wie die Erinnerung ihn körperlich packte, sodass er der Frau am liebsten durch das seidige, dichte Haar gefahren wäre und sich wieder neben sie gelegt und ihren weichen Körper an sich gezogen hätte, um noch einmal all das zu nehmen, was sie ihm letzte Nacht gegeben hatte … und was sie beide so sehr genossen hatten.

Aber das war unmöglich – und wäre auch nicht besonders klug gewesen.

Wie konnte es nur sein, dass er gestern Abend so schwach geworden war? Was hatte sie an sich, dass sie ihm auf der Party sofort aufgefallen war, die unten im Hotel stattgefunden hatte, wenn er doch ausschließlich zum Netzwerken nach London gekommen war?

Was immer es auch war, die Verlockung, die von diesen weit auseinanderstehenden meerblauen Augen mit den langen Wimpern ausging, war so groß gewesen, dass er sie immer wieder hatte ansehen müssen. Trotz der feinen Knochenstruktur ihres Gesichts hatte sie auffallend hohe Wangenknochen und einen üppigen, schön geschwungenen Mund. Ihr Köper war zwar schlank, aber ungemein kurvenreich. Das kurze, eng anliegende Kleid war tief ausgeschnitten, und ihre langen Beine wurden durch die Stilettos noch betont, sodass sie es mit seinem Körpermaß von ein Meter fünfundachtzig beinahe hatte aufnehmen können.

Was immer es gewesen war und warum er auch immer beschlossen hatte, die Nacht mit ihr zu genießen – und ein Genuss war es gewesen –, war es an der Zeit, das Ganze zu beenden.

Er streckte eine Hand aus und berührte sie leicht an der nackten Schulter. Sie rührte sich nicht, und so sagte er ihren Namen.

„Siena …“

Ihr Name war es gewesen, der sie nach dem ersten Wortwechsel hatte ins Gespräch kommen lassen, nachdem er innerhalb von nur einer Sekunde entschieden hatte, sich auf sie einzulassen. Es sich zu gönnen, mit ihr zu reden und ihren Anblick zu genießen. So wie sie es mit ihm tat. Er hatte es sofort bemerkt – wie ihre Augen sich geweitet und ihre Wangen sich gerötet hatten, wie sie ganz leicht den Mund geöffnet hatte und ihr Atem schneller gegangen war. An diesen Signalen hatte er erkannt, dass sie genauso auf ihn reagierte wie er auf sie.

Ihre darauffolgende Unterhaltung war nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Siena, die Stadt in der Toskana, nach der sie benannt worden war, hatte als Überleitung zu seiner Herkunft aus Italien gedient und zu dem Grund, aus dem er in London war. Themen, die es ihnen erlaubten, das eigentliche Ziel des Gesprächs zu verfolgen. Nämlich, dass er sie nach angemessener Zeit fragen konnte, ob sie unbedingt auf dieser Party bleiben wollte oder mit ihm im Hotelrestaurant zu Abend essen würde, damit sie ihre Bekanntschaft in aller Ruhe vertiefen konnten. Und das würde nur zu einem führen – wie sie beide gewusst hatten.

Das Falcone-Restaurant lag auf der anderen Seite der Lobby. Sie war mit ihm gegangen – warum auch nicht? –, und da war die Entscheidung gefallen.

Und jetzt …?

Jetzt musste er eine andere Entscheidung treffen. Obwohl … getroffen hatte er sie schon, jetzt musste er sie nur noch umsetzen. Ohne zu zögern, ohne noch einmal darüber nachzudenken.

Und ohne jede Reue.

Reue konnte er sich nicht leisten – und geleistet hatte er sich auch schon genug. Es war Zeit, hart zu sein, auch gegen sich selbst.

„Siena?“ Dieses Mal sprach er lauter.

Sie rührte sich, hob verschlafen den Kopf und sah ihn an. Das üppige Haar fiel ihr über die nackten Schultern, als sie sich auf einen Ellbogen stützte.

„Ich muss jetzt los“, sagte er kühl und sachlich. „Für dich besteht jedoch kein Grund zur Eile. Bestelle dir Frühstück, wenn du möchtest. Es geht aufs Zimmer.“

Er wartete keine Antwort ab, wollte sie gar nicht hören. Was er wollte, war, mit der Arbeit zu beginnen. Sein Terminkalender war voll.

Ohne besondere Eile verließ er sein Hotelzimmer. Er würde auch die kommende Nacht hier verbringen, aber erst spät zurückkehren. Morgen würde er dann nach Hause nach Mailand fliegen.

Und die letzte Nacht würde der Vergangenheit angehören.

Siena ließ den Kopf wieder in das Kissen sinken. Ihr war plötzlich kalt, doch sie zog die Bettdecke nicht hoch.

Sie starrte ins Leere.

Ihr war bewusst, dass ihr Herz laut hämmerte.

Ihr war bewusst, dass sie nackt war.

Dass sie die Nacht mit einem Mann verbracht hatte, den sie erst gestern Abend kennengelernt hatte. Sie war sich so vieler Dinge bewusst …

Plötzlich wurde ihr heiß.

Lieber Gott, hatte sie das alles wirklich getan?

Sie ließ den Blick durch das Hotelzimmer wandern. Die Einrichtung war luxuriös. Aber schließlich war das hier das Mayfair Falcone, wie sollte es also sonst sein. So elegant und erlesen wie das Restaurant, in dem sie gegessen hatten, mit seinem berühmten Küchenchef und den schwindelerregenden Preisen. Genauso elegant wie die schicke Party in einem der luxuriösen Veranstaltungsräume des Hotels, zu der ihre alte Schulfreundin Megan, bei der sie gerade wohnte, sie geschleppt hatte. Megan hatte darauf bestanden, dass sie nach dem, was sie durchgemacht hatte, etwas Spaß und Abwechslung gebrauchen konnte. Und darauf, dass sie sich so glamourös zurechtmachte,wie es der Veranstaltungsort selbst war.

Megan hatte ihr eines ihrer Designercocktailkleider geliehen. Es war aus malvenfarbener changierender Seide und Sie-na eigentlich eine Nummer zu klein, doch Megan fand, es sähe total sexy aus. Sie hatte Siena das Haar frisiert, die Nägel lackiert und sie geschminkt – sehr viel auffälliger, als sie es jemals selbst getan hätte. Dann hatte sie ihr ein Paar Stilettos mit endlos hohen Absätzen und ein Handtäschchen aus Satin gegeben und sie schließlich in ein Taxi geschoben, das sie beide von Megans Wohnung in Notting Hill zum Falcone in Mayfair bringen sollte.

„Die Party ist halb Arbeit, halb Vergnügen“, hatte Megan, die in führender Position für eine PR-Firma arbeitete und jetzt ebenfalls umwerfend zurechtgemacht war, erklärt. „Und damit genau das, was du nach diesen letzten harten Jahren brauchst. Du hattest dein Leben auf Eis gelegt – und ja, ich weiß, warum du es getan hast –, aber jetzt nimmst du es wieder auf. Im Herbst gehst du auf die Kunsthochschule – endlich! So wie du es dir immer erträumt hast. Die Party heute Abend ist ein guter Einstieg. Du hattest seit Jahren kein soziales Leben mehr!“ Im Taxi hatte sie Sienas Hand gedrückt, ihre Stimme hatte einfühlsam geklungen. „Also genieße es! Sei einmal jemand ganz anderes – lass dich gehen! Wer weiß, vielleicht lernst du ja jemanden kennen!“

Als Siena sich jetzt, ganz allein im Bett, zurücklehnte, fühlte sie eine Leere in sich, die die Hitze von vorhin vertrieb.

Vielleicht lernst du ja jemanden kennen ...

Megans Worte hallten in ihrem Kopf wider, und die Leere breitete sich weiter aus.

Sofort sah sie ihn vor sich. Genau wie gestern Abend, als sie sich gerade ein Glas Champagner von einem Tablett genommen hatte, mit dem ein Kellner durch den Saal ging, und Siena unabsichtlich von jemandem angerempelt und gegen einen anderen Gast gestoßen worden war. Sie hatte sich zu ihm umgedreht, um sich zu entschuldigen, doch dann hatte ihre Stimme versagt.

Sie hatte gespürt, wie ihre Augen sich weiteten, ihr Mund sich leicht öffnete und ihre Wangen heiß wurden.

Noch nie hatte sie einen so tödlich gut aussehenden Mann gesehen.

Er war groß gewachsen und trug wie jeder andere männliche Gast hier eine schwarze Krawatte. Außerstande, den Blick von ihm abzuwenden, hatte Siena sein dunkles Haar wahrgenommen, das schmale Gesicht mit der scharf geschnittenen Nase, den perfekt geformten Mund und Augen, die so dunkel und tief waren …

„Es … es tut mir leid.“ Sie hatte atemlos geklungen, weil alle Luft aus ihrer Lunge gewichen war.

Er hatte nicht sofort geantwortet. Dann: „Es ist nichts passiert.“

Sein Englisch war perfekt, doch war da ein ganz leichter Akzent, der ihr das Atmen noch schwerer machte.

Sie hatte versucht, sich von ihm wegzubewegen – vergeblich.

„Ganz schön voll hier, nicht wahr?“

Wieder dieser Akzent – sie stellte fest, dass dieser zu seiner mediterranen Bräune passte. Dieser Mann hatte etwas an sich – vielleicht war es der Schnitt seines Smokings oder seine Frisur oder einfach diese kosmopolitische Ausstrahlung ...

„Ja, das stimmt“, hatte sie lahm geantwortet.

„Drüben bei den französischen Fenstern ist mehr Platz.“

Danach war alles irgendwie verschwommen und doch glasklar in ihrer Erinnerung.

Sie hatten sich unterhalten, und irgendwann war sie mit ihm in das Hotelrestaurant gegangen, wobei sie sich bemüht hatte, sich mit den hohen Stilettos so anmutig wie möglich zu bewegen. Und dann, nachdem er sie zu Essen und Wein eingeladen hatte, war sie ihm auf sein Zimmer gefolgt …

Wie genau sie dorthin gekommen war, wusste sie nicht mehr … warum jedoch umso besser.

Siena spürte ihr Gesicht brennen, während ihr restlicher Körper immer kälter wurde.

Denn jemandem wie ihm war sie in ihren sechsundzwanzig Lebensjahren noch nie begegnet … Noch nie hatte sie einen Mann gesehen, der auch nur annähernd diese unmittelbare körperliche Wirkung auf sie hatte. Einen, der ihren Puls zum Rasen brachte, dafür sorgte, dass ihre Pupillen sich weiteten, ihr Atem stockte, weil sie sich sexuell so von ihm angezogen fühlte, außerstande, ihm zu widerstehen …

Das hatte sie auch nicht getan.

Sie hatte ihm nicht widerstanden.

Denn ich konnte es nicht. Er musste mich nur ansehen, mit diesen schweren Lidern und Augen, die mich zu verbrennen schienen, um mich komplett dahinschmelzen zu lassen …

Verlangen – das war es gewesen. Ein sinnlicher Rausch.

Wieder wurden ihre Wangen heiß bei der Erinnerung. Noch nie hatte sie so etwas wie vergangene Nacht getan – aber andererseits war sie auch noch nie einem Mann wie ihm begegnet. Einem Mann, der sie vollkommen in seinen Bann gezogen hatte. Sie viel zu hilflos gemacht hatte, als dass sie ihm hätte widerstehen können.

Widerstandskraft war das Letzte gewesen, das sie sich hatte auferlegen wollen. Stattdessen hatte sie alles genommen, was er ihr so gekonnt und verführerisch gegeben hatte, von dem ersten sinnlichen Kuss bis hin zu dieser hungrigen, beinahe unerträglichen Ekstase, die sie durchflutet hatte, als ihre Körper miteinander verschmolzen waren, als Welle um Welle durch sie hindurchgejagt war, sie sich unter ihm aufgebäumt, den Kopf in den Nacken geworfen und aufgeschrien hatte …

Wieder und wieder und wieder …

Die ganze Nacht lang.

Und jetzt …

Statt Hitze spürte sie jetzt nur noch Kälte in sich, und zwar nicht nur körperlich.

Er war gegangen.

Nach ihrer gemeinsamen Nacht – nach dieser gemeinsamen Nacht – war er einfach … gegangen.

Die Kälte in Siena verwandelte sich in Eis.

2. KAPITEL

Sechs Wochen später

Siena sog scharf die Luft ein. Sie nahm all ihren Mut zusammen und betrat den Aufzug, der sie zu dem einen Mann weltweit bringen würde, den sie nie wiedersehen wollte.

Vincenzo Giansante.

Megan begriff einfach nicht, warum Siena nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte und hatte sie nur verständnislos angesehen.

„Natürlich musst du es ihm sagen! Ich habe ihn gegoogelt – er ist steinreich! Ein supererfolgreicher Investor!“

Doch um Geld ging es Siena gar nicht. Im Gegenteil. Nichts konnte ihr gleichgültiger sein. Der einzige Grund, aus dem sie es ihm sagen musste – ob es ihr nun gefiel oder nicht – war, dass er ein Recht darauf hatte, es zu erfahren.

Ausschließlich deshalb war sie nun hier, in diesem eleganten Bürogebäude, das Vincenzo nutzte, wenn er in London war.

Das hatte Megan mithilfe ihrer PR-Kontakte herausgefunden und auch, dass er diese Woche in London sein würde. Sie hatte sogar ganz unverfroren im Büro angerufen, um sicherzugehen, dass er sich heute Nachmittag dort aufhielt. Einen Termin hatte sie allerdings nicht vereinbart, weil sie befürchtete, dass Vincenzo eine Begegnung verweigern würde.

„Er wird glauben, dass du hinter ihm her bist. Und er hat ja ziemlich deutlich gemacht, dass er nichts mehr von dir wissen will.“

Siena verzog den Mund. Oh ja, das hatte Vincenzo Giansante, als er sie im Hotelzimmer einfach hatte sitzen lassen.

Jetzt aber würden sie sich wiedersehen – damit sie ihm mitteilen konnte, was sie selbst kaum glauben mochte, seit sie den blauen Strich auf dem Teststreifen gesehen hatte.

Er hat das Recht, es zu erfahren, ob es mir gefällt oder nicht.

Der Aufzug kam mit einem Ruck zum Stehen, die Türen glitten auf. Am liebsten wäre Siena wieder nach unten gefahren, doch sie stählte sich und trat in den Flur.

Vincenzo beendete das Telefonat und ging das Gespräch über eine mögliche Investition noch einmal im Geiste durch. Ja, er würde es tun. Er würde zusagen.

Er sah in seinen Terminkalender, der prall gefüllt war, weil er aus seiner Zeit in London so viel herausholen wollte wie möglich.

Dieses Mal wohnte er nicht im Falcone, sondern in einem Hotel am Piccadilly. Und dieses Mal würde er auch nicht auf eine Party gehen, nicht einmal zum Netzwerken. Und ganz sicher würde er nicht dasselbe tun wie bei seinem letzten Aufenthalt in der Stadt – etwas, das er davor noch nie getan hatte. Er würde die Nacht nicht mit einer Frau verbringen, die er gerade erst kennengelernt hatte.

Einen Moment lang stieg die Erinnerung an die rauschhafte Nacht in ihm auf – heiß und erregend –, doch schnell schob er sie beiseite.

Er war gegangen und hatte alles hinter sich gelassen.

Es war vorbei. Vergangenheit.

Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die vor ihm liegenden Termine. Der nächste begann in zwanzig Minuten. Zeit genug, sich den entsprechenden Ordner vorzunehmen und die wichtigsten Punkte vorzubereiten.

Gerade als er den Deckel aufschlagen wollte, klingelte sein Telefon.

„Ja?“, fragte er ungeduldig in den Hörer.

Als seine persönliche Assistentin ihm sagte, wer mit ihm sprechen wollte, versteinerte sich seine Miene.

Siena wollte sich umdrehen und weglaufen, doch erneut widerstand sie diesem Drang. Die Frau im Vorzimmer, gekleidet mit einem maßgeschneiderten Kostüm und mit perfekt sitzenden Haaren, hatte äußerst unwillig auf ihre Bitte reagiert. Signor Giansante empfing niemanden ohne vorherige Terminvereinbarung, hatte sie ungnädig erklärt. Und schon gar keine Frau, die Rock und Oberteil von der Stange trug, ungeschminkt war und das Haar zu einem schlichten Knoten festgesteckt hatte, sagte ihr Blick. Doch Siena blieb beharrlich.

„Bitte lassen Sie ihn wissen, dass ich hier bin.“

Dass die Assistentin nicht die Augen verdrehte, war alles, doch sie kam Sienas Bitte nach und teilte ihr widerstrebend mit, dass sie Vincenzos Büro betreten könne.

Und das tat Siena.

Ihr Brustkorb war so eng, dass sie kaum Luft bekam.

Vincenzo ließ den Blick auf ihr ruhen. Auch wenn er es äußerlich nicht preisgab, reagierte er auf Siena. Auf mehrere Arten. Zuerst war da der Gedanke, dass, wäre ihr Name nicht so ungewöhnlich, er überhaupt nicht gewusst hätte, wer zu ihm wollte. Und zweitens war da das Bewusstsein, wie stark er reagiert hatte, als seine Assistentin ihm gesagt hatte, wer mit ihm sprechen wollte.

Als Siena auf ihn zutrat, erhob er sich.

„Wie unerwartet“, sagte er.

Es war eine Feststellung, mehr nicht.

Sie blieb vor seinem Schreibtisch stehen, und er nahm wieder Platz. Er forderte sie nicht auf, sich ebenfalls zu setzen, denn er wollte nicht, dass dieser … Besuch länger dauerte als unbedingt nötig.

Hat sie es nicht begriffen, als ich an jenem Morgen so schnell gegangen bin? Ich habe kein Interesse an einer Beziehung mit ihr.

Denn deshalb war sie hier – das war sicher. Das war es immer. Seit er angefangen hatte, Geld zu verdienen – viel Geld –, war er die Zielscheibe von Frauen, die sich wünschten, dass er es für sie ausgab.

So wie sie seinen Vater zur Zielscheibe gemacht hatten, um ihn auszusaugen.

Bei dem Gedanken an seinen glücklosen Vater, der nichts anderes gewollt hatte, als noch einmal die Liebe zu finden, nachdem seine Frau gestorben war, stieg die alte, wohlbekannte Wut in Vincenzo auf. Bis zum Ende war sein Vater leichte Beute gewesen. Ein Ende, das mittlerweile fünfzehn Jahre zurücklag. Zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters hatte Vincenzo gerade mit dem Studium begonnen, nachdem er seine gesamte Jugend über zugesehen hatte, wie eine Frau nach der anderen seinen Vater ausgebeutet hatte, bis es einer endlich gelungen war, ihm das Ja-Wort abzuluchsen – und vieles mehr.

Vincenzo selber hatte nichts bekommen. Er hatte ganz von vorne anfangen müssen und sein eigenes Unternehmen gegründet, sein eigenes Geld verdient. Geld, das keine dieser gierigen Goldgräberinnen je in die Finger bekommen würde.

Unter keinen Umständen.

Sein Blick ruhte noch immer auf der Frau, die vor ihm stand. Sie hätte der aus dem Falcone an jenem Abend nicht unähnlicher sehen können. Anstelle des verführerischen, kurzen Cocktailkleids trug sie einen knielangen Jeansrock, ein schlichtes Oberteil und flache Schuhe. Sie war ungeschminkt und hatte die Haare zu einem Knoten festgesteckt.

Doch auch so war sie bildschön.

Aber das war völlig irrelevant.

„Ja, ich weiß“, antwortete sie mit abgehackter Stimme. „Es tut mir auch leid, hier einfach so aufzutauchen.“

„Ach ja?“

Etwas flackerte kurz in ihren Augen auf. Der Griff um den Riemen ihrer Schultertasche, die genauso billig aussah wie ihre Kleidung, wurde fester. Vincenzo fragte sich, warum sie in dieser Aufmachung hier erschienen war. Wenn sie ihn verführen wollte, hätte sie sich schon mehr Mühe geben müssen.

Doch sehr bald schon wusste er, dass sie eine andere Strategie verfolgte.

„Ja.“ Einen Moment lang blieb sie stumm. Und dann holte Siena Westbrook, der er eine unvergessliche, aber einmalige Nacht höchster Genüsse verdankte, tief Luft. „Ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich schwanger bin.“

Oh Gott, sie hatte es gesagt!

Siena hielt sich am Schulterriemen ihrer Tasche fest.

„Es tut mir leid, es auf diese Weise sagen zu müssen, aber anders geht es nicht“, brachte sie hervor.

Sie zwang sich, Vincenzo in die Augen zu sehen, auch wenn es ihr schwerfiel. Jetzt, da sie vor ihm stand, brannte die Erinnerung in ihr. Auch nach all den Wochen hatte er noch dieselbe überwältigende Wirkung auf sie wie an dem Abend im Falcone. Doch das musste sie ignorieren. Denn es spielte genauso wenig eine Rolle wie sein Geld, auf das Megan so fokussiert war.

„Vermutlich nicht“, gab er murmelnd zurück.

Ein Murmeln, das ihr nicht gefiel.

„Bitte gestatte mir, dir herzlich zu gratulieren.“

Das Murmeln war verschwunden; jetzt klang seine Stimme sanft – gefährlich sanft.

Er saß noch immer in seinem ledernen Chefsessel, eine Hand ruhte auf der Armlehne, eine auf der Platte seines Mahagonischreibtisches. Er bewegte sich nicht, sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos, sein Blick unmöglich zu deuten.

Aus Augen, mit denen er sie an jenem schicksalhaften Abend so sinnlich angeschaut und ihr deutlich gemacht hatte, dass ihm gefiel, was er sah. Damit hatte er ihren Puls beschleunigt und Gluthitze in ihr ausgelöst.

Doch jetzt furchte sie nur die Stirn. „Gratulieren …?“

„Ja. Das muss eine glückliche Zeit für dich sein. Und für den Vater des Kindes.“

Verständnislos starrte sie ihn an.

Er hob die Hand vom Tisch, als wollte er Siena am Sprechen hindern, obwohl sie längst verstummt war.

„Wer immer der Glückliche auch sein mag. Ich soll ja wohl nicht glauben, dass ich der einzige Kandidat bin, der dafür infrage kommt“, stellte er leise fest. „Ich meine, nur wenige Stunden nachdem wir uns kennengelernt haben, bist du mit mir im Bett gewesen. Wie viele andere Männer sind nach mir wohl in diesen Genuss gekommen?“

Bei seinen Worten wich Siena alle Luft aus der Lunge. Sie konnte nicht glauben, dass er das wirklich gesagt hatte.

Doch er sprach weiter und sah dabei vollkommen entspannt aus. In seinen Zügen aber lag etwas, das sie noch mehr frösteln ließ als seine Worte.

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