Julia Arztroman Band 36

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ALLE WOLLEN DR. FINELLI von LOUISA GEORGE

Ein wunderschöner nackter Männerpo auf ihrem Computermonitor? Offensichtlich wurde Dr. Matteo Finelli heimlich beim Anziehen fotografiert. Nun soll Rechtsanwältin Ivy Leigh den sexy Arzt aus Italien über die Gefahren des Internets aufklären. Doch sie kann nur an das Foto denken …

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  • Erscheinungstag 30.08.2025
  • Bandnummer 36
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533393
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Louisa George, Fiona McArthur, Alison Roberts

JULIA ARZTROMAN BAND 36

Louisa George

1. KAPITEL

„Was in aller Welt…?“ Ivy Leigh starrte auf das Foto, das sich Pixel für Pixel auf ihrem Bildschirm aufbaute. Ein … Hintern? Ein wunderschöner, perfekt geformter, sonnengebräunter nackter Po. Zwei straffe Schenkel, ein Rücken wie gemeißelt … Ein nackter Männerkörper, offensichtlich in einem Männerumkleideraum. Neben dieser delikaten Rückansicht war zu lesen:

Dr. Delicious. Perfekt wie ein Pfirsich. Komm … nimm einen Bissen.

Sie musste heftig schlucken und fächelte ihren glühenden Wangen Luft zu. Auch wenn sie keine Beziehungen eingehen wollte, wusste sie einen schönen Anblick durchaus zu schätzen. Und das hier war ein schöner Anblick. Aber warum in aller Welt landete so etwas auf ihrem Firmencomputer? Vielleicht war die Firewall des Krankenhausservers nicht auf dem neuesten Stand. Sie fügte der To-do-Liste ihres Smartphones die Notiz „IT-Abteilung anrufen“ hinzu und stieß einen Seufzer aus, der weniger mit ihrem bescheidenen Sexualleben als mit ihrer neuen Arbeit zu tun hatte. Sie war gerade mal zwei Wochen dabei und musste schon die zweite Abteilung auf Vordermann bringen. Ihr Job war es, die Klinik ins 21. Jahrhundert zu befördern und das tat sie, egal, wem sie dabei auf die Füße treten musste. Sie drehte sich so auf ihrem Bürostuhl, dass niemand, der zufällig an ihrer offenen Bürotür vorbeikam, einen Blick auf den entblößten Hintern werfen konnte. Sie beugte sich vor, um das Foto etwas genauer zu betrachten, und ihr Blick fiel auf einen Stapel Kleidung, der auf einer Bank lag. Nein, nicht direkt Kleidung … Krankenhauskittel? Bitte nicht. Dunkelgrüne OP-Kittel, auf der man das gestickte Logo der St.-Carmen-Klinik erkennen konnte. Sie schnaufte. Was ihr eben noch unterhaltsam schien, wurde jetzt zu einem besorgniserregenden Problem und ihr bislang eher ereignisloser Tag nahm eine unerfreuliche Wendung. Also wer? Was? Warum? Warum ich? Sie schloss die Augen und weigerte sich, die dazugehörige Nachricht zu lesen.

Okay, jetzt nur nicht kneifen.

Sie öffnete ein Auge, atmete tief durch und las.

Von Albert Pinkney. Der Geschäftsführer der St.-Carmen-Klinik. Sie konnte seine vornehme und perfekte Aussprache förmlich aus den Zeilen heraushören.

„Miss Leigh, was um Himmels willen ist das? Unsere neue Werbekampagne? Seit wann ist die St.-Carmen-Klinik eine schmuddelige Cabaret-Show? Das verbreitet sich im Internet wie ein Hautausschlag und entspricht sicher nicht dem Bild, das wir repräsentieren wollen. Unsere Förderer wollen Köpfe rollen sehen. Wir sind ein Kinderkrankenhaus. Sie sind Anwältin – tun Sie etwas. Lassen Sie das verschwinden. Biegen Sie das wieder gerade.“

Wenn alle anderen mit einem Problem nicht mehr fertigwerden, rufen sie einen Anwalt, der das wieder geradebiegt, indem er den Verursachern ein paar antiquierte Paragrafen um die Ohren haut. Ja, verdammt, sie würde es wieder geradebiegen. Obwohl, das Verschwindenlassen könnte ein bisschen schwieriger werden. War Pinkney denn nicht klar, dass etwas, das einmal im Netz war, immer dort bleiben würde? Zweifellos gehörten das Internet und die sozialen Netzwerke nicht zu seinen Kernkompetenzen. Jetzt musste sie erst einmal herausfinden, zu wem dieses … Prachtstück gehörte. Das würde eine interessante Aufgabe werden.

„Becca?“

„Ja, Miss Leigh?“ Ihre Assistentin erschien in der Tür und setzte ihr übermotiviertes Grinsen auf. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Delikate Angelegenheit … Sie sind schon lange hier und haben ihre Ohren überall. Sie wissen sicher eine Menge über die Angestellten. Haben Sie eine Idee, wer das sein könnte?“ Ivy ging einen Schritt zur Seite und präsentierte den Bildschirm – tadaaa – mit einer theatralischen Geste. „Oh, mein …“ Becca fächelte sich mit den Prospekten, die sie in der Hand hielt, Luft zu. „Wollen wir einen Happen essen? Ich habe plötzlich Hunger bekommen.“ Ich auch, dachte Ivy. „Das ist jetzt nicht der Punkt. Erkennen Sie unser Logo? Da. Wir können so etwas nicht gebrauchen, das schadet unserem Ruf.“

„Nicht, wenn wir einen Haufen neuer Krankenschwestern suchen … Uups. Falsche Antwort? Entschuldigung.“ Beccas Schulterzucken zeigte, dass es ihr überhaupt nicht leidtat, tatsächlich war sie ganz schön beeindruckt. „Der Hintern ist sehr schön. Er ist fast schon perfekt. Und er gehört zu einem Arzt – das heißt also, wir können es eingrenzen. Wir könnten es wie bei einer Polizeiermittlung tun, wir stellen die Hauptverdächtigen an die Wand und …“ Sie blickte noch einmal auf das Foto und sagte mit schriller Stimme: „Ich werde mich sehr gern darum kümmern.“

„Ich bitte darum.“ Im Ernst, wie lange hatte sie Jura studiert? Für so etwas? Dafür hatte sie so hart gearbeitet? Dafür hatte sie auf jegliches Privatleben verzichtet? Eigentlich wollte sie Menschen dabei helfen, für ihre Fehler nicht ein Leben lang büßen zu müssen. Und jetzt sollte sie einen nackten Mann bestrafen. Aber immerhin konnte niemand behaupten, ihr Job sei nicht abwechslungsreich. „Ich will es nicht bloß eingrenzen, Becca, ich möchte, dass es verschwindet. Wir dürfen das jetzt nicht an die große Glocke hängen und müssen das PR-Team anweisen, größeren Schaden zu verhindern. Und wer immer dafür verantwortlich ist, wird den Zorn einer Ivy Leigh zu spüren bekommen.“

Es war schon spät. Er hatte gerade eine schwierige Transplantation bei einem zehnjährigen Jungen hinter sich. Es hatte ziemlich lange gedauert, doch er hatte es geschafft, und die Prognose war gut. Die Operationsliste für morgen war lang und er musste noch einiges vorbereiten. Und nun das. Eine dringende Vorladung einer Abteilung, von deren Existenz er gar nichts gewusst hatte. Es hatte ihn bislang auch nicht interessiert. Die Rechtsabteilung? Um halb sieben abends? Müssten diese Schreibtischhengste nicht längst zu Hause sein? Matteo Finellis Stimmung war alles andere als gut. Er klopfte an die geschlossene Tür und ging hinein, ohne eine Antwort abzuwarten. „Sie wollten mich sprechen?“

„Ja.“ Die Frau vor ihm saß aufrecht an einem großen Schreibtisch aus Mahagoni, der von zwei Aktenschränken flankiert war. Das große Fenster dahinter gab den Blick auf eine lebhafte Londoner Hauptstraße frei. Es war sonnig und er stellte sich vor, jetzt vor einer Bar oder einem Café zu sitzen und bei einem kühlen Bier in der Abendsonne zu entspannen. Stattdessen stand er jetzt hier.

Außer einem Kalender war nichts weiter in diesem Raum. Nichts Persönliches, keine Fotos, keine Stifte, keine Heftklammer. Nichts. Entweder hatte sie eine Persönlichkeitsstörung oder sie war zumindest kurz davor. Das würde auch erklären, warum er bislang noch nichts von ihr gehört oder sie gesehen hatte. Sie fuhr mit der Hand durch ihre kurzen blonden Haare, mit denen sie jünger aussah. Zumindest jünger als sie in einer Position, in der man in so einem Büro sitzen durfte, tatsächlich sein müsste. Aus kühlen grünen Augen sah sie ihn an. Ihre Bluse hatte fast das gleiche Grün – er hatte keine Ahnung, warum ihm das jetzt aufgefallen war. Ihr Mund, den man landläufig als hübsch bezeichnen würde, war zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Ihr verkniffener Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass sie nicht viel Spaß in ihrem Leben hatte. Sie sah ihn selbstbewusst an. „Mr. Finelli, nehme ich an? Nehmen Sie bitte Platz.“ Er blieb stehen. „Ich habe keine Zeit. Sie wollten mich dringend sprechen? Worum geht es?“

„Okay, keine Floskeln. Umso besser, dann komme ich gleich zum Punkt. Sagen Sie …“ Ihre Augen wurden schmaler und sie schluckte hörbar. Ihre Finger mit den grün lackierten Nägeln huschten über die Tastatur, und auf dem Bildschirm erschien ein Foto. „Sind Sie das?“ Er versuchte gar nicht erst, sein Lachen zu unterdrücken. Wer immer dieses Foto gemacht hatte, hatte auf jeden Fall eine ziemlich gute Perspektive erwischt. Er sah gut aus. Mehr als gut. Er stieß einen anerkennenden Laut aus. „Gefällt es Ihnen?“

„Darum geht es nicht.“ Ihre Augen funkelten, und ihre Wangen wurden rot.

„Es gefällt Ihnen. Es ist beeindruckend, oder? Sie lassen mich von der anderen Seite der Klinik hierherkommen, um mir Nacktfotos zu zeigen? Interessant.“ Er drehte sich um und wollte hinaus. „Kann ich jetzt gehen? Ich habe zu arbeiten.“

„Nicht so schnell, Mr. Finelli.“

Ma che diavolo?

„Nennen Sie mich bitte Matteo.“

Sie funkelte ihn an. „Mr. Finelli, warum haben Sie dieses Foto gepostet? Wenn Sie gehofft haben, dass es viral geht – Glückwunsch, das ist gelungen. Es sieht so aus, als könnte das Internet nicht genug bekommen von Ihren … Vorzügen. Ist Ihnen klar, was es für den Ruf der Klinik bedeutet, dass auf diesem Foto unser Logo für alle Welt sichtbar ist?“

„Alle nennen mich Matteo, ich reagiere nicht auf Mr. Finelli. Das klingt so förmlich. Ich habe dieses Foto nirgendwo hochgeladen. Und bei allem Respekt, Miss …“ Sein Blick glitt über ihr Gesicht, das sich von einem hübschen Rosa zu Dunkelrot verfärbt hatte, zu ihrem Namensschild. An ihrer linken Hand war kein Ehering. Also Miss. „Miss Ivy Leigh. Ich habe nichts hochgeladen.“

„Sie leugnen also, dass dies ihr Hin… äh – Musculus gluteus maximus ist?“ Es war nicht fair, wieder zu grinsen. Aber er tat es. „Natürlich leugne ich es nicht. Ich habe ja schon zugegeben, dass es meiner ist. Aber ich habe das Foto weder gemacht noch dafür posiert. Es sieht so aus, als hätte ich geduscht und mich gestreckt, um meine Sachen aus dem Spind zu holen – mit dem Rücken zur Kamera. Mein Gesicht ist nicht zu sehen, und ich kann in dieser Position kein Foto von meiner Rückansicht machen. Richtig? Zudem bin ich ein schwer beschäftigter Arzt, der keine Zeit hat rumzusitzen und im Internet zu surfen wie andere Leute.“ Wie Sie. Doch er sprach es nicht laut aus. „Ich bin nicht ganz sicher, wer dieses Foto gemacht hat, aber ich kann es mir fast denken.“

„Ach, und wer?“ Sie beugte sich vor und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. In einem anderen Leben hätte es sicher Spaß gemacht, noch ein paar Spielchen mit ihr zu spielen und herauszufinden, wo ihre weichen Seiten waren, falls sie überhaupt welche hatte. Aber nicht in diesem Leben.

„Ged Peterson.“ Der Punkt geht an dich. „Mein Assistenzarzt. Er liebt Streiche.“

„Peterson. Peterson. Ged? Kurz für Gerard?“ Grüne Fingernägel gaben etwas in die Datenbank ihres Computers ein. „Er arbeitet nicht hier.“

„Nein, jetzt nicht mehr. Er arbeitete bis letzten Monat hier, bis er nach Australien ging. Er sagte mir, er würde mir ein Abschiedsgeschenk dalassen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so eines sein würde.“ Matteo trat einen Schritt zurück, bereit zu gehen. „Und nun haben wir das Geheimnis gelüftet, und jetzt muss ich los.“

„Auf keinen Fall. Sie bleiben hier.“

Das hatte gesessen. Keine Frau hatte je so mit ihm geredet. Das war … nun, das war ja interessant. „Warum?“

„Ich frage Sie noch mal: Ist Ihnen klar, was das für die Klinik bedeutet? Lady Margaret hat bereits aus Protest ihre Förderzusage für die neuen Familienzimmer zurückgezogen. Eltern haben sich beschwert, dass sie so etwas nicht von einer Klinik erwarten, in deren Hände sie das Leben ihrer Kinder geben. Ärzte, die sich darüber beklagen, dass sie überarbeitet und unterbezahlt sind, aber trotzdem genug Zeit haben, ihren nackten Körper zur Schau zu stellen, machen die Klinik lächerlich. Das ist alles andere als professionell.“

„Wir sollten nicht übertreiben, es ist nichts passiert.“

Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. Er hatte es nicht verstanden. „Image ist alles, Mr. Finelli. Im digitalen Zeitalter ist es besonders wichtig, nach außen Vertrauen und Respekt zu präsentieren. Wir brauchen Leute, die sich einbringen, Geld ranschaffen und an unseren Zielen arbeiten. Wie, brauchen keine übergeschnappten Ärzte, die ihren Hintern und unser Logo in die Kamera halten.“

Er machte einen Schritt nach vorn, beugte sich zu ihr und tippte mit dem Finger auf das Bild. Der Duft von Honig stieg in seine Nase. Mag sein, dass sie ein bisschen übereifrig war, auf jeden Fall duftete sie verdammt gut. Er wich zurück. Er fühlte sich seltsamerweise von ihrem Duft angezogen, aber er konnte heute keine weitere Ablenkung gebrauchen. Es reichte ihm jetzt, außerdem hatte er noch ein paar Stunden Arbeit vor sich. „Wenn Sie sich Sorgen um die Finanzen machen, hätte ich eine Idee. Warum schießen Sie nicht noch elf Fotos von mir und machen ein paar Kalender daraus. Verkaufen Sie mich doch.“

„Ich bin Anwältin.“ Als würde das alles erklären. Aber es erklärte doch einiges. Mit einem Bruder, der noch in der Ausbildung war und einem, der das College bereits hinter sich hatte, wusste Matteo, dass das Jurastudium genauso hart war wie das Medizinstudium. Und dass die dunklen Schatten unter ihren Augen nicht von durchfeierten Nächten kamen, sondern vom Lernen bis in die Morgenstunden. Sie zeigten, dass diese Frau unter harten Bedingungen fleißig gelernt hatte. Ihr heller Teint verriet ihm außerdem, dass sie die beste Zeit ihres Lebens vermutlich in geschlossenen Räumen verbracht hatte und ihre Nase in die Bücher gesteckt hatte, statt die Welt zu erkunden oder ihre Nachmittage entspannt im warmen Sonnenschein zu verbringen. Das erklärte, warum sie so verdreht war. Sie schüttelte ihren Kopf. „Sie haben uns bereits Tausende, wenn nicht sogar Hunderttausende gekostet, Mr. Finelli. Kalender würden nur ein paar Pfund pro Stück einbringen.“

„Mit meiner Rückansicht würden wir sicher noch mehr machen.“

„Sie sind ziemlich von sich überzeugt, was?“ Ihre Stimme wurde leiser, und er merkte ihr an, dass sie versuchte, sich zu beherrschen. Okay, das bedeutete, dass er sie verärgert hatte, aber vielleicht nicht so sehr, wie sie ihn quälte. Nun gut, er hatte Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel nach dem Jungen mit der Transplantation zu schauen. „Natürlich. Warum auch nicht?“ Sie sprang auf und kam um den Schreibtisch herum. Wenn ihn nicht alles täuschte, rang sie ein wenig nach Fassung, dann nahm sie ein Dokument aus einem Aktenordner und knallte ihn mit Schwung zu. Sie setzte sich wieder, aber nicht, bevor er nicht einen ausgiebigen Blick auf ihre schmale Taille, ihre enge Hose und ihre hochhackigen Schuhe werfen konnte. Sehr interessant …

Als er bemerkte, dass sie seinen Arbeitsvertrag in den Händen hielt, blickte sie ihn kalt an. „Sehen Sie, Mr. Finelli. Sie scheinen das alles nicht ernst zu nehmen. Ich muss sichergehen, dass Sie sich über die Konsequenzen im Klaren sind, die Ihr Nacktfoto für Sie haben könnte. Ich habe den Fall mit der Personalabteilung besprochen, und die Abteilungsleiterin und alle anderen sind der Meinung, dass wir unsere Mitarbeiter dringend in Sachen Internet-Etikette schulen müssen. Das gilt für alle.“

„Deswegen? Ich habe doch nichts falsch gemacht.“

„Genau deswegen. Wir können nicht das Leben anderer aufs Spiel setzen oder unsere Pflichten als Klinik aus den Augen verlieren. Und wir können uns keine Fehler erlauben.“ Wie er an der Leidenschaft in ihren Augen und den leicht zitternden Händen sehen konnte, schien ihr das wirklich wichtig zu sein – sie nahm es fast persönlich. Sie nahm einen Schluck Wasser aus dem Glas. Ihm fiel auf, dass sie ihm nichts anbot. Sie hielt einen Moment lang inne und schien sich zu sammeln, bevor sie fortfuhr. „Kontrolle ist wichtig, wie wir ja jetzt sehen konnten, und diese Geschichte bestätigt meinen Standpunkt. Ich habe das in meinem letzten Job bereits erfolgreich umgesetzt und werde am Donnerstag hier damit beginnen. Und Sie werden teilnehmen.“

Auf keinen Fall.

„Ich operiere donnerstags.“

„Und dienstags und freitags auch, ich weiß. Es sind nur vier Stunden. Ich erwarte von Ihnen, dass sie mitmachen, so wie alle anderen in dieser Klinik auch. Dann ist das Thema erledigt.“

Dio santo. Sie meinte es ernst. „Wissen Sie eigentlich, wie wertvoll Operationszeiten für einen Chirurgen sind?“ Sie schaute weg und verdrehte die Augen. Dann riss sie sich zusammen. „Ich kann es mir vorstellen, ja.“

„Und wenn ich mich weigere?“

Ihre Finger trommelten auf seinem Aktenordner. „Dann werden Sie eine Anhörung über sich ergehen lassen müssen, damit hätten sich Operationszeiten sowieso erledigt. Es würde zeitraubend und unangenehm werden. Möglicherweise würde man Sie sogar suspendieren. Wer weiß?“

Jetzt war der Spaß aber wirklich vorbei, Ärger stieg in ihm hoch. „Aus welchem Grund?“

„Rufschädigung der Klinik. Das Verweigern einer Pflichtschulung. Es ist alles ganz klar in Ihrem Vertrag geregelt: Verhaltensregeln, Schulungsanweisungen, Kleidungsvorschriften und so weiter. Mr. Finelli, viele Kliniken erlauben es ihrem ärztlichen Personal nicht, mit ihren Gesichtern in sozialen Netzwerken aufzutauchen. Es ist also nichts Ungewöhnliches, dass auch wir uns schützen wollen.“

Punktsieg für Ivy Leigh. Ivy bedeutet Efeu – das war doch diese giftige Pflanze? Sommaco velenoso. Das beschreibt sie perfekt. Jetzt brauchte er ein schlagkräftiges Argument, um ihr einen Dämpfer zu verpassen. „Ich könnte Sie auch belangen.“ Sie sah ihn überrascht an. „Wofür, zur Hölle?“

„Für die Verletzung meiner Privatsphäre. Ich könnte behaupten, dass ich nicht einverstanden war, dass mein Körper für eine derart misslungene Werbung benutzt worden ist.“

Sie lachte – überraschend sanft und weiblich. „Gehen Sie und spinnen Sie Ihre Fantasien weiter. Aber wir beide wissen, dass es keine Werbung war. Sie haben keine Handhabe. Aber ich. Paragraf 3 des Arbeitsrechts …“

„Vergessen Sie es. Ich werde Ihnen jetzt nicht mehr zuhören. Sie können ihr Referat für sich behalten.“

„Okay, Ihre Entscheidung.“

Sie erinnerte ihn an seine jüngere Schwester Liliana, die niemals aufgeben wollte. Nie. Mit ihr zu diskutieren, war wie mit einer Mauer zu diskutieren. „Dann muss ich Sie morgen früh zu einem Gespräch mit dem Leiter der Personalabteilung bitten.“

„Nein.“ Noch mehr wertvolle Arbeitszeit verlieren? Vielleicht könnte er seinen Dienstplan mit Mike tauschen, nur um diese unerträgliche Frau loszuwerden. „Mr. Finelli. Wir sitzen doch beide im selben Boot.“

„Ganz sicher nicht.“ Aber ihm blieb nichts anderes übrig, wenn er nicht noch mehr Zeit verlieren wollte. Es war besser, wenn er es hinter sich brachte. „Sie lassen mir keine andere Wahl. Ich werde an Ihren Veranstaltungen teilnehmen.“

„Dann sind wir uns ja einig. Danach werden Sie nie wieder von mir oder dieser Angelegenheit hören. Danke für Ihre Zeit.“ Sie hielt ihm ihre Hand hin, und er nahm sie widerwillig. Ihr Händedruck war warm, fest und irgendwie vertraut. Ihre Berührung ließ ihn erschauern – was er zu ignorieren versuchte. Sie schien es nicht zu bemerken, ihre Stimme war ruhig und kühl genau wie ihre Augen. „Ich bin überzeugt, dass Sie die Schulung interessant finden werden.“

„Da bin ich mir nicht so sicher. Jetzt muss ich meinen Tag neu planen. Aber vier Sitzungen sollten nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. Ab wann kann ich mich wieder meiner Arbeit widmen? Nach der Mittagspause?“ Ein Ausdruck der Erheiterung huschte über ihr Gesicht, als hätte sie einen harten Kampf gewonnen. „Oh, Entschuldigung, habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Mit vier meinte ich vier Tage.“

„Vier Tage? Nein. Auf keinen Fall. Das werde ich nicht machen.“

„Aber Sie haben zugestimmt und mir die Hand darauf gegeben. Ist das Wort eines Italieners nichts mehr wert?“

Er hielt ihrem Blick stand. Seine Ehre war einwandfrei im Gegensatz zu manch anderen. Er würde niemanden hintergehen, so wie er hintergangen worden ist. „Doch. Aber ich habe eine Bedingung.“

„Ach ja?“ Ihr Gesichtsausdruck machte ihm klar, dass er nicht in der Position war, Bedingungen zu stellen.

Dennoch sagte er: „Für jede Minute, die ich in Ihrer lächerlichen Schulstunde sitze, müssen Sie entsprechend viel Zeit mit mir bei meiner Arbeit verbringen. Diese Arbeit, die diese Klinik ausmacht, die Leben rettet. Dann sehen Sie vielleicht, wie sehr Sie meine Zeit verschwenden.“ Er sah sie direkt an. Ein Anflug von Besorgnis in ihren Augen wich einem entschlossenem Kopfnicken. „Okay.“ Ihr Lächeln war wie Kondensmilch – eine Spur zu süß. „Sehen wir es so, dass ich neu in der Klinik bin und mich sowieso mit den Abteilungen vertraut machen muss. Es wird mir einen unschätzbaren Einblick in die speziellen rechtlichen Probleme geben, die jeweils auftreten können, und ich kann passende Strategien für die Zukunft entwerfen. So schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe.“

Wie konnte er nur annehmen, dass man mit ihr Spielchen spielen konnte? Der Spaß war vorbei. Das war Krieg. „Glauben Sie mir, Miss Leigh, das einzige Problem, das in meinem Operationssaal auftreten kann, ist, einen Dummkopf aus mir machen zu wollen. Auf Wiedersehen.“

2. KAPITEL

Er würde wohl nicht kommen.

Ivy überblickte den Konferenzsaal, der gefüllt war mit schnatternden, kaffeetrinkenden Portiers, Krankenschwestern und Pflegern, medizinischem Personal und Ärzten. Die Veranstaltung würde in weniger als zwei Minuten beginnen. Sie musste zu ihrer Schande gestehen, dass sie trotz der zahlreich anwesenden Mitarbeiter enttäuscht war, dass sie die famose Rückansicht eines Mr. Finelli nicht entdecken konnte, und sie wusste zum Henker nicht, warum. Dabei wollte sie sich auf ein verbales Scharmützel mit diesem Doktor einlassen, um ihm ihre Stärken zu beweisen. Dieser Mann mochte reichlich narzisstisch sein, aber als Gegner war er sicher nicht zu unterschätzen. Natürlich nicht. Dazu passte auch, dass er es nicht nötig hatte, hier zu erscheinen. Aber vielleicht war es auch besser, dass er hier nicht mit seinen dunklen Augen auftauchte und arrogante Reden schwang, weil das alles unter seinem Niveau war. Außerdem würde es ihr sicher schwerfallen, sich auf ihren Vortrag zu konzentrieren.

„Okay, Miss Leigh …“ Becca brachte ihr die Mappe mit den Unterlagen für das Seminar. „Eines für jeden und noch ein paar zum Verteilen. Die erste Teepause ist um halb elf. Das Catering wird gegen viertel nach zehn liefern.“

„Und Mittagessen? Sie wissen, wie das ist. Wenn sie nicht zeitig gefüttert werden, werden sie mürrisch.“

„Um ein Uhr. Im Steadman Room. Oh, und der Laptop ist mit dem Projektor verbunden, es sollte also alles glattgehen. Viel Glück.“

Prima. Alles lief reibungslos, bis auf den leichten Kopfschmerz, den sie verspürte. „Danke. Ach, und Becca, bitte, bitte, lassen wir das mit den Formalitäten, nennen Sie mich Ivy. Ich weiß, mein Vorgänger wollte, dass Sie ihn Sir nennen – bei mir läuft das aber anders.“

„Okay, wenn Sie mein…“ Ihre Assistentin lief rot an, und ihre Aufmerksamkeit galt etwas hinter Ivys Rücken. „Oh … nur, oh.“

„Ist alles in Ordnung?“

„Oh ja, alles pfirsichweich. Eine Schande, dass er so ein Herzensbrecher ist.“ Becca grinste und bewegte sich wie von Geisterhand gesteuert vorwärts, als wäre Herzbrechen eine Sportart, in der er numero uno war und der Titelträger in dieser Disziplin. Was er möglicherweise auch war.

„Mr. Finelli, bitte nehmen Sie sich einen Kaffee und setzen Sie sich. Ich zeige Ihnen, wo die Tassen sind.“

Großartig. Aus irgendeinem Grund hüpfte ihr Herz. Vielleicht Lampenfieber. Sie war zu Beginn eines Workshops immer ein wenig nervös, es gab so viel zu beachten. Die Technik konnte streiken, die Klimaanlage musste korrekt eingestellt sein – zu warm, und alle würden einschlafen, zu kalt, und niemand würde sich konzentrieren können, das Essen musste pünktlich kommen und überhaupt, alle mussten bei der Stange gehalten werden.

Plötzlich kam er auf sie zu. Anders als die anderen Teilnehmer hatte er auf formelle Kleidung verzichtet. Kein Anzug und keine Krawatte für Dr. Delicious der Pfirsichhinternriege. Nur ein weißes T-Shirt spannte sich um die beeindruckenden Schultern und eine dunkle Jeans umschmeichelte seine Hüften. Das erinnerte sie an die jungen Männer, die sie während eines Wochenendtrips in Florenz gesehen hatte. Sie stellte ihn sich mit einer coolen Sonnenbrille auf einem Motorroller aus einem 50er-Jahre-Film vor. Dann wanderten ihre Gedanken zurück zu dem Nacktfoto, und sie wusste genau, was sich unter seiner Kleidung verbarg, es machte sie ein wenig nervös. Sie spürte Hitze in sich aufsteigen. Es war hier ungewöhnlich warm für die Jahreszeit – eine Hitzewelle im Frühling vielleicht? So viele Menschen in diesem kleinen Raum. Sie musste schnell jemanden finden, der die Klimaanlage regulierte. Wo war sie? Konzentriere dich.

„Guten Morgen, Miss Leigh. Da wären wir also.“ Oh, dieser Akzent. Irgendwie süß, fand sie. „Mr. Finelli, schön, dass Sie uns beehren. Ich hörte, es gab einige Aufregung im Vorfeld.“ Er runzelte die Stirn unter seinen dunklen Locken. „Der Leiter der Personalabteilung ist genauso enthusiastisch wie Sie, wie es scheint. Hat in dieser Klinik eigentlich noch irgendjemand etwas gesunden Menschenverstand?“

„Das ist genau das, was ich mit diesem Workshop versuche wiederherzustellen. Aber einige Teilnehmer meinen, sich und ihren Unmut zur Schau stellen zu müssen. Und bitte, nennen Sie mich Ivy.“

„Ivy, ah ja. Aber nur, wenn Sie mich Matteo nennen. Wenn es für Sie machbar ist, können Sie auch Matt sagen, Ivy.“ Sein Grinsen verriet, dass er diese Art der Konversation amüsant fand. Er nahm einen Schluck schwarzen Kaffee und verzog sein Gesicht. „Dio, noch mehr Gift. Warum ist der Kaffee so schlecht hier?“

Noch mehr Gift? Was zum Teufel meinte er damit? Ach, sie ahnte es. „Poison-Ivy? Ernsthaft? Ist das alles, was Sie können? Ich habe das seit dem Kindergarten nicht mehr gehört. Ich hatte etwas Besseres von Ihnen erwartet, Mr. Finelli. Oh, Verzeihung, Matteo. Strengen Sie sich bitte mehr an.“ Er stellte die Tasse auf den Unterteller, eher vom Kaffee beleidigt als von ihren Worten. „Ich wollte nur sehen, was es braucht, um Sie aus der Fassung zu bringen. Nicht viel, wie es scheint.“ Sie versuchte cool zu bleiben und ihre Nervosität zu verbergen. „Oh, machen Sie bloß keinen Fehler, ich gebe mich nicht geschlagen, ich bin nur ein wenig enttäuscht von Ihrer bisherigen Leistung.“

Er lächelte sie an. „Glauben Sie mir, Miss Leigh. Noch keine Frau war jemals enttäuscht von meiner Leistung.“ Ihr wurde heiß. Er flirtete mit ihr, und sie konnte schlecht zugeben, dass sie von so viel Selbstbewusstsein beeindruckt war. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und sie versuchte ruhig zu werden. Diese Art des Schlagabtausches war nicht ihre Liga – Flirten gehörte nicht zu ihrem Repertoire. Ein kühler Blick und deutliches Desinteresse haben bis jetzt immer gereicht, vermeintliche Lover auf Abstand zu halten – genauso wie die Angewohnheit, sich nur in Dunkelheit auszuziehen. Dies und der Wille, nicht wie ihre Mutter zu enden. Sie würde dafür sorgen, dass kein Mann an ihr interessiert war, und auf keinen Fall würde sie zulassen, dass dieser Mann Interesse an ihr hatte. Sie wollte ihn nur ein wenig aus dem Gleichgewicht bringen. Sie blickte auf seine Tasse und fragte sich, ob sie ihn in ihr kleines Kaffeegeheimnis einweihen sollte. Es konnte nicht schaden, sich den Feind zum Freund zu machen. Sie beugte sich vor und flüsterte: „Die Straße runter an der Ecke ist ein Café. Enrico’s. Da gibt es fantastischen Kaffee. Ich muss immer einen davon haben, um über den Tag zu kommen. Ich möchte dem Catering-Team nicht auf den Schlips treten, deswegen fülle ich ihn immer in ihre Becher um.“

„Und nun teilen wir ein Geheimnis. Ich mache es auch so. Wer hätte gedacht, dass Sie so subversiv sein können? Sie sind interessanter, als ich dachte.“ Seine Augen weiteten sich und dann zwinkerte er. „Enrico ist ein Freund von mir und ja, sein Kaffee ist der beste weit und breit. Obwohl das hier ja keine große Kunst ist.“

„Nein, ich denke nicht.“ Subversiv? Subversiv? Zu ihrem Ärger gefiel ihr dieser Gedanke verdammt gut. Obwohl es viel Vorstellungskraft kostete – sie fuhr die meiste Zeit besser damit, hart zu arbeiten und ihren Weg nicht zu verlassen.

Ihr Blick schweifte über sein Gesicht. Es war ein gut aussehendes Gesicht mit einem dunklen Teint – wunderschön, wenn man auf große, südländische Herzensbrecher stand, doch so war sie nicht. Ihre Blicke trafen sich. Für eine Sekunde oder zwei, vielleicht auch mehr, berührten diese dunklen, braunen Augen ihr Innerstes. Da schien etwas in ihm zu sein, das tiefer ging, etwas … Sie schaute in seine Augen, und seine Augenfarbe erinnerte sie an Schokolade. Sie strahlten Männlichkeit und Klarheit aus. Sie bemerkte, dass sie von ihnen beiden die Einzige war, die aus dem Gleichgewicht war. Das war nicht der Plan. Das Schnattern im Raum schien etwas nachzulassen, er drehte sich um, und die Verbindung war weg. Ivy atmete tief ein. Für einen Moment war er ihr beinahe menschlich erschienen. Aber dann wandte er sich wieder zu ihr, und all die Freundlichkeit, die sie zuvor meinte gesehen zu haben, war weg. Mit gedämpfter Stimme sagte er: „So, ich halte meinen Teil der Vereinbarung ein und bin hier. Ich verliere wertvolle Zeit, die ich im OP verbringen könnte. Also sehen Sie zu, dass das eine richtig gute Show wird. Als Gegenleistung lade ich Sie morgen ein. Wir haben eine Doppelvorstellung für Sie: In Saal 1 werden wir live eine Organspende durchführen. Und eine Tür weiter, in Saal 2, haben wir extra zu Ihrem Vergnügen eine Nierentransplantation bei einem zwölfjährigen Mädchen anberaumt. Ich hoffe, Sie haben Ausdauer und Eier in der Hose, denn das werden Sie brauchen. Das wird ein langer Tag.“

Wie meinte er das denn jetzt? War das ein Kompliment? Oder sah er sie als Partnerin auf Augenhöhe? Sie hoffte es. „Ich bin durchaus mit Begriffen wie Transplantation, Kardiologie, Hepatologie oder Orthopädie vertraut. Nennen Sie mir einen Begriff, und ich werde ihn aus dem medizinischen ins Juristische und wieder zurück übersetzen. Ich war ein Ass in Latein. Ich habe den Highschool-Schreibwettbewerb fünf Mal in Folge gewonnen, mein Lieblingsfach war Literatur, und ich glaube, auf diesem Gebiet jede Herausforderung zu meistern. Und ich habe mehr Durchhaltevermögen als die meisten anderen.“ Sie verschwieg allerdings, dass sie zum Club der Menschen gehörte, die kein Blut sehen konnten. Ein Tropfen Blut, und sie kippte um. Bislang war es ihr im Krankenhaus gelungen, solche Unfälle zu vermeiden, indem sie dafür sorgte, nie zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Oder schnell genug zu verschwinden. Sie würde niemals zugeben, dass auch nur der Gedanke an eine Operation sie nervös machte – und es waren zwei Operationen. „Ich kann es gar nicht abwarten.“

„Ich auch nicht.“ Seine Lippen formten sich zu einem Lächeln, das faszinierend und irritierend zugleich war. Hitze stieg in ihr auf und breitete sich prickelnd auf ihrer Haut aus. Ein Gefühl, das für sie völlig ungewohnt war. Vielleicht kämpfte sich ihr Radar fürs andere Geschlecht wieder ins Leben zurück? Sie scheuchte diesen Gedanken gleich wieder beiseite. Sie hatte wichtigere Dinge zu tun, als sich mit eigensinnigen und frustrierenden Hormonen zu beschäftigen. Früher oder später würde sie sich mit ihrer Angst vor Blut auseinandersetzen müssen. Vielleicht sollte sie mit ihrer Mutter, einer Allgemeinmedizinerin, am Telefon kurz über Medikamente gegen Angstneurosen sprechen? Was soll’s. Bis morgen war noch Zeit, und heute hatte sie eine andere Hürde zu nehmen. Als sie sich abwandte, blickte sie zu Becca, die mit einem Glöckchen läutete, um die Aufmerksamkeit der Workshopteilnehmer zu bekommen. „Guten Morgen allerseits.“ Ivy wartete, bis es ruhig im Raum war und stieg auf das Podest. „Vielen Dank für das zahlreiche Erscheinen hier und heute. Ich hoffe, es wird für Sie genauso lehrreich wie unterhaltsam werden. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich in Ihren Reihen Platz nehme und nicht hier auf der Bühne bleibe – so haben Sie einen guten Blick auf die Präsentation und nicht auf mich. Ich bin sicher, dass Ihnen das lieber ist.“ Mit der Zeit hatte sie es gelernt, während einer solchen Präsentation Augenkontakt mit so vielen Zuhörern wie möglich zu haben. Als ihr Blick auf Matteo fiel, schaute er sie direkt an. Sein Blick war neckisch und herausfordernd. Sie wusste nicht, was gerade in seinem Kopf vor sich ging. Sie konnte seinen Blick nicht deuten, aber ihr Instinkt sagte ihr, dass er sie scannte. Sein prüfender Blick raubte ihr den Atem. „Mach weiter so, Matteo Finelli“, wollte sie ihm sagen. Sie war gewappnet. Mach weiter so. Das war erst der Anfang.

„Zusammengefasst besteht unsere Politik für soziale Netzwerke aus drei Säulen: unsere Patientendaten zu schützen, unsere Marke zu promoten und unsere Mitarbeiter zu schützen. Bedenken Sie, dass alles, was Sie von sich preisgeben, auch das ist, wie Sie gesehen werden wollen. Und bedenken Sie, dass alles, was gepostet wird, in Verbindung zur Klinik und zu unseren Patienten steht, und dass das Konsequenzen haben kann. Es ist sehr schwierig, Dinge, die einmal im Netz sind, wieder rückgängig zu machen. Da sind eine Menge User da draußen, und deshalb ist es wichtig, wie wir uns präsentieren. Manche Dinge kommen wieder zurück und beißen uns sprichwörtlich in den Hintern.“

Matteo bemerkte ihren Blick und spürte die kleine Spitze gegen sich. Okay. So betrachtet war es nicht die schlaueste Idee, die sein Freund gehabt hat, und Matteo begann zu verstehen, warum sie für so viel Wirbel sorgte. St. Carmen hatte einen guten Ruf, besonders viel Wert auf die Versorgung von Kindern zu legen. Da war ein nackter Mann sicherlich rufschädigend. Aber im Ernst – vier Seminare, um ihm das klarzumachen? Wovon zur Hölle sollten die nächsten Workshops handeln? Poison-Ivy war sicherlich mit Leidenschaft bei der Sache, das musste er zugeben. Und der Stil ihrer Präsentationen war erste Klasse. Er hatte den Eindruck, dass sie wunderbar in der Öffentlichkeit sprechen konnte, aber es kam ihm auch so vor, als machte sie es nicht besonders gern. Ihre Stimme klang enthusiastisch, und er konnte einen Akzent heraushören, obwohl er kein Muttersprachler war – aber er konnte diesen Akzent nicht einordnen. Sie sah souverän aus in ihrem dunklen Hosenanzug und der Seidenbluse – heute war es ein tiefes Kobaltblau, das ihn an den Sommerhimmel in seiner Heimat erinnerte. Wieder spürte er einen kleinen Stachel – spitz genug, um ihn zu ermahnen, nicht die Dummheit zu begehen, sich zu sehr auf etwas einzulassen. Gefühle können schmerzhaft sein wie ein Messerstich. Aber Ivys Offenheit gepaart mit ihrer figurbetonten Hose und der schmeichelnden Bluse hatte seine Vorstellungskraft geweckt. Wie auch immer. Sie verkörperte das Gegenteil von dem, was ihn an einer Frau interessierte. Er stand auf große Frauen, und sie war klein. Er mochte Frauen mit wuscheligen braunen Haaren, sie war blond mit einem … wie hieß das? Ja, ein Pixie Cut. Er mochte es zu unterhalten, aber sie strafte ihn mit gelangweilter Missachtung. Er war niemand, den man verschmähte, ganz sicher nicht. Er ließ die Frauen immer darüber im Klaren, dass er nicht mehr zu geben bereit war als eine nette Zeit. Bis die netten Zeiten zu viel Bedeutung bekommen konnten – das war dann das Zeichen zu gehen. Er schrieb dieses plötzliche Interesse an ihr seinem Jagdinstinkt zu, nickte ihr zu und hob eine Augenbraue. Mach weiter. Sie lächelte desinteressiert und wandte sich jemand anderem zu. „Ich hoffe, Sie haben die Reise in die Welt des Cyberspace genossen und wissen nun über die Gefahren und Möglichkeiten der sozialen Netzwerke Bescheid. Wie Sie sehen, lauert da mehr Zündstoff hinter dem Bildschirm, als man zunächst annimmt. Deswegen nimmt die Klinik dieses Thema sehr ernst. Ich hoffe, es wurde deutlich, was passieren kann – auch wenn man zu Hause auf dem Sofa meint, es sei eine ganz private Konversation. Nichts ist im Internet privat. Nächste Woche werden wir über die guten, die schlechten und die wirklich hässlichen Seiten der sozialen Netzwerke sprechen. Bis dahin, um es mit den Worten eines Weiseren als mich zu sagen: Wenn es im Netz ist, seien Sie nicht derjenige, der den dummen Fehler mit dem Smartphone gemacht hat.“ Ivy schenkte allen ein Lächeln, während sie applaudierten, sie loggte sich aus dem Laptop aus und raffte ihre Unterlagen zusammen. Er steuerte auf die Tür zu, als er ihre Stimme vernahm. „Mr. Finelli?“

„Ja?“ Sie stieg von dem kleinen Podest und kam auf ihn zu, dabei gelang es ihr nur mäßig, ein Humpeln zu verbergen. „Ich hoffe, das war ein wenig erleuchtend?“

„Es hätte etwas schneller gehen können.“

„Nicht alle sind so schnell wie Sie.“ Sie biss sich auf die Unterlippe, um ein Lächeln zu unterdrücken. „Wir haben den einen oder anderen eigensinnigen Mitarbeiter, der meint, auf dem Gebiet nichts mehr dazulernen zu müssen. Um unseren Standpunkt klar und deutlich zu machen, müssen wir es diesen Mitarbeitern zur Not einhämmern.“ Er lächelte sie an. „Ich habe den Hammer gespürt.“

„Gut. Meine Aufgabe hier ist erledigt. Ich hoffe, Sie werden in Zukunft wissen, wie positive Außendarstellung im Netz für unsere Branche funktioniert. Oder, am besten posten Sie gar nichts mehr.“

„Das Einzige, was ich zu posten hätte, wäre die Anzahl der Kinder, die wir auf unserer Station retten. Und wie viele Familien nicht leiden müssen, weil jemand gestorben ist.“ Sie betrachtete ihn eingehend. „Nun, ein bisschen die Werbetrommel zu rühren, kann nicht schaden. Sie könnten ein bisschen Werbung gebrauchen, um … ja, was? Was steht auf Ihrer Wunschliste?“ Darüber musste er nicht lange nachdenken – das, was alle Transplantationsstationen auf der ganzen Welt brauchten. „Mehr Organspender, mehr Menschen, die einen Organspenderausweis wollen, mehr Dialysemaschinen, mehr Geld für Forschung.“

„Okay, dann konzentrieren Sie sich auf diese Liste und versuchen Sie, damit so viele Menschen wie möglich über das Internet zu mobilisieren. Vielleicht, ohne die Kleidung abzulegen. Es gibt sicher viele Menschen in London, die gern etwas Gutes tun möchten, sehr viele, die man über das Internet erreichen kann. Stellen Sie sich das vor. Einen schönen Abend Ihnen, wir sehen uns morgen.“ Sie schenkte ihm ein echtes Lächeln. Oh mein Gott, ein Lächeln, das ihr Gesicht freundlich machte. Und, mio Dio, ihre grünen Augen waren tiefgründig und faszinierend. Ihr Mund verzog sich zu einem verschmitzten Lächeln, einem sehr verführerischen Lächeln. Etwas zerrte in seiner Brust. Beunruhigend und beständig zugleich. „Wo kommen Sie her?“ Aus irgendeinem Grund wurde sein Schnell-weg-hier-Gehirn vom Ich-möchte-bleiben-Mund überrumpelt. Ihr Lächeln ließ ihn dahinschmelzen. „Wie bitte?“

„Ihr Akzent. Ich erkenne nicht viele, aber dass Sie einen haben, kann ich hören. Die meisten sagen Landan und Sie sagen Lundun.“ Sie klemmte ihre Unterlagen unter den Arm und nahm den Laptop, um dann mit ihrer Schulter das Licht auszuschalten und ihm anzudeuten, den Konferenzraum zu verlassen, damit sie den Code in die Alarmanlage eingeben konnte. „York. Ich komme aus York. Das ist im Norden. Weit weg. Dreieinhalb Stunden Fahrt, wenn es ein guter Tag ist.“

„Davon habe ich schon gehört.“ Er bemerkte ein leichtes Flackern in ihren Augen, und ihre Stimme war leiser geworden. „Und das macht Sie traurig, so weit weg von der Familie zu sein?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Nein. Oder ja, ich denke schon. Sie wissen ja, wie es ist, wenn man die Familie vermisst.“ Vielen ging es sicherlich so. Er konnte damals nicht schnell genug wegkommen und seine Besuche danach waren nur sporadisch. Verrat und Schmerz konnten einen Mann so werden lassen. Sie erreichten den Fahrstuhl, und sie setzte ihre Tasche ab, um den Knopf nach oben zu drücken. „Und Sie? Sie müssen sich weit weg von Ihrem Zuhause fühlen. Wo ist es?“

„Ein kleines Dorf in der Nähe von Siena. Nichts Besonderes.“

Sie runzelte die Stirn. „Sie machen Witze, oder? Jedes Dorf in der Toskana ist etwas Besonderes.“ Sein Dorf schon – die Bewohner allerdings nicht. „Woher wollen Sie das wissen? Waren Sie schon einmal dort?“

„Nur in Florenz, zu einem Wochenendtrip. Es war wundervoll.“ Sie beugte sich vor, um die herunterfallenden Unterlagen noch zu fassen. Beim Versuch, nach ihnen zu greifen, streifte seine Hand ihre Bluse. Sein Magen zog sich zusammen. Verrückt, wie sein Körper auf sie reagierte. Wirklich seltsam. „Lassen Sie mich das nehmen.“

„Geht schon.“ Sie zögerte kurz und schüttelte dann den Kopf.

Offensichtlich versuchte sie souveräner zu wirken, als sie in Wahrheit war. Er hatte das Gefühl, dass Ivy Leigh vorgab, für alle Situationen gewappnet zu sein – um etwas zu verbergen? Eine Schwäche? Da war noch mehr als das Problem mit ihrem Fuß. „Ich weiß, dass Sie das schaffen. Aber Sie haben so viel zu schleppen und ich nicht. Lassen Sie mich das nehmen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er ihr die Unterlagen ab und klemmte sie unter seinen Arm. Er fragte sich, was zum Teufel er da machte. Immerhin war sie auf der anderen Seite – auf der Seite der nervenden Bürokratiemonster. Mit dem Feind sprechen, dem Feind helfen, was kam als Nächstes? Mit dem Feind schlafen? Pah! Als würde er jemals so dumm sein. „Ich weiß genau, was Sie vorhaben, Matteo. Sie versuchen mich auf Ihre Seite zu ziehen, damit ich Sie von dem Workshop befreie und Sie mich schlagen können.“

„Niemals. Ich würde niemals jemanden schlagen!“ Ok, er war ihr ein paar Mal nahegekommen, aber das würde nicht noch wieder vorkommen.

Sie sah verwirrt aus. „Keine Angst, das ist nur eine Redewendung. Ich meinte nicht, dass Sie mich wirklich schlagen. Ich weiß, dass Sie das nicht tun würden.“

„Gut. Ich wollte nur höflich sein.“

„Nun, das konnte ja keiner wissen.“ Der Ärger verzog sich, und sie fand ihren Humor wieder.

Er musste zugeben, dass sie eine ebenbürtige Gegnerin war. Es war immer gut, seinen Feinden Respekt zu zollen. Er musste lachen. „Verrückt, ja, wenn man bedenkt, dass wir nicht auf derselben Seite stehen. Fehlt nur noch, dass wir zusammen etwas trinken gehen.“

„Oh nein, das werde ich nicht tun.“ Sie drückte energisch auf den Fahrstuhlknopf. „Ich trenne Berufliches und Vergnügen.“

„Sie glauben, etwas mit mir zu trinken sei ein Vergnügen?“ Sie lächelte wieder, aber dieses Lächeln schien zugleich sehnsüchtig und ängstlich. „Ich bin sicher, dass das ein Vergnügen wäre. Aber wie ich schon sagte, ich trenne so etwas.“

„Ich auch.“

„Ich freue mich, dass wir uns da mal einig sind.“

Doch der sehnsüchtige Blick war noch da, als sie sich wegdrehte. Es war niemand sonst da. Es war alles ruhig um sie herum, man konnte die Spannung zwischen ihnen beinahe greifen. „Und Sie gehen jetzt wohin?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Zurück zur fünften Etage. Falls der Fahrstuhl jemals kommt. Ich habe noch zu tun.“

„Nach fünf Uhr? Alle anderen Bürorinder sind schon weg.“

Sie schmunzelte. „Hengste. Es heißt Bürohengste.“

„Ich weiß, ich weiß. Ich muss mich entschuldigen. Ich muss die englischen Redewendungen erst noch lernen.“ Sie war umwerfend, wenn sie lächelte. Er brachte keinen Ton raus, sobald es auf ihren Lippen erschien. Wirklich? Was war bloß los mit ihm? „Wo zum Teufel bleibt der verdammte Fahrstuhl?“ Smaragdgrüne Fingernägel klopften auf den Fahrstuhlknopf. „Ich schaue eigentlich nicht auf die Zeit. Ich tue, was ich tun muss, und wenn es länger dauert, dann dauert es eben länger. So wie alle Anwälte arbeite ich hart.“

„Dann würden Sie sicher auch eine gute Ärztin abgeben.“

„Glauben Sie mir, das würde ich nicht.“ Sie erschauderte sichtlich, und er fragte sich, welchen wunden Punkt er getroffen hatte. Vielleicht hat ein Arzt ihr Herz gebrochen? „Sie mögen keine Ärzte? Dann ist eine Klinik kein guter Arbeitsplatz.“

„Die meisten Ärzte sind in Ordnung. Meine Mutter ist auch Ärztin.“ Endlich kam der Fahrstuhl, und die Türen gingen auf. Sie nahm ihm die Unterlagen ab und blickte ihn an. „Einige wenige von ihnen haben den Ruf von vielen zerstört …“ Als sie in den Fahrstuhl stieg, streckte er seinen Arm aus, um die Türen am Schließen zu hindern. „Sie meinen mich? Ich habe einen Ruf?“ Er lachte. „Gut zu wissen. Lassen Sie mich raten … Ich bin zu freimütig. Ich bin ein Außenseiter. Ich bin meinem Job sehr verpflichtet. Schade, wenn ich dabei ein paar gebrochene Herzen hinterlassen habe …“

„Ganz offensichtlich.“ Ihre Finger klopften auf den kalten Stahl der Fahrstuhlwand. Er schaute in ihr Gesicht. Er sah in ihren Augen, dass sie versuchte, ihre Gefühle zu verbergen. Augen, die ihre Gefühle offenbarten, egal wie sehr sie versuchte, sie für sich zu behalten. Dieser Mund, der Sticheleien hervorbrachte, aber auch ein wundervolles Lächeln. Diese Lippen … Wie würde es sich wohl anfühlen, diese Lippen zu küssen? Wie würde Frau Unfehlbar dann reagieren? Würde sie ihm zeigen, was sich hinter der Fassade verbarg? Er wusste, dass da mehr war. Eine sanfte Seite – eine leidenschaftliche Seite, die nur darauf wartete, entdeckt zu werden. Der Glückliche, der das jemals entdecken durfte. Die Fahrstuhltür stieß hart in seinen Rücken und erinnerte ihn daran, dass dies hier wirklich nicht der richtige Ort war, um Ivy Leigh zu küssen. Doch seine Hand wollte ihre Wange berühren, und als er sie hob, meinte er, ein Flackern in ihren Augen zu sehen. Gerade so, dass er bemerkte, dass nicht nur er diese eigentlich abwegige Idee überhaupt in Betracht zog. Ihr Mund öffnete sich leicht. Er konnte ihren schnellen Atem spüren, und ihre Augen schlossen sich für einen kurzen Moment, doch lang genug, dass er sehen konnte, dass sie auf ihn reagierte – und dass es ihr gefiel. Sie wollte es nicht, ganz und gar nicht, aber sie mochte es. Sie machte einen Schritt zurück. „So, wir sehen uns morgen. Zeigen Sie mir, was Sie draufhaben, Mr. Finelli. Ich erwarte, dass Sie mich beeindrucken.“ Er wusste, dass er ihr das eine oder andere zeigen konnte, was sie sicher beeindrucken würde. Arbeit. Arbeit. Er erinnerte sich daran, was wirklich das Wichtigste in seinem Leben war, und trat einen Schritt zurück. Che stupido. „Lassen Sie mich mit dem Thema in Ruhe. Diese verdammten Workshops. Dieses Internet-Ding. Miss Leigh, manchmal machen Sie mich wahnsinnig.“

„Ich geb mein Bestes, gehört alles zum Service.“ Sie schenkte ihm ein genüssliches Lächeln wie nach einem heißen Liebesakt. Für einen kurzen Moment stellte er sich vor, wie sie nackt auf einem Laken lag. Leidenschaftlich und glühend. „Auf Wiedersehen, Mr. Finelli.“ Er sah zu, wie sich die Fahrstuhltür schloss, und dankte dem Gott für gutes Timing und dass sie wusste, wann man einem gefährlichen Spiel Einhalt gebieten musste. Sie brachte sein Blut in Wallung, das Feuer zwischen ihnen war heißer, als er jemals erwartet hätte. Keine Frau hatte es bisher geschafft, ihn wütend zu machen und ihn gleichzeitig so anzumachen. Er sagte zu der geschlossenen Fahrstuhltür: „Auf Wiedersehen, Ivy.“ Dann drehte er sich um, um über das Treppenhaus in den Operationstrakt zu gehen. Noch eine kleine Runde durch die Station, ein paar Vorbereitungen treffen, um Patienten und Angehörigen die Angst zu nehmen, dann kurz zum Sport und eine Kleinigkeit essen und schlafen gehen. Er musste morgen fit sein, für Ivy und für Runde zwei.

3. KAPITEL

Das ist dein Job, verdammt noch mal. Reiß dich zusammen. Solange Ivy das so sah, war alles gut. Sie hatte alles für ihren Job gegeben, ihr ganzes Erwachsenenleben. Und jetzt war sie da, wo sie sein wollte: leitende Juristin eines alteingesessenen und angesehenen Unternehmens. Da war nur noch diese kleine Hürde. Nur eine winzig kleine Hürde, die sie mit Leichtigkeit nehmen würde. Bis auf zwei Kleinigkeiten – ach halt den Mund. Blut konnte ihr nichts anhaben, und der Kerl, der mit dem Blut hantierte, auch nicht. Sie zog den Kittel über den Kopf und strich ihn glatt, schaute in den Spiegel und sah, wie ihre Hände zitterten, als sie sich die OP-Kappe aufsetzen wollte. Siehst gut aus, Mädchen. Dann sah sie sich um. Das St.-Carmen’s-Logo und der Umkleideraum erinnerten sie an das Foto. Ist sie dazu verdammt, sich ihr Leben lang an diesen Anblick zu erinnern? Die eine Ivy hoffte das und die andere würde es am liebsten aus dem Gedächtnis verbannen.

„Hey, Miss Leigh, sind Sie fertig?“ Nancy, die OP-Schwester, rief durch die Tür. „Wir gehen jetzt rein, der Chirurg ist da.“ Das hätte sie am allerliebsten gar nicht gehört. „Nur eine Sekunde, ich bin gleich da.“ Okay. Atmen. Tief ein. Und wieder aus. Ein. Aus. Du schaffst das. Ist reine Kopfsache. Sie hatte es unter Kontrolle. Sie wusste nicht, wovor sie sich mehr fürchtete: vor dem roten Zeug oder vor dem Mann, von dem sie letzte Nacht so unglaublich heiß geträumt hatte. Der Mann, den sie gestern beinahe geschnappt hätte, um ihm einen Kuss auf die selbstgefälligen Lippen zu drücken. Den sie eine Stunde lang versucht hatte ihrer Mitbewohnerin zu beschreiben – und es nur zu „absolut nervig sexy“ gebracht hat. Ja, sie fand, dass er sexy war. Genauso wie Becca und, offen gesagt, wie wohl alle anderen Frauen in der Klinik auch. Okay, jetzt wusste sie, dass sie funktionierende Hormone hatte – es gibt hier nichts zu sehen, bitte weitergehen. Der Mann, der dabei war, sie wie eine dumme Gans aussehen zu lassen, gottlob, er musste nicht viel dafür tun. Sie nahm noch zwei pflanzliche Beruhigungspillen und versuchte, ihre Befürchtungen wegzulutschen. Sie atmete noch ein paar Mal tief ein, dann wandte sie sich um. Es ging los. Der Geruch stieg ihr als Erstes in die Nase. Sie glaubte, dass er von dem braunen Zeug kam, das ein Mann in Kittel und Mundschutz einer Frau auf den Bauch pinselte, die bereits in Narkose lag. Das grelle Licht blendete sie … und da war dieses Geräusch. Sie hatte geglaubt, dass es hier ruhig sein würde, doch jemand hatte klassische Musik angemacht. Es war das einzig Beruhigende in diesem Raum. Ihr Herz klopfte, und das Unbehagen kehrte zurück, außerdem schwitzten ihre Hände. Jemand saß am Kopf der Frau und hantierte mit Schläuchen. Der Anästhesist, wie Ivy annahm. Sie hatte genug Erfahrung, um alle Anwesenden einordnen zu können. Eine Frau lächelte sie an und sortierte Instrumente, die aussahen wie aus der Folterkammer – Haken und Klammern. Ivy erschauerte und hielt sich im Hintergrund. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und fühlte sich ziemlich überflüssig. Sollte sie näher rangehen? Aber das würde bedeuten, dass sie einen allzu guten Blick auf das Geschehen haben würde. Der Mann mit dem braunen Zeug hob den Kopf, und Ivy erkannte, dass es Matteo war. Matteo. Nicht Mr. Finelli. Matteo. Den sie fast geküsst hatte. Das Erste, was sie von ihm sah, waren diese Augen. Stechend und dunkel schauten sie direkt auf sie. „Ah, Miss Leigh, Sie sind hier. Kommen Sie bitte rüber. Schön, dass Sie sich vom Papier hin und her schieben befreien konnten.“

„Schön, dass ich hier sein kann.“ Lügnerin.

„Kommen Sie näher, damit Sie einen besseren Blick haben, mein Team macht Platz für Sie. Tut mir leid, dass wir keine goldene Stuhlreihe reserviert haben, es ist ein bisschen eng hier. Vielleicht gelingt es Ihnen ja, Geld für einen Zuschauerraum zu beschaffen, das würde es uns allen einfacher machen.“ Sie schenkte ihm ein sarkastisches Lächeln. „Sie wissen, dass ich Anwältin bin und keine Geldbeschafferin. Aber ich werde es auf Ihre Wunschliste setzen, die länger wird, je weiter der Tag voranschreitet.“

„Ich weiß. Wir Chirurgen sind so fordernd, nicht? Sie glauben ja, wir würden Leben retten oder so etwas Ähnliches.“ Für einen Moment war er humorvoll, dann wurde er ganz professionell. „Diese Patientin heißt Emily. Sie spendet ihrer zwölfjährigen Tochter eine Niere, sie leidet an Nierenpolyzysteitis. Emilys Blutgruppe passt genau. Sie ist sportlich, keine Vorerkrankungen. Mit der Niere gibt sie ihrer Tochter die Chance auf ein normales Leben. Aber nur, wenn ihr Körper die Niere nicht abstößt, obwohl Lebendspenden generell besser angenommen werden. Sobald die Niere entfernt ist, werden ich und ein Team anderer Chirurgen …“ Er machte eine Pause und sah zu ihr herüber. „Stehen Sie da gut?“

„Ja, danke, mir geht es gut.“ Sie verlagerte ihr Gewicht von einem auf das andere Bein. Sie bemerkte, dass er sie noch immer ansah. Sein Blick wanderte zu ihren Füßen und wieder zurück zu ihrem Gesicht. „Es wird sehr lange dauern, im Ernst, es wird ein langer Tag. Möchte jemand einen Stuhl?“ Sein Ton war sanft, die Ironie war verschwunden. Er musste ihr Humpeln bemerkt haben. Verdammt. Wann hat er es bemerkt? Sie wollte von niemandem Mitleid, sie konnte für sich selbst sorgen. Er rief: „Eric? Haben wir hier irgendwo Stühle?“ Sollte sie hier vor allen Kollegen einen schwachen Eindruck machen? Vor ihm? Niemals. Sie schüttelte energisch ihren Kopf. Matteo hatte ein großes grünes Tuch in der Hand und fragte: „Sind Sie alle sicher?“ Sie wusste, dass er nur sie meinte. „Das ist Ihre letzte Chance. Wir beginnen jetzt und werden uns von jetzt an konzentrieren.“ Oh Gott. Einspruch, wollte sie rufen. Stopp! Aber stattdessen knetete sie nervös ihre Finger, um sich von ihrem rasenden Herzschlag abzulenken. „Mir geht es gut. Fangen Sie an.“

„Wie Sie wollen.“

Er nickte ihr zu, das Licht, das auf das Skalpell fiel, schimmerte unheimlich. „Es geht los. Unsere lapraskopische Nephrektomie beginnt.“ Ivy bemühte sich überallhin zu schauen, bloß nicht in Richtung der Patientin. Sie wollte kein Blut sehen müssen. Die rechte Seite des Operationssaals war ihr bereits äußerst vertraut und den Warnhinweis auf dem LED-Display über der Steckdose konnte sie schon auswendig. Das EKG-Gerät piepte, und sie starrte wieder auf das Display: viele kleine verwirrende Linien und Zahlen. Ein Stich fuhr durch ihren Rücken, und ihre Beine begannen wieder zu schmerzen. Sie konnte sich nirgends anlehnen – das hätte ihr sehr geholfen. Also stand sie da, versuchte die Gespräche, die Musik und den Geruch auszublenden. Drei Sonden ragten aus dem Bauch der Patientin heraus, Matteo konnte seine Handgriffe auf einem Bildschirm sehen. Seine Stimme war sanft und ruhig. Dafür, dass er so ein italienischer Macho war, war er ein sehr feinfühliger Chirurg. Er war ein geduldiger Lehrer, nahm sich Zeit, allen genau zu erklären, was er gerade tat – was wirklich großartig war. Diese Endoskopie war detailliert, präzise und sehr wirkungsvoll. Okay, sie hatte ihm unrecht getan. Wenn es darauf ankam, war er zu Patienten und Assistenten nicht arrogant. Aber er war immer noch nervig. Und sexy. Hatte sie das Wort nervig erwähnt? „Wir müssen die Vene zur Niere teilen, damit sie die optimale Länge für die Transplantation hat.“ Sie konzentrierte sich auf die Musik, seine Bemerkung machte sie ein wenig benommen. Vielleicht war es aber auch die Wärme im Operationssaal. Ihr Blick fiel wieder auf ihn, von seinem Gesicht mit dem Mundschutz weiter runter zum Hals. Seine Haut war sonnengebräunt, und sie sah, wie sich seine Unterarmmuskeln anspannten, während er arbeitete. Er stoppte, streckte sich und sah auf den Bildschirm. Als er sich wieder seiner Arbeit widmen wollte, trafen sich für einen Moment ihre Blicke. Sie hätte schwören könnten, dass er lächelte, sie wusste aber nicht, was es für ein Lächeln war. Wollte sie auch nicht. Nur ein Blick in diese Augen, und ihr Magen zog sich zusammen, Hitze durchströmte sie. Sie stellte sich vor, wie es wäre, schon morgens in diese Augen zu blicken, diese Haut zu spüren … Oder was passiert wäre, wenn sie ihn gestern im Fahrstuhl nicht weggeschoben hätte. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war, von Matteo berührt zu werden. Sie war keine Frau, die sich einfach hingab, un...

Autor

Fiona Mc Arthur
<p>Fiona MacArthur ist Hebamme und Lehrerin. Sie ist Mutter von fünf Söhnen und ist mit ihrem persönlichen Helden, einem pensionierten Rettungssanitäter, verheiratet. Die australische Schriftstellerin schreibt medizinische Liebesromane, meistens über Geburt und Geburtshilfe.</p>
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Alison Roberts
<p>Alison wurde in Dunedin, Neuseeland, geboren. Doch die Schule besuchte sie in London, weil ihr Vater, ein Arzt, aus beruflichen Gründen nach England ging. Später zogen sie nach Washington. Nach längerer Zeit im Ausland kehrte die Familie zurück nach Dunedin, wo Alison dann zur Grundschullehrerin ausgebildet wurde. Sie fand eine...
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