Julia Best of Band 264

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EIN KUSS FÜR JEDES "JA"
Der begehrte Sunnyboy Gabe hat absolut keine Lust zu einem Interview über seine spektakuläre Rettungsaktion! Die schöne Lizzy ist allerdings eine Frau, die man nicht einfach fortschickt. Und so ködert er sie mit einem Spiel: Pro Treffen mit ihm erhält sie eine Antwort!

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VIEL ZU SEXY!
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  • Erscheinungstag 14.04.2023
  • Bandnummer 264
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519250
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lori Foster

JULIA BEST OF BAND 264

1. KAPITEL

„Ist er nicht der erotischste Mann, den du je gesehen hast?“

„Hm. Und dem Himmel sei Dank für diese Hitzewelle. Ich liebe es, wenn er kein Hemd trägt.“ Ein wehmütiges Seufzen folgte. „Ich schwöre dir, ich könnte den ganzen Tag lang hier sitzen und ihn ansehen.“

Gabe Kasper stellte sich schlafend und musste ein Grinsen unterdrücken. Das Leben war schön. Hier lag er ausgestreckt in der warmen Sonne, während die Wellen sanft an den Anlegesteg schwappten. Er hielt eine Angel in der Hand, hatte den Schirm seiner Baseballmütze tief über die Augen gezogen, und eine Schar gut aussehender Frauen beobachtete ihn verliebt. Was für ein Leben! Mehr konnte man wirklich nicht verlangen.

„Er ist so wundervoll.“

„Und er sieht toll aus. Ich mag seinen Dreitagebart.“

Aha. Dabei hatte sein Bruder behauptet, die Bartstoppeln sähen anrüchig aus, und wollte ihn dazu überreden, sich zu rasieren. Manchmal konnte Jordan wirklich spießig sein.

„Ich mag die goldblonden Härchen auf seinem Körper.“

Fast hätte Gabe laut losgelacht. Er konnte es kaum erwarten, seinen Brüdern davon zu erzählen. Jetzt, wo die beiden ältesten verheiratet waren, bekamen Gabe und Jordan, die beiden Singles, umso mehr Aufmerksamkeit. Nicht, dass Gabe sich deswegen beklagte. Weibliche Bewunderung gehörte zu den Dingen, von denen er nie genug bekommen konnte.

„Ich muss dir gestehen, Rosemary, dass es mich nervös gemacht hat, als die ersten beiden Brüder heirateten. Ich habe zwei Tage lang geweint und hatte solche Angst, sie würden alle heiraten. Abgesehen davon, dass ich selbst einen von ihnen will, sind diese Brüder schließlich die größte Touristenattraktion hier in Buckhorn.“

Gabe biss sich auf die Lippe. Diesen kleinen Leckerbissen würde er bei seinem Bericht für sich behalten. Die Egos seiner Brüder – besonders Morgans – waren auch so schon groß genug. Nein, er würde nur die Komplimente über sich wiedergeben.

„Gabe ist der Hauptanziehungspunkt für meinen Bootsanleger. Wenn er hier sitzt, will niemand woanders Treibstoff oder Köder kaufen. Ich denke immer, ich sollte ihm eigentlich etwas dafür bezahlen.“

„Ha! Du hoffst bloß, ihm etwas näherzukommen.“

„Nein, ich will nur sichergehen, dass er seinen sexy Körper nicht auf einem anderen Anleger zur Schau stellt.“

„Das wollen wir hoffen!“

Dieser Bemerkung folgte Gekicher, und Gabe seufzte. Er hatte nicht die Absicht, diesem Bootsanleger untreu zu werden. Schließlich ließ Rosemarys Dad ihn auf seinem Anleger faulenzen, seit er ein kleiner Junge war und zum ersten Mal festgestellt hatte, was für ein Vergnügen es war, Frauen in Bikinis zu sehen. Inzwischen war ihm dieser Ort fast zu einem zweiten Zuhause geworden. Und seit Rosemarys Dad gestorben war, empfand er es als Ehrensache, dort zu bleiben und gelegentlich auszuhelfen. Wichtig war nur, Rosemary von Heiratsgedanken abzuhalten.

„Eigentlich sind sie ja nur Halbbrüder. Vielleicht ist das der Grund, warum sie sich nicht ähnlich sehen.“

„Aber sie sind alle auf ihre Art attraktiv und starke Persönlichkeiten. Mein Daddy sagte immer, es braucht schon eine außergewöhnliche Frau, um solche Jungs großzuziehen. Ich wünschte nur, sie würden nicht so weit draußen auf dem Land wohnen. Es ist gar nicht so einfach, sich jedes Mal einen Vorwand für einen Besuch einfallen zu lassen. Man kann ihnen ja leider nicht scheinbar zufällig über den Weg laufen, wie den anderen Männern in der Stadt.“

Gabe musste grinsen und wollte gerade aufhören, sich schlafend zu stellen, als er eine neue weibliche Stimme hörte.

„Entschuldigen Sie bitte, aber man sagte mir, ich würde Gabriel Kasper möglicherweise hier finden.“ Es war eher eine Feststellung, und sie klang recht scharf.

Die Frau kam nicht aus der Gegend, und ihre Stimme war weder sanft noch freundlich und hatte einen leichten Südstaatenakzent. Sie klang beinah ungeduldig.

Gabe entschloss sich abzuwarten und herauszufinden, was die Frau wollte. Es war nicht ungewöhnlich, dass eine Frau ihn suchte, und fast jeder in der Gegend wusste, dass man ihn im Sommer häufig am See antraf. Er widerstand dem Wunsch, hinüberzuspähen, um zu sehen, wem die Stimme gehörte.

„Was wollen Sie denn von Gabe?“ Die misstrauische Frage kam von Rosemary. Gepriesen sei ihr Mut!, dachte Gabe und nahm sich vor, sie bald mal zum Essen einzuladen.

Es folgte ein kurzes Schweigen. Dann sagte die fremde Stimme: „Ich habe eine persönliche Angelegenheit mit ihm zu besprechen.“

Na fabelhaft, dachte Gabe. Das wird für Gesprächsstoff sorgen. Was für eine persönliche Angelegenheit konnte ihn mit einer Frau verbinden, die er gar nicht kannte?

„Na ja, er ist zwar hier, aber er entspannt sich gerade und wird nicht erfreut sein, wenn Sie ihn stören.“

„Ich weiß Ihre Warnung zu schätzen.“

Da Gabe daran gewöhnt war, die leisen Schritte von Turnschuhen oder nackten Füßen auf den Holzplanken des Anlegers zu hören, zuckte er beinah zusammen, als er das harte Klacken von hohen Absätzen vernahm. Er ignorierte es ebenso wie die Frau, die jetzt offenbar zögernd neben seinem Liegestuhl stehen blieb. Eine leichte Brise wehte einen schwachen weiblichen Duft zu ihm herüber. Es war kein Parfüm, eher Bodylotion oder Shampoo. Er atmete tief ein, rührte sich sonst jedoch nicht.

Er hörte, wie die Fremde sich räusperte. „Äh … entschuldigen Sie.“

Sie klang jetzt nicht mehr so selbstsicher. Gabe wartete und fragte sich, ob sie ihn aufwecken würde. Er spürte ihr Zögern und ahnte, dass sie die Hand nach seiner nackten Schulter ausstreckte.

In diesem Moment wurde ihm die Angel fast aus den Händen gerissen.

„Was zur Hölle …“ Gabe sprang auf, und es gelang ihm kaum, die teure Angelrute festzuhalten. Er stemmte Füße auf den Anlegesteg, während er mit dem Fisch am Haken kämpfte. „Verdammt, ist das ein großer Bursche!“

Rosemary, Darlene und Ceily rannten zu ihm.

„Ich hole den Käscher!“, rief Rosemary.

Ceily, die normalerweise das Lokal in der Stadt führte, kreischte beim Anblick des großen hässlichen Karpfens, der aus dem Wasser sprang. Darlene presste sich an Gabes Rücken und schaute ihm über die Schulter.

Gabe schlitterte zur Seite des Stegs und die moosbewachsene Bootsrampe aus Beton hinunter. Breitbeinig stemmte er sich gegen den Boden, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, während er mit dem Fisch kämpfte. Rosemary, eine erfahrene Anglerin, eilte ihm ohne zu zögern zu Hilfe. Sie hielt den Käscher bereit. Als Gabe den Karpfen nah genug herangeholt hatte, fing sie ihn mit dem Netz ein. Der Fisch wog sicher gute fünfzehn Pfund, und Rosemary kämpfte mit ihm, während Gabe nach dem Käscher griff und gleichzeitig seine Angelrute festhielt.

Plötzlich verlor Rosemary den Halt. Gabe versuchte sie aufzufangen, was ihm aber nicht gelang. Zusammen fielen sie ins Wasser, planschend, fluchend und lachend. Die Angel wurde Gabe aus der Hand gerissen, und er hechtete ihr nach, wobei er vollständig nass wurde. Die anderen beiden Frauen sprangen ihnen zu Hilfe, und am Ende kämpften alle ausgelassen mit dem Fisch und der Angel.

Als die Schlacht vorüber war, hatte Gabe seinen Fisch und eine Frau auf dem Schoß. Rosemary hatte sich dort niedergelassen, während Darlene und Ceily sich kichernd an ihn klammerten. Gabe kannte alle drei seit der Grundschule. Es war also nicht das erste Mal, dass sie im Wasser tobten. Sie waren einander sehr vertraut, und das merkte man. Ein langer Algenfaden hing von Gabes Kopf, was die Frauen erneut zum Lachen brachte.

Gabe nahm den Fisch vom Haken, gab ihm einen Kuss und warf ihn zurück ins Wasser.

Auf dem Anlegesteg war das Klacken von hohen Absätzen zu hören.

Alle vier drehten sich zu der Frau um, die Gabe erst jetzt wieder einfiel. Er musste die Augen mit der Hand beschirmen, um sehen zu können. Das war nicht einfach mit drei Frauen, die sich an ihn klammerten.

Im Sonnenlicht sahen ihre langen Haare leuchtend rot aus. Außerdem hatte Gabe noch nie so viele Sommersprossen an einer Frau gesehen. Sie trug eine weiße Bluse, einen langen Jeansrock, blaue Pumps und Nylonstrümpfe. Nylonstrümpfe bei dieser Hitze? Gabe blinzelte. „Kann ich Ihnen helfen, Süße?“

Sie presste die Lippen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das glaube ich kaum. Ich suche Gabriel Kasper.“

„Das dürfte ich sein.“

„Aber ich suche nach Gabriel Kasper, dem Helden der Stadt.“

Darlene grinste breit. „Das ist unser Gabe!“

„Der Unvergleichliche“, fügte Ceily hinzu.

Gabe verdrehte die Augen. „Das ist Unsinn, und das wisst ihr.“

Die Frauen widersprachen ihm alle gleichzeitig und versicherten ihm, wie heldenhaft und wundervoll und vieles mehr er war.

Die Rothaarige starrte ihn ungläubig an. „Soll das heißen, dass Sie derjenige sind, der die Schwimmer gerettet hat?“

Behutsam hob Gabe Rosemary von seinem Schoß und stand vorsichtig auf dem rutschigen Beton auf. Die Frauen waren jetzt still, und Gabe erkannte, wieso. Während sie mit ihren bunten Bikinis, den offenen Haaren und der sonnengebräunten Haut sexy aussahen, wirkte die Frau auf dem Anlegesteg wie die strenge Direktorin eines Mädcheninternats. Sie sah alle vier mit finsterer Miene an, als hätte sie sie bei einer Orgie im See erwischt statt beim ausgelassenen Herumtoben.

Gabe, ganz der Gentleman, half seinen alten Freundinnen, wieder auf den Steg zu klettern, und zog sich schließlich selbst hinauf. Er schüttelte sich wie ein Hund, sodass kalte Wassertropfen umherflogen. Die Fremde wich rasch zwei Schritte zurück.

Rosemary zupfte ihm die Algen aus den Haaren. Gabe wandte sich lächelnd an sie. „Danke, Süße. Hättet ihr Mädels etwas dagegen, wenn ich mich kurz unterhalte mit …“ Er sah fragend zu der Rothaarigen.

„Elizabeth Parks“, antwortete sie steif. Sie hielt einen Notizblock und einen Kugelschreiber umklammert. Um die Schulter hatte sie eine riesige Tasche hängen, die von Papieren überquoll.

„Ja, kann ich mich einen Moment mit Miss Parks unterhalten?“ Er hegte den leisen Verdacht, dass Miss Parks eine weitere Reporterin war, und er hatte die Absicht, sie möglichst schnell abzuwimmeln. „Es wird nicht lange dauern.“

„Klar, Gabe. Aber du schuldest uns was dafür, dass wir deinen Fisch gerettet haben.“

„Das stimmt. Und ich verspreche, dass ich mir etwas Angemessenes einfallen lassen werde.“

Erneut kichernd machten sich die Frauen mit einem sexy Hüftschwung auf den Weg. Zwei Boote legten an, daher würden die Frauen damit beschäftigt sein, Treibstoff, Köder oder sonstige Dinge an die Urlauber zu verkaufen.

Gabe wandte sich an die Rothaarige.

„Was kann ich für Sie tun?“

Jetzt, wo er nicht mehr von der Sonne geblendet wurde, registrierte er, dass sie die blauesten Augen besaß, die er je gesehen hatte. Sie hoben sich leuchtend ab von ihren hellroten Haaren und den zahlreichen Sommersprossen.

Sie öffnete ihre Tasche und nahm eine gefaltete Zeitung heraus, die sie ihm hinhielt. Mit einem noch immer leicht ungläubigen Unterton fragte sie: „Sind Sie das?“

Gabe brauchte gar nicht erst einen Blick auf die Zeitung zu werfen. Buckhorn, Kentucky, war eine kleine Stadt, in der selten etwas Außergewöhnliches geschah. Daher war es kein Wunder, dass die „Buckhorn Press“ ausführlich darüber berichtet hatte, als er ein paar Schwimmer vor einem führerlosen Boot rettete. Es war nicht annähernd eine heldenhafte Tat gewesen, aber für die „Buckhorn Press“ waren Menschenleben in Gefahr ein Knüller.

„Ja, das bin ich.“ Gabe setzte seine verspiegelte Sonnenbrille auf und strich sich mit beiden Händen die nassen Haare zurück. Dann setzte er sich seine Mütze mit dem Schirm nach hinten auf und sah die Frau wieder an. Dank der Sonnenbrille konnte er sie besser mustern, ohne dass sie es bemerkte.

Viel konnte er wegen der Kleidung, die sie trug, jedoch nicht erkennen. In dem dicken Jeansstoff und der Baumwolle musste sie schwitzen.

Sie räusperte sich. „Nun, wenn das wirklich stimmt, würde ich Sie gern interviewen.“

Gabe bückte sich und nahm eine Dose Cola aus der Kühltasche neben seinem Liegestuhl. „Möchten Sie auch eine?“

„Nein danke.“ Sie wich hastig zurück, um ihm nicht zu nahe zu kommen. Das ärgerte ihn.

Nachdem Gabe die Dose aufgerissen und zur Hälfte geleert hatte, fragte er: „Für welche Zeitung arbeiten Sie?“

„Oh, ich bin kein …“

„Ich bin nämlich nicht daran interessiert, noch einmal interviewt zu werden“, unterbrach er sie. „Jede verdammte Zeitung im Umkreis von hundert Meilen hat diese blöde Geschichte aufgegriffen. Allmählich lassen mich die Leute, einschließlich meiner Brüder, wieder in Ruhe, und ich will nicht, dass diese alberne Sache wieder belebt wird.“

Miss Parks deutete auf die Zeitung. „Sind Sie ins Wasser gesprungen und haben eine Frau mit ihren zwei Kindern aus dem See gerettet, nachdem ein betrunkener Mann aus seinem Boot gefallen war und es daraufhin führerlos umherraste, oder nicht?“

Gabe verzog das Gesicht. „Schon, aber …“

„Niemand sonst half. Alle standen nur herum, während das führerlose Boot auf die unglücklichen Schwimmer zufuhr.“

„Unglückliche Schwimmer?“ Er schnaubte über ihre Wortwahl. „Jeder meiner Brüder hätte dasselbe getan …“

„Und stimmt es, dass es Ihnen gelungen ist, in das Boot zu gelangen?“ Sie sah von der Zeitung auf. „Ich würde mir übrigens gern erklären lassen, wie Sie das gemacht haben. Wie konnten Sie in das umherrasende Boot kommen, ohne von der Schraube zerstückelt zu werden. Hatten Sie gar keine Angst?“

Gabe starrte sie an. Selbst ihre Wimpern waren rötlich. Wenn die Sonne darauf schien, schimmerten die Spitzen golden. Sie kniff die Augen wegen der Sonne zusammen, was die Sommersprossen auf ihrer Nase noch mehr hervorhob. Abgesehen von den Sommersprossen war ihre Haut glatt und rein und …

Er nahm sich zusammen. „Hören Sie, Süße, ich sagte doch, dass ich ein Interview ablehne.“

Sie zog die Brauen zusammen. „Mein Name ist Miss Parks oder Elizabeth, vielen Dank.“ Nach dieser Rüge fügte sie hinzu: „Die anderen Helden wollten sich alle interviewen lassen. Warum Sie nicht?“ Sie stand da mit dem Kugelschreiber über dem Notizblock, als wollte sie jedes seiner Worte aufschreiben.

Gabe fluchte. Tiefgründige Äußerungen waren nicht gerade seine Stärke. Sie kosteten zu viel Mühe. „Welche anderen?“

„Die anderen Helden.“

Ihre langen Haare kringelten sich in der feuchten Luft. Hinten reichten sie ihr fast bis zum Po hinunter, vorn waren sie mit einer riesigen Spange zurückgesteckt. Kleine Löckchen klebten ihr an den Schläfen. Die längeren Haare drehten sich langsam auf wie Korkenzieherlocken. Das faszinierte Gabe.

Die Vorderseite ihrer weißen Bluse wurde allmählich ebenfalls feucht, sodass Gabe den schlichten weißen BH darunter erkennen konnte. Was brachte eine Frau dazu, während einer Hitzewelle an einem Ausflugssee in einem solchen Aufzug herumzulaufen?

„Na schön, eins nach dem anderen. Erstens, ich werde Ihnen kein Interview geben. Punkt. Zweitens, ich gebe zu, dass ich neugierig bin, was es mit den anderen Helden auf sich hat. Und drittens, möchten Sie nicht lieber in den Schatten gehen? Ihr Gesicht ist schon ganz rot.“

Ihre Gesichtsfarbe wurde noch intensiver. Ihre Haut schien förmlich zu glühen.

„Ich … ich werde immer rot“, erklärte sie ein wenig verlegen. „Rothaarige haben eben eine empfindliche Haut.“

„Und Ihre Haare sind wirklich außergewöhnlich rot, im Vergleich zu den meisten.“

„Ja, dessen bin ich mir bewusst.“

Sie wirkte nach wie vor leicht pikiert, als hätte er sie beleidigt. Dabei waren ihre roten Haare ja kein Geheimnis.

Gabe musste sich zusammennehmen, um nicht zu grinsen. „Was meinen Sie? Wollen Sie sich mit mir in den Schatten setzen? Dort drüben ist eine hübsche Ulme. Kommen Sie.“ Ohne auf ihre Zustimmung zu warten, nahm er seine Kühltasche, umfasste Elizabeths Arm und führte sie vom Anlegesteg über eine Befestigungsmauer aus grobem Stein und über den Rasen. Eine große Wurzel der Ulme ragte aus dem Boden und bot einen bequemen Sitzplatz.

Gabe drängte Elizabeth, sich zu setzen, da er befürchtete, sie könnte jeden Moment ohnmächtig werden. „Ruhen Sie sich einen Moment aus. Ich werde Ihnen eine Limonade geben.“

Sie strich ihren Rock glatt und bedeckte so viel Haut wie möglich. Gleichzeitig balancierte sie den Notizblock und schob ihre schwere Tasche zurecht. „Nein danke. Wirklich, ich …“

Doch er hatte schon eine Dose geöffnet. „Hier, trinken Sie.“ Er drückte ihr die Dose in die Hand und wartete, bis sie gehorsam daran genippt hatte. „Geht es Ihnen besser?“

„Ja, danke.“

Sie benahm sich so argwöhnisch, dass er unweigerlich neugierig wurde. Sie war nicht sein Typ – dazu war sie viel zu aufdringlich, zu steif und … rothaarig. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sie in der Sonne schmoren lassen würde. Seine Mutter würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn sie annehmen müsste, dass er einer Lady gegenüber unhöflich wäre. Jeder Lady. Außerdem war sie auf ihre gezierte Art niedlich.

Gabe nahm sich eine Cola und setzte sich auf die Kühltasche. Er beobachtete Elizabeth, während sie trank. „Erzählen Sie mir von diesen Helden.“

Sie leckte sich vorsichtig die Lippen und stellte die Dose ins Gras, bevor sie Gabe ansah. „Ich schreibe an meiner Doktorarbeit. Bisher habe ich ungefähr ein halbes Dutzend Männer befragt, die kürzlich für heldenhafte Taten gelobt worden sind. Bis jetzt waren es alles ähnliche Charaktere. Aber Sie …“

„Im Ernst? Was für einen Charakter haben Helden?“

„Bevor ich Ihnen das verrate, würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Ich möchte nicht, dass Ihre Antworten von denen der anderen beeinflusst sind.“

Gabe runzelte die Stirn und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Glauben Sie, ich würde lügen?“

„Nein!“, versicherte sie ihm rasch. „Nicht bewusst. Aber damit meine Arbeit unverfälscht bleibt, führe ich die Interviews lieber alle auf die gleiche Weise.“

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich nicht interviewt werden möchte.“ Er musterte sie, bemerkte ihre Frustration und tippte darauf, dass seine mangelnde Kooperationsbereitschaft nicht dem typischen Verhalten eines Helden entsprach.

Nach einer Weile sagte sie: „Na schön. Kann ich Sie etwas ganz anderes fragen?“

„Kommt drauf an. Fragen Sie, dann werde ich sehen, ob ich antworten will.“

„Wieso haben Sie den Fisch wieder ins Wasser geworfen?“

Gabe sah über die Schulter zum See. „Den Fisch, den ich gerade gefangen habe?“

„Ja. Wieso angeln Sie, wenn Sie Ihren Fang nicht behalten?“

Er lachte leise. „Sie kommen nicht oft an den See, nicht wahr?“ Gabe schaute sie neugierig an.

„Ich bin nicht aus der Gegend. Ich bin nur hier …“

„Um mich zu interviewen?“

„Ganz recht.“ Sie trank einen weiteren Schluck Limonade und erklärte: „Ich habe eine Wohnung gemietet und bleibe den ganzen Monat, bis das Studium wieder beginnt. Bis dahin will ich sämtliche Recherchen beendet haben. Ich dachte, ich sei schon fertig, und wollte einen Kurzurlaub machen, als ich in der Zeitung von Ihnen las und mich entschied, noch ein weiteres Gespräch zu führen.“

„Sie arbeiten also in Ihren Ferien?“ Er schnaubte. Das war schlichtweg verrückt. Urlaub war zum Entspannen da, und die Vorstellung, dass jemand seinen Urlaub damit vergeudete, ihm auf die Nerven zu gehen, erschien ihm absurd.

„Sagen wir, ich hoffte, meinen Urlaub mit diesem Interview verbinden zu können. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Ihre Situation erschien mir einzigartig, und jedes Mal, wenn Sie zitiert wurden, sprachen Sie von jemand anderem.“

„Ich erinnere mich.“ Die Leute, von denen er geredet hatte, waren viel interessanter als alles, was er über sich zu erzählen hatte.

„Sie redeten davon, wie mutig die beiden kleinen Kinder gewesen seien …“

„Es waren ja auch süße Kinder …“

„… und Sie hielten eine strenge Strafpredigt über Alkohol und Wassersport.“

„Dies ist sozusagen ein trockener See, was bedeutet, dass Alkohol nicht erlaubt ist. Dieser Trottel, der aus seinem Boot gefallen ist, hätte jemanden umbringen können.“

Die natürliche Sinnlichkeit ihres scheuen Blicks verblüffte ihn. Sie war bisher so förmlich gewesen, dass er damit nicht gerechnet hatte.

„Aber Sie sagen ständig, die Situation sei nicht gefährlich gewesen.“

„Das war sie auch nicht. Zumindest für mich nicht.“

Sie wirkte zufrieden und schrieb etwas auf ihren Block. Gabe beschloss, es genauer zu erklären, ehe sie irgendwelche falschen Vorstellungen bekam. „Na ja, ich bin schon wie ein Fisch geschwommen, als ich noch Windeln trug. Ich bin in diesem See geschwommen, noch bevor ich laufen konnte. Meine Brüder brachten mir mit knapp fünf Jahren das Wasserskifahren bei, und ich kenne mich sehr gut mit Booten aus. Es bestand überhaupt kein Risiko für mich, also kann man mich auch keinen Helden nennen.“

„Das behaupten Sie. Alle anderen scheinen da anderer Ansicht zu sein.“

„Süße, Sie kennen Buckhorn nicht. Diese Stadt ist so ruhig und friedlich, dass jedes kleinste Ereignis für Schlagzeilen sorgt. Einmal brach eine Kuh aus und marschierte auf den Kirchhof. Der Verkehr kam meilenweit zum Erliegen, weil alle gafften. Die Feuerwehr tauchte auf, zusammen mit meinem Bruder, der hier Sheriff ist, und die ‚Buckhorn Press‘ sandte alle ihre Starreporter, um über die Sache zu berichten.“

„Alle ihre Starreporter?“

Er grinste. „Ja, alle beide. So ist das hier. Der Gemeinderat versammelt sich, um darüber abzustimmen, ob man die Birnen der Straßenbeleuchtung auswechseln soll oder nicht. Und letztes Jahr, als Mrs. Rommens Kätzchen vermisst wurde, formierte sich ein Suchtrupp, der drei Tage lang den Ort durchkämmte, bis wir den kleinen Ausreißer gefunden hatten.“

Elizabeth schrieb hastig mit, was Gabe ärgerte. Schließlich sah sie auf. „Wir?“

Er legte den Kopf schief und musterte sie. Sie hatte ein hübsches Lächeln, wenn er es genau betrachtete, und hübsche volle Lippen. Seine Miene verfinsterte sich. „Miss Parks, Sie glauben doch nicht, dass ich mich vor meinen Bürgerpflichten drücke, oder? Besonders, da die alte Dame ihren kleinen Kater so liebt.“

Sie grinste erneut, sodass zwischen ihren zahlreichen Sommersprossen Grübchen entstanden, was ihren Mund noch anziehender machte. Dann begann sie wieder zu schreiben. Gabe beugte sich vor, um zu sehen, was genau sie aufs Papier kritzelte, doch sie presste den Block hastig an die Brust.

„Was machen Sie da?“, fragte sie atemlos.

Gabe hob eine Braue. „Ich wollte nur mal sehen, was Sie für so bemerkenswert halten.“

„Oh, tut mir leid.“ Sie ließ den Block sinken, doch der Schaden war bereits angerichtet. Die Vorderseite ihrer feuchten weißen Bluse war mit dunkler Kugelschreibertinte verschmiert.

Gabe trank einen Schluck Cola. „Sieht so aus, als müssten Sie sich sauber machen.“ Er stand auf. „Sie sollten wohl besser nach Hause fahren, um das zu tun.“

Rasch stand sie ebenfalls auf. „Aber ich habe Ihnen ja noch gar nicht meine Fragen gestellt.“

„Das werden Sie auch nicht. Ich will mich nicht interviewen lassen. Aber wenn Sie es so brennend interessiert – ich habe den Fisch freigelassen, weil es ein Karpfen war. Der schmeckt nicht besonders und ist mühsam zu säubern. Barsche sind eher nach meinem Geschmack. Was jedoch keine Rolle spielt, wenn man nur aus Spaß angelt, was ich gewöhnlich tue. Sie sollten es irgendwann mal versuchen.“ Er musterte sie. „Ein bisschen lockerer werden, meine ich. Das würde Ihnen guttun.“

Er wandte sich zum Gehen. Sie folgte ihm und versuchte mit ihm Schritt zu halten. „Gabriel … Mr. Kasper.“

„Nennen Sie mich ruhig Gabe. Es sei denn, Sie wollen mir weitere Fragen stellen.“ Er sprach, ohne sie anzusehen, denn er wollte weg, bevor ihm außer ihren Lippen noch mehr an ihr auffiel. Zum Beispiel, wie reizvoll ihre gestärkte weiße Bluse wegen der Luftfeuchtigkeit an ihren Brüsten klebte. Er war sich nach wie vor nicht sicher, vermutete jedoch, dass sie unter all ihrer formellen Kleidung ganz hübsch gebaut war. Und solche Vermutungen konnten einen Mann schrecklich durcheinanderbringen.

Nur gehörte sie nicht zu der Sorte Frau, von der er sich durcheinanderbringen lassen wollte. Offenbar hatte sie einen genauen Zeitplan, wohingegen er keine Pläne machte, sondern einfach in den Tag hineinlebte.

„Gabe, es handelt sich wirklich nicht um ein langes Interview. Es besteht überhaupt kein Anlass für Ihre Scheu.“

Er musste lachen. Kopfschüttelnd trat er auf den Anlegesteg und sah sie an. „Scheu bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht genannt worden. Ich bin einfach nicht an solchen Albernheiten interessiert.“ Er nahm Sonnenbrille und Mütze ab, legte beides auf seinen Liegestuhl und warf einen dick aufgepumpten Reifenschlauch in den See. „Ich werde mich jetzt ein wenig abkühlen. Sie können entweder aus Ihren Sachen steigen und mir Gesellschaft leisten, bevor die Hitze Sie umbringt, oder Sie suchen sich einen anderen Deppen, den Sie interviewen können. Aber mir stellen Sie keine weiteren Fragen.“ Bevor er sich endgültig abwandte, fügte er hinzu: „War nett, Sie kennenzulernen.“ Dann sprang er kopfüber ins Wasser.

Er war sicher, dass er sie nass gespritzt hatte, doch er drehte sich nicht um. Zuerst jedenfalls nicht.

Elizabeth stand eine lange Zeit da. Er war sich ihrer Gegenwart seltsam bewusst, während er auf den Reifenschlauch kletterte und es sich darauf bequem machte. Mit einem Auge spähte er zu ihr hinüber und sah sie in der Hitze schmoren. Dann warf sie ihm einen letzten finsteren Blick zu und marschierte davon.

Endlich. Lass sie gehen, sagte er sich.

Ihn einen Helden zu nennen – was für ein Unsinn. Seine Brüder waren echte Helden. Selbst diese Kinder, die ruhig geblieben waren und nicht gejammert hatten, konnte man kleine Helden nennen. Aber nicht ihn.

Er begann sich zu entspannen und tauchte seine Mütze ins kühle Wasser, um seine Haare nass zu machen. Träge ließ er die Arme im Wasser treiben. Erst als er sah, wie die Rothaarige bei Rosemary stehen blieb, war seine Aufmerksamkeit wieder geweckt. Sie deutete auf Gabe und zog ihren Notizblock aus der Tasche, als Rosemary anfing loszuplappern. Zu allem Überfluss kamen Ceily und Darlene näher und beteiligten sich.

Verdammt! Sie sammelte Klatsch über ihn!

Als er ihr gesagt hatte, sie solle jemand anderen befragen, hatte er damit jemanden gemeint, der nicht über ihn reden würde. Irgendwen, der nicht am See war, ja nicht einmal in Buckhorn!

Rosemarys Mund bewegte sich schnell, und Gabe konnte sich nur vorstellen, was gesagt wurde. Frustriert knirschte er mit den Zähnen.

Zwei Frauen in einem Boot am Anleger begannen mit ihm zu flirten, doch Gabe nahm es kaum wahr. Er starrte zu Rosemary und wünschte, sie würde den Mund halten. Andererseits wollte er wegen der ganzen Angelegenheit auch nicht allzu besorgt wirken. Wieso war die Rothaarige so penetrant? Er hatte ihr doch erklärt, dass er kein Held war und dass sie ihn für ihre Untersuchung, oder was immer sie durchführte, nicht brauchte. Konnte sie es nicht dabei bewenden lassen?

Eine der Frauen von dem vertäuten Boot – einem sehr schönen Boot, das mehr kostete als manches Haus – sprang ins Wasser und schwamm zu ihm. Gabe lächelte ihr abwesend zu.

Es lag in seiner Natur zu flirten. Er schien nichts dagegen tun zu können, und er war noch nie einer Frau begegnet, die etwas dagegen gehabt hätte. Diese Frau hatte ganz sicher nichts dagegen. Sie fasste sein Lächeln als Einladung auf.

Doch sobald er der Rothaarigen auch nur ein bisschen näher gekommen war, war sie erstarrt, als wäre er eine gefährliche Wasserschlange, die sie beißen wollte. Offenbar war sie lediglich an seinen Gedanken interessiert, an sonst nichts.

Eine seltsame Frau.

Sie verließ Rosemary mit einem freundlichen Winken. Gabe atmete erleichtert auf – bis sie ein paar Meter weiter erneut stehen blieb, und zwar diesmal bei Bear, dem Mechaniker, der für Rosemary an einem Bootsmotor arbeitete. Gabe half Bear regelmäßig, wenn er zu viel zu tun hatte. Doch erinnerte sich Bear jetzt daran? Gabe schnaubte verächtlich. Der alte stoppelbärtige Kerl musterte die Rothaarige wachsam, schaute zu Gabe, und ein Grinsen breitete sich auf seinem faltigen Gesicht aus. Im Nu huschte Elizabeths Stift wieder übers Papier.

„Verdammt.“ Geschickt kippte Gabe den Schlauch und glitt seitlich ins Wasser. Die plötzliche Kühle konnte seinen Zorn nicht dämpfen. Den Blick auf diese neugierige Frau gerichtet, schwamm er zum Anleger, wobei er den Schlauch hinter sich herzog. Kaum war er dort angekommen, war auch die Frau vom Boot dort.

„Sie wollen doch wohl nicht schon aufbrechen, wo ich gerade hier bin, oder?“

Gabe drehte sich um. Er hatte die Frau ganz vergessen, was ihn selbst erstaunte. Sie stand im hüfttiefen Wasser, und nach dem zu urteilen, was er sehen konnte, war sie kurvenreich gebaut, mit langen Beinen und langen blonden Haaren. Ihre üppigen Brüste quollen förmlich aus ihrem äußerst knappen Bikinioberteil. Eigentlich hätte sie seine ganze Aufmerksamkeit bekommen müssen. Stattdessen war er von einer verklemmten Rothaarigen mit Sommersprossen abgelenkt, die schon zusammenzuckte, sobald er sie nur ansah.

Gabe schaute zu Elizabeth Parks, und ihre Blicke trafen sich. Er hatte ihr klarmachen wollen, wie viel Neugier er tolerierte. Doch dann überlegte er es sich anders.

Offenbar war sie wütend. Ihre blauen Augen starrten ihn an, und sie hatte endlich aufgehört zu schreiben. Erst jetzt bemerkte Gabe, dass seine Schwimmgefährtin seinen Arm festhielt – was Elizabeth anscheinend heftig missbilligte. Erneut machte sie ein Gesicht wie eine Schulaufseherin und stand stocksteif da. Na ja, das war schon besser.

Mit einem strahlenden Lächeln wandte sich Gabe an die Blonde. Vielleicht erwies sich das Ganze noch als amüsant.

2. KAPITEL

Elizabeth kniff die Augen zusammen und beobachtete, wie Gabriel Kasper seinen Charme versprühte. Wollten sich eigentlich alle Frauen an ihn hängen? Rosemary, Darlene, Ceily und die sexy Badenixe? Sie schienen von überall her zu kommen, nur um ihn zu umgarnen. Kein Wunder, dass er ihr so ganz … anders als die anderen vorkam.

Die Männer, die sie bis jetzt interviewt hatte, waren stolz auf ihre Heldentaten gewesen. Keiner von ihnen hatte sich geweigert, sich von ihr befragen zu lassen. Und keiner hatte sie so demonstrativ ignoriert.

Gabriel Kasper war ihr ein Rätsel.

„Machen Sie sich nichts draus, Miss. Gabe kriegt immer jede Menge Aufmerksamkeit von den Mädels.“

Abrupt sah Elizabeth wieder zu Bear. Mit seinem grauen Bart hatte er tatsächlich etwas von einem Bären. „Wie bitte?“

Er deutete zum Anleger, wo Gabe und die Frau miteinander plauderten. Elizabeth verzog verächtlich den Mund. Es war abstoßend, wenn eine Frau sich so zur Schau stellte. Und dass Gabe sie auch noch dazu ermutigte … Schließlich hatte er als Vorbild eine gewisse Verantwortung.

„Benimmt er sich anders, seit er ein Held geworden ist?“ Im Verlauf ihrer Recherchen hatte Elizabeth herausgefunden, dass Menschen, die man zu Helden erklärt hatte, sich rasch dem Wirbel und dem gesteigerten Interesse an ihnen anpassten.

Bear lachte. „Nicht Gabe. Die Wahrheit ist, dass die Menschen in der Gegend ihn und seine Brüder schon immer bewundert haben. Ich glaube nicht, dass jemand daran gezweifelt hat, dass Gabe helfen würde, als er sah, was passiert war. Jeder seiner Brüder hätte dasselbe getan.“

„Er erwähnte seine Brüder. Können Sie mir etwas über sie erzählen?“

„Gern!“ Bear wischte sich mit einem zerfetzten Taschentuch das Gesicht ab und schob es anschließend zurück in die Gesäßtasche. „Der älteste Bruder, Sawyer, ist der einzige Arzt in der Stadt und ein sehr guter. Er ist seit etwa einem Jahr mit Honey verheiratet, einer wirklich lieben Frau. Leider hat er dadurch weniger Patienten. Anscheinend waren viele Frauen nicht wegen irgendwelcher Krankheiten in seine Praxis gekommen, sondern weil sie es auf ihn abgesehen hatten.“

Bear grinste, doch Elizabeth schüttelte nur den Kopf.

„Gleich nach Sawyer kommt Morgan, der Sheriff, dessen Miene stets so grimmig ist, als sei er aus einem Kaktus gekrochen. Dabei ist er ein richtig netter Kerl, solange man sich gut mit ihm stellt.“ Vertraulich flüsternd fügte er hinzu: „Und die Leute hier in der Gegend stellen sich mit ihm gut.“

„Reizend.“ Elizabeth versuchte sich diese beiden angesehenen Männer vorzustellen, die mit Gabe verwandt waren, der eher wie ein attraktiver Taugenichts auftrat. Doch es gelang ihr nicht.

„Morgan hat Honeys Schwester, Misty, geheiratet. Inzwischen macht er ein freundlicheres Gesicht – falls sie ihn nicht gerade wieder in Rage gebracht hat. Es scheint ihr Spaß zu machen, den Jungen auf die Palme zu bringen. Dann ist da noch Jordan, der beste Tierarzt im Bezirk Buckhorn. Er versteht es, mit Tieren umzugehen wie kein Zweiter. Er ist noch Junggeselle.“

Grundgütiger! Elizabeth konnte nur erstaunt blinzeln. Ein Arzt, ein Sheriff und ein Tierarzt. Das war wirklich eine beeindruckende Familie. „Womit verdient Gabe seinen Lebensunterhalt?“

Bear kratzte sich am Kinn und dachte nach. „Tja, Gabe ist der Jüngste und hat sich noch nicht entschieden, was er einmal machen will. Momentan ist er eine Art Mädchen für alles. Der Junge bringt mit seinen Händen alles zustande. Er ist …“

„Er hat keinen Job?“ Es war nicht ihre Absicht, so entsetzt zu klingen, doch Rosemary hatte ihr erzählt, dass Gabe siebenundzwanzig Jahre alt war, und Elizabeths Ansicht nach war man damit alt genug, um sich darüber im Klaren zu sein, was man im Leben erreichen wollte. „Nach dem, was Rosemary mir erzählt hat, hatte ich den Eindruck, dass er hier arbeitet.“

Eine kalte, nasse Hand legte sich auf ihre Schulter. Elizabeth erschrak und wirbelte herum. Vor ihr stand Gabe, mit einem nicht gerade freundlichen Grinsen im Gesicht, und tropfnass. Seine neue Freundin war nirgends zu sehen.

Gabe nickte Bear zu, mehr oder weniger zum Zeichen dafür, dass er gehen konnte. Dann führte er Elizabeth ein paar Meter weiter weg.

„Nun, Miss Neugier, ich arbeite tatsächlich hier, bin jedoch nicht angestellt. Das ist ein Unterschied. Und von jetzt an würde ich es zu schätzen wissen, wenn Sie Ihre Fragen für sich behalten. Ich mag Leute nicht besonders, die in meinem Privatleben herumschnüffeln, besonders nachdem ich es ihnen bereits untersagt habe.“

Elizabeth schluckte. Keine noch so freundliche Maske konnte seine Verärgerung verbergen. Sie versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, doch er ließ sie nicht los.

Erneut standen sie in der grellen Sonne, auf einem Schotterweg, der den sanften Hügel hinunterführte, von dem aus man früher die Boote ins Wasser geschoben hatte. Der weiße Schotter blendete. Elizabeth musste mit der einen Hand ihre Augen schützen, während sie in der anderen ihren Notizblock, den Stift und die Handtasche hielt. Gabe so direkt anzusehen ärgerte sie und machte sie zugleich verlegen. Er besaß eine unglaublich männliche Ausstrahlung, das war nicht zu bestreiten. Außerdem war er ein beeindruckender Anblick. Hellbraune Haare bedeckten seine muskulöse Brust und seinen flachen Bauch, wo sie sich um seinen Nabel ringelten. Seine Haut war tief gebräunt, seine Beine lang, seine Füße nackt. Die stechende Sonne schien ihm nichts auszumachen. Während sie ihn musterte, verschränkte er die Arme vor der Brust.

„Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie mit Ihrer Betrachtung fertig sind, damit ich Ihnen zu Ende erzählen kann, was ich von Ihrer Neugier halte.“

Die Hitze, die sie durchströmte, hatte nichts mit der Sommersonne zu tun, sondern mit dem demütigenden Gefühl, ertappt worden zu sein.

„Tut mir leid. Es ist nur so, dass Sie nicht wie die anderen Männer aussehen.“

Er seufzte dramatisch. „Gehe ich recht in der Annahme, dass wir wieder von den anderen angeblichen Helden reden?“

„Ja.“

„Und wie sehen die aus?“

Sie räusperte sich. „Sie waren alle … ernster. Sie haben Karrieren, auf die sie stolz sind, und sie genossen es, ihre Geschichte zu erzählen.“

„Ich habe Ihnen doch schon erklärt, dass ich keine Geschichte zu erzählen habe.“

„Ihre Freunde sind da anderer Ansicht.“

Er ließ die Arme sinken und sah Elizabeth finster an. Seltsamerweise bemerkte sie, dass er ihren Mund betrachtete, statt ihr in die Augen zu blicken. Das machte es leichter für sie, da es sie aus irgendeinem Grund beunruhigte, ihm direkt ins Gesicht zu sehen. Seine Augen waren so ausdrucksvoll, als würde er sie nicht einfach nur ansehen, sondern auch ihr Wesen durchschauen. Das war eine ungewohnte Erfahrung für sie.

Dass er jetzt ihren Mund betrachtete, machte sie auf andere Weise nervös, und ohne darüber nachzudenken, befeuchtete sie sich kurz mit der Zungenspitze die Lippen. Abrupt hob er den Blick und starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Elizabeth hielt für einen Moment den Atem an und fächelte ihrem glühenden Gesicht Luft zu.

Langsam entspannte er sich. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Hören Sie, Lizzy …“

„Nennen Sie mich nicht so. Mein Name ist Elizabeth.“

„Solange Sie meine Wünsche missachten, werde ich Ihre auch missachten. Außerdem passt Lizzy zu Ihnen. Es klingt wie ein geeigneter Name für eine Rothaarige.“

Am liebsten hätte Elizabeth ihn geohrfeigt. Aber da er offen gewesen war und so gut wie zugegeben hatte, dass er sie ärgern wollte, beschloss sie, ihm diesen Gefallen nicht zu tun. Da sie schwieg, fuhr er lächelnd fort: „Das ist doch alles albern. Ich bitte Sie also in aller Freundlichkeit, die Sache zu vergessen.“

„Das kann ich nicht. Ich habe festgestellt, dass Sie einen sehr guten Kontrast bilden zu den übrigen Männern in meiner Untersuchung. Sie sind ganz anders, und ich kann Sie als wichtigen Faktor in meiner Studie nicht guten Gewissens unberücksichtigt lassen. Damit die Studie genau ist, muss ich gründlich recherchieren.“

Er hob zornig eine Hand. „Das reicht. Dies sind doch Ihre Sommerferien, oder?“

„Ja“, antwortete sie misstrauisch.

„Wieso arbeiten Sie dann so hart? Wieso entspannen Sie sich nicht und amüsieren sich, bevor Sie wieder an die Uni gehen?“ Er musterte sie erneut von Kopf bis Fuß. „In Ihrer hochgeschlossenen Kleidung müssen Sie vor Hitze umkommen. Niemand zieht bei dieser Hitze so viele Sachen an.“

Ihre Schultern waren so angespannt, dass sie bereits schmerzten, und ihr Magen krampfte sich zusammen. Wie konnte er es wagen, sie auf einer so persönlichen Ebene anzugreifen? „Anscheinend doch. Ich betrachte mich jedenfalls als angemessen gekleidet.“

„Angemessen wofür?“

„Um einen Helden zu interviewen.“

Er stöhnte und ließ den Kopf hängen. „Sie sind die störrischste Frau …“

„Ich? Sie sind doch derjenige, der sich weigert, wenigstens ein paar einfache Fragen zu beantworten.“

Sie hatten beide ihre Stimmen erhoben, und Gabe nahm seufzend ihren Arm, um sie noch ein Stück weiter den Schotterweg hinaufzuführen.

„Wohin gehen wir?“

„Wir erregen Aufmerksamkeit, und diese Art von Aufmerksamkeit gefällt mir nicht.“

„Sie meinen, es handelt sich nicht um rein weibliche Aufmerksamkeit?“, spottete sie.

„Ganz recht“, erwiderte er grinsend.

„Gütiger Himmel!“

„Da wären wir. Setzen Sie sich.“

Glücklicherweise handelte es sich diesmal nicht um eine Baumwurzel, auf die sie sich setzen sollte. Der Picknicktisch aus ungehobeltem Holz stand unter einem Baum. Zwar war er zum Teil mit trockenen Blättern bedeckt, doch wenigstens lag er im Schatten.

Kaum hatte Elizabeth sich gesetzt, legte Gabe auch schon los. „Na schön, wie viel ist nötig, damit Sie aufgeben?“

Er wollte mit ihr handeln? Erstaunt, aber auch hoffnungsvoll – denn sie wollte seine Geschichte unbedingt verwenden, da er die einzige Ausnahme von ihrer Heldentheorie war –, wägte Elizabeth ihre Antwort ab. Schließlich sagte sie: „Wenn Sie mir wenigstens fünf Fragen beantworten würden …“

„Ich werde Ihnen eine beantworten. Aber nicht umsonst.“

Ihre Hoffnung starb sofort. „Wie viel? Ich habe zwar einen Job, aber der bringt kaum die Studiengebühren ein. Ich kann Ihnen also nicht viel bieten …“

Sein entsetztes Gesicht verriet ihr, dass sie ihn missverstanden hatte. Er beugte sich vor und sagte: „Glauben Sie tatsächlich, ich würde Geld von Ihnen nehmen?“

Elizabeth versuchte zurückzuweichen. Doch das war nicht möglich, ohne hintenüberzukippen. „Sie … Sie haben selbst gesagt, dass Sie keinen festen Job haben.“

„Falsch. Ich habe gesagt, dass ich hier nicht angestellt bin. Nur zu Ihrer Information, Rotschopf, ich habe mehr als mein Auskommen. Nicht, dass meine finanzielle Situation Sie irgendetwas anginge.“

„Aber …“

„Wenn ich Ihnen eine Frage beantworten soll, müssen Sie lockerer werden. Und bevor Ihre blauen Augen wieder ganz groß werden, versichere ich Ihnen, dass ich nichts Verbotenes vorschlage.“

„Was … was genau schlagen Sie denn vor?“

„Dass wir schwimmen gehen. Sie und ich.“

In dem großen trüben See hinter ihr? Der See, aus dem er diesen enormen Fisch gezogen hatte – und wieder hineingeworfen hatte, sodass er da immer noch irgendwo war? Der See, in dem wer weiß was für Kreaturen leben konnten? Ganz zu schweigen davon, dass sie nicht einmal einen Badeanzug besaß. Mit verzweifelter Hoffnung fragte sie: „Ich verstehe nicht ganz.“

„Ganz einfach, Lizzy. Ich will, dass Sie morgen hier sind, um dieselbe Zeit, aber im Badeanzug statt in dieser Rüstung. Sie sollen sich mit mir zusammen entspannen und schwimmen gehen. Und wenn Sie dann ein wenig lockerer sind, macht es mir vielleicht nicht mehr so viel aus, Ihnen eine Frage zu beantworten.“

Um sicherzugehen, dass sie richtig verstanden hatte, bevor sie zustimmte, sagte sie: „Im Gegenzug werden Sie meine Fragen beantworten?“

„Nein, ich werde nur eine Frage beantworten. Und Sie dürfen sich sogar Notizen machen.“ Erneut betrachtete er ihren Mund. „Und wer weiß, wenn alles gut läuft, können wir unseren Deal vielleicht verlängern.“

„Für eine weitere Frage?“

Er zuckte die Schultern, doch Elizabeth hatte den Verdacht, dass er nur bluffte. Irgendwie faszinierte er sie. Was für ein seltsames Benehmen für einen Helden!

Letztlich konnte sie nur eine Entscheidung treffen. Daher streckte sie die Hand aus, und nach einem kurzen Moment nahm Gabe sie.

Seine gebräunte Hand war so groß und heiß. Elizabeth schluckte, nahm ihren Mut zusammen und erklärte mit einem Lächeln, das fast schmerzte: „Abgemacht.“

Sie trug noch immer ihre Rüstung.

Gabe runzelte die Stirn, stieg aus seinem Wagen und ging den Hügel hinunter. Dem langen Zopf nach zu urteilen, der fast bis auf den Anlegesteg reichte, war die Frau, die ihm den Rücken zugekehrt hatte, Elizabeth Parks. Und sie trug keinen Bikini. Er tröstete sich mit der Tatsache, dass sie wenigstens auf ihn wartete. In gewisser Hinsicht befriedigte das sein männliches Ego.

In dem Moment, als er den Steg betrat, drehte sie den Kopf. Erst jetzt bemerkte er, dass sie ihre Füße nicht im Wasser baumeln ließ, sondern im Schneidersitz dasaß. Sie trug flache Ballerinas und weiße Spitzensöckchen. Socken bei dieser Hitze? Er blieb stehen und fragte mit missbilligender Miene: „Wo ist Ihr Badeanzug?“

Ihre Miene war ebenfalls missbilligend. „Den trage ich unter meinem Kleid. Sie haben doch nicht geglaubt, ich würde darin hierher fahren, oder? Außerdem kommen Sie zu spät.“ Sie drehte sich wieder um, stützte die Ellbogen auf die Knie, das Kinn auf eine Faust und starrte auf den See hinaus.

Gabe kam langsam näher. Da er nicht wusste, womit er bei ihr zu rechnen hatte, sagte er nur: „Ich bin froh, dass Sie gewartet haben.“

Sie schnaubte verächtlich. „Sie haben es schließlich zur Bedingung gemacht. Wenn ich Ihnen eine mickrige Frage stellen will, muss ich hier sein.“ Sie winkte ab. „Ich dachte mir einfach, dass Sie früher oder später auftauchen würden.“

„Na ja, dann ziehen Sie jetzt Ihre Sachen aus, damit wir ins Wasser können. Es ist so heiß, dass selbst eine Eidechse Schatten sucht. Das Wasser wird angenehm sein.“

Sie schien kein bisschen überzeugt zu sein. Sie sah ihn mit einem zugekniffenen Auge und gerümpfter Nase an. „Ich bin nicht gerade versessen darauf.“

„Worauf?“

„Einen Badeanzug zu tragen. Ich bin nicht oft geschwommen, und dieser Anlegesteg ist ziemlich belebt …“

„Sie wollen ungestört sein?“ Wieso faszinierte ihn diese Vorstellung? „Wir können mit einem Fischerboot zu einer kleinen Bucht rausfahren. Dort kommen höchstens mal ein paar Fischer vorbei oder gelegentlich jemand auf Wasserski. Aber die kommen nicht nah genug ans Ufer, um Sie genau sehen zu können.“ Er grinste schief. „Ihr Schamgefühl wird nicht verletzt werden.“

Sie wurde rot. „Es ist nicht so, dass ich befürchte, viel Aufsehen zu erregen. Es ist nur, dass ich daran nicht gewöhnt bin, in der Öffentlichkeit halb nackt herumzulaufen.“

So, wie sie sich von Kopf bis Fuß verhüllte, zweifelte er keine Sekunde daran. „Kein Problem. Die Bucht ist wirklich einsam. Ich schwimme ständig dort. Kommen Sie.“ Er reichte ihr seine Hand und versuchte nicht so aufgeregt zu wirken, wie er sich plötzlich fühlte. „Können Sie schwimmen?“

Elizabeth ignorierte seine Hand und stand allein auf. „Eigentlich nicht.“

Er ließ die Hand sinken. „Dann brauchen Sie einen Schwimmgürtel. Im Boot ist einer. Haben Sie ein Handtuch?“

„Meine Sachen sind hier.“ Sie deutete auf einen Haufen, der aus einem riesigen bunten Badehandtuch, einem Schlapphut und einer Sonnenbrille mit blauen Gläsern bestand. Gabe sah den Notizblock daneben, und seine Miene verfinsterte sich.

Er hatte sich sein Handtuch um den Nacken gelegt. Die Sonnenbrille hatte er auf, und seine Mütze trug er wieder mit dem Schirm nach hinten. Er griff nach der Kühltasche, die er mitgebracht hatte. „Gehen wir.“

Er führte Elizabeth zu einem kleinen Boot und half ihr beim Einsteigen, obwohl sie es zuerst allein versuchen wollte. Das Boot schwankte, sodass sie beinah das Gleichgewicht verlor. Sie wäre über Bord gefallen, wenn Gabe sie nicht festgehalten hätte.

Er musste unwillkürlich grinsen und warf ihre Sachen ins Boot. „Setzen Sie sich nach vorn und binden Sie sich den Gürtel um. Wenn Sie ins Wasser fallen, wird er Sie am Untergehen hindern, bis ich Sie herausgefischt habe.“

„Wie den Karpfen?“

Ihr neckendes Lächeln ließ ihn erschauern. „Nein, ich habe den Fisch geküsst und wieder zurück ins Wasser geworfen, weil es Glück bringt. Mit Ihnen würde ich das nicht machen.“

Ihre Miene verriet ihre Verwirrung. Sollte sie sich ruhig fragen, ob er damit meinte, dass er sie nicht küssen oder ob er sie nicht zurück ins Wasser werfen würde.

„Ist das Ihr Boot?“, fragte sie.

„Nein, es gehört Rosemary. Aber ich kann es benutzen, wann ich will.“

„Weil Sie für sie hier auf dem Anleger arbeiten?“

„Ist das die Frage, die Sie stellen wollten?“

„Wie bitte?“

„Die eine gestattete Frage. Wollen Sie etwas über meine Arbeit hier wissen?“

„Nein, ich mache nur Konversation.“

„Aha. Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, Sie wollen mir ein paar Fragen unterjubeln, ohne dass ich es merke.“

Elizabeth biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. Gabe musste laut lachen, da er sie so offensichtlich ertappt hatte.

Nach einer Weile fragte sie: „Wohin fahren wir?“

Sie saß ihm im Boot gegenüber, daher deutete er hinter sie, wo sich das Land erstreckte und die einzigen sichtbaren Lebewesen ein paar Kühe waren, die am Ufer grasten. Der künstlich angelegte See war lang und schmal wie ein Fluss, mit dichten Reihen von Ferienhäusern auf beiden Seiten. Hier und dort gab es noch Buchten, die nicht den Stadtplanern gehörten, sondern den Farmern. Auf dem Land, das Gabe und seinen Brüdern gehörte, befand sich eine solche Bucht, deren Wasser so flach war, dass sie fast vom Bootsverkehr abgeschnitten war. Aber sie war hervorragend zum Baden und Angeln geeignet, wofür die Brüder sie auch nutzten.

Daher weigerten sie sich auch, das Land zu verkaufen, ganz gleich, wie oft sie gefragt wurden und wie viel man ihnen bot. Gemeinsam besaßen sie viel Land, auf dem sich an zwei Stellen durch Abflüsse des Sees ein kleinerer See und ein Teich gebildet hatten. Eines Tages wollte Gabe dort ein Haus bauen.

„Fahren wir etwa dorthin?“, fragte Lizzy und unterbrach seine Gedanken.

Gabe hob eine Braue. „Es ist wirklich ungestört.“

„Sind die Kühe friedlich?“

„Das sind die meisten Rinder. Man sollte bloß nicht hinter ihnen gehen.“

„Weil sie auskeilen?“

Er musste sich zusammennehmen, um nicht über ihre ängstliche Stimme zu lachen. „Nein, man muss nur aufpassen, wohin man tritt.“

„Oh.“

Gabe drosselte den Motor und lenkte das Boot in die Bucht. Jemand hatte in früheren Jahren einen kleinen Anlegesteg gebaut, der jedoch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Er hatte ein wenig Schlagseite. Drei seiner Ecken ragten aus dem Wasser, eine lag moosbewachsen im Wasser. Aber er war gute zwei Quadratmeter groß und sank nicht, wenn man ihn betrat.

Gabe vertäute das Boot an einem Metallpflock neben dem Steg. Es war seltsam, doch sein Herz pochte bereits heftig – er hatte keine Ahnung, wieso, und er musste sich zwingen, ruhig zu sprechen.

Er sah zu Elizabeth. „Weiter geht’s nicht. Sie können sich also jetzt ausziehen.“

Sie sah ihn kurz an und wandte den Blick wieder ab. „Wollen Sie nicht schon mal ins Wasser gehen? Ich … ich komme dann nach.“

„Sind Sie je mit einem Boot gefahren?“

„Nein.“

„Wissen Sie, wie man den Motor anwirft?“

Sie warf einen skeptischen Blick auf den Anlasser und schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“

Er nickte. „Dann können Sie wenigstens keine Pläne schmieden, mich über Bord zu werfen und wegzufahren.“

„Das würde ich nicht tun“, erwiderte sie empört. Zögernd gestand sie: „Es ist nur, dass ich mir nicht überlegt habe, wie ich mich hier im Freien ausziehen soll.“

„Während die Kühe und ich Ihnen dabei zusehen?“

„Genau.“

„Na schön. Ich werde mich umdrehen. Aber machen Sie nicht zu lange. Sie können Ihre Sachen zusammengefaltet auf die Kühltasche legen, damit sie nicht nass werden.“ Damit drehte er sich um und sprang kopfüber ins Wasser. Er hörte sie kreischen, da das kleine Boot heftig schaukelte.

Der See war hier flach, sodass Gabe Sekunden später wieder auftauchte. Er konnte problemlos stehen, daher watete er zum Steg. Er hielt das Gesicht abgewandt und legte die Arme verschränkt auf das alte Holz. Er konnte hören, wie Elizabeth sich auszog.

„Das Wasser ist toll“, sagte er.

„Es ist so … grün.“

Gabe räusperte sich. „Das liegt am Moos.“ Wahrscheinlich hatte sie die Schuhe und diese albernen Spitzensöckchen bereits ausgezogen. Er bezweifelte, dass sie sich darüber im Klaren war, wie sexy diese Söckchen aussahen. Unwillkürlich stellte er sie sich mit nichts weiter als diesen Söckchen bekleidet vor. Allerdings blieb das Bild vage, da er keine Ahnung hatte, wie ihr Körper gebaut war. Dennoch erregte ihn die Vorstellung.

Trug sie nur das Kleid oder noch andere Sachen über ihrem Bikini? Gabe nahm sich zusammen. „Fertig?“

„Ah … ja.“

Er drehte sich um und starrte sie an. Sie stand da, die schlanken Arme vor dem Bauch verschränkt, die langen Beine fest zusammengepresst, die Schultern gestrafft. Sie trug keinen Bikini, sondern einen Badeanzug. Nicht, dass das eine Rolle spielte.

„Du liebe Zeit“, flüsterte er ehrfürchtig.

Elizabeth trat nervös von einem Bein auf das andere, sodass sich ihre Waden- und Schenkelmuskeln verführerisch bewegten.

Gabe wusste nicht, ob sie errötete oder nicht, da er den Blick nicht von ihrem Körper losreißen konnte. Ihr einteiliger Badeanzug war schlicht und von einem hellen Limonengrün. Und er bedeckte gerade so viel Haut, wie es der Anstand erforderte. Was er jedoch nicht bedeckte …

Der Anblick ihrer vollen, wohlgerundeten Brüste ließ ihn erschauern, und für einen kurzen Moment fragte er sich, ob sie echt oder künstlich vergrößert waren. Der Badeanzug saß wie eine zweite Haut, und Gabe starrte sie an, ohne ihr Unbehagen und ihre Unsicherheit zu bemerken.

Unter dem Stoff zeichneten sich ihre Brustspitzen ab, was seine Fantasie noch mehr beflügelte. Er wollte sehen, wie sie sich aufrichteten und sich seinem Mund entgegenreckten. Ein Schauer der Begierde erfasste ihn, denn jetzt konnte er sich leicht vorstellen, wie sie nackt aussah.

Elizabeth besaß den wohlgeformtesten Körper, den er je gesehen hatte, und die heftige Reaktion seines Körpers auf ihren Anblick kam überraschend und völlig unerwartet.

Wie er es erwartet hatte, schmückten die Sommersprossen nicht nur ihr Gesicht. Einige waren auf ihren Schultern zu sehen und sogar auf ihren Schenkeln. Sein Herz schlug schneller. Er hätte nicht gedacht, dass Sommersprossen so sexy sein konnten.

Eines war sicher: Er konnte froh sein, dass er sie hierher gebracht hatte, sodass nicht jeder Mann am See sie anstarrte.

Gabe räusperte sich erneut und sah ihr endlich ins Gesicht. Elizabeth hielt den Kopf gesenkt. Ihr langer Zopf hing ihr über die Schulter und reichte ihr fast bis zu den Hüften. „Lizzy?“

Sie schlang die Arme um sich. „Hm?“

Erst jetzt begriff er, wie unbehaglich sie sich fühlte, weil sie seinen Blicken ausgeliefert war. Er kam sich wie ein Idiot vor und bemühte sich um einen neckenden Tonfall, trotz seiner Angespanntheit. „Kommen Sie jetzt ins Wasser oder nicht?“

„Bleibt mir eine Wahl?“

„Nein.“

Langsam hob sie den Kopf und sah ihn an. „Ich hoffe, Sie sind es wert.“

Oh, er würde ihr schon zeigen, dass es der Mühe wert war – Moment mal. Was war denn das für ein Gedanke? Dafür hatte er sie nicht hierher gebracht. Er war mit ihr hierhergekommen, damit sie ihre unsinnigen Ideen vom Heldenmut vergaß.

Er setzte eine entschlossene Miene auf, doch seine lüsternen Gedanken kamen ihm immer weniger abwegig vor, je länger Elizabeth dort vor ihm stand. „Kommen Sie“, forderte er sie auf. „Zögern Sie es nicht länger hinaus.“

Als sie sich die Lippen mit der Zungenspitze befeuchtete, stöhnte Gabe auf. Er glaubte die Berührung ihrer kleinen Zunge spüren zu können.

Elizabeth betrachtete ihn misstrauisch. Dann sah sie zur einen Seite des Bootes, wieder zu ihm und befeuchtete sich erneut die Lippen. „Wie?“

Ohne darüber nachzudenken, watete er zum Boot und breitete einladend die Arme aus.

Sie schloss die Augen, murmelte ein leises Gebet und ließ sich fallen.

3. KAPITEL

Plötzlich lag Elizabeth in Gabes Armen. Natürlich war es nicht das erste Mal, dass er eine Frau in den Armen hielt. Dennoch fühlte es sich anders an als sonst. Elizabeth duftete wundervoll. Sie hatte die Finger in seine Haare gekrallt und die Arme um seinen Kopf geschlungen. Gabe konnte ihren festen Po an seinem rechten Unterarm spüren, mit dem er sie instinktiv an sich gedrückt hatte, damit sie nach ihrem Sprung nicht fiel. Sein linker Arm lag um ihre schmale Taille, seine Hand auf ihrem Rücken.

Bedeutsamer war jedoch die Tatsache, dass sein Gesicht zwischen ihren Brüsten lag. Sie fühlten sich tatsächlich echt an. Erschrocken von der sinnlichen Berührung ihres Körpers, stand er wie erstarrt da und wagte nicht einmal zu atmen. Sie hatte sich wie Efeu um ihn gerankt, doch ihr schien die Intimität ihrer Position nicht bewusst zu sein.

Ganz im Gegensatz zu Gabe.

Er bewegte sich ein kleines bisschen, sodass seine Hand ihren Po umfasste. Die Berührung ging ihm durch und durch. Elizabeth atmete schwer, allerdings nicht vor Erregung.

„Lizzy?“ Seine Stimme klang gedämpft, da sein Gesicht noch immer zwischen ihren üppigen Brüsten lag. Seine Hand streichelte ihren Po, als hätte sie einen eigenen Willen.

Sie schlang die Arme fester um ihn und legte die Beine um seine Hüften, in dem verzweifelten Versuch, ihm noch näher zu sein. Gabe sog scharf die Luft ein. Lange würde er den Anstand nicht mehr wahren können.

„Lizzy, haben Sie Angst vor dem Wasser?“, fragte er leise, um sie nicht zu erschrecken.

„Nein … Ja.“

Gabe musste grinsen. „Ganz ruhig. Hier drin ist nichts, weswegen Sie Angst haben müssten.“ Nur er, aber das brauchte sie nicht zu wissen.

„Ich bin nur noch nie in einem See geschwommen.“ Ihre Lippen befanden sich direkt oberhalb seines Ohrs. Sie klang atemlos, und ihre Stimme zitterte.

„Sie brauchen keine Angst zu haben“, versuchte er sie zu beruhigen. Und dann, weil er nicht widerstehen konnte, rieb er seine Nase an ihren Brüsten.

Elizabeth schrie auf, dass ihm die Ohren klingelten. Im nächsten Moment befreite sie sich aus seinen Armen und floh zum Anlegesteg. Ihre Rückenansicht, wie sie hastig den Steg hinaufkletterte, trug nicht gerade dazu bei, sein Verlangen zu dämpfen. Er hatte nur Augen für ihre weichen Rundungen, ihre langen Beine und die Sommersprossen. Im nassen Zustand zeigte ihr Badeanzug noch mehr als im trockenen.

Elizabeth saß jetzt auf dem Steg, die Arme um sich geschlungen, und starrte verängstigt aufs Wasser.

„Ich werde für mindestens eine Stunde taub sein“, beklagte er sich.

Elizabeths Zähne klapperten. „Irgendetwas hat mich berührt! Es hat mein Bein gestreift!“

Gabe hielt inne. Sie hatte also nicht wegen seiner Dreistigkeit geschrien? Ihrer entsetzten Miene nach zu urteilen, hatte sie von seinem erregten Zustand und seinem Vorhaben, ihre Brüste zu küssen, wahrscheinlich nicht einmal etwas bemerkt. „Wahrscheinlich war es nur ein Fisch“, erklärte er leicht verstimmt.

Sie schüttelte sich vor Grauen. „Was für ein Fisch?“

Er schaute sich um und spähte ins Wasser, das von ihrer Flucht aufgewühlt war. „Da.“ Er deutete auf einen kleinen silbrigen Fisch, der nach den Luftbläschen an der Wasseroberfläche schnappte.

Vorsichtig beugte sich Lizzy auf Hände und Knie gestützt vor, sodass ihre Brüste in dem nassen Badeanzug hin und her schwangen. „Ist das ein Junges?“

Gabes Blick war auf ihren Körper geheftet. Er biss die Zähne zusammen. „Nein. Es ist ein Bluegill. Die werden nicht viel größer.“ Ihr Blick traf seinen, sodass er ihren Körper nicht länger anstarren konnte. „Was haben Sie erwartet? Den weißen Hai?“

Sie errötete. Gabe fand, dass sie wundervoll aussah, wie sie da am Rand des Stegs kniete, den Po hochgereckt, die Wangen gerötet. Sie zog die Brauen zusammen. „Machen Sie sich etwa über mich lustig?“

„Nein.“ Er watete zu ihr und stützte sich auf die Unterarme. Auf keinen Fall konnte er sofort zu ihr hinauf auf den Anlegesteg, da seine nasse Shorts kaum seine Erregung verbergen würde. „Ich wusste ja nicht, dass Sie Angst vor Wasser haben. Sie hätten etwas sagen sollen.“

Sie atmete tief durch und setzte sich, winkelte die Knie an und schlang die Arme darum. „Es war mir peinlich“, gestand sie. „Ich bin nicht gern feige.“

„Es hat nichts mit Feigheit zu tun, wenn man von Dingen verunsichert ist, die einem nicht vertraut sind.“

„Werden Sie trotzdem meine Frage beantworten?“

Leicht verärgert, dass sie ihr Vorhaben nicht mal für eine Minute vergessen konnte, zuckte er nur die Schulter. „Bringen wir’s hinter uns.“

Ihre blauen Augen leuchteten, und sie ließ die Arme sinken, um sich zu ihm vorzubeugen. Erneut fiel sein Blick auf ihre Brüste.

Elizabeth lächelte. „Was haben Sie gedacht, als Sie ins Wasser sprangen, um diese Kinder zu retten?“

„Gedacht?“

„Ja. Sie sahen, dass sie in Schwierigkeiten stecken und wollten helfen. Was haben Sie da gedacht? Wie Sie sie herausholen könnten? An die Gefahr? Dass Ihr eigenes Leben nicht wichtig ist?“

„Du meine Güte. So was habe ich bestimmt nicht gedacht.“ Er vergaß, dass er eigentlich im Wasser bleiben müsste, und zog sich zu ihr hinauf auf den Anlegesteg. Der Steg schwankte, und Elizabeth versuchte erschrocken das Gleichgewicht zu behalten. Wasser rann von seinem Körper, und er schüttelte die Haare wie ein nasser Hund. Lizzy klammerte sich an ihn, um nicht ins Wasser zu fallen, ließ ihn dann jedoch schnell wieder los.

„Also, was haben Sie gedacht?“

„Keine Ahnung. Ich habe gar nichts gedacht. Ich sah das Boot, die Kinder, und reagierte einfach.“ Bevor sie dazu etwas sagen konnte, fügte er hinzu: „Jeder hätte dasselbe getan.“

„Niemand hat reagiert. Nur Sie.“

Er zuckte die Schultern. „Ich war schon im Wasser. Es gab keinen Grund, weswegen jemand anderes hätte hineinspringen sollen.“

„Sie haben schneller reagiert.“

„Vielleicht habe ich das Problem nur als Erster bemerkt.“

Als sie ihr Gewicht verlagerte, sah er erneut ...

Autor

Lori Foster

Bisher hat die US-amerikanische Bestseller-Autorin Lori Foster über siebzig Liebesromane geschrieben. Unter dem Namen L.L.Foster schreibt sie Fantasy-Romane.

Mit dem Schreiben begann Lori Foster erst im Alter von 30 Jahren, vorher dachte sie nie daran, eine Geschichte zu schreiben. Als sie mit einer Lungenentzündung das Bett hüten musste,...

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