Julia Exklusiv Band 281

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  • Erscheinungstag 03.02.2017
  • Bandnummer 0281
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709211
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Nicola Marsh, Anne McAllister, Kelly Hunter

JULIA EXKLUSIV BAND 281

1. KAPITEL

Der bronzene Gott war praktisch nackt. Die Bewegungen seiner harten Muskeln unter der glänzenden gebräunten Haut waren deutlich zu erkennen, als er ein Tablett mit Cocktails und Champagnergläsern durch die Menge trug.

„Wenn du die Augen noch weiter aufreißt, fallen sie dir bald aus dem Kopf.“

Starr Merriday blinzelte, dann war der Bann gebrochen. Widerstrebend wandte sie den Blick von dem Kellner ab und sah ihre beste Freundin Kitty – genannt Kit – an.

„Du bist selbst schuld, schließlich hast du mich in diese Höhle des Lasters mitgenommen.“

Kit zog vielsagend die Augenbrauen hoch und lachte. „Ja – und du genießt es offenbar sehr.“

„Ich muss gestehen, es hat auch seine guten Seiten“, räumte Starr ein. Wieder betrachtete sie den Kellner, ließ den Blick von seiner muskulösen Brust mit den dunklen Härchen hinunter zu seinem Nabel gleiten …

„Himmel, was muss man eigentlich tun, um hier etwas zu trinken zu bekommen?“

Kit lächelte frech. „Dir ist wohl ein bisschen heiß geworden, stimmt’s?“

„Kann man so sagen.“ Starr war sehr dankbar, dass die Kellner von der Taille abwärts bekleidet waren – und noch dankbarer, dass Kit sich eine der berüchtigten Cocktailpartys ihrer umtriebigen Mutter ausgesucht hatte, um sie, Starr, gebührend zu verabschieden. Denn ein Raum voller halb nackter Männer war das beste Mittel, um sie von der Tatsache abzulenken, dass sie keine Arbeit, kein Zuhause und kein Geld hatte.

„Sieh nicht hin, aber ich glaube, er taxiert mich“, sagte Kitty und wies mit dem Kinn diskret auf den bronzefarbenen Gott.

In dem Moment, als Starr hinüberschaute, stolperte er. Das Tablett glitt ihm aus der Hand und ein Großteil der Cocktails ergoss sich über einen neben ihm stehenden Gast.

Amüsiert und mitfühlend zugleich beobachtete Starr, wie der Kellner den Schaden zu beheben versuchte, während der Gast ihn stirnrunzelnd mit einer Handbewegung wegscheuchte.

Inmitten der halb nackten Männer wirkte der elegant gekleidete Mann fehl am Platz, als er sich die Krawatte gerade rückte und versuchte, trotz des Champagners und der Mojitos, die seinen Armani-Anzug durchnässt hatten, cool zu wirken.

„Ich misch mich jetzt mal unters Volk“, kündigte Kit an. „Vielleicht finde ich ja ein weniger ungeschicktes Exemplar.“

Während ihre Freundin auf die Bar zusteuerte, glitt Starrs Blick unwillkürlich zu dem Mann zurück. Eigentlich waren geschniegelte Typen in schicken Outfits nicht ihr Fall, doch dieser hier war irgendwie anders: Er hatte eine ganz besondere Haltung, war groß und strahlte eine Aura von Autorität und Unbezwingbarkeit aus. Trotz des Unfalls mit den Cocktails wirkte er nach wie vor stilvoll und stolz. Ein wenig gebieterisch ließ er den Blick über die Menge gleiten – bis er ihrem begegnete.

Starr schrak zusammen und senkte die Lider. Erstaunt stellte sie fest, dass ihre Haut prickelte und ihr Herz schneller schlug. Klug wäre es gewesen, sich jetzt schleunigst davonzumachen. Doch klug hatte sie schon lange nicht mehr gehandelt, wie der chaotische Zustand ihres Lebens eindrucksvoll belegte.

Vielleicht hing ihre unerklärlich heftige Reaktion auf den Fremden ja damit zusammen, dass sie sich schon zu lange in diesem Raum voller halb nackter Männer aufhielt. Doch als Starr langsam den Kopf hob und ihre Blicke sich erneut begegneten, zeigte ihr Körper dieselben unkontrollierbaren Symptome.

Der Mann hob fragend eine Augenbraue und verzog süffisant den Mund. Am liebsten wäre Starr auf der Stelle zu ihm hinüber gegangen, um unmissverständlich klarzustellen, dass sie kein Interesse an ihm hatte. Doch als der arrogante Zug nun einem Lächeln wich, wusste sie, dass sie sich etwas vormachte und der Anziehung des Fremden bereits erlegen war.

Starr war nur hergekommen, um nicht den ganzen Abend darüber zu grübeln, in was für einer Lage sie sich aufgrund einer einzigen Fehlentscheidung befand: Sie hatte sich auf den falschen Mann eingelassen. Doch das würde ihr nicht noch einmal passieren.

Warum also warf sie jetzt einem Fremden vielsagende Blicke zu, obwohl sie gar nicht die Absicht hatte, der Sache weiter nachzugehen?

Starr steuerte auf den verglasten Balkon der im fünfzigsten Stock gelegenen Suite zu, von dem aus man einen tollen Blick auf Sydney hatte. Vielleicht würde ihr die frische Luft helfen, wieder zur Vernunft zu kommen. Na klar, dachte Starr ironisch. Und bestimmt geschieht dann auch gleich noch ein zweites Wunder.

Sie trat aus dem überfüllten Raum auf den Balkon und war froh, ganz für sich zu sein.

Kein Zweifel, Kits Mum wusste, wie man eine Party schmiss. Nachts erwachte Sydney zum Leben, es wurde bis zum Morgengrauen getanzt, und Starr liebte das über alles. Sie beobachtete, wie eine Fähre vom Circular Quay zu einer Fahrt ablegte, die auch sie selbst unzählige Male gemacht hatte. Tief unter ihr glitzerten die Lichter der Stadt, und dass Starrs Abschied unmittelbar bevorstand, tat ihr noch immer weh – obwohl sie eine Woche lang Zeit gehabt hatte, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Sydney war jetzt ihre Vergangenheit und Melbourne ihre Zukunft.

„Auf der Flucht?“, fragte plötzlich jemand hinter ihr; der Klang der tiefen Stimme ließ Starr erbeben und sie fuhr herum.

Der fremde Mann stand vor ihr – und er war aus nächster Nähe noch viel atemberaubender. Sie konnte nicht erkennen, welche Farbe seine Augen hatten oder was sie ausdrückten, aber in seiner Stimme schwang ein leicht amüsierter Unterton mit.

Er war ihr auf den Balkon gefolgt und versuchte offenbar, ihr eine Reaktion zu entlocken. Starrs erster Impuls war, ihn zum Teufel zu jagen, aber sie war nun einmal kein Mensch, der sich in Selbstmitleid suhlte. Und jetzt war doch sicher genau der richtige Zeitpunkt, um ihr neues Vorhaben – Gleichgültigkeit gegenüber dem männlichen Geschlecht – auszuprobieren.

„Ich brauchte einfach etwas frische Luft. Und wie lautet Ihre Erklärung?“

„Da drinnen sind mir zu viele Leute“, er wies mit dem Daumen hinter sich. „Und die einzigen interessanten stehen hier draußen.“

„Ziemlich lahme Ausrede“, stellte Starr fest.

Als der Fremde sie mit einer Geste dazu aufforderte, neigte Starr sich unwillkürlich näher zu ihm. „Möchten Sie mir vielleicht dabei helfen, meine Technik zu perfektionieren?“

„Nein. Ich habe keine Lust auf seichten Small Talk und dumme Sprüche.“

Er lachte. „Wie wäre es dann mit einem anspruchsvollen Gespräch?“

„Kein Interesse.“ Energisch tippte Starr ihm mit den Fingern gegen die Brust. Als sie seine festen Muskeln spürte, wurde ihr klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte, denn die Berührung glich einem Stromschlag. Hastig zog sie die Hand zurück.

Um seinen Mund zuckte es leicht, doch der Fremde wich nicht von der Stelle. „Ich habe verstanden.“

Schlagartig wurde Starr bewusst, dass ein so männlicher Typ wie er ihr Widerstreben sicher als Herausforderung empfinden würde.

„Das heißt allerdings nicht, dass ich nachgeben werde.“

Sein gebieterischer Tonfall ließ Starr erstaunt die Augenbrauen hochziehen. Was maßte dieser Kerl sich eigentlich an?

„Sofern Sie mich nicht mit der Aussicht auf eine Traumstelle in Melbournes bester Tanzkompanie dazu nötigen, Ihnen weiter zuzuhören, können Sie verschwinden.“

Doch ihre Streitlust schien ihn ganz und gar nicht abzuschrecken. Er verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich gegen das Geländer und sah sie interessiert an. „Sie brauchen Arbeit in Melbourne?“

„Ja.“

Und zwar ziemlich dringend. Die Tanzkompanien in Sydney kamen nicht mehr infrage, also hatte Starr sich ein Flugticket nach Melbourne gekauft, um nach Kräften vorzutanzen und eine Stelle zu finden – irgendeine Stelle – und sich ein neues Leben aufzubauen.

„Ich hätte einen Job zu vergeben.“

Starr hob das Kinn und warf dem Fremden einen vernichtenden Blick zu, was diesen, nach seinem selbstbewussten Lächeln zu schließen, jedoch nicht im Geringsten zu beeindrucken schien. „Ach ja? Als Putzfrau vielleicht? Oder als Köchin?“

„Nicht ganz. Ich brauche eine Allround-Sekretärin.“

„Tja, da sind Sie bei mir leider an der falschen Adresse.“

Er neigte sich so nah zu ihr, dass ihr Herz heftig zu schlagen begann und sie sich am liebsten an seinen breiten Oberkörper geschmiegt hätte. Um sich zu beruhigen, atmete Starr tief durch. Doch dabei stieg ihr eine betörende Mischung aus dem Duft frischer Limonen, Tequila und Erdbeeren in die Nase.

„Sind Sie immer so abweisend?“

„Sind Sie immer so direkt gegenüber Leuten, die Sie nicht kennen?“

„Dass wir uns nicht kennen, lässt sich ja leicht ändern.“

Als er ihr die Hand reichte, hatte Starr keine andere Wahl, als diese zu schütteln. Sie biss sich auf die Lippe, als erneut ein leichter Stromschlag ihren Arm zu durchzucken schien.

„Ich heiße übrigens Callum Cartwright, leite die Cartwright Corporation und suche dringend vorübergehend eine Assistentin, bis ich diese Stelle dauerhaft besetzen kann.“

„Ich heiße Starr Merriday und bin keine Assistentin, sondern Tänzerin.“

„Wie schade“, fand der atemberaubende Fremde und reichte ihr eine Visitenkarte. „Für den Fall, dass Sie es sich anders überlegen.“

Starr schnaufte leise. „Sie geben nie auf, stimmt’s?“

„Nein, das Wort ‚aufgeben‘ gehört nicht zu meinem aktiven Wortschatz.“

Sie drehte das Kärtchen in den Fingern hin und her und hätte nur zu gern einen Blick darauf geworfen, wollte ihm diese Befriedigung aber nicht gönnen.

„Lassen Sie mich raten: Sie sind einer von diesen fordernden, kontrollierenden Chefs, die ein ‚Nein‘ einfach nicht akzeptieren.“

Einen kurzen Moment lang spiegelte sich ein merkwürdiger Ausdruck auf seinem Gesicht, den sie nicht deuten konnte. „Man schafft es nicht, der Beste zu werden, indem man sich vorschnell zufriedengibt – egal womit.“

„Das werde ich mir merken.“

„Sind Sie ganz sicher, dass ich Sie nicht doch locken kann?“

Starr hätte ihm eine endgültige Abfuhr erteilen können, um absolut kein Risiko einzugehen. Doch darauf hatte sie keine Lust mehr, denn diese Taktik hatte sie in den letzten Jahren nicht sonderlich weit gebracht: Sie war die Beste in ihrem Job gewesen, ihrer Tanzkompanie sieben Jahre lang treu geblieben und hatte ihrem Partner vertraut. Und was hatte ihr das genützt?

„Das kommt darauf an“, erwiderte sie deshalb und lehnte sich näher zu ihm, während ihre Sinne verrückt spielten. „Was können Sie mir denn bieten?“

Nun konnte sie erkennen, dass er dunkle, geheimnisvolle Augen hatte, deren Ausdruck ihr deutlich zeigten, dass der Fremde sie anziehend fand. Starr spürte seine Erregung wie einen sinnlichen Kokon, der sich um sie beide legte. Das Prickeln, das sie bei den kurzen Berührungen verspürt hatte, kehrte um ein Vielfaches verstärkt zurück und verleitete sie dazu, sich in Gefahr zu begeben.

„Wenn Sie die Stelle nicht wollen, was wollen Sie dann?“

Starr wollte flirten, sich weiblich und begehrenswert fühlen – all die Dinge, die in ihrer letzten Beziehung gefehlt hatten. Doch sollte sie sich deshalb wirklich an ihrem letzten Abend in Sydney auf einen One-Night-Stand einlassen?

Einen schier endlosen, aufregenden Moment lang, in dem Callum Cartwright ihr tief in die Augen sah, war die Verlockung übermächtig.

2. KAPITEL

Callum war an diesem Abend nur deshalb auf eine weitere langweilige Cocktailparty gegangen, weil er einen potenziellen Geschäftspartner umwerben wollte.

Er hatte die obligatorische Runde gedreht, Hände geschüttelt, Bekannten auf die Schulter geklopft und dann geduldig abgewartet, bis er gehen konnte, ohne unhöflich zu erscheinen. Doch genau in diesem Moment hatte dieser Trampel von Kellner ihn angerempelt.

Callum hatte sich ziemlich geärgert, bis sein Blick dem der umwerfenden Blondine auf der entgegengesetzten Seite des Raums begegnete, und plötzlich war sein durchnässter Anzug vergessen gewesen.

Er glaubte fest daran, dass man immer seinen Instinkten folgen sollte. Genau auf diese Weise hatte er es in der Finanzbranche, in der die Cartwright Corporation eine beherrschende Stellung einnahm, zu einem Millionenvermögen gebracht.

Also war er der blonden jungen Frau nachgegangen, als sie geflüchtet war. Dann hatte sie ihn mit Worten abgewiesen – und er sie verbal herausgefordert. Ganz eindeutig nicht ohne Wirkung: Ihre funkelnden Augen und ihr sinnlicher Mund hatten etwas ganz anderes ausgedrückt als ihre defensive Körpersprache.

Als er den Vibrationsalarm seines Handys spürte, sah er nach, wer der Anrufer war. Dann bat er die atemberaubende junge Frau, auf ihn zu warten, und ging zum anderen Ende des Balkons.

Sein Handy war ständig an – eine unverzeihliche Unhöflichkeit, wie seine letzte Assistentin immer wieder angemerkt hatte. Aber sie leitete ja auch kein Unternehmen und musste nicht den Überblick über finanzielle Transaktionen im Umfang von mehreren Milliarden Dollar behalten. Der Markt schlief nicht, und auch Callum tat es dieser Tage kaum.

Seit jener verhängnisvollen Nacht, durch die er überhaupt erst in dieser Branche gelandet war, hatte er kein einziges Mal durchgeschlafen. Und genau aus diesem Grund musste er diesen Anruf entgegennehmen: Denn der Anrufer war der einzige Mensch, der genau verstand, was in jener Nacht geschehen war – und der immer noch versuchte, auf seine eigene Art damit umzugehen.

Callum atmete tief ein. „Hallo Rhys, wie geht’s dir?“

„Ganz gut, Bruderherz. Und dir?“

„Wie immer. Wo steckst du denn?“

„Ich bin gerade ein paar Tage in Japan, dann geht’s weiter in die Staaten.“

„Kommst du irgendwann wieder nach Hause?“

„Mal sehen.“

Das bedeutete Nein, wie üblich. Während Callum sich nach dem Unfall in seine Aufgabe, das Familienunternehmen zu führen, gestürzt hatte, war Rhys geflüchtet. Er hatte in einem anderen Bundesstaat Australiens studiert und das Land sofort nach dem Abschluss verlassen. Seitdem machte er um Melbourne sowie um alles einen Bogen, was es mit sich brachte, ein Cartwright zu sein.

Darum beneidete Callum ihn. Auch er war vor langer Zeit einmal so, als er sorglos, egoistisch und verantwortungslos gewesen war. Als sein älterer Bruder noch gelebt hatte.

Die „Cartwright-Jungs“ hatten die Leute sie genannt, und sie waren ein echtes Team gewesen – vor dem Unfall, bevor Archie gestorben war und sein Tod ihr Leben auf den Kopf gestellt hatte.

„Und wo bist du?“

„In Sydney, bei so einer langweiligen Cocktailparty, geschäftlich.“

Rhys zögerte, und als er sprach, war deutlich zu hören, dass er besorgt war: „Aber ist das nicht besser, als den heutigen Abend allein zu verbringen?“

Callum gab eine einsilbige Antwort, schob sich die freie Hand in die Tasche und zwang sich, seine angespannten Schultern ein wenig zu lockern. Er wollte über dieses Thema nicht reden. Das wollte er nie. Denn es würde nicht das Geringste ändern, darüber zu sprechen, was vor genau vierzehn Jahren passiert war.

„Ich verbringe den Abend mit ein paar Freunden.“

„Gut.“

Das Schweigen, das nun eintrat, zog sich in die Länge, wie immer bei ihren seltenen Telefongesprächen. Sie hatten einander dieser Tage nicht viel zu sagen, und bei den meisten Themen kamen sie unweigerlich auf die Vergangenheit zu sprechen.

Callum räusperte sich und blickte auf die Uhr. „Brauchst du etwas? Geld?“

„Nein, alles in Ordnung, aber trotzdem danke.“

„Also gut, ich muss dann mal auflegen.“

„Cal?“ Rhys’ leiser Atem war zu hören, dann sagte er: „Was damals passiert ist, war nicht deine Schuld.“

Als tiefer Schmerz Callum durchzuckte und ihn eines Besseren belehrte, legte er schnell auf. Natürlich war es seine Schuld gewesen – jeder einzelne Moment dieser schrecklichen Nacht vor vierzehn Jahren.

Meist gelang es ihm, nicht daran zu denken, indem er sich in seine Arbeit vertiefte. Doch an Abenden wie diesem wurde er von der Erinnerung überwältigt wie von einer mächtigen Lawine.

Müde rieb er sich die Augen, schob das Handy in die Hosentasche und blickte sich suchend um. Die blonde junge Frau war verschwunden.

Callum wollte den Flirt dort weiterführen, wo sie unterbrochen worden waren, denn die schlagfertige, temperamentvolle Blondine war genau die Ablenkung, die er jetzt brauchte. In dieser Nacht wollte er alles vergessen.

Er hatte ihr die Stelle nur angeboten, um sie herauszufordern, auch wenn ein kleiner Teil von ihm gehofft hatte, sie würde darauf anspringen. Denn Callum brauchte wirklich dringend eine vorübergehende Aushilfe. Die einzige Zeitarbeitsfirma, der er vertraute, hatte acht Wochen lang keine Assistentin verfügbar, und so langsam wurde es eng.

Auch eine wunderschöne Tänzerin mit ziemlich großer Klappe, einem Namen wie eine Filmschauspielerin und einem Körper, der eher für die Bühne prädestiniert war als fürs Büro, würde ihm in seiner misslichen Lage schon sehr helfen.

Wieder ließ Callum den Blick umherschweifen und entdeckte sie schließlich unter einer riesigen Pflanze beim Foyer. Ihm war klar, dass er eigentlich ins Hotel zurückfahren und sich mit einem exklusiven Single-Malt-Whisky trösten sollte. Stattdessen ging er wie ferngesteuert auf die Frau zu. Genau in diesem Moment blickte sie auf, warf ihr blondes Haar zurück und sah ihn aus tiefblauen Augen neugierig an. Was bei Callum nicht ohne Wirkung blieb.

Sie strahlte geradezu vor Lebendigkeit, von den Zehenspitzen, deren Nägel silbern lackiert waren, bis zu ihrem leicht zerzausten blonden Haar. Die junge Unbekannte war eigentlich gar nicht sein Typ, aber auf irgendetwas an ihrer Forschheit sprang sein Instinkt an.

„Erhoffe ich mir zu viel, wenn ich vermute, dass Sie auf mich warten?“

„Allerdings.“

„Ich hatte Sie doch vorhin gebeten, dass Sie nicht weggehen.“

Sie zuckte die Schultern. „Ich tue eben nicht immer das, was man von mir erwartet.“

Ja, sie hatte wirklich Temperament! Genau das brauchte Callum jetzt: leidenschaftlichen, frechen Übermut, damit ihn die schmerzlichen Erinnerungen nicht überwältigen würden.

„Trotzdem sind Sie immer noch hier.“

Sie legte den Kopf zur Seite und sah ihn aufmerksam an. „Ich wollte mich von einer Freundin verabschieden, aber offenbar hat sie sich mit einem der knackigen Kellner davongemacht.“

„Was? Mit so einem muskelbepackten, solariumgebräunten Neandertaler?“

Die junge Unbekannte hatte den schönsten Mund, den Callum je gesehen hatte: volle Lippen, ebenmäßige weiße Zähne und ein Lächeln, das Männer alles vergessen lassen konnte.

Als sie aus dem Schatten der riesigen Pflanze trat, zeigte sich noch einmal, wie unglaublich attraktiv diese Frau war. Das hatte weniger mit ihrem langen blonden Haar, den leuchtenden blauen Augen oder dem frechen Lächeln zu tun als mit der lebendigen, temperamentvollen Aura, die sie umgab. Ganz besonders auf einen Mann wie ihn, der sich in erster Linie mit seinem Unternehmen befasste, wirkte das äußerst faszinierend.

Noch nie war Callum einer Frau wie ihr begegnet: Er ging nur mit korrekt gekleideten, wohlhabenden Society-Damen aus, die stets kühl und gelassen blieben.

Starr Merriday dagegen strahlte heiße Leidenschaft aus und war das absolute Gegenteil der Frauen, mit denen er bisher zusammen gewesen war. Und genau deshalb konnte er sich einfach nicht losreißen.

„Ich würde Sie gerne nach Hause bringen, um sicherzugehen, dass Sie wohlbehütet ankommen.“

Callum rechnete damit, sofort eine Abfuhr entgegengeschmettert zu bekommen, und wartete ab, fasziniert von Starrs natürlicher Schönheit, ihrer Anmut und ihrem feurigen Temperament.

Am liebsten hätte er verlangt, sie nach Hause begleiten zu dürfen, sodass er noch mehr Zeit mit ihr verbringen konnte. Seine letzte Assistentin hatte das als zwanghaft bezeichnet: Er musste alles und jeden unter Kontrolle haben. Und es stimmte: Callum war es gewohnt, die Dinge in der Hand zu haben.

„Sie wollen mich nach Hause bringen?“ Provokant schob Starr eine Hüfte vor.

„Stimmt.“

Als sie ihre äußerst sinnliche Unterlippe zwischen die Zähne nahm, musste Callum den starken Drang unterdrücken, sie zu küssen. Er wollte sie. Es war eine irrationale, heftige und leidenschaftliche Sehnsucht.

Sie nickte kurz und legte ihm die Hand auf den Ellenbogen. „Also gut, wie Sie wollen.“

Am liebsten hätte Callum ihre Hand genommen und wäre mit Starr in eins der exquisiten Zimmer des Hotels gerannt. Doch als er losging, blieb sie stehen und lächelte verschmitzt. „Hier entlang.“ Sie führte ihn in Richtung der Aufzüge.

„Sie wohnen hier im Hotel?“

Starr nickte. „Nur heute. Ein Abschiedsgeschenk von meinen Freunden. Heute ist nämlich mein letzter Abend in Sydney.“

„Eine tolle Stadt“, sagte Callum, der Melbourne vor einigen Jahren im Sturm erobert und dort sein Vermögen aufgebaut hatte. „Ihnen ist klar, dass mein Angebot mit der Stelle ernst gemeint war, oder?“

„Wir finden doch sicher interessantere Gesprächsthemen als den Umstand, dass ich keine Arbeit habe“, entgegnete Starr.

Sie ging zu den Aufzügen, und Callum folgte ihr.

Er verspürte erneut heftiges Verlangen. Er wollte sich in ihr verlieren, wollte sich heißer Leidenschaft und wildem Sex hingeben und nichts mehr wahrnehmen als diese Frau.

Als der Aufzug schließlich kam, öffneten sich die Türen mit einem leisen „Pling“. Das Innere war opulent und äußerst stilvoll in Gold und Chrom gestaltet, und bodentiefe Spiegel zeigten die leichte Verzückung ihrer Gesichter.

Starr betrat den Aufzug und zog leicht an Callums Hand. „Kommen Sie?“

Mittlerweile tat Callum immer das Richtige, er handelte vernünftig, umsichtig und überlegt. Doch in diesem Moment, als ihre Augen frech funkelten und ein herausforderndes Lächeln ihre verführerischen Lippen umspielte, tat er das, wofür er in seiner Jugend bekannt gewesen war.

„Unbedingt“, sagte er und stieg ebenfalls in den Fahrstuhl, ohne ihre Hand loszulassen.

Als Starr auf den Knopf für den fünfundzwanzigsten Stock drückte, verspürte er einen Adrenalinstoß, denn er hatte schon lange nichts so Untypisches, Impulsives mehr getan.

„Du bist so ruhig“, sagte sie und merkte ebenso wenig wie er, dass sie zur vertraulichen Anrede übergegangen war. „Worüber denkst du nach?“

Callum sah sie mit einem durchdringenden Blick an, unter dem seine meisten Mitarbeiter erzittert wären.

„Ich frage mich, was an dir mich so fasziniert.“

Starr schenkte ihm ein kokettes, entzückendes Lächeln. „Ich werte das mal als Kompliment.“

„Das solltest du auch.“

„Und, hast du mein Geheimnis schon gelüftet?“

Callum strich ihr mit der Fingerspitze über die Wange. „Ja, langsam, aber sicher.“ Er ließ die Finger auf ihrer zarten Haut ruhen und fügte hinzu: „Du bist einzigartig.“

„Und?“

„Und ich möchte mehr herausfinden.“

Wieder ertönte ein dezentes „Pling“, bevor die Fahrstuhltüren sich lautlos öffneten.

„Ich möchte die ganze Nacht damit verbringen, mehr zu entdecken.“

Callum hielt den Atem an, als Starr seinen Kragen griff und sanft zog, sodass sein Gesicht ganz nah an ihren verführerischen Lippen war.

„Das lässt sich bestimmt einrichten.“

3. KAPITEL

Mit bebenden Fingern zog Starr die Keycard durch den Schlitz an ihrer Zimmertür. Als diese sich nach dem dritten Versuch noch immer nicht öffnete, legte Callum die Hand auf ihre.

„Lass mich mal.“

Er zog die Karte durch den Schlitz, die winzige Leuchte zeigte grünes Licht, und Starr stolperte ins Zimmer. So unbeholfen und nervös war sie sonst nie, doch mit diesem unglaublich sinnlichen Mann im Lift zu fahren – das war die reinste Folter gewesen.

Zwar hatten sie sich kaum berührt, nur ihre Hände hatten einander gestreift, als Starr ihr Stockwerk eingegeben hatte – und dennoch hatte die Luft zwischen ihnen geradezu geknistert.

Zu lange hatte Starr an einer unglücklichen Beziehung festgehalten. Sie war im Schlafzimmer vernachlässigt und von dem Spaß, den Sex angeblich bereiten sollte, nie wirklich überzeugt worden. Es war also höchste Zeit, ihre flirtfreudige Seite wieder zum Leben zu erwecken.

Als Callum ihr die Hand auf den unteren Rücken legte, drang seine Wärme durch den dünnen Seidenstoff ihres Kleides, brannte auf ihrer Haut und erfüllte ihren ganzen Körper mit heißer Sehnsucht. Starr musste sich sehr zurückhalten, um sich ihm nicht an den Hals zu werfen.

„Fühl dich wie zu Hause“, sagte sie und hätte sich wegen dieser abgedroschenen Floskel am liebsten geohrfeigt. Als Callum lächelte, erschien ein entzückendes Grübchen in seiner linken Wange.

„Das habe ich vor“, antwortete er.

Starr warf ihre glitzernde Abendhandtasche auf den Tisch im Eingangsbereich, strich mit der Hand über dessen glänzende Glasplatte und zupfte nervös ein Blumengesteck zurecht, während Callum im Türrahmen stand und dabei absolut gelassen und ziemlich unwiderstehlich aussah.

Um ihre Hände stillzuhalten, verschränkte Starr sie ineinander. Doch als ihr auffiel, wie steif das wirkte, löste sie die Finger schnell wieder und stützte sich auf dem Tisch hinter sich ab.

„Ich weiß nicht so recht, was die Etikette jetzt von mir erfordert: Soll ich dir einen Drink anbieten? Einen Schokoladenriegel? Mich?“

Callums Grübchen wurde tiefer. „Ich nehme Letzteres, danke.“

Starrs Herz machte einen Sprung, und sie umfasste den Tisch so fest, dass die in dessen Minibarfach stehenden Flaschen klirrten. Eine fiel sogar um.

„Geschüttelt oder gerührt?“

Lachend kam er auf sie zu, und ihr Puls beschleunigte sich mit jedem seiner Schritte. Als er schon ganz nah bei ihr war, blieb Callum stehen. Seine Absicht war seinen dunklen Augen deutlich anzusehen, deren Glanz tief in ihr etwas auslöste.

„Entspann dich.“ Er strich ihr mit der Fingerspitze über den nackten Arm, sodass sie erschauerte.

„Das sagt sich so leicht.“

„Bist du aufgeregt?“

„Ein bisschen“, gestand sie.

„Das brauchst du nicht.“

Callum ließ den Finger bis zu ihrer Hand gleiten. Und als er sie ergriff, gab Starr das genau den Halt, den sie in diesem aufgewühlten Zustand der Leidenschaft brauchte.

Seine kräftige warme Hand umschloss ihre, und eine heiße Welle fuhr durch ihren Arm. Starr suchte nach den richtigen Worten – irgendetwas, bei dem sie nicht völlig unzurechnungsfähig wirken würde, auf keinen Fall etwas wie „Nimm mich jetzt, ich gehöre ganz dir“.

„Ich kann auch gehen, wenn dir das lieber ist“, sagte Callum.

Starr streckte die freie Hand aus, umfasste den weichen Baumwollstoff seines Hemds und zog fest daran. „Ich will nicht, dass du gehst …“

Bevor sie den Satz zu Ende sprechen konnte, presste Callum den Mund auf ihren. Ihr stockte der Atem, als ein Feuerwerk heißer Leidenschaft und heftiger Sehnsucht sie erbeben ließ.

Starr schmiegte sich an ihn, weil sie unbedingt noch näher bei ihm sein wollte. Lustvoll stöhnte sie auf, als Callum sie heftig an sich zog und gegen die nächste Wand presste.

Sie schlang die Arme um ihn, drängte sich noch enger an seinen Körper und konnte seine starke Erregung spüren. Wie von selbst rieb sie die Hüften gegen ihn, als würde sie ihn wortlos anflehen, ihre Lust zu stillen.

„Oh ja“, flüsterte sie, als Callum ihren Po umfasste und sie fest an sich presste. Dann löste er den Mund von ihrem und sah sie mit vor Leidenschaft funkelnden Augen an.

„Das ist einfach verrückt.“

„Ja …“

Callum schüttelte den Kopf und lehnte die Stirn gegen ihre. „Eigentlich gebe ich sonst nie so unkontrolliert meinen Bedürfnissen nach.“

„Ich auch nicht.“

Starr ließ ihre Hände von seiner Brust hinaufgleiten, umfasste sein Gesicht und schob seinen Kopf ein wenig nach hinten, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Sie wusste genau, dass sie das, was hier passierte, nicht aufhalten konnte. Und sie wollte es auch gar nicht.

Die alte Starr war in der Realität angekommen, als sie Sergio in ihrem gemeinsamen Apartment im Bett mit einer anderen Frau erwischt hatte. Und jetzt war es an der Zeit, sich von ihrem früheren Dasein endgültig zu verabschieden. Die neue Starr würde strahlend aus den Trümmern aufsteigen und sich – als ersten Schritt in ihr neues Leben – einer unglaublichen Nacht mit einem ziemlich heißen Mann hingeben.

„Und was willst du?“

„Das hier.“

Starr dachte keine Sekunde länger über ihre Entscheidung nach, als sie Callums Gesicht wieder zu sich zog und den Mund auf seinen presste. Sie bog ihm die Hüften entgegen und schlang die Beine um ihn.

Er stöhnte tief auf und küsste sie immer leidenschaftlicher, bis ihre Zungen in einem sinnlichen Tanz miteinander verschmolzen. Diese erotischen Liebkosungen schienen eine köstliche Ewigkeit zu dauern und brachten Starr fast zum Gipfel der Lust, ohne dass Callum die vor Begierde pochende Stelle zwischen ihren Beinen auch nur berührt hätte.

Während ihre Sehnsucht weiter zunahm, spannte sich Starrs Körper immer mehr an, bis sie das Gefühl hatte, vor Verlangen zu vergehen. Sie klammerte sich an Callum, als er den Mund von ihrem löste und die Lippen an ihrem Hals nach unten gleiten ließ, bis er durch die dünne Seide ihres Kleides ihre aufgerichteten Brustspitzen sanft zwischen die Zähne nahm. Gleichzeitig schob er ihr die Finger in den Saum ihres Slips unter dem hochgerutschten Rock.

Starr presste die Knie um seine Hüften, stöhnte leise und bog sich ihm entgegen. Sie verlangte nach mehr – nach allem, was er geben konnte.

„Wenn du weiter solche Laute von dir gibst, wird das hier nicht sehr lang dauern.“

„Schnell ist gut“, sagte Starr atemlos, als er an der zarten Haut ihres Halses zu saugen begann. Sie nahm seine Hand von ihrem Po und führte sie zwischen ihre beiden Körper. „Schnell und heftig.“

Sie spürte Callums Anspannung. „Sicher?“

„Oh ja … ganz sicher.“

Er trug sie zum nächsten Sessel und hielt sie dabei eng an sich gepresst. Dort setzte er sie vorsichtig ab, lehnte sich zurück und betrachtete sie wie ausgehungert.

„Du bist wunderschön“, sagte er mit rauer, fast andächtiger Stimme, während er ihr das Kleid so schnell aufknöpfte, dass er es fast zerriss.

Starr erbebte erwartungsvoll, als er den Verschluss vorne an ihrem BH öffnete und ein tiefes, anerkennendes Pfeifen ertönen ließ, bevor er den Kopf neigte und erst ihre rechte, dann ihre linke Brust mit dem Mund liebkoste. Er nahm ihre Brustspitzen zwischen die Lippen und saugte daran, bis Starr, fast verrückt vor Verlangen, den Kopf hin und her warf und die Hände zwischen sie schob. Sie wollte Callum unbedingt in sich spüren.

„Wow“, sagte sie beeindruckt, als sie seine Erregung spürte, doch dann zog Callum sich ein wenig zurück.

„Du hast zwar von ‚schnell und heftig‘ gesprochen“, sagte er. „Aber so schnell willst du doch sicher auch wieder nicht?“

Starr lachte. Es war unglaublich, dass sie einander neckten, als würden sie sich bereits ihr ganzes Leben kennen. Der Sex mit Sergio war nicht sonderlich spannend gewesen. Die Innigkeit und Vertrautheit, nach der sie sich sehnte, hatte gefehlt. Dieses wahnsinnige Vorspiel mit einem Mann, den sie gerade erst kennengelernt hatte, konnte man zwar auch nicht als „vertraut“ bezeichnen, aber aus irgendeinem Grund fühlte sie sich in seiner Gegenwart einfach wohl – obwohl sie fast nackt war.

Sie hob den Arm und fuhr Callum leicht mit den Fingernägeln über den Oberkörper.

„Ich will dich. Und zwar sofort.“

„Deine Entschlossenheit gefällt mir.“

Er streifte ihr den Slip ab, schob ihr die Finger zwischen die Schenkel und genoss es, wie empfänglich sie für ihn war. Dann liebkoste er Starr, bis sie vor Lust aufschrie.

„Du bist ziemlich heiß“, sagte er leise, zog ein Kondom aus der Brieftasche und hatte es sich übergestreift, noch bevor sie bemerkte, dass er seine Hose ausgezogen hatte.

„Du auch“, erwiderte sie atemlos nach einem Blick auf seine nun sehr offensichtliche Erregung.

Callum sah ihr tief in die Augen, als er ganz langsam in Starr glitt, bis er sie ganz ausfüllte.

„Oh ja …“

Er zog sich ein wenig aus ihr zurück und glitt dann wieder hinein. Die erregende, erotische Reibung ließ heiße Wellen durch Starrs Körper gleiten, schneller und schneller.

Aufstöhnend drang Callum in sie, immer wieder, immer fester. Er atmete flach, während Starr seine Hüften umfasste und noch mehr von ihm forderte.

Als sie dieses Mal zum Höhepunkt gelangte, war es so intensiv und heftig wie eine Naturgewalt. Starr bäumte sich auf und presste den Mund auf Callums, als auch er sich anspannte und den Gipfel der Lust erreichte.

Erst nach einer Weile konnte sie wieder klar denken, und ihr wurde bewusst, dass sie gerade Sex mit einem Wildfremden gehabt hatte – und zwar den besten Sex ihres Lebens. Eines Lebens, das völlig aus dem Ruder gelaufen war, was vermutlich auch erklärte, warum Starr sich so verhalten hatte. Nicht erklären konnte sie sich dagegen, warum sie den Drang verspürte, es immer wieder zu tun.

Callum hielt sie fest und strich ihr über den Rücken. Überwältigt von ihrer Sehnsucht danach, ihn die ganze Nacht zu lieben, schloss Starr die Augen.

„Ich sollte jetzt gehen“, sagte er.

Das stimmte. Aber sie wollte nicht, dass er ging. Sie wollte nicht die letzte Nacht in der einzigen Stadt allein verbringen, die ihr je wirklich ein Zuhause gewesen war.

Sie beugte den Kopf nach hinten, umfasste seine Wange und sah ihm tief in die Augen. „Geh nicht.“

4. KAPITEL

Starr blickte die zerknitterte Visitenkarte in ihrer Hand nervös an und las die Adresse noch zweimal nach, bevor sie den großen Rucksack energisch schulterte und das schmiedeeiserne Tor aufstieß. Es war nur das Seitentor und dennoch ziemlich imposant, wurde jedoch von einem riesigen, aufwendig verzierten schwarzen Doppeltor aus Eisen in den Schatten gestellt, das den Hauptzugang bildete.

Beeindruckt versuchte Starr einen Blick auf das Haus zu erhaschen, während sie dem von Hecken gesäumten Weg durch den Garten folgte.

Der Hafen von Sydney war umgeben von schicken Stadtteilen, in denen mehrere Millionen Dollar teure Anwesen um die beste Aussicht wetteiferten. Doch nach dem zu urteilen, was Starr bisher vom eleganten Melbourner Vorort Toorak gesehen hatte, gab es auch hier so einige noble Villen.

Früher hatte sie einmal davon geträumt, in einem solchen Haus zu leben – zu der Zeit, als sie die begehrte Stelle als erste Tänzerin bei der Theaterkompanie Bossa Nova ergattert hatte. Es war schon eine Ironie des Schicksals, dass sie jetzt vielleicht in einem solchen Haus arbeiten würde.

Mit ihrem Lebenslauf und ihrem Ruf hätte sie eigentlich sofort ein sehr gutes Engagement in Melbourne bekommen müssen. Doch Sergios Rachsucht kannte keine Grenzen, und die wenigen Türen, an die Starr versuchsweise geklopft hatte, waren ihr kommentarlos vor der Nase zugeschlagen worden.

Dabei war es Sergio gewesen, der etwas mit einer Kollegin angefangen hatte. Daraufhin hatte Starr ihn verlassen – und trotzdem stellte er sie nun als die Böse dar.

Er war wirklich eine Primadonna, und sie hätte ihm schon vor langer Zeit den Laufpass geben sollen. Immer wieder warf Starr sich vor, dass sie aus Bequemlichkeit bei Sergio geblieben war: Es war angenehm gewesen, in einem Apartment ganz in der Nähe des Arbeitsplatzes zu wohnen und einen Partner zu haben, der die Anforderungen verstand, die an Tänzer gestellt wurden.

Aber jetzt war ihr klar, dass sie Zeit und Geld vergeudet hatte, denn letzten Endes war Starr für die Miete aufgekommen, während er in eine neue Tanzkompanie „für sie beide“ investiert hatte. Sergio hatte ihr Ruhm versprochen und damit Starrs Ego geschmeichelt. Doch schließlich war sie fast pleite, als sie den Idioten endlich verlassen hatte.

Kein Geld, kein Zuhause und keine Aussicht auf ein Engagement als Tänzerin – das waren die Gründe, warum sie nun hier war. Jetzt musste sie die Sache nur noch durchziehen.

Starr kämpfte gegen ein Gefühl der Bitterkeit an, beschleunigte ihren Schritt und bog um eine Kurve, sodass sie zum ersten Mal freie Sicht auf das große Haus hatte. Es war einfach umwerfend.

Als Kind hatte sie die Romane von Jane Austen verschlungen und glaubte, sich jetzt, als sie im Schatten der hohen Hecken das erhabene Anwesen betrachtete, plötzlich in „Stolz und Vorurteil“ wiederzufinden.

Das Haus – wenn man angesichts seiner beeindruckenden Größe überhaupt von einem „Haus“ sprechen konnte – hatte eine Grundfläche von mehreren tausend Quadratmetern. Die Fenster glänzten in der Morgensonne, die Fassaden strahlten blendend weiß und ihre Schlichtheit hoben die Ornamente der Balkongeländer im ersten Stock noch besonders hervor.

Das Haus wirkte wie eine elegante Grande Dame, der man einfach Respekt zollen musste. Würde man es mit einem Tanz gleichsetzen, dann mit einem eleganten Walzer, der aus einer lange vergangenen Ära in die Gegenwart geglitten war und Anerkennung und Bewunderung verlangte.

Hier könnte ich arbeiten, dachte Starr und schob sich den Rucksack zurecht. Als sie den Weg weiterging, hoffte sie inständig, das Vorstellungsgespräch werde erfolgreich verlaufen. Sie wollte diese Stelle zwar nicht, brauchte sie aber – dringend.

Fasziniert ließ Starr den Blick über den glänzenden Marmor der Stufen am Eingang gleiten, als sie hinaufstieg und auf den Knopf der Gegensprechanlage drückte.

„Hinten rum“, ertönte eine Stimme durch das Knistern des Lautsprechers hindurch.

Toll. Offenbar wollte er, dass Starr von Anfang an wusste, wie sie sich korrekt zu verhalten hatte und was ihrer Stellung angemessen war. Sie schnaufte resigniert und folgte dem mit Sandsteinfliesen ausgelegten Weg zur Rückseite des Hauses.

Schon die Vorderansicht war beeindruckend gewesen, doch von hinten war das Anwesen geradezu atemberaubend: ein Swimmingpool mit Olympiamaßen, ein Tennisplatz, ein Pavillon und eine Terrasse, die zweimal so groß war wie die Bühne der Oper von Sydney.

Callum saß allein auf der Terrasse, ein Handy am Ohr, eine Hand auf der Tastatur eines Laptops.

Er blickte nicht auf, als Starr ihren Rucksack absetzte, die Stufen zur Terrasse hinaufging und wartete, bis er das Telefongespräch beendet hatte. Sie zwang sich, ihre Füße zu entspannen, als sie bemerkte, dass sie auf den Zehenspitzen ging. Seit sie mit fünf Jahren die erste Ballettstunde bekommen hatte, tat sie das immer, wenn sie nervös war.

Als Callum das Handy auf den Tisch warf und Starr noch immer nicht ansah, räusperte sie sich und kam mit zitternden Knien einige Schritte auf ihn zu.

„Danke, dass ich kommen durfte.“

Callum stand auf und wandte sich zu ihr um. Seine zusammengepressten Lippen wollten so gar nicht zu ihrer Erinnerung passen, nach der sich sein Mund weich, warm und sinnlich auf ihrem angefühlt hatte.

„Schön, dich wiederzusehen, Starr“, sagte er so förmlich, als hätte es jene leidenschaftliche Nacht nicht gegeben. „Ich war allerdings ziemlich überrascht, dass du dich gemeldet hast.“

„Warum denn? Du hast mir doch deine Visitenkarte gegeben und mir eine Stelle angeboten.“

„Über die du gespottet hast, wenn ich mich recht erinnere.“

Sein kühler Tonfall gefiel Starr nicht. „Umstände können sich nun einmal ändern. Jetzt interessiere ich mich für die Stelle.“

Um Callums Mund zuckte es. „Ach, tatsächlich?“

Ich bin wirklich in einen Jane-Austen-Roman geraten, dachte Starr. Denn vor ihr stand ein echter Mr. Darcy: wichtigtuerisch, arrogant und viel zu umwerfend für ihren Geschmack. Gleichzeitig hätte sie ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben.

„Ist die Stelle denn noch zu haben?“

„Allerdings.“

Zum ersten Mal klang an, dass ihre Unterhaltung mehr war als nur ein Vorstellungsgespräch. In Callums kühl-gelassener Stimme schwang ein Unterton mit, der an das erinnerte, was sie zusammen erlebt hatten.

Und schlagartig wurden die Bilder und Empfindungen wieder lebendig, jeder einzelne magische Moment, jedes erotische Detail ihrer gemeinsamen Nacht: wie Callum sie mit Liebkosungen seiner Finger und seiner Zunge zum Höhepunkt gebracht hatte. Wie sie sich seinetwegen zum ersten Mal seit Langem wieder lebendig und sinnlich gefühlt hatte. Wie er sie stehend, sitzend und vor dem Badezimmerspiegel geliebt hatte. In der Woche seit jener Nacht hatte Starr kaum noch geschlafen, sondern in Gedanken immer wieder jeden Moment ihrer gemeinsamen Stunden durchlebt, die ihr Leben verändert hatten.

Sie presste die Finger auf die Augenlider und versuchte, den Gedanken an Callum und ihre Liebesnacht zu verdrängen. Doch als sie helle Punkte tanzen sah und die Augen wieder öffnete, verließ sie der Mut. Es war einfach unmöglich, Callum gegenüberzustehen und so zu tun, als würde sie ihn nur als potenziellen Arbeitgeber betrachten. Immerhin hatte sie ihn nackt gesehen.

„Sollen wir mit dem Vorstellungsgespräch anfangen?“

„Ja, genau. Vorstellungsgespräch.“

Innerlich zuckte Starr wegen ihrer unbeholfenen Antwort zusammen. Sie ließ die Hände sinken, bog und schüttelte ihre Finger und setzte den Gesichtsausdruck auf, den sie auf der Bühne trug.

„Was möchtest du wissen? Wie schnell ich tippen kann? Was für Computerkenntnisse ich habe? Ob ich mich mit Textverarbeitung auskenne und Multitasking beherrsche?“

Hör auf zu schwafeln, ermahnte sie sich innerlich, während Callum sie ungerührt anblickte. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass es dumm gewesen war, diesen Mann nicht als unerschütterlichen, gelassenen Geschäftsmann zu sehen, der nicht zuließ, dass sich ihm irgendetwas in den Weg stellte.

„Ich brauche dich.“

Du brauchst mich?“ Starrs ungläubiges Lachen erschreckte eine Elster, die daraufhin empört krächzte.

„Nach deinem Haus zu urteilen, brauchst du niemanden. Offensichtlich kommst du ganz gut allein zurecht.“

Callum kniff die Augen zusammen. Unter seinem abschätzenden Blick straffte Starr sich und warf das Haar zurück, zutiefst erleichtert darüber, dass sie sich die Zeit genommen hatte, es glatt zu föhnen.

Sie musste selbstsicher wirken, was ihr auf der Bühne auch nie schwerfiel. Doch hier, vor Callum, der eine unglaubliche Macht ausstrahlte, erbebte sie angesichts dessen, was sie zu tun im Begriff war: sich um eine Stelle bei dem Mann bewerben, der ihr gezeigt hatte, wie viel Spaß Sex machen konnte.

„Ich brauche eine Assistentin, und zwar dringend.“

Und Starr brauchte Geld – dringend.

Sie würden also beide davon profitieren. Wenn sie nur einfach vergessen könnte, dass sie mit Callum den besten Sex ihres Lebens erlebt hatte.

Starr hatte abgewogen, welche Möglichkeiten ihr blieben, als ihr Kontostand auf unter hundert Dollar gesunken war. Sie hatte keine Zeit, lange nach Arbeit zu suchen, und so hatte sie immer wieder an Callums Angebot denken müssen. Wenn sie doch nur die Erinnerung daran verdrängen könnte, wie er nackt und atemberaubend vor ihr gestanden hatte.

Aber Erinnerungen zählten nicht. Wenn Starr nicht so bald wie möglich wieder arbeitete, würde es mit dem geplanten Neustart in Melbourne nicht klappen. Deshalb wäre es sehr unklug, dieses Stellenangebot nicht anzunehmen, nur weil es ihr unangenehm war, für einen Mann zu arbeiten, mit dem sie geschlafen hatte.

„Wie schnell könnte ich anfangen?“

Ohne zu blinzeln oder mit der Wimper zu zucken, sah Callum sie geduldig an, als hätte er es mit einem schwierigen Kind zu tun.

„Sofort“, antwortete er. „Verfügst du über die Fähigkeiten, die du eben aufgezählt hast?“

Fast hätte Starr genervt die Augen verdreht, aber das wäre wenig ratsam gewesen.

„Ich habe schon früher mal als Aushilfssekretärin gearbeitet, als ich mit dem Tanzen gerade angefangen hatte. Um meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.“

„Gut.“

„Müsste ich auch Buchhaltung beherrschen? Ich kann nämlich …“

„Zu deinen Pflichten würden neben den normalen Aufgaben einer Assistentin eventuell auch Haushaltsarbeiten gehören.“

„Haushaltsarbeiten? Aber …“

„Du wirst dein Gehalt sicher mehr als fair finden.“

Er fiel ihr rücksichtslos ins Wort wie einer Untergebenen, und alles in Starr sträubte sich dagegen, so behandelt zu werden. Sie straffte die Schultern und war froh, stolze einen Meter fünfundsiebzig groß zu sein – die allerdings im Vergleich zu Callums imposanten eins neunzig nicht sonderlich beeindrucken konnten.

„Danke. Wie viel …?“

„Und natürlich steht dir hier eine Unterkunft zur Verfügung“, unterbrach Callum sie erneut. „Du wirst das Cottage ganz für dich haben, solange du hier arbeitest.“

Ein Cottage ganz für sie allein? Starr vergaß die Frage völlig, die sie als Nächstes stellen wollte. Sie musste daran denken, dass sie die vergangene Woche bei einer Freundin von Kit gewohnt hatte, die in ihrer baufälligen Mietwohnung Studenten Unterschlupf bot, die kein Zimmer fanden. Auch wenn Starr nicht ständig von der Erinnerung an Callum verfolgt worden wäre, hätte sie dort kein Auge zutun können – angesichts der unzähligen auf dem Boden schlafenden Menschen, dem ständigen Türenschlagen und den Verdauungsgeräuschen von Studenten, die sich in erster Linie von Pizza und Baked Beans ernährten.

Sie hatte einfach kein Geld für eine andere Unterkunft und hoffte darauf, diese Stelle zu bekommen, um sich endlich wieder eine anständige Mahlzeit leisten zu können.

„Du kannst es dir gern ansehen.“

„Toll“, sagte Starr. Sie folgte Callum am Swimmingpool und einem gläsernen Poolhaus vorbei, das hinter sorgfältig gestutzten Hecken lag, und weiter zu einer kleinen Lichtung. Dort stand das entzückendste kleine Haus, das sie je gesehen hatte.

Wie Callum gesagt hatte, war es ein Cottage. Und zwar ein zitronengelb verputztes mit Fenster- und Türrahmen in hellem Graublau, einer Veranda mit einem Zweisitzer aus Korbgeflecht mit gestreiften Polstern und einem schmalen Petunienbeet davor. Es war unglaublich niedlich, und das Sonnenlicht, das vom glänzenden Terracottadach reflektiert wurde, schien ihr direkt in die Augen, als wollte es sagen: „Genau hier sollst du leben!“

„Du kannst dich gern drinnen umsehen“, sagte Callum und öffnete die Tür.

Starr atmete tief ein, denn das Cottage entsprach genau dem, was für sie ein perfektes Zuhause bedeutete: butterblumengelb gestrichene Wände, deren leuchtender Ton noch von den honigfarbenen Holzdielen betont wurde, Möbel aus massiver Kiefer, ein gusseiserner Heizofen, voluminöse Wildledersofas mit unzähligen Kissen und ein Himmelbett, das direkt aus einem Märchen zu stammen schien.

Mit anderen Worten: Das hier war nicht einfach irgendein Cottage, es war ein Zuhause. Ein Ort, an dem Starr ein neues Leben anfangen und Pläne darüber schmieden konnte, wohin sie wollte.

„Wie findest du es?“, fragte Callum.

„Hübsch“, erwiderte Starr. Im Vergleich zu der Absteige, in der sie die vergangene Woche verbracht hatte, war das Cottage geradezu ein Palast.

„Dann nimmst du die Stelle also an?“

Ach ja, dachte Starr, die Stelle. Der große Haken an der Sache. Wenn sie hier wohnen wollte, dann musste sie für seine Lordschaft arbeiten. Für den Mann, den sie nackt in all seiner Pracht gesehen, geküsst und gestreichelt und die ganze Nacht wachgehalten hatte.

Mist.

Starr verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an eines der Sofas und ignorierte, wie bequem es sich anfühlte.

„Fändest du das denn gar nicht unangenehm?“

Sie hatte es also getan – ihm die Frage gestellt, um ihn zu einer Reaktion zu bewegen.

Aber es funktionierte nicht: Callum zuckte nicht einmal mit der Wimper, und seine Miene war genauso ausdruckslos wie zuvor. „Warum?“, fragte er. „Weil wir zusammen geschlafen haben?“

„Viel Schlaf hat ja wohl keiner von uns bekommen.“

Es war eine unglaubliche Nacht gewesen: ein einmaliges Erlebnis, an das man sich später im Leben sehnsüchtig erinnern würde. Nur leider stand der Mann, der bei dieser Erinnerung die Hauptrolle spielte, direkt vor ihr. Er sah in seinem Designer-Outfit für ihren Geschmack viel zu gut aus. Und die Erinnerung an die himmlische Nacht mit ihm war noch viel zu frisch.

„Diese Nacht war ein bisschen verrückt. Wir brauchten wohl beide Gesellschaft“, sagte Callum. „Lassen wir es darauf beruhen.“

Starr verspürte den Drang, nicht nachzugeben. Er sollte eingestehen, dass zwischen ihnen viel mehr gewesen war als nur der Wunsch nach Gesellschaft. Aber was würde das nützen? Ohnehin würde nichts diese Nacht ungeschehen machen, und wenn sie darauf beharrte, weiter über das Thema zu sprechen, würde das die Sache nicht leichter machen.

Ich werde für ihn arbeiten, dachte Starr noch einmal. Ja, sie würde für einen Mann arbeiten, an den sie ständig denken musste, obwohl sie nach Kräften versuchte, ihn zu vergessen.

„Gut, belassen wir es dabei“, sagte sie. Es war alles andere als gut, aber sie hatte nun einmal keine Wahl. Und als sie sich in dem behaglichen Cottage umsah, wusste sie, was sie zu tun hatte.

„Ich nehme die Stelle.“

Starr reichte ihrem neuen Arbeitgeber die Hand, um ihre Einigung zu besiegeln. Doch als Callums kräftige, warme Finger ihre umschlossen, fragte sie sich, ob es noch rechtzeitig genug war, um zu fliehen.

5. KAPITEL

Callum ging zum Haus, ohne sich noch einmal umzublicken.

Gereizt stellte er fest, dass er sich verschätzt und einen großen Fehler begangen hatte. Starr Merriday einzustellen hätte ihn eigentlich nicht weiter in Anspruch nehmen sollen. Doch sobald er sie auf der Veranda gesehen hatte – in dem schwarzen Bleistiftrock, der ihre langen Beine unterstrich, einer figurbetonten Bluse aus elfenbeinfarbenem Satin und dem glatten, seidigen Haar, das ihr herzförmiges Gesicht umrahmte – hatte er gewusst, dass er in ernsten Schwierigkeiten war. Und zwar in Schwierigkeiten, die sich nicht einfach mit der Delete-Taste auslöschen ließen, nicht mit Geld zu lösen waren und an seinem Unterbewusstsein nagen würden, bis er halb verrückt wäre.

So war die Sache nicht geplant gewesen.

Eigentlich hatte Callum ihr die Stelle aus einem Impuls heraus angeboten, bei ihrem Wortgefecht an einem Abend, an dem er praktisch alles gesagt und getan hätte, um jene schrecklichen Erinnerungen zu verdrängen.

Er war aufgewühlt gewesen, weil er einfach nicht vergessen konnte, was damals geschehen war – ganz egal, wie viel er auch arbeitete und wie viele Millionen er verdiente.

Starr hatte ihm geholfen, für kurze Zeit nicht daran zu denken. Sie hatte ihn geradezu überwältigt mit leidenschaftlichem, wildem Sex, wie er ihn noch nie erlebt hatte. Callum hatte sich ganz hingegeben – und war angesichts dieser gemeinsamen Nacht überzeugt gewesen, dass sie sich nicht bei ihm melden würde.

Doch genau das hatte sie getan. Und als er den Hörer abgenommen und ihre leicht heisere, sinnliche Stimme gehört hatte, war er damit einverstanden gewesen, sie zu empfangen. Natürlich aus rein geschäftlichen Gründen: Denn nachdem innerhalb der letzten zwölf Monate vier Aushilfssekretärinnen eine nach der anderen gekündigt hatten, war Callum jetzt der Verzweiflung nah.

Er hatte im vergangenen Jahr sämtliche Zeitarbeitsfirmen in Melbourne ausprobiert, und jedes Mal war seine Geduld auf eine harte Probe gestellt worden. Die Frauen, die man zu ihm geschickt hatte, waren zu schüchtern, zu langsam, zu wenig motiviert gewesen – oder übereifrige, rechthaberische Personen, die ihm erzählen wollten, wie er sein Unternehmen zu führen hatte.

Daraufhin hatte Callum beschlossen, nur noch mit der besten Zeitarbeitsfirma zusammenzuarbeiten – der einzigen, zu der er Vertrauen hatte. Doch genau die konnte ihm in den nächsten acht Wochen keine Assistentin zur Verfügung stellen.

Dann hatte Starrs Anruf ihm ihr Temperament, ihre hingebungsvolle Liebe zum Tanzen – sie wollte in eine neue Stadt umziehen, um ihren Traum zu verwirklichen – und das erotische Knistern in Erinnerung gerufen, das es unbestreitbar zwischen ihnen gegeben hatte. Callum hatte gar nicht anders gekonnt, als ihr die Stelle zu geben. In erster Linie aus seiner Zwangslage heraus, aber er spürte instinktiv, dass sie in diesem Job genau wie in den anderen Bereichen ihres Lebens all ihren Ehrgeiz daran setzen würde, erfolgreich zu sein.

Andererseits war es einfach verrückt, ausgerechnet mit der Frau zusammenzuarbeiten, die in einer einzigen unvergesslichen Nacht jene wilde Seite von ihm zum Vorschein gebracht hatte, die er mit aller Macht zu zähmen versuchte.

Callum war fest entschlossen gewesen, sich von dem Wiedersehen mit Starr nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Hat ja super funktioniert, dachte er ironisch. Er war nicht nur aus der Ruhe gebracht, sondern aufgewühlt, geradezu verstört. Doch er würde ignorieren, wie sehr es ihn aus der Fassung brachte – und sich auf keinen Fall eingestehen, was das bedeutete.

Bei dem Wiedersehen waren auch die widerstreitenden Gefühle erneut in ihm wach geworden, die ihn seit jener Nacht in Sydney beschäftigten: Seine innere Stimme der Vernunft hatte ihn gedrängt, Starr zu vergessen, andererseits hatte er erwogen, nach ihr zu suchen. Ihre Wirkung auf ihn machte es Callum sehr schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Doch nur durch seine Arbeit hatte er die vergangenen vierzehn Jahre überhaupt ertragen können.

Auch das war ein Problem: Sein Unternehmen litt darunter, dass er ständig an Starr denken musste. Das konnte er nicht zulassen. Also hatte Callum beschlossen, noch eine Woche abzuwarten und sie dann ausfindig zu machen. Denn wenn er sie wiedersehen würde, könnte er diese Sache ein für alle Mal überwinden, sein Gleichgewicht zurückgewinnen, und alles wäre wieder beim Alten.

In der Theorie war das alles schön und gut. Callum konnte dankbar sein, dass Starr auf ihn zugekommen war. Aber das Wiedersehen mit ihr hatte dem kühlen, nüchternen Image einen heftigen Schlag versetzt, um das er sich seit vielen Jahren bemühte.

Und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Für Gefühle hatte er keine Zeit und für eine Frau mit frechem Lächeln und funkelnden Augen schon gar nicht.

Callum hatte zwar das Problem mit der fehlenden Assistentin gelöst, doch nun hatte er das untrügliche Gefühl, dass die eigentlichen Schwierigkeiten gerade erst anfingen.

Starr wartete, bis Callum außer Sichtweite war. Dann sank sie auf eins der gemütlichen weichen Sofas und zog ihr Handy aus der Tasche.

Sie drückte die zweite der eingespeicherten Kurzwahlen – die Eins war Sergio vorbehalten gewesen und nun zu Starrs großer Zufriedenheit leer – und wartete darauf, dass Kit ans Telefon ging.

„Hallo Leute, hier Kitty. Hinterlasst doch bitte ’ne Nachricht. Melde mich dann. Tschüssi!“

Starr bedachte ihr Handy mit einem empörten Blick und sprach dann auf Kittys Anrufbeantworter: „Es ist kurz nach elf, und du bist bestimmt da. Also nimm gefälligst den Hörer ab.“

Sie zählte bis zehn und war gerade bei der letzten Zahl angelangt, als ihre nachtaktive Freundin sich meldete.

„Was willst du denn?“, fragte Kit schlaftrunken. „Gönnst du mir denn nicht mal meinen Schönheitsschlaf?“

„Du musst jetzt aufwachen, Süße, ich habe nämlich tolle Neuigkeiten!“

Kit schnaufte nur. Dann ließ ein lautes Rattern darauf schließen, dass sie ihr Rollo noch weiter heruntergelassen hatte. „Was gibt’s denn so furchtbar Wichtiges?“

„Ich habe eine Stelle“, berichtete Starr. „Nicht als Tänzerin, aber das Cottage, in dem ich wohnen darf, ist einfach toll. Ich werde mich weiter nach einem passenden Job umsehen, und …“

„Für wen arbeitest du?“

„Für Callum Cartwright.“

„Wow.“ Die Bettdecke raschelte. „Der soll ja ziemlich heiß sein.“

„Das ist nicht das Problem“, erwiderte Starr. „Er ist der Typ von der Party.“

„Welche P… was?“, rief Kit. „Mit anderen Worten, du arbeitest für einen sexy Chef und wirst bestimmt jede Menge Überstunden machen. Hast du ein Glück!“

„Glück?“, wiederholte Starr. „Ich muss die ganze Zeit professionell und gelassen wirken, obwohl ich ständig daran denken muss …“

„Wie scharf er im Bett war?“ Ihre Freundin schniefte gespielt. „Du Arme. Mir kommen die Tränen.“

Starr lächelte. „Du kannst ruhig etwas Mitgefühl zeigen“, fand sie. „Wie wäre es zum Beispiel mit: ‚Arme kleine Starr, du musst für einen Typen arbeiten, in dessen Gegenwart du unentspannt bist.‘“

Kit schnaufte nur. „So weit kommt es noch. Du brauchst kein Mitgefühl, du brauchst klare Worte.“

Offenbar hatte sie sich jetzt aufgesetzt, denn plötzlich war ihre Stimme sehr deutlich zu verstehen, und es war kein Bettdeckenrascheln mehr zu hören.

„Lass dir von Kitty-Kat mal einen Rat geben: Dieser Typ hat dich eine Nacht lang etwas aus der Fassung gebracht, und jetzt arbeitest du für ihn. Na und? Es ist ja nur vorübergehend. Sobald du wieder ein Engagement als Tänzerin hast, bist du da raus. Also versuch doch einfach, ein bisschen Spaß zu haben.“

Ungläubig schüttelte Starr den Kopf und erwog, das Gespräch sofort zu beenden.

Dieser Job war nur eine Zwischenlösung, um ihr Konto auffüllen zu können, während sie weiter nach einem erstklassigen Engagement in Melbourne suchen würde.

Tanzen war Starrs Leben und die einzige Konstante, die es in ihrer Welt gab – einer Welt, die sich ständig verändert hatte, weil ihre Eltern von klein auf mit ihr kreuz und quer durch Australien gezogen waren.

Auf das Tanzen konnte sie sich verlassen, es würde ihr immer Halt geben, auch dann noch, wenn nichts und niemand anders für sie da wäre. Starr versenkte sich mit Leib und Seele in jeden Tango, jede Tarantella und jeden Rhythmus. Für ihre leidenschaftliche Liebe war kein Opfer zu groß.

Sie hatte jahrelang kaum Kohlenhydrate oder Zucker gegessen, um schlank zu bleiben, hatte unzählige Stunden trainiert, bis Rücken, Beine und ihre malträtierten Füße geschmerzt hatten, und sie hatte mit zum Zerreißen angespannten Nerven zusammen mit anderen Tänzern darauf gewartet, vortanzen zu dürfen.

Doch jede aufreibende, beglückende Sekunde war es wert. Und je schneller Starr sich ein kleines finanzielles Polster zulegen könnte, desto eher würde sie die Arbeit als Assistentin wieder an den Nagel hängen und ihren Traum verwirklichen. Natürlich würde sie auch bei diesem Übergangsjob ihre Arbeit so gut wie möglich machen, doch dass sie mit ihrem Chef geschlafen hatte, machte sie ziemlich nervös.

„Du hilfst mir nicht gerade“, sagte sie nun vorwurfsvoll zu Kit, doch die schnalzte nur missbilligend mit der Zunge.

„Im Gegenteil, Flinkfüßchen“, widersprach sie. „Ich spreche einfach nur aus, was du dir selbst schon gedacht hast. Oder etwa nicht?“

Als Starr leise schimpfte, lachte ihre Freundin.

„Ach, komm, amüsier dich einfach ein bisschen. Nach dem, was Sergio dir angetan hat, hast du dir das wirklich verdient.“

Nach dem, was Sergio ihr angetan hatte, verdiente Starr es, ein ganzes Jahr mit Callum im Bett zu verbringen.

„Hast du gehört, dass er eine eigene Tanzkompanie gegründet hat?“

„Ja. So ein Schwein.“

Eigentlich hätte sie der Star dieser Kompanie sein sollen, doch dann hatte Sergio sie gegen ein jüngeres Exemplar ausgetauscht – im und außerhalb des Schlafzimmers.

„Für den wird keiner arbeiten wollen“, tröstete ihre Freundin sie.

„Aber bestimmt sind doch einige aus dem ‚Bossa Nova‘-Team übergelaufen?“

Kit zögerte, und als sie sich räusperte, wusste Starr schon, was sie sagen würde.

„Ein paar der Haupttänzer.“

„Aisha?“

„Ähm … ja.“

Heftig boxte Starr in ein Kissen.

„Du solltest die Gerüchte ignorieren“, sagte Kit schnell. „Ich glaube nicht, dass Aisha mit ihm zusammen war, als …“

„Doch.“

Starr hatte die beiden in flagranti ertappt und hätte ihnen am liebsten die knochigen Hinterteile versohlt. Aber dann war ihr klar geworden, dass Sergio ihr eigentlich einen Gefallen getan hatte. In ihrer Beziehung hatte schon seit Längerem Stillstand geherrscht, und Starr war eher aus Vertrautheit als aus Leidenschaft mit Sergio zusammengeblieben. Heiße Leidenschaft, wie Starr sie in jener unvergesslichen Nacht mit Callum erlebt hatte …

„Vergiss die beiden und konzentrier dich auf deine neue Situation“, sagte Kit. „Neuer Job, toller Chef.“

Daran brauchte Starr nicht erinnert zu werden. Sie befürchtete, dass Callum ihr nicht eine Sekunde lang aus dem Kopf gehen würde.

„Du hast recht“, stimmte sie zu. „Ich kriege das schon hin.“

„Du meinst, du kriegst ihn.“

Als ihre Freundin kicherte, musste Starr lächeln. „Ich halte dich auf dem Laufenden.“

„Tu das. Und sei mal etwas nachsichtiger mit dir, Liebes. Genieß deinen Job und leb ein bisschen.“

„Ist gut. Bis dann.“

„Tschüssi!“

Nachdem Starr das Gespräch beendet hatte, lehnte sie sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und betrachtete die Holzbalken an der Zimmerdecke. Immer wieder ging ihr Kits freundschaftlicher Rat durch den Kopf. Genieß deinen Job und leb ein bisschen.

Sie hatte die Befürchtung, dass diese beiden Dinge sich möglicherweise tatsächlich nicht gegenseitig ausschlossen.

6. KAPITEL

„Als Nächstes steht die Organisation des Geschäftsessens am Freitagabend an.“

Starr blickte Callum fassungslos an. Dass er sich in einen kühlen, distanzierten Kontrollfreak verwandelt hatte, gefiel ihr gar nicht. Wo war der weltmännische, gewandte Mann geblieben, mit dem sie an jenem Abend in Sydney geflirtet hatte? Wo der charmante Gentleman, der darauf bestanden hatte, sie nach Hause zu bringen? Und wo der leidenschaftliche Liebhaber, der sie die ganze Nacht in den Armen gehalten und sie geliebt hatte?

Er schien unter einem Berg von Papieren, Notizen und wichtigen Mails verschwunden zu sein. Außerdem trug er einen viel zu korrekt wirkenden Designeranzug und ein gestärktes Hemd, das seinen muskulösen Oberkörper verdeckte, an den sie sich noch allzu gut erinnerte.

„Gibt es irgendein Problem?“

Starr zwang sich, den Blick von Callums Brust abzuwenden und stellte zufrieden fest, dass tief in seinen dunklen Augen etwas aufflackerte, das alles andere war als kühl und distanziert.

„Nein.“

„Dann konzentrier dich auf die Arbeit.“

Seine scharfe Anweisung vertrieb jegliche Mutmaßung, er könne Starr gegenüber ein wenig auftauen. Eher verhielt er sich so kühl und kurz angebunden, dass es schon fast unfreundlich war. Trotz seiner Behauptung, ihre gemeinsame Nacht in Sydney hätte nichts zu bedeuten gehabt, hatte er doch ganz offensichtlich ein Problem mit ihr.

Starr kritzelte „GANZ MIESE ENTSCHEIDUNG“ auf ihren Notizblock. „Warum hast du mich eingestellt?“, platzte sie dann heraus.

Callum presste die Lippen zusammen, bevor er Starr durchdringend ansah. „Weil sich bei mir die unerledigte Arbeit anhäufte und du zum richtigen Zeitpunkt angerufen hast.“

„Aber du weißt, dass ich nicht lange hier sein werde und mich weiter nach einem Engagement als Tänzerin umsehe?“

Er verschränkte die Finger ineinander, lehnte sich auf seinem Chefsessel zurück und sah sie an wie ein strenger Schuldirektor eine schwierige Schülerin.

„Ich weiß alles über dich.“

Starr errötete. Widerstrebend sah sie ein, wie recht Callum damit hatte. Er kannte ihre erogenen Zonen, wusste, wo sie kitzelig war und wo sie eine Tätowierung hatte. Ihr wurde heiß, als ihr einfiel, wie er den winzigen Notenschlüssel mit der Zunge liebkost hatte – nicht nur einmal.

„Ich mache mir keine Illusionen darüber, wie lange du bleiben wirst. Natürlich rechne ich damit, dass du dir hier in Melbourne eine Stelle als Tänzerin suchen wirst. Gleichzeitig bemühe ich mich ja auch weiter um eine Assistentin, die dauerhaft für mich arbeiten wird.“

Abrupt beugte er sich vor und schlug mit den Handflächen auf einen Stapel Papiere, die vor ihm auf dem Tisch lagen. „Aber jetzt solltest du dich erstmal hierum kümmern.“

Der Stapel hatte eine beeindruckende Höhe und schwankte bedenklich, als Callum ihn zu Starr hinüber schob. Er würdigte sie kaum eines Blickes, doch ein leichtes Zucken um seinen Mundwinkel deutete auf etwas hin, das er unbedingt hinter der sachlichen Fassade verstecken wollte. Der kühle, distanzierte Geschäftsmann war also nicht ganz so gelassen, wie er ihr weismachen wollte.

Das Gefühl kannte Starr nur zu gut. Das Arbeitszimmer war zwar groß, doch mit Callum im selben Raum zu sein und vorzugeben, nur beruflich etwas miteinander zu tun zu haben – das war äußerst anstrengend. So sehr sie sich auch zu konzentrieren versuchte, viel zu oft glitt ihr Blick zu ihm hinüber.

Sie fand seine schier unerschöpfliche Energie bewundernswert und war froh, dass er sie eingestellt hatte. Doch unwillkürlich musste sie immer wieder daran denken, welche Ausdauer er auch in jener Nacht gehabt hatte …

Starr blinzelte und räusperte sich. „Wo genau soll ich anfangen?“

„Am besten oben, und dann arbeitest du dich immer weiter hinunter.“

Offenbar hatten ihre erotischen Erinnerungen ihre Wahrnehmung beeinträchtigt, denn sie hätte schwören können, dass es in Callums Augen heiß aufflackerte. Ihr Herz klopfte wie wild, als er sich über den Schreibtisch lehnte und ihr plötzlich verführerisch nahe war.

Er schob die Dokumente noch weiter zu ihr hinüber. „So schnell, wie du vorhin die Rechnungen bearbeitet hast, sollte das hier ein Kinderspiel sein.“

Starrs kleines Hirngespinst, er wäre drauf und dran, mit ihr zu flirten, löste sich in Wohlgefallen auf. Natürlich hatte er nur von der Arbeit gesprochen und nicht auf jene Nacht in Sydney angespielt. Aber dennoch: Da war dieses Aufflackern in seinen Augen gewesen …

Starr griff nach dem Stapel und ging zu ihrem Schreibtisch. Als sie sich noch einmal umdrehte, ertappte sie Callum dabei, wie der ihre Beine betrachtete.

Sie hatte also recht gehabt: Er war keinesfalls immun, und seine kühle Gleichgültigkeit war nur vorgetäuscht.

„Nur, damit du Bescheid weißt: Ich treibe keine Spielchen“, sagte Starr und rechnete damit, dass Callum den Ahnungslosen mimen würde.

Doch stattdessen ging er mit wenigen großen Schritten zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich auch nicht.“ Dann verließ er das Zimmer.

Sobald er weg war, sank Starr auf ihren Stuhl, griff nach dem nächstbesten Dokument und fächelte sich Luft zu. Obwohl die Klimaanlage ausgezeichnet funktionierte, war ihr in Callums Gegenwart heiß geworden: Ihre Wangen brannten, und ihre Haut prickelte. Doch sie durfte nicht zulassen, dass er eine solche Wirkung auf sie ausübte.

Denn Starr brauchte diese Stelle, und deshalb musste sie bei der Sache bleiben und sich konzentrieren. Nur so würde sie bald wieder das tun können, was sie am besten beherrschte: tanzen.

Es gab sicher eine Million guter Gründe, warum sie sich nicht mit ihrem neuen Chef einlassen sollte:

Man sollte Privates und Berufliches nicht vermischen.

Sie hatte sich erst vor Kurzem getrennt.

Sie würde nicht lange hier sein.

Und, und, und …

Nein, alles außer einer rein platonischen Beziehung zu ihrem Chef wäre wirklich äußerst unklug.

Starr ließ das Dokument auf den hohen Stapel fallen, verschränkte die Finger ineinander. Dann streckte sie die Arme nach oben aus und dehnte die Muskeln, so weit sie konnte, und genoss das Gefühl. Als ein ziehender Schmerz ihr sagte, dass sie weit genug gegangen war, zählte sie leise bis zehn, ließ die Arme wieder sinken und schüttelte sie.

Schon viel besser, dachte sie. Muskeln entspannt, Schultern gelockert, bereit zum Weiterarbeiten.

Das Arbeiten würde sie ablenken, sodass sie nicht darüber nachdenken konnte, wie schön es wäre, jene Nacht in Sydney zu wiederholen.

Callum arbeitete meistens bis spätabends. Für ihn war das ganz normal, und in einer Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs musste er besonders diszipliniert sein.

Er hatte nichts dabei gefunden, mit seiner Assistentin schnell einen Snack einzunehmen, wenn sie die Arbeit nach einem langen Tag abschlossen, um am nächsten Morgen gleich wieder loslegen zu können.

Doch damals hatte er noch keine Assistentin gehabt, deren glattes blondes Haar ihr wie ein glänzender Vorhang auf den Rücken fiel, die immer die sinnliche Unterlippe zwischen die Zähne nahm, wenn sie sich konzentrierte, und deren geschmeidiger, schlanker Körper ihm ständig ins Auge fiel, weil sie sich alle paar Minuten streckte.

Callum war dazu gedrängt worden, Tanzstunden zu nehmen, als er auf die Highschool gekommen war. Motiviert hatten ihn eher die knappen Kleider der Mädchen als der brennende Wunsch, Foxtrott oder Cha-Cha-Cha zu erlernen.

Immer, wenn er Starr heimlich ansah, erinnerten ihre anmutigen Bewegungen ihn an jene Tanzstunden. Wenn sie nur nach einem Stift griff, war das eine elegante, fließende Bewegung. Ihr gertenschlanker Körper schien ständig in Bewegung zu sein, wodurch sogar ganz harmlose Handlungen so faszinierend zu beobachten waren wie eine Premiere seines Lieblingsstücks „Les Misérables“.

Callum hätte ihr ewig zusehen können, doch sein schneller Puls und der Drang, ihre Verbindung über das rein Geschäftliche hinauszuführen, machten ihn unruhig.

Beziehungen kamen für ihn einfach nicht infrage. Niemals.

Starr und er hatten die Befangenheit, die jene gemeinsame Nacht zunächst hervorgerufen hatte, überwunden, und so sollte es auch bleiben. Denn sonst würde das gute Arbeitsverhältnis zerstört werden, das sie schon nach einem knappen Tag aufgebaut hatten. Callum wollte nicht, dass irgendetwas seine geschäftlichen Tätigkeiten behinderte. Ohne fähige Assistentin war das schwierig, und Starr hatte sich zu seiner großen Überraschung als äußerst kompetent erwiesen. Warum sollte er das aufs Spiel setzen, nur um eine leidenschaftliche, unvergessliche Nacht wie die in Sydney noch einmal zu erleben?

Als Starr aufstand und sich nach einem Ordner streckte, der oben auf dem Aktenschrank lag, war ihr perfekt geformter Arm absolut synchron mit ihrem nach hinten ausgestreckten linken Bein. Sie sah so anmutig und wunderschön aus, dass Callum den Blick einfach nicht abwenden konnte. Er wurde von dem heftigen Wunsch erfüllt, zu ihr zu gehen, ihre Hand zu nehmen und diese Frau mit einer einzigen eleganten Drehung in seine Arme zu ziehen.

Stirnrunzelnd senkte er den Blick und kniff sich in die Nasenwurzel. Keine gute Idee, dachte er.

Eigentlich hatte er sich doch vorgenommen, die gemeinsame Liebesnacht in Sydney zu ignorieren und Starr als Übergangslösung einzustellen, damit sein Unternehmen keinen Schaden nähme. Doch im Gegensatz zu seinen geschäftlichen Plänen, die er mithilfe von Beharrlichkeit und Entschlossenheit immer verwirklichte, funktionierte dieses Vorhaben nicht so ganz.

Denn alle rationale Logik war bedeutungslos, wenn er Starr Merriday mit ihrer geballten Sinnlichkeit gegenüberstand.

Starr Merriday. Schon ihr Name klang frivol und sexy. Und genauso wirkte sie auf ihn, auch wenn sie sich nach Kräften bemühte, die Aufgaben zu erledigen, die er ihr stellte. Nicht, dass sie ihre Sache nicht gut gemacht hätte, im Gegenteil: Ihre Sorgfalt überraschte Callum ebenso wie ihre PC-Kenntnisse. Starr war äußerst kompetent und noch dazu lernbegierig.

Eigentlich hätte er froh sein sollen, dass er so kurzfristig eine fähige Assistentin gefunden hatte. Stattdessen fluchte er lautlos, als sein Blick zum hundertsten Mal in einer halben Stunde zu ihr glitt.

Callum biss in sein obligatorisches mit Frischkäse, Räucherlachs und Rauke belegtes Sandwich und versuchte, sich auf die Zahlen in dem Dokument vor ihm zu konzentrieren. Doch die faszinierten ihn bei Weitem nicht so wie die wunderschöne Frau, die emsig auf der Tastatur tippte.

„Wenn du mich weiter so anstarrst, ist es nicht meine Schuld, falls ich in diesem Bericht lauter Unfug zusammenschreibe.“

Callum beschloss, sich mit einem Bluff aus der Situation zu retten. Auch wenn er am liebsten seinem schier unwiderstehlichen Drang nachgegeben hätte, sämtliche Papiere vom Tisch zu schieben, das Abendessen ausfallen zu lassen und stattdessen Starr zu vernaschen.

Ich starre?“

Mit einer herausfordernden Bewegung warf sie ihr Haar zurück, schob die Tastatur von sich und streckte sich erneut.

Callums Mund wurde trocken, als sich ihre Bluse über ihren Brüsten spannte und Erinnerungen in ihm wach wurden. Er kannte jede sinnliche Rundung ihres straffen Körpers: die glatte Haut, die verlockenden Einbuchtungen, die besonders empfindsamen Stellen auf der Rückseite ihrer Knie und an der Unterseite ihrer Brüste, die entzückende Tätowierung auf ihrem rechten Oberschenkel …

„Was ist denn?“, riss Starrs Stimme ihn aus seiner Schwelgerei.

Er blinzelte und vertrieb die erotischen Fantasien, die sein Denken beeinträchtigten. So würde er niemals seine Arbeit fertig bekommen. Und heute war erst ihr erster Tag!

„Du lenkst mich ab.“

Als sie eine Augenbraue hochzog, umspielte ein zufriedenes Lächeln ihren Mund. „Ich werte das mal als Kompliment.“

Doch Callum runzelte die Stirn und wies auf ihre Tastatur. „Ich meinte dein infernalisches Getippe.“

„Lügner“, sagte sie so leise, dass er es um ein Haar nicht gehört hätte.

Callum stand auf und ging zur Tür. „Ich werde eine Runde schwimmen“, verkündete er.

„Und was ist mit der Arbeit?“

„Du weißt doch, was du zu tun hast.“

„Wenn ich mit diesen Sachen fertig bin, kann ich also für heute Feierabend machen?“

Er nickte. Ihm missfiel, wie undankbar er wirkte, doch das lag nur daran, dass er sein heftiges Verlangen unterdrücken musste.

„Danke. Das war gute Arbeit heute.“

„War mir ein Vergnügen.“

Fast hätte Callum aufgestöhnt, als Starr ihre Zunge über die Lippen gleiten ließ. Wie gebannt blickte er ihren Mund an, während ihr letztes Wort in seinem Kopf nachhallte.

Vergnügen.

Heißes, sinnliches Vergnügen – daran musste er bei jedem Blick auf diese Frau denken, immer wieder …

Das bekannte Gefühl, sich nicht vollständig unter Kontrolle zu haben, war ihm verhasst – schließlich litt er jeden Tag seines Lebens unter den Folgen seiner früheren Zügellosigkeit.

„Wir fangen morgen früh um acht Uhr an.“

„Ich werde pünktlich hier sein.“

Ihr helles, leises Lachen verfolgte ihn bis zur Tür.

Starr hatte noch nie eine masochistische Ader gehabt: Wann immer in ihrem Leben etwas nicht funktionierte, war sie geflüchtet.

Schon als Kind war sie einmal von ihren Eltern weggelaufen, als diese zum hundertsten Mal umgezogen waren, weil sie ihren eigenen Träumen nachjagten und die ihrer Tochter nicht beachteten. Als Teenager hatte sie dasselbe getan: Sie hatte versucht, sich vom Showbusiness fernzuhalten, sich für ein Wirtschaftsstudium eingeschrieben – und es zwei Jahre später abgebrochen, weil sie der Anziehungskraft der Tanzschule nicht hatte widerstehen können. Und schließlich hatte sie es erneut gemacht und nach der Trennung von Sergio beschlossen, in Melbourne noch einmal neu anzufangen. Warum also tat sie sich das hier jetzt an?

Starr stand versteckt im Gebüsch zwischen Cottage und Swimmingpool und sah Callum dabei zu, wie er mit der Zielstrebigkeit eines jagenden Hais durchs Wasser glitt. Etwas so Verführerisches, das man nicht bekommen konnte, heimlich zu beobachten, war wirklich die Höchststrafe.

Starr wusste, dass es falsch wäre, sich mit ihm einzulassen. Die entsprechenden Argumente hatte sie in den vergangenen Stunden gebetsmühlenartig im Innern wiederholt, während sie nach außen hin geradezu vorbildlich die gewissenhafte Assistentin gespielt – und Callum so getan hatte, als würde er sie nicht ständig verstohlen anstarren.

Dass Starr sich in ein Gebüsch gezwängt hatte, wo ihr Zweige in den Po pieksten und Blütenstaub sie in der Nase kitzelte, deutete darauf hin, dass sie sich die Gründe, warum sie sich unbedingt von diesem Mann fernhalten sollte, nicht ausreichend zu Herzen genommen hatte.

Ich brauche zwar dringend Geld und eine Unterkunft, aber das hier ist einfach verrückt, dachte sie und beschloss, sich wieder verstärkt bei Tanzkompanien vorzustellen. Sie musste einfach hier weg.

Kopfschüttelnd begann sie, sich rückwärts aus dem dichten Gebüsch zu schieben – und blieb wie erstarrt stehen, als sie ein Geräusch zwischen tiefem Knurren und Schnaufen hörte, bei dem ihr vor Angst kalt wurde.

„Herrje!“, entfuhr es Starr leise, und sie verfluchte Callum. Allein sein atemberaubendes Aussehen war schuld daran, dass sie ins Gebüsch gekrochen war, um ihn wie eine Stalkerin zu beobachten, anstatt sich im Cottage zur Entspannung ein Schaumbad zu gönnen.

Das Geräusch verstummte, doch als Starr sich voller Angst langsam weiter rückwärts bewegte, ertönte es von Neuem, diesmal viel lauter. Sie schrie auf, als sie sich vorsichtig umdrehte und große leuchtende Augen erblickte.

Autor

Anne McAllister
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