Julia Exklusiv Band 290

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DIESMAL LASS ES FÜR IMMER SEIN von COX, MAGGIE
Kate traut ihren Augen nicht, als sie dem italienischen Stararchitekten Gianluca De Rossi gegenübersteht: Ihr neuer Boss ist der geheimnisvolle Fremde, mit dem sie nach einer glamourösen Party in Mailand eine einzige unvergesslich leidenschaftliche Liebesnacht verbrachte …

LEIDENSCHAFT, DIE NIE VERGEHT von LEE, MIRANDA
Heißes Begehren - leidenschaftlicher Hass! Keine Frau hat je solch widersprüchliche Gefühle in dem berühmten Musikproduzenten Nicolas Dupre ausgelöst wie seine Ex Serina. Als er sie jetzt nach Jahren wiedersieht, will er nur noch eine allerletzte Liebesnacht mit ihr verbringen …

LISSAS TRAUM VOM GLÜCK von OLIVER, ANNE
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  • Erscheinungstag 13.10.2017
  • Bandnummer 0290
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709303
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maggie Cox, Miranda Lee, Anne Oliver

JULIA EXKLUSIV BAND 290

1. KAPITEL

„Na, wen haben wir denn da?“

Es waren nicht die Worte, es war der Klang dieser Stimme, der Kate Richardson für Sekunden schwanken ließ. Nein, das konnte, das durfte nicht sein! Doch die Ahnung wurde zur Gewissheit, als sie sprachlos vor Schreck den Mann sah, der ihr nun gegenüberstand. In der Erinnerung hatte sie seine strahlend blauen Augen immer mit zwei perfekten glitzernden Edelsteinen verglichen. Das traf auch zu, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sein Blick so schneidend war. Bewusst löste sie die Finger vom Türgriff und wusste, dass sie mindestens genauso überrascht aussah wie ihr Gegenüber. Aber Kate hätte es nicht beschwören mögen, da sie nicht wusste, ob sie noch in der Lage war, ihre Mimik zu kontrollieren.

„Luca …“ war alles, was sie herausbrachte, während sie ihn wie gebannt ansah.

„Wenigstens kannst du dich an meinen Namen erinnern.“

Glaubte er wirklich, dass sie den jemals vergessen könnte? „Die … die Agentur schickt mich“, stammelte Kate, um ihre Anwesenheit zu erklären. „Du … du brauchst wohl für einige Tage eine Sekretärin“, fügte sie hinzu und konnte ihre Nervosität kaum verbergen.

Keine Regung zeigte sich auf seinem markanten Gesicht, eine einzige perfekte Symmetrie. „Dio! Ich weiß verdammt gut, was ich brauche! Komm rein, und schließ die Tür!“

Kate gehorchte, unfähig, seinem strengen Kommandoton zu trotzen. Im gleichen Raum zu sein wie dieser Mann, war, als würde man von einer starken Strömung davongetragen, gegen die man nicht ankam. Und für einen Moment fühlte sich Kate so verletzlich, als würde sie tatsächlich vergeblich versuchen, gegen die Kraft des Wassers anzukämpfen. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, dass er in London arbeitete … nicht die geringste. Aber was wusste sie schon von diesem herausfordernden Paradebeispiel der Männlichkeit, das sie da von jenseits des Raumes anfunkelte? Mit einem Satz wäre ihr Wissen über ihn abgetan. In den wenigen atemberaubenden Stunden, die Kate vor drei Monaten mit ihm in Mailand verbracht hatte, waren sie nicht gerade auf die Biografie des anderen eingegangen. Stattdessen hatten sie sich von ganz anderen, spannenderen Enthüllungen des Gegenübers gefangen nehmen lassen.

„Setz dich.“

Sein autoritärer Kommandoton durchdrang die ohnehin schon angespannte Atmosphäre wie eine Stahlkugel. Kate schluckte. Dann rückte sie sich den Besucherstuhl an dem riesigen modernen Schreibtisch zurecht und nahm Platz. Glücklicherweise, denn ihre Beine schienen plötzlich nur noch aus Watte zu bestehen.

In dem Panoramafenster, vor dem Luca stand, spiegelte sich die atemberaubende Ansicht der Stadt, darunter der Big Ben und das Riesenrad London Eye. Aber die beeindruckenden Wahrzeichen der Stadt konnten sie nicht ablenken. Wie auch? Schließlich mussten sie mit dem überaus markanten Gesicht des Mannes vor ihr konkurrieren. Als Kate daran dachte, dass sie aus persönlicher Erfahrung wusste, wie unglaublich attraktiv auch sein Körper war, schmerzte ihr Herz, und in ihrem Bauch schienen Schmetterlinge zu fliegen. Für dieses Insiderwissen hatte sie allerdings einen schockierend hohen und unerwarteten Preis zahlen müssen, und bei dem Gedanken kündigte ihr Magen eine kleine Revolte an.

„Warum hast du mich in Mailand verlassen, ohne dich von mir zu verabschieden? Behandelst du deine Liebhaber immer so nachlässig? Indem du dich morgens davonschleichst, ohne wenigstens abzuwarten, bis sie wach sind? Ich hätte mehr Anstand von dir erwartet. Oder gibt dir dieses Verhalten einen besonderen Kick?“

Wie vom Donner gerührt, sah Kate ihn an und spürte, dass ihre Wangen vor Empörung glühten. „Wie bitte?“

„Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, hast du noch ganz gut gehört“, höhnte er – offensichtlich, um sie zu verletzen.

„Ich bin nur erschrocken, dass du glaubst, ich würde so etwas regelmäßig tun. Das ist aber nicht der Fall.“

„Fakt ist jedenfalls, dass du dich bei mir so verhalten hast, Katherine. Aus irgendeinem Grund hätte ich das nicht erwartet. Du hast mich enttäuscht.“

Großes Bedauern überkam Kate. Wenn sie noch einmal in der Situation wäre, würde sie sich dann anders verhalten? Vielleicht. Rückblickend wusste man immer alles besser.

Fasziniert musterte sie sein schönes Gesicht. Trotz seines missbilligenden Ausdrucks überkam sie plötzlich der starke Wunsch, dass Luca sie anlächeln möge. Dieses Bedürfnis war sogar so groß, dass sie beinah geweint hätte, sobald ihr klar wurde, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Als sie nun an die Party im Haus eines Stararchitekten dachte, zu der ihre Freundin Melissa sie geschleppt hatte, lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Melissas Chef – im Baugewerbe tätig – hatte ihr die Einladung für diese Party verschafft, und nun erinnerte sich Kate auch wieder, dass sie da von Anfang an nicht hingewollt hatte. Es war der letzte Abend ihres Urlaubs gewesen, und eigentlich beabsichtigte sie, im Apartment ihrer Freundin zu bleiben und sich in Ruhe zu überlegen, wie sie ihr Leben wieder in den Griff bekam, wenn sie nach Großbritannien zurückkehrte.

Doch Kates Pläne wurden von Melissa torpediert, die darauf bestand, dass Kate ausging und ein bisschen Spaß hatte. Nachdem ihre Freundin schnell jemand Bekannten traf, musste Kate die bedrängende Nähe einer Horde Fremder ertragen. Da riss sie auch nicht die glamouröse Umgebung aus ihrer Verzweiflung. Das heißt, bis der Mann, der ihr nun gegenübersaß, erschien, sich gelangweilt im Raum umsah und schließlich und völlig unerwartet seinen wahnsinnig beunruhigenden Blick auf ihr ruhen ließ.

Während der charismatische Fremde sie beobachtete, hatte Kate das Gefühl, als wären ihre Beine so schwach wie die eines neugeborenen Fohlens. Einigen Gästen, die augenscheinlich unbedingt mit ihm sprechen wollten, zeigte er die kalte Schulter, während er den Raum durchquerte, um sich ihr als Luca vorzustellen. Nur Luca. Dass er eigentlich Gianluca De Rossi hieß, erwähnte er nicht. Und Kate nannte sich Katherine. So hieß sie wirklich, aber sie benutzte den vollen Vornamen nur selten. Deshalb blieb ihr auch ein Rätsel, wieso er ihr unter Lucas beunruhigendem Blick so leicht über die Lippen gekommen war. Doch wahrscheinlich befand man sich nicht im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten, wenn man mit so viel Reichtum, Vertraulichkeit und atemberaubend gutem Aussehen in Berührung kam wie bei Luca. Und vielleicht hatte sie sich in diesem Moment auch ein bisschen minderwertig und unsicher gefühlt und geglaubt, Katherine würde eleganter klingen als die Abkürzung Kate.

Das waren nur einige der vielen Gründe, warum sie sich in jener unvergesslichen Nacht so ganz anders verhalten hatte als sonst. Jetzt legte sie die gefalteten Hände auf die polierte Schreibtischoberfläche vor sich und nahm ihren ganzen Mut zusammen, um Lucas missbilligendem Blick zu begegnen.

„Ich hatte nicht vor, einfach so zu gehen. Ich wollte … ich wollte dich nur nicht wecken. Es war mein letzter Urlaubstag, und ich musste meinen Flug bekommen. Das hätte ich früher erwähnen sollen, aber …“ Sie errötete.

„Aber wir hatten Besseres zu tun, hm?“, schlug Luca spöttisch vor. „Trotzdem hättest du mich aufwecken sollen oder mir wenigstens eine Telefonnummer oder Adresse hinterlassen müssen, unter der ich dich erreichen kann.“

„Es tut mir leid.“ Kate meinte es ernst, und in ihrer Stimme schwang ein Anflug von Hilflosigkeit mit. Aber da war auch etwas in ihr, das jubilierte, weil jemand aus so exklusiven Kreisen wie Luca tatsächlich ein Interesse daran hatte, eine Frau wie sie wiederzusehen. Hatte sie da wirklich falsch gelegen, als sie annahm, er würde sie schnell vergessen wollen, nach dem One-Night-Stand? Oder hatte sie sich das nur eingeredet, damit sie den Schmerz der sicherlich bevorstehenden Trennung besser verkraftete, indem sie gleich einen Schlussstrich zog?

Die Anziehungskraft zwischen ihnen war überdeutlich und hatte sie auf wundersame Weise die Seelenverwandtschaft spüren lassen, von der sie so lange geträumt hatte. Da war eindeutig etwas Besonderes an Luca, das Kate nicht vergessen konnte. Aber zu der Zeit hatte sie sozusagen doppelt getrauert. Sie musste den Verlust ihrer Mutter verschmerzen und den ihres Selbstwertgefühls – durch diese schlimme Sache zu Hause. Diese beiden einschneidenden Ereignisse hatten dafür gesorgt, dass Kate in Mailand weder in der Lage war, klar zu denken, noch sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Und jetzt musste sie mit dem unglaublichen Zufall zurechtkommen, der sie direkt wieder in das Umfeld dieses charismatischen Mannes katapultiert hatte. Für die nächsten zwei Wochen war sie ihm als Zeitarbeitskraft zugeteilt worden, um seine persönliche Assistentin zu ersetzen, die wärenddessen Urlaub machte.

„Nun, wahrscheinlich ist es das Beste, wenn wir einfach vergessen, was in der Vergangenheit geschehen ist, und uns auf die Gegenwart konzentrieren“, meinte Luca jetzt. „Ein dummer Zufall, das Ganze, aber wir werden damit leben müssen, wenn wir die nächsten zwei Wochen zusammenarbeiten wollen.“

Er seufzte, als hätte man ihm zu viel Verantwortung aufgebürdet. Durch sein perfektes Äußeres – italienischer Maßanzug, durchtrainierter Körper – mochten manche sich täuschen lassen. Kate nicht, denn sie nahm sehr wohl wahr, wie müde er im Grunde war, und ahnte, dass er so viel arbeitete, um an bestimmte Dinge nicht denken zu müssen. Unwillkürlich hegte sie den Wunsch, ihm ein wenig Last von den Schultern zu nehmen.

„Obwohl es schon ein merkwürdiger Zufall ist“, fuhr er fort, „dass gerade du in meinem Büro auftauchst, um meine Sekretärin zu ersetzen. Sag es mir lieber gleich, wenn sich da irgendjemand einen schlechten Scherz erlaubt hat. Bevor ich den Werksschutz anrufen muss, damit man dich hinausbegleitet!“

Sie atmete tief durch. „Natürlich ist es kein Scherz! Meine Zeitarbeitsfirma hat mich geschickt, und das ist die reine Wahrheit! Ich hatte keine Ahnung, dass du Gianluca De Rossi bist! Woher sollte ich das auch wissen? In jener Nacht hast du mir deinen vollen Namen nicht genannt und auch nicht gesagt, dass du in London arbeitest! Natürlich bin ich davon ausgegangen, du seist in Mailand beschäftigt.“

„Aber an dem Abend hättest du jeden Gast fragen können. Schließlich war es mein Haus und meine Party! Du hättest sehr leicht herausfinden können, dass ich ein Büro in London und eines in Mailand habe und dass ich vorwiegend hier bin.“

„Nur zu deiner Information: Von der Freundin, mit der ich gekommen bin, abgesehen, habe ich den ganzen Abend außer mit dir mit fast niemandem gesprochen! Und meine Freundin wusste nicht, wer du bist. Sie hat die Einladung von ihrem Chef bekommen, der sie nicht wahrnehmen konnte. Die einzige Information, die wir hatten, war die Adresse! Wie auch immer, wenn ich mit dir hätte in Verbindung bleiben wollen, wäre es viel leichter gewesen, dir meine Anschrift und Telefonnummern in Mailand zu hinterlassen!“

„Erzählst du mir da gerade, dass du mich gar nicht wiedertreffen wolltest? Wie schmeichelhaft!“ Luca suchte ihren Blick. „Und jetzt – wenn ich glauben soll, was du sagst – war es wohl das Schicksal, das uns wieder zusammengeführt hat, hm? Kann ich daraus schließen, dass wir beide noch etwas zu erledigen haben? Was meinst du, Katherine?“

Kate legte die Stirn in Falten und fühlte sich plötzlich ziemlich schwach. Was sollte denn das heißen? Seine Worte verstörten sie in doppelter Hinsicht. Wenn sie an ihr möglicherweise explosives Geheimnis dachte, kam ihr beinah ihr karges Frühstück wieder hoch.

„Unerledigte Arbeit oder nicht, ich bin hier, um als deine Sekretärin zu arbeiten, und das ist wirklich der einzige Grund!“

„Gut, dann lass dir eins gesagt sein: Wenn du für mich arbeitest, erwarte ich absolute Spitzenleistungen. Ich werde dich nicht mit Samthandschuhen anfassen, nur weil da etwas zwischen uns gewesen ist! Fühlst du dich der Aufgabe gewachsen, Katherine? Wenn nicht, dann rufe ich die Agentur jetzt an und lass mir jemand anders schicken.“

Er lächelte misstrauisch und zynisch zugleich und damit ganz anders als in jener Nacht. Da hatte sein Lächeln eine Wirkung gehabt, als würde man in einem dunklen Raum das Licht anschalten. Und wieder zog sich Kates Magen zusammen.

„Du brauchst dir niemand anders zu holen. Ich bin gut in meinem Job und sehr professionell!“

„Nun denn“, fuhr Luca fort, „solange dir klar ist, dass mich Frauen üblicherweise nicht als Objekt zur einmaligen Befriedigung ihrer Begierde missbrauchen und dass es auch kein zweites Mal geben wird, sollte unserer Zusammenarbeit nicht allzu viel im Weg stehen.“

„So war es gar nicht! Ich würde nie …“

„Was würdest du nie, Katherine? Hattest du noch nie einen One-Night-Stand? Oder hast du morgens noch nie das Bett eines Mannes verlassen, ohne Auf Wiedersehen zu sagen? Woher soll ich wissen, was die Wahrheit ist? Was dich betrifft, kann ich nur auf meine bedauerliche Erfahrung zurückgreifen. Und Tatsache ist, dass du mich am nächsten Morgen verlassen hast, ohne mich jemals wiedersehen zu wollen!“

„So war es überhaupt nicht! Und es lag nie in meiner Absicht, dich als Objekt zur Befriedigung meiner Lust zu missbrauchen. Ich schwöre, es gab Gründe, warum ich so gegangen bin, wie ich es getan habe.“

„Du musstest deinen Flug bekommen, hast du gesagt.“

„Nicht nur das.“ Kate schenkte Luca ein nervöses Lächeln, in der Hoffnung, irgendwie zu ihm durchzudringen. Dabei kam sie sich vor wie beim Steilwandklettern, während sie verzweifelt nach dem nächsten Vorsprung tastete. Immerhin hatten sie doch etwas ganz Besonderes erlebt in dieser einzigartigen Nacht, in der die Leidenschaft sie einander in die Arme getrieben hatte. Da war doch noch etwas gewesen, wodurch Kate die Augen dafür geöffnet wurden, dass ihrem Leben bisher etwas Wichtiges gefehlt hatte.

Aber jetzt brauchte sie nur einen Moment, um zu begreifen, dass es Zeitverschwendung wäre, auf Lucas Verständnis zu hoffen. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, konnte sie kein Mitleid von ihm erwarten. Trotzdem versuchte sie eine Erklärung.

„Als wir uns trafen, war mir vorher etwas passiert, mit dem ich versucht habe klarzukommen“, begann sie, während sie aufgeregt die Hände rang. „Deshalb bin ich auch nach Italien geflogen … um mein Leben zu ordnen und mir zu überlegen, wie ich weitermache. Ich weiß, dass es dir wahrscheinlich schwerfällt, mir zu glauben. Aber so, wie ich mich in jener Nacht verhalten habe … das ist so gar nicht meine Art … und als ich am nächsten Morgen neben dir im Bett aufgewacht bin … Nun, ich … ich konnte einfach nicht glauben … Ich meine …“

„Das hört sich an, als ob du gerade eine Ausrede erfindest. Und sie ist nicht besonders gut!“

Frustriert darüber, dass es ihr nicht gelang, die Situation von damals zu erklären, zuckte Kate die Schultern, während sich ihr Magen einmal mehr gequält zusammenzog. „Du willst mir offensichtlich nicht verzeihen. Da ist es vielleicht doch das Beste, wenn du die Agentur anrufst, damit man dir jemand anders schickt.“

„Nein. Ich will dir eine Chance geben. Ich schlage vor, du machst einen Probetag, und nur wenn du meinen Anforderungen nicht genügst, rufe ich die Agentur an.“

„Ich schätze, dagegen ist nichts einzuwenden.“ Kate atmete erleichtert auf, weil Luca ihr wenigstens die Chance gab, sich zu beweisen, und ihr nicht einfach die Tür wies, was sie im Verlauf ihres Gesprächs immer stärker befürchtet hatte.

„Nun … ich habe heute Morgen schon genug Zeit verschwendet, und ich muss weitermachen! Wir haben einen arbeitsreichen Tag vor uns, und es stehen einige Dinge auf der Agenda, die erledigt werden müssen. Mit deiner Hilfe werde ich versuchen, so viel wie möglich abzuhaken, bevor ich zu einem wichtigen Treffen mit einem arabischen Kunden hier in London fahre, der auch ein guter Freund von mir ist. Er hält sich nur zwei Tage in der Stadt auf, und heute Abend richte ich eine kleine Party für ihn und einige Geschäftskollegen von ihm aus, die ich auf seinen Wunsch hin kennenlernen soll. Du kannst dich erst einmal mit den Notizen vertraut machen, die dir meine Sekretärin hinterlassen hat. Ihr Büro befindet sich direkt hinter dieser Tür, die offen bleibt, solange ich es will. Da ich deine Angewohnheit kenne, einfach zu verschwinden, halte ich es für eine vernünftige Vorsorgemaßnahme, meinst du nicht auch?“

Wie gebannt sah Kate ihn an, während ihr klar wurde, dass er immer noch kein Verständnis dafür hatte, warum sie ihn an jenem Morgen ohne Erklärung verlassen hatte. Selbst wenn sie jetzt ginge, konnte sie es nicht schlimmer machen. Doch in der gemeinsamen Nacht in Italien war etwas passiert, das sie beide betraf und weitreichende Konsequenzen hatte. Kate schuldete Luca eine Erklärung, nachdem sie nun die Chance dazu bekommen hatte. Egal, wie er auf ihre Neuigkeit reagieren würde, gab es einfach keine Möglichkeit, sich davor zu drücken, ihm die Wahrheit zu sagen. Auch wenn es schwer werden würde.

„Wenn du es so willst, bleibt die Tür offen!“ Kate stand auf und stellte fest, dass ihre Beine immer noch wachsweich waren. Dann ging sie zu besagter Tür, die in das Büro führte, das für die nächsten vierzehn Tage ihres sein sollte. Als sie an Luca vorbeikam, hielt er sie am Arm fest.

„Was ist denn?“, fragte Kate erschrocken.

Einen Moment lang schien sich die Intensität seiner tiefblauen Augen direkt in ihre Seele zu bohren. Zusammen mit der Wärme, die von seiner Hand ausging und durch ihre Kleidung drang, hätte das beinah dazu geführt, dass Kate schwach wurde.

Niente … nichts!“

Er ließ ihren Arm los, als wolle er etwas Lästiges abschütteln, und Kate, die seinen plötzlichen Widerwillen geradezu körperlich spürte, ging ohne ein Wort in ihr neues Büro.

Nach dem ebenso flüchtigen wie intensiven Zusammentreffen mit der Frau, die er so schwer hatte vergessen können, vergrub Luca die Hände in den Hosentaschen und musste sich erst einmal wieder sammeln. Mamma mia! Als sie da eben in sein Büro geschwebt war, hatte er geglaubt, einen Geist zu sehen! Ihr Zusammentreffen in Mailand war so traumhaft und kurz gewesen, dass er schon dachte, er habe sich da irgendetwas zusammenfantasiert. Nachdem er sie jetzt wiedergesehen hatte, schlug sein Herz immer noch wie wild, und er atmete begierig ihren Duft ein, der nach wie vor im Raum hing und ihn an so vieles erinnerte. Er ließ ihn an einen Landhausgarten denken – nach einem schönen Sommerregen – und war viel anziehender als jedes noch so teure Parfüm.

Als Echo auf seine Gedanken spürte Luca ein starkes, ursprüngliches Verlangen und fuhr sich frustriert durchs dichte dunkle Haar. Selbst sein sonst so präzises, geradezu fotografisches Gedächtnis war der wahren Katherine nicht gerecht geworden. Sie war noch betörender, als er sie in Erinnerung gehabt hatte, mit dieser weich fallenden, dunkel schimmernden Haarpracht, die kein Schnitt bändigen konnte oder sollte, und diesen schimmernden rabenschwarzen Augen mit den üppigen Wimpern, deren Perfektion selbst der angesagteste Make-up-Artist nicht verbessern konnte. Neben ihren Augen und ihrem anziehenden, sexy Körper war da noch die Erinnerung an ihren leidenschaftlichen, süßen Mund, die Luca so manche Nacht um den Schlaf gebracht hatte. Nur ein Blick aus nächster Nähe – wie er ihn gerade eben erfahren hatte – genügte, um ihn wünschen zu lassen, diesen wunderbaren Mund wieder zu küssen und dessen Erdbeer- und Vanilleduft nach Herzenslust zu atmen.

Dio! Was sollte er denn jetzt tun? War es nicht verrückt, Katherine für die nächsten zwei Wochen zu seiner Sekretärin zu machen, während es ihn immer noch nach ihr verlangte und sie ihre gemeinsame Nacht so lässig abtat? Ja, wahrscheinlich war es verrückt. Aber er konnte genauso lässig sein und suchte bestimmt nicht nach irgendeiner tiefen, bedeutsamen Beziehung. Was hatte er also zu verlieren?

Tief seufzend dachte Luca jetzt wieder an die Party vor drei Monaten in seinem Haus in Mailand. Katherine hatte irgendetwas an sich gehabt, das bei ihm eine ungewohnt starke Reaktion hervorrief – und überraschenderweise hatte es nicht nur mit Sex zu tun. Nein, es war eine ihr innewohnende Güte, die ihm all seine Freunde im Vergleich dazu oberflächlich vorkommen ließ. Ein Mann in seiner Position kam nicht oft mit so viel Unschuld in Kontakt, aber wenn, vergaß er es nicht mehr. Trotzdem hätte Luca jetzt nicht sagen können, ob das Schicksal ihm einen Gefallen erwiesen hatte, indem es ihm Katherine sozusagen an die Haustür lieferte. Da war immer noch ihr unerklärliches Verschwinden am nächsten Morgen, mit dem er klarkommen musste, genauso wie sein verletzter Stolz, weil sie ihn nicht hatte wiedersehen wollen.

Nachdem er vor drei Jahren auf so bittere und tragische Weise seine Frau Sophia verloren hatte, hatte er ohnehin jegliche Hoffnung auf ein neues Glück aufgegeben. Als Katherine an jenem Morgen in Mailand gegangen war, beschloss er nach seiner anfänglichen Enttäuschung, es als Erfahrung abzuhaken und die Frau zu vergessen. Wenn er sie hätte ausfindig machen wollen, hätte er seine Freunde von der Party fragen können – die Freunde, die er links liegen gelassen hatte, weil er von Katherine geradezu berauscht war.

Aber damals widerstand er absichtlich dem Impuls, sich nach Katherine zu erkundigen. Denn am Abend der Partynacht hatte ein Buch, das ihm zufällig in die Hände geraten war, schmerzliche Erinnerungen an seine Frau wachgerufen. Zweifellos hatte ihn das in die Arme einer Fremden getrieben. Normalerweise ging er da wesentlich überlegter vor und nahm sich Zeit, um eine Frau kennenzulernen, bevor er mit ihr schlief. Das Erlebnis mit Katherine hatte ihm auf jeden Fall eine wichtige Lektion erteilt. Jetzt wusste er, was geschehen konnte, wenn man der Lust und dem Gefühl freien Lauf ließ und seinen Verstand ausschaltete!

Während Luca daran dachte, wie er in jener Nacht bedauerlicherweise die Kontrolle über sich verloren hatte, fuhr er sich noch einmal kopfschüttelnd durchs zerzauste Haar. Welchen Grund Katherine auch immer haben mochte, für ihn zu arbeiten, er würde sie von jetzt an auf jeden Fall nur nach ihrem beruflichen Können beurteilen und nicht nach der Stärke der Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte.

2. KAPITEL

Die Tür zwischen dem Büro des Chefs und ihrem blieb also offen, und Kate sah absichtlich nicht hin, zumindest nicht so oft, wie es sich ihr gelegentlich rasendes Herz gewünscht hätte. Sie sehnte sich danach, einen Blick auf den Mann zu erhaschen, der sich im angrenzenden Raum befand. Auf den Mann, der unbedacht und herrisch Befehle hervorstieß und der sie spüren ließ, dass sie nur die kleine Sekretärin war.

Kate hätte verzweifeln können, wenn sie daran dachte, wie viel Wärme ihr Luca in jener Nacht geschenkt hatte. Aber sie wollte sich nicht daran erinnern. Selbstmitleid brachte sie nicht weiter. Nur ihr sowieso schon angeschlagener Magen revoltierte in schöner Regelmäßigkeit, wenn sie besorgt an ihr Geheimnis dachte. Ein Geheimnis, dessen Offenbarung Kate nun mit Schmuggelware verglich, die man durch eine ohnehin schon in höchste Alarmbereitschaft versetzte Flughafenkontrolle bringen musste – bezogen auf Lucas wenig begeisterte Reaktion auf ihr Wiedersehen.

Die zauberhafte Nacht in Mailand erschien ihr wie ein Traum im Vergleich zu der Missbilligung, die er ihr jetzt entgegenbrachte. Und wenn er schon den Motiven ihrer Anwesenheit misstraute, wie wäre es dann erst, wenn er die erstaunliche Neuigkeit erfuhr, die sie ihm mitzuteilen hatte?

Diese Enthüllung wollte ihm Kate auch vorher schon unbedingt machen, ihr waren aber die Hände gebunden gewesen, weil sie nicht wusste, wie sie ihn erreichen sollte. Ihre Freundin Melissa hatte Italien überraschend verlassen, um eine Stelle in den USA anzunehmen, und Kate hatte ihre neue Anschrift und Telefonnummer noch nicht. Sie konnte sich auch nicht mehr an die komplette Adresse des Herrenhauses erinnern, in dem die Party stattgefunden hatte – ganz zu schweigen von der Firma, für die Melissa gearbeitet hatte. Alle Möglichkeiten, Luca zu kontaktieren, waren ihr verbaut, so schien es. Kate sagte sich immer wieder, dass es ihre eigene Schuld war, weil sie ihm auch nichts hinterlassen hatte, damit er sich bei ihr melden konnte.

Zurück in der Gegenwart zwang sie sich nun, die ihr gestellte Aufgabe zu bewältigen, wohlwissend, dass sie noch eine Weile aushalten musste, bis der richtige Moment kam, um Luca die Neuigkeit mitzuteilen. Außerdem brauchte sie diesen Job unbedingt, und sie hatte nicht die Absicht, beim Probearbeiten durchzufallen. Die Agentur zahlte ihr einen Spitzensatz für diesen besonderen Einsatz, und in Anbetracht der Situation, die ihr bevorstand, konnte sie das zusätzliche Geld gut gebrauchen. Wobei „gut gebrauchen“ stark untertrieben war. Sie hatte versucht, so viel wie möglich zu sparen, aber London war teuer. Das, was sie auf der hohen Kante hatte, würde ihr höchstens für einen Monat ohne Job reichen. Aber bei einem Monat würde es ja nicht bleiben!

Dieses Problem hatte Kate schon so manche schlaflose Nacht bereitet.

Doch jetzt verdrängte sie ihre Ängste, und es fiel ihr nicht schwer, ihren üblichen Arbeitsrhythmus zu finden. Ihr Magen schenkte ihr allerdings keine Pause, sondern schlug weiter munter Purzelbäume, so als wolle er sie daran erinnern, dass sie ihr süßes Geheimnis nicht ewig würde verbergen können.

„Komm in mein Büro!“

Luca wartete nicht, bis sich Kate von ihrem Stuhl erhob. Nachdem er schnell den Kopf zur Tür hereingesteckt hatte, war er auch schon wieder in seinem Zimmer. Sein luxuriös eingerichteter Firmensitz mit dem hochmodernen Mobiliar spiegelte die beeindruckenden Errungenschaften seines Architekturbüros wider und die Tatsache, dass er zu den Besten seines Fachs gehörte. Überall hingen geschmackvoll gerahmte Drucke und Fotos großer öffentlicher Gebäude und Eigenheime, die eindeutig für eine märchenhaft reiche Klientel entworfen worden waren. Lucy, die Zeitarbeitsmanagerin, hatte immer wieder darauf hingewiesen, wie unglaublich erfolgreich das De-Rossi-Imperium sei, während sie Kate die Einzelheiten des bevorstehenden Jobs darlegte.

Schnell nahm Kate nun Block und Bleistift, um ihren Chef ja nicht warten zu lassen.

„Setz dich!“, befahl er ohne Vorgeplänkel.

Es fiel ihr schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, während Lucas umwerfender Sex-Appeal so deutlich von seinem Aftershave unterstrichen wurde. Kate unterschied dabei Sandelholz, Moschus und Amber, und es lief ihr heiß und kalt den Rücken hinunter. Der Duft erinnerte sie auf herausfordernde Weise an die sinnlich schöne Nacht, die sie gemeinsam verbracht hatten, und daran, wie erstaunlich gut er als Liebhaber gewesen war. Alles an ihm hatte Kate fasziniert. Angefangen bei seinem exklusiven Aftershave, über seine mit einem leichten Akzent behaftete Stimme bis hin zu dem unvergesslichen Erlebnis, ihn zu streicheln und dabei seinen wohlproportionierten, durchtrainierten Körper zu spüren.

Weil sie jetzt befürchtete, dass er womöglich ihre Gedanken erriet, konnte sie sich kaum dazu durchringen, seinen verstörenden Blick zu erwidern; Luca hingegen zögerte nicht, sie eingehend zu mustern.

„Mein Freund Hassan hat mich gerade angerufen, und ich werde gleich zu unserem Meeting aufbrechen. Ich bin froh, dass die Saumlänge deines Kleides respektabel ist und du einen ordentlichen Blazer darüber trägst, weil du mich nämlich begleiten wirst“, bemerkte Luca. Dabei drehte er den goldenen Füllfederhalter zwischen den Fingern, als wüsste er nicht wohin mit seiner überschüssigen Energie. „Obwohl Hassan relativ westlich orientiert ist, ist der erste Eindruck doch entscheidend. Meine persönliche Assistentin muss Professionalität und Herzlichkeit ausstrahlen, wofür unser Unternehmen bekannt ist.“

Vor Empörung darüber, dass Luca offensichtlich der Meinung war, diese Selbstverständlichkeiten noch einmal extra erwähnen zu müssen, wurden Kates Wangen ganz heiß. „Mir ist die arabische Kultur durchaus nicht unbekannt!“, antwortete sie hitzig. „Ich habe sogar einmal ein halbes Jahr für eine Ölfördergesellschaft in Dubai gearbeitet. Mir ist also klar, was erwartet wird! Davon abgesehen weiß ich natürlich, wie ich mich im Berufsleben zu verhalten habe, wenn ich mit den Kunden meines Chefs zusammentreffe. Wenn es nicht so wäre, wäre ich heute nicht mehr persönliche Assistentin!“

Jenseits des Schreibtisches ließ Luca spöttisch eine Augenbraue hochschnellen. „Du überraschst mich immer wieder, Katherine. Und ich scheine dich ein weiteres Mal unterschätzt zu haben, nicht wahr?“

„Gibt es noch etwas?“ Kate verbat sich eine Antwort auf Lucas letzte Bemerkung, während sie verzweifelt ihr Mantra wiederholte, ruhig zu bleiben und nicht die Fassung zu verlieren. Auch wenn Luca Gefallen daran zu finden schien, sie herauszufordern, hatte sie nicht vor, die ohnehin schon angespannte Atmosphäre zwischen ihnen weiter anzuheizen, indem sie auf seine Provokationen einging. Da war immer noch das wichtige Thema, das sie besprechen mussten und das wie ein Damoklesschwert über ihr schwebte.

„Ja, vielleicht könntest du dein Make-up noch ein bisschen erneuern und deine Haare zurückbinden, bevor wir abfahren. Ich will nicht, dass diese wilde Mähne meinen Kunden und Freund ablenkt, während wir dabei sind, wichtige Geschäftsthemen zu besprechen!“

Ungläubig sah Kate Luca an. Er klang so, als würde sie ihr Haar nur offen tragen, um zu provozieren und Männer zu locken! Jetzt war ihr endgültig klar, dass er in den kommenden zwei Wochen wahrscheinlich jede Gelegenheit beim Schopf ergreifen würde, um sie zu erniedrigen und sich über sie lustig zu machen. Sie aber auf ihr persönliches Erscheinungsbild anzusprechen war Kates Meinung nach einfach zu viel. Okay, ihr Haar mit seinen wilden Wellen hatte tatsächlich die Tendenz, sich jeder Form der Bändigung zu verweigern. Aber sie ließ es nie länger als schulterlang werden und sorgte dafür, dass es frisch gewaschen war, glänzte und gesund aussah!

Unglücklicherweise hatte seine Bemerkung über ihre Frisur eine unangenehme Erinnerung an eine Episode aus ihrer Kindheit wachgerufen. Manchmal hatten besonders gemeine Klassenkameraden sie als abgerissene kleine Zigeunerin betitelt. Nur weil sie in einer Sozialwohnung und nicht in einem großen Prachtbau in einer der schicken Alleen gewohnt hatte! Fairerweise musste sie zugeben, dass sich seit ihrer negativen Erfahrung in der Schule bei ihr das Gefühl festgesetzt hatte, nie gut genug zu sein. Aber bestimmt würde sie sich von diesem privilegierten, arroganten Mann nicht wieder auf das unsichere, eingeschüchterte Kind reduzieren lassen, nur weil er sauer auf sie war.

Während die Verärgerung den Schmerz überlagerte, den sie in Erinnerung an diese Sache von damals nach wie vor spürte, umfasste sie ganz fest ihren Notizblock und setzte sich noch aufrechter hin. „Ich mag derart persönliche Kommentare über meine Haare nicht! Und egal, wie kurz oder lang ich für dich arbeiten sollte, behältst du deine Meinung über meine Erscheinung besser für dich! Zu deiner Information: Ich bin seit fast acht Jahren persönliche Assistentin, und in dieser ganzen Zeit hat sich noch nie jemand über meine Haare oder mein Aussehen beschwert!“

„Da bin ich mir sicher! Aber ich schätze, dass die meisten deiner Chefs Männer waren, oder?“

„Worauf willst du hinaus?“

„Das muss ich dir doch nicht erklären, Katherine!“ Luca beugte sich so abrupt vor, dass sogar sein luxuriöser Lederstuhl ächzte. Dann durchbohrte er sie mit seinem beunruhigenden Blick aus himmelblauen Augen. „Natürlich wird kein Heterosexueller im Vollbesitz seiner Manneskraft eine Beschwerde über dein Aussehen abgeben! Insgeheim sehen sie es vielleicht als Herausforderung an, eine Frau um sich zu haben, die – sagen wir – einen gelegentlich von der Arbeit ablenkt. Bestimmt verstehst du, dass ich das als Kompliment und nicht als Beleidigung meine.“

Kate schluckte. Sie wollte nicht, dass er ihr Komplimente machte. Nicht, wenn zwischen den Zeilen so offensichtlich seine Verärgerung zu lesen war.

„Also, wann fahren wir los?“ Sie stand auf und war erstaunt, dass Luca es ihr gleichtat.

„Mein Wagen steht in zehn Minuten vor der Tür“, erklärte er, während er seinen makellosen Diamantblick beinah unverschämt über ihren Körper gleiten ließ.

Sie trug das beste Kleid und den besten Blazer, die sie besaß. Natürlich sah Luca sofort, dass beide nicht von der gleichen Güte waren wie sein Maßanzug. Aber sein Blick war aus einem anderen Grund verstörend. Auch die tollsten Businessklamotten hätten nur einen geringen Schutz vor der unausweichlichen Vorstellung geboten, dass Luca ihren Körper ohnehin schon in- und auswendig kannte. Kate fühlte sich in seiner Gegenwart unendlich verletzlich.

Sie spürte, wie es im Nacken und in den empfindlichen Brustspitzen zu kribbeln begann, und zog befangen ihren Blazer zu, als wäre ihr Ausschnitt zu gewagt. Was er definitiv nicht war.

„Ich mache mich dann mal lieber fertig.“

Doch gerade als sie die Tür erreichte, sprach Luca sie noch einmal an. „Lass dein Haar, wie es ist. Ich habe meine Meinung geändert. Du brauchst es nicht zurückzubinden. Ich nehme die Grundrisse und Pläne mit, und wir treffen uns dann draußen am Auto.“

Mit diesen Worten hob er den Telefonhörer ab und herrschte die arme, nichts ahnende Telefonistin am Empfang an.

Luca war im regen Gespräch mit seinem Freund Hassan über die Pläne eines neuen, herausragend modernen Hotels, das dieser in seiner Heimatstadt Dubai bauen lassen wollte. Für den Entwurf trug Luca letztlich die Verantwortung, aber es gab noch zwei Kollegen, die bei den ersten Gesprächen dabei gewesen waren und auch den Bau vor Ort überwachen sollten. Im Augenblick befanden sie sich außer Landes, da hatte Hassan zumindest mit dem Chefarchitekten sprechen wollen.

Plötzlich hielt Luca mitten im Satz inne, weil sein Freund Katherine ganz unverblümt ansah. Sie saß am anderen Ende der bequemen Sitzgruppe in dem von Blumenduft erfüllten Besprechungszimmer und machte Notizen. Während Luca das offenkundige Interesse seines Freundes bemerkte, spürte er zu seinem großen Erstaunen, dass sich jeder Muskel seines durchtrainierten Bauches vor Eifersucht anspannte. Nicht, dass er seinem Freund einen Vorwurf hätte machen wollen, weil dieser seinen Blick so offensichtlich auf Katherine ruhen ließ. Luca kannte Hassans berühmt-berüchtigten und ausgelebten Hang zu schönen Frauen. Drei schier unendliche Monate lang war er selbst abwechselnd hingerissen oder frustriert gewesen, wenn er an Katherine dachte. Insgeheim hatte er sich eingestanden, dass da noch etwas anderes an ihr gewesen war als nur ein unvergesslich hübsches Gesicht, das alle Männer dazu brachte, sie besitzen zu wollen. Aber er hatte sich nicht gestattet, dem Grund dafür weiter nachzugehen. Im Augenblick wusste er nur, dass keine andere Frau in einem Kleid von der Stange, mit einem Minimum an Make-up und ohne jeden Schmuck so anziehend aussah.

Sich das einzugestehen trug nicht gerade dazu bei, seine Laune zu heben, die immer weiter gegen null gesunken war, seitdem Katherine in sein Büro geschneit war. Zwar schien sich sein Verlangen gleichzeitig zu verselbstständigen, aber er war auf der Hut, um sich kein zweites Mal von ihr zum Narren halten zu lassen.

Luca räusperte sich, und Hassan sah wieder zu ihm, völlig entspannt und kein bisschen peinlich berührt, weil sein Geschäftsfreund ihn dabei erwischt hatte, dass er dessen Sekretärin beäugte.

„Was sagtest du gerade, Luca?“ Der ältere Araber lächelte.

Luca warf Katherine einen vorwurfsvollen Blick zu, als sei es ihr Fehler, dass sein Geschäftsfreund sie so offensichtlich bewunderte, und nahm dann den Gesprächsfaden wieder auf. Dabei musste er allerdings gegen den beinah unwiderstehlichen Wunsch ankämpfen, das Meeting möge endlich zu Ende sein, damit er Katherine schnappen und in sein Büro zurückbringen konnte, wo er sie wenigstens für sich allein hatte.

Luca wusste, dass sein Besitzanspruch an sie vorsintflutlich war, und er hätte sich für diese Schwäche verachten sollen. Aber sein Ego drängte ihn, Katherine kein zweites Mal entwischen zu lassen, ohne dass er nicht wenigstens so etwas wie eine Wiedergutmachung bekommen hatte.

Als das Meeting eine Stunde später beendet war, nahm der reiche Araber Luca in der eleganten Hotellobby beiseite. „Luca … ich muss dich etwas fragen. Ist deine Sekretärin … unverheiratet?“ Dabei sah er zu Katherine hinüber, die geduldig beim Ausgang auf ihren Chef wartete. „Ich habe keinen Ehering an ihrem Finger gesehen.“

Eine Schrecksekunde lang erschütterte ein höchst unwillkommener Gedanke Lucas – wenn überhaupt noch vorhandenes – seelisches Gleichgewicht endgültig. Er hatte natürlich auch schon einmal daran gedacht, dass Katherine verheiratet sein könnte. Nun war er gezwungen, es erneut in Erwägung zu ziehen. Was, wenn sie in Mailand deshalb ohne Erklärung und ohne eine Adresse zu hinterlassen gegangen war? Hatte sie womöglich ihren Ehebruch mit ihm bereut und war von Schuldgefühlen überwältigt geflohen, bevor er irgendwelche persönlichen Details herausfinden konnte? Unwillkürlich runzelte er die Stirn, während sich sein Magen verkrampfte.

„Nein“, sagte er dann klar und deutlich und hoffte inständig, dass es die Wahrheit war, „sie ist nicht verheiratet.“

„Hat sie denn einen Mann an ihrer Seite? Etwas Ernstes, meine ich?“

Während das Zwicken in der Magengegend noch heftiger wurde, blickte Luca so gleichgültig wie möglich drein. „Mir wäre nicht bewusst, dass Katherine noch jemanden trifft, mein Freund. Aber ich kann dir sagen, dass sie und ich, na, nennen wir es, noch ein Hühnchen zu rupfen haben. Beantwortet das deine Frage?“

Die großen, dunklen Augen des Arabers weiteten sich erstaunt. Unter seinem eleganten Designeranzug zuckte er die massiven Schultern und lächelte. „Wie ich sehe, bist du derjenige, welcher, mein Freund! Aber andererseits überrascht es mich nicht. Wer könnte dir verdenken, die Gelegenheit zu nutzen, wenn man mit so viel unschuldigem Liebreiz zusammenarbeitet?“

In beiderseitigem Einvernehmen blickten die Männer nun zu Katherine. Ihre schlanke, wohlgeformte Figur in dem marineblauen Kleid mit den weißen Punkten, ihre schönen Augen und das dunkle, glänzende Haar zogen auch andere bewundernde Blicke auf sich. Luca hatte sofort einen neuerlichen Anflug von Eifersucht, gegen den er nichts tun konnte.

Hassan klopfte Luca herzlich auf den Rücken. „Ich würde viel darum geben, nur eine Nacht mit einer solchen Frau erleben zu dürfen! Bitte versteh mich nicht falsch, mein Freund“, fügte er dann schnell hinzu, als er feststellte, dass Luca ein eindeutig missbilligendes Gesicht machte. „Du kannst dich sehr, sehr glücklich schätzen!“

Je nachdem, dachte Luca, während er nachdenklich zu Kate sah.

„Davon abgesehen“, fuhr Hassan aufgeräumt fort, „freue ich mich darauf, dich heute Abend bei der kleinen Party zu treffen, die du freundlicherweise in deinem Haus für mich und meine Geschäftspartner aus Riad arrangiert hast. Sie sind ganz wild darauf, mit dir über deine großartige Arbeit zu sprechen. Wenn mich nicht alles täuscht und es gut läuft, wirst du am Ende des Abends einen weiteren Vertrag über eine große Summe in der Tasche haben.“

Kate konnte ihr Hungergefühl nicht länger unterdrücken, und da sie auch die trockenen Kekse vergessen hatte, die sie in letzter Zeit immer bei sich führte, klopfte sie leicht an die geöffnete Tür zwischen ihrem und Lucas Büro.

„Was denn?“

Seine höchst unfreundliche Antwort hätte einschüchternd wirken können, wenn sich Kate nicht schon daran gewöhnt hätte. Als sie in sein Büro ging, sah sie, dass Luca über Bauplänen brütete, die auf seinem großen Schreibtisch lagen. Er hatte seine dunkle Seidenkrawatte gelockert, und sein etwas zerzaustes Haar ließ ebenfalls darauf schließen, dass ihm die Arbeit ein wenig zusetzte. Der Mann arbeitete wie ein Verrückter, dachte Kate. Es war nach halb zwei Uhr nachmittags, und er hatte weder eine Pause zum Mittagessen eingelegt noch sich wenigstens einen Kaffee gegönnt.

Sie runzelte die Stirn. „Ich wollte fragen, ob ich mir eben ein Sandwich holen könnte? Ich habe heute Morgen kaum gefrühstückt. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bin ziemlich hungrig. Soll ich dir etwas mitbringen?“

Wie erstarrt sah er sie an, und es wurde ganz still im Raum. Dabei war Kate unter seinem Blick wie gelähmt.

Sie schluckte. „Hast du gehört, was ich gesagt habe?“

„Mein Freund Hassan hat mich gefragt, ob du verheiratet bist“, antwortete Luca gedehnt und ließ seinen Blick noch einmal unverhohlen über sie schweifen.

Kates Hungergefühl war auf der Stelle wie weggeblasen. Stattdessen spürte sie einen ganz anderen Appetit. Lucas lasziver Blick vermittelte ihr das Gefühl, als würde er sie tatsächlich berühren, und sie erbebte vor Verlangen. Aber dann begriff sie, was er wirklich gefragt hatte, und erschrak.

„Und, bist du verheiratet, Katherine?“

„Nein, das bin ich nicht. Und wieso geht das deinen Kunden etwas an?“

„Du musst doch bemerkt haben, wie er dich angesehen hat!“

„Bei dem Meeting war ich damit beschäftigt, Notizen zu machen!“

„Wie auch immer … bei der Beantwortung der Frage geht es mir nicht um meinen Freund, sondern um mich. Wenn du also nicht verheiratet bist, wie sieht es dann mit einem Liebhaber aus?“

„Ich habe keinen. Hast du das gedacht? Dass es da noch jemanden gab, als ich mit dir zusammen war?“

„Ja, der Gedanke ist mir gekommen, kurz nachdem ich aufgewacht bin und festgestellt habe, dass du weg warst. Ich dachte, dass du dir vielleicht einen netten Abend machen wolltest, dann ein bisschen zu viel Champagner getrunken hast und übermütig geworden bist, als sich die Gelegenheit mit mir bot. Am nächsten Morgen hast du festgestellt, was du getan hast, und bist von Schuldgefühlen und Bedauern überwältigt geflohen, bevor du dich noch weiter in die Sache hineinreitest.“

„Nun, da irrst du dich! Es war ganz anders.“

Kate war entsetzt, dass Luca sie so einschätzte. Jetzt verschränkte sie die Arme vor der Brust und versuchte verzweifelt, einen klaren Gedanken zu fassen. Wie konnte er denn so etwas denken? Hatte sie sich diese tiefe Verbindung, die sie miteinander geteilt hatten, nur eingebildet? Eine Verbindung, von der sie geglaubt hatte, sie ginge über das rein Körperliche hinaus.

„Wie war es denn dann, Katherine? Und vielleicht hättest du diesmal die Güte, mir die Wahrheit zu sagen.“

Die Wahrheit … Wie einfach das klang! Dabei war es das ganz und gar nicht. Es war alles ein schreckliches, überaus unangenehmes Durcheinander, das sich niemals wiederholen durfte.

3. KAPITEL

Bis vor sechs Monaten war Kate mit Hayden Michaels verlobt gewesen, einem erfolgreichen, gut aussehenden Broker, den sie bei einem Zeitarbeitsjob in London kennengelernt hatte. Ein Shootingstar der Firma! Er war jung, hatte viel Ehrgeiz und arbeitete hart, um zu bekommen, was er wollte.

Kate war nicht gleich von ihm begeistert. Ganz im Gegenteil, von Natur aus vorsichtig, hatte ihr Gefühl sie gewarnt, sich mit einem Mann einzulassen, für den das Leben eine einzige große Party zu sein schien und eine Riesenchance, sich die Taschen zu füllen – koste es, was es wolle. Von ihrer alleinerziehenden Mutter hatte sie feste Grundsätze gelernt, und insgeheim ersehnte Kate nichts mehr, als eines Tages den Mann ihrer Träume zu treffen und eine Familie mit ihm zu gründen. Als einziges Kind hatte sie sich oft allein gefühlt und sich immer Geschwister gewünscht. In der Schule verspottet zu werden trug nicht gerade dazu bei, dass sie sich weniger allein fühlte. Und sie wusste nur zu gut, wie schwierig es damals für ihre Mutter war, Job und Kind unter einen Hut zu bringen. Deshalb ging Kate nach ihrem hervorragenden Schulabschluss nicht weiter zur Universität, sondern besuchte eine Sekretärinnenschule, damit sie schnell einen Berufsabschluss bekam und ihrer Mutter nicht mehr auf der Tasche lag.

Über die Jahre hatte Kate immer mal wieder einen Freund gehabt, dabei aber nie den Partner gefunden, der ihr vorschwebte. Als sie den gut aussehenden und amüsanten Hayden Michaels kennenlernte, fühlte sie sich durch irgendetwas zu ihm hingezogen. Instinktiv wusste sie allerdings, dass er nicht der Mann war, der sich mit Frau und Kind irgendwo niederließ. Nicht solange ihn der Ehrgeiz antrieb. Deshalb beschloss sie, seinem Charme zu widerstehen. Doch während sie Tag um Tag, Woche um Woche zusammenarbeiteten, führte sein unumstößliches Lächeln, seine unabwendbar gute Laune und seine nicht wankende Entschlossenheit, mit Kate auszugehen, dazu, dass sie ihm doch eine Chance gab. Ihre Mutter war zwei Monate zuvor völlig unerwartet an einem Herzinfarkt gestorben, und Kate fühlte sich einsam …

Mit der Zeit lernte sie noch eine andere Seite ihres neuen Freundes kennen, eine, die ihr Herz viel mehr rührte als die teuren Geschenke, Designerklamotten und kostspieligen Restaurantbesuche, zu denen Hayden sie immer einlud. Es war eine empfindsame, vielleicht sogar verletzliche Seite, die darauf schließen ließ, dass er Versagensängste hatte und glaubte, vielleicht nicht in der Lage zu sein, das bereits Erreichte zu bewahren. Außerdem befürchtete er, von seinen Kollegen und Freunden als nicht gut genug eingeschätzt zu werden. Vielleicht war Kate deshalb so von ihm angetan, weil sie seit der Schulzeit ähnliche Ängste hatte. Sie war immer das Mädchen gewesen, dessen Mutter sich nicht leisten konnte, in den Ferien mit ihm ins Ausland zu fahren, ihm trendige Klamotten zu kaufen oder teure Tanzstunden zu bezahlen.

Doch es war nicht der Verzicht auf all diese Dinge, der Kate so verletzlich gemacht hatte. Nein, am meisten hatte ihr zugesetzt, dass ihre Mutter ihr nicht zeigen konnte, dass sie sie liebte. Erschöpft von der Arbeit und dem täglichen Ringen, das Unmögliche möglich zu machen, hatte Liz Richardson einen Panzer um ihr Herz gelegt, der ihre Tochter daran hinderte, ihr gefühlsmäßig nahezukommen. Gepaart mit den Sprüchen der Klassenkameraden hatte Kate einen gewissen Minderwertigkeitskomplex entwickelt, der sie hatte vorsichtig werden lassen, was Herzensangelegenheiten anging. Selbst wenn Männer ihr sagten, dass sie attraktiv sei, war da immer etwas in ihr, das ihnen nicht so recht glauben wollte und sich insgeheim darauf gefasst machte, die „Wahrheit“ zu hören. Dass sie eben gar nicht so begehrenswert war, wie sie sagten, dass sie immer noch das arme Mädchen mit dem unordentlichen Haar sei, das in der schicken Schule nur geduldet wurde – und nicht etwa verdiente, dort hinzugehen, weil es wirklich klug war.

Als Hayden sie an einem herrlichen Sonntagmorgen bei einem Spaziergang im Hydepark mit einem Verlobungsring überraschte, war sie wie vom Donner gerührt. Er sagte, er würde sie lieben und könne kaum noch an etwas anderes denken, als sie zu heiraten. Sie versprach ihm, darüber nachzudenken, und erklärte, dass es vielleicht noch ein bisschen zu früh sei, um sich ein solches Versprechen zu geben. Aber Hayden überzeugte sie schließlich mit seiner Beharrlichkeit, sodass Kate am Ende selbst glaubte, ihn zu lieben. Auf jeden Fall willigte sie törichterweise in die Verlobung ein. Zu ihrer Verteidigung ließe sich sagen, dass sie sich immer noch in der ersten Phase des Verliebtseins befand. Im Nachhinein war ihr klar geworden, dass sie einfach von der Liebe und Aufmerksamkeit, die er ihr scheinbar schenkte, hingerissen war, weil man ihr beides so lange verwehrt hatte. Vielleicht war Haydens Heiratsantrag deshalb so verlockend gewesen.

An dem Abend, an dem sie sich verlobten, opferte sie ihm ihre Jungfräulichkeit und begann, sich auf die Heirat und die gemeinsame Wohnung zu freuen. Aber nur eine Woche später zerbarsten all ihre Träume einer glücklichen Zukunft mit einem liebenden Ehemann und den ersehnten Kindern.

An dem Tag, an dem es passierte, erzählte ihr Hayden, er würde geschäftlich nach Amsterdam fliegen und wolle sie abends abholen und in eines seiner Lieblingsrestaurants im schicken Londoner Stadtteil West End zum Essen ausführen. Aber im Verlauf des Morgens bekam Kate während der Arbeit starke Regelschmerzen, die immer schlimmer wurden. Um die Mittagszeit fühlte sie sich ziemlich krank, und ihr Chef sagte, sie solle sich den Nachmittag freinehmen und sich ausruhen. Hayden besaß ein Haus in einer besonders exklusiven Gegend in Chelsea, und es lag viel näher zu ihrer Arbeitsstelle als ihr eigenes Apartment im Londoner Norden. Hayden hatte ihr seinen Ersatzschlüssel gegeben, falls er sich einmal aussperren sollte oder sie sich dort treffen wollten. Sobald sie die Tür zum stylischen Flur aufstieß, spürte sie, dass sich noch jemand im Haus befand.

Sie nahm an, dass es sich um einen Einbrecher handelte, und stürmte mit klopfendem Herzen und ohne groß darüber nachzudenken die Treppe zu den Schlafräumen hinauf. Als Kate eine Frau lachen hörte, klammerte sie sich ans Treppengeländer. Mit trockenem Mund zwang sie sich dann, zum großen Schlafzimmer zu gehen und die Tür weit aufzustoßen. Dort entdeckte sie ihren Verlobten und eine üppige Rothaarige, die wenigstens zehn Jahre älter war als sie selbst, zusammen im Bett.

Kate erinnerte sich noch, dass sie wie in Trance dagestanden und sich gesagt hatte, sie habe vielleicht nur eine merkwürdige Erscheinung, weil es ihr nicht gut ging. Als die brutale, eiskalte Realität zu ihr durchdrang, begann sie am ganzen Körper zu zittern – teils vor Schreck und teils vor Wut. Aber ein noch schlimmerer Schock sollte folgen, als Hayden ihr einen abfälligen Blick zuwarf, sich über den Mund fuhr und dann lachte. Es war das grausamste Lachen, das Kate je gehört hatte.

„Du dumme, kleine Kuh!“, rief er dann. „Was musst du auch am helllichten Tag hier aufkreuzen?“

In diesem Augenblick entdeckte Kate, dass der Mann, den sie heiraten wollte, nicht der lustige, lässige, strebsame Mensch mit weichem Kern war, wie sie angenommen hatte. In diesem Augenblick war ihr klar geworden, dass Hayden Michaels ein Lügner und Betrüger war, mit einer Geliebten, die er bereits seit zwei Jahren besaß und auch nicht aufgeben wollte. Dabei war er tatsächlich noch wütend auf Kate, weil sie durch ihr unverhofftes Auftauchen seine Zukunftspläne über den Haufen geworfen hatte.

Vor Schmerz war Kate die Kehle wie zugeschnürt, sie warf ihm den Schlüssel aufs Bett, verließ das Haus und lief dann so weit, wie sie die Beine trugen.

Die ganze Sache war so verwirrend und auch irgendwie blamabel. Kate hatte sich völlig zum Narren gemacht, war auf Haydens Lügen hereingefallen und fühlte sich auch noch lange Zeit danach wie betäubt. Als sich einige Monate später die Gelegenheit bot, nach Mailand zu fliegen und Urlaub bei einer ehemaligen Kollegin zu machen, die inzwischen dort wohnte und arbeitete, ergriff Kate die Gelegenheit beim Schopf.

Am Abend der Party, als sie Luca zum ersten Mal sah, war Kate völlig erstaunt über die Stärke ihres Verlangens, das sie einem völlig Fremden entgegenbrachte. Immer noch angeschlagen von der schlechten Erfahrung mit ihrem Ex und überwältigt von der Anziehungskraft, die Luca genauso für sie zu empfinden schien, gestattete sich Kate, den herrlichen Verführungskünsten des Italieners nachzugeben. Aber am Morgen danach bekam sie kalte Füße und sagte sich, dass sie wohl schon wieder einen Riesenfehler begangen hatte. So floh sie vor den Konsequenzen, ohne sich Zeit zu lassen, mit Luca zu sprechen oder alles noch einmal zu überdenken.

„Ich war … Ich musste gerade über eine Trennung hinwegkommen, bevor ich nach Italien kam“, sagte sie nun zu Luca, der immer noch auf eine Erklärung wartete.

Die auf höchste Stufe gestellte Klimaanlage trug dazu bei, dass Kate regelrecht Gänsehaut bekam, während sie an jene schmerzliche Zeit dachte.

„Das heißt, du hast nur mit mir geschlafen, um dich an ihm zu rächen. Willst du mir das damit sagen?“ Der bittere Unterton in Lucas tiefer, wohlklingender Stimme war nicht zu überhören.

„Nein, das will ich damit überhaupt nicht sagen! Ich habe nicht mit dir geschlafen, um mich an ihm zu rächen.“

„Dann war ich vielleicht so eine Art Trostpflaster, weil dein Freund dich zurückgewiesen hat?“

„Bitte hör mir doch einfach einmal zu, ja?“ Kate öffnete die verschränkten Arme, kam näher an den großen Schreibtisch heran, der sie von dem selbstgefälligen, gut aussehenden Mann dahinter trennte. „Er hat mich nicht zurückgewiesen … zumindest nicht so, wie du denkst. Wir hatten uns gerade verlobt und wollten bald heiraten, als ich ihn mit einer anderen Frau im Bett erwischte … seiner Geliebten, wie sich herausstellte.“

Ein wenig von der Anspannung, die sich auch auf Lucas Gesicht zeigte, schien zu verschwinden, trotzdem war sein Blick immer noch voller Misstrauen.

„Ist dein Exverlobter reich gewesen?“, wollte er dann wissen.

„Er war ein erfolgreicher Londoner Broker.“

„Viele reiche Männer haben Geliebte. Vielleicht war das alles nicht so schockierend, wie du denkst, Katherine.“

Was sagte er denn da? Dass er auch eine Geliebte hatte? Verzweifelt versuchte Kate, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie diese Vorstellung verletzte. Gleichzeitig dachte sie daran, dass eine Therapie ihr sicher guttun würde, weil sie sich ständig auf die falschen Männer einließ. Sie seufzte tief und überlegte, ob es eigentlich noch schlimmer kommen konnte.

„Nun, ich finde es ziemlich schockierend“, erklärte sie dann hitzig. „Wenn man dem Menschen, mit dem man den Rest seines Lebens verbringen will, nicht trauen kann, wem dann? Er hat mich angelogen. Er hat mir vorgemacht, ein anderer zu sein! Ich könnte nie wissentlich oder willentlich eine Beziehung mit einem Mann führen, der noch eine Frau an seiner Seite braucht. Diese Vorstellung ist einfach völlig abstoßend für mich – und das ist sie wohl für die meisten Frauen. Da bin ich mir ziemlich sicher.“

„Das so zu sehen ist dein gutes Recht. Aber warum hast du mich am nächsten Morgen verlassen, ohne dich von mir zu verabschieden? Das verstehe ich immer noch nicht.“

„Weil ich Angst hatte.“ Kate zuckte die Schultern, und ihr Herz begann urplötzlich so schnell zu schlagen wie noch nie, sodass ihr ganz schwindlig wurde. Außerdem war ihr schlecht, und plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sie sich jeden Augenblick übergeben musste.

„Wovor hattest du Angst?“, fragte Luca.

„Kannst du dir das nicht denken? Ich wollte mich nicht schon wieder zum Narren machen! Entschuldige mich, aber ich muss jetzt unbedingt einmal …“

Hastig wandte sie sich von Luca ab und wusste kaum, in welche Richtung sie gehen sollte. Das Gefühl der Orientierungslosigkeit, das sie plötzlich überkam, erschwerte es ihr, klar zu denken.

„Katherine?“

Die echte Besorgnis in Lucas Stimme überraschte sie, aber Kate war zu sehr mit ihrer plötzlichen Übelkeit beschäftigt. Sie stieß die Massivholztür seines Büros auf und stand gleich darauf in einem mit dickem Teppichboden ausgelegten Flur. Ohne zu zögern, lief sie auf die Damentoilette zu, die sich direkt am Ende des Ganges befand.

Erschrocken, weil Kate plötzlich ganz bleich geworden war, sprang Luca von seinem Ledersessel auf und folgte ihr. Als er die Tür zum parfümierten Vorraum der Damentoilette aufstieß, hörte er ein Würgen aus einer der Kabinen.

„Katherine!“, rief er und ging dem Geräusch nach. „Ist dir schlecht? Was ist denn los? Sag’s mir!“

„Bitte“, antwortete sie angestrengt, „lass mich einfach in Ruhe. Es geht mir gleich besser.“

„Brauchst du Hilfe. Hier im Haus ist auch eine Arztpraxis. Ich kann da jemanden kommen lassen.“

„Nein! Bitte tu das nicht! Ich habe dir doch schon gesagt, dass es mir gleich wieder gut geht. Lass mich einfach einen Moment in Ruhe, ja?“

Unsicher, ob das wirklich klug war, begriff Luca trotzdem, dass er keine andere Wahl hatte.

Zögerlich kehrte er in sein Büro zurück und ging dort eine Weile auf und ab. Dabei brodelte es in ihm vor Ungeduld, weil er nicht wusste, was mit Katherine los war. Während er auf ihre Rückkehr wartete, dachte er darüber nach, was sie ihm über ihren Exverlobten und dessen Geliebte gesagt hatte.

Mit den Worten „unschuldiger Liebreiz“ hatte sein Freund Hassan Katherine in der Hotellobby beschrieben, und Luca stimmte mit ihm darin überein, dass dies genau der Eindruck gewesen war, den ihr süßes Gesicht und ihre ruhige Stimme auch ihm bei ihrer ersten Begegnung vermittelt hatten. Luca wusste allerdings auch, dass sie zu einer Leidenschaft fähig war, die das Herz jedes Mannes höher schlagen ließ. Bei dem Gedanken überlief ihn eine Hitzewelle. War die Geschichte von ihrem Exverlobten und seiner Geliebten wahr? Wenn ja, konnte er verstehen, dass Katherine sehr verletzt gewesen sein musste. Aber Luca kannte sie nicht gut genug, um zu beurteilen, ob sie die Wahrheit sagte.

Er wusste nur, dass ihr plötzliches Verschwinden ihn so verwirrt hatte, dass er sein eigenes Urteilsvermögen infrage stellte. Wenn sie ihn danach kontaktiert hätte, um sich zu entschuldigen und ihm die Sache zu erklären, hätte er ihr vielleicht vergeben. Aber drei Monate lang hatte er nichts von ihr gehört, und jetzt tappte er bei ihr genauso im Dunkeln wie vorher.

Seit Sophias Tod vor über drei Jahren war Katherine die erste Frau gewesen, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Da war ein ganz erstaunliches Gefühl der Verbundenheit zwischen ihnen gewesen. Und nicht nur auf körperlicher Ebene, wie er sich jetzt erinnerte. Katherine hatte etwas an sich, das Gefühle in ihm wiederbelebte, die er für ewig verschüttet gehalten hatte. Umso bedauerlicher war ihr Verhalten nach der gemeinsamen Nacht gewesen.

Vielleicht hatte er sich aber auch nur eingebildet, dass die Verbindung zwischen ihnen bedeutsam war, weil Katherine ihn in einem schwachen und gefühlsmäßig verletzlichen Augenblick erwischt hatte. Denn er hatte tatsächlich den Wunsch, etwas tiefer in seine eigene verwundete Seele zu blicken; trotzdem machte ihm die Aussicht darauf Angst. Warum war alles nur so kompliziert? Seufzend rieb Luca sich das Kinn. Andererseits hatte er ja durchaus schon einmal erfahren, welch tiefe Gefühle man für eine Frau empfinden konnte, wenn man mit ihr geschlafen hatte. Vielleicht war das am Ende überhaupt alles gewesen, was es mit Katherine auf sich hatte.

Die doppelflügelige Tür hinter ihm öffnete sich, und Kate kam ins Zimmer zurück. Sie war immer noch ziemlich blass, sah aber viel besser aus als vorhin, und Luca war ehrlich erleichtert.

„Es tut mir leid“, begann sie und rieb sich den Arm, als wäre ihr kalt. „Ich habe mich plötzlich nicht besonders gut gefühlt. Jetzt geht es mir besser, aber ich sollte jetzt wirklich etwas essen. Ich gehe mir schnell ein Sandwich holen.“

„Du solltest dich jetzt erst einmal hinsetzen und ein bisschen ausruhen. Ich kümmere mich darum, dass etwas zu essen in mein Büro gebracht wird.“

„Nein, lass nur!“

Den Telefonhörer in der Hand, bedachte Luca Katherine mit dem Blick, als sei sie eine besonders schwierige Geschäftspartnerin. „Es ist ja wohl offensichtlich, dass du erst einmal ein bisschen Ruhe brauchst. Deshalb machst du jetzt, was ich sage, und widersprichst mir nicht! Capisce?“

Bei der Auswahl an Speisen und Getränken, die der Manager des Catering-Unternehmens persönlich in Lucas Büro brachte, hätte man meinen können, Luca verköstige einen bekannten Politiker oder einen Showstar und nicht eine Vertretungssekretärin, die nichts zu Mittag gegessen hatte. Das Essen wurde auf dem hochglänzenden Konferenztisch arrangiert, an den sich nun beide zögerlich setzten. Nachdem Kate einige Male hungrig in ein besonders delikates Roggensandwich mit Parmaschinken und französischem Senf gebissen hatte, ließ das Gefühl des Unwohlseins nach. Aber dann bemerkte sie, dass Luca überhaupt nicht aß. Er schien viel mehr damit beschäftigt zu sein, sie zu beobachten.

Wohlerzogen tupfte sie mit der Leinenserviette ihren Mund ab und sah Luca dann stirnrunzelnd an. „Was ist denn los? Hast du keinen Hunger?“

„Ich esse gleich“, gab er einsilbig als Antwort.

Seine Krawatte war immer noch gelockert und der oberste Hemdknopf geöffnet, sodass sie den Ansatz seiner sonnengebräunten Haut erkennen konnte. Dieser Anblick rief so wohlige Erinnerungen in ihr wach, dass sie eine Gänsehaut bekam.

„Ich bin froh, dass dir dein Unwohlsein nicht den Appetit verdorben hat“, bemerkte er schließlich.

„Normalerweise habe ich einen sehr stabilen Magen. Da gibt es nicht viel, was mir den Appetit verderben könnte!“

„Es freut mich, dass du dein Essen genießt“, antwortete Luca lächelnd. „Das ist mal eine angenehme Überraschung bei einer Frau. Die meisten betrachten das Essen als ihren persönlichen Staatsfeind Nummer eins.“

Kate lächelte nur zögerlich, und das aus gutem Grund. Ihr war ziemlich klar, dass es ihr nur gerade so gelungen war, ihn über den wahren Grund für ihr plötzliches Unwohlsein im Unklaren zu lassen. Deshalb spürte sie jetzt erst einmal Erleichterung, weil sie ihm die Sache nicht weiter erklären musste. Doch gleichzeitig fühlte sie sich deswegen auch schuldig. Aber irgendwie war sie noch nicht bereit und auch nicht mutig genug, ihm den wahren Grund für ihr Unwohlsein zu gestehen. Abgesehen davon überlegte Kate, ob es denn so falsch war, einfach noch ein bisschen die Strahlkraft zu genießen, die von seinem großartigen Lächeln ausging, anstatt seine Verärgerung heraufzubeschwören?

4. KAPITEL

Um Viertel vor sechs klopfte Kate an die Verbindungstür zu Lucas Büro. Dabei nahm sie all ihren Mut zusammen, um zu fragen, ob sie das Probearbeiten bestanden hatte.

Was die Arbeit betraf, war alles wie am Schnürchen gelaufen, aber natürlich hieß das noch lange nicht, dass Luca auch weiterhin mit ihr zusammenarbeiten wollte. Zweifellos musste er immer noch über den Schock hinwegkommen, dass er sie hier so urplötzlich wiedergesehen hatte. Kate ging es ja genauso! Nach dem gemeinsamen Essen hatte er sich mehr oder weniger in sein Büro zurückgezogen und nur mit ihr gesprochen, wenn es sein musste. Das war kaum mehr gewesen als ein paar grazie, wenn sie ihm Kaffee brachte.

„Komm rein!“, rief er jetzt.

Erschrocken stellte Kate fest, dass er gerade dabei war, in seine elegante Anzugjacke zu schlüpfen, um das Büro zu verlassen.

„Gehst du schon?“, fragte sie.

„Findest du nicht, dass ich heute lange genug gearbeitet habe?“, entgegnete er spöttisch lächelnd.

Kate errötete. „Ich meinte damit ja nicht, dass du nicht Feierabend machen sollst“, begann sie umständlich. „Ich wollte nur fragen, ob ich deine Prüfung bestanden habe.“

„Meine was?“ Luca war eindeutig verwirrt.

„Du hast gesagt, du würdest mir einen Tag geben, damit ich mich beweisen kann … wahrscheinlich um zu sehen, ob ich dem Job gewachsen bin.“

„Ach, das meinst du.“ Er zuckte die Schultern, als hätte er es völlig vergessen. Dann sah er Kate etwas ernsthafter an. „Natürlich musst du bleiben! Es ist zwar nicht ideal, aber es ist jetzt auch zu spät, jemand anders kommen zu lassen, den ich erst einmal einarbeiten müsste. Abgesehen davon … brauche ich dich heute Abend als Gastgeberin bei meiner Party zu Hause.“

Kate war ein wenig pikiert, weil er ihr Einverständnis stillschweigend voraussetzte. Doch sie wollte ihren Job behalten, so unbequem diese Aufgabe auch zu werden versprach. Da musste sie wohl auf das heiße Bad verzichten, auf das sie sich schon gefreut hatte, um sich zu entspannen, nach diesem Tag voller Überraschungen. Gar nicht davon zu sprechen, dass sie Zeit für sich gebraucht hätte, um zu überlegen, wann und wie sie den Mut finden sollte, Luca das erstaunliche Geheimnis mitzuteilen, das sie im wahrsten Sinne des Wortes mit sich herumtrug.

„Davon hast du mir ja noch gar nichts gesagt!“

„Ich habe heute an so vieles denken müssen, Katherine. Nicht zuletzt auch an dich!“

Er hatte an sie denken müssen? Während Kate den Schulterriemen ihrer Handtasche zurechtrückte, überlegte sie, in welche Richtung seine Gedanken wohl gegangen waren. Wenn sie so ähnlich gelagert gewesen waren wie ihre eigenen, wunderte es sie nicht, dass ihn das stark beschäftigt hatte – zumal bei ihr Vernunft und Sehnsucht im steten Widerstreit miteinander lagen.

„Machst du es?“, fragte Luca jetzt und runzelte leicht die sonnengebräunte Stirn.

Und wenn sie ablehnte? Riskierte sie dann diesen Job und die Chance, ihm ihre Neuigkeit mitzuteilen? Kate brauchte nicht lange, um seine Frage zu beantworten. „Ja, ich mach’s, wenn du sonst niemanden hast, der dir da aushelfen könnte.“

„Janine wäre normalerweise eingesprungen. Aber wie du weißt, ist sie im Urlaub, und ich bezahle dich ja gerade dafür, dass du meine persönliche Assistentin ersetzt, nicht wahr?“

Daraus hörte Kate eine leichte Verärgerung, und sie wollte Luca nicht noch weiter aufbringen. Gleichzeitig war sie auch erleichtert, dass er seine Sekretärin bitten musste, bei ihm zu Hause die Gastgeberin zu spielen. Denn das bedeutete auch, dass es derzeit keine Frau in seinem Leben gab. Warum er wohl Single war? Der Gedanke nährte eine törichte Hoffnung – eine, die sie rasch wieder beiseiteschob.

„Ich muss aber vorher noch einmal nach Hause, um mich frisch zu machen und mich umzuziehen. Wann soll ich bei dir sein?“

„Mein Chauffeur Brian bringt dich nach Hause und wartet, bis du fertig bist. Ich fahre ein Stück mit. Er kann mich unterwegs absetzen. Komm, lass uns gehen. Die Zeit drängt.“

Um ihren Aufbruch ein wenig zu beschleunigen, legte Luca Kate eine Hand in den Rücken, und bei seiner Berührung überlief es sie heiß – als sollte es sie daran erinnern, dass sie mit dem Feuer spielte.

Diese Party zu geben – für Hassan, dessen Geschäftspartner und einige seiner eigenen Geschäftskollegen mit ihren Frauen – war gar nicht so anstrengend, wie Luca anfangs gedacht hatte. Denn eigentlich brauchte er schon seit geraumer Zeit dringend Urlaub. Sein Arbeitstag war immer straff organisiert, häufig überarbeitete er auch noch abends zu Hause Baupläne. Aber er schob diese Tatsache absichtlich von sich.

Während er nun interessiert beobachtete, wie sich Katherine in seinem eleganten Wohnzimmer bewegte und mit den Gästen sprach, erkannte er, wie leicht es ihm seine neue persönliche Assistentin an diesem Abend machte. In dem schwarzen Cocktailkleid, mit den dunklen Haaren, die in sanften Wellen ihre bloßen Schultern umspielten, sah sie einfach hinreißend aus. Sozusagen zum Anbeißen! Und Hassans Geschäftspartner waren wohl auch sehr von ihr angetan. Denn selbst nachdem Luca ihnen Katherine vorgestellt hatte, suchten sie immer wieder das Gespräch mit ihr.

Luca wusste, dass sein Architekturbüro zu den besten der Welt gehörte und dass es Hassans Geschäftsfreunde schwer haben würden, jemand anders zu finden, der auch noch so herzlich und engagiert mit seinen Kunden umging. Soeben hatte er sich mit ihnen unterhalten und den Deal per Handschlag besiegelt. Sicher hatte auch Katherine an diesem Abend einen großen Teil dazu beigetragen, dass ihm der Zuschlag gegeben worden war. Nun saß er wieder allein bei seinem Freund und stellte fest, dass dieser Katherine ebenfalls beobachtete.

Hassan lächelte wohlwollend, als sie den Kopf zurückwarf und über etwas lachte, das ihre Gesprächspartnerin gesagt hatte. „Weißt du eigentlich, was für einen Trumpf du mit dieser Schönheit in der Hand hältst?“, bemerkte er dann nicht ganz neidlos.

Genau das Gleiche hatte man immer über Sophia gesagt, und Luca war dann sehr stolz gewesen. Bei dem Gedanken wurde ihm ganz anders. Aber am Ende waren die Leute nicht mehr so voll des Lobes, erinnerte er sich jetzt nüchtern. Nicht nachdem sie sich von ihm und der Firma distanziert hatte.

„Ich gestehe, dass es mir heute Abend erst so richtig bewusst geworden ist“, antwortete er wahrheitsgemäß und sah gedankenverloren in sein Champagnerglas. „Auf jeden Fall gelingt es ihr ganz zwanglos, dass sich jeder wohlfühlt.“

„Ich an deiner Stelle …“, begann Hassan, senkte verschwörerisch die Stimme und rückte etwas näher an Luca heran, „… würde sie bestimmt nicht mehr ziehen lassen!“

Später an diesem Abend, nachdem die Gäste gegangen waren, fand sich Luca allein mit Katherine wieder. Unwillkürlich dachte er daran, was sein Freund gesagt hatte, und spürte, dass er sich nicht von ihr verabschieden wollte – auch wenn sie nach ihrer gemeinsamen Nacht in Mailand nicht gerade scharf darauf gewesen war, bei ihm zu bleiben. Das versetzte ihm immer noch einen Stich. Aber jetzt, da sie ein Gähnen unterdrückte und ihn entschuldigend anlächelte, war Luca drauf und dran, ihr zu vergeben.

Sein Blick fiel auf ihr anziehendes Dekolleté, und er wehrte sich nicht gegen die Lust, die ihn beim Anblick ihrer verführerischen Brüste überkam.

„Du hast heute Abend einen ganz tollen Job gemacht“, hörte er sich sagen, und als er ihren himmlischen Duft atmete, begannen in seinem Bauch Schmetterlinge zu fliegen. „Du warst die perfekte Gastgeberin.“

„Vielen Dank“, antwortete Kate und senkte ein wenig verlegen den Blick. „Aber das war auch nicht so schwer bei den charmanten Gästen! Normalerweise finde ich diese halb privaten, halb geschäftlichen Treffen eher schwierig!“

„Wie die Party in Mailand?“, fragte Luca leise und streckte die Hand aus, um sich eine von Kates schwarzen Locken um den Finger zu wickeln.

Kate atmete überrascht aus, und ihr Atem streifte seine Hand wie eine leichte Sommerbrise.

„Ich gebe zu, dass ich mich an jenem Abend ein bisschen wie ein Fisch auf dem Trockenen gefühlt habe“, gestand sie und errötete zart.

„Du hast wie ein verlorenes kleines Mädchen ausgesehen, das man retten muss“, stimmte ihr Luca zu. „Aber ich kam mir an diesem Abend auch irgendwie verloren vor.“

„Auf deiner eigenen Party?“

Sì, bis ich dich sah, dann habe ich mich merkwürdigerweise überhaupt nicht mehr einsam gefühlt.“

Als Luca ihren erstaunten Blick sah, wurde ihm bewusst, was er da redete und wie angreifbar ihn dieses Geständnis machte. Dio! Champagner lockerte gefährlich die Zunge. Besser, er ließ Katherine jetzt nach Hause gehen, bevor er die Sache noch schlimmer machte. Vielleicht würde er vorübergehend Trost in ihren Armen finden, aber morgen mussten sie wieder zusammenarbeiten. Jetzt mit ihr zu schlafen, auch wenn er sich noch so sehr danach sehnte, würde die Dinge nur verkomplizieren. Besser, er plante den Urlaub, den er dringend nötig hatte, anstatt eine Affäre mit einer Frau in Erwägung zu ziehen, die bereits bewiesen hatte, dass sie nicht vertrauenswürdig war!

Er ließ die zarte Locke los, die er sich um den Finger gewickelt hatte, und sah übertrieben deutlich auf seine Schweizer Luxusuhr. „Es ist schon sehr spät, und wir müssen morgen beide früh raus. Brian wartet unten im Wagen, um dich nach Hause zu fahren.“

Luca ignorierte die Verwunderung in ihrem Blick und brachte Katherine in die schwarz-weiß geflieste Halle. Dann half er ihr, das nachtblaue Samtcape um die Schultern zu legen. Dabei musste er seine ganze Willenskraft aufbringen, um nicht stattdessen seine Hände dorthin zu legen und Katherine zu sich umzudrehen, damit er sie so innig küssen konnte, wie er es sich wünschte.

„Noch einmal vielen Dank für deine Hilfe heute Abend. Ich sehe dich morgen im Büro. Schlaf gut.“

„Gute Nacht dann also“, antwortete sie und erwiderte nur kurz seinen Blick, als ob sie seinen Wink verstanden hätte und ihm zustimmte, dass es besser sei, wenn sie jetzt auseinandergingen.

Doch als er ihr die Eingangstür aufhielt, bereute er bereits, sich dazu entschieden zu haben. Er sah Katherine auch nur noch einen Moment nach, wie sie die Stufen zur glänzenden Luxuslimousine hinunterging, deren Fahrer auf sie wartete. Dann schloss er rasch die Tür, als wollte er sich davon abhalten, Katherine zu folgen und ihr glühend zu gestehen, dass er wirklich gerne hätte, wenn sie die Nacht bei ihm verbrachte.

„Oh nein, nicht schon wieder!“

Am nächsten Morgen tippte Kate gerade einen Brief, als ihr vor Übelkeit kalte Schweißperlen auf die Stirn traten. Panisch griff sie nach ihrer Handtasche und suchte nach den trockenen Keksen, die sie an diesem Tag tatsächlich mitgebracht hatte. Gerade als sie sie fand, kam Luca ins Zimmer.

„Ich hätte gerne, dass du mir diese Nummer in Paris anrufst. Es ist das Büro eines meiner Kunden, und ich muss …“ Er verstummte, als er sah, wie blass Kate war, und runzelte besorgt die Stirn.

In der Eile waren ihr die Kekse auf den Boden gefallen. Als sie nach ihnen tastete, trat sie mit ihrem Absatz darauf. Kate wusste, dass sie zerbrochen waren, noch bevor sie es mit eigenen Augen sah. Aus Verzweiflung darüber wurde ihre Übelkeit so schlimm, dass sie ohne Erklärung aus dem Zimmer stürzte.

„Katherine!“, rief Luca ihr nach, und sie hörte noch die Empörung und Verwunderung in seiner Stimme, während sie weitereilte. „Ist dir schon wieder schlecht? Was ist denn los? Dio! Warum sagst du mir nichts?“

Autor

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