Kreuzfahrt ins Glück mit Dr. Russo

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Ausgerechnet der Playboy-Doktor Gabriel Russo! Schockiert erkennt Schwester Francesca, wer ihr Boss auf dem Kreuzfahrtschiff ist. Auf keinen Fall darf sie seinem verführerischen Charme verfallen! Aber das ist leichter gesagt als getan - gefangen mit ihm auf hoher See...


  • Erscheinungstag 25.01.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729530
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Hiilfee!“

Gabriel Russo fuhr herum und versuchte auszumachen, woher der Hilferuf gekommen war. Der Passagierterminal in Venedig war überfüllt mit Menschen, Gepäck, Kisten und Containern, die gerade auf das Kreuzfahrtschiff geladen wurden und ihm den Blick versperrten.

„Hiilfee!“

Jetzt hörte Gabriel es deutlich – der Schrei kam direkt vom Kai. Gabriel ließ seine Tasche fallen und bahnte sich den Weg durch die Menschenmenge, bis er schließlich auf die Frau stieß, die um Hilfe rief.

„Mein Sohn – er ist ins Wasser gefallen und kann kaum schwimmen!“

Dann sah Gabriel auch schon den Jungen, der keuchend und prustend mit den Wellen kämpfte, und sprang ihm sofort hinterher. So schnell er konnte, schwamm er auf den Jungen zu, doch schon nach wenigen Sekunden waren seine Kleidung und die Schuhe mit Wasser vollgesogen und zogen ihn wie ein Bleigewicht nach unten. Verdammt, warum hatte er nicht wenigstens die Schuhe ausgezogen?

Jetzt ging der Junge auch noch unter! Gabriel holte Luft und tauchte ab. Es war so dunkel unter Wasser, dass er kaum etwas erkennen konnte, denn die Sonnenstrahlen hatten nicht genügend Kraft, um das trübe Wasser zu durchdringen.

Venedig war bekannt für seine schmutzigen Kanäle. Das Kreuzfahrtterminal lag ganz am Rand des Hafens, und obwohl das Wasser hier schon etwas klarer war als in der Stadt, sah Gabriel den Jungen nicht.

Mist, er musste wieder hoch, um Luft zu holen! Dabei gelang es Gabriel wenigstens, die Schuhe abzustreifen, bevor er wieder untertauchte. Er tastete verzweifelt um sich, bis er endlich auf den Jungen stieß. Gabriel packte ihn am Arm und zog ihn mit aller Kraft nach oben. Die beiden tauchten prustend auf, und der Junge versuchte sich sofort an Gabriel festzuhalten.

Die Sonne blendete, doch Gabriel konnte dennoch sehen, dass sie durch starke Strömung schon ein gutes Stück vom Kai abgetrieben waren. Er versuchte die Brust des Jungen zu umfassen, so wie er es im Rettungsschwimmerlehrgang geübt hatte, doch das war unmöglich. Der Junge klammerte sich panisch an Gabriel fest und drohte ihn dabei unter Wasser zu ziehen.

Verdammt, wie sollte er es schaffen, den Jungen heil zurückzubringen, wenn er sich so stark dagegen wehrte? Gabriel hatte noch nie einen Menschen aus dem Meer gezogen und sich das Ganze erheblich leichter vorgestellt. Er versuchte nun, den Jungen auf den Rücken zu drehen, doch auch das klappte nicht, denn er war derart panisch, dass Gabriel seine ganze Kraft aufbieten, musste um ihn und sich selbst über Wasser zu halten.

Gabriel hatte das Gefühl, im falschen Film zu sein. Gerade war er im Begriff gewesen, seinen neuen Job auf der Silver Whisper anzutreten, und so hatte er sich seinen ersten Arbeitstag ganz bestimmt nicht vorgestellt!

Schon von Anfang an hatte Gabriel geahnt, dass es ein Fehler war, diesen Job anzunehmen. Er war Kinderarzt – was zum Teufel suchte er auf einem Kreuzfahrtschiff?

Das alles tat er nur für die Familie. Sie brauchte seine Hilfe, also war er nach Venedig zurückgekehrt und hatte den erstbesten Job angenommen, der sich ihm geboten hatte. Auf Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer würde er nah genug an Venedig sein, falls seine Familie ihn brauchte, aber weit genug von ihr entfernt, um unerwünschtes Medieninteresse zu erregen. So zumindest hatte er sich das vorgestellt.

Um die Gesundheit seines Vaters stand es nicht besonders gut, deshalb musste Gabriel ihm helfen, was ihm alles andere als behagte. Gabriel hatte nie für die Firma seines Vaters arbeiten wollen, doch jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er verhindern wollte, dass das Familienunternehmen den Bach hinunterging.

Gabriel sah ein Boot auf sich zukommen, in dem drei Männer saßen, und atmete erleichtert auf. Seine Arme schmerzten, und er hatte kaum noch Kraft, den Jungen über Wasser zu halten. Doch dann merkte er, dass er und der Junge direkt auf die große Kaimauer zutrieben. Verdammt, er musste wenden, doch die Strömung war so stark, dass er nicht die Kraft besaß, um dagegen anzuschwimmen.

Und dann geschah das Unvermeidliche. Die nächste Welle riss Gabriel mitsamt dem Jungen mit und schleuderte sie in Richtung Mauer. Gabriel schlang die Arme fester um den Jungen, um dessen Kopf zu schützen – dann wurde plötzlich alles schwarz um ihn.

Francesca stand im Terminal in der Nähe des Check-in-Schalters und lächelte den ankommenden Passagieren freundlich zu. Diese Tätigkeit gehörte zu den Dienstaufgaben, die Francesca gar nicht mochte, doch sich davor zu drücken war unmöglich. Der Kapitän bestand darauf, dass sich mindestens ein Mitglied des medizinischen Teams hier einfand, um die neuen Passagiere zu begrüßen. Und heute war Francesca dran.

Sie sah gelangweilt zu, wie sich die Leute nach dem Einchecken zur Silver Whisper begaben und schon beim Betreten des Schiffes jede Menge Flyer zu Unterhaltungsprogramm und Landausflügen ihrer Reise in die Hand gedrückt bekamen. Francesca blickte auf die Uhr und seufzte auf. Der Tag war noch lange nicht zu Ende.

Nach einer Weile kam ihr jedoch ein Gedanke, und sie blickte sich verstohlen um. Keiner ihrer Vorgesetzten war gerade in der Nähe – ob sie vielleicht mal kurz verschwinden könnte? Sicher würde niemand merken, wenn sie sich eine kleine Pause gönnte.

Ja, das mache ich! dachte sie entschlossen. Durch einen Seiteneingang verließ sie rasch das Terminalgebäude und ging auf das Dock zu, wo die Silver Whisper vor Anker lag.

An der Anlegestelle war die Hölle los. Nicht nur das Gepäck der Passagiere wurde gerade eingeladen, sondern auch stapelweise Lebensmittelkisten, die man brauchte, um Passagiere und Besatzung auf der wochenlangen Kreuzfahrt zu versorgen.

Francesca schlenderte am Steg entlang und genoss die warmen Sonnenstrahlen. Daheim im Manchester konnte sie diese Wärme kaum genießen, und manchmal fragte sie sich, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie hier und nicht in Manchester geboren wäre.

Als Krankenschwester auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten hatte Francesca sich toll vorgestellt, doch die Realität sah natürlich anders aus. Sie hatte gehofft, hier all die Fähigkeiten nutzen zu können, die sie sich in ihren bisherigen Jobs auf einer kardiologischen Intensivstation und in einer Notfallklinik angeeignet hatte. Doch leider war das bisher nicht der Fall, denn zumeist hatte man es auf der Reise nur mit banalen Verletzungen oder leichteren chronischen Krankheiten zu tun, die Francesca nicht besonders forderten. Und die langen Arbeitszeiten, Nacht- und ständigen Bereitschaftsdienste fingen langsam an, an ihr zu zehren, und sie sehnte sich nach etwas Freizeit. Zum Glück fühlte sie sich aber in dem Team sehr wohl, und die Kollegen trugen dazu bei, ihr Selbstvertrauen wieder aufzubauen.

Ja, Francesca brauchte eine neue Chance. Es war an der Zeit, etwas Neues anzufangen, und dieses Schiff war ein guter Ort dafür. Und ganz gleich, wie ihr dieser Job gefiel, er war letztendlich nur vorübergehender Natur, da sie auf ein Visum nach Australien wartete.

Australien – dort würde sie weit genug weg von zu Hause sein, wo sie nur schmerzliche Erinnerungen quälten …

„Francesca!”

Sie schreckte aus ihren Träumereien auf und sah sich suchend um. Wer hatte sie gerufen, und was war da vorne los? Am Ende des Docks hatte sich eine Gruppe von Menschen versammelt, die aufgeregt zum Wasser blickten. Da musste was passiert sein!

Francesca rannte los, und Adrenalin schoss durch ihren Körper. Das war bestimmt ein Notfall – würde sie gleich in der Lage sein, das Richtige zu tun? In ihrem ersten Job hatte sie auf einer kardiologischen Intensivstation gearbeitet, wo Herzstillstände an der Tagesordnung waren. Später war sie in die Notfallambulanz gewechselt, um sich fachlich weiterzuentwickeln. Du musst hier mit allem rechnen, Tag und Nacht, hatte man ihr dort gesagt, und genau so war es auch gewesen. Von Kleinkindern, die alles Mögliche und Unmögliche verschluckten, bis hin zu Opfern von Verkehrsunfällen und Gewaltverbrechen hatte Francesca alles gesehen, was man sich nur vorstellen konnte, und man wusste nie, was einen als Nächstes erwartete.

Francesca hatte inzwischen das Dock erreicht und sah zwei Menschen, die im Wasser trieben. Einer davon war ein Junge von etwa zwölf oder dreizehn Jahren, der andere ein Mann. Ein Motorboot näherte sich den beiden, und Francesca sah gespannt zu, wie zuerst der Junge und danach der Mann an Bord gezogen wurde. Francescas Herz schlug schneller, als sie erkannte, dass er die Uniform ihrer Crew trug – das musste einer ihrer Kollegen sein. Und er war offenbar bewusstlos.

„Rufen Sie Dr. Marsh, schnell!“, wies sie den jungen Mann an – ein Crew-Mitglied der Silver Whisper –, der sie gerufen hatte.

Der Kollege nickte und zog sein Handy aus der Tasche, während Francesca sich an die Frau wandte, die neben ihr stand und heftig schluchzte. „Kann ich Ihnen helfen? Sind Sie die Mutter dieses Jungen?“

„Ja”, antwortete sie aufgelöst. „Ryan ist ausgerutscht und dabei ins Wasser gefallen. Er ist kein guter Schwimmer und …“

„Machen Sie sich keine Sorgen, er ist schon im Boot und scheint wohlauf zu sein”, versuchte Francesca die Mutter zu beruhigen. „Können Sie mir vielleicht sagen, wer der Mann ist, der ihm zu Hilfe kam?“

Die Frau schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Er war plötzlich da und sprang zu Ryan ins Wasser. Mein Junge wurde abgetrieben, und dann ging er plötzlich unter. Der Mann musste mehrmals tauchen, bis er Ryan endlich hatte und nach oben ziehen konnte. Und dann … dann wurde er von einer Welle gepackt und prallte an die Mauer.“ Sie sah Francesca an und begann erneut zu schluchzen. „Mein Gott, wenn ich bloß daran denke, was passiert wäre, wenn dieser Mann nicht dagewesen wäre. Ryan hätte …“

Francesca fasste die Frau an den Schultern, um beruhigend auf sie einzuwirken. „Ihr Junge ist gerettet, das ist jetzt das Wichtigste. Er wird wahrscheinlich etwas unterkühlt sein, aber das ist nicht weiter schlimm. Machen Sie sich keine Sorgen, er wird sofort behandelt werden.“

Wahrscheinlich hatte er auch einen Schock erlitten, doch das wollte Francesca der Mutter im Moment nicht sagen, um sie nicht noch mehr zu ängstigen. Ihr Sohn würde sofort in die Medizinische Abteilung des Kreuzfahrtschiffs gebracht und dort gründlich untersucht werden.

Das Boot hatte nun das Dock erreicht, und Francesca sprang hinein, um sich den Jungen anzusehen. Er war kreidebleich und sprach kein Wort, doch sein Pulsschlag war in Ordnung. Sein Retter hingegen lag regungslos da, was kein gutes Zeichen war. „Bringen Sie den Jungen bitte gleich aufs Schiff und in die Medizinische Abteilung“, wies sie zwei der Bootsinsassen an. „Ich muss mich jetzt um diesen Mann kümmern.“

Die Männer folgten ihrer Aufforderung, sodass Francesca sich dem Bewusstlosen zuwenden konnte. Seiner Uniform nach zu schließen musste er ein leitender Offizier sein, also einer von Francescas Vorgesetzten. Aber sie kannte diesen Mann nicht, hatte ihn noch nie gesehen. Er hatte dunkles, leicht gewelltes Haar, ein äußerst attraktives Gesicht und eine sportliche Figur – ein Typ, der jeder Frau auffallen musste.

Doch dafür hatte Francesca jetzt kaum einen Blick, denn sie musste sich beeilen. Der Mann atmete nicht mehr, und an der Halsschlagader war kein Puls zu fühlen. Adrenalin schoss erneut durch Francescas Körper. Sie musste ihn reanimieren, und zwar sofort!

Zuerst begann sie mit der Mund-zu-Mund-Beatmung, dann riss sie seine Jacke und das Hemd auf und startete die Druckmassage. Francesca arbeitete fieberhaft, bis sie merkte, dass das Boot schwankte, weil jemand eingestiegen war.

Es war David Marsh, einer der Bordärzte der Silver Whisper, doch Francesca achtete kaum auf ihn, sondern fuhr unermüdlich mit dem Pressen fort. Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig … komm schon, komm schon, komm schon!

Schweiß brach ihr aus allen Poren vor lauter Angst, dass sie es nicht schaffen könnte. Dann endlich reagierte er – er zuckte kurz zusammen, und dann noch einmal. Francesca drehte ihn schnell auf die Seite, und im nächsten Augenblick hustete und spuckte er schon jede Menge Wasser aus.

David reichte ihr die Sauerstoffmaske und steckte dem Verletzten den Pulsoximeter an den Finger.

„Ganz ruhig, Sie bekommen sofort Sauerstoff”, sagte Francesca auf Englisch, obwohl sie gar nicht wusste, ob der Mann das überhaupt verstand, denn seinem Äußeren nach zu schließen schien er eher Italiener zu sein. Da öffnete er kurz die Augen und sah Francesca an, bevor ihm die Lider wieder zufielen.

Wow! ging es ihr durch den Sinn, und sie spürte Schmetterlinge im Bauch. Dann besann sie sich jedoch sofort. Sie musste diesen Mann behandeln anstatt seine schönen Augen zu bewundern!

Sie zog ihre Diagnoselampe aus der Tasche und leuchtete ihm in die Augen, woraufhin er leicht zusammenzuckte. Die Mutter des Jungen hatte gesagt, er wäre gegen die Mauer geprallt, was vermuten ließ, dass er eine Kopfverletzung hatte.

„Wer ist das, und was ist passiert?“, erkundigte sich David.

„Wer er ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass er einen Jungen retten wollte, der ins Wasser fiel. Dabei ist er gegen die Mauer geprallt und hat das Bewusstsein verloren. Ich schätze, dass er gut eine Minute unter Wasser war. Dem Jungen scheint nichts Ernsthaftes passiert zu sein, er wurde schon aufs Schiff gebracht.” Francesca berührte den Mann vorsichtig am Hinterkopf, und als sie ihre Hand zurückzog, klebte Blut daran. „Gib mir bitte etwas zum Verbinden, David.”

David reichte ihr sterile Handschuhe und Verbandsmaterial. „Die Liege kommt sofort. Zuerst legen wir ihn vorsichtig drauf, dann suchen wir nach seinem Ausweis, ja?“

Francesca nickte. Wer mochte dieser Mann wohl sein? Sie hatte selten einen derart attraktiven Mann gesehen, und der Gedanke, dass er zu ihrer Crew gehören könnte, ließ ihr Herz schneller schlagen. Seine Augen blieben weiterhin geschlossen, und er atmete jetzt wieder gleichmäßig.

Francesca war erleichtert und beugte sich zu ihm hinab. Dann sagte sie so leise, dass David es nicht hören konnte: „Keine Angst, mein Märchenprinz, es wird alles gut.“

2. KAPITEL

Um Gabriel herum war alles dunkel. Dann spürte er plötzlich einen starken Druck auf der Brust, und ihm wurde schlecht. Jemand drehte ihn zur Seite, und er hustete und spuckte Wasser aus. In seinem Kopf pochte es entsetzlich, und er hatte das Gefühl, als würden seine Lungen platzen.

Dann sah er plötzlich in ein grelles Licht und spürte, wie ihm jemand etwas an den Finger steckte. Und dann war da noch ein sanfter Hauch an seiner Wange, und eine zarte Frauenstimme sagte: „Keine Angst, mein Märchenprinz, es wird alles gut.“

Gabriel öffnete die Augen – und sah die schönste Frau, die ihm je begegnet war. Sie sah aus wie eine Prinzessin aus Tausend-und-einer-Nacht: mit zarter, olivfarbener Haut, großen dunklen Augen und wunderschönem langen schwarzen Haar.

Nein, sie war zu schön, um wahr zu sein, er musste träumen …

Sie sprach erneut mit ihm, jedoch nicht auf Italienisch, sondern Englisch. Was war passiert, wo war er überhaupt? Jetzt erst wurde Gabriel bewusst, dass er auf dem Boden lag und total durchnässt war. Und dann kam plötzlich die Erinnerung. Der Junge im Wasser … und dann die große Mauer …

Gabriel versuchte sich aufzurichten, doch die „Traumprinzessin“ hielt ihn zurück. „Immer mit der Ruhe“, sagte sie sanft, aber bestimmt. „Sie müssen noch ein bisschen liegen bleiben, bis wir Sie behandelt haben.“

Da stöhnte Gabriel auf. „Das ist … nicht nötig, ich bin … selbst Arzt.“

David Marsh hielt einen triefend nassen Ausweis in der Hand, den er in Gabriels Jackentasche gefunden hatte. „Dr. Gabriel Russo“, las er vor. „Hm, interessante Art, seinen neuen Chef kennenzulernen“, meinte er dann mit einem schelmischen Grinsen und reichte Gabriel die Hand. „Ich bin Dr. David Marsh von der Silver Whisper. Und das hier ist Francesca Cruz, eine unserer Krankenschwestern.“ Dann wies er mit dem Kopf auf die beiden Sanitäter, die inzwischen mit der Rollliege herbeigekommen waren. „Wir legen Sie jetzt vorsichtig auf die Liege und bringen Sie aufs Schiff, okay?“

Francesca runzelte die Stirn. Gabriel Russo – dieser Name kam ihr irgendwie bekannt vor, doch wo hatte sie ihn schon einmal gehört? Sie musterte den Verletzten prüfend. War sie ihm schon mal begegnet? Nein, bestimmt nicht, denn einen derart attraktiven Mann hätte sie bestimmt nicht mehr vergessen.

Gabriel schüttelte jedoch den Kopf. „Ach was, das brauchen Sie nicht, ich kann aufstehen.“ Er erhob sich langsam und blieb dann einige Sekunden stehen, um sicherzugehen, dass er nicht das Gleichgewicht verlor, bevor er aus dem Boot stieg. Dann wandte er sich nach Francesca um. „Was ist … mit dem Jungen?“

Offensichtlich hatte er sich jedoch zu schnell umgedreht und geriet ins Wanken, und Francesca stützte ihn sofort. „Er ist schon an Bord und wird dort gründlich untersucht.“ Sie sah Gabriel an und runzelte erneut die Stirn. „Wir sollten besser einen Rollstuhl für Sie holen.“

„Ach was, das ist doch nicht nötig, ich …“

„Doch, das ist es, und jetzt keine Widerrede mehr, verstanden?“

David grinste erneut. „Ja, ja, so ist sie, unsere Francesca. Wenn es um das Wohl ihrer Patienten geht, kennt sie kein Pardon.“

Da gab Gabriel nach, denn er fühlte sich viel zu schwach, um mit dieser Frau zu diskutieren. Als kurz darauf der Rollstuhl kam, setzte er sich widerwillig hin, ließ sich eine Decke umlegen und von Francesca in Richtung Schiff schieben.

Gabriel hätte geradewegs im Boden versinken können, so peinlich war ihm dieser Auftritt. So hatte er sich die erste Begegnung mit seinen neuen Kollegen bestimmt nicht vorgestellt! „Wo bringen Sie mich hin?“, fragte er verdrossen, als Francesca ihn in den Aufzug schob.

„In unsere medizinische Abteilung, wohin sonst? Wir sind gleich dort.“

Gabriel schloss kurz die Augen. Er hatte höllische Kopfschmerzen, und die Kleidung klebte kalt und nass an seinem Körper.

Die Aufzugtüren öffneten sich, und Francesca schob Gabriel in einen der Behandlungsräume. Dann zog sie den Vorhang zu und ging kurz hinaus, um ein Handtuch und frische Kleidung für ihn zu holen.

Gabriel Russo – wo hatte sie diesen Namen schon gehört? Und dann fiel es ihr plötzlich wieder ein – sie kannte ihn von ihrer Freundin Jill! Und sie hatte diesen Mann sogar schon mal gesehen, und zwar auf einem Foto, das Jill früher auf ihrem Nachttisch stehen hatte. Gabriel Russo mit Jill im Arm auf seiner Luxusjacht!

The Italian Stallion – der italienische Hengst – hatte Jill ihn genannt, weil er so verdammt gut aussah und laut Jill ein Wahnsinnsliebhaber sein sollte. Francesca hatte bis vor einigen Jahren eine Wohnung mit Jill geteilt und sich damals ständig die Schwärmereien ihrer Freundin anhören müssen. Bis Jill schließlich eines Nachts um drei schluchzend bei Francesca angerufen und sie gebeten hatte, sie vor Gabriels Haus abzuholen.

Nie würde Francesca vergessen, wie verzweifelt und tränenüberströmt Jill auf der Straße gestanden hatte, nachdem dieser Gabriel sie einfach rausgeworfen hatte. Und jetzt saß dieser Schuft leibhaftig vor ihr, und Francesca musste ihn behandeln!

Irgendetwas stimmte nicht, das spürte Gabriel sofort. Seit Francesca mit einem Handtuch und frischer Kleidung zurückgekommen war, lag eine seltsame Spannung in der Luft. Sie wirkte plötzlich wie verwandelt, ihre weichen Züge waren hart geworden, und sie sah ihn an, als würde sie ihm am liebsten den Hals umdrehen. Was war passiert?

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, denn ehe Gabriel sie danach fragen konnte, kam sie ihm zuvor. „Ich weiß jetzt, wer Sie sind“, sagte sie direkt.

Gabriel runzelte die Stirn. „Wieso, ich dachte, das wussten Sie schon vorher.“

„Sie sind der Gabriel Russo, der mit meiner Freundin Jill zusammen war. Der sie mitten in der Nacht aus seinem Londoner Apartment geworfen und bei strömenden Regen einfach auf der Straße hat stehen lassen. Der Italienische Hengst“, fügte sie verächtlich hinzu.

Gabriel hätte laut gelacht, wenn es ihm nicht so schlecht gegangen wäre. Er schüttelte den Kopf. „Italienischer Hengst – so ein Schwachsinn. Diese Bezeichnung kann Ihre Freundin nur aus der Zeitung haben, stimmt’s?“ Die Boulevardpresse ging nicht gerade zimperlich mit ihm um, was ihn immer wieder maßlos ärgerte. Aber dass er ausgerechnet hier und jetzt damit konfrontiert würde, damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet.

Und überhaupt – wer sollte diese Jill gewesen sein? Gabriel hatte schon zahlreiche Bekanntschaften im Ausland gehabt und merkte sich für gewöhnlich deren Namen nicht, wenn die Beziehung nur locker und von kurzer Dauer gewesen war. London … Jill … Dann fiel es ihm auf einmal wieder ein – das war doch diejenige, die …

Gabriel atmete tief durch. Das hatte ihm gerade noch gefehlt: Eine beste Freundin, die nicht wusste, was wirklich vorgefallen war, und ihn deshalb strikt verurteilte. Und was noch schlimmer war – Francesca war nicht nur Jills Freundin, sondern auch noch seine Untergebene, und wenn sie ihn verachtete, konnte das in einem kleinen Team wie diesem wahrlich zum Problem werden.

„Das mag schon sein, aber dass Sie ein Herzensbrecher sind, hatte Jill bestimmt nicht aus der Zeitung, stimmt’s?“, fragte sie herausfordernd.

„Sind wir uns schon mal begegnet?“, fragte Gabriel anstatt zu antworten. Dann schüttelte er jedoch den Kopf. „Wahrscheinlich nicht, denn eine Frau wie Sie wäre mir ganz sicher in Erinnerung geblieben.“

Francesca biss erbost die Zähne zusammen. Was fiel diesem Kerl ein, sie derart unverschämt zu mustern? Andererseits hatte sie sich auch erlaubt, ihn intensiver anzusehen …

„Wer war denn diese Jill? Helfen Sie mir mal auf die Sprünge.“

Nun wurde Francesca richtiggehend wütend, und sie musste sich zusammenreißen, um ihm keine Ohrfeige zu verpassen. So was Arrogantes hatte sie noch nie erlebt!

„Es war vor sechs Jahren“, erklärte sie mühsam beherrscht. „Jill hatte damals langes blondes Haar und arbeitete als Model. Sie haben sie übers Wochenende mit auf Ihre Luxusyacht genommen.“

„Ach, jetzt weiß ich, wen Sie meinen.“

Gabriel zog die Jacke und das Hemd aus, und Francesca konnte nicht umhin, seinen durchtrainierten Körper zu bewundern. Gabriel Russo sah aus wie ein Filmstar, sein Poster hätte jedes Mädchenzimmer zieren können. Francesca spürte, wie sie auf den sexy Anblick reagierte, und sie hasste sich dafür.

„Ja, genau die meine ich“, entgegnete sie patzig. „Die Jill, die Sie um drei Uhr nachts bei strömendem Regen auf die Straße gesetzt haben. Welcher Mann tut so etwas?“

Autor

Scarlet Wilson

Scarlet Wilson hat sich mit dem Schreiben einen Kindheitstraum erfüllt, ihre erste Geschichte schrieb sie, als sie acht Jahre alt war. Ihre Familie erinnert sich noch immer gerne an diese erste Erzählung, die sich um die Hauptfigur Shirley, ein magisches Portemonnaie und eine Mäusearmee drehte – der Name jeder Maus...

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