Liebe – heiß serviert

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Ein einziges Mal bricht PR-Expertin Montgomery aus ihrem durchorganisierten Leben aus. Der One-Night-Stand mit TV-Starkoch Sean Cress ist atemberaubend leidenschaftlich – und hat süße Folgen! Zur Schadensbegrenzung entwirft Montgomery einen Plan: Heirat für ein Jahr, Scheidung, alles genau geregelt inklusive Ehevertrag und Vertraulichkeitsvereinbarung. Gerade als sie das Gefühl hat, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen, kocht die Leidenschaft zwischen ihnen richtig hoch …


  • Erscheinungstag 25.04.2023
  • Bandnummer 2287
  • ISBN / Artikelnummer 0803232287
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Sean Cress starrte vom Rücksitz seines Luxus-SUVs aus dem verdunkelten Fenster auf die Straßen von Manhattan. Doch er war so in seine Grübeleien versunken, dass er nichts wahrnahm. Weder den Verkehr oder all die New Yorker, die über die Bürgersteige eilten, noch die riesigen Gebäude, die hoch in den Himmel ragten. Stattdessen konnte er nur daran denken, dass er jetzt eigentlich am Set der Kochshow sein müsste. Sean hatte mit seinen Sendungen bereits ein Vermögen verdient. Er war ein herausragender Koch, und die Kamera liebte ihn. Schon zweimal hatte das People’s Magazine ihn zu einem der zehn heißesten Chefköche gekürt. Er liebte das rasante, zügellose Promileben, nahm jedes Event mit, genoss das Rampenlicht und die Frauen.

Und genau damit würde er sich den Posten als CEO des Kochimperiums seiner Familie sichern. Seine Eltern, Phillip Cress senior und Nicolette Lavoie-Cress, hatten Cress, INC. gegründet, nachdem sie jahrelang als erfolgreiche Starköche gearbeitet, reihenweise Restaurants eröffnet, Dutzende Kochbücher und Ernährungsratgeber veröffentlicht und unzählige Auszeichnungen erhalten hatten. Inzwischen liefen ihre Kochshows im ganzen Land, sie verkauften ihr eigenes Kochgeschirr und gaben ein Onlinemagazin heraus. Essen war ihr Leben, und diese Leidenschaft hatten sie auch an ihre Söhne weitergegeben.

Sean und seine Brüder waren alle ebenfalls Köche und hatten wichtige Führungspositionen im elterlichen Unternehmen inne. Lincoln war der neugefundene leibliche Sohn von Phillip senior, das Ergebnis einer vorehelichen Romanze und in England aufgewachsen. Inzwischen war er Teil der Herde und kümmerte sich als Chef der Abteilung um die Nachhaltigkeit des Unternehmens. Phillip junior führte die Cress Family Foundation. Gabriel war für die Familienrestaurants verantwortlich, Coleman für das Onlinemagazin und die Webseiten, und Lucas kümmerte sich um die Kochgeschirrserie. Seans Aufgabe waren die Kochshows, auch jene, in denen er selbst auftrat.

Schon länger deutete Phillip senior an, dass er sich vom CEO-Posten zurückziehen und einen von ihnen auf den Thron von Cress, INC. setzen wollte. Immer wieder hatte er in den vergangenen Jahren versucht, die Brüder gegeneinander auszuspielen, obwohl sie eigentlich gut miteinander auskamen. Und sie alle hatten ihren despotischen Vater stolz machen und das ohnehin schon übermächtige Unternehmen in eine noch glanzvollere Zukunft führen wollen. Allerdings war einigen von ihnen im Laufe der Zeit klar geworden, dass sie in Wahrheit gar kein Interesse an der Führungsposition hatten. Zumal ihr Vater keine Anstalten machte, seinen Worten Taten folgen zu lassen und in den Ruhestand zu gehen. Daher hatten die Geschwister sich wieder angenähert.

Aber auch wenn Lincoln, Gabriel und Coleman den Posten erklärtermaßen nicht wollten – Sean strebte ihn immer noch an.

Dann stellte sich heraus, dass sein Vater ein Herzleiden hatte. Nach einem Zusammenbruch vorige Woche musste er operiert werden, und allen war bewusst, dass er es nicht mehr schaffen würde, das Millionenunternehmen zu leiten. Jetzt waren noch Phillip junior, Lucas und er selbst im Rennen um den CEO-Posten. Und Sean hatte große Pläne, um das Geschäft auszuweiten. Statt die Kochshows wie bisher über andere Sender ausstrahlen zu lassen, wollte er sie in einem eigenen Kanal bündeln. Immerhin machten ihn der Erfolg seiner Abteilung und seine Bekanntheit zum Gesicht der Marke und damit auch zum angemessenen Thronfolger. Er wusste einfach, dass er die Position verdiente.

Wäre da nicht dieser verdammte Skandal.

Sean massierte sein Nasenbein. In letzter Zeit schien der Cress-Clan von einem Eklat nach dem anderen heimgesucht zu werden. Erst hatte die ehemalige Haushälterin Monica Gabriel geheiratet und von ihrem Vater, einem weltbekannten Schauspieler, den sie nie kennengelernt hatte, ein Vermögen geerbt. Dann hatte die ganze Familie – genau wie die Presse – erfahren, dass Phillip senior in England vor fünfundvierzig Jahren einen weiteren Erben gezeugt hatte, seinen ältesten Sohn Lincoln. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten, war das Sextape, das eine von Seans verflossenen Affären gerade veröffentlicht hatte.

Er presste die Lippen aufeinander und dachte daran, wie seine Mutter reagiert hatte. Nicolette liebte nichts mehr als ihre Familie, das Kochen und ihre Privatsphäre – allerdings nicht immer in dieser Reihenfolge.

Wenn dieser Skandal nicht die Firma ruinieren und Sean alle Chancen auf den CEO-Posten kosten könnte, wäre ihm das Video völlig egal. Es war schon Jahre alt. Die Frau war längst Geschichte. Und Sex war etwas vollkommen Natürliches. Außerdem hatte die Dokumentation, wie gut er „bestückt“ war, seine Beliebtheit sogar noch gesteigert. Vor allem bei den Frauen.

Seiner Familie waren diese rein persönlichen Vorteile der lüsternen Schlagzeilen natürlich egal.

Bisher hatten sie Phillip senior nichts vom Video erzählt. Er würde sich sicher so sehr aufregen, dass er einen Rückfall riskierte. Das Drama möglichst gering zu halten, war essentiell für die Gesundheit seines Vaters, für den Verstand seiner Mutter und auch für seine Position bei Cress, INC..

Deshalb hatte Sean eine der Besten aus dem PR-Bereich engagiert.

Er schaute zu Montgomery Morgan, die ihm im SUV gegenübersaß. Die erstklassige Presseagentin sprach mit gesenkter Stimme in ihr Telefon, während sie sich mit einem Stift Notizen auf dem Tablet machte. Ganz beiläufig strich sie sich das glatte schwarze Haar hinters Ohr.

„Wir sind in einer Minute da“, sagte sie.

Er genoss ihren Anblick, sie sah wirklich umwerfend aus. Die tiefschwarzen Haare unterstrichen die Sepiatöne im warmen Braun ihrer Haut. Die hohen Wangenknochen und das eckige Kinn passten perfekt zu ihrem ansteckenden Lachen, den Sommersprossen und den wunderschönen Augen mit den dichten Wimpern. Doch Montgomery war nicht nur bildschön, sie war auch intelligent und professionell. Sehr kontrolliert.

Allerdings nicht immer.

Vor zwei Monaten, nach einer Party seines Bruders Gabriel und ihrer Freundin Monica, waren er und Montgomery beim Aufbruch im Aufzug des pompösen Stadthauses stecken geblieben. Während die Minuten verstrichen und sie allein in der beengten Kabine festhingen, war die sonst so unerschütterliche Presseagentin alles andere als ruhig gewesen.

Montgomery schaute auf und bemerkte, dass er sie ansah. Doch er wandte den Blick nicht ab. Ihre Wimpern flatterten. Sie schaute ihm tief in die Augen und biss sich auf die Unterlippe.

In dem Moment wusste er sicher, dass auch sie nicht vergessen hatte, was zwischen ihnen in diesem Aufzug passiert war. Sean hatte ihre Lustschreie immer noch im Ohr. Etwas länger als eine Stunde hatten sie sich der wilden Hemmungslosigkeit hingegeben, ehe das Licht im Aufzug wieder angegangen war und ihre nackten Körper beleuchtet hatte. Bevor sie hastig wieder in ihre Kleider gesprungen waren und vereinbart hatten, dass es eine einmalige Sache bleiben würde.

Bester Sex überhaupt.

„Einen Moment.“ Sie nahm noch einen Anruf auf ihrem Handy entgegen und schaute zur Seite. „Montgomery Morgan.“

Bei dem professionellen Tonfall musste Sean sich ein Grinsen verkneifen. Immer ganz die Geschäftsfrau.

„Was?“, keuchte Montgomery entsetzt ins Telefon.

Seans Fahrer Colin hielt vor einem Hotel mitten in der Stadt. Am Eingang erwartete sie bereits eine Traube Schaulustiger und Paparazzi. Sean war diesen Trubel gewohnt. Er blickte wieder zu Montgomery und sah, wie sie die Augen zusammenkniff und verzweifelt den Kopf schüttelte. „Stimmt was nicht?“, fragte er.

In Gedanken spielte er alle möglichen Szenarien durch. Ein Unfall? War jemand gestorben?

Dass die sonst so stoische Frau plötzlich derart durcheinander war, beunruhigte ihn.

Vor jener einmaligen Sache hatten er und Montgomery sich immer nur auf Veranstaltungen getroffen, die Monica und Gabriel organisierten. Erst nach der Veröffentlichung des Sextapes vergangene Woche hatte er sie direkt kontaktiert. Cress, INC. verfügte zwar über eine eigene Presse- und Marketingabteilung, doch Sean wollte unbedingt, dass Montgomery sich der Sache annahm. Zum Glück war sie einverstanden gewesen.

„Montgomery.“ Er berührte sie am Handgelenk.

Sie ließ den Kopf hängen, dann straffte sie kurz die Schultern und schaute ihn an. „Ich bin schwanger“, gestand sie unwirsch, bevor sie sich abrupt abwandte und aus dem Auto stieg.

Sean war wie vor den Kopf geschlagen. „Was?“

Durch das Fenster beobachtete er, wie sie tief durchatmete, den Kaschmirmantel glattstrich, den sie über einem maßgeschneiderten Hosenanzug trug, und ihre riesige Sonnenbrille aufsetzte. Dann lief sie um das Auto herum. Und einfach so hatte sie ihre Miene wieder unter Kontrolle, während er noch völlig durcheinander war.

Schwanger?

Von mir?

Sein Herz raste.

Montgomery klopfte an die Fensterscheibe rechts von ihm, Colin hielt neben ihr die Menschenmenge zurück. Beide warteten auf das Signal, dass er bereit war.

Bin ich aber nicht.

Trotzdem holte er tief Luft, setzte seine Fliegerbrille auf und zog am Türgriff. Sobald er ausgestiegen war, schob er die Hände in die Taschen seines dunkelgrauen Mantels. Die Rufe der Menschen schlugen ihm entgegen.

„Sean!“

„Wir lieben dich!“

„Bist du noch mit der Frau im Video zusammen?“

„Sexy Sean!“

„Ein Kommentar zum Skandal und die Auswirkungen auf Cress, INC.?“

„Ich hab das Video gesehen!“

„Alle haben’s gesehen!“

Sean rief sich Montgomerys Rat ins Gedächtnis und setzte eine undurchdringliche Miene auf, während sie durch die Menge in das Fünfsternehotel gingen, in dem die angesetzte Pressekonferenz stattfinden sollte. Ihr Plan lautete, alle Fragen zum Skandal zu beantworten und die Sache dann abzuhaken. Hoffentlich.

Im Hotel liefen sie zügig durch die Lobby. Sean hatte Schwierigkeiten, bei all den Blicken, die er auf sich spürte, die Fassung zu bewahren. Denn er verlor hier gerade fast den Verstand.

Ein Kind?

„Ist es von mir?“, fragte er, sobald sie um die Ecke bogen und auf den Aufzug zusteuerten.

Montgomery schaute ihn an. „Falls ich tatsächlich schwanger bin, ist es von dir. Aber lass uns später darüber reden.“ Sie drehte sich um und drückte auf den Aufzugknopf.

Sean baute sich vor ihr auf. „Du kannst doch nicht einfach so eine Bombe platzen lassen.“ Nur mühsam konnte er seine Wut beherrschen. „Kurz vor den Interviews!“

Sie nickte und ging auf und ab. „Du hast recht. Es ist mir so rausgerutscht. Aber ich war auch schockiert. Heute Morgen im Büro hat meine Assistentin mich so lange mit einem Schwangerschaftstest genervt, dass ich irgendwann nachgegeben habe, damit sie Ruhe gibt.“ Sie rieb sich die Schläfen. „Ich hab den Test gemacht und bin los, um dich zu treffen. Eben hat sie angerufen und mir vom Ergebnis erzählt. Das hat mich überrumpelt. Ich hab wirklich nicht gedacht, dass ich schwanger bin.“

„Warum hat sie es denn vermutet?“

„Weil ich ständig schlecht drauf, müde und hungrig bin.“

„Und deine Periode?“, fragte Sean nach kurzem Zögern, immerhin war das sehr persönlich.

Verärgert starrte Montgomery ihn an. „Ist das dein Ernst?“

„In Anbetracht der Umstände?“ Abwehrend hob er die Hände. „Allerdings.“

„Mein Job ist sehr stressig, deshalb kommt sie manchmal unregelmäßig“, gab sie widerwillig zu. „Aber ich finde, bevor wir völlig die Nerven verlieren, sollte erst mal ein Arzt das Ganze bestätigen. Wirklich, ich hätte nichts sagen sollen, ohne sicher zu sein.“

Sean atmete hörbar aus.

Ein Baby.

Ich werde vielleicht Vater.

Er liebte sein Leben und seine Freiheit. Und das sollte sich auf keinen Fall ändern. Deshalb stand eine ernste Beziehung mit einer Frau für ihn auch nicht zur Debatte. Er konnte sich gut vorstellen, für immer Junggeselle zu bleiben. Ohne Frau oder Kind. Mit all seinen Freiheiten. Wenn er jetzt Vater wurde, müsste er Opfer bringen, zu denen er nicht bereit war.

Die Türen des Aufzugs glitten auf, Montgomery betrat vor ihm die Kabine.

„Mist“, fluchte sie und starrte nervös auf die Spitzen ihrer Heels.

Sean drehte sie zu sich um und legte ihr einen Finger unter das Kinn, damit sie ihn ansah.

Ihre Blicke trafen sich.

Sie ist so wunderschön.

Wieder erfüllte diese Anziehungskraft die Kabine, intensiv und unbestreitbar.

„Genau das hier hat uns letztes Mal in diese Situation gebracht, weißt du noch?“ Ihr Blick huschte für eine Sekunde zu seinen Lippen.

Erinnerungen an ihre Küsse überkamen ihn, und er musste einen Schritt zurücktreten, um nicht der Versuchung nachzugeben, sie an sich zu ziehen und genau das jetzt wieder zu tun. Und wieder. „Ja“, stimmte er zu.

Montgomery stieß einen tiefen Seufzer aus und drehte sich weg. „Konzentrieren wir uns auf heute. Um alles andere kümmern wir uns morgen.“ Da war wieder die gewohnte Autorität in ihrer Stimme. „Denk an das, was wir besprochen haben, und halt dich ans Skript. Vergiss nur nicht deinen …“

„Charme“, beendete Sean ihren Satz mit einem strahlenden Lächeln.

Der Anflug eines Grinsens zuckte um Montgomerys Mund. „Ganz genau. Heute soll es nicht ausschließlich um das Video gehen. Aber zeig ruhig, dass du keine Angst hast, mit der Presse darüber zu reden. Hauptthemen bleiben deine neue Kochshow und das Kochbuch, trotzdem wird dich bestimmt jemand darauf ansprechen. Entweder direkt oder auf Umwegen.“

„Es ist schade, dass bei diesem sehr persönlichen und privaten Thema nicht etwas mehr Respekt gezeigt wird“, sagte er die Zeilen auf, die Montgomery für ihn zurechtgelegt hatte. Sie spiegelten sehr genau seine wahren Gefühle wider. „In meiner Position ist es schwer, echte Gefühle von gespielten zu unterscheiden. Und das bereue ich am meisten.“

„Perfekt!“ Montgomery zwinkerte und nickte ihm ermutigend zu.

Die Aufzugtüren öffneten sich, und sie führte ihn zu einer Suite mit Blick auf den Central Park. Ihr Team hatte das Zimmer mit Stühlen, Licht und Kameras ausgestattet. „Alle sind da und werden im angrenzenden Zimmer mit Erfrischungen und Geschenktüten versorgt. Entweder ich oder jemand aus meinem Team werden nach jedem Interview nach dir sehen“, erklärte sie. „Bereit?“

Vater zu werden? Nein.

Auch wenn sie das natürlich nicht meinte, konnte er an nichts anderes denken.

Trotzdem nickte er und ging zu dem Stuhl, auf den sie deutete.

Eine kleine Frau mit kurzen Locken kam herein. Ihr zartes Gesicht verschwand fast vollständig hinter einer großen, runden Brille. Sean schraubte eine der Wasserflaschen auf und füllte ein Glas. Dabei ließ er Montgomery nicht aus den Augen, während sie ihren Mantel auszog. Sie reichte ihn zusammen mit ihrer Tasche der kleinen Frau, die wahrscheinlich ihre Assistentin war.

Er begutachtete Montgomerys Figur. Sie war zwar schlank, hatte aber dennoch Kurven.

Er ließ den Blick zu ihrem Bauch wandern.

Wenn sie wirklich schwanger ist, ist sie ungefähr im zweiten Monat.

Beim Gedanken an ein mögliches Baby zog sich ihm der Magen zusammen. Er und Montgomery hatten nicht mal ein Date gehabt. Geschweige denn über ernsthafte Themen gesprochen. Und jetzt erwarteten sie gemeinsam ein Kind?

„Sean, das ist meine Assistentin Hanna“, sagte Montgomery. Die beiden Frauen kamen zu ihm herüber.

Sean nickte Hanna zu. „Schön, dich kennenzulernen.“

Sie musterte ihn von oben bis unten. „Er wird den Gerüchten auf jeden Fall gerecht“, flüsterte sie Montgomery zu, doch Sean konnte ihre Worte deutlich hören.

Er verkniff sich ein Grinsen.

Montgomery starrte sie entgeistert an, doch Hanna zuckte nur hilflos mit den Schultern. „Ist er gut ausgeleuchtet?“, fragte sie den Kameramann.

„Sieht perfekt aus“, antwortete der nach einem Blick durch die Linse.

„Natürlich“, murmelte Montgomery trocken.

Sean schenkte ihr sein schönstes Lächeln.

Bevor sie sich abwandte, verdrehte sie die Augen.

Selbst das war ein kleiner Blick hinter die perfekte Businessmaske, die sie so gerne trug und mit der sie es zur meistgefragten Presseagentin der gesamten Ostküste gebracht hatte. Er war sich sicher, dass sie den Skandal verhindern und seine Chance auf den CEO-Posten retten würde. Sie war ihr Geld wirklich wert.

Und wenn sie tatsächlich schwanger ist?

Stirnrunzelnd starrte Sean aus dem Fenster.

„Alles in Ordnung?“

Die Frage kam aus zwei Mündern gleichzeitig. Verwirrt löste Sean den Blick vom Fenster und sah, dass der Kameramann ihn anschaute, während Hanna ihre Chefin musterte. Er suchte Montgomerys Blick. In ihren Augen war deutlich zu erkennen, was sie fühlte.

Sorge.

Beide drehten sich weg.

„Alles in Ordnung“, antworteten sie im Chor.

Jetzt waren es Hanna und der Kameramann, die verwirrt guckten.

Der erste Interviewer wurde in die Suite geführt. Sean nahm einen Schluck Wasser, drückte den Rücken durch und bereitete sich mental auf das Gespräch vor. Er würde sein Bestes geben, um sich durch den Gedanken an eine mögliche Schwangerschaft nicht die Rettung seines Rufs vermasseln zu lassen.

„So war das nicht geplant.“ Montgomery starrte erst auf den Schwangerschaftstest, der jetzt in einem Gefrierbeutel lag, und dann auf ihr Spiegelbild im Bad der Hotelsuite. „Verdammt.“

Ich kann nicht schwanger sein. Nicht jetzt.

Sie hatte sich zunächst auf ihre Karriere konzentrieren wollen, und danach erst ihren Mr. Perfect treffen, sich verlieben, heiraten und dann eine Familie gründen wollen. Nach einigen erfolgreichen Jahren wäre es nun soweit. Sie war inzwischen bereit, den richtigen Mann kennenzulernen und in drei bis fünf Jahren ein Kind zu bekommen. Doch auch wenn es kleinlich war, sollte ihr künftiger Partner alle Anforderungen auf ihrer Must-have-Liste erfüllen. Dafür hatte sie sich bei diversen professionellen Dating-Apps angemeldet und ließ sich immer wieder an Orten blicken, die laut Frauenmagazinen ideal waren, um Männer zu treffen: Baumärkte, Golfplätze, Zigarren-Lounges, Fitnesscenter und Kirchen. Sie ging auf Blind Dates. Betete ausgiebig. Hielt Ausschau.

Es war zu einem richtigen Nebenjob geworden. Montgomery war auf einer Mission. Sie wollte einen Partner, Liebe und heißen Sex, aber „den Einen“ zu finden, war nicht so einfach. Abgesehen von der Arbeit, ihrer Familie und Freunden fühlte sie sich einsam und befürchtete sogar, für immer allein zu bleiben.

Und jetzt werde ich auch noch alleinerziehende Mutter.

Sie ballte die Faust um die Plastiktüte mit dem Test. Ein einziger unbeherrschter Moment hatte womöglich ihr gesamtes Leben verändert. Montgomery „Ms. Perfect“ Morgan hatte die Kontrolle verloren. Schnell und mit viel feuriger Leidenschaft.

Tiefer, Sean, gib mir alles.

Hitze stieg ihr in die Wangen, als ihr die Worte wieder einfielen, die sie gestöhnt hatte, bevor er ihr gab, was sie verlangte. Bevor er ihr alles gab. Jeder Muskel ihres Körpers erwachte zum Leben.

Genau wie damals.

Ihr Spiegelbild starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Hastig stopfte sie den Test in ihre Tasche und drehte den Wasserhahn auf, um sich den Nacken mit Wasser abzukühlen. Doch ihr Verlangen nach Sean Cress loderte so heiß, dass es nicht half.

Der Mann bedeutete Ärger. Er war gut aussehend, charmant und sexy, aber er bedeutete Ärger.

Als Montgomery die Pressearbeit für Monicas Non-Profit-Unternehmen übernommen hatte, hatten die beiden sich schnell angefreundet. Seitdem ließ es sich nur noch schwer vermeiden, Sean bei Geschäfts- oder Familienfeiern über den Weg zu laufen. In den letzten zwei Jahren hatten sie sich immer höflich gegrüßt. Aber es hatte auch sehnsüchtige Blicke gegeben, kleine Flirtversuche und unschuldige Berührungen, bei denen die Funken flogen. Montgomery wusste genau, dass Sean sie attraktiv fand, und seinem Lächeln nach zu urteilen, wusste auch er, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Doch sie beide hatten diesem Verlangen nie nachgegeben.

Bis zu dem Tag, an dem sie gemeinsam diesen Aufzug betreten hatten, und irgendwo zwischen zwei Etagen plötzlich ein metallenes Knarzen ertönte und die Lichter flackerten …

Vor Schreck machte Montgomery instinktiv einen Schritt auf Sean zu. „Da denkt man, man hat die Kindheitsangst vor Aufzügen überwunden … bis man plötzlich in einem stecken bleibt“, murmelte sie und drückte verzweifelt auf die Knöpfe am Bedienfeld.

Sean griff in die Innentasche seines Sakkos und zog sein Handy heraus. „Ich rufe Hilfe.“ Seine tiefe Stimme hallte durch die enge Kabine.

Montgomery lehnte den Kopf gegen die Wand, als sie spürte, wie sie allmählich die Fassung verlor. „Warum bin ich in diese Todesfalle gestiegen? Warum bin ich in diese Todesfalle gestiegen?“, wiederholte sie immer wieder.

Auf einmal spürte sie einen Druck im Kreuz. Sie wirbelte herum. Sean hatte ihr die Hand auf den Rücken gelegt, und seine Gegenwart beruhigte sie tatsächlich etwas. Natürlich war ihre Reaktion völlig irrational, aber allein kam sie gegen die Verzweiflung nicht an.

„Kein Signal.“ Sean sah sie besorgt an. „Aber es kommt bestimmt gleich Hilfe.“

Die Lichter gingen aus.

Montgomery kreischte auf und warf sich gegen Seans Körper, schlang ihm die Arme um den Hals und kniff die Augen zu. „Was, wenn wir abstürzen? Was, wenn es brennt? Was, wenn …“

„Schsch, alles wird gut.“ Er legte ihr einen Arm um die Taille und zog sie an sich. „Uns passiert nichts.“

Sie nickte. Sein kraftvoller Körper und die Art, wie er sie sanft in den Armen wiegte, beruhigten sie. Ganz langsam zeichnete er ihr mit der Hand tröstliche Kreise auf den Rücken. Es tat gut, sich auf jemanden zu verlassen. So gut.

Zu gut.

Montgomery nahm einen tiefen Atemzug und inhalierte sein verführerisches Parfüm.

„Jeder hat vor irgendwas Angst“, sagte er. „Ich treffe bestimmt höhere Töne als jeder Opernsänger, wenn ich eine Schlange sehe.“

Sofort kam sie sich etwas weniger verrückt vor und rang sich sogar ein Lächeln ab.

„Ein bisschen Licht wird helfen“, sagte Sean. „Ich nehme die Taschenlampe vom Handy.“

Sie klammerte sich immer noch an ihn, und es gefiel ihr. Ihr Herz pochte wie wild. Ihr Atem ging schneller, genau wie ihr Puls. Seans Körper war genauso stark und muskulös, wie sie vermutet hatte. Berauschend und überwältigend. Wie ihr Verlangen.

In dieser beengten Kabine, mit aneinandergepressten Körpern, war es schwer, diese magnetische Anziehungskraft zu leugnen.

„So, fertig“, sagte er.

Widerwillig lehnte sie sich zurück und öffnete die Augen. Das Handylicht erhellte ihre Gesichter. Fasziniert betrachtete sie ihn. Das markante Kinn, die Wangenknochen, und im Kontrast dazu die weichen Lippen und sinnlichen Augen, mit denen er durch lange Wimpern auf sie hinabsah. Er war wirklich attraktiv. Sogar schön. Mit dem glattrasierten Gesicht und den kurzgeschnittenen Locken wirkte er jünger als seine siebenunddreißig Jahre.

Wieder fiel ihr Blick auf seinen Mund, und sie biss sich auf die Unterlippe.

Sein Griff um ihre Taille wurde fester.

Sie schaute hoch, ihre Blicke trafen sich.

Das Knistern wurde stärker und schien jetzt aus ihren Körpern zu strömen und den ganzen Raum zu erfüllen.

Die Begierde, die sie in seinen braunen Augen sah, verschlug ihr den Atem.

Noch nie hatte sie etwas so Erregendes gespürt. Es tat fast weh, so sehr sehnte sie sich danach, seine Lippen auf ihren zu spüren. Und noch so viel mehr.

„Montgomery“, stöhnte er.

Das war ihr Verderben.

„Küss mich“, flehte sie, alle Hemmung über Bord werfend.

Und das tat er, mit einem Stöhnen, das zeigte, wie sehr auch er es nicht erwarten konnte, von ihren Lippen zu kosten.

Seine Berührung jagte ihr Schauer der Lust durch den Körper.

Sie neigte den Kopf und kostete das Gefühl aus. Genoss, dass sie sich unter seiner Berührung lebendiger fühlte als jemals zuvor. Mit seiner Zunge berührte er ihre und saugte sie in seinen Mund. Sie streichelte ihm den Nacken, er ließ seine starken Finger über ihren Rücken wandern, hoch und runter, bevor er endlich den Reißverschluss ihres zitronengelben Satinkleides öffnete.

Sie hatte nichts dagegen.

Und als das Kleid zu Boden glitt, hatte sie sich schon so sehr in der Sehnsucht nach ihm verloren, dass sie sich das Vergnügen nicht verwehren konnte …

Ein plötzliches Klopfen riss sie aus ihren heißen Erinnerungen. Erschrocken schaute sie zur Tür der Suite. Selbst jetzt schoss ihr Puls beim Gedanken an die intimen Momente im Aufzug in die Höhe. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Ja?“

„Alles okay?“, fragte Sean.

Ihr Körper reagierte sofort. Alles schien zu pulsieren, bloß weil er auf der anderen Seite der Tür stand. Ihr Herz, ihre Haut, ihr Magen. Selbst die kleine Knospe in ihrem Schoß vibrierte. Die explosiven Augenblicke, die sie miteinander verbracht hatten, hatten ihren Durst nicht annähernd gestillt. Im Gegenteil, sie drohte förmlich zu verdursten.

Bevor sie die Tür öffnete, legte sie wieder ihre coole, stoische Maske auf.

Sean lehnte an der Wand, einen Fuß über den anderen gelegt und die Hände in den Taschen vergraben. „Alles okay?“, wiederholte er.

Sein Blick fiel auf ihren Bauch, und Montgomery legte unbewusst die Hand darauf. „Mir geht’s gut.“ Sie schob die Träger ihrer Tasche über ihre Schulter und stellte sich vor ihn. „Du hast dich gut geschlagen bei den Interviews.“

„Ich bin froh, dass es vorbei ist. Hoffentlich ist die Sache damit erledigt.“

„Hoffentlich tauchen nicht noch mehr Sextapes von irgendwelchen One-Night-Stands auf.“ Sie machte einen letzten Kontrollgang durch die leere Suite.

„Autsch, war das ein Vorwurf?“

Montgomery schaltete das Licht im Schlafzimmer ein, schaute dann aber über die Schulter zu Sean. Er war ihr gefolgt. „Sorry.“ Das klang nicht, als würde sie es meinen. Sie ging weiter ins Schlafzimmer und ließ den Blick schweifen. 

Sean folgte ihr. „Ich bin ein erwachsener Mensch, der gerne Sex hat.“ Er berührte sie sacht am Handgelenk. „Und wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht, geht es dir genauso.“

Sie schaute zu ihm hoch, spürte seine Fingerspitzen auf der Haut und seinen Blick auf ihrem Gesicht. Da war wieder diese elektrisierende Anziehungskraft. Sie verzehrte sich nach ihm. Mit einem Kopfschütteln entzog sie sich seiner Faszination und schaute weg, doch ihr Blick blieb am Bett hängen. Sofort stellte sie sich vor, wie sie und Sean nackt darauf lagen. Und den Sex miteinander genossen.

Jeden. Köstlichen. Stoß.

Schnell wandte sie sich von dem Trugbild ab. Ein Schauer durchfuhr sie, und sie wünschte, ihr würden nicht die ekstatischen Schreie aus dem Aufzug nachjagen, als sie beide zum Höhepunkt gekommen waren.

Auch Sean blickte verdächtig lange zur Matratze, bevor er wieder sie anschaute.

Die Intensität, die in seinen dunklen Augen lag, war nicht zu übersehen. Genauso wenig konnte sie leugnen, dass sie sich unter seinem Blick sexy und begehrt fühlte. Sie löste ihr Handgelenk aus seiner Berührung und eilte aus dem Schlafzimmer.

Als nach ihrem heißen Intermezzo die Lichter angegangen waren und der Aufzug sich wieder in Bewegung setzte, hatten sie sich hastig angezogen. Unten angekommen, eilten sie an ein paar Menschen vorbei, als wäre nichts gewesen. In den Monaten danach hatten sie kein Wort mehr darüber verloren und sich so verhalten, als wäre in dem Fahrstuhl überhaupt nichts passiert.

Bis heute.

Das Gerede über die Schwangerschaft schien einen Knoten gelöst zu haben.

„Danke, Montgomery.“

Sie wirbelte herum. „Für den Sex?“ Ungläubig starrte sie ihn an.

Sean konnte sein Grinsen nicht ganz verbergen, schaute sie aber treuherzig an.

Sofort zog sich ihr Magen zusammen.

Warum hat dieser Mann so eine Wirkung auf mich?

Autor

Niobia Bryant
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