Liebesnächte im Schloss der Sehnsucht

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Laszlo de Zsadany glaubt zu träumen! Wie kommt seine Frau, die ihn vor sieben Jahren schändlich verlassen hat, plötzlich auf sein einsames ungarisches Schloss? Die Antwort lässt ihn erstarren: Prudence soll die kostbare Kunstsammlung seines Onkels katalogisieren! Doch wie soll Laszlo ihre Anwesenheit ertragen? Schließlich sitzt der Schmerz über ihren Verrat wie ein giftiger Pfeil in seinem Herzen! Nur seinem Onkel zuliebe wirft er sie nicht vor die Tür. Aber warum löst der Blick in ihre grauen Augen eine Leidenschaft in ihm aus, die ihn Nacht für Nacht zu verzehren droht?


  • Erscheinungstag 21.06.2016
  • Bandnummer 2237
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706814
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mit finsterem Blick starrte Laszlo Cziffra de Zsadany die junge Frau mit den seidigen hellen Haaren an. Seine Kiefer waren angespannt, während er schweigend ihr Gesicht betrachtete.

Ihr unschuldiger Blick aus grauen Augen stand im Gegensatz zu der Leidenschaft, die ihre vollen Lippen versprachen.

Sie war schön, eine sehr verführerische Schönheit, für die ein Mann auf den Thron verzichten, sein Land verraten und seinen Verstand verlieren würde.

Laszlo lächelte grimmig. Vielleicht sogar heiraten!

Sein Lächeln verblasste. Nervös beugte er sich vor und betrachtete mit verengten Augen die kleine Signatur unten auf dem Gemälde. Katalina Csesnek de Veszprem. Er überlegte, was ihn an dem Gemälde so beunruhigte. Und obwohl er sich diese Frage stellte, schreckte er vor der Antwort zurück.

Wütend starrte er das Gesicht an. Er sah nicht Katalina, sondern eine andere, deren Namen er nie aussprach, weil es seine Lippen verbrennen würde. Natürlich war es nicht ganz sie, auch wenn es eine gewisse Ähnlichkeit gab. Der Teint war gleich und die Form der Wangenknochen, aber das war alles.

Es beunruhigte ihn zutiefst, dass dieser Blick aus grauen Augen ihn so durcheinanderbrachte. Nachdenklich sah er aus dem Fenster. Plötzlich erstarrte er, als er einen unverwechselbaren Schrei hörte. Es brachte Unglück, eine Eule bei Tageslicht rufen zu hören.

Hinter ihm erklang ein dumpfes Geräusch, als sein Jagdhund sich auf den Steinfußboden setzte. Seufzend beugte Laszlo sich hinunter und kraulte ihn hinter den Ohren.

„Ich weiß, Besnik“, murmelte er leise. „Ich brauche ein bisschen frische Luft. Komm.“ Er richtete sich auf, schnippte mit den Fingern, und der Lurcher, eine Mischung aus Windhund und Collie, erhob sich sofort. „Lass uns gehen, sonst fange ich noch an, Gespenster zu sehen.“

Langsam lief er durch die Schlossflure. Die holzvertäfelten Wände leuchteten in dem schwachen Licht, und der vertraute Geruch nach Bienenwachs und Lavendel wirkte beruhigend, während er die Treppe hinunterging. Als er am Arbeitszimmer seines Großvaters vorbeikam, bemerkte er, dass die Tür einen Spalt offen stand. Er warf einen Blick hinein und stellte ein wenig überrascht fest, dass sein Großvater schon an seinem Schreibtisch saß.

Laszlo wurde die Brust eng, als er bemerkte, wie schmal und zerbrechlich Janos wirkte. Obwohl seine Frau Annuska schon sechs Jahre tot war, schien er immer noch schwer an ihrem Verlust zu tragen. Einen Moment zögerte er, dann schloss er leise die Tür.

Er fragte sich, warum sein Großvater bereits so früh auf war. Und dann erinnerte er sich. Natürlich. Seymour würde heute kommen.

Kein Wunder, dass Janos nicht mehr hatte schlafen können. Seit mehr als dreißig Jahren sammelte er Kunst, es war seine persönliche Leidenschaft. Heute würde er seine Sammlung zum ersten Mal einem Fremden zeigen, dem Kunstexperten Edmund Seymour, der extra aus London angereist kam.

Laszlo verzog das Gesicht. Er misstraute Fremden instinktiv und mochte Seymour schon jetzt nicht, obwohl er den Mann nie getroffen oder mit ihm gesprochen hatte. Doch jetzt musste er dessen Gesellschaft wochenlang ertragen.

Er stieß mit der Schulter eine Tür auf, spähte vorsichtig in die Küche und atmete langsam aus. Gott sei Dank war Rosa noch nicht auf. Ihrem durchdringenden Blick wollte er sich so früh noch nicht stellen. Neben seinem Großvater war die Haushälterin die Einzige, vor der er seine Gefühle nicht verstecken konnte. Wobei Rosa, anders als Janos, keine Skrupel hatte, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen.

Er öffnete den großen Kühlschrank und stöhnte, als sein Blick auf eine köstlich aussehende Pastete fiel.

Doch er überlegte es sich wieder anders und schloss die Tür. Während seine Großmutter krank gewesen war, war Essen für ihn eine tröstliche Ablenkung gewesen. Als sie dann starb, wurde es zu einer Leidenschaft, die ihn dazu brachte, ein Restaurant mitten in Budapest zu eröffnen. Es war ein riskantes Projekt gewesen, das harte Arbeit erforderte. Inzwischen besaß er eine erfolgreiche Kette exklusiver Restaurants.

Laszlo hob das Kinn. Er war nicht länger nur Janos’ Enkel, sondern ein reicher, unabhängiger Geschäftsmann, der sich selbst etwas aufgebaut hatte.

Er seufzte. Sicher, er war stolz darauf, ein de Zsadany zu sein, doch der Name brachte auch gewisse Verpflichtungen mit sich, wie zum Beispiel Seymours bevorstehenden Besuch. Würde der verdammte Kerl doch anrufen und den Termin absagen.

Wie aufs Stichwort vibrierte sein Handy in der Hosentasche. Es war Jakob, wie er erleichtert feststellte.

„Laszlo! Dachte ich mir doch, dass du schon auf bist. Wahrscheinlich hast du es vergessen, deshalb wollte ich dich daran erinnern, dass wir heute einen Besucher erwarten.“

Laszlo schüttelte den Kopf. Typisch Jakob – ihn anzurufen, um ihn zu kontrollieren. Jakob Frankel war der Anwalt der Familie de Zsadany. Ein guter Mann. „Du wirst mir nicht glauben, Jakob, aber ich weiß tatsächlich noch, dass heute jemand kommt.“

Er hörte, dass der Anwalt nervös auflachte.

„Wunderbar. Ich habe einen Wagen bestellt, aber wenn du zur Begrüßung da sein könntest …“

„Natürlich“, unterbrach Laszlo ihn gereizt. Es irritierte ihn, dass der Anwalt ein wenig zögerlich klang. „Ich werde da sein“, murmelte er, weil er merkte, wie unhöflich er geklungen hatte. „Und lass mich wissen, wenn ich sonst noch etwas tun kann.“ Mehr an Entschuldigung brachte er nicht zustande.

„Ja, natürlich. Aber das wird sicher nicht notwendig sein.“ Jakob sprach hastig, und es war offensichtlich, dass er trotz seiner sonst respektvollen Art dieses Gespräch schnell beenden wollte.

Laszlo murmelte etwas Unverbindliches. Früher hatte er über Janos’ Hobby nur den Kopf geschüttelt, doch seit Annuskas Tod hatte er seine Meinung geändert.

Nach ihrem Tod war das Leben im Schloss unglaublich trostlos geworden. Janos hatte sich in einem Schockzustand befunden. Dann war der Schock einer Art Depression gewichen, eine Lethargie, die scheinbar keine Zeit der Welt heilen konnte. Laszlo war verzweifelt gewesen. Wochen und Monate waren vergangen, schließlich Jahre. Bis sein Großvater ganz allmählich wieder zu seinem alten Selbst zurückgefunden hatte.

Der Anlass dafür war ein völlig unerwarteter, wie meist bei Veränderungen. Ein Stapel Briefe, die Annuska und Janos sich geschrieben hatten, hatte ihn an ihre gemeinsame Leidenschaft für die Kunst erinnert.

Vorsichtig hatte Laszlo seinen Großvater ermutigt, sein früheres Hobby wieder aufzunehmen, auch wenn er nicht darauf zu hoffen wagte. Doch er stellte überrascht fest, dass Janos’ Teilnahmslosigkeit sich allmählich verlor. Und eines Tages hatte sein Großvater aus heiterem Himmel beschlossen, seine ausgedehnte Sammlung katalogisieren zu lassen. Seymours Auktionshaus in London wurde kontaktiert und dessen Eigentümer Edmund Seymour zu einem Besuch auf Kastely Almasy eingeladen.

Laszlo verzog das Gesicht. Sein Großvater war so glücklich gewesen. Er selbst hingegen hatte sich gefragt, wie er in seinem Zuhause mit diesem Fremden zurechtkommen sollte. Denn schon einmal hatte er einem fremden Menschen Zugang in sein Leben gewährt. Und dann …

Jakobs Stimme riss ihn aus seinen dunklen Gedanken.

„Ich weiß, du hast überhaupt nicht gerne Menschen um dich …“ Ein kurzer Moment verlegener Stille folgte, ehe sich der Anwalt räusperte. „Was ich damit sagen wollte, ist …“

Laszlo schnitt ihm das Wort ab. „Es gibt mehr als dreißig Zimmer im Schloss, Jakob. Also werde ich wohl mit einem einzigen Gast klarkommen, meinst du nicht?“

Plötzlich verspürte er Abscheu vor sich selbst. Seymour könnte ein Jahr bleiben, wenn es seinen Großvater glücklich machen würde. Und was waren schon ein paar Wochen? Seit Annuskas Tod spielte die Zeit keine Rolle mehr. Wichtig war allein, seinen Großvater wieder fröhlich zu sehen.

„Ich schaff das“, wiederholte er grimmig.

„Aber sicher … natürlich.“ Der Anwalt lachte nervös. „Vielleicht gefällt es dir sogar. Janos hat mir gestern noch gesagt, dass dieser Besuch eine gute Gelegenheit ist, um ein paar Nachbarn abends auf einen Drink einzuladen. Die Szecsenyis sind immer für einen Spaß gut, und sie haben eine Tochter in deinem Alter.“

Der Raum schien in dem hellen Morgenlicht plötzlich grau und kalt, wie eine Gruft. Laszlo spürte, dass sein Herz warnend schneller schlug.

Er atmete ein, um sich wieder zu beruhigen. „Ich werde darüber nachdenken“, meinte er schließlich. Auch wenn er freundlich klang, lag ein Anflug von Kälte in seiner Stimme. „Vielleicht sind unserem Gast Gemälde aber lieber als Menschen.“

Dabei wusste er genau, was sein Großvater bezweckte und warum er Jakob zu diesem Vorschlag verleitet hatte. Insgeheim sehnte Janos sich danach, sein einziges Enkelkind verheiratet zu sehen. Laszlo sollte sein Leben mit einer Seelenverwandten teilen. So wie er selbst. Schließlich war Janos vierzig Jahre lang mit seiner Frau überglücklich gewesen.

Laszlo presste die Finger in die Handflächen. Wäre er doch nur in der Lage dazu, ein so hübsches, perfektes Mädchen wie Agnes Szecsenyi zu heiraten. Für Janos wäre das mehr wert als fünfzig Kunstsammlungen.

Doch das würde nie geschehen. Denn er hütete ein Geheimnis.

„Du hast meine Notizen doch richtig durchgelesen, Prue? Oder hast du sie nur überflogen …“

Prudence Elliot strich eine hellblonde Haarsträhne zur Seite, die ihr in die hellgrauen Augen gefallen war, atmete tief durch und zählte langsam bis zehn. Sie war erst vor einer Stunde in Ungarn gelandet, doch ihr Onkel Edmund hatte sie inzwischen schon drei Mal angerufen. Mit anderen Worten, er kontrollierte sie.

Edmund schwieg einen Moment. „Ich will dir ja nicht auf die Nerven gehen. Es ist nur so … Ich wünschte, ich könnte bei dir sein … das verstehst du sicher, oder?“

Seine Stimme durchdrang ihre Panik, und ihre Angst wurde überlagert von einem schlechten Gewissen. Natürlich verstand sie. Ihr Onkel hatte bei null angefangen und das Auktionshaus aufgebaut, das seinen Namen trug. Und der heutige Tag war zweifellos der wichtigste seiner Karriere, der Höhepunkt seines Lebenswerkes. Er hatte den Auftrag, die legendäre Kunstsammlung des zurückgezogen lebenden ungarischen Milliardärs Janos Almasy de Zsadany zu katalogisieren.

Ängstlich erinnerte Prudence sich daran, wie aufgeregt Edmund ausgesehen hatte, als man ihn ins Schloss der de Zsadanys eingeladen hatte. Sie wusste noch genau, was er gesagt hatte.

„Der Mann ist ein moderner Medici, Prue. Niemand weiß natürlich genau, welche Werke seine Sammlung enthält. Aber vorsichtig geschätzt müsste sie über eine Milliarde Dollar wert sein.“

Deshalb sollte eigentlich Edmund mit seiner dreißigjährigen Erfahrung jetzt in der Limousine der de Zsadanys sitzen. Nicht Prudence, die ihn vertreten würde und glaubte, nicht viel mehr bieten zu können als den guten Ruf ihres Onkels. Der allerdings in England war und sich im Bett von einem heftigen Asthmaanfall erholte.

Sie warf einen Blick aus dem Fenster auf die weiten Felder. Sie hatte nicht kommen wollen, aber keine Wahl gehabt. Edmund hatte Schulden, und das Honorar würde sein Minus wieder ausgleichen. Allerdings hatte der Anwalt der Familie darauf bestanden, dass er umgehend mit der Arbeit beginnen müsse. Deshalb hatte sie widerwillig zugestimmt, nach Ungarn zu reisen.

Sie hörte Edmund am anderen Ende seufzen.

„Tut mir leid, Prue“, sagte er. „Ich sollte dich wirklich nicht nerven. Schließlich machst du deine Arbeit sehr gut.“

Sie fühlte sich beschämt. Edmund war wie ein Vater zu ihr und hatte ihr alles gegeben: ein Heim, eine Familie, Sicherheit, sogar einen Job. Und sie würde ihn nicht hängen lassen, jetzt, da er sie so dringend brauchte.

Tief atmete sie durch und versuchte, zuversichtlich zu klingen. „Mach dir bitte keine Sorgen, Edmund. Sollte ich tatsächlich etwas brauchen, rufe ich dich an. Aber ich komme schon klar. Versprochen.“

Endlich legte er auf, und Prudence lehnte sich erleichtert in dem Ledersitz zurück und schloss die Augen, bis der Wagen nach einer gefühlten Ewigkeit langsamer fuhr. Ein hohes schmiedeeisernes Gitter öffnete sich automatisch und ließ die Limousine passieren. Wenig später starrte sie auf ein riesiges Schloss aus grauem Stein, das wirkte wie aus einem Märchenbuch.

Später wurde ihr bewusst, dass sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, wie sie aus dem Wagen ins Schloss gekommen war. Sie wusste nur noch, dass sie sich irgendwann in einem überraschend gemütlichen Wohnzimmer wiedergefunden hatte. Mehrere Tischlampen und ein Kaminfeuer tauchten den Raum in ein weiches Licht. Gerade wollte sie sich auf eins der antiken Sofas setzen, als sie das Gemälde bemerkte.

Ihr Herz schlug schneller, während sie näher trat und mit zitternder Hand vorsichtig den Rahmen berührte, ehe ihr Blick über die Wände wanderte. Sie fühlte sich benommen, als wäre sie in einem Traum erwacht. Es gab zwei Picassos, aus der rosa Periode, einen Kandinsky, ein Porträt von Rembrandt, das Edmund in schiere Verzückung versetzt hätte. Und zwei Werke von Lucian Freud.

Immer noch stand sie wie erstarrt da, als eine amüsiert klingende Stimme hinter ihr sagte: „Bitte, sehen Sie sich die Bilder doch von Nahem an. Ich glaube, die armen Dinger werden sonst komplett ignoriert.“

Prudence lief dunkelrot an. Es war schon schlimm genug, dabei erwischt zu werden, wie ein Dieb in einem fremden Wohnzimmer herumzuschnüffeln, aber von ihrem Gastgeber, einem der reichsten Männer Europas, ertappt zu werden, war zutiefst beschämend.

„Es … es tut mir sehr leid“, stotterte sie und drehte sich um. „Was müssen Sie jetzt …“ Die Entschuldigung erstarb ihr auf der Zunge, während ihre Welt ins Wanken geriet. Vor ihr stand nicht Janos Almasy de Zsadany, sondern Laszlo Cziffra.

Laszlo Cziffra. Früher hatte sein Name süß auf ihrer Zunge geschmeckt, jetzt hinterließ er einen bitteren Geschmack. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und der Raum schien sich zu drehen. Es konnte nicht sein, dass es Laszlo war. Und doch stand er vor ihr, während sie stumm in sein perfekt geschnittenes Gesicht blickte.

Mit den hohen Wangenknochen, den glatten schwarzen Haaren und den bernsteinfarbenen Augen schien er fast wie der junge Mann, in den sie sich vor sieben Jahren verliebt hatte. Nur dass er ihr nicht mehr gehörte und auch kein Junge mehr war, sondern unverkennbar ein Mann: groß, breitschultrig, unglaublich männlich. Prudence erschauerte. Es war sein Blick, der sich am meisten verändert hatte. Wenn er sie früher angesehen hatte, leuchteten seine Augen vor wilder Leidenschaft, jetzt blickten sie kalt und leblos wie Asche.

Unwillkürlich ging ihre Hand zum Hals. Laszlo war ihre erste Liebe gewesen – ihr erster Liebhaber. Wie Sonne und Sturm. Noch nie hatte sie etwas oder jemanden so sehr gewollt wie ihn. Und er hatte sich mit einer Gewissheit für sie entschieden, die sie atemlos machte. Sie hatte jubiliert und das Gefühl gehabt, er würde sie nie vergessen. Erfüllt von seiner Liebe, glaubte sie, dass seine Zuneigung für immer bestehen würde, wie die Sonne, die jeden Tag auf- und unterging.

Aber sie hatte sich geirrt. Er war voller Leidenschaft für sie gewesen, die eines Tages verglühte wie eine Supernova.

Prudence schluckte. Es war das Schlimmste, was ihr je passiert war, und die Dunkelheit danach hatte sich wie der Tod angefühlt. Und jetzt stand er plötzlich vor ihr.

Aber warum war er hier? Es ergab keinen Sinn. Sie starrte ihn an und suchte nach einer Antwort. Ihr drehte sich der Magen um, als sie sich daran erinnerte, wie sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Hinten in einem Polizeiwagen, in den man ihn gestoßen hatte, die Miene finster und abweisend.

Laszlo gehörte nicht an einen Ort wie diesen, denn sie hatte immer angenommen, dass er auf die schiefe Bahn geraten war. Deshalb verstand sie nicht, was er hier zu suchen hatte.

„Was … was machst du hier?“, stotterte sie mit zittriger Stimme.

Mit kaltem, leerem Blick starrte Laszlo sie an. Doch innerlich hatte er das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. Alles drehte sich in seinem Kopf, ohne dass er eine Erklärung fand.

Sie hier zu sehen hatte ihm die Sprache verschlagen, denn er hatte jegliche Spur von ihr so komplett ausgelöscht, dass ihr Anblick ihn schwindlig machte.

„Das Gleiche könnte ich dich fragen“, raunte er schließlich.

Und dann fiel ihm plötzlich voller Entsetzen ein, dass er ausgerechnet an diesem Morgen voller Verlangen ihr Bild heraufbeschworen hatte. Er schauderte, als er an den Schrei der Eule morgens dachte. Hatte er selbst sie irgendwie herbeigerufen?

Schnell verwarf er den Gedanken. Natürlich hatte er es nicht getan. Sicher war sie nicht hier, um ihn zu suchen, dafür war sie zu schockiert gewesen, als sie ihn erblickte. Was machte sie also hier?

Eindringlich starrte er sie an und wartete auf Antworten.

Prudence war aschfahl. Was machte Laszlo Cziffra in diesem abgeschiedenen Schloss mitten auf dem Land in Ungarn? Ihr wurde kalt, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss. Ob er vielleicht für Mr. de Zsadany arbeitete?

Mit einem Mal würde ihr übel, als sie sich daran erinnerte, wie gleichgültig er sie angesehen hatte, als sie ihm damals sagte, dass sie ihn verlassen würde. Aber das war sieben Jahre her. Jetzt könnten sie sich nach all der Zeit doch sicher mit höflicher Neutralität begegnen. Doch statt sie mit kühler Neugier zu betrachten, lag pure Verachtung in seinem Blick.

„Ich verstehe nicht …“ Sie brach ab und wurde noch blasser, als er langsam über den abgetretenen Perserteppich zu ihr kam. „Was machst du hier?“, fragte sie noch einmal. „Du kannst doch unmöglich hier sein.“

Laszlo sah, wie entsetzt sie war. Er fühlte sich wie auf einem schwankenden Schiff, als er zu ihr ging. Aber er würde ihr nicht zeigen, wie sehr ihre Anwesenheit ihn bewegte.

Tief atmete er ein. „Ich bin aber hier“, entgegnete er gedehnt. „Warum zitterst du, Liebes?“

Sie versuchte zu ignorieren, wie gut er aussah und dass er ihr viel zu nahe war. Doch das vertraute Kosewort, mit dem er sie eben bedacht hatte, raubte ihr jeden klaren Gedanken.

Schweigend standen sie da und starrten sich an, so wie sie es Hunderte, Tausende Male zuvor getan hatten.

Erschrocken zuckten sie zusammen, als die Stimme eines Mannes erklang.

„Ach, da sind Sie ja. Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Aber es war schrecklich viel Verkehr.“

Ein rundlicher Mann in mittleren Jahren hastete ins Wohnzimmer. Er hatte dichte blonde Haare und wirkte hektisch. An Prudence gewandt, streckte er die Hand aus, nachdem er ein paar Aktenmappen unter dem Arm zurechtgerückt hatte.

„Tut mir sehr leid, dass ich Sie am Flughafen verpasst habe, Miss Elliot. Aber meine Nachricht haben Sie doch bekommen, oder?“

Immer noch sprachlos vor Entsetzen, konnte Prudence nur nicken. Zunächst war sie erleichtert gewesen, als der Mann eingetreten war, doch jetzt schien es, als sei ihre Erleichterung verfrüht gewesen. Denn seine Worte hatten ihr bewusst gemacht, dass nur sie allein schockiert war, Laszlo hier zu sehen.

Vorsichtig sah der Mann Laszlo an und räusperte sich. „Wie ich sehe, habt ihr beide euch schon kennengelernt. Ich bin Jakob Frankel, Miss Elliot, und arbeite für die Rechtsanwaltskanzlei, die Mr. de Zsadany vertritt. Und im Namen der Familie möchte ich Ihnen sagen, wie dankbar wir alle sind, dass sie in letzter Minute eingesprungen sind. Das ist wirklich sehr nett von Ihnen.“

Laszlo drehte sich der Magen um, während er versuchte zu verstehen. Jakob hatte ihm gesagt, dass Edmund Seymour krank sei und eine Vertretung schicken würde. Und er hatte es vergessen, typisch für ihn. Plötzlich begriff er: Seymours Vertretung war Prudence Elliot. Und das hieß, dass sie auf unabsehbare Zukunft unter dem gleichen Dach leben würden.

„Gern geschehen“, gab Prudence mit brüchiger Stimme zurück.

Der Anwalt nickte und sah nervös von Prudence zu Laszlo. „Alle sind sehr dankbar.“

Prudence lächelte schwach und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch Laszlo kam ihr zuvor.

„Miss Elliot könnte sich mit dem Honorar, das wir ihr zahlen, ein eigenes Schloss kaufen. Also müssen wir ihr nicht auch noch Dankbarkeit schenken.“

Bei seinem feindseligen Ton zuckte Prudence zusammen. Nervös rieb sie sich über den Nacken. Sie hatte immer noch keine Ahnung, was er hier machte. Doch dass der Anwalt sich ihm gegenüber respektvoll verhielt, zeigte ihr, dass er einen wichtigen Stellenwert haben musste.

Es war schon schlimm genug, dass sie sich mit ihrer Aufgabe überfordert fühlte. Und jetzt war auch noch Laszlo da, sah sie mit kaltem, geringschätzigem Blick an und gab ihr das Gefühl, ein Nichts zu sein. So wie vor sieben Jahren. Sie schluckte und biss die Zähne aufeinander. Sie hatte zumindest für ihre Beziehung gekämpft, während er viel zu beschäftigt mit was auch immer gewesen war, weswegen man ihn schließlich verhaftet hatte.

Und sie war kein Nichts. So wie er gesagt hatte, würde man ihr für ihren Job genug bezahlen, um sich ein Schloss kaufen zu können. Und genau deshalb war sie hier. Um ihre Arbeit zu machen. Es spielte keine Rolle, dass ihm ihre Liebe nicht gut genug gewesen war.

Sie hob das Kinn und wandte sich an den Anwalt. „Sehr freundlich von Ihnen, Mr. Frankel“, sagte sie laut und deutlich. „Danke, dass Sie mir erlaubt haben zu kommen. Ich kann nur hoffen, dass ich Ihre Erwartungen erfüllen werde.“

„Ach, da würde ich mir keine Sorgen machen“, murmelte Laszlo leise. „Ich erwarte mir nicht sehr viel.“

Wieder herrschte einen Augenblick angespanntes Schweigen, dann stieß Frankel ein nervöses Lachen aus. „Was Mr. Cziffra damit sagen will …“

„Ist, dass Miss Elliot und ich jetzt allein zurechtkommen“, beendete Laszlo den Satz.

Zweifelnd sah der Anwalt ihn an. „Wirklich?“

„Ich denke, ich komme klar.“ Laszlo klang eiskalt, und Prudence zitterte, als Frankel nickte, während sein rundes Gesicht rot anlief.

„Natürlich“, meinte er hastig. „Selbstverständlich.“ Er wandte sich an Prudence.

„Sie sind in sicheren Händen, Miss Elliot. Abgesehen von Mr. de Zsadany weiß niemand so viel über die Sammlung wie sein Enkel.“

Der Schock war wie ein Stromstoß.

Zuerst erstarrte Prudence, dann begann sie zu zittern, und der Raum drehte sich. Janos Almasy de Zsadany war Laszlos Großvater! Aber wie konnte das sein? Janos Almasy de Zsadany war Milliardär. Und Laszlo war ein Roma, der in einem Wohnwagen lebte und ständig unterwegs war. Wie sollten die beiden da verwandt sein?

Sie konnte nur hoffen, dass sie Frankel vielleicht falsch verstanden hatte. Doch als sie zu Laszlo sah, wirkte seine Miene nicht mehr kalt, sondern arrogant und verächtlich.

Vor Angst hob sich ihr Magen. Frankel hatte die Wahrheit gesagt.

Ihr Herz hämmerte, während ihr Blick zu dem Anwalt ging. Doch der schien nicht zu merken, wie sehr er sie durch seine Bemerkung aufgewühlt hatte.

Der Anwalt hüstelte. „Na schön. Wenn das so ist, werde ich gehen. Guten Abend, Miss Elliot. Ich finde selbst hinaus, Mr. Cziffra.“

„Danke, Frankel.“ Unverwandt starrte Laszlo Prudence an. „Und keine Sorge. Ich kümmere mich um Miss Elliot.“

Prudence drehte sich der Magen um, als Laszlo ihr zunickte.

„Ich verspreche, ihr meine volle und ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.“

Obwohl es warm war in dem Raum, war Prudence kalt. Voller Schrecken sah sie, wie Frankel ging. Am liebsten wäre sie ihm hinterhergelaufen, um ihn anzuflehen zu bleiben, doch sie stand wie erstarrt da. Benommen starrte sie auf die Gemälde an der Wand. Noch vor wenigen Momenten hatte sie sich an diesem Anblick erfreut. Jetzt nicht mehr. Nun schienen sie ihr wie grausam blickende Schaulustige, die sie verhöhnten.

Allmählich löste sie sich aus ihrer Starre. Na schön. Es war entsetzlich für sie beide, sich auf diese Weise wieder zu begegnen, aber sie hatte sicher mehr Grund, sauer auf ihn zu sein, als umgekehrt, oder nicht? Zumindest war er ihr eine Erklärung schuldig.

Sie warf einen Blick auf seine ausdruckslose Miene, die zeigte, dass er keineswegs gewillt war, sich zu erklären. Er hatte sich kein bisschen verändert. Auch jetzt übertrug er ihr wieder die Verantwortung, um das Problem zu lösen.

„Es nützt nichts, so zu tun, als sei ich nicht da“, sagte sie. Sie zwang sich, so kühl zu bleiben, wie sie klang, hob ihr Kinn und begegnete seinem Blick. „Wir müssen das klären.“

Laszlo starrte sie an. „Klären?“, wiederholte er. Er presste die Lippen aufeinander, um ein freudloses Lachen zu unterdrücken. Es gab nichts zu klären. Außer der Frage, durch welche Tür er sie hinauswerfen sollte. „Ach ja, müssen wir das? Du bist also Seymours Vertretung?“, fragte er kühl.

Prudence nickte, während ihr Herz gegen die Rippen hämmerte. Sie räusperte sich. „Und du bist Mr. de Zsadanys Enkel.“

Danach verfiel sie in Schweigen und wartete auf eine Antwort. Aber er schwieg und nickte nur. Sie wandte den Kopf ab, ballte die Hände zu Fäusten. War es das? Keine Erklärungen? Nicht ein Wort darüber, was das alles zu bedeuten hatte?

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, seufzte Laszlo auf. Er sah an ihr vorbei, als er endlich sprach. „Meine Mutter war Zsofia Almasy de Zsadany. Sie war Janos’ Tochter und sein einziges Kind.“

Ihr war, als hörte sie eine Marmorstatue sprechen, und ihr Herz zog sich bei seinem kalten Tonfall zusammen.

„Sie hat Istvan, meinen Vater, mit sechzehn kennengelernt. Er war siebzehn, ein Kalderasch-Roma. Beide Familien waren gegen die Beziehung, aber sie liebten einander so sehr, dass nichts sie auseinanderbringen konnte.“

Seine Augen glühten, und Schmerz durchzuckte sie, als sie die vorwurfsvolle Spitze in seinen Worten spürte.

„Sie haben geheiratet, und neun Monate später kam ich auf die Welt.“

Wie betäubt starrte Prudence ihn an. Wer war dieser Laszlo wirklich? Und warum hatte er in einem schäbigen Wohnwagen in England gelebt? Hatte er aufbegehrt? Oder sich mit den de Zsadanys zerstritten? Ihr Kopf schmerzte vor lauter Fragen. Noch vor Kurzem hatte sie so gut wie nichts über ihn gewusst, und jetzt hatte sie so viele Informationen, dass sie all das kaum verarbeiten konnte. Ihr Herz zog sich zusammen, als ihr klar wurde, dass selbst das Wenige, was er mit ihr geteilt hatte, nur Halbwahrheiten gewesen waren.

„Warum warst du in England?“

Er runzelte die Stirn. „Nachdem meine Eltern gestorben waren, habe ich abwechselnd bei beiden Familien gelebt. Mein Großvater wollte, dass ich etwas lerne. Während des Studiums war ich deshalb in Ungarn, und in den Semesterferien habe ich die Familie meines Vaters besucht, wo auch immer sie gerade gelebt hat.“ Sein Blick wirkte erbarmungslos. „Ich wollte beiden Familien gegenüber loyal sein.“

Sie zwang sich, ihn anzusehen. „Verstehe“, meinte sie langsam. „Aber zu mir wolltest du nicht offen und ehrlich sein?“ Sie spürte, dass er sich plötzlich verspannte, als er sie abschätzend ansah.

Autor

Louise Fuller

Louise Fuller war als Kind ein echter Wildfang. Rosa konnte sie nicht ausstehen, und sie kletterte lieber auf Bäume als Prinzessin zu spielen. Heutzutage besitzen die Heldinnen ihrer Romane nicht nur ein hübsches Gesicht, sondern auch einen starken Willen und Persönlichkeit.

Bevor sie anfing, Liebesromane zu schreiben, studierte Louise Literatur...

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