Lippen wie Samt - Haut wie Seide

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Die schüchterne Kellnerin Kim kann kaum glauben, dass sich der vielbegehrte Feuerwehrmann Zach ausgerechnet für sie interessiert. Er ahnt jedoch, dass ihre sinnlichen Lippen halten, was sie versprechen …


  • Erscheinungstag 17.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755072
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Selbst wenn sie mit dem Rücken zur Tür stand, wusste Kim Berry immer, wann „sie“ das Red Hog Diner am Rande von Fayetteville in Arkansas betraten. Sie konnte es nicht genau erklären, aber es geschah fast jedes Mal. Sie empfand ein merkwürdiges Prickeln, drehte sich um, und da waren sie wieder – die Goldjungen, die Helden der Stadt.

Mit einem Tablett voll leerer Kaffeetassen in den Händen sah Kim sie durch die Glastür lässig hereinschlendern.

Zuerst trat Zach McCain ein, die Daumen in die Schlaufen seiner Jeans eingehakt, das dunkle Haar fiel ihm jungenhaft in die gebräunte Stirn. Sein viel sagendes Lächeln war jedoch alles andere als jungenhaft. Mit seinen hellblauen Augen erfasste er rasch den gesamten Raum, einschließlich Kim.

Tom Lowery folgte Zach. Er war blond, braun gebrannt, ein paar Zentimeter kleiner als Zach, aber ebenso schlank und durchtrainiert. Und genauso übermütig, dachte Kim mit einem unterdrückten Seufzer.

Als Berufsfeuerwehrleute und freiwillige Retter waren die beiden berühmt für ihre eindrucksvolle Zahl an Lebensrettungen in diesem Teil von Nordwest-Arkansas, der ausgesprochen beliebt war für waghalsige Freiluftsportarten wie Wildwasser-Kanufahren, Felsklettern, Wandern und Höhlenerforschung.

Sie schienen immer gerade auf der Suche nach einem neuen Abenteuer, oder – wie Kim argwöhnte – nach einer neuen Frau.

Maggie Warner, die Wirtin des Diners und Kims Chefin, blickte von der Kasse auf und brummte in ihrer typisch mürrischen Art: „Los, weiter, Kim. Die Jungs wollen ihren Kuchen.“

Kim stellte das Tablett in der Küche ab, griff nach der Kanne mit frisch aufgebrühtem Kaffee und ging damit an den Tisch der beiden Männer.

„Womit kann ich Ihnen heute dienen?“ erkundigte sie sich, während sie die Kaffeebecher füllte.

„Ein Lächeln wäre schon mal ein guter Anfang“, antwortete Tom prompt und strahlte sie an.

„Für mich das Gleiche, bitte“, kam es sofort von Zach.

Kim strich sich eine Strähne ihrer braunen Haare in den streng geflochtenen Zopf zurück und lächelte unsicher.

„Wir haben Schokolade, Kokosnuss, Zitronen-Baiser, Pecan und Kirsch“, zählte sie auf. „Apfel ist aus.“

„Sie sollten sich wirklich etwas mehr auf Ihre Arbeit konzentrieren“, meinte Zach mit gespielt ernster Miene. „All dieser Smalltalk ist eine solche Zeitverschwendung.“

Tom lachte.

Kim reagierte auf ihre Neckereien, wie sie es immer tat – sie versteifte sich, und ihre Finger krampften sich um den Bleistift, den sie über ihrem Notizblock gezückt hielt. Sie wusste nicht, was sie sagen oder wie sie reagieren sollte, wenn die beiden sie derartig aufzogen. Gelegentlich scherzte sie mit anderen Kunden, doch bei diesen beiden erstarrte sie einfach.

Vor allem bei Zach McCain. Wenn der Blick seiner durchdringend blauen Augen auf ihr ruhte, merkte Kim förmlich, dass sie zu keinem intelligenten Satz mehr in der Lage war. Nicht eine Sekunde lang glaubte sie, er sei an ihr interessiert. Wahrscheinlich belustigte es ihn lediglich, sie dabei zu beobachten, wie sie unsicher wurde.

„Welchen Kuchen kann ich Ihnen bringen?“, wiederholte Kim. Und hätten Sie ihn gern auf einem Teller oder lieber im Gesicht? hätte sie am liebsten hinzugefügt, wenn sie den Mut gehabt hätte.

Achselzuckend tauschten Zach und Tom amüsierte Blicke, so dass Kim sich mehr als unbehaglich fühlte, und grinsten dann.

„Kokosnuss“, antwortete Zach.

Tom wollte Schokolade.

Kim nickte, machte auf ihrem flachen Absatz kehrt und ging steif zur Theke. Sie hörte die Männer hinter sich lachen und reden. Und obwohl sie sich sagte, dass sie alle beide nicht leiden konnte, wünschte sie sich doch insgeheim, die Art Frau zu sein, die sie dazu veranlassen konnte, mit ihr zu lachen, anstatt über sie.

An diesem letzten Mittwoch im August musste Kim eine Doppelschicht machen, da eine der Abend-Kolleginnen sich krank gemeldet hatte. Kim machte die zusätzliche Arbeit nicht allzu viel aus; außerdem konnte sie das Geld gut gebrauchen. Allerdings gefiel es ihr nicht sonderlich, erst so spät zu gehen. Es war fast neun Uhr, ehe sie fort konnte.

Der Mond war hinter den Wolken verborgen, daher war es relativ dunkel, als sie aus dem Lokal trat. Es hatte leicht zu regnen begonnen, so dass ihr Haar ein wenig feucht wurde, während sie über den fast völlig verlassenen Parkplatz zu ihrem Wagen eilte. Noch ehe sie den Motor anließ, nahm der Regen zu, und es sah so aus, als würde er noch zu einem richtigen Wolkenbruch, bevor Kim ihre Wohnung erreichte.

Vorsichtig fuhr sie an, wobei sie angestrengt zwischen den heftig hin und her fuhrwerkenden Scheibenwischern hindurch spähte und hoffte, dass der launische Motor ihres alten Wagens nicht ausgerechnet an diesem Abend verrücktspielen würde. As ihr bewusst wurde, wie nervös sie war, schnitt Kim sich selbst eine Grimasse im Rückspiegel. Sie ähnelte manchmal wirklich eher ihrer ängstlichen, kleinen Tante, bei der sie aufgewachsen war, als einer vierundzwanzig Jahre alten, unabhängigen jungen Frau.

Kein Wunder, dass Zach und Tom mich so komisch finden. Männer wie die beiden, die vor nichts Angst haben, können niemanden verstehen, der sich vor allem und jedem fürchtet.

Soweit Kim sich zurück erinnern konnte, hatte sie schon immer Angst gehabt. Angst davor, verletzt zu werden, sei es körperlich oder emotional; Angst, sich zu verirren; Angst vor Käfern, Spinnen, Hunden und wilden Tieren; Angst davor, sich in aller Öffentlichkeit zu blamieren.

Man musste es nur benennen, und sie fürchtete sich davor. Und sie verabscheute sich dafür. Oh ja, in den vergangenen Jahren hatte sie sich durchaus schon etwas gebessert. Sie war von St. Louis nach Fayetteville gezogen, wo sie keine Menschenseele kannte, und hatte sich für den Vormittagskurs im Buchhaltungswesen an der Universität von Arkansas eingeschrieben. Sie hatte einen Job als Kellnerin gefunden, der sie täglich zum Umgang mit häufig anspruchsvollen und ungeduldigen Kunden zwang.

Kim bog auf die lange, einsame, von Bäumen gesäumten Straße ein, die zu ihrer Seite der Stadt führte. Glücklicherweise schien der Motor ruhig zu laufen, und so sang sie gut gelaunt bei den Songs aus dem Autoradio mit.

Es traf sie völlig überraschend, als auf einmal ihr rechter Hinterreifen platzte. Auf der nassen Fahrbahn geriet der Wagen gefährlich ins Schleudern. Kims Herz schlug ihr wild bis zum Hals, als sie ihn wieder unter Kontrolle hatte. Es gab kaum eine Standspur zum Anhalten, lediglich einen schmalen Kiesstreifen, der die Straße vom Wald trennte.

Kim stellte den Motor ab. Die Scheibenwischer blieben quer über der Windschutzscheibe stehen, und das Radio ging aus. Der aufs Dach trommelnde Regen war das Einzige, was zu hören war, und Kim stieß gequält einen tiefen Seufzer aus.

Die zitternden Hände um das Lenkrad gelegt, ließ sie ihren Kopf darauf sinken. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einen Reifen gewechselt. Der nächste Laden, der rund um die Uhr geöffnet hatte, lag fast einen Kilometer weit entfernt an der nächsten großen Kreuzung, und die Vorstellung, auszusteigen und die dunkle Landstraße entlang zu laufen jagte ihr Schauer über den Rücken. Sie dachte an Blitzeinschläge, Tiere, Serienmörder …

Daher beschloss sie, lieber im Wagen zu warten, bis jemand vorbeikam – vorzugsweise eine Polizeistreife. Aber was ist, wenn es keine Polizei ist? Kim hatte davon gehört, dass Frauen einfach verschwanden und ihre Wagen leer am Straßenrand gefunden wurden. Tante Pearl hatte kaum eine Gelegenheit ausgelassen, ihr derlei Artikel aus der Zeitung vorzulesen, als Warnung, was einer Frau alles zustoßen konnte, die sich allein in die weite Welt hinauswagte.

„Sei nicht albern“, ermahnte sie sich jetzt streng. „Dies ist eine nette Stadt. Du kennst fast jeden hier in der Gegend. Die Leute sind alle freundlich, du bist also absolut sicher.“ Aber hatten jene unglücklichen vermissten Frauen sich das nicht vielleicht auch gesagt? Kim schluckte.

Und sie zuckte entsetzt zusammen, als es plötzlich an das Seitenfenster klopfte. Ängstlich versuchte sie durch den strömenden Regen etwas zu erkennen. Eine große, dunkle Gestalt stand dort draußen. Offenbar ein Mann, aber war er Freund oder Feind?

Er beugte sich dichter ans Fenster und leuchtete sich mit der Taschenlampe ins Gesicht, um zu zeigen, wer er war. Kim erkannte ihn sofort. Zach McCain.

Sie kurbelte das Fenster ein klein wenig herunter.

„Kim?“, fragte er und bückte sich noch tiefer zu ihr herab. „Ich dachte mir doch, dass ich Ihren Wagen erkannt hätte. Ist alles in Ordnung?“

„Ich glaube, mir ist das Hinterrad geplatzt.“

„Da haben Sie aber Glück gehabt, dass Sie nicht die Kontrolle über den Wagen verloren haben“, erwiderte Zach, dem es anscheinend nicht das Geringste ausmachte, dass ihm der Regen übers Gesicht lief und ihn vollkommen durchnässte.

Kim nickte, ihr Herz raste noch immer vor Schreck.

„Geben Sie mir den Kofferraumschlüssel, damit ich an das Ersatzrad komme“, forderte er sie auf.

„Aber Sie werden völlig durchgeweicht!“, widersprach sie.

Er zuckte die Achseln. „Nass bin ich schon.“

Verlegen nahm Kim den Schlüssel von ihrem Schlüsselbund und gab ihn ihm. „Ich helfe Ihnen“, sagte sie und wollte die Tür öffnen.

„Vergessen Sie’s. Wir müssen uns ja nicht alle beide durchweichen lassen. Ich bin an so was gewöhnt.“

Mit langen Schritten lief er zum Heck des Wagens, und Kim drehte das Fenster wieder hoch. Wie soll ich das je wieder gutmachen? dachte sie. Vielleicht kann ich ihm seinen Kuchen die nächsten Male bezahlen, wenn er ins Diner kommt. Oder glaubt er dann womöglich, dass ich mit ihm flirten will? Sie hatte oft genug gesehen, wie andere Frauen sich ihm fast auf den Schoß gesetzt hatten, nur um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Und Kim hatte ganz sicher nicht die Absicht, mit einer von Zachs glühenden Verehrerinnen verwechselt zu werden!

Er war schneller zurück als erwartet. Während er sich das nasse Haar aus dem Gesicht schüttelte, klopfte er ans Fenster. Kim öffnete es rasch und zuckte zusammen, als einige Tropfen des kühlen Regens sie durch den Spalt trafen.

„Kim“, fragte Zach, „wann haben Sie Ihr Ersatzrad das letzte Mal überprüft?“

„Ich … Ähm … Muss man das?“ Sie war immer davon ausgegangen, dass es im Notfall zur Hand sein würde.

Zach seufzte. „Er ist platt, und zwar platt wie ein Pfannkuchen.“

„Oh je.“

„Ich rufe von meinem Pick-up aus jemanden an, der sich darum kümmert“, erklärte er.

Kim nickte. „Vielen Dank. Ich weiß Ihre Hilfe wirklich zu schätzen.“

„Kein Problem. Bin gleich wieder da.“ Damit war er bereits fort.

Fröstelnd kurbelte sie erneut das Fenster hoch, schuldbewusst, dass sie es warm und trocken hatte, während Zach draußen im kalten Regen hin und her lief. Und sie fragte sich, wie jemand, der derartig durchnässt war, so verdammt gut aussehen konnte. Ich dagegen würde aussehen wie ein nasser Sack, dachte sie.

In diesem Augenblick erschien Zachs attraktives Gesicht wieder an ihrer Fensterscheibe. „Sie sind unterwegs“, rief er. „Ich bleibe noch so lange, bis sie da sind.“

Kim öffnete die Tür und rutschte auf den Beifahrersitz. „Kommen Sie rein.“

Zach warf einen Blick auf den abgeschabten Stoffsitz und schüttelte den Kopf. „Ich würde nur Ihr Polster nass machen. Ich warte lieber im Pick-up.“

Vom Fußboden holte sie eine silberne Thermosflasche empor. „Heißer Kaffee.“

Sehnsüchtig betrachtete er die Flasche. „Kaffee?“ Er schien das Frösteln kaum zu bemerken, das ihn bei der nächsten heftigen Windbö überlief.

Kim schraubte den Deckel auf und ließ den starken Duft zu ihm hinüberziehen. „Noch heiß“, bestätigte sie.

Mit einem letzten entschuldigenden Blick auf ihren Sitz ließ Zach sich hinter das Lenkrad fallen und schloss die Fahrertür. Kim schaltete das Licht an. Auf einmal wirkte das Innere des Wagens still und gemütlich mit dem Regen draußen und mit Zach, der neben ihr so viel Platz einnahm.

„Denken Sie dran, dass das Ihre Idee war. Geben Sie nicht mir die Schuld, wenn Sie mit einem feuchten Po nach Hause fahren müssen“, meinte er, wobei ihm ein glitzernder Regentropfen übers Gesicht und das kleine Grübchen in seiner Wange glitt.

Sorgsam goss Kim den Kaffee in den Plastikdeckel-Becher und räusperte sich. „Bitte sehr.“ Schüchtern begegnete sie seinem Blick.

Ihre Fingerspitzen berührten einander, als er den Becher in Empfang nahm.

„Danke“, murmelte Zach. „Das kann ich jetzt wirklich gut gebrauchen.“ Während sich die wohltuende Wärme in ihm ausbreitete, ließ sein Frösteln rasch nach.

„Haben Sie immer Kaffee dabei?“, erkundigte er sich und lächelte ihr zu, so dass ihr beinahe der Atem stockte.

Er lächelte jede Frau so an, Kim, sagte sie sich. Sogar Maggie. Also hör auf, dich wie ein albernes Schulmädchen zu benehmen.

„Als wir zugemacht haben, war noch fast eine ganze Kanne Kaffee übrig. Maggie wollte ihn wegschütten, aber ich habe gefragt, ob ich ihn haben kann. Ich nehme mir oft welchen mit.“

Ein lauter Donnerschlag ließ die Fenster vibrieren, und Kim zuckte zusammen. Der noch stärker werdende Regen prasselte geräuschvoll auf das Autodach.

„Schon gut“, murmelte Zach. „Sie haben doch keine Angst vor Gewittern, oder?“

„Nein“, schwindelte sie. „Der Donner hat mich nur überrascht.“

Er leerte den Plastikbecher und gab ihn ihr dann zurück. „Das tat gut.“

„Möchten Sie noch mehr?“

„Nein, danke.“ Er schaltete das Licht aus und warnte: „Wir wollen ja zu dem platten Reifen nicht auch noch eine tote Batterie.“

Sie schraubte die Thermosflasche zu. Die Dunkelheit schien die Intimität im Wagen noch zu verstärken, und Kim wurde unweigerlich nervös.

„Ich danke Ihnen“, sagte sie. „Sie waren sehr freundlich.“

„Ich bin froh, dass ich vorbeigekommen bin. Bei dem Wetter heute ist nicht viel Verkehr.“

„Ja, ich hatte schon überlegt, ob ich nicht zu Fuß Hilfe holen sollte“, gestand sie.

Ein erneuter Donnerschlag ertönte.

Zach runzelte die Stirn. „Das wäre keine so gute Idee gewesen. Es ist besser, mit geschlossenen Türen im Wagen zu warten. Sie sollten sich ein Handy zulegen. Die sind für solche Situationen ideal.“

Kim nickte stumm.

In diesem Augenblick hielt ein großer Wagen neben ihnen und parkte dann direkt vor Kims Wagen.

Zach zog am Türgriff. „Das ist der Typ, den ich angerufen habe. In ein paar Minuten haben wir alles soweit, dass Sie weiterfahren können.“

Kim wollte ebenfalls aussteigen, doch er legte ihr die Hand auf die Schulter und lächelte sie an. „Bleiben Sie sitzen. Sie können da draußen sowieso nichts tun.“

Schon war er draußen, und sie blieb im Dunkeln sitzen, wobei ihr Herz Purzelbäume zu schlagen schien. Und das nur, weil Zach McCain sie berührt und angelächelt hatte.

„Du bist doch wahrhaftig ein Riesendummkopf, Kim“, schimpfte sie sich leise.

Zach folgte ihr bis nach Hause. Kim fuhr auf ihren winzigen Carport und winkte in der Erwartung, dass er weiterfahren würde. Stattdessen hielt er in der Auffahrt hinter ihr an, stieg aus und rannte in dem noch immer strömenden Regen zu ihr. Kim schüttelte den Kopf. Der Kerl schien es wirklich darauf anzulegen, dass auch nicht ein einziger Zentimeter von ihm trocken blieb.

Sobald er den Schutz des Carports erreicht hatte, kramte Zach mit einem leicht schiefen Grinsen etwas aus seiner vorderen rechten Jeanstasche.

„Ihr Kofferraumschlüssel“, erklärte er und hielt ihn ihr hin. „Ich habe vergessen, ihn Ihnen zurückzugeben. Das fiel mir erst ein, als Sie schon losgefahren waren.“

Ohne ihn anzusehen, nahm Kim den Schlüssel. „Danke. Es tut mir leid, dass ich Ihnen so viele Unannehmlichkeiten bereitet habe.“

„Kein Problem“, versicherte er munter und kämmte sich mit den Fingern durch das nasse schwarze Haar. „Freut mich, dass ich helfen konnte.“

Sie überlegte, ob sie ihn nicht wenigstens zu einer heißen Tasse Tee einladen sollte, doch Zach war schon wieder auf halbem Wege zu seinem Fahrzeug.

„Bis bald, Kim“, rief er über die Schulter. „Und lassen Sie auf jeden Fall Ihren Ersatzreifen reparieren, okay?“

„Ja, mache ich. Äh … und vielen Dank noch mal“, rief sie ihm nach und wartete, bis er seinen Wagen erreicht hatte.

An der Tür hielt er inne und schaute zu Kim zurück, ohne auf den Regen zu achten.

„Hey, Kim?“

„Ja?“

„Hätten Sie Lust, mal mit mir auszugehen?“

Dumpfes Donnergrollen begleitete seine Worte, so dass Kim überzeugt war, ihn missverstanden zu haben.

„Bitte?“

Zach erhob die Stimme ein wenig. „Ausgehen. Mit mir. Sie wissen schon … eine Verabredung?“

Um ein Haar wäre Kim der Mund offen stehen geblieben. Zach McCain wollte sich mit ihr verabreden?

Durch ihren Job im Diner kannten sie einander zwar bereits seit Monaten, doch Zach hatte niemals zu erkennen gegeben, dass er auch nur im Geringsten an ihr interessiert gewesen wäre, und Kim hatte dies auch nicht anders erwartet. Sie hatte die attraktiven jungen Frauen gesehen, die er und Tom gelegentlich mit in das Diner brachten, und um den Tatsachen ins Auge zu sehen, Kim war wohl kaum sein Typ.

Sie umfasste den Träger ihrer Handtasche ein wenig krampfhaft. Obwohl nur wenige Frauen ihres Alters dies würden nachvollziehen können, erschreckte sie der Gedanke an eine Verabredung mit Zach. Was wäre, wenn sie sich in eine peinliche Lage brachte? Wenn sie ihn langweilte? Oder wenn er mit seinen Freunden über sie sprach? Und was wäre, wenn sie dumm genug wäre, zuzulassen, dass er sie verletzte?

„Kim?“ Ein belustigter Unterton schwang in seiner Stimme mit. „Ich saufe hier draußen allmählich ab.“

Also gut, Kim, du wolltest deine Ängste besiegen und wie andere Frauen in deinem Alter sein, redete sie sich Mut zu. Wie viele von denen würden eine Verabredung mit Zach McCain ablehnen? Na, komm schon.

Sie holte tief Luft. „Okay.“

„Wie war das?“

„Okay“, schrie sie fast.

Über eine Regenbö hinweg hörte sie sein leises Lachen. „Toll. Ich rufe Sie dann an.“

Sie musste schlucken und nickte.

Er winkte, ehe er wieder in seinen Pick-up stieg. Gleich darauf ließ er den Motor an, wartete jedoch ab, bis Kim ihre Haustür aufgeschlossen hatte, bevor er wegfuhr.

Kim betrat ihr kleines gemietetes Häuschen, warf ihre Handtasche auf den Tisch und schlug die Hände vors Gesicht.

Der Kerl ist ein notorischer Frauenheld, ein zwanghafter Charmeur. Wahrscheinlich wird er das Ganze nie wieder erwähnen, und ich werde sicherlich nicht davon ausgehen, dass er mich noch mal darauf anspricht …

„Na, wird ja auch Zeit, dass du … Hey! Was hast du denn gemacht, warst du schwimmen mit all deinen Klamotten an?“

Zach fuhr sich durchs tropfende Haar. „Was tust du in meinem Wohnzimmer?“

Tom Lowery hatte es sich auf Zachs Sofa gemütlich gemacht, einen Beutel von Zachs Salzbrezeln neben sich, eine Bierdose in der Hand, Zachs Fernbedienung für den Fernseher auf dem Knie.

„Ich bin mit meinem Schlüssel reingekommen. Wir wollten uns doch heute Abend zusammen das Spiel ansehen. Es hat schon vor über einer Stunde angefangen.“

Zach verzog das Gesicht. „Habe ich vergessen. Mom wollte, dass ich auf dem Heimweg kurz bei ihr reinschaue. Und danach habe ich Kim Berry gefunden, die am Straßenrand liegen geblieben ist. Natürlich habe ich angehalten, um ihr zu helfen. Das Spiel ist mir dabei völlig entfallen.“

„Ist sowieso eine Schnarchpartie“, bemerkte Tom, drehte den Ton leise und legte die Fernbedienung zur Seite. „Was war denn mit Kim?“

„Geplatzter Reifen.“

„Ist was passiert?“

„Nein, nein. Aber sie saß in ihrem Auto und sah aus, als ob sie sich halb zu Tode fürchtete, als ich sie fand. Sie hat in ihrem ganzen Leben noch keinen Reifen gewechselt.“

„Also bist du im Regen ausgestiegen und hast der Lady den Reifen gewechselt.“ Tom hob seine Dose in spöttischem Salut. „Und wieder eine Rettung durch Super-Zach.“

Zach war müde, durchnässt, noch immer leicht erstaunt über sein eigenes Verhalten von vorhin. Er war überhaupt nicht in der Stimmung, sich aufziehen zu lassen, nicht einmal von seinem besten Freund.

„Ich gehe jetzt erst mal heiß duschen“, sagte er abrupt, bereits auf dem Weg zu seinem Schlafzimmer. „Du kannst dir ja den Rest des Spiels angucken, wenn du willst.“

„Ich glaube, ich mache mir ein Sandwich“, überlegte Tom, unbeeindruckt von der abweisenden Haltung seines Freundes. „Willst du auch welche?“

„Ich habe bei Mom gegessen. Aber bedien’ dich ruhig an meinen Lebensmitteln.“

Tom grinste. „Danke. Mache ich.“

Als Zach unter die heiße Dusche trat, seufzt er eine Weile vor Wohlbehagen und stand eine Weile lang regungslos, um sich von der Wärme durchdringen zu lassen. Zwar war er durchaus schon kälter und nasser gewesen, aber in letzter Zeit zog er es doch vor, es warm und trocken zu haben.

Allerdings sagte ihm der Gedanke wenig zu, dass sein zunehmendes Bestreben nach Bequemlichkeit möglicherweise etwas damit zu tun hatte, dass er älter wurde.

Sein dreißigster Geburtstag war nicht mehr allzu weit entfernt, und er freute sich nicht sonderlich darauf. In seinen Zwanzigern hatte Zach eine tolle Zeit erlebt, und er war noch nicht recht bereit, diese hinter sich zu lassen.

Während er sich einseifte, dachte er an Kim Berry. Er konnte noch immer kaum glauben, dass er sie tatsächlich endlich um eine Verabredung gebeten hatte – und dass sie auch angenommen hatte.

Seit ihrem ersten Arbeitstag in dem Diner gleich neben der Feuerwehrwache war Zach von ihr fasziniert gewesen. Er hatte schon immer eine Schwäche für große braune Augen gehabt. Kims Augen waren das Auffallendste in ihrem herzförmigen Gesicht. Sie besaß einen hellen, zarten Teint und einen schön geschwungenen, üppigen Mund, der eigentlich gar nicht zu jemandem passte, der so schüchtern und ernsthaft war.

Ein sündiger Mund in dem Gesicht einer Heiligen, dachte Zach schwärmerisch. Heilige hatten ihn noch nie interessiert, aber Kim hatte ihn von Anfang an angezogen.

Am liebsten hätte er sie gleich gefragt, ob sie mit ihm ausgehen würde, doch er hatte nicht lange gebraucht, um festzustellen, dass dies vermutlich ein Fehler wäre. Sie war vermutlich nicht gerade sein Typ, und umgekehrt galt das sicherlich ebenso. Irgendwie schien sie ihn und seine Freunde immer mit leichter Missbilligung zu beobachten, ein wenig verwirrt durch deren Humor und kleine Verrücktheiten.

Trotz seines Interesses hatte Zach sich bisher zurückgehalten. Schließlich wollte er seine Zeit nicht verschwenden. Zurückweisungen schmeckten ihm nicht, und bislang hatte er auch nur selten eine einstecken müssen. Wenn er sich mit einer Frau treffen wollte, gab es eine ganze Reihe williger Kandidatinnen, die er anrufen konnte. Außerdem war er im Augenblick nicht an einer dauerhaften Beziehung interessiert. Warum also etwas mit einer Frau anfangen, die ihn oft genug ansah, als käme er von einem anderen Planeten?

Und dennoch, jedes Mal, wenn er ins Diner kam, hingen seine Blicke an Kim. Er bewunderte ihre großen dunklen Augen, den einladenden sexy Mund und fragte sich, welche Gedanken sich wohl hinter diesem hübschen, argwöhnischen Gesicht verbergen mochten. Gelegentlich hatte er etwas darin aufblitzen sehen, das die Vermutung nahe legte, dass Kim doch nicht ganz so sanftmütig und furchtsam war, wie sie erschien. Und er hatte sich gefragt, was es wohl kostete, ihre Schranken zu durchbrechen und zu entdecken, welches geheime Feuer dahinter brannte.

2. KAPITEL

Es begann ähnlich wie bei jeder anderen Verabredung auch. Kim konnte sich nicht entscheiden, was sie anziehen sollte, bis sie sich schließlich für ein schlichtes rotes Strickkleid entschied, von dem man ihr gesagt hatte, dass es ihr schmeichelte. Und dann lief sie beunruhigt eine halbe Stunde auf und ab.

Nicht dass sie allzu viele Vergleichsmöglichkeiten gehabt hätte. In der High School war sie so scheu und still gewesen, dass nur wenige Jungen sie überhaupt bemerkt hatten. Und seither war sie immer so beschäftigt gewesen, dass keine Zeit für ein gesellschaftliches Leben blieb, oder zumindest redete sie sich das ein.

Kim hatte das ungute Gefühl, dass Zach McCain, vollendeter Charmeur, der er war, vermutlich verblüfft und sogar bestürzt sein würde, wenn er wüsste, wie begrenzt Kims Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht tatsächlich waren.

Es war Samstag, drei Tage nachdem Zach sie am Straßenrand gefunden hatte. Am Donnerstagabend hatte er angerufen und sich für heute mit ihr verabredet. Sie hatten nicht lange miteinander gesprochen. Kim war dermaßen überrascht gewesen, dass er wirklich anrief, dass sie nur zu einsilbigen Antworten in der Lage gewesen war. Und sie war ziemlich sicher, dass Zach sich nach dem Telefonat gefragt hatte, weshalb er eigentlich etwas mit ihr unternehmen wollte. Im Grunde genommen hatte sie erwartet, dass er unter einem Vorwand noch einmal anrufen würde, um abzusagen. Doch pünktlich um sieben klingelt es an ihrer Haustür.

Kim atmete tief durch und machte auf. Nach einem einzigen Blick auf Zach fragte sie sich, wie in aller Welt sie dazu kam, ausgerechnet mit diesem Mann auszugehen. Er sah einfach umwerfend aus. Ihn nur anzusehen, verschlug ihr bereits die Sprache.

Er trug ein schwarzes Hemd und schwarze Hosen mit einem anthrazitfarbenen Jackett, dazu ein geometrisch gemusterte, schwarz-graue Krawatte. Es war das erste Mal, dass Kim ihn in etwas anderem sah als in Jeans oder seiner Feuerwehruniform. Sein schwarzes Haar hatte er glatt aus dem Gesicht gekämmt.

„Sie sehen sehr hübsch aus“, sagte er, als sie nur da stand und versuchte, ihre Stimme wiederzufinden. „Rot steht Ihnen gut.“

„Danke“, murmelte Kim. „Sie sehen auch gut aus.“

Das war die Untertreibung des Jahrhunderts!

„Wollen Sie hereinkommen?“, fügte sie etwas verspätet hinzu und trat von der Tür zurück. „Ich könnte Ihnen Mineralwasser oder Saft anbieten, wenn Sie etwas trinken möchten.“

Zach blickte auf seine Armbanduhr. „Danke, aber ich habe für halb acht einen Tisch in diesem italienischen Restaurant in Tonitown reserviert. Deshalb sollten wir besser losfahren. Ich hoffe übrigens, Sie mögen italienisches Essen?“

„Ja, sehr sogar.“ Kim nahm ihre Handtasche von dem kleinen Beistelltisch an der Tür und lächelte dann etwas gezwungen. „Ich bin bereit.“

Doch das war eine glatte Lüge. Sie war nicht im Geringsten bereit für diesen Abend.

Aus dem Augenwinkel blickte Zach hinüber und überlegte leicht ironisch, ob Kim wohl die Absicht hatte, mit der Beifahrertür seines Pick-ups zu verschmelzen. Ob alle Männer sie so einschüchtern, oder bin nur ich das? fragte er sich. Zach konnte sich beim besten Willen nicht denken, was er getan hatte, dass sie sich ihm derartig misstrauisch gegenüber verhielt.

„Wie lange arbeiten Sie jetzt schon im Diner, Kim?“, versuchte er, eine Unterhaltung in Gang zu bringen.

Sie schien überrascht. „Ähm … fast ein halbes Jahr. Davor habe ich in einem Kaufhaus im Zentrum gearbeitet, aber die waren nicht so entgegenkommend wie Maggie, was die Arbeitszeiten angeht. Ich besuche vormittags Kurse an der Universität, und Maggie lässt mich freundlicherweise so arbeiten, dass ich dort hingehen kann.“

„Sie arbeiten gern für Maggie?“

Autor

Gina Wilkins

Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden!

Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt...

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