Lust hat deinen Namen

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Keinen Kuss, keine Berührung von Jake hat Jenna je vergessen. Aber auch an den jahrelangen Schmerz über seinen Verrat kann sie sich noch gut erinnern. Noch immer brennt zwischen ihnen das lodernde Feuer des Begehrens, doch Jenna weiß, wie hoch der Preis für ihre Schwäche sein kann …


  • Erscheinungstag 07.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756406
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Können Sie mir behilflich sein?“

Jenna Lockhart spürte, wie ihr beim Klang dieser samtweichen, tiefen männlichen Stimme ein Kribbeln über den Rücken lief. Diese Stimme kannte sie doch … Das Blut schoss ihr in den Kopf, und sie wandte sich langsam zur Tür, um zu sehen, wer so kurz vor Ladenschluss noch etwas einkaufen wollte. Und plötzlich wurden ihre Knie weich. Über sechs Jahre war es her, seit sie Jake Remington zum letzten Mal gesehen hatte. Er hatte sich kaum verändert, außer, dass er noch besser aussah und noch selbstbewusster wirkte als früher. Er war gut einen Kopf größer als sie und hatte einen Hang zu lässiger Kleidung und noch lässigerem Benehmen, ungeachtet seines Reichtums und seines Erfolges.

„Was machst du denn hier?“, fragte Jenna.

Er schien sich kein bisschen unwohl zu fühlen in dieser betont femininen Umgebung und betrachtete interessiert die maßgeschneiderten Hochzeits- und Abendkleider. Während er auf sie zuging, schob er seinen schwarzen Cowboyhut nach hinten und brachte sein dichtes schwarzes Haar zum Vorschein. Wohlgefällig ließ er seine Blicke von ihrem Gesicht bis zu den Fußspitzen wandern. „Ich wollte dir zu deinem Erfolg gratulieren“, sagte er lächelnd. „Deine Modelle machen Furore. Offenbar wollen jetzt alle Hollywood-Starlets von dir eingekleidet werden.“

Das stimmte. Jenna war gut eingedeckt mit Aufträgen und würde bald neben Raelynn noch eine zweite Schneiderin einstellen müssen. Doch das wollte sie Jake nicht unbedingt auf die Nase binden. „Du selbst stehst auch nicht schlecht da, wie ich hörte. J&R Industries ist ja wohl ein milliardenschweres Unternehmen.“

Jake grinste sie an, die Hände lässig am Bund seiner schwarzen Jeans. „Ich sehe, du bist auf dem Laufenden.“

Jenna versuchte, seine schmalen Hüften zu ignorieren, und wandte sich ab. „Schließlich liest man Zeitung.“

Jake folgte ihr durch den Laden, während sie aufräumte. „Normalerweise mache ich vorher einen Termin, aber ich nehme an, du hättest mir keinen gegeben.“

Während sie ihren Computer herunterfuhr, versuchte Jenna die Erinnerung daran zu unterdrücken, wie gut es sich anfühlte, an seiner warmen, starken Brust zu liegen. „Da hast du ganz recht.“

Jake wurde ernst. „Was ist bloß damals mit uns geschehen?“

Sie lächelte matt. „Komm zur Sache.“

Jake sah plötzlich verletzlich aus. „Ich möchte, dass wir wieder Freunde werden.“

Jenna mied seinen Blick, um nicht weich zu werden. „Unmöglich“, sagte sie und schloss ihre Kasse ab.

Er neigte sich über den Ladentisch zu ihr hin. „Wie willst du das wissen, ohne es probiert zu haben?“

Sie machte sich steif. „Ich habe nicht das geringste Interesse daran, das auszuprobieren, Jake.“

„Immer noch genauso starrköpfig und hitzig wie früher“, bemerkte er und sah sie mit so viel männlichem Selbstbewusstsein an, dass ihr vor Empörung fast die Luft wegblieb.

„Immer noch genauso arrogant und selbstgefällig wie früher“, schoss sie zurück.

Statt beleidigt zu sein, grinste Jake noch unverschämter. „Jenna, ich möchte dir einen Vorschlag machen.“

Jenna legte eine Plastikhülle um ein Hochzeitskleid.

„Ich möchte eine komplette Garderobe bei dir bestellen.“

„Ich entwerfe keine Herrenkleidung.“ Und selbst wenn, würde sie bestimmt nicht für ihn arbeiten!

Jake half ihr beim Einpacken des Kleides. „Es ist für die Dame meines Herzens.“

Jenna war sich seiner Nähe nur zu bewusst und als sich ihre Hände zufällig berührten, erschauerte sie. „Kein Interesse“, lehnte sie ab, während sie das Kleid ins Lager trug. Sie wünschte, ihr Herz würde aufhören, wie wild zu klopfen.

Aber Jake ließ sich nicht so leicht abwimmeln. „Es ist ziemlich eilig“, rief er hinter ihr her.

Jenna kam zurück in den Laden und machte sich hinter dem Tresen zu schaffen. „Ich gebe dir ein paar gute Adressen.“

„Ich brauche keine Adressen. Ich will dich.“

„Zu dumm“, erwiderte Jenna, „denn leider wirst du mich nie bekommen.“ Nie wieder.

Sie sah, wie Begehren in seinen Augen aufflackerte, als er warnte: „Mach keine Versprechungen, die du vielleicht nicht halten kannst.“

Wut stieg in ihr hoch. „Und hör du auf, so zu tun, als wüsstest du, was ich denke und fühle.“

Draußen hielt ein roter Wagen neben Jakes anthrazitfarbenem Range Rover und Jennas weißem Kombi.

Jake sah stirnrunzelnd auf die Uhr. „Sie ist zu früh.“

„Und du gehst jetzt besser“, fuhr Jenna ihn wütend an, gerade als die erwähnte Person hinter dem Jeep hervorkam. Zu Jennas Überraschung war es kein Glamourgirl, mit dem Jake verabredet war, sondern eine mollige, freundlich aussehende Frau um die fünfzig in Jeans, Cowboystiefeln und blauem Baumwollhemd. Sie hatte einen Strohhut auf den Kopf gestülpt und trug ein rotes Nickytuch um den Hals. Als sie die hintere Tür öffnete, erkannte Jenna, dass sie nur die Chauffeurin war. Sie hob, in Jakes Richtung gewandt, fragend die Arme. Jake nickte ihr zu und gab ihr ein Zeichen zu warten.

Dann blieb er vor Jenna stehen und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Hör zu. Bitte!“, sagte er beschwörend. „Alex hat eine ziemlich schwierige Phase hinter sich. Als sie deine Modelle im Fernsehen sah, war sie hingerissen. Ich versprach ihr, du würdest einige Kleider für sie entwerfen, genau nach ihren Angaben.“

Jenna fand seine Bitte immer unmöglicher. „Dann brich dein Versprechen. Darin hast du ja schließlich Übung.“

Leises Bedauern stieg in ihm hoch, als er an sein herzloses Verhalten ihr gegenüber erinnert wurde. Aber dann sagte er ungerührt: „Es ist nicht so einfach, wie du denkst, Jenna.“

„Für mich schon“, stieß Jenna hervor.

„Ich zahle das Doppelte deiner üblichen Preise“, beschwor Jake sie von neuem.

Jenna sah ihn an, als ob er nicht ganz richtig im Kopf sei. „Such dir eine andere Exfreundin, die du quälen kannst“, murmelte sie.

Er ließ sie los. Ihre Schultern prickelten noch von der Wärme seiner Hände. „Es gibt niemand anderen“, sagte er.

Sie blickte in seine hellgrauen Augen, die sie wie magisch anzogen. Fast glaubte sie ihm, was nur bewies, dass sie immer noch auf ihn hereinfiel. „Du meinst, niemanden, der eine Nähmaschine bedienen kann“, gab sie eisig zurück.

In diesem Moment sprang Jakes Lady aus dem Wagen. Sie drückte etwas an die Brust, das aussah wie ein Ochsenfrosch. Ihr Gesicht war völlig verschmiert, sie hatte eine rosafarbene Sonnenbrille auf der Nase, und auf ihrer rotblonden struppigen Lockenmähne saß eine umgedrehte Baseballmütze. Sie trug eine olivgrüne Latzhose, Turnschuhe und ein viel zu großes T-Shirt, das um ihren schmalen Körper schlotterte. Amüsiert und erleichtert, aber auch irritiert, weil Jake nichts weiter erklärt hatte, fragte Jenna: „Das also ist die Lady deines Herzens?“ Sie schätzte das Kind auf ungefähr fünf bis sechs.

„Die Einzige“, gestand Jake lächelnd, als die Kleine auf ihn zulief. „Was dachtest du denn?“

Zu spät erkannte Jenna, dass Jake ihre Gefühle für ihn hatte testen wollen. Sie hatte sich verraten. „Kinderkleidung entwerfe ich auch nicht“, sagte sie und wappnete sich innerlich.

Die Chauffeurin winkte Jenna fröhlich zu und wartete, bis Alex im Laden war. Dann gab sie Jake einen Wink, dass sie gleich zurückkomme, und ging die Straße hinunter.

„Ich hoffte, du würdest für Alexandra eine Ausnahme machen“, sagte Jake und drückte das Kind an sich.

„Ist schon in Ordnung, Daddy.“ Die Kleine lehnte ihren Kopf an ihn. „Ich will sowieso keine Kleider. Und nenn mich nicht Alexandra, sondern Alex.“ Dann zog sie an seinem Ärmel. „Komm, wir gehen. Ich will zur Ranch fahren“, erklärte sie resolut. Während sie hinter dem Frosch herlief, der von ihrem Arm gehüpft war, rief sie Jenna zu: „Daddy hat das Haus ganz neu gebaut, nur für uns. Damit ich draußen spielen und Ponys und Hunde und Katzen und all so was haben kann.“

Jenna sah Jake überrascht an. „Ich dachte, deine Familie würde ihre Ferien nicht mehr hier verbringen.“

„Tun sie auch nicht, aber sie wollten das Gelände nicht verkaufen.“

„Und warum bist du wieder hier?“, fragte Jenna.

Jake zuckte die Schultern. „Ich bin immer gern nach Laramie gekommen.“ Er beobachtete Alex, die immer noch ihren Frosch jagte. „Und ich dachte, Alex würde es auch gefallen.“

Jenna verspürte einen Stich, als sie daran dachte, wie das arrogante Verhalten seiner Familie sie verletzt hatte. „Glaubst du, das ist eine gute Idee? Laramie ist ein angenehmer Ort, freundlich, gemütlich, jeder kennt jeden. Aber was den sozialen Status anbelangt – nun, wir können es wirklich nicht mit eurem Dallas aufnehmen, nicht wahr?“ Sie sah ihn durchdringend an.

Jake erwiderte den Blick. „Ich wusste gar nicht, was für ein Snob du bist.“

„Ich?“

„Okay, ich nehm’s zurück“, sagte Jake.

Bevor sie ihre Unterhaltung fortsetzen konnten, kam Alex’ Begleiterin in den Laden. „Jenna“, stellte Jake sie vor, „das ist Clara, unsere Haushälterin. Clara, das ist Jenna Lockhart, von der ich dir und Alex erzählt habe.“

„Ich hörte, ihr habt euch gekannt, als ihr Kinder wart“, sagte Clara.

Jenna nickte. „Wir haben viele Sommer zusammen verbracht. Aber das ist lange her.“

Alex sprang hinter dem Ladentisch hervor, den Frosch in der Hand. „Ich hab ihn!“

„Nun, es war nett, euch alle zu treffen, aber ich habe jetzt Feierabend“, erklärte Jenna.

„Fein! Hast du das gehört, Mr. Froggie? Wir fahren zur Ranch!“ Alex winkte und sauste zur Tür hinaus, Clara hinterher. „War nett, Sie kennen gelernt zu haben!“

Jake blickte den beiden stirnrunzelnd nach. „Keine sehr günstige Gelegenheit zum Reden, wie ich sehe.“

Jenna seufzte. „Gut, dass du das endlich merkst.“

„Lass uns heute Abend zusammen essen“, schlug er vor.

Jenna sah ihn mit großen Augen an. „Du träumst wohl.“

Aber Jake wäre der Letzte, der sich geschlagen geben würde. „Ich hole dich gegen acht Uhr ab.“ Während er zur Tür ging, rief er ihr über die Schulter zu: „Zieh dir was Bequemes an. Ich will, dass du dich wohl fühlst.“

„Der hat Nerven!“ Meg Lockhart schäumte vor Wut. Sie war direkt nach der Arbeit zu der kurzfristig anberaumten Krisensitzung der vier Lockhart-Schwestern gekommen und trug immer noch ihre Schwesternuniform.

„Das kann man wohl sagen!“, schnaubte Kelsey verächtlich. Sie legte den Stapel von Katalogen für Landwirtschaftsbedarf ab, den sie unter dem Arm trug, schob ihren Cowboyhut aus der Stirn und nahm sich einen Stuhl. Alle vier saßen sie an Jennas Esstisch in ihrem Apartment über dem Laden.

„Nach all den Jahren einfach hereinzuschneien, als ob nichts passiert wäre!“ Die frisch verheiratete Dani schüttelte ungläubig den Kopf. Als Filmkritikerin liebte sie das Drama und die Aufregung, aber das war denn doch zu viel. „Ich meine, du hast ihn so geliebt, Jenna. Aber so dumm kann er wohl nicht sein zu glauben, du würdest immer noch mit wehenden Fahnen auf ihn fliegen.“

Die vier Schwestern nippten an ihrem Eistee.

„Also, ich finde, es ist am Klügsten, wenn du zu der Verabredung gehst“, entschied Meg nach einiger Überlegung, entfernte die Haarnadeln aus ihrem Knoten und schüttelte ihr langes kastanienbraunes Haar.

Die anderen sahen Meg – die Älteste und Verantwortungsbewussteste von ihnen – schockiert an. „Du musst ihm ein für alle Mal klarmachen, dass dir nicht mehr das Geringste an ihm liegt“, fuhr Meg fort. „Lass dich von ihm ausführen und verwöhnen. Und dann, wenn er seine ganze Trickkiste ausgespielt hat, zeigst du ihm die kalte Schulter.“

Es folgte eine längere Diskussion, und bevor sich alle wieder verabschiedeten, wurde vereinbart, dass Jenna Megs Rat befolgen sollte. Sie zog ihr schönstes, verführerischstes Kleid an. Jake Remington sollte sehen, was er damals aufgegeben hatte, als er sie wie eine heiße Kartoffel fallen ließ.

Jake sprang aus seinem Wagen und eilte die Außentreppe zu Jennas Wohnung hoch, indem er immer zwei Stufen auf einmal nahm. Als er auf die Klingel drückte, fragte er sich, ob sie überhaupt da sei. Er könnte es sogar verstehen, wenn sie ihn diesmal stehen lassen würde.

Eine Sekunde später schwang die Tür auf. Er sah sie an und hatte denselben Gedanken wie heute Nachmittag. Dass sie die schönste Frau war, die er je gesehen hatte. Und die Einzige, die sein Herz verrücktspielen ließ. Besonders in diesem schulterfreien, hautengen Sommerkleid, das ihre wohlgeformten Brüste, ihre schlanke Taille und ihre Hüften hervorhob. Sie trug hochhackige weiße Sandalen, und ihr kurzer Rock brachte ihre traumhaften Beine voll zur Geltung.

Und das war noch nicht alles. Sie hatte ihr dichtes rotblondes Haar gelöst, sodass es in schmeichelnden Locken auf ihre Schultern fiel und ihr feingeschnittenes Gesicht umrahmte. Auf ihrer elfenbeinfarbenen Haut lag derselbe Duft wie damals, als sie frisch verliebt waren. Ihre klaren blauen Augen blickten ihn herausfordernd an. Jake nahm die Herausforderung an. „Gehst du mit mir aus oder mit jemand anderem?“, fragte er augenzwinkernd.

Jenna legte kokett die Hände auf die Hüften. „Nun, was glaubst du?“ Dann nahm sie Handtasche und Schlüssel und stolzierte an ihm vorbei die Treppe hinunter.

Jake öffnete die Beifahrertür und half ihr in den Wagen. Als er eingestiegen war, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen: „Was werden deine Eltern davon halten, dass du mich darum gebeten hast, die Garderobe für ihre Enkelin zu entwerfen?“

Stirnrunzelnd bog Jake in die Hauptstraße ein und fuhr stadtauswärts. „Ich brauche meine Eltern nicht mehr nach ihrer Erlaubnis zu fragen, Jenna“, erwiderte er ruhig und warf ihr einen kurzen Blick zu.

„Das heißt, sie wissen es nicht“, entgegnete Jenna.

Jake spannte die Schultern an. „Das heißt, es ist mir egal, ob sie es wissen oder nicht. Das heißt, ich habe mein eigenes Leben. Genau wie du.“

Jennas Stimme veränderte sich plötzlich. „Wo ist übrigens Alex?“

„Auf der Ranch.“ Jake entspannte sich wieder. Sie hatten gerade die letzte Ampel passiert und fuhren jetzt übers Land.

„Und was ist mit deiner Frau?“

Jake konnte an ihrem Blick sehen, dass sie – wie wohl jeder in Laramie und halb Texas – gehört hatte, dass er sich ein Jahr nach der Geburt seiner Tochter von Melinda Carrington hatte scheiden lassen. „Melinda ist in Europa und versucht, über ihre Romanze mit einem italienischen Grafen hinwegzukommen. Sie würde so gern wieder heiraten, jemanden, der ihr das glamouröse Leben bietet, das sie sich wünscht. Offenbar hat das Single-Dasein seinen Reiz für sie verloren.“ Er verstand das nur zu gut. Auch er war es satt, alleine zu sein.

„Ich habe ihre Fotos in den Klatschspalten gesehen. Sie ist sehr schön.“

„Ja, oberflächlich gesehen“, bemerkte Jake.

„Und aus gutem Hause“, fuhr Jenna fort. „Deine Eltern waren sicher mit ihr einverstanden.“

Sie waren es immer noch, trotz allem. Aber er wollte darauf nicht weiter eingehen, nicht an diesem Abend mit Jenna. Er verlangsamte die Fahrt und bog in eine schmale Straße ein. Der Landgasthof war aus Naturkalkstein gebaut und lag in einem Eichenwäldchen. Sanftes Licht schimmerte durch die Fenster. „Ich hoffe, es gefällt dir. Ich wollte, dass wir unter uns sind und ungestört reden können“, erklärte er. „Ich habe den Gasthof für den Abend gemietet.“

„Du meinst, den Speisesaal?“, hakte Jenna nach.

„Nein, das ganze Haus.“

Jenna sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Du machst Scherze.“

„Nein.“

Er stieg aus dem Wagen. Wahrscheinlich hatte er wieder einen Fehler gemacht, wie so oft, wenn es um Jenna ging. Aber er war es leid, sich immer verteidigen zu müssen und ihren vorwurfsvollen Blick zu spüren, als hätte er nichts Eiligeres zu tun, als sie ins Bett zu zerren. „Ich habe Geld, und ich mache Gebrauch davon.“

Zögernd ließ Jenna sich zur Eingangstür führen. Jake ging ihr voraus durch die große Halle in den wunderschönen Speiseraum. Auf einem weiß gedeckten großen Tisch an der Wand standen silberne Kasserollen. Der Raum war über und über mit Freesien und Gladiolen geschmückt – Jennas Lieblingsblumen. Vor dem großen Kamin war ein kleinerer Tisch für zwei Personen gedeckt. Romantische Musik schwebte leise durch den Raum.

Jake goss Wein in die Gläser und hob die Abdeckung von den Salattellern.

Jenna setzte sich ihm gegenüber und sah ihn an. „Warum jetzt?“, flüsterte sie und sah plötzlich genauso unglücklich aus, wie er sich all die Jahre ohne sie gefühlt hatte.

„Weil ich nicht aufhören konnte, an dich zu denken.“ Weil ich all die Jahre dachte, ich hätte dich genug verletzt, und es wäre besser, dir fern zu bleiben. Und dann sah ich dich im Fernsehen, und es wurde mir klar, dass ich niemals jemanden so lieben würde wie dich.

Einen Moment lang dachte er, Jenna fühle genau wie er, aber der süße, nostalgische Ausdruck verschwand aus ihren Augen, und sie blickte ihn eisig an. „Schade“, sagte sie. „Es gibt nichts Schlimmeres als Zeit- und Energieverschwendung.“ Sie erhob sich.

Jake ergriff sie am Handgelenk und drückte sie auf den Stuhl zurück. „Du hast noch nicht meinen Vorschlag gehört“, sagte er ruhig. Jenna spießte ein Salatblatt auf ihre Gabel und mied seinen Blick. „Ich höre“, meinte sie in gelangweiltem Ton.

Jake griff in die Brusttasche seines Blazers und zog einen Vertrag heraus. „Ich biete dir an, dir über J&R Industries die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit du eine Bekleidungsmarke unter deinem Namen kreieren kannst.“

Jenna legte ihre Gabel hin und studierte den Vertrag sorgfältig. „Und wo ist der Haken?“

Jake hatte inzwischen seinen Salat gegessen und trank einen Schluck Wein. „Alexandra braucht eine neue Garderobe.“

Jenna sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Warum denn, wenn sie offenbar eine hat, in der sie sich wohl fühlt?“

Jake schüttelte den Kopf. „Sie soll wie eine kleine Dame aussehen“, erklärte er in bestimmtem Ton.

Jenna zog die Augenbrauen hoch und wandte sich wieder ihrem Salatteller zu. „Wer sagt das und warum?“

Jake bestrich sein Brötchen dick mit Butter. Dann begann er zögernd: „Melinda findet, dass Alex zu burschikos ist. Sie nimmt das als Beweis dafür, dass ich unfähig bin, sie zu erziehen.“

Jenna hielt inne, die Salatgabel in der Hand. „Aber du hast das Sorgerecht, oder?“

„Ja, das alleinige Sorgerecht, seit sie zwei Jahre alt ist.“ Jake trank einen Schluck Wein.

„Ist das nicht ungewöhnlich?“

„Melinda hat auf das Sorgerecht verzichtet. Sie war nur an der finanziellen Regelung interessiert.“

„Das tut mir leid. Ich weiß, wie schwer es ist, seine Mutter zu verlieren. Und in diesem Fall wäre es ja gar nicht nötig gewesen.“

Jake seufzte und stand auf, um das Hauptgericht zu holen, delikat zubereiteter Fisch, überbackene Kartoffeln und Prinzessbohnen. „Als Alex kleiner war, schien sie ihre Mutter nicht zu vermissen.“ Jake füllte die beiden Teller und brachte sie an den Tisch. „Melinda hat sich schließlich auch nicht viel um sie gekümmert, als wir noch verheiratet waren. Als sie dann auszog, wollte ich Alex nicht allein zu Hause lassen. Meine Eltern hätten sie zu sich genommen, aber ich wollte nicht, dass sie deren snobistisches Verhalten übernimmt. Also schleppte ich sie überall mit hin, wenn ich auf Geschäftsreise ging – zusammen mit Clara, die gleichzeitig als Chauffeur und Kindermädchen fungierte.“

Jenna sah Jake aufmerksam an. „Und war Alex glücklich mit dieser Regelung?“

„Ja, sehr.“ Er seufzte. „Aber als sie im vergangenen Herbst in die Schule kam und alle anderen Kinder Mütter hatten, die um ihre Sprösslinge herum scharwenzelten, war das nicht leicht für sie. Und plötzlich wollte sie keine Kleider mehr tragen – nicht, dass sie das vorher übermäßig gern getan hätte. Aber wenn es nötig war, ließ sie sich kämmen und schön anziehen.“

„Und jetzt nicht mehr?“, fragte Jenna, während der CD-Player von Trisha Yearwood auf Garth Brooks umschaltete.

„Nein. Ich vermute, sie dachte sich, wenn sie schon nicht wie alle anderen eine Mutter hatte, die mit ihr zu Hause lebte, wollte sie richtig anders sein. Ich dachte, das würde sich bald legen, und ließ sie gewähren. Aber jetzt hat Melinda von Freunden erfahren, wie wild Alex herumläuft, und ist außer sich. Sie denkt, das werfe ein schlechtes Licht auf sie selbst. Und ich weiß, dass sie als nächstes damit droht, Italien zu verlassen, wo sie die letzten Jahre verbracht hat, und versuchen wird, das Sorgerecht zu bekommen.“

„Und du willst nicht, dass sie in die Staaten zurückkommt?“, fragte Jenna und sah ihn halb spöttisch an.

Jake seufzte. „Wenn ich das Gefühl hätte, es wäre besser für Alex – wenn Melinda eine liebende Mutter wäre, dann ja. Aber sie hat so gar nichts Mütterliches an sich. Ihr liegt nur an Geld und gutem Aussehen, und an einem Mann, dessen einziges Lebensziel es ist, sie glücklich zu machen.“

„Und ich soll dir helfen, Alex umzukrempeln?“

Jake nickte. „Leider braucht sie nicht nur entsprechende Kleidung, sondern auch einen Benimmkurs, bevor ihre Mutter aufkreuzt.“

Jenna zog eine Grimasse. „Könnte das nicht besser deine Mutter übernehmen?“

Jake schüttelte den Kopf. Er liebte seine Mutter, aber er wusste auch, dass sie belehrend und ungeduldig war. „Nein, du bist die Richtige für diesen Job.“

Jenna sah ihn zweifelnd an und stand auf, um zu sehen, was sonst noch auf der Tafel angerichtet war. Jake trat neben sie.

„Betrachte es als Freundschaftsdienst“, sagte er und nahm sich ein Stück Schokoladenkuchen, während Jenna sich am Käsekuchen und warmen Pfirsich-Heidelbeer-Pudding bediente. „Ich brauche deine Hilfe dringend.“

Sie gingen zum Tisch zurück. Jenna schüttelte den Kopf. „Nachdem du mich so behandelt hast …“

Jake hatte genug davon, als Sündenbock dazustehen. „Hey! War ich es oder du, die kalte Füße bekam, als wir heimlich abhauen wollten?“

Jenna verdrehte die Augen und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. „Du weißt sehr gut, dass deine Eltern uns mit den Koffern in der Hand erwischten.“

Autor

Cathy Gillen Thacker
Cathy Gillen Thackers erster Schreibversuch war eine Kurzgeschichte, die sie in der Mittagsstunde ihrer Kinder zu Papier bringen wollte. Monate später war ihre Kurzgeschichte auf Buchlänge angewachsen und stellte sich als Liebesroman heraus. Sie schrieb sechs weitere Romane, bevor ihr achter von einem Verlag angenommen und 1982 veröffentlicht wurde.

Seitdem hat...
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