Mit dem Hochzeitsexpress in die Weihnachtszeit (2 Miniserien)

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BLITZHOCHZEIT MIT DEM SPANISCHEN MILLIARDÄR

"Heiraten? Ich? Niemals!” Zuerst lacht Lydia über den Vorschlag des spanischen Playboys Raul Perez Valdez. Bis ihr erschüttert klar wird, dass es gar kein Vorschlag ist: Ihr Vater, der vor dem Bankrott steht, hat sie praktisch an Raul verkauft! Eine letzte Möglichkeit hat die hübsche Engländern, aus dieser Falle zu entkommen: Sie muss irgendwie Rauls illegitimen Halbbruder finden, dann ist eine alte Schuld beglichen. Gelingt es ihr, gibt Raul sie frei. Gelingt es ihr nicht, ist ihre Hochzeit mit dem skrupellosen Milliardär in Madrid besiegelt …

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  • Erscheinungstag 05.12.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729073
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Rachael Thomas, Alison Roberts, Fiona Mcarthur

Mit dem Hochzeitsexpress in die Weihnachtszeit (2 Miniserien)

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2017 by Rachael Thomas
Originaltitel: „Valdez’s Bartered Bride“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 202018 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Natasha Klug

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733710446

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
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PROLOG

„Du erwartest wirklich, dass ich das durchziehe?“ Raul Valdez’ Stimme klang wie ein Donnergrollen.

„Die Schuld muss beglichen werden, und – ob es dir nun gefällt oder nicht – der Vertrag, den dein Vater vor seinem Tod mit Henry Carter-Wilson geschlossen hat, besitzt nach wie vor Gültigkeit. Als Vorstandsmitglied muss ich darauf bestehen.“

Raul fluchte wild. „Komm schon, Carlos, das kannst du nicht ernst meinen!“

„Leider doch. Und als langjähriger Freund der Familie bitte ich dich inständig: Hör auf, nach jemandem zu suchen, der nicht gefunden werden will, und heirate das Mädchen – so wie dein Vater es ganz offensichtlich beabsichtigt hat. Nach zwei Jahren, wenn die Schuld beglichen ist, reichst du die Scheidung ein.“

Heiraten! Raul konnte nicht glauben, dass ausgerechnet Carlos das von ihm verlangte.

Unbändige Wut kochte in ihm hoch. Wie hatte sein Vater so etwas tun können? Aber das war nicht wirklich die Frage. Es war Raul nie gelungen, die Anerkennung seines Vaters zu gewinnen, ganz gleich wie sehr er sich auch bemüht hatte. Dies hier war nur ein weiterer Schlag gegen den Sohn, den er nie gewollt hatte.

„Du lässt es so einfach klingen.“ Raul atmete tief durch, trat ans Fenster und blickte über Madrid hinweg, das im goldenen Licht der Spätsommersonne badete. Auf dem Papier sah es auch leicht aus. Doch heiraten war etwas, dass Raul niemals gewollt hatte.

„Es ist einfach“, erklärte Carlos nüchtern. „Du musst lediglich zwei Jahre mit einer Frau zusammenleben, die zudem noch wunderschön ist. Danach steht es dir frei, dich wieder scheiden zu lassen.“

„Ich habe nicht die Absicht, jemanden zu heiraten. Niemals.“ Raul fing an, im Büro auf und ab zu laufen. Der Zorn über das, was sein Vater getan hatte, vermischte sich mit der Furcht, von ihm kontrolliert zu werden – ein heftiger Cocktail.

Er blieb stehen und ließ den Blick abermals über Madrid schweifen. Dabei versuchte er, seinen Zorn unter Kontrolle zu bringen. Ein paar Minuten lang blieb er so stehen und wandte Carlos Cardozo den Rücken zu – dem Mann, der mehr für ihn dagewesen war als sein eigener Vater.

Mein Vater …

Was für ein Witz.

Raul hatte immer gewusst, dass er eine Enttäuschung für ihn gewesen war. Doch mit dem, was er nach Maximiliano Valdez’ plötzlichem Tod erfahren musste, hatte selbst er nicht gerechnet. Er hätte nicht gedacht, dass sein Vater ihn wirklich hasste. Doch er wäre auch nie auf die Idee gekommen, dass er noch eine andere Familie haben könnte.

Einen anderen Sohn.

„Die einzige Alternative ist, deinen Halbbruder zu finden.“ Carlos’ ruhige Stimme holte ihn aus seinen düsteren Gedanken zurück in die Gegenwart. „Was bedeuten würde, dass du dein Erbe teilen musst – und damit alles, was du für dieses Unternehmen getan hast.“

Raul wirbelte herum. Dies war ein Detail, das der Anwalt seines Vaters nur ihm enthüllt hatte – und das er bislang zurückgehalten hatte. Woher wusste Carlos davon?

„Du weißt von ihm?“

„Ja.“ Carlos begegnete seinem Blick herausfordernd.

„Wie lange schon?“

„Lange genug, um zu wissen, welche Wirkung diese Nachricht auf dich haben würde.“ Carlos’ Stimme klang weicher, als er zu ihm herüberkam.

Bis zur Testamentseröffnung vor zwei Monaten hatte Raul nichts von der Existenz seines Halbbruders geahnt. Carlos jedoch hatte offenbar schon länger von dem Doppelleben seines Vaters gewusst.

„Und du meintest nicht, dass ich darüber Bescheid wissen sollte?“ Seine Wut flammte erneut auf. Er funkelte Carlos an, der Geschmack von Verrat schmeckte bitter auf seiner Zunge.

„Ich hätte nie gedacht, dass dein Vater es zur Bedingung in seinem Testament machen würde, ihn zu finden. Oder dass er mit dieser Aufgabe einen so großen finanziellen Anreiz verbinden würde.“

Großer finanzieller Anreiz. Das war ja wohl die Untertreibung des Jahrhunderts!

„Also bleibt mir nur das – oder eine Frau zu heiraten, die ich kaum kenne.“

„Die Heirat scheint mir die leichtere Option zu sein.“

„Ist das so?“ Raul konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen. Davon abgesehen ließ ihn der Gedanke nicht los, dass sein Bruder irgendwo dort draußen war.

„Ja, ist es. Du bist deines Vaters Sohn. Die Ehe wird dir leichtfallen. Und sie ist sehr viel besser, als alles zu teilen, wofür du hart gearbeitet hast.“

Raul wandte sich ab. Seine Welt stand Kopf. Um das Finanzunternehmen zu erben, das er aus eigener Kraft zu einem globalen Unternehmen aufgebaut hatte, musste er eines von zwei Übeln wählen: Entweder er beglich eine alte Schuld, indem er die Tochter eines Schuldners heiratete, oder er erkannte seinen Halbbruder an und brachte ihn als gleichwertigen Partner ins Unternehmen ein. In letzterem Fall bekäme er eine große Summe Geld, mit der er die Schuld auch ohne eine Heirat ausgleichen konnte. Sollte er sich entscheiden, nichts von beidem zu tun, würde die Firma an den Höchstbietenden verkauft werden.

Die Tatsache, dass sein Vater ein riesiges Vermögen versteckt hatte, machte deutlich, mit wie viel Kalkül der alte Mann vorgegangen war. Er hatte sogar das Risiko in Kauf genommen, die eigene Firma zu verlieren – was die Mitarbeiter der Banco de Torrez ihre Jobs kosten könnte.

„Ich hatte keine Ahnung, dass mein Vater so manipulativ war. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich von seinem anderen Leben eine Ahnung gehabt hätte.“

„Er ist dein Vater gewesen. Bedeutet dir das gar nichts?“ Carlos streckte die Hand nach ihm aus, doch Raul trat von ihm weg. Dieser Mann war nicht der Freund, für den er ihn immer gehalten hatte. Zumindest nicht sein Freund.

„Ich bin fertig mit meinem Vater, und das verdammte Erbe ist mir egal“, stellte Raul klar. „Ich brauche das alles hier nicht.“

Er ging in Richtung Tür. Soweit es ihn betraf, war diese Unterhaltung beendet. Es gab nichts weiter zu sagen.

„Was ist mit deiner Mutter?“

Carlos’ Worte ließen ihn innehalten.

Raul holte tief Luft, während seine Hände sich zu Fäusten ballten. Seine Mutter war so ziemlich der einzige Grund, warum er die vergangenen zwei Monate damit verbracht hatte, seinen Halbbruder zu suchen. Er wollte nicht, dass sie aus der Presse – oder von sonst jemandem – vom Doppelleben ihres verstorbenen Ehemannes hörte. Das würde sie nicht überstehen.

„Du kannst nicht einfach gehen, richtig? Du kannst nicht riskieren, dass sie durch schlüpfriges Gerede in der Regenbogenpresse davon erfährt.“ Carlos forderte ihn heraus. Schon wieder.

Verdammt, der Mann wusste wirklich, wie man eine Situation zu seinem Vorteil drehte.

Raul wirbelte herum. „Nein, kann ich nicht. Nicht um das Glück meiner Mutter willen – oder das der Mitarbeiter, deren Jobs davon abhängen, dass ich entweder meinen Halbbruder finde oder ein verwöhntes reiches Mädchen heirate. Aber ich verachte meinen Vater dafür.“

„Warum wählst du dann nicht die einfache Alternative und heiratest diese Lydia?“

„Dazu wird es niemals kommen“, fauchte Raul. Nach dem Beispiel der Ehe, die er miterlebt hatte, war er tausendmal eher bereit, einen Fremden in seinem Leben willkommen zu heißen, als zu heiraten. Verdammt, soweit es ihn betraf, konnte sein Bruder das gesamte Erbe behalten, solange die Angestellten ihre Arbeit ebenso behalten durften wie seine Mutter das Trugbild über ihren Ehemann.

„Der Vorstand wird langsam unruhig, Raul. Sie befürchten, dass du deinen Einfluss verloren hast, ganz besonders, nachdem der Lopez-Deal geplatzt ist.“

Damit sprach Carlos einen weiteren wunden Punkt an. Er weckte in Raul das instinktive Bedürfnis, ihm und jedem Vorstandsmitglied das Gegenteil zu beweisen. Ein geplatzter Deal war nicht das Ende der Welt.

„Was das betrifft, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, entgegnete er. „Ebenso wenig wie bei der Suche nach meinem Halbbruder.“

„Die Schuld muss vor Ablauf des Jahres beglichen werden. Und besser früher, wenn es irgend möglich ist.“

„Bis dahin sind es noch drei Monate. Ich werde meinen Halbbruder vorher finden, die verfluchte Schuld begleichen und den Skandal von meiner Mutter fernhalten.“

„Und wenn nicht, wirst du Miss Lydia Carter-Wilson treffen müssen.“

„Wenn sie auch nur entfernt Ähnlichkeit mit der Person hat, die sie vor zehn Jahren gewesen ist, würde ich es vorziehen, das Unternehmen zu verlieren.“

Alles in Raul sträubte sich bei der Erinnerung an das alberne sechzehnjährige Mädchen, das ihn mit ihrem Hundeblick verfolgt hatte. Hatte sein Vater damals angefangen, ihrem Vater Geld zu leihen?

„Was ist mit all den Menschen, die ihre Arbeitsstellen verlieren werden? Du bist nicht der Typ Mann, der Unternehmen vernichtet, Raul. Sie retten und auf sichere Beine stellen, das ist deine Art. Und ich weiß, dass du noch nie einer Herausforderung widerstehen konntest.“

Carlos’ Worte entsprachen der Wahrheit, doch Raul war zu wütend, um es sich einzugestehen.

„Ich brauche mehr Zeit“, forderte er.

„Wenn du deinen Halbbruder bis Ende November nicht gefunden hast, erwarte ich von dir, dass du deine Verlobung mit Lydia Carter-Wilson verkündest.“

„Und wenn sie nicht will?“

Carlos lachte. „Du wirst sie schon überzeugen, Raul. Dein Charme bei den Damen hat dich schließlich noch nie im Stich gelassen …“

1. KAPITEL

Zwei Monate später.

Lydia bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor – und sie würde gewinnen. Sie musste gewinnen. Über sechsundzwanzig Jahre lang hatte sie die Kunst perfektioniert, ihre Gefühle vor ihrer Umwelt zu verbergen. Und nun würde sie von dieser Fähigkeit profitieren.

Raul Pérez Valdez würde nicht wissen, wie ihm geschah.

Zehn Jahre war es her, dass er ihr das Gefühl gegeben hatte, nichts als ein unbedeutendes, verwöhntes reiches Mädchen zu sein. Sie hasste ihn dafür. Seit sie als Kind zu ihrer Großmutter gekommen war, kämpfte sie nun schon darum, dieses Stigma abzuschütteln.

Jeden Moment würde er erscheinen und sich zu ihr an den Tisch in einem von Londons Top-Restaurants setzen, das er in der pöbelhaften E-Mail, die er ihr geschickt hatte, als neutrales Territorium bezeichnet hatte.

Minuten verstrichen. Er war spät dran. Die Uhrzeit, die er ihr genannt hatte, war bereits verstrichen. Gehört das zu seiner Strategie? Versucht er, mich nervös zu machen? Oder hatte er sich gegen den aberwitzigen Deal entschieden, den sein Vater zusammen mit ihrem ausbaldowert hatte?

Bedeutete das, dass es ihr jetzt freistand, ihr Leben weiterzuleben, ohne die Bedingungen der Vereinbarung zu berücksichtigen, in die sie ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen hineingezogen worden war? Mit diesem Handel hatte ihr Vater einen neuen moralischen Tiefpunkt erreicht. Und von ihr wurde erwartet, dass sie den Preis zahlte.

Doch sie hatte genug von alldem. Sie schuldete ihrem Vater gar nichts. Nicht nach all den Jahren, in denen er sie einfach ignoriert hatte – es sei denn, sie diente seinem Vorteil. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie als Sechzehnjährige dem Mann vorgeführt worden war, den sie gleich treffen würde. Sie hatte sich gefühlt wie eine Zuchtstute. Doch wirklich erfolgreich war ihr Vater nicht gewesen – das hatte sie zumindest bisher angenommen.

Mit einem ärgerlichen Schnauben nahm Lydia ihre Tasche und stand auf. Sie würde keine Zeit mehr auf Raul Valdez verschwenden. Wenn er wollte, dass sie die Schuld ihres Vaters beglich, dann musste er zur Abwechslung einmal ihr hinterherlaufen.

„Wollen Sie irgendwo hin?“

Sie drehte sich um und blickte in das Gesicht eines ungemein attraktiven Mannes. Er hatte sich stark verändert, doch an den tiefschwarzen Augen erkannte sie, dass es sich zweifellos um Raul Pérez Valdez handelte, Inhaber der spanischen Investmentbank, bei der ihr Vater einen geradezu spektakulär hohen Schuldenberg angehäuft hatte.

Sein Gesicht war scharf geschnitten. Lydia spürte, wie etwas tief in ihrem Inneren zu flattern begann – auf direktem Konfrontationskurs zu ihren Erinnerungen an ihn. Damals war sie ein leicht zu beeindruckendes Mädchen gewesen, aber heute … Sie schob das seltsame Gefühl in ihrem Bauch beiseite.

„Unsere Verabredung war vor zehn Minuten.“ Ihre scharfen Worte zeigten bei ihm keine Wirkung. Lediglich eine seiner Brauen hob sich ein wenig.

Sie funkelte ihn an und hoffte, dass sie genug von der eisigen Kälte ausstrahlte, für die sie berühmt – oder eher berüchtigt – war. Die Zeiten, in denen sie eine leicht zu beeindruckende Sechzehnjährige gewesen war, lagen lange hinter ihr.

Lydia versuchte, sich zu konzentrieren, während sie ihren Blick über ihn schweifen ließ. Sie hasste es, dass sie erneut dieses leise Prickeln verspürte, als sie bemerkte, dass er dasselbe bei ihr tat.

„Ich entschuldige mich für meine Verspätung“, sagte er schließlich und rückte ihr den Stuhl zurecht, von dem sie gerade aufgestanden war. Sein Gesichtsausdruck machte mehr als deutlich, dass er von ihr erwartete, sich zu setzen.

„Wenn dieses Treffen wirklich so wichtig ist, wie Sie angedeutet haben, dann wären Sie sicher nicht zu spät gekommen, Mr. Valdez.“ Ihr Ärger darüber, wie ihr Körper auf ihn reagierte, verlieh ihrer Stimme einen scharfen Klang.

Er blieb davon völlig ungerührt. „Wir sind beide in einer Position, die sich keiner von uns ausgesucht hat, Miss Carter-Wilson. Und da ich die Lösung für unser Problem habe, schlage ich vor, dass Sie sich setzen.“

Sie bemerkte jetzt, dass seine Miene doch etwas angespannt wirkte. Aber das war tatsächlich das einzige Anzeichen dafür, dass sie seine Geduld strapazierte.

„Sie meinen die geradezu bizarren Bedingungen in dem Vertrag, den ihr Vater meinem aufgezwungen hat?“ Das Gefühl von Hilflosigkeit, mit dem sie nun schon seit mehreren Wochen kämpfte, breitete sich erneut in ihr aus.

„Ganz genau.“

Wie kann er angesichts der Situation nur so ruhig bleiben? Das machte sie ganz wahnsinnig.

„Diese Bedingungen können ohnehin nie durchgesetzt werden.“ Sie merkte, dass sie anfing zu faseln, wie immer, wenn sie nervös wurde. Lydia schluckte die Worte hinunter, die ihr bereits auf der Zunge lagen. Er sollte denken, dass sie ruhig und beherrscht war. Ihm ebenbürtig.

„Wenn Sie sich hinsetzen, können wir uns vernünftig darüber unterhalten.“ Er deutete auf den Stuhl und hob erneut eine Braue.

Mit einem leisen Seufzen nahm sie Platz. Der Drang, stets das Ruder in der Hand zu halten, ließ sie erneut sprechen, noch ehe Raul sich ihr gegenüber hingesetzt hatte.

„Im einundzwanzigsten Jahrhundert können zwei Menschen nicht zu einer Heirat gezwungen werden, nur weil irgendein alberner Vertrag das so vorsieht.“ Sie atmete tief durch. Es fiel ihr noch immer schwer zu glauben, dass sie wirklich in diesem Albtraum feststeckte.

„Deswegen bin ich hier, um …“

„Nein!“ Lydia fiel ihm ins Wort, wütend auf ihren Vater, der so dumm gewesen war, einen Vertrag mit so grässlichen Bedingungen zu unterschreiben. Noch wütender war sie aber auf diesen kühlen, selbstherrlichen Mann, der angesichts dieser Abscheulichkeit vor ihr saß und die Dreistigkeit hatte, vollkommen ruhig und vernünftig zu wirken. „Mr. Valdez, es ist mir vollkommen egal, was in diesem Vertrag steht. Ich werde Sie nicht heiraten. Niemals.“

Seine Mundwinkel zuckten. Es war nur der Anflug eines Lächelns, doch ihr Puls raste auf einmal. Warum musste er nur so sexy sein?

„Nun, zumindest in dem Punkt sind wir uns einig.“ Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, die dunklen Augen auf sie gerichtet. „Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich keineswegs daran interessiert bin, ein verwöhntes reiches Mädchen zu meiner Ehefrau zu machen.“

Seine Meinung über sie hatte sich also nicht geändert. „Das bin ich nicht.“

Sie kämpfte gegen den Drang an, einfach aufzuspringen und zu gehen. Doch ihr Anwalt hatte ihr gesagt, dass die Bedingungen, die im Vertrag ihres Vaters mit der Banco de Torrez festgelegt waren – ganz gleich wie bizarr sie auch erscheinen mochten –, vor Gericht standhalten würden. Darum blieb sie.

Vorerst.

„Was ist mit all dem Grundbesitz? Vieles davon ist Millionen wert. Ihr Vater hat alles auf Ihren Namen umschreiben lassen, um es zu verstecken, während er monatelang den Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, die er mit meinem Vater vereinbart hatte.“ Raul verschränkte die Arme vor der Brust, was nur noch unterstrich, wie durchtrainiert er war. Seit wann bemerkte sie solche Dinge bei einem Mann überhaupt?

„Davon weiß ich nichts. Doch wenn sie auf meinen Namen laufen und tatsächlich so viel wert sind, wie Sie sagen, werde ich alles verkaufen und die Schuld damit begleichen.“

Sein Blick verriet ihr, dass er ihr nicht glaubte. War er wirklich so ein rücksichtsloser Geschäftsmann, wie die Berichte vermuten ließen, die sie im Internet über ihn gelesen hatte? Sie hatte gehofft, sich mit ihm einigen zu können. Ihm wurde nachgesagt, dass er niemals zweimal mit derselben Frau ausging. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich durch eine Heirat binden wollte, war also verschwindend gering.

„Ich wäre sehr froh, ein solches Angebot akzeptieren zu können …“

„Gut.“ Lydia stand auf, erleichtert, dass diese absurde Unterhaltung vorüber war. „Dann können Sie diesbezüglich mit meinem Anwalt Kontakt aufnehmen.“

„Fallen Sie Leuten immer ins Wort?“

Die Frage ließ sie innehalten, als sie zum zweiten Mal an diesem Abend aufbrechen wollte. Sie schaute ihn an, ihr Herz hämmerte wie verrückt.

Verdammt!

Raul war noch nie einer Frau begegnet, die so selbstbewusst und unverschämt und zugleich so schön und anziehend war wie Lydia Carter-Wilson. Sie wollte ganz offensichtlich nicht hören, was er ihr zu sagen hatte. Dabei fand er die Lösung, die er ihr vorschlagen wollte, durchaus akzeptabel. Doch offensichtlich interessierte sich diese feurige Schönheit nur für sich selbst. Sie hatte sich kein bisschen verändert, seit er sie vor zehn Jahren zum ersten Mal getroffen hatte. Zugegeben, sie war seitdem zu einer schönen und anziehenden Frau herangereift, doch sie war noch immer ein verwöhntes reiches Mädchen. Daddys kleine Prinzessin – und eine Lügnerin obendrein.

Er drängte die irrationale Wut zurück, die jedes Mal in ihm hochkochte, wenn er daran dachte, was sein Vater getan hatte. Ein finaler Hieb gegen den Sohn, den er nie gewollt hatte. Der Gedanke daran drohte in Raul all die Bitterkeit und Verachtung hochkochen zu lassen, die er seit dem Tod seines Vaters vor fünf Monaten unterdrückte. Sein alter Herr hatte genau gewusst, dass er sterbenskrank war, und sein Testament extra geändert, um ihn noch ein letztes Mal zu demütigen.

„Nein“, antwortete sie und riss ihn aus seinen Grübeleien. „Für gewöhnlich nicht. Aber ich hatte auch noch nie das zweifelhafte Vergnügen, mit einem Mann wie Ihnen zu Mittag zu essen.“

Er konnte ein Lächeln nicht zurückhalten. Sich mit dieser Sache herumschlagen zu müssen war definitiv unerfreulich. Dass es aber auch amüsant werden könnte, damit hatte er nicht gerechnet.

Diese Frau war eine echte Kratzbürste. Wie sie das Kinn hob, das Blitzen in ihren Augen … Es feuerte etwas in ihm an, das mehr war als reine Lust. Etwas, in das er niemals und unter keinen Umständen verwickelt werden wollte.

Gleichzeitig führte sie ihn mit ihrem sexy Körper in Versuchung, der förmlich danach schrie, in Besitz genommen zu werden. Doch Raul war nicht wie sein Vater. Er würde sich nicht einfach von seinen niederen Instinkten leiten lassen. Seinen Ruf als Playboy hatte er nicht umsonst, doch er war reiner Selbstschutz. Er weigerte sich, eine emotionale Bindung einzugehen, und hatte vor, auf ewig Single zu bleiben.

„Und was genau macht einen Mann wie mich aus?“

Sein Sticheln ließ das Feuer in ihren grünen Augen wieder aufflackern. Er fühlte sich an das frische Frühlingslaub der Bäume im Retiro Park in seiner Heimatstadt Madrid erinnert.

„Dass er denkt, er muss eine Frau nur anlächeln, damit sie ihm zu Füßen liegt – oder in seinem Bett landet.“

Er lachte leise. „In meinem Bett?“

„Machen Sie sich ja nicht über mich lustig“, fauchte sie.

Für einen winzigen Moment flackerte vor seinem geistigen Auge ein Bild auf, von ihr in seinem Bett …

Hastig schob er es beiseite.

„Vielleicht sollten wir versuchen, die ganze Situation mit ein bisschen Humor anzugehen. Und nun setzen Sie sich wieder – bitte. Die arme Kellnerin weiß ja nicht, ob wir gehen oder bleiben.“

Er beobachtete, wie Lydia sich der Kellnerin zuwandte, die einen zweiten Anlauf machte, zu ihnen an den Tisch zu treten. Er mochte es, wie Lydias braune Locken hüpften, als sie sich bewegte. Sie strich sich eine widerspenstige Strähne hinters Ohr zurück. Eine Aura von Verletzlichkeit umschwebte sie, doch er kaufte ihr das nicht ab. Sie war verwöhnt und daran gewöhnt, ihren Willen durchzusetzen. Aber verletzlich? Nein.

„Ich finde nicht, dass es ein Grund zum Lachen ist, wenn man zu einer Heirat gezwungen werden soll.“ Sie bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund, der ihn kurz wünschen ließ, dies wäre ein echtes Date, und er könnte sie küssen. Aber solche Gedanken waren natürlich vollkommen unangebracht.

Dies war weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, um sich ablenken zu lassen.

„Da sind wir uns durchaus einig.“ Er winkte die Kellnerin heran und beobachtete, wie Lydia die Menükarte entgegennahm. Sie hielt sie wie ein Schild vor sich. Zum Schutz vor ihm oder der ganzen Situation?

Ihre langen Wimpern warfen Schatten auf ihre Wangen, als sie die Karte studierte. Er nutzte die Gelegenheit, um sie noch ein wenig genauer zu betrachten. Ihre Haut war hell – ganz offensichtlich hatte sie den Sommer nicht auf einem ihrer Anwesen am Mittelmeer verbracht. Die Karte bebte leicht. Er fragte sich, ob es wirklich möglich sein konnte, dass diese unverfrorene Frau nervös war. Wahrscheinlich handelte es sich vielmehr um Zorn.

Zorn war gut. Er würde ihnen helfen, dieses Chaos zu beseitigen, das ihre Väter für sie angerichtet hatten.

Sie bestellte, und es überraschte ihn, wie sanft und freundlich ihre Stimme klang. Ganz anders als der harsche Tonfall, den sie ihm gegenüber anschlug. Wie würde sie sich wohl anhören, wenn die Situation zwischen ihnen eine andere wäre? Würde diese Sanftheit ihn dazu verleiten, sie mit nach Hause in sein Bett zu nehmen?

Alarmiert darüber, dass seine Gedanken erneut in gefährliche Gewässer abdrifteten, schüttelte er den Kopf und gab seine Bestellung auf.

„Wie genau sollen wir nun mit dieser Situation umgehen? Was schlagen Sie vor?“

Die Weichheit war vollkommen verschwunden. Stattdessen schleuderte sie ihm die Frage regelrecht entgegen. Er fragte sich, warum sein Vater angenommen hatte, dass sie eine geeignete Ehefrau für ihn abgeben würde. Wegen ihres Vermögens? Oder weil ihr Vater ebenso rücksichtslos war wie sein eigener es gewesen war – und darüber hinaus auch noch schwach?

Raul betrachtete sie eindringlich. „Sie verfügen über beträchtliche Immobilienwerte, die Ihr Vater als Sicherheit genutzt hat. Die Vereinbarung ist mehr als deutlich, worüber ich Ihren Anwalt auch schon informiert habe.“

„Ich sagte bereits, dass ich mit Freuden alles verkaufen werde, um die nötige Geldsumme aufzubringen“, unterbrach sie ihn erneut.

„Das wäre natürlich eine vernünftige Lösung – ist aber leider nicht möglich. Mein Vater hat diese Sicherheiten zu einem Bestandteil der Bedingungen seines Testaments gemacht.“ Wieder kochte Wut in ihm hoch, wenn er nur daran dachte.

„Sein Testament?“ Lydia atmete scharf ein. Er begriff, dass sie davon bisher nichts gewusst hatte. „Mein Beileid. Ich hatte keine Ahnung …“

„Bitte, verschwenden Sie Ihr Mitgefühl nicht an mich. Mein Vater und ich standen uns nicht nah.“

Das war eine Untertreibung. Raul hatte schon vor zehn Jahren sämtlichen Respekt für seinen Vater verloren, als er Affären mit Models und Schauspielerinnen angefangen hatte, die das Rampenlicht suchten und von seinem Reichtum profitieren wollten. Dass jeder von ihm erwartete, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, hatte ihn anfangs geärgert. Bis er begriff, dass er es nutzen konnte, um Frauen emotional auf Abstand zu halten.

Ihr Wein wurde serviert. Raul kostete und nickte der Kellnerin freundlich zu. „Sehr gut, vielen Dank.“

Lydia, die ihn die ganze Zeit über skeptisch gemustert hatte, runzelte die Stirn. „Ich sehe, dass jedes Mitgefühl an Sie Verschwendung wäre.“

Ihre scharfen Worte flogen wie Dolche durch die Luft auf ihn zu. Innerlich ließ ihre Unverblümtheit ihn zusammenzucken, doch er ließ es sich nicht anmerken. Er war daran gewöhnt, seine Gefühle vor anderen zu verbergen. Und im Augenblick kam ihm das wirklich sehr gelegen.

„Sollen wir nun also unsere Möglichkeiten besprechen?“ Um ihr keine Gelegenheit zu geben, ihn erneut zu unterbrechen, sprach er sofort weiter: „Ich bin nicht daran interessiert, irgendjemanden zu heiraten – und schon gar nicht Sie. Aber die Bedingungen meines Vaters waren glasklar. Nach seinem Tod ist unsere Heirat der einzige Weg, die Schuld Ihres Vaters zu begleichen. Es sei denn, natürlich, Sie haben eine solche Summe auf der hohen Kante.“

„Warum kann ich nicht einfach den Grundbesitz veräußern?“ Ungläubig schaute sie ihn an.

„Obwohl die Immobilien auf ihren Namen laufen, hat ihr Vater dafür gesorgt, dass Sie sie nicht verkaufen können. Zudem bleiben sie nur bis zu Ihrer Heirat in Ihrem Besitz und gehen danach in das Eigentum Ihres Ehemannes über.“

„Was?“

„Es ist schwer zu glauben, aber ich fürchte, es entspricht den Tatsachen. Es ist außerdem leider so, dass mein Vater das genau wusste, als er den Vertrag formulierte. Genauso, wie er wusste, dass er bald sterben würde. Er hat praktisch dafür gesorgt, dass ich die Schulden Ihres Vaters erbe. Und damit auch Sie, als meine Braut.“ Raul erinnerte sich sehr gut an das Gesicht seines Anwalts, dessen Augen stumm um Verzeihung gebeten hatten. Und an seine Worte, die noch einmal unterstrichen hatten, wie sehr sein Vater ihn verabscheut haben musste. „Ich habe versucht, ihn davon abzuhalten, aber er war unerbittlich.“

„In welchem Jahrhundert leben wir denn?“ Lydias anfänglicher Schreck war in Wut umgeschlagen. „Was haben die sich nur dabei gedacht?“

„Es macht den Anschein, dass wir beide nicht viel mehr als Bauern in ihrem kranken kleinen Spiel sind. Und ich finde, dass es an der Zeit ist, das Ruder zu übernehmen und ihre Pläne zu durchkreuzen.“

„Nun, zumindest sind wir uns jetzt einig. Ich habe nicht vor, jemanden zu heiraten, der mich nur will, weil ich etwas habe, was er braucht. Diesen Fehler habe ich schon einmal fast begangen, und ich gedenke nicht, ihn zu wiederholen.“

„Warten Sie auf die große Liebe, Lydia?“

Es war das erste Mal, dass er ihren Vornamen benutzte, und es schockierte ihn selbst, wie leicht er ihm über die Zunge kam. Unter anderen Umständen wäre er vermutlich versucht gewesen, die Hand auszustrecken und ihr das Haar aus dem schönen Gesicht zu streichen. Doch das durfte er nicht. Er war nicht darauf aus, sich in einer Ehe gefangen setzen zu lassen. Für den Augenblick war es besser, die Rolle des knallharten Geschäftsmannes weiterzuspielen.

Lydias Herz machte einen Satz, als Raul ihr tief in die Augen schaute und von Liebe sprach. Jede Faser ihres Körpers schien zu vibrieren, und jeder Blick, jede seiner Bewegungen intensivierte das Gefühl noch. Doch das Wort Liebe hatte auf sie dieselbe Wirkung wie eine Felswand auf einen heranrasenden Zug.

„Ich habe nicht vor, meine Zeit zu verschwenden, indem ich auf so etwas wie Liebe hoffe.“

Unwillkürlich dachte sie an den Mann, von dem sie geglaubt hatte, ihn zu lieben. Und von dem sie angenommen hatte, dass er ihre Gefühle erwiderte. Zumindest, bis sie herausgefunden hatte, dass er es sich zum Ziel gesetzt hatte, seine Liebe so vielen Frauen wie nur irgend möglich zu schenken.

Zu dem Zeitpunkt waren Daniel und sie, sehr zum Verdruss ihres Vaters, bereits verlobt gewesen. Und nur, um ihrem alten Herrn zu beweisen, dass sie ihre eigenen Entscheidungen traf, willigte sie ein, Daniel zu verzeihen.

Heute bereute sie diese Entscheidung zutiefst. Es wäre beinahe besser gewesen, die ‚Ich-habe-es-dir-ja-gleich-gesagt‘-Litanei ihres Vaters zu ertragen. Die Demütigung, von Daniel verlassen zu werden, als sie ihm nichts mehr zu bieten hatte, war entsetzlich schmerzhaft gewesen.

„Warum so zynisch, Lydia? Suchen Sie denn nicht nach Ihrem Mister Right – dem Mann, mit dem sie glücklich zusammenleben werden bis ans Ende Ihrer Tage?“

Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Für wen hielt er sich, dass er sich über solche Träume lustig machte?

„Ein gebranntes Kind scheut nun einmal das Feuer. Aber wir sind doch nicht hier, um so einen Unsinn wie die Liebe zu diskutieren, oder?“

„Nein, sind wir nicht.“ Jetzt klang er ungeduldig. Oder ärgerlich? „Wir sind hier, weil Ihr Vater seinen Kredit nicht zurückgezahlt hat.“

Ehe er weitersprechen konnte, fiel ihm Lydia abermals ins Wort. Dabei konnte sie ihr Vergnügen über seinen unmutigen Gesichtsausdruck nicht verbergen. „Und weil Ihr Vater es für angemessen hielt, diesen Zahlungsverzug auf die verschlagendste und unethischste Art und Weise auszunutzen.“

„Da stimme ich Ihnen zu“, entgegnete er und beugte sich zu ihr vor. Der Blick seiner dunklen Augen war so bohrend, dass sie nicht wegsehen konnte. „Deshalb sind wir hier. Um uns selbst vor einer Ehe zu bewahren, die ich nicht will – und die Sie anscheinend ebenso wenig wollen.“

„Ich verstehe immer noch nicht, warum ich Ihnen nicht einfach ein paar Grundstücke überschreiben oder sie verkaufen kann, um die Schuld zu begleichen.“ Sie bereute inzwischen, dass sie sich nicht mit ihrem Anwalt getroffen hatte, sondern nur ein hastiges Telefonat mit ihm geführt hatte. Von dem, worüber er sie informiert hatte, war nur die Hälfte wirklich zu ihr durchgedrungen. Doch das hatte schon gereicht. Sie konnte noch immer kaum glauben, dass ihr Vater das wirklich getan hatte.

„Sie besitzen sie nicht, Lydia. Sie gehören Ihnen erst, wenn Sie heiraten – und zu diesem Zeitpunkt gehen sie in den Besitz Ihres Ehemannes über.“

Lydia erinnerte sich an einen Streit mit ihrem Vater, der fast ein Jahr zurücklag. Es war bei einem der seltenen Aufeinandertreffen von Vater und Tochter gewesen. Ihr Vater war an dem Tag sehr selbstzufrieden gewesen und hatte ihr mitgeteilt, dass er einen Ehemann für sie gefunden hätte und ihr dieses Mal gar keine andere Wahl bliebe, als zu gehorchen.

Sie hatte natürlich abgelehnt und ihm erklärt, dass Daniel und sie verlobt waren. Doch das hatte ihn nicht davon abgehalten, weiter seine Intrigen zu spinnen. Dass er ein riesiges Immobilienportfolio in ihrem Namen erstellt hatte, auf das sie erst nach ihrer Hochzeit Zugriff erhielt, hatte sie nicht gewusst.

„Und damit meinen Sie doch sicher sich selbst.“ Sie stellte ihr Weinglas auf dem Tisch ab und funkelte ihn an. „Ihr Vater hat die Heirat in den Vertrag aufgenommen, um meinen Vater übers Ohr zu hauen.“

„Ich würde es eher als kluge Taktik bezeichnen, die nicht unbeträchtliche Summe Geld zu sichern, die er Ihrem Vater für sein Unternehmen geliehen hat. Er muss gewusst haben, dass Ihr Vater nicht in der Lage sein würde, diese Summen auf regulärem Weg zu erhalten, daher hat er die Extraklausel in sein Testament aufgenommen. Für den Fall, dass die Schuld bis zu seinem Tod nicht beglichen wird.“

„Uns in eine Ehe zu zwingen, die wir beide nicht wollen, kann ich weder als klug noch als verhältnismäßig bezeichnen. Wir leben nicht mehr im Mittelalter.“

„Nach unserer Heirat gehen alle Besitztümer an mich über, die Schuld wird beglichen, und der Vorstand ist zufrieden. Das einzige Problem ist, dass wir für mindestens zwei Jahre verheiratet bleiben müssen – als zusammenlebende Eheleute.“

„Schlagen Sie allen Ernstes vor, dass wir heiraten sollen, nur um eine Schuld zu begleichen? Ich dachte, Sie wären ebenso gegen diese idiotische Idee wie ich.“

Allein der Gedanke war kaum zu ertragen.

Verheiratet. Mit diesem Mann. Für zwei Jahre!

„Das hängt davon ab, wie sehr Sie Ihrem Vater helfen wollen.“

Darüber musste Lydia nicht lange nachdenken. Sie wollte ihrem Vater nicht helfen, aber sie wollte seine Mutter, ihre Großmutter, schützen. Die Frau, die für sie gesorgt und sie wie eine Tochter geliebt hatte. Sie war der einzige Grund, warum Lydia nicht schon längst aufgestanden und gegangen war.

„Natürlich will ich meinem Vater helfen – aber dafür werde ich ganz bestimmt niemanden heiraten.“ Sie hatte nicht vor, Raul Valdez darüber in Kenntnis zu setzen, dass ihr Vater schon mehrfach versucht hatte, sie zu Ehen zu drängen, von denen er finanziell profitieren würde. Dass Rauls Vater erfolgreich sein könnte, wo ihr eigener Vater versagt hatte, erfreute sie nicht gerade.

„In diesem Fall werden Sie sich freuen zu hören, dass ich eine Lösung anzubieten habe.“

„Und die wäre?“

„Ich schlage vor, dass wir das mit der Heirat durchziehen und die Schuld begleichen. Wir leben unsere Leben weiter wie zuvor, nur dass wir im selben Haus wohnen werden. Nach zwei Jahren können wir dann die Scheidung einreichen.“ Raul lehnte sich zurück.

„Etwas Besseres fällt Ihnen nicht ein?“ Hat er mich wirklich herbestellt, um mir vorzuschlagen, was offensichtlich die einzig mögliche Lösung aus dem Dilemma ist?

Sie war so wütend auf ihren Vater. Er hätte sie schon vor Monaten warnen können. Er musste schließlich gewusst haben, dass er die notwendigen Zahlungen nicht leisten konnte. Doch er hatte sich genau wie der Feigling verhalten, der er nun einmal war. Warum wundert mich das eigentlich?

„Warum haben Sie fünf Monate gewartet, um mich zu kontaktieren? Sie kennen die Bestandteile des Testaments doch sicher schon seit Langem.“

„Ich musste mich um andere wichtige Dinge kümmern.“

„Zum Beispiel?“

Er fixierte sie, als versuchte er zu ergründen, ob sie vertrauenswürdig war.

Und wie schon beim ersten Mal, als er sie einer solchen Musterung unterzogen hatte, fing ihr Herz an, Purzelbäume zu schlagen.

„Ich habe versucht, mit einem Familienmitglied Kontakt aufzunehmen, von dessen Existenz ich erst durch die Testamentseröffnung erfahren habe“, erklärte er. „Wenn es mir gelungen wäre, diese Person ausfindig zu machen, hätte sich uns eine weitere Alternative eröffnet. Denn mit ihrem Auffinden ist die Auszahlung einer großen Summe Geld verbunden, mit der es mir möglich gewesen wäre, die offene Schuld auszugleichen. Leider war ich mit meiner Suche bisher erfolglos.“

„Und da haben Sie sich gedacht, Sie könnten mich einfach in eine zweijährige Ehe zwingen.“ Erneut stieg Ärger in ihr auf. Auf diese Weise kamen sie nicht weiter.

„Ich beabsichtige nach wie vor, meine Suche fortzusetzen. Doch Ihr Vater hat sämtliche Zahlungen eingestellt und ist abgetaucht. Ich habe jetzt keine Wahl mehr. Der Vorstand pocht auf die Begleichung der Schuld und wird nicht mehr länger warten. Unsere Verlobung muss zwingend verkündet werden.“

Er lehnte sich zurück und trank den Rest seines Weines.

Wie ruhig und gelassen er wirkte, machte sie ganz verrückt.

„Um nach vermissten Familienangehörigen zu suchen, gibt es Agenturen.“

„Wenn man die Angelegenheit publik machen will, ja.“

„Sie wollen jemanden finden, es aber geheim halten?“ Das ergab überhaupt keinen Sinn – gleichzeitig war Lydia neugierig, um wen es ging.

„Es ist nichts, was ich in der Presse sehen will.“

Sie nippte an ihrem Wein, während ihr eine Idee durch den Kopf ging. Sie war schon immer an Ahnenforschung interessiert gewesen und hatte Stunden damit verbracht, ihren Freunden dabei zu helfen, ihre Wurzeln aufzuspüren. Ob ich Raul helfen kann, die Person zu finden?

Vielleicht gab es ja doch einen Ausweg.

„So sensibel, ja?“ Jetzt war sie es, die mit ihm spielte wie eine Katze mit der Maus. Und sie genoss das Gefühl, auch wenn es vermutlich nur von kurzer Dauer war.

„Ja, das ist es tatsächlich, aber für unsere Unterhaltung ist es nicht relevant.“

„Und wenn ich in der Lage wäre, dieses Familienmitglied zu finden? Natürlich diskret.“

„Sie?“

Die Überraschung in seiner Stimme entlockte Lydia ein Lächeln. Es war offensichtlich, dass er sie für ein hohlköpfiges Jetset-Girl hielt, das nur Partys und Shopping im Kopf hatte.

„Ja, ich. Es wäre eine Chance, eine Heirat doch noch zu umgehen.“

Für sie hing aber noch viel mehr davon ab. Sie wollte das erhalten, wofür sie ihr ganzes Leben lang gearbeitet hatte. Er hatte gesagt, dass er im Falle einer Heirat alle Besitztümer übernehmen konnte, die ihr Vater auf sie überschrieben hatte. Aber würde er sich damit zufriedengeben? Oder würde er alles wollen – also auch ihre Firma?

„Sprechen Sie weiter.“

„Rein zufällig ist Ahnenforschung eine Leidenschaft von mir.“

„Eine Leidenschaft?“ Er hob eine Braue, und sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Es war offensichtlich, dass er mit dem Wort etwas anderes verband.

„Ja, eine Leidenschaft.“

„Sie haben mein Interesse geweckt. Aber inwiefern kann uns das in dieser Situation helfen?“

Lydia hob das Kinn und begegnete seinem Blick. Sie durfte ihm nicht zeigen, wie heftig sie auf ihn reagierte. Nicht, nachdem sie sich geschworen hatte, sich niemals wieder auf einen solchen Unsinn einzulassen. Hatte die Sache mit Daniel denn nicht als Warnung gereicht?

„Ich mache einen Deal mit Ihnen, Mr. Valdez. Ich finde diese Person, und alle Schulden sind beglichen, ohne dass es zu einer Heirat kommen muss.“

„Wie Sie schon sagten: Ich könnte auch einfach eine Agentur beauftragen.“

„Aber würde die so diskret vorgehen, wie Sie es sich wünschen?“

Mit angehaltenem Atem wartete sie auf seine Antwort. Die Spannung, die zwischen ihnen in der Luft lag, war überwältigend. Lydia rührte sich nicht. Sollte sie tatsächlich einen Weg gefunden haben, sich selbst aus der schlimmen Lage zu befreien, in die ihr Vater sie gebracht hatte?

„Das ist ein ziemlich hoher Preis, Miss Carter-Wilson“, sagte Raul schließlich. „Sind Sie sicher, dass Sie das hinbekommen?“

„Ja.“ Sie nickte ernst.

„Wie lange?“

„Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Ein paar Monate.“

„Sie haben keine Monate.“

„Schön, dann Wochen.“

„Allerhöchstens vier.“ Er musterte sie durchdringend. „In dem Fall sind wir im Geschäft. Aber ich warne Sie: Sollte irgendetwas von dem, was wir besprochen haben, durchsickern, oder aber Sie scheitern, verlange ich ein sofortiges Begleichen der Verbindlichkeit. Und wir wissen beide, worauf das hinausläuft. Dann ist eine Heirat unumgänglich.“

„Es gibt keinen Grund, mir zu drohen, Mr. Valdez“, entgegnete sie fest und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich schlage vor, wir treffen uns so bald wie möglich wieder, damit Sie mir alle Informationen übergeben können, die Ihnen bereits vorliegen, bevor Sie nach Spanien zurückkehren.“

„Sie ermitteln hier in einer Familienangelegenheit, Miss Carter-Wilson. Ich werde Sie nicht aus den Augen lassen, solange das so ist. Und das bedeutet, dass Sie mich nach Madrid begleiten werden.“

2. KAPITEL

Raul konnte kaum glauben, dass er dieser völlig überraschenden Vereinbarung mit Lydia Carter-Wilson zugestimmt hatte. Er war vom ersten Augenblick an von ihrer Schönheit gefesselt gewesen. Doch angesichts der Gegebenheiten war es ihm nicht besonders schwergefallen, diese Anziehungskraft zu ignorieren.

Er hatte nicht den Wunsch zu heiraten. Und erst recht keine Frau, die sein Vater ihm aufgezwungen hatte. Sie in seiner Nähe zu haben, war also das Allerletzte, was er jetzt brauchen konnte. Umso verrückter war es, sie mit nach Madrid zu nehmen. Doch die Versuchung war einfach zu groß.

Aber er durfte ihr nicht nachgeben. Nicht, wenn es genau das war, was sein Vater gewollt hatte. Ob sich der alte Herr an seine erste Begegnung mit Lydia erinnert hatte, als er die Klausel in sein Testament aufgenommen hatte. War sie schon damals Teil seines Plans gewesen? Aber was hatte er sich von zwei Jahren Ehe versprochen? Das ergab in Rauls Augen einfach keinen Sinn.

Als er vor etwas mehr als einer halben Stunde das gut besuchte Londoner Restaurant betreten hatte, war er nicht davon ausgegangen, dass Lydia ihm ihrerseits ein Angebot machen würde. Offenbar war ihr klar, wie dringend er Max finden musste. Aber verfügte sie wirklich über die Verbindungen, um eine Person ausfindig zu machen? Oder waren Familienstammbäume nur der Zeitvertreib eines verwöhnten reichen Mädchens?

Ihm blieb nicht wirklich eine Wahl, und doch ärgerte er sich, dass er sich ihr anvertraut hatte. Aber ihr Angebot – so absurd es auch klingen mochte – war keines, das er sich auszuschlagen leisten konnte. Allerdings würde er nicht zulassen, dass sie einfach so mit seinem Familiengeheimnis hausieren ging. Außerdem musste ein Notfallplan her, denn er war nicht bereit, seinen guten Ruf in irgendeiner Weise aufs Spiel zu setzen. Nicht nachdem er gerade erst bewiesen hatte, dass er eben nicht so war wie sein Vater.

Da es Raul unmöglich gewesen war, mit seinem Vater zusammenzuarbeiten, hatte er angefangen, kleine Unternehmen aufzukaufen, die um ihr Überleben kämpften. Er richtete sie wieder auf und brachte sie auf Kurs, um sie anschließend mit Gewinn zu verkaufen.

Es war mehr als das Bankgeschäft, das sein Vater geführt hatte. Er half damit Menschen – und jetzt war der Lopez-Deal wieder auf dem Tisch. Es war das größte Geschäft, das er je verhandelt hatte.

„Sie wollen, dass ich Sie nach Madrid begleite? Dass ich alles stehen und liegen lasse, um mich auf die Suche nach einem verschollenen Verwandten zu machen?“

Lydias schockierte Worte holten ihn zurück ins Hier und Jetzt.

„Und was würden Sie sonst tun, Lydia?“, fragte er. „Auf Partys gehen? Shoppen? All das können Sie auch in Madrid tun.“ Er gab sich keine Mühe, seinen Spott zu verbergen. Er hatte nicht erwartet, dass sie sich einfach fügte. Doch er war davon ausgegangen, dass sie tun würde, was in ihrer Macht stand, um eine Heirat zu verhindern.

„Bilden Sie sich nicht ein, dass Sie mich kennen.“ Sie funkelte ihn ärgerlich an.

„Ich nehme gar nichts an – abgesehen davon, dass Sie mit mir nach Madrid kommen und die Person für mich ausfindig machen werden, nach der ich suche. Außer natürlich, Sie möchten gern noch vor Weihnachten mit mir verheiratet sein.“

„Ich gehe nicht einfach nach Madrid, nur weil es Ihnen so gefällt.“ Sie zog ihre Hand zurück, ehe er einschlagen konnte.

Mit Mühe unterdrückte er ein Lächeln. Es gefiel ihm, wie kratzbürstig sie war. Das Feuer in ihren Augen leuchtete heller als alle Weihnachtsbeleuchtungen von London zusammen. Was ihm allerdings ganz und gar nicht gefiel, war das heftige Verlangen, ihre Lippen zu küssen – und zwar so lange, bis Lust den Zorn in ihren Augen überdeckte.

„Dann gibt es für uns nur eine Möglichkeit“, sagte er, und für einen Moment schien alles andere in den Hintergrund zu treten.

Sein Herz klopfte heftig. Er konnte sie jetzt nicht gehen lassen. Er musste Max finden – so diskret und schnell wie irgend möglich.

„Und die wäre?“ Sie runzelte die Stirn, und ihr war das Misstrauen deutlich anzusehen.

Vielleicht, dachte Raul, wäre es gar nicht so ein schreckliches Schicksal, mit dieser Frau verheiratet zu sein. Die zwei Jahre mit ihr würden zumindest nicht langweilig sein.

„Sie oder Ihr Vater müssen die Schuld begleichen – komplett. Spätestens bis zum Ende des Jahres.“

„Bis zum Ende des Jahres. Das ist kaum mehr als ein Monat.“

„Die Schuld muss beglichen werden“, wiederholte er. „Entweder durch Zahlung oder durch eine Heirat.“

„Glauben Sie mir, Mr. Valdez, wenn ich zahlen könnte, würde ich es tun. Aber mir stehen solche Summen nicht zur Verfügung.“

Der Ärger, der in ihrer Stimme mitschwang, entlockte ihm ein Lächeln. Als sie es bemerkte, presste sie die Lippen zusammen.

„Dann haben Sie keine Wahl, als mich nach Madrid zu begleiten und entweder die Person, nach der ich suche, ausfindig zu machen – und zwar rasch und diskret – oder unsere Verlobung zu verkünden. Die Bestimmungen im Testament meines Vaters sind eindeutig. Sollte es uns gelingen, die Person zu finden, erhalten wir genug Geld, um die Schuld ihres Vaters zu begleichen.“

Sie schüttelte den Kopf. Ihre dunklen Locken hüpften. „Ich werde London nicht verlassen. Ich kann nicht.“

„Ein Liebhaber?“

„Nicht, dass es Sie etwas angeht, aber … nein.“

„Dann werden Sie mich also heiraten und die Verbindlichkeiten Ihres Vaters auf diese Weise tilgen.“

Sie musste nicht wissen, dass sie als Paar zusammen gesehen werden mussten. Carlos hatte darauf bestanden. Es war unabdingbar, um den Vorstand zufriedenzustellen. Sie wollten eine Braut sehen, die freiwillig in den Bund der Ehe mit ihm eintrat.

„Wenn ich nicht bereit bin, einfach alles stehen und liegen zu lassen und mit Ihnen nach Madrid zu verschwinden, werde ich wohl auch kaum in eine Ehe einwilligen. Es ist mir gleich, was in dem Vertrag steht, den mein Vater unterschrieben hat.“

Ein Teil von ihm wollte die Lippen küssen, die sie weiterhin zusammenpresste. Doch er wusste, dass das nicht ging. Er durfte diesem Verlangen nicht nachgeben. Weder war er ein Playboy wie sein Vater noch hegte er die Absicht, sich gefühlsmäßig zu involvieren.

Es ging hier ausschließlich ums Geschäftliche. Er durfte sich nicht zu irgendetwas hinreißen lassen, was die ganze Situation am Ende nur noch schwerer für sie beide machen würde.

Wichtig war jetzt vor allem, den Vorstand zufriedenzustellen. Dann konnte er seine Suche nach Max wieder aufnehmen, die mit Lydia Carter-Wilsons Hilfe um einiges aussichtsreicher zu sein schien. Was sie wohl von meiner Familie halten wird, die in so viele Lügen und Intrigen verwickelt ist?

Die wirkliche Frage lautete jedoch: Durfte er ihr vertrauen?

Es gab ein paar Dinge, die auf keinen Fall herauskommen durften. Sie würden die harte Arbeit zunichtemachen, die er investiert hatte, um sich einen Ruf als Mann hoher Moral und Werte zu verschaffen.

Den Ruf eines Mannes, dem man Vertrauen schenken konnte.

„Ich kann die Schuld natürlich auch gleich auf der Stelle einfordern.“ Er spürte die negativen Schwingungen, die über den Tisch zu ihm herüberflogen. Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie diese Unterhaltung an einem weniger öffentlichen Ort führten?

„Das würden Sie nicht wagen“, zischte sie wütend.

„Unterschätzen Sie mich nicht, Lydia.“ Raul wusste, dass seine Stimme eisig war. Er musste einen klaren Kopf behalten und diese Sache zum Abschluss bringen. Als er das Restaurant betreten hatte, hätte er nie geglaubt, dass er die Frau, die er heiraten sollte, derart begehren würde.

„Sie sind es, der mich unterschätzt, Mr. Valdez.“

„Ich habe noch nie jemanden unterschätzt, mit dem ich Geschäfte mache. Und Sie bilden da ganz sicher keine Ausnahme.“ Er würde ihr nicht sagen, dass er seine Hausaufgaben gemacht und alles Wissenswerte über die Frau herausgefunden hatte, mit der er nach dem Willen seines Vaters vor den Traualtar treten sollte. „Wie auch immer wir uns einigen werden, es geht lediglich ums Geschäft.“

„Ist das wirklich alles?“

„Absolut. Unsere Ehe würde lediglich auf dem Papier bestehen und nach exakt zwei Jahren beendet werden.“

„Ehe ich mich auf irgendetwas einlasse, sollten Sie mir vielleicht endlich mitteilen, wen ich für Sie ausfindig machen soll.“

„Ich bin noch nicht überzeugt, dass ich Ihnen vertrauen kann.“ Sie könnte das Geheimnis nehmen und damit an die Presse gehen. Das würde ihr ein Vermögen einbringen – und ihm unermessliche Schwierigkeiten.

„Dann haben Sie unser beider Zeit verschwendet.“

Er runzelte die Stirn. Ein einziger Anruf bei den Medien konnte seine Familie und sein Unternehmen zerstören. Doch er würde am Ende auch ihren Vater ins Rampenlicht rücken. Sie schien ebenso wenig von dem Gedanken angetan, eine arrangierte Ehe einzugehen wie er, und verfügte mit Glück über das Wissen und die Fähigkeiten, seinen Halbbruder zu finden.

Aber hatte sie auch die nötige Diskretion?

Sein Vater war bis zuletzt manipulativ gewesen. Wenn Lydia seinen Halbbruder fand, konnte er seine Belohnung einfordern, die Verbindlichkeiten ihres Vaters ausgleichen und ihnen beiden die Farce einer Ehe ersparen. Sein Vater hatte sich dieses Mal selbst übertroffen. Raul wusste nur nicht, ob es seine Absicht gewesen war, ihn zu einer Heirat zu zwingen oder seinen unbekannten Halbbruder in die Firma zu holen.

„Wenn Sie die Person tatsächlich finden, nach der ich suche, sind alle Verbindlichkeiten auf einen Schlag ausgeglichen. Dann ist eine Heirat nicht mehr notwendig.“

„Wenn Sie sich selbst so gegen den Gedanken einer Ehe sträuben, warum zahlen Sie dann nicht einfach die Summe aus Ihrer eigenen Tasche?“

Genau diese Frage hatte er auch Carlos und der Gruppe von Anwälten gestellt. Carlos’ Antwort hallte ihm noch heute in den Ohren wider: „Damit würde das Testament auf der Stelle ungültig, was bedeutet, dass das Unternehmen mit sofortiger Wirkung nicht mehr dir gehören würde.“

Er musste Lydia überzeugen. Auf keinen Fall würde er irgendjemandem kampflos die Firma überlassen, die er mit so viel Schweiß und Blut ausgebaut hatte. „Wenn wir die Person finden, nach der ich suche, werden genügend Ressourcen frei, um genau das zu tun.“

„Es geht also nur ums Geld? Wie dumm von mir. Ich dachte, Sie hätten möglicherweise sentimentale Gründe, die Person ausfindig machen zu wollen.“

Soll sie doch von mir halten, was sie will. Wenn all dies vorüber ist, werden wir uns nie wiedersehen.

„Ja, es geht nur ums Geld – wie es im Geschäftsleben üblich ist.“

„Und wer ist diese Person? Vielleicht ein Kind, das Sie im Stich gelassen haben und nun doch gern kennenlernen wollen?“

Dieser Vorwurf führte Raul mehr als deutlich vor Augen, wie wenig sie ihn kannte. Sie hielt ihn für einen gewissenlosen Playboy, so wie sein Vater einer gewesen war. Und vermutlich war das auch besser so. Sie schien nicht der Typ Frau zu sein, der sich auf belanglose Affären einließ, nur um ein sexuelles Verlangen zu befriedigen. Lydia Carter-Wilson war eine Frau, die mehr von einem Liebhaber erwartete.

„Um ein Kind handelt es sich in der Tat.“

Er wedelte praktisch mit der Wahrheit vor ihrer Nase herum, wobei ihm natürlich klar war, welche Schlüsse sie aus seinen Worten ziehen musste.

„Ich kann Männer wie Sie nicht ausstehen“, zischte sie, und er lächelte.

Er hatte keine Kinder gezeugt, darauf hatte er immer geachtet. Doch zu sehen, wie Ärger und Verachtung in ihren Augen funkelten, amüsierte ihn. Sie hielt mit ihrer Meinung wirklich nicht hinter dem Berg.

„Garantiert nicht so sehr, wie ich Frauen nicht ausstehen kann, die voreilige Schlüsse ziehen.“ Er musterte sie, während jeder ihrer Gedanken sich deutlich auf ihrem Gesicht abzeichnete. „Es ist nicht mein Kind.“

„Wenn es nicht Ihres ist, wer ist dann der Vater?“ Sie hob eine Braue. Es war offensichtlich, dass sie ihn für einen Lügner hielt.

„Wie ich schon sagte, es ist nicht meines.“ Er war noch nicht bereit, das Geheimnis zu lüften, das so viele Jahre unentdeckt geblieben war. Wie oft hatte er versucht, seinem Vater der Sohn zu sein, den er sich wünschte? Vergeblich. Und jetzt, wo er wusste, dass er einen Halbbruder namens Max hatte, konnte er sich auch vorstellen, warum.

„Es ist der Sohn meines Vaters, nach dem Sie suchen sollen.“

Lydia schluckte hart. Sie hatte ihn herausgefordert, ihn dazu gedrängt, sich ihr zu offenbaren. Doch der Schuss war spektakulär nach hinten losgegangen. Sie hatte es zu weit getrieben. Was, wenn er sein Angebot nun zurückzog und ihr nicht dabei half, die Schuld ihres Vaters zu begleichen? Wenn er am Ende tatsächlich verlangte, dass sie heirateten?

Plötzlich musste sie an sich selbst denken, wie sie Raul als sechzehnjähriges Mädchen vorgestellt worden war. Sie hatte gelächelt, erfreut weil jemand an der Dinnerparty ihres Vaters teilnehmen würde, der nicht schon uralt war. Sie hatte ihn gemocht – mehr als das – und sich danach gesehnt, von ihm ebenfalls gemocht zu werden.

Und sie hatte sich mehr als Freundschaft gewünscht. Er sollte der Erste sein, der sie küsste.

Den ganzen Abend hatte sie versucht, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sogar ihr Schulspanisch hatte sie aufgefahren.

„Wenn du es nicht richtig aussprechen kannst, dann lass es doch einfach.“ Sein hochmütiger Tonfall hatte all ihre Träume von einer Freundschaft und mehr zerplatzen lassen.

„Ich habe nicht oft Gelegenheit, die Sprache zu benutzen“, entgegnete sie mit vor Scham brennenden Wangen. Wie war sie nur auf den Gedanken gekommen, er wäre nett?

„Dann schlage ich vor, dass du dich weiterhin mit Shopping und Partys beschäftigst – Sprachen liegen dir offenbar nicht.“

„Aber ich will an der Uni Sprachen studieren.“

Da sah er sie an, und sie hielt den Atem an und fragte sich, ob dieser Blick wohl bedeutete, dass er sie mochte.

„Vergiss es. Dein Spanisch ist furchtbar, und mit anderen Sprachen sieht es vermutlich auch nicht besser aus. Ganz, wie ich es von Daddys kleiner Prinzessin, die nichts anderes als hübsch aussehen kann, erwartet habe.“

Sein Tonfall hatte mehr als deutlich gemacht, was er von ihr hielt.

Irgendwie war es ihr gelungen, die hitzige Bemerkung zurückzuhalten, die ihr auf der Zunge gelegen hatte. Doch eines Tages, das hatte sie sich geschworen, würde sie ihm ins Gesicht sagen, was sie von ihm hielt – und sie würde es in absolut perfektem Spanisch tun.

Wenn er sie für ein verwöhntes Ding hielt, bitte sehr. Aber es war so verdammt ungerecht. Und es versetzte ihrem Selbstbewusstsein, das dank ihres Vaters ohnehin nicht das beste war, einen empfindlichen Knacks.

Nun, zehn Jahre später, saß sie ihm gegenüber und empfand Wut auf ihren Vater und Mitgefühl für diesen stolzen Mann. Die kleinen Gemeinheiten und Hinterhältigkeiten ihres Vaters erschienen beinahe nichtig im Vergleich zu dem Familiengeheimnis, das Raul ihr soeben offenbart hatte.

„Tut mir leid, ich hatte keine Ahnung“, erklärte sie sanft, doch seine Miene blieb hart. Er war kein Mann, der seine Gefühle offen zeigte, das stand fest.

„Ich habe selbst erst durch das Testament meines Vaters von meinem Halbbruder erfahren. Er und ich erben gemeinsam das Vermögen unseres Vaters.“

„Ich verstehe nicht … Ihr Vater muss doch von ihm gewusst haben, wenn er ihn in seinem Testament erwähnt hat.“

„Oh, er wusste auch von ihm. Und er wusste auch, dass ich niemals heiraten wollte – schon gar nicht die Tochter eines seiner Schuldiger.“

„Wir sind also beide benutzt worden.“

„So sieht es aus. Mein Vater wusste, dass er mir auf diese Weise seinen Willen aufzwingen konnte.“

Wenn diese ganze Sache erledigt war, würde sie dafür sorgen, dass ihr Vater seinen Besitz veräußerte, um seine Schulden zu bezahlen, die – nach Lydias Empfinden – unverändert bestanden.

„Ich muss meinen Bruder finden. Möglichst, ohne die Aufmerksamkeit der Medien zu erwecken. Wenn diese Geschichte ans Licht kommt, würde das meinen Ruf und den der Firma in eine falsche Richtung manövrieren. Vor allem aber würde es meiner Mutter den Todesstoß versetzen.“

Tausend Fragen jagten Lydia durch den Kopf, doch eine musste sie unbedingt stellen. „Warum vertrauen Sie mir das an? Sie kennen mich doch kaum.“

„Weil Sie dem Gedanken einer Hochzeit ebenso ablehnend gegenüberstehen wie ich und außerdem behaupten, mir helfen zu können. Hinzu kommt, dass Sie die einzige Person sind, die zwischen Ihrer Familie und dem finanziellen Ruin steht. Das sollte ausreichen, um mir Ihre Loyalität zu sichern.“

Er hatte mit allem recht. Wenn es einen anderen Weg gäbe, das alles aus der Welt zu schaffen, hätte sie sich heute nicht mit ihm getroffen. Für ihren Vater würde sie keinen Finger rühren. Doch sie wollte nicht, dass der Name ihrer Familie seinetwegen durch den Schmutz gezogen wurde. Ihrer Großmutter würde es das Herz brechen, und das würde Lydia nicht zulassen. Immerhin war sie der einzige Mensch, von dem sie je so etwas wie Liebe und Zuneigung erfahren hatte.

„Und es gibt wirklich keine andere Möglichkeit?“

Er hielt einen Moment lang inne, und obwohl der Blick seiner dunklen Augen auf ihr ruhte, schien er doch unerreichbar weit von ihr entfernt zu sein.

„Wir finden entweder meinen Halbbruder – oder wir müssen heiraten.“

Nun, zumindest würde eine solche Ehe ausschließlich dazu dienen, ihren Grundbesitz auf ihn zu übertragen. Dass er einer Scheidung nicht widersprach, beruhigte ihre angespannten Nerven ein wenig. Er hatte ganz offensichtlich nicht die Absicht, sie richtig zu seiner Frau zu machen.

Warum enttäuscht mich der Gedanke? Ihre jugendliche Verliebtheit in ihn hatte sie doch längst überwunden.

Das Essen wurde gebracht, und Raul schaltete wieder seinen Charme ein. Die arme Kellnerin hatte keine Chance. Lydia schüttelte den Kopf. Irgendwie war ihr der Appetit vergangen.

„Ich muss überhaupt nicht mit Ihnen nach Madrid kommen“, erklärte sie. „Ich kann sehr gut von hier aus arbeiten.“ Sie hatte ihre eigene Firma, die sie in den letzten Wochen vor Weihnachten nicht einfach im Stich lassen konnte. Es würde drunter und drüber gehen.

Davon abgesehen war ihr der Gedanke, mit ihm nach Madrid zu gehen, alles andere als geheuer. Die Aussicht auf eine baldige Heirat allerdings war noch viel schlimmer.

„Dass Sie so gern mit mir zusammen sein wollen, schmeichelt mir“, neckte er mit einem Lächeln, das sie leider nicht kalt ließ. „Aber Sie werden mich nach Madrid begleiten. Dieser Punkt ist nicht verhandelbar.“

Raul sah den innerlichen Kampf förmlich mit an, der sich hinter ihrer Stirn abspielte. Er sah Zweifel und Widerwillen, der seinen eigenen Gefühlen nicht unähnlich war, nachdem er erfahren hatte, was sein Vater getan hatte.

„Keiner von uns hat in dieser Sache eine große Wahl.“ Er versuchte, sich nicht von ihren langen Wimpern ablenken zu lassen.

„Bevor ich irgendwo mit Ihnen hingehe oder eine Vereinbarung treffe, verlange ich einen schriftlichen Vertrag, Mr. Valdez. Ich brauche es Schwarz auf Weiß.“

„Was genau brauchen Sie Schwarz auf Weiß?“

„Dass sämtliche Verbindlichkeiten meines Vaters von Ihnen beglichen werden, wenn ich Ihren Halbbruder für Sie ausfindig mache.“ Sie zögerte. „Wenn es zum Äußersten kommt und wir tatsächlich heiraten müssen, ist es nur ein Stück Papier ohne jeglichen Wert.“

Also vertraute sie ihm auch nicht.

Er bewunderte ihren Mut. Dass sie vor ihm saß und einen Vertrag für die Rückzahlung der Schulden ihres Vaters von ihm verlangte, zeugte von großer Courage. „Ich werde alles aufsetzen lassen. Wenn wir in Madrid ankommen, sollte der Vertrag zur Unterschrift bereitliegen.“

Es war für ihn bereits beschlossene Sache, dass sie gleich morgen aufbrechen würden. So blieb ihr keine Zeit, schon von England aus Nachforschungen über seinen Bruder anzustrengen. Er konnte nicht riskieren, dass sie die volle Tragweite des Verrats seines Vaters erkannte, bevor er sicher war, dass sie die Details nicht an die Presse verriet.

Seine Mutter – der einzige Mensch, der ihn jemals ehrlich geliebt hatte – verdiente eine solche öffentliche Demütigung einfach nicht.

Sein Vater hatte seine Mutter und ihn schlecht behandelt. Acht Jahre lang hatte er ein Doppelleben gelebt und nicht nur seine Frau und seinen Sohn in die Irre geführt, sondern auch die andere Frau und das andere Kind.

Raul erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem seine Mutter von der Affäre erfahren hatte. Sie hatte seinem Vater erklärt, dass ihre Ehe zu Ende sei und er tun und lassen könne, was er wollte – aber ohne sie und ihren Sohn.

Es war der Anfang einer der kältesten Ehen gewesen, die Raul je erlebt hatte. Und er fürchtete, dass es sein Schicksal war, dasselbe zu erleben.

Nun, da er wusste, dass sein Vater seine andere Familie im Stich gelassen hatte, wollte Raul sich darum kümmern. Er war mit einem Vater aufgewachsen – im Gegensatz zu seinem Halbbruder. Es gefiel ihm nicht, und er wollte, wenn möglich, etwas tun, um für die Sünden seines Vaters einzustehen. Er wünschte nur, dass er seinem Vater noch einmal richtig die Meinung hätte sagen können. Raul konnte ja nicht einmal mit Sicherheit ausschließen, dass noch andere Kinder das Schicksal seines Halbbruders teilten.

Er lehnte sich zurück, massierte seine Schläfen und kämpfte gegen die Erinnerungen an, die über ihn hereinbrachen. Er musste diese negativen Gefühle aus dem Spiel lassen. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich von der Vergangenheit einholen zu lassen. Er war nie gut genug für seinen Vater gewesen, ganz gleich, was er tat. Daran konnte er jetzt auch nichts mehr ändern.

Ihm blieben zwei Alternativen. Er konnte die Existenz seines Halbbruders ignorieren und Lydia heiraten. Oder aber er nahm ihr Angebot an, ihm bei der Suche nach Max zu helfen, und ihnen blieb es hoffentlich erspart, zusammen vor den Traualtar zu treten. Er musste nicht lange nachdenken, wofür er sich entscheiden würde. Sein Vater mochte Max’ Existenz ignoriert haben, doch Raul war nicht bereit, dasselbe zu tun.

Wenn sein Vater wirklich geglaubt hatte, dass ihn die Aussicht, sein Erbe mit seinem Halbbruder teilen zu müssen, in eine Ehe treiben würde, war er einem Irrtum aufgesessen.

„Was ist, wenn ich Ihren Bruder nicht finde?“

„Halbbruder.“

„Bruder, Halbbruder … macht das wirklich einen Unterschied? Was passiert, wenn es mir nicht gelingt, ihn ausfindig zu machen?“

„Es macht sogar einen gewaltigen Unterschied, Lydia. Sie sind ein Einzelkind. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie plötzlich von der Existenz eines Geschwisterkinds erfahren?“

„Ich bin hier nicht das Thema“, feuerte sie zurück.

„Wenn Sie den Aufenthaltsort meines Halbbruders nicht innerhalb von vier Wochen in Erfahrung bringen, werden Sie meine Ehefrau, und die Schulden Ihres Vaters werden getilgt.“

„Wir bleiben für den Zeitraum von zwei Jahren verheiratet.“ Ihre Stimme klang bedrückt, und er empfand beinahe so etwas wie Mitgefühl für sie.

Beinahe.

Er nickte. „Sí. Danach können Sie die Scheidung einreichen.“

„Vier Wochen sind nicht besonders lang für eine solche Aufgabe“, bemerkte sie und nahm einen Schluck Wein. Unwillkürlich wurde seine Aufmerksamkeit auf ihre Lippen gelenkt, und er fragte sich, wie es wohl sein würde, sie zu küssen. „Und wenn die Frist abläuft, ist auch noch Weihnachten.“

„Ein Grund mehr, erfolgreich zu sein. Vier Wochen sind alles, was Sie haben. Wenn Sie scheitern, Lydia, werden Sie am Heiligabend meine Frau.“

3. KAPITEL

Nie im Leben hatte Lydia damit gerechnet, sich in Madrid wiederzufinden. Und Rauls überwältigende Präsenz machte es für sie sogar noch unwirklicher. Als befände sie sich mitten in einem Traum.

Oder vielmehr einem Albtraum.

Der Flug nach Spanien in seinem Privatjet war schwierig gewesen – vor allem, weil sie ganz allein gewesen waren und Lydia beim besten Willen kein Gesprächsthema eingefallen war. Zum Glück war Raul mit irgendwelchen Unterlagen beschäftigt gewesen, während sie sich in ihrem Sitz zurückgelehnt und die Augen geschlossen hatte und vorgab, sich zu entspannen. Doch die tausend Fragen, dir ihr durch den Kopf gingen, ließen sie einfach nicht zur Ruhe kommen.

Jetzt saßen sie in seiner, natürlich von einem Chauffeur gelenkten Limousine, und Lydia sah sich mit Rauls geballter Aufmerksamkeit konfrontiert.

„Wie lange, schätzen Sie, wird es dauern, bis Sie meinen Bruder gefunden haben?“

Es war das erste Mal, dass er von ihm nicht als seinem Halbbruder sprach. Sie fragte sich, warum er so empört darüber war, dass sein Vater noch ein weiteres Kind gezeugt hatte. Er hatte immerhin selbst den Ruf, ein ziemlicher Frauenheld und Draufgänger zu sein.

Auf der anderen Seite – kaum jemand wusste besser als sie, dass die meisten Familien die Fassade des schönen Scheins aufrechtzuhalten versuchten, selbst wenn sich darunter Lügen und dunkle Geheimnisse verbargen.

„Das kann ich ohne ein paar mehr Informationen noch nicht sagen. Aber vergessen Sie bitte nicht, dass ich nur ein interessierter Laie bin. Ich beschäftige mich nicht berufsmäßig mit Ahnenforschung und habe nie behauptet, ein Experte auf dem Gebiet zu sein.“

Seine Augen wurden schmal – ein Zeichen, das sie als Verärgerung interpretierte.

Was, wenn ich scheitere?

Du darfst nicht scheitern, also wirst du es auch nicht.

„Womit beschäftigen Sie sich denn beruflich?“

Der eisige Ton in seiner Stimme ließ die Temperatur um mehrere Grad sinken. Dennoch konnte sie nur mit Mühe ein selbstzufriedenes Lächeln unterdrücken. Denn eines stand fest: Er hielt sie noch immer für ein verwöhntes kleines Mädchen. Für Daddys Erbin, die nichts anderes tat, als einzukaufen und Partys zu feiern.

„Mein Beruf?“

„Ja. Was machen Sie so den lieben langen Tag?“

Ob er überrascht wäre, dass sie ihren Abschluss in Spanisch an der Universität mit Auszeichnung gemacht hatte? Dass sie ihre Liebe zur Mode genutzt hatte, um zwei inzwischen sehr erfolgreiche Luxusboutiquen zu gründen – eine in London und die andere in Paris?

Sie hatte immer darauf geachtet, dass sie nicht mit ihrem Familiennamen in Verbindung gebracht wurde. Sie wollte aus eigener Kraft erfolgreich sein. Und das hatte sie geschafft.

Ein Teil von ihr wollte den Schock in seinen Augen sehen, wenn sie ihm von ihrem Erfolg erzählte. Doch womit hatte er diese Informationen verdient? Überhaupt nicht. Sie musste lediglich seinen Bruder finden – mit ein wenig Glück handelte es sich um eine Angelegenheit von ein bis zwei Wochen.

„Ich denke, meine Stärken liegen im Einzelhandel.“ Das war eine Halbwahrheit, und dieses Mal konnte sie ihr Lächeln nicht zurückhalten, als er die Stirn runzelte. Sollte er doch denken, was er wollte. Wenn er annahm, dass sie weit besser darin war, Geld auszugeben, als es zu verdienen, konnte ihr das nur recht sein. Sie war in Madrid, um die Schulden ihres Vaters zu begleichen. Nicht für ihn, der nie mehr als eine schattenhafte Figur in ihrem Leben gewesen war. Und auch nicht für ihre Mutter, die sie stets hatte spüren lassen, dass sie sie als einen Fehler betrachtete, der besser nie geschehen wäre.

Nein, sie tat es für ihre Großmutter. Für den Menschen, der sie großgezogen und geliebt hatte.

„Sie werden sicher ausreichend Gelegenheit finden, Ihre Stärke im Einzelhandel in Madrid zum Einsatz zu bringen.“ Sein eisiger Tonfall machte deutlich, was er von ihrer Antwort hielt. „Ganz besonders so kurz vor Weihnachten.“

„Ja, aber es gibt im Augenblick wichtigere Dinge als Einkaufen. Wie zum Beispiel in welchem Hotel ich unterkommen werde.“ Lydia war schon eine Weile nicht mehr von Zuhause fort gewesen und freute sich über den Luxus einer kurzen Auszeit. In London würde ein Angestellter, den sie zum Manager befördert hatte, sich um alles kümmern. Nicht dass sie vorhatte, länger wegzubleiben. Sobald sie die Informationen, die Raul Valdez benötigte, in den Händen hielt, würde sie Madrid wieder verlassen. Dann wäre sie frei von Schulden und Verpflichtungen – jedem gegenüber. Selbst wenn es zwei Wochen dauerte, wäre sie noch vor Weihnachten wieder zurück in London.

„Sie werden bei mir wohnen.“

Seine Worte rissen sie aus ihren Überlegungen.

„Bei Ihnen?“ Sie starrte ihn an. Auf einmal fühlte sie sich wie gefangen. Ein Tier in einem Käfig mit goldenen Gittern.

Nein, sie konnte auf keinen Fall bei ihm wohnen. Nicht, wo ihr Körper so heftig auf seine Nähe reagierte. Sie wusste nicht, wie lange sie in der Lage sein würde, der Anziehungskraft zu widerstehen, und ein Mann würde ihr Leben nur noch mehr komplizieren. Ganz davon abgesehen, dass sie nach der Sache mit Daniel jede Hoffnung auf eine glückliche Beziehung endgültig aufgegeben hatte.

Sie wandte den Blick ab. Denn wenn sie ihm in die Augen sah, fühlte es sich an, als könnte er geradewegs in ihr Innerstes schauen und ihre geheimsten Gedanken lesen.

Was ist bloß mit mir los? Seit wann lasse ich es zu, dass ein Mann mich derart aus der Fassung bringt? So bin ich doch sonst nicht.

„Ich habe eine Gästesuite in meinem Apartment.“ Er schenkte ihr ein neckendes Lächeln, als sie wieder zu ihm aufsah. Schon im nächsten Moment wünschte sie, sie hätte es nicht getan, denn es war sofort wieder zurück, das Flattern im Bauch. „Und vielleicht sollten wir auch endlich dieses alberne Sie weglassen.“

„Ich dachte, Sie … Ich dachte, du möchtest die ganze Suche möglichst still und fern von der Presse erledigen. Was, wenn man uns zusammen sieht und die falschen Schlüsse zieht?“

Sie versuchte verzweifelt, einen Grund zu finden, warum sie nicht bei ihm wohnen konnte.

„Wenn das geschieht, wird unsere Romanze sehr viel mehr Aufmerksamkeit erregen als deine Nachforschungen.“ Er lächelte selbstzufrieden, und sie schluckte hart, um die aufsteigenden Emotionen niederzukämpfen.

Sie war kein nervöser Teenager mehr, der vom beliebtesten Jungen der Schule angesprochen wurde. Sie war eine erwachsene Frau, die wusste, was sie wollte – und die ihn bereuen lassen würde, sie je mit einer solchen Geringschätzung angesehen zu haben.

„Unsere Romanze?“ Sie lachte heiser auf.

„Die perfekte Tarnung für deine Nachforschungen, findest du nicht?“ Der Wagen stoppte, und Raul schaute sie an. Mit einem Schlag wirkte er vollkommen ernst. „Vergiss nicht, wer hier eine Schuld zu begleichen hat, Lydia. Du bist nicht in der Position, Forderungen zu stellen oder meine Entscheidungen zu hinterfragen. Wir werden uns verhalten, als hätten wir eine Beziehung miteinander. Als hätten wir beide die Bedingungen des Vertrags akzeptiert, den dein Vater mit meinem geschlossen hat.“

Bevor sie antworten konnte, war er auch schon aus dem Wagen gestiegen. Kurz darauf wurde ihr die Tür vom Fahrer geöffnet.

Raul sprach auf Spanisch mit dem Fahrer, und der sexy Klang seiner Stimme in der Sprache, die sie so liebte, brachte sie für einen Moment aus dem Gleichgewicht.

„Hier entlang, querida“, sagte er und legte ihr eine Hand auf den Rücken.

Die Berührung, die im Grunde kaum die Bezeichnung verdiente, ließ Schmetterlinge in ihrem Bauch aufflattern. Lydia bekam kaum mit, wie sie ein Gebäude betraten. Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, verklang der Lärm der geschäftigen Stadt.

„Ich bin noch immer nicht sicher, dass das eine gute Idee ist. Ich könnte mir doch einfach ein Hotel in der Nähe suchen und von dort aus meine Nachforschungen betreiben“, versuchte sie ein letztes Mal, ihn von seiner Idee abzubringen.

„Das könntest du – aber das wirst du nicht.“ Er drückte den Knopf für den Aufzug im Foyer. Die Türen öffneten sich, und Raul trat in die Kabine. „Wir haben einen Deal, Miss Carter-Wilson, schon vergessen?“

Verdammt, er wusste genau, dass sie ja sagen musste. Dass ihr gar keine andere Wahl blieb. Es war der einzige Ausweg aus dem Schlamassel, das ihr Vater angerichtet hatte.

„Also schön.“ Sie folgte ihm in den Aufzug. Erst als die Türen sich schlossen, bemerkte sie, wie eng die Kabine war. Doch da fuhren sie bereits nach oben. „Aber es ist eine geschäftliche Angelegenheit, nichts sonst.“

„Hast du Angst, ich könnte versuchen, dich zu verführen?“ Seine Augen funkelten amüsiert, und in seinen Mundwinkeln zuckte dieses sexy Lächeln, das Lydia so verrückt machte.

„Dafür bist du immerhin berüchtigt, Mr. Valdez. Oder willst du das Gegenteil behaupten? Die Kellnerin gestern konnte dir jedenfalls nur mit Mühe widerstehen.“

Er sah sie an und runzelte die Stirn. Sie schaute ihn herausfordernd an.

„Höre ich da etwa einen Anflug von Eifersucht?“

Ein Ping ertönte, und die Aufzugtüren schoben sich auseinander und übertönten Lydias empörtes Keuchen. Wie konnte er nur so etwas denken?

„Nein, ganz gewiss nicht.“

Ohne sich noch nach ihm umzublicken, trat sie aus dem Lift. Sein leises, sexy Lachen hallte hinter ihr durch den Korridor.

Kurz darauf fand sie sich in seinem riesigen Apartment wieder.

Und in seinem Leben.

Raul beobachtete, wie Lydia sein Apartment betrat. Ihre Hüften schwangen verführerisch, und der schwarze Rock zeichnete perfekt die Konturen ihres wohlgeformten Hinterteils nach – vermutlich mehr, als sie beabsichtigt hatte. Die hohen schwarzen Stiefel betonten ihre sexy Figur, und auf einmal kam ihm das riesige Apartment eng und klein vor. Es waren schon viele Frauen hier gewesen, doch irgendwie fühlte es sich mit Lydia anders an.

Noch nie hatte er eine Frau so nah an sich herangelassen, dass sie sehen konnte, wer er wirklich war. Doch Lydia – ausgerechnet ihr – war es gelungen, diese Tür in seinem Inneren zu öffnen. Er hatte ihr bereits mehr über sich preisgegeben als irgendjemandem sonst. Lag es womöglich daran, dass sie als erste Frau nicht nur hier war, um mit ihm ins Bett zu gehen?

Die Vorstellung von ihr in seinem Bett ließ Lust wie einen Blitz aus heiterem Himmel durch seinen Körper zucken. Er war versucht zu vergessen, warum sie wirklich hier war.

„Ich hoffe, es ist alles zu deiner Zufriedenheit“, neckte er und wurde mit einem schneidenden Blick belohnt. Würde sie mit demselben Feuer reagieren, wenn er sie küsste? Der Gedanke ließ ihn beinahe schwach werden. Er konnte kaum glauben, wie stark die Anziehungskraft zwischen ihnen war. Doch er musste ihr widerstehen – zumindest für den Augenblick.

„Erklär mir doch einmal, warum du die Schulden meines Vaters auf so sonderbare Weise ausgleichen musst, wo du doch offensichtlich über erhebliche finanzielle Mittel verfügst. Allein dieses Apartment samt Einrichtung dürfte mehr wert sein als ein paar Ferienhäuser meines Vaters.“

Will sie mich ärgern? Wenn ja, war sie auf einem guten Weg – was ihm nur recht war, denn es lenkte ihn von seiner Libido ab. „Ein paar Ferienhäuser? Glaubst du wirklich, dass es nur darum geht? Hältst du mich für so geldgierig?“

In Raul stiegen erste Zweifel auf, dass sie die Schulden ihres Vaters überhaupt überblickte. Es mochte darum gegangen sein, Ferienvillen zu kaufen, handelte sich aber um weit mehr als nur einige wenige. Er würde mit ihr in sein Büro fahren und sie selbst sehen lassen, was genau ihr Vater da unterzeichnet hatte. Je eher er sie ins Boot holte, desto besser.

„Das ist genau das, was ich von dir denke. Du hast dir alles zurechtgedreht, wie es dir passt, und nun erpresst du mich praktisch damit. Entweder ich finde deinen Bruder oder ich heirate dich.“

„Und welche Alternative würdest du bevorzugen, querida?“

„Nenn mich nicht so.“

Er erinnerte sich an jenen Abend, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren – und an ihre jämmerlichen Spanischkenntnisse. Damals wie heute blitzten ihre Augen wie funkelnde Smaragde und weckten eine Leidenschaft in ihm, die er ignorieren würde.

„Wir werden jetzt in mein Büro gehen. Dort kannst du mit eigenen Augen sehen, was dein Vater meinem schuldig ist.“ Ärger brannte in ihm. Wie konnte sie es wagen, ihm unlautere Machenschaften zu unterstellen? Er sollte an diesem Gefühl der Empörung festhalten. Es half ihm dabei, die anderen Dinge zu vergessen, die er lieber nicht empfinden sollte. Zum Teufel, warum muss ich ausgerechnet diese Frau so sexy finden?

„Das klingt wie ein vernünftiger Gedanke. Und auf dem Rückweg werde ich mir ein Hotelzimmer nehmen.“

Er runzelte die Stirn. „Du gibst wohl nie auf, wie?“

„Nein. Und daher schlage ich vor, dass du mir die versprochenen Unterlagen vorlegst. Ich bin sicher, sie zeigen, dass es ausreicht, ein paar Tage lang nach deinem Bruder zu suchen, um die Schuld zu begleichen. Und dann wirst du hoffentlich diese lächerliche Klausel fallenlassen, die dein Vater meinem irgendwie aufgezwungen haben muss.“

„Dann lass uns gleich aufbrechen und die Angelegenheit ein für alle Mal klären.“

Sie nickte energisch, und ihre Absätze klackten auf dem Marmorfußboden, als sie zur Tür ging. „Das ist das Vernünftigste, was ich von dir gehört habe, seit wir uns in London getroffen haben.“

„Es ist nicht weit bis zu meinem Büro.“ Raul schaute an ihr hinunter bis zu den sexy hochhackigen Stiefeln und versuchte nicht daran zu denken, wie sie sich an ihre wohlgeformten Waden schmiegten.

Er hatte eine Aufgabe zu erledigen.

„Ein kurzer Spaziergang ist perfekt“, entgegnete sie, und ihre grünen Augen funkelten herausfordernd.

Entschlossen, sich nicht von ihr beeinflussen zu lassen, ging er voran zum Aufzug und hielt ihr unten die Tür zur Straße auf. Trotz ihrer hohen Absätze hielt sie mühelos mit ihm Schritt. Raul wurde von selbst langsamer, als sie einen der belebten Plätze der Innenstadt erreichten, den etliche Cafés säumten. Auf den Terrassen saßen Pärchen und genossen die winterliche Nachmittagssonne.

Wie es wohl sein mochte, mit ihr hier zu sitzen und zu entspannen? Den Stress ihrer Situation für einen Moment zu vergessen und sich richtig kennenzulernen?

Es schockierte ihn, wie sehr dieser Gedanke ihm gefiel. Er wollte sie kennenlernen, und zwar nicht so, wie er es normalerweise bei anderen Frauen tat. Nein, er wollte sie wirklich verstehen, wollte wissen, was sie dachte und fühlte. Doch das stand natürlich nicht zur Debatte. Schon gar nicht ausgerechnet jetzt.

Sollte sie ihn ruhig für einen Frauenhelden halten – vor allem, da sie ihm nicht wie eine Frau erschien, für die lockere Affären und One-Night-Stands infrage kamen. Was sie wiederum genau zu der Art von Frau machte, der er normalerweise aus dem Weg ging. Woher dann also diese völlig unangebrachte Faszination? Weil sie so etwas wie eine verbotene Frucht für ihn war?

Doch das konnte ihn nicht aus der Bahn werfen – oder?

Er blieb vor dem alten Gebäude stehen, das die Banco de Torrez beherbergte. Lydia schaute ihn an, und es lag eine Unsicherheit in ihrem Blick, die ihn zögern ließ. Doch er rief sich innerlich sofort zur Ordnung. Irgendwie mussten sie dieses Chaos ja aus dem Weg räumen, das ihre Väter angerichtet hatten.

Ohne ein weiteres Wort öffnete er die schwere Tür und betrat das Foyer. Wie sein Apartment war es modern und offen gehalten. Er bemerkte, wie sie sich mit hochgezogenen Brauen umschaute und erinnerte sich an ihren Kommentar von vorher. Dass er die Schuld ihres Vaters doch sicher einfach abschreiben konnte.

Das stimmte. Allerdings riskierte er damit, dass die Firma, die er aufgebaut hatte, an den Höchstbietenden verkauft wurde.

Und das durfte nicht passieren. Es hingen zu viele Existenzen davon ab. Die einzige Alternative war, dass Lydia seinen Halbbruder fand – ohne, dass die Presse davon Wind bekam.

Es wurde Zeit, dass sie ihr Hobby für einen wirklich nützlichen Zweck einsetzte.

„Ich zeige dir jetzt das Büro, in dem du arbeiten kannst, während du hier bist“, sagte er und trat in den Aufzug. Dabei versuchte er zu ignorieren, wie eng die Kabine war und wie nah er Lydia unweigerlich kam.

Nachdem sie aus dem Fahrstuhl getreten waren, folgte Lydia ihm durch einen langgestreckten Korridor mit Büroräumen. Immer wieder wurde Raul freundlich gegrüßt und sie selbst mit neugierigen Blicken gemustert. Ob die Leute mich wohl für seine neueste Gespielin halten? Der Gedanke ließ sie beinahe erstarren. Doch sie zwang sich, weiterzugehen und sich nicht darum zu scheren, was andere über sie dachten.

Schließlich erreichten sie einen etwas abgeschiedenen Bereich. Es fiel Lydia nicht leicht, sich weiterhin unbeeindruckt zu zeigen, als sie sich umschaute. Das Büro – ganz offensichtlich handelte es sich um Rauls – war unglaublich groß und luxuriös. Eine gesamte Wand nahmen riesige Panoramafenstern ein, und die Dächer der Altstadt von Madrid glänzten in der Wintersonne.

Für einen Moment gab sie sich der Vorstellung hin, einfach nur die Stadt erkunden zu können. Doch sie war hier, weil sie einen Job zu erledigen hatte. Um für die Schulden ihres Vaters aufzukommen und am Ende womöglich sogar ihr fehlgeleitetes Pflichtgefühl ihm gegenüber loszuwerden. Vor allem aber war sie wegen ihrer Großmutter hier. Ihr blieb keine Zeit für irgendwelche Vergnügungen – und ganz sicher nicht dafür, irgendwelchen albernen Schwärmereien nachzuhängen.

„Ich werde ohnehin nur ein paar Tage bleiben.“

Raul musste wirklich verzweifelt nach seinem Bruder suchen. Nicht aus emotionalen Gründen, davon war sie überzeugt, sondern wegen der Summe, die mit seinem Auffinden verbunden war. Zumindest war er so ehrlich gewesen einzugestehen, dass es sich um sehr viel mehr handelte, als ihr Vater ihm schuldete.

Er zuckte gleichmütig mit den Schultern, und sie runzelte die Stirn. Das kam ihr merkwürdig vor. Gab es noch etwas, dass er ihr verschwiegen hatte?

„Ich denke, bevor du weitere Pläne bezüglich der Dauer deines Aufenthalts in Madrid machst, sollten wir uns über die Höhe der Schulden deines Vaters unterhalten, querida. Du wirst nicht gehen, ehe die Summe nicht abgearbeitet ist oder du deine Unterschrift unter eine Heiratsurkunde gesetzt hast.“

Lydia war wütend – sie war nicht seine querida –, doch nach außen hin gab sie sich ruhig und gelassen. Und sie widerstand erneut der Versuchung, ihm auf Spanisch zu antworten. Das Vergnügen, die Überraschung in seinem Blick zu sehen, wollte sie sich für ein anderes Mal aufheben.

„In dem Fall wüsste ich gern die exakte Summe seiner Verbindlichkeiten.“

Sie folgte ihm zurück in sein Büro und wartete geduldig, bis er die Akte geholt hatte. Er öffnete sie und schob sie über das polierte Holz der Tischplatte zu ihr herüber. In seinem Blick lag eine eindeutige Warnung, und sie wappnete sich für das, was nun kommen würde.

„Die Summe übersteigt fünfhundert Millionen Euro“, erklärte er völlig emotionslos.

Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Wie konnte er das so ruhig aussprechen?

„Und die Grundstücke und Immobilien, die als Sicherheit verwendet wurden?“ Ihre Stimme zitterte vor Anspannung.

„Sind von sehr viel höherem Wert als diese Summe.“

Wie viele Anwesen hatte ihr Vater auf ihren Namen übertragen? Die ganze Angelegenheit war deutlich größer, als sie für möglich gehalten hatte. Und sie steckte ganz tief mit drin.

Zu tief.

Es würde ihre Großmutter umbringen, wenn sie davon erfuhr.

„Wenn wir heiraten, würdest du also erheblich mehr verdienen?“

Er nickte, und sie sprach weiter, bevor sie den Mut verlor. „Warum lässt du dich dann auf den Deal ein, den ich dir angeboten habe?“

„Ich will meinen Bruder finden. Ich ziehe es vor, dass das Geld aus den Konten kommt, die mein Vater extra zu dem Zweck angelegt hat, seine verschlagenen Machenschaften zu finanzieren. Ich nehme an, dass du das genauso siehst.“

„Ich empfinde jedenfalls kein gesteigertes Verlangen zu heiraten – weder dich noch sonst jemanden.“ Sie versuchte, so souverän zu klingen wie möglich. Doch in Wahrheit hatte sie noch immer nicht verarbeitet, was sie gerade erfahren hatte.

„Wenn wir uns also einig sind, wirst du diese Verschwiegenheitsvereinbarung unterzeichnen?“

Ihr Misstrauen erwachte. „Da muss doch noch mehr sein. Was verheimlichst du vor mir?“

Für einen Moment glaubte sie, Wut in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Dann war die Regung verschwunden und durch eisige Geringschätzung ersetzt worden.

„Du bist wirklich sehr scharfsinnig, Lydia. Du solltest Unternehmerin werden.“ Sein schneidender Tonfall prallte an ihr ab.

„Vielleicht bin ich das ja“, höhnte sie und ging auf ihn zu. „Was bedeutet, dass ich die genaueren Details wissen will, bevor ich einen Vertrag mit dir unterzeichne. Und zwar alle.“

„Schön.“ Er kam näher, und sie schluckte. Als sie zu ihm aufblickte, bemerkte sie, wie unglaublich lang seine dunklen Wimpern waren. Und wie sexy et war. „Aber vorher gibt es noch eine Sache zwischen uns zu klären.“

„Und die wäre?“ Ihr Herz hämmerte. Er war ihr so nah, dass er sie küssen könnte. Was für ein merkwürdiger Gedanke!

„Wir werden uns verloben – und zwar unverzüglich.“

„Nein“, fauchte sie.

„Ich möchte nicht, dass irgendjemand davon erfährt, dass du nach meinem Bruder suchst – nicht, solange ich nicht dazu bereit bin. Der Vorstand der Bank verlangt den Ausgleich der längst überfälligen Verbindlichkeiten. Und es führt kein Weg daran vorbei, dass sie glauben, wir wären bereit zu heiraten.“

Er trat noch etwas näher, und sie biss sich auf die Unterlippe. Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch, doch sie ignorierte sie – oder versuchte es zumindest. Er durfte nicht merken, dass sie ihn attraktiv fand. Instinktiv war ihr klar, wie gefährlich das wäre.

„Warum sollte es mich kümmern, was dein Bankvorstand denkt?“

Er hatte sie ausgetrickst und ihr diesen Teil der Bedingungen verschwiegen, bis sie in Madrid waren.

„Mir bleibt Zeit bis Ende Dezember, um die Angelegenheit zu regeln – und Tausende Arbeitsstellen zu sichern. Es gibt nämlich noch eine letzte, finale Klausel im Testament meines Vaters. Und diese Klausel besagt, dass ich entweder meinen Bruder finden – oder dich heiraten muss. Ansonsten kommt die Firma unter den Hammer. Es ist unbedingt notwendig zu demonstrieren, dass ich die Dinge in die Hand nehme. Schließlich geht es um eine mehr als beträchtliche Summe, da dürftest selbst du mir zustimmen.“

„Und wenn ich mich einverstanden erkläre?“, brachte sie stockend hervor.

„Dann hilfst du damit nicht nur dir selbst und deinem Vater, sondern auch den vielen hundert Familien, die auf ihr Einkommen angewiesen sind.“

Lydia seufzte. Sie wusste, wann sie verloren hatte. Wie schlimm konnte es schon sein, eine Verlobung mit diesem Mann vorzutäuschen? Alles, was sie tun musste, war, seinen Bruder zu finden. Dann wäre dieser Albtraum, der immer schlimmer und schlimmer wurde, vorbei.

Rauls nächste Worte stimmten sie nur noch besorgter. „Und für den Fall, dass du meinen Bruder nicht findest, ist für unsere Heirat bereits alles in die Wege geleitet. Sie würde dann am Heiligabend stattfinden.“

Eine Weihnachtshochzeit? Der Gedanke machte sie panisch. Sie wollte nicht heiraten. Sie hatte gesehen, wie hoffnungslos ihre Träume von Liebe und Glück waren. Und Raul bestärkte sie nur darin.

„Du hast wirklich alles bis ins letzte Detail geplant, nicht wahr?“

„Ich bin immer gern auf sämtliche Eventualitäten vorbereitet.“

Warum klang das nach einer Drohung? Sie schaute ihn an. Der Blick seiner dunklen Augen war durchdringend.

Einen kurzen Moment lang spielte Lydia mit dem Gedanken, einfach zu gehen. Dies war das Chaos ihres Vaters, sollte er die Suppe doch auslöffeln, die er sich eingebrockt hatte. Doch sie wusste genau, dass er das niemals tun würde.

Sie würde stark sein – für ihre Großmutter. Nicht für Raul, nicht für sich selbst und ganz sicher nicht für ihren Vater.

„Daran zweifle ich keine Sekunde. Aber warum hat dein Vater das überhaupt alles eingefädelt?“

„Um mich dazu zu zwingen, entweder seinen anderen Sohn zu akzeptieren oder zu tun, was ich geschworen habe, niemals zu tun. Zu heiraten.“

„Würde er so etwas wirklich tun?“

„Er würde. Also, wie sieht es nun aus, Lydia? Haben wir einen Deal?“

Sie biss die Zähne zusammen, ging zu seinem Schreibtisch und nahm einen Stift. Mit trotzigem Blick unterzeichnete sie das Dokument.

„Wir haben einen Deal“, sagte sie. „Ich werde deine Verlobte spielen – aber nur für einen Monat.“

4. KAPITEL

Lydia saß hinter ihrem Schreibtisch und blickte auf Madrid hinaus. Die Dächer der Stadt schimmerten im Licht der Wintersonne, doch sie nahm es gar nicht richtig wahr. Ihre Gedanken kreisten um die Vereinbarung, die sie mit Raul getroffen hatte.

Versonnen spielte sie mit dem protzigen Verlobungsring an ihrem Finger. Obwohl sie ihn nun schon seit mehr als einer Woche trug, hatte sie sich noch immer nicht daran gewöhnt.

Die ersten zehn Tage der vorgetäuschten Verlobung waren vorüber, und sie war ihrem Ziel, Maximiliano Valdez aufzutreiben, noch keinen Schritt näher gekommen. Langsam wurde die Heirat, die sie auf keinen Fall wollte, zu einem immer wahrscheinlicheren Ausgang. Sie war schon in so vielen Sackgassen gelandet und hatte bisher noch nicht einmal den Namen in Erfahrung bringen können, den Maximiliano benutzte. Lediglich, dass es nicht Valdez war, wusste sie mit ziemlicher Sicherheit.

Seufzend barg sie das Gesicht in den Händen. Sie musste bald Ergebnisse liefern. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Raul etwas von ihr sehen wollte.

„Langweilt deine Arbeit dich, Lydia?“

Ihr Kopf schoss nach oben, als sie seine tiefe Stimme hörte. Sie drehte sich mit ihrem Stuhl herum und sah Raul lässig im Türrahmen lehnen, die Arme vor der Brust verschränkt. Wie schaffte er es nur, so fordernd und attraktiv zugleich zu wirken?

„Ich habe nachgedacht.“

„Und? Bist du schon zu irgendeinem Ergebnis gelangt, was meinen Bruder betrifft?“ Er schien regelrecht über ihr aufzuragen, und ihr Herz klopfte heftig. War es die Angst davor, ihm zu gestehen, dass sie bisher nichts Nennenswertes zustande gebracht hatte? Oder lag es daran, dass er ihr so nah war, dass sie sein exklusives Rasierwasser roch?

Als sie nicht antwortete, hob er eine Braue. Sein durchdringender Blick hielt ihren gefangen. „Irgendetwas?“

„Nein.“ Sie wollte nicht ins Detail gehen. Ihr war nur zu deutlich bewusst, dass ihr nur noch etwas über zwei Wochen blieben, ehe er von ihr verlangen konnte, ihn zu heiraten, um die Schulden ihres Vaters zu begleichen. Wenn sie seinen Bruder nicht aufspürte, gab es für sie keinen anderen Weg. Sie mochte ihr eigenes Unternehmen besitzen, doch es steckte noch in den Kinderschuhen und konnte sich nicht mit dem von Raul messen.

Es reichte nicht, um auch nur den Bruchteil der Verbindlichkeiten zu decken.

Raul holte tief Luft, und Lydia hatte das Gefühl, dass er etwas zurückhielt, was ihm auf der Zunge lag.

„Dann fürchte ich, dass ich unseren Alternativplan in Gang setzen muss.“ Die Kälte in seiner Stimme ließ sie innerlich frösteln.

„Was für einen Alternativplan?“ Habe ich irgendetwas nicht mitbekommen?

Er schaute sie an, und sofort fingen die Schmetterlinge in ihrem Bauch wieder an zu flattern. Verflucht sollte er sein. Hatte er auch nur die geringste Ahnung, was er tat? Oder versuchte er absichtlich, sie aus der Bahn zu werfen?

„Natürlich unsere Heirat.“

„Aber es bleiben doch noch drei Wochen.“ Lydia wusste, dass sie panisch klang, aber das ließ sich nicht ändern. Doch sie hatte sich schnell wieder im Griff.

, das stimmt. Aber es ist unabdingbar, dass man uns Vorbereitungen treffen sieht.“

„Dass wer uns sieht?“, fauchte sie ärgerlich.

Er trat an ihren Schreibtisch, stützte sich mit den Händen darauf und beugte sich vor. „Der Vorstand. Die Menschen, die die Macht haben, auf die Erfüllung des Vertrags, den dein Vater unterschrieben hat, zu pochen.“

Er war wütend. Sie spürte förmlich, wie die Luft um ihn herum knisterte.

Lydia hatte mit ihrem Anwalt gesprochen. Sie wusste, dass er ihren Vater gewarnt hatte, den Vertrag zu unterzeichnen. Doch ihr Vater hatte alles so gedeichselt, dass er nicht in die Schusslinie geriet – sondern sie.

Und dennoch konnte sie sich nicht davon abhalten, diesen stolzen und mächtigen Mann vor ihr immer wieder herauszufordern.

„Und tanzt du immer nach der Pfeife dieser Leute?“

Er beugte sich noch weiter vor. Sein Gesicht war ihrem jetzt so nah, dass es für einen Außenstehenden wie ein Kuss aussehen würde.

„Glaubst du wirklich, ich würde dich oder sonst irgendjemanden heiraten, weil jemand es mir vorschreibt?“

Sie spürte seinen Atem auf ihrem Gesicht. Sein Blick war fest auf sie gerichtet.

Wenn sie ehrlich war, glaubte sie das keineswegs. Sie hatte sich mehr als nur einmal gefragt, warum ein Mann wie er sich zur Marionette seines verstorbenen Vaters machen ließ.

Daher nahm sie allen Mut zusammen und beugte sich nun selbst vor, sodass er in ihren Augen lesen konnte, wie ernst es ihr war. „Nein, das tue ich nicht. Und genau deshalb ist es jetzt vielleicht an der Zeit, endlich reinen Tisch zu machen und mir zu erklären, womit genau wir es hier zu tun haben. Ich verspüre nämlich kein gesteigertes Verlangen, die nächsten zwei Jahre an deiner Seite zu verbringen.“

Schweigend musterte er sie.

„Was geht hier vor, Raul?“

Ein selbstzufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen. Sie stellte sich vor, wie es sich anfühlen würde, von diesen Lippen geküsst zu werden. Ihre Wangen fingen zu brennen an. Rasch erhob sie sich von ihrem Platz und bekämpfte das unangemessene Verlangen nach diesem Mann in ihr.

„Du weißt bereits alles, Lydia.“

„Ich gehe nach Hause“, erklärte sie fest.

Raul hob eine Braue. „Mit Zuhause meinst du mein Zuhause?“

„Für mich ist jeder Ort, an dem ich mich aufhalte, mein Zuhause.“

Warum habe ich ihm das gesagt? Wieso teile ich mit ihm Dinge, über die ich sonst mit niemandem spreche?

Ärgerlich über sich selbst nahm sie ihre Jacke und Tasche.

Autor

Rachael Thomas
Vor über zwanzig Jahren wählte Rachael Thomas Wales als ihre Heimat. Sie heiratete in eine Familie mit landwirtschaftlichem Betrieb ein und konnte in ihrem neuen Zuhause endlich Wurzeln schlagen. Sie wollte schon immer schreiben; noch heute erinnert sie sich an die Aufregung, die sie im Alter von neun Jahren empfand,...
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