Mittelmeerträume mit einem Prinzen

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Prinz Alexius blickt Dottie zweifelnd an. Er hat den besten Therapeuten gesucht, damit seine kleine Tochter endlich sprechen lernt - und ausgerechnet diese junge Blondine soll erreichen, woran bisher alle gescheitert sind? Niemals. Bald merkt der attraktive Witwer jedoch, dass Dotties liebevolle Hingabe das Unmögliche vollbringt - Zoe spricht! Und er spürt: Auch sein verstummtes Herz braucht Dotties Nähe. Ein Blick in ihre sehnsuchtsvollen Augen, und er will sie als seine Frau auf seine Trauminsel in der Ägäis entführen. Warum nur lehnt Dottie seinen Antrag ab?


  • Erscheinungstag 09.10.2012
  • Bandnummer 1965
  • ISBN / Artikelnummer 9783954464456
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Prinz Alexius Kristof Rudolph Stefano Valleder Constantinides, Herzog von Aurum und zweiter Thronfolger von Hellenica, hatte den ganzen Vormittag in seinem Büro gearbeitet, als es an der Tür klopfte. „Ja?“, rief er.

„Königliche Hoheit? Könnte ich kurz mit Ihnen sprechen?“

„Was gibt’s, Hector?“

Hector, sein ihm treu ergebener Privatsekretär, war seit beinahe fünfzig Jahren in der Palastverwaltung tätig und schon die rechte Hand seines Vaters und seines Großvaters gewesen. Normalerweise störte er ihn nur in dringenden Fällen.

„Ich gehe gerade einige wichtige Verträge durch. Kann es nicht bis nach dem Mittagessen warten?“

„Der Landesleiter des Klinikverbunds möchte sich bei Ihnen für die finanzielle Unterstützung bei dem Bau der vier Krankenhäuser bedanken. Hätten Sie kurz Zeit für ihn?“ Abwartend blieb Hector an der Tür stehen.

Für Alex war es selbstverständlich gewesen zu helfen, denn ihm lag sehr am Ausbau des Gesundheitssystems seines Landes. „Ja, natürlich“, erwiderte er sofort. „Führen Sie ihn in den Speisesaal. Ich komme gleich.“

„Er wird sich sehr freuen. Da wäre noch etwas, Königliche Hoheit.“

„Dann kommen Sie doch herein, Hector.“

Der gewichtig wirkende Mann mit dem grau melierten Haar betrat den Raum. „Die Königin lässt Ihnen ausrichten, dass Prinzessin Zoe heute wieder einen ihrer komischen Momente hat.“

Alex hob den Kopf. Seine vierjährige Tochter Zoe bedeutete ihm alles. Und aus diesem Grund beunruhigten ihre Wutanfälle in letzter Zeit ihn zutiefst.

Da es der Königin gesundheitlich nicht gut ging, musste er die Regierungsgeschäfte für seinen Bruder Stasio führen, während dieser außer Landes war. In den letzten vier Monaten hatten die Trotzanfälle seiner Tochter zugenommen, und drei Kindermädchen hatten kurz nacheinander gekündigt. Momentan hatte Zoe keins. In seiner Verzweiflung hatte er sich an seine Großmutter Königin Desma, eine ausgesprochen autoritäre alte Dame, gewandt. Seit dem Tode seines Großvaters König Kristof fungierte sie als nominelle Regentin von Hellenica, einem Inselstaat in der Ägäis und im Thrakischen Meer.

Da ihre Urenkelin ihr ans Herz gewachsen war, hatte sie Sofia, eine ihrer Zofen, mit der Betreuung betraut, bis sich ein neues Kindermädchen fand. Eigentlich erwartete sie jedoch von ihm, dass er wieder heiratete. Und da er einem königlichen Erlass zufolge nur wieder eine Prinzessin zur Frau nehmen konnte, hatte er beschlossen, allein zu bleiben. Eine arrangierte Ehe hatte ihm gereicht.

In letzter Zeit hielt sich Zoe vorwiegend in der Suite ihrer Urgroßmutter auf, die sie auf eine neue Mutter vorzubereiten suchte. Seine Großmutter hatte auch die Verbindung zwischen ihm und seiner verstorbenen Frau Teresa arrangiert, die wie sie dem Adelsgeschlecht der Valleder entstammte.

Momentan verhandelte sie mit dem Haus Helvetia, um eine Ehe zwischen ihm und Prinzessin Genevieve zu arrangieren. Seiner Meinung nach hätte sie sich die Mühe sparen können.

„Ich habe heute mit ihr zusammen gefrühstückt und hatte den Eindruck, dass alles in Ordnung ist“, erklärte Alex. „Warum ist sie Sofia gegenüber wütend geworden?“

„Nicht Sofia“, erwiderte Hector. „Aber es haben sich zwei ganz neue Situationen ergeben. Darf ich offen sprechen?“

Nur zwei? Frustriert presste Alex die Lippen zusammen. Er hoffte, es wäre nur eine Phase. „Das tun Sie doch immer.“

„Zoes neuer Englischlehrer, Dr. Wyman, hat gerade gekündigt. Und ihr Griechischlehrer, Kyrie Costas, droht auch damit aufzuhören. Wie Sie ja wissen, können die beiden sich nicht über den idealen Lehrplan einigen. Dr. Wyman wartet im Flur und möchte noch kurz mit Ihnen sprechen, bevor er den Palast verlässt.“

Alex stand auf. Vor zwei Wochen hatte er seine Tochter aus der Vorschule nehmen müssen, weil sie sich geweigert hatte, am Unterricht teilzunehmen. Er hatte sie sogar von seinem Arzt untersuchen lassen, aus Sorge, ihre Probleme könnten eine körperliche Ursache haben. Dieser hatte allerdings nichts gefunden.

Und nun hatte ihr Englischlehrer gekündigt? Seine Frau hatte als Teenager einige Jahre in den USA verbracht. Bevor sie ihrem schweren Herzleiden erlegen war, hatte sie ihm das Versprechen abgenommen, dafür zu sorgen, dass Zoe Englisch lernte. Deshalb hatte er den Lehrer engagiert. Gelegentlich sprach er sogar selbst Englisch mit ihr.

Alex atmete tief durch. „Lassen Sie ihn hereinkommen.“

Der vierzigjährige Amerikaner war vorher für Alex’ Cousin zweiten Grades tätig gewesen, Alexandre Philippe, Fürst von Valleder. Dieser war eng mit Stasio befreundet und hatte Dr. Wymans Dienste für seinen Sohn nicht mehr benötigt.

„Königliche Hoheit.“ Der Lehrer deutete eine Verbeugung an.

„Dr. Wyman? Hector sagte, Sie hätten gekündigt. Werden Sie wirklich nicht mehr mit meiner Tochter fertig?“

„In letzter Zeit läuft sie immer vor mir weg, sobald sie mich sieht. Sie spricht kaum, und wenn ja, verstehe ich sie nicht. Sie scheint vor irgendetwas Angst zu haben“, berichtete Dr. Wyman. „Mr Costas meinte, es würde an meinen Unterrichtsmethoden liegen, aber meiner Ansicht nach liegt der Grund woanders.“

Alex hatte sogar schon erwogen, einen Kinderpsychologen zu konsultieren. Auch er war der Meinung, dass seine Tochter vor irgendetwas Angst hatte. Bisher hatte er angenommen, es wäre die Folge einer Entwicklungsverzögerung, weil Zoe als Frühchen zur Welt gekommen war. Vielleicht lag es aber auch an dem Verlust, den sie in so jungen Jahren erlitten hatte.

„Was würden Sie tun, wenn Zoe Ihr Kind wäre, Dr. Wyman?“

„Ich würde zuerst einen Logopäden aufsuchen, um herauszufinden, ob ihre Sprachprobleme psychischer Natur sind.“

„Und wo finde ich einen guten Therapeuten?“

„Das Stillman Institut in New York hat einen ausgezeichneten Ruf.“

„Ich werde es mir durch den Kopf gehen lassen. Vielen Dank für den Rat und Ihre gute Arbeit, Dr. Wyman. Ich werde Sie auf jeden Fall weiterempfehlen.“

„Danke, Königliche Hoheit. Ich hoffe, Sie werden bald Antworten bekommen. Ich mag die Kleine sehr.“

Ich auch, dachte Alex.

Nachdem der Lehrer gegangen war, warf Alex einen Blick auf seine Uhr und beschloss, gleich nach dem Mittagessen den Leiter des Stillman Instituts anzurufen.

Dottie Richards war noch nie mit einem Hubschrauber geflogen. Nach der Landung in Athen hatte man ihr gesagt, es wäre nicht mehr weit nach Hellenica.

Der Leiter des Stillman Instituts hatte sie mit einem zeitlich befristeten Eilvisum hierhergeschickt, weil es sich seinen Worten zufolge um einen dringenden Fall handelte. Bei einem vierjährigen Mädchen sollte so schnell wie möglich eine Diagnose gestellt werden. Aus Sicherheitsgründen hatte sie erst am Hubschrauberlandeplatz von dessen Identität erfahren. Ein Palastsprecher namens Hector hatte sie informiert, dass es sich bei der Kleinen um Prinzessin Zoe handelte, die einzige Tochter von Prinz Alexius Constantinides, einem Witwer, der stellvertretend für den Thronerben die Regierungsgeschäfte führte.

„Wenn Kronprinz Stasio von seiner Geschäftsreise zurückkehrt, wird er am fünften Juli Prinzessin Beatriz heiraten“, hatte er hinzugefügt. „Dann wird Königin Desma, Prinzessin Zoes Urgroßmutter, abdanken, und Prinz Stasio wird zum König von Hellenica gekrönt. Bis dahin vertritt Prinz Alexius ihn. Er hat Ihnen seinen Privathubschrauber zur Verfügung gestellt, damit Sie sich auf dem Flug zu seinem Palast, der sich auf der Insel Hellenica befindet, die Gegend ansehen können.“

Offenbar war das ein Privileg, das nur wenigen Menschen zuteilwurde. „Das ist sehr freundlich von ihm.“ Dottie war in den Hubschrauber gestiegen und hatte sich von der Übelkeit abzulenken versucht, die gleich nach dem Start in ihr aufgestiegen war. „Können Sie mir sagen, welches Problem Prinzessin Zoe hat?“

„Das besprechen Sie am besten mit dem Prinzen.“

„Ja, natürlich.“

Sicher wurde Diskretion am Königshof groß geschrieben, und zweifellos hatte man Hector deswegen mit dieser Aufgabe betraut. Er war nicht der Typ, der den Dienst am Hof quittierte und dann ein Buch über die dunklen Geheimnisse der Familie Constantinides veröffentlichte. Dottie bewunderte Hector für seine Loyalität und hätte es ihm auch gern gesagt, doch ihr war so übel, dass sie nicht mehr sprechen konnte.

Vor einigen Jahren hatte sie einige Berichte über die Brüder Constantinides gesehen, erinnerte sich allerdings kaum noch daran, wie diese aussahen. Beide hatten damals wie so viele Söhne aus adeligen Familien als Playboys gegolten. Sie hatte noch nie mit Mitgliedern irgendwelcher königlichen Familien zu tun gehabt, aber in ihren Augen waren diese Menschen wie alle anderen auch.

Sie selbst war von einer alleinstehenden und inzwischen verstorbenen Tante großgezogen worden, die ausgesprochen praktisch veranlagt gewesen war, und so hatte es in ihrer Welt nicht viele Märchen gegeben. Als kleines Mädchen hatte sie sich manchmal gewünscht, zu erfahren, wie es war, eine Königin oder eine Prinzessin zu sein. Und nun bot sich ihr die Gelegenheit, es herauszufinden.

Sie hatte genug über verschiedene Mitglieder von Königshäusern gelesen, die in Skandale verwickelt waren, um diese zu bemitleiden. Ständig standen sie im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Ein Prinz oder eine Prinzessin blieb immer Mitglied einer königlichen Familie und konnte nicht einmal geboren werden oder sterben, ohne das Interesse der Medien zu wecken. Wie Dottie aus eigener, leidvoller Erfahrung wusste, erregten Normalsterbliche allerdings auch manchmal unerwünschtes Interesse.

Da sie selbst als Kind gestottert hatte, konnte sie erahnen, wie es sein musste, wenn ein Mitglied einer königlichen Familie einen Sprachfehler hatte. Inzwischen war sie neunundzwanzig, hatte das Stottern längst überwunden und liebte ihre Anonymität. Obwohl sie die mutterlose kleine Prinzessin noch nicht kannte, empfand sie schon jetzt Mitgefühl für sie. Selbst in ihrem zarten Alter wurde diese sicher auf Schritt und Tritt überwacht, und daran würde sich nichts mehr ändern.

Sobald sie alt genug wäre, würde sie die Erfahrung machen, dass sie immer im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen würde. Falls sie tatsächlich ein körperliches Handicap oder ernsthafte psychische Probleme hatte, würde die Presse dies gnadenlos ausschlachten. Dottie schwor sich, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dem kleinen Mädchen zu helfen.

Da ihre Übelkeit sich nicht legte, musste Dottie gleich nach der Landung das Bad aufsuchen, sobald man sie in ihre Suite geführt hatte. Und so unangenehm es ihr auch war, sie brauchte jetzt ihren Schlaf. Wenn ihr Auftrag hier beendet wäre, würde sie nicht mehr in den Hubschrauber steigen, sondern die Insel mit dem Flugzeug verlassen.

Nachdenklich betrachtete Alex seine gesundheitlich stark angeschlagene Großmutter, deren silbergraues Haar trotz ihrer fünfundachtzig Jahre immer noch sehr dicht war. In letzter Zeit hielt sie sich vorwiegend in ihrer Suite auf, weil sie schnell müde wurde. Er wusste, wie sehr sie Stasios Rückkehr herbeisehnte, damit sie endlich abdanken konnte.

Aber niemand erwartete seinen Bruder sehnsüchtiger als er. Dieser war am ersten April abgereist und hatte eigentlich Mitte Mai wiederkommen wollen. Inzwischen war es allerdings schon Ende des Monats. Er war fest entschlossen, seine Arbeit zu reduzieren, um mehr Zeit mit seiner Tochter verbringen zu können. Da diese von Tag zu Tag unglücklicher zu werden schien, hoffte er sehr, die Sprachtherapeutin würde ihm einige Antworten geben.

„Vielen Dank für das Frühstück“, sagte er nun auf Griechisch. „Wenn ihr beide mich jetzt entschuldigt … Ich habe zu tun, aber ich komme bald zurück.“ Er gab seiner kleinen Tochter, die nur mit ihrem Brötchen spielte, einen Kuss auf die Wange. „Sei Yiayia zuliebe ganz brav.“

Sie nickte.

Nachdem er seiner Großmutter gegenüber eine Verbeugung angedeutet hatte, verließ er die Suite und eilte in sein Büro, das sich in einem anderen Flügel des Palasts befand. Leider hatte er am Vorabend nicht mehr mit Mrs Richards sprechen können. Hector zufolge war sie noch nie mit einem Hubschrauber geflogen, und ihr war unterwegs übel geworden. So hatte er sich gedulden müssen und sich gefragt, ob ihr Unwohlsein bereits ein schlechtes Zeichen war.

Da Hector so diskret war, hatte er darauf verzichtet, ihn zu fragen, was er von ihr hielt. Diese eigentlich lobenswerte Eigenschaft trieb seinen Bruder manchmal in den Wahnsinn.

Jahrelang hatte dieser Hector vorgeworfen, dass er geradezu unmenschlich wäre. Alex vermutete, dass der Grund für die Abneigung viel tiefer lag: Hector führte Stasio ständig vor Augen, dass es dessen Pflicht war, Prinzessin Beatriz zu heiraten und dem Land einen Thronfolger zu schenken.

Genau wie seine Großmutter, die sich noch mehr Urenkel wünschte, freute Alex sich darauf, dass sein Bruder Zoe Cousins oder Cousinen schenken würde. Es würde ihr guttun, einige Spielkameraden im Palast zu haben.

In seinem Büro las Alex mit finsterer Miene das Fax von Stasio, das aus Valleder gekommen war:

Tut mir leid, kleiner Bruder, aber ich habe so viel zu tun, dass ich noch eine Woche bleiben muss. Richte Yiayia bitte aus, dass ich bald wieder zu Hause bin. Gib Zoe einen Kuss von ihrem Onkel. Und Du mach so weiter, Du leistest hervorragende Arbeit. Stasio

„Darf ich Ihnen Mrs Richards vorstellen, Königliche Hoheit?“

Unvermittelt blickte Alex auf. Hector hatte unbemerkt sein Büro betreten und räusperte sich nun. In seiner Begleitung befand sich eine typische Amerikanerin – groß, das blonde Haar zu einem lockeren Knoten hochgesteckt. Er war so verärgert über die Nachricht seines Bruders, dass er den Termin mit Hector ganz vergessen hatte. Stasio hatte ihre Abmachung ausgenutzt.

„Ein Monat, Bruderherz“, hatte er vor seiner Abreise verkündet. „Mehr brauche ich nicht, um mit den Banken zu verhandeln. Philippe unterstützt mich dabei.“ Inzwischen waren auch die Königin, der Premierminister und der Erzbischof verstimmt, weil sie mit ihm die Einzelheiten für die Krönung und die königliche Hochzeit besprechen mussten.

Schnell verdrängte Alex seinen Unmut und stand auf. „Willkommen in Hellenica, Mrs Richards.“

„Danke, Königliche Hoheit.“

Verlegen machte sie einen Hofknicks, den Hector zweifellos mit ihr einstudiert hatte. Widerstrebend musste Alex sich eingestehen, dass sie attraktiv war. Sie trug eine hellblaue Bluse und einen cremefarbenen Rock, und unwillkürlich ließ er den Blick über ihre Brüste und ihre langen, schlanken Beine gleiten.

Dann betrachtete er wieder ihr Gesicht, fasziniert von ihren vollen Lippen und den blauen Augen, die ihn an die Kornblumen erinnerten, die auf seiner Heimatinsel Aurum wuchsen.

Er sehnte sich nach seinem Palast dort, denn Aurum war, anders als Hellenica, nicht von Touristen überlaufen. Natürlich hatte er nichts gegen die ausländischen Gäste, zumal der Tourismus eine der Haupteinnahmequellen seines Landes war, aber da es Zoe nicht gut ging, machte ihm in letzter Zeit alles zu schaffen. Auch die Frau, die jetzt vor ihm stand.

Zum einen wirkte sie viel zu jung angesichts der Aufgabe, die sie erwartete. Kein Wunder, dass Hector nichts über sie erzählt hatte!

„Ich habe gehört, dass der Flug Ihnen nicht bekommen ist. Hoffentlich geht es Ihnen jetzt besser.“

„Viel besser. Es tut mir leid, dass ich die Aussicht nicht genießen konnte, aber ich weiß Ihre Großzügigkeit zu schätzen“, erklärte sie überraschend offen. „Lerne ich Ihre Tochter heute Vormittag kennen?“

„Ja.“ Alex warf Hector einen flüchtigen Blick zu. „Würden Sie Sofia bitten, Zoe herzubringen?“

Nachdem dieser das Büro verlassen hatte, bedeutete Alex Mrs Richards, auf dem kleinen Sofa Platz zu nehmen. „Möchten Sie Tee oder Kaffee?“

„Weder noch, danke. Ich hatte gerade Tee. Aber nehmen Sie sich nur, wenn Sie möchten.“

Wenn er mochte? Ihre lockere Art verblüffte ihn immer mehr, denn er war es nicht gewohnt, dass Fremde ihm so unbefangen begegneten.

„Mein Chef hat mir erzählt, dass Ihre Tochter Kommunikationsschwierigkeiten hat, mir aber keine weiteren Informationen gegeben. Wann ist Ihre Frau verstorben?“

„Vor zwei Jahren.“

„Und jetzt ist Zoe vier. Sie erinnert sich also kaum noch an sie. Ist sie zum errechneten Termin zur Welt gekommen?“

„Nein, sechs Wochen zu früh. Und sie musste fast einen Monat im Krankenhaus bleiben, weil ihr Zustand kritisch war. Vielleicht ist das der Grund für ihre Sprachprobleme.“

„Hatte sie schon von Beginn an Schwierigkeiten?“

„Schwer zu sagen, ich habe ja keinen Vergleich. Auf jeden Fall versteht man sie schlecht. Außerdem ist sie seit einigen Monaten so schwierig, dass mehrere Lehrer und drei Kindermädchen gekündigt haben. Auch die Lehrerin in der Vorschule ist mit ihr nicht fertig geworden.“

„Normalerweise ist es die wichtigste Bezugsperson, der die Probleme zuerst auffallen. War das Ihre Frau?“

„Ja. Aber da sie Herzprobleme hatte, musste das Kindermädchen oft übernehmen. Ich habe mich vorwiegend abends nach der Arbeit um Zoe gekümmert. Richtig alarmiert war ich allerdings erst, als ich sie vor zwei Wochen von der Vorschule abmelden musste.“

„Haben Sie alle Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt machen lassen?“

„Ja.“

„Sie hat also keine Herzprobleme.“

Alex schüttelte den Kopf. „Ich habe mir sogar eine zweite Meinung bei meinem Internisten eingeholt. Beide Ärzte haben mir einen Kinderpsychologen empfohlen. Aber bevor ich mit ihr dorthin gehe, wollte ich erst den Rat von Dr. Wyman befolgen und mich mit Ihrem Institut in Verbindung setzen.“

„Verstehe. Und wie äußern sich ihre Verhaltensauffälligkeiten?“

„In letzter Zeit verweigert sie den Unterricht und bekommt Schrei- oder Wutanfälle. Am liebsten möchte sie sich in ihrem Bett verkriechen oder Trost bei ihrer Urgroßmutter suchen.“

„Wie ist ihr Appetit?“

Auch an diesem Morgen hatte Zoe kaum etwas gegessen – für ihn ein weiterer Grund zur Besorgnis. „Leider nicht so gut.“

Forschend betrachtete Mrs Richards ihn. „Bestimmt sind Sie verzweifelt.“

„Ja“, bestätigte Alex leise. Offenbar war sie sehr scharfsinnig und machte anders als alle anderen – mit Ausnahme seiner Großmutter und seinem Bruder – ihm gegenüber auch keinen Hehl aus ihrer Meinung.

„Dann stellen Sie sich vor, dass es Ihrer Tochter noch viel schlechter geht.“

Alex blinzelte. Offenbar wusste diese Frau genau, wovon sie redete. Er schreckte aus seinen Gedanken, als im nächsten Moment seine Tochter in Begleitung von Sofia und gefolgt von Hector erschien.

„Komm her, Zoe“, ermunterte Alex sie auf Englisch, woraufhin sie zögernd auf ihn zukam. „Das ist Mrs Richards. Sie ist extra deinetwegen aus New York angereist. Magst du ihr Guten Tag sagen?“

Sofort verzog sie gequält das Gesicht. Er kannte diesen Ausdruck. Gleich würde sie die Flucht ergreifen. Er stellte ihr dieselbe Frage noch einmal auf Griechisch. Nachdem sie erwidert hatte, dass sie zu ihrer Yiayia wollte, brach sie in Tränen aus und rannte aus dem Raum. Sofia eilte ihr nach.

„Lassen Sie sie“, riet Mrs Richards ihm unerwartet, als er Zoe zurückholen wollte.

Abgesehen von seinem verstorbenen Vater, hatte ihm bisher noch nie jemand Anweisungen erteilt, schon gar nicht, was seine Tochter betraf. Es schien Alex, als wären die Rollen vertauscht.

„Wahrscheinlich glaubt sie, ich wäre ihr neues Kindermädchen“, fügte Mrs Richards etwas versöhnlicher hinzu. „Ich kann es ihr nicht verdenken. Ich möchte Sie darum bitten, sie erst einem HNO-Arzt vorzustellen.“

Alex musste an sich halten. Er runzelte die Stirn. „Ich sagte Ihnen doch, dass Zoe schon von zwei Ärzten untersucht wurde.“

„Aber nicht von einem Facharzt“, konterte sie ruhig. „Kinder mit Sprachproblemen haben oft einen Paukenerguss, und den kann nur ein HNO-Arzt feststellen. Hat sie oft Mittelohrentzündungen?“

„Mehrmals im Jahr.“

„Dann deutet alles auf einen Paukenerguss hin.“

Das ergab einen Sinn. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten. Warum war er nicht selbst darauf gekommen?

Nun zog sie die fein geschwungenen Brauen hoch. „Nicht einmal ein Prinz kann alles wissen.“ Sie hatte seine Gedanken gelesen, und ihre Bemerkung verärgerte ihn noch mehr. „Kümmern Sie sich darum? Und bitte möglichst schnell, denn ich kann erst mit der Therapie beginnen, wenn das geklärt ist. Und sie braucht dringend Hilfe.“

Als hätte er das nicht gewusst … Er fühlte sich schuldig, weil er es zu lange mit angesehen hatte, ohne alle Möglichkeiten auszuschöpfen, und das machte ihm zu schaffen. Außerdem ließ er sich nicht gern kritisieren oder Vorschriften machen. „Ich versuche, noch heute einen Termin zu bekommen.“

„Gut. Teilen Sie mir das Untersuchungsergebnis mit, dann können wir anfangen.“ Mrs Richards wandte sich zum Gehen.

„Ich habe Sie noch nicht entlassen, Mrs Richards.“

Daraufhin wirbelte sie wieder zu ihm herum. „Entschuldigen Sie. Und bitte sagen Sie Dottie zu mir.“ In ihren blauen Augen lag ein unschuldiger Ausdruck. „Mit einem Prinzen zusammenzuarbeiten ist eine ganz neue Erfahrung für mich.“

Unwillkürlich fragte sich Alex, ob er ihr auf Anhieb unsympathisch gewesen war.

„Prinz hin oder her, gehen Sie immer, bevor eine Unterhaltung beendet ist?“

„Ich dachte, wir wären fertig“, erwiderte sie ruhig. „Die meisten meiner Patienten sind Vorschulkinder, und Ihre Tochter ist so süß, dass ich hoffe, ihr schnell helfen zu können. Ich fürchte, ich bin sehr auf meine Arbeit fixiert. Königliche Hoheit“, fügte sie hinzu, als wüsste sie nicht genau, ob sie es sagen sollte oder nicht.

Noch nie war ihm ein Mensch wie ihr begegnet. Alex wusste nicht, was er von ihr halten sollte. Doch ihr schien viel an Zoe zu liegen. Deshalb beschloss er, den Rat zu befolgen, den seine Mutter ihm früher gegeben hatte, und nicht nach dem ersten Eindruck zu urteilen.

„Dass Sie so engagiert sind, freut mich“, gestand er. „Sie ist für mich das Wichtigste im Leben.“

Für einen Moment glaubte er, einen gequälten Ausdruck in ihren Augen zu erkennen. „Sie können sich glücklich schätzen, sie als Tochter zu haben, selbst wenn Sie ein Prinz sind.“

Er runzelte die Stirn. „Selbst wenn ich ein Prinz bin?“

Mrs Richards schüttelte den Kopf. „Tut mir leid. Ich meinte … jeder denkt, ein Prinz hätte alles im Leben und wäre immer glücklich. Aber Sie haben es noch besser, weil Sie so eine süße Tochter haben.“

Ihr Lächeln täuschte ihn nicht über ihren traurigen Unterton hinweg. Noch lange, nachdem er sie entlassen und einen Termin bei einem HNO-Arzt vereinbart hatte, musste er an den Ausdruck in ihren blauen Augen denken.

2. KAPITEL

Die nächsten Stunden verbrachte Dottie in ihrer Suite und ärgerte sich über eine Situation, die sie nicht ändern konnte. Ich habe Sie noch nicht entlassen.

Der unterschwellige Vorwurf war aus dem Mund eines überaus attraktiven Prinzen gekommen. Groß und muskulös, mit schwarzem Haar, hatte er sie an einen griechischen Gott erinnert. Auch seine markanten Züge und sein energisches Kinn machten ihn zu etwas Besonderem.

Selbst wenn er kein Mitglied einer königlichen Familie gewesen wäre, so verkörperte er die Vorstellung aller Frauen von einem Prinzen. In seinem Büro hatte er vor der Flagge seines Landes gestanden und in dem blauen Hemd und der weißen Hose wahrhaft königlich gewirkt.

Außerdem hatte er gut gerochen. Solche Dinge fielen ihr auf, und Dottie wünschte, es wäre nicht der Fall gewesen, denn es erinnerte sie daran, dass er ein Mann war.

Schon jetzt fürchtete sie, sich für diesen Auftrag nicht zu eignen. Seinen Worten zufolge hatte Dr. Rice sie wegen ihrer eigenen Erfahrungen dafür ausgesucht. Nur warum hatte er sie nicht darauf vorbereitet, dass er sie an einen Königshof schicken würde?

Sie musste sich erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen – an das Protokoll und die steife Atmosphäre, die Zofen, die Lehrer, an einen Vater, der ein Prinz war, und eine Prinzessin als Patientin …

Ein normales Kind wäre in den Raum gelaufen und hätte seinen Vater spontan umarmt. Zoe hingegen hatte sich an die Etikette gehalten und war auf der Schwelle stehen geblieben. Schließlich war ihr Temperament mit ihr durchgegangen, und sie war weggelaufen, sichtlich überfordert mit der Situation.

Dottie empfand Mitgefühl mit der Kleinen, deren goldbraune Augen sich mit Tränen gefüllt hatten. Offenbar hatte sie ihre Augen- und Haarfarbe von ihrer verstorbenen Mutter geerbt, die sehr zierlich gewesen sein musste, und den dunklen Teint von ihrem Vater. Sie war ein bildhübsches Kind.

Die einzigen Fotos, die sie von Prinz Alexius und dessen Bruder gesehen hatte, waren nicht besonders scharf und schon etwas älter gewesen. Beide waren in ganz Europa sehr begehrte Junggesellen gewesen. Dann hatte Prinz Alexius geheiratet und viel zu früh seine Frau verloren. Ein tragischer Verlust, vor allem für die kleine Zoe.

Dottie war sich darüber im Klaren, dass sie sehr behutsam vorgehen musste, weil das Mädchen sie offenbar als Feindin betrachtete. Schon bald würde sie herausfinden, ob Zoes Probleme psychisch oder körperlich bedingt waren oder vielleicht sogar beides.

Sie seufzte tief, bevor sie mit dem Mittagessen begann, das ein Zimmermädchen ihr auf einem Tablett gebracht hatte. Später erschien eine andere, um ihr beim Auspacken zu helfen, aber sie lehnte dankend ab. Sie wollte noch gar nicht alles auspacken, denn falls Zoe ein Problem hatte, bei dem sie ihr nicht helfen konnte, würde sie bald wieder abreisen.

Um fünf klingelte das Telefon auf dem Nachttisch neben dem großen Bett. Hector war am Apparat, der ihr ausrichtete, dass der Prinz sie in seinem Büro zu sprechen wünschte und ihr eine Hausangestellte schicken würde, die sie begleitete. Am liebsten hätte sie dem Mann gesagt, dass sie den Weg in sein Allerheiligstes auch allein fand, doch sie musste an ihren Aufenthalt in Rom denken … Außerdem wollte sie ihn nicht noch mehr gegen sich aufbringen.

Nachdem sie sich bei Hector bedankt hatte, machte sie sich frisch. Wenige Minuten später erschien das Hausmädchen und führte sie eine andere Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Dort erwartete der Prinz sie in seinem Büro, die Hände in die Hüften gestemmt und den Blick forschend auf sie gerichtet.

„Bitte setzen Sie sich.“

Gespannt nahm Dottie Platz.

„Als wir Zoe endlich zum Mitmachen bewegen konnten, hat der Arzt festgestellt, dass sich – vermutlich durch die häufigen Mittelohrentzündungen – übermäßig viel Ohrenschmalz angesammelt hat. Nachdem er es entfernt hatte, hat sie sogar gelächelt, als er sie gefragt hat, ob sie jetzt besser hören könnte. Auch die Untersuchungen haben ergeben, dass sie jetzt sehr gut hört.“

„Das sind ja wundervolle Neuigkeiten!“, rief sie erfreut.

„Ja. Schon auf dem Rückweg habe ich festgestellt, dass sie alles viel besser versteht.“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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