Mr. Right – zur falschen Zeit?

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Heißer Roadtrip nach Royal: Damit Fotografin Sasha rechtzeitig zur Hochzeit ihrer Schwester kommt, braucht sie nach einer Notlandung dringend eine Mitfahrgelegenheit. Zum Glück ist Geschäftsmann Nik spontan bereit, sie mitzunehmen. Wenn er nur nicht so wahnsinnig attraktiv und faszinierend wäre! Gerade erst hat Sasha sich eine Männerpause verordnet. Doch während sie mit Nik unterwegs ist, allein und auf engstem Raum, steigt die sinnliche Spannung mit jeder Meile …


  • Erscheinungstag 05.12.2023
  • Bandnummer 2318
  • ISBN / Artikelnummer 0803232318
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Schnapp dir diesen Mann!

Sasha ließ ihn nicht aus den Augen. Sie sprintete los, rannte durch die Menschenmassen auf dem Flughafen, eine Rolltreppe rauf und einen Gang runter. Sie musste ihn erwischen, bevor die Menge ihn verschluckte. Auch wenn die Chancen schlecht standen. Er war ein beeindruckender Schwarzer, größer als die meisten. Aber er bewegte sich schnell und wich den anderen Reisenden geschickt aus, obwohl er einen kleinen Rollkoffer hinter sich herzog. Sasha dagegen kämpfte mit ihrem schweren Gepäck – Klamotten für einen ganzen Monat – und war deutlich langsamer. War es vernünftig, einem Fremden im Flughafen hinterherzujagen? Nein, aber ihr blieb kaum eine andere Wahl. Sie hatte gerade die Notlandung in einem Flugzeug überlebt, das ausgesehen hatte, als würde es nur von Spucke und guten Wünschen zusammengehalten. Die Vorstellung, hier am Flughafen zu stranden und auf den nächsten Flug zu warten, machte sie krank. Der Mann war ihr Ticket, um hier wegzukommen.

Moment. Wohin war er verschwunden?

Sasha war an den Aufzügen angekommen, doch er war nirgends zu sehen. Das nagende Gefühl in ihrem ohnehin flauen, leeren Magen verstärkte sich. Am liebsten hätte sie geschrien, aber selbst dafür fehlte ihr die Energie. Sie gab auf. Nicht nur die Verfolgung des Mannes, sondern ganz allgemein.

Zum Teufel. Sie würde sich etwas zu Essen besorgen und ihre Lage überdenken. Es war ohnehin eine blöde Idee gewesen.

Sie sah sich um und steuerte einen Coffeeshop an. Gerade als sie sich fragte, ob die Sandwiches wohl etwas taugten, entdeckte sie ihn. Er stand an einem der Bistrotische, in der einen Hand einen Kaffeebecher, in der anderen das Telefon, die Brauen zusammengezogen, während er eine Nachricht las.

Sie marschierte auf ihn zu und ließ ihr Gepäck auf einen freien Stuhl fallen.

Der Mann blickte von seinem Telefon auf, und ihre Blicke begegneten sich.

OMG. Er sah umwerfend aus.

Das hätte nicht unbedingt ihr erster Gedanke sein sollen, aber da er das nun einmal war, konnte sie auch eine Sekunde lang darin schwelgen. Er sah gut aus, sehr gut, und wirkte auch noch liebenswürdig. Er hatte warme braune Haut, feine Gesichtszüge und die klarsten braunen Augen, die sie je gesehen hatte. Mit seinem kurzen Haar sah er aus wie das Bild vom netten Jungen von nebenan. Solche Männer waren gefährlich, das wusste Sasha. Sie stahlen einem das Herz, nur um es dann, ehe man sichs versah achtlos beiseitezuwerfen.

Er hob fragend eine Braue.

Sasha richtete sich auf und warf ihre langen geflochtenen Zöpfe über die Schulter. „Erinnern Sie sich an mich? Wir saßen eben im Flugzeug in derselben Reihe. Sie haben mir geholfen, meine Kameraausrüstung zu verstauen.“

Er hatte weit mehr getan. Als das Flugzeug plötzlich an Höhe verlor und seinen schlingernden Sinkflug begann, hatte er ihr geholfen, den Gurt anzulegen. Sie war auf der Toilette gewesen, um eine Panikattacke zu veratmen – die sie aus völlig anderen Gründen bekommen hatte – und hatte mit ihren zitternden Fingern die Schnallen nicht zubekommen. Er hatte hinübergegriffen, die beiden Enden zusammengeführt und den Gurt straff angezogen. Um fair zu sein, er hatte auch dem älteren Herrn geholfen, der zwischen ihnen saß. Genau genommen war er der Einzige in dem verdammten Flugzeug gewesen, der während der ganzen Tortur die Ruhe bewahrt hatte – den Piloten eingeschlossen.

Er legte sein Telefon beiseite. „Ich erinnere mich“, sagte er mit tiefer, heiserer Stimme.

„Sie haben etwas, was ich brauche“, platzte sie heraus.

Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. „Ach ja?“

„Ja. Eine Mitfahrgelegenheit.“ Sasha hob einen Zeigefinger, um ihn zum Schweigen zu bringen, obwohl er gar nichts gesagt hatte. „Bevor Sie vorschlagen, dass ich mir ein Auto miete, sollten Sie wissen, dass ich es versucht habe. Aber Sie haben das letzte bekommen, das es gab. Woher ich das weiß? Ich stand in der Schlange vor der Autovermietung, als sie da das Schild ‚KEINE MIETWAGEN‘ aufgestellt haben. Und wenn Sie sich fragen, in welcher Welt Sie das automatisch zu meinem Fahrer macht, dann lautet die Antwort: in dieser Welt. Nämlich in einer, in der ich mitten im Nirgendwo gestrandet bin und Sie den letzten Leihwagen bekommen haben.“

Sie hielt inne, um Luft zu holen, und merkte, dass ihr schwindelig wurde.

„Sind Sie in Ordnung?“, fragte er.

War sie nicht. Die Notlandung war noch das geringste ihrer Probleme. Wie ein böses Omen war ihr ein Tornado aus Unbill und Verzweiflung von Kalifornien nach Georgia gefolgt, wo sie einen Job erledigt hatte. Vielleicht war sie ja irgendwie auch für die Notlandung verantwortlich?

Er nahm ihre Hand und presste zwei Finger auf ihr Handgelenk. Unter seiner Berührung beschleunigte sich ihr Puls sofort. Er ließ sie los. „Warten Sie hier. Ich hole Ihnen ein Wasser.“

„Und einen Kaffee!“, rief sie ihm nach. „Und einen Keks!“

Sasha sah ihm hinterher. Er bewegte sich vollkommen gelassen. Nichts, was sie gesagt oder getan hatte, schien ihn aus der Ruhe zu bringen, obwohl sie, selbst für ihre Verhältnisse, ziemlich ausgeflippt war. Was er wohl von ihr dachte? In seiner Wildlederjacke und der Jeans, die wie angegossen saß, wirkte er wirklich wie ein weltgewandter Reisender. Sie dagegen, in ihren Leggings, dem weiten Sweatshirt und den großen Kopfhörern, die ihr um den Hals baumelten, sah aus, als wäre sie auf dem Weg in die Bibliothek, um für die Abschlussprüfungen zu büffeln.

Er kehrte zurück und stellte eine Wasserflasche und einen großen Kaffeebecher vor sie.

„Danke.“

„Gern geschehen.“ Vorsichtig legte er noch einen Karamell-Brownie auf eine Serviette.

Sie lächelte dankbar. „Oh, das ist gut.“

Er strahlte eine Gelassenheit aus, die ihr gefiel. Dadurch wurde auch sie ruhiger. Der Kaffee half ebenfalls. Als jemand, die häufig reiste, widerstrebte es ihr zwar es zuzugeben, aber die Notlandung hatte sie geängstigt.

„Sie tanken den Wagen noch voll“, sagte er. „Sobald er fertig ist, bringe ich Sie, wohin Sie möchten.“

Sasha entspannte sich zum ersten Mal an diesem Tag. Das war ja einfacher als gedacht. Sie hatte ihm weder den Arm umdrehen noch ihn erpressen müssen.

„Vielen Dank.“

„War Royal Ihr Ziel, oder …“

„Royal ist perfekt“, antwortete sie. „Lassen Sie mich an der Stadtgrenze raus. Von dort komme ich schon zurecht.“

Er schenkte ihr ein lockeres Lächeln, das ihr die letzten Befürchtungen nahm. „Ich bringe Sie nach Hause.“

„Royal ist nicht mein Zuhause.“

„Wo ist denn Ihr Zuhause?“

Sein Telefon meldete eine Textnachricht, ehe sie antworten konnte. Er las sie und steckte das Handy in die Tasche. „Der Wagen steht für uns bereit.“

Für uns. Die beiden Wörter gingen ihr regelrecht ans Herz. Alles würde gut werden. Sie hatte jemanden, auf den sie sich verlassen konnte. Nicht, dass sie normalerweise einen Mann brauchte. Sie kam sehr gut allein zurecht. Heute war leider eine Ausnahme. Bedauerlich nur, dass er sie, sollten sie sich niemals wiedersehen, als eine Frau in Erinnerung behalten würde, die aus einer Pfütze gerettet werden musste.

Sasha schlang den Brownie herunter und griff nach ihrer Tasche. Er war schneller. „Ich mach das schon.“

Ihr kleines, geschundenes Herz jubelte vor Freude.

2. KAPITEL

Dir gefallen die Wilden.

Nik hatte die Nachricht seiner Cousine gelesen und gerade eine passende Entgegnung im Kopf, als sie mit ihren schwingenden Zöpfen, den Katzenaugen, der tiefbraunen Haut und dem unverfrorenen Auftreten auftauchte. Dir gefallen die Wilden … war wohl doch nicht gelogen.

Jetzt wurde Nik etwas langsamer, damit sie aufholen konnte. „Ich glaube, ich habe deinen Namen nicht verstanden“, sagte er und fand, unter den gegebenen Umständen konnte er sie auch duzen.

„Sasha.“

„Hallo, Sasha. Ich bin Nik.“

„Noch mal vielen Dank, dass du mich mitnimmst.“

„Nicht der Rede wert.“

Auf dem Parkplatz führte man sie zu dem letzten SUV, und Nik war froh, dass er ihn noch ergattert hatte. Und nach einem Blick auf Sasha war er überzeugt davon, dass das Glück wirklich auf seiner Seite war.

„Es ist eine lange Fahrt, bestimmt sechs Stunden. Wir können uns mit Fahren abwechseln … Und bevor du irgendwelche Witze reißt über Frauen am Steuer …“

„Warum sollte ich das tun?“, unterbrach Nik sie. „Haben wir 1973 oder was?“

„Ich … ich weiß nicht“, stammelte sie. „Du wärst nicht der erste Mann, der …“

Nik schloss den Kofferraum. „Machst du das immer so?“

„Was?“

„Gegen etwas anzureden, was keiner behauptet hat.“

Leicht verlegen sagte sie: „Vielleicht.“

Nik lehnte sich gegen den SUV. „Ich bin ohne Vater aufgewachsen. Meine Mutter hat mein Little League Team in einem rostigen Minivan durch ganz Florida kutschiert. Sie hat Reifen gewechselt und Batterien überbrückt. Ich mache keine Witze über Frauen am Steuer.“

Sie nickte. „Verstehe.“

Jetzt schaute er leicht verlegen. Was war nur in ihn gefahren, so viel Persönliches preiszugeben?

„Das Angebot steht trotzdem.“

„In Ordnung, dann kann ich später vielleicht noch ein paar E-Mails abarbeiten.“

„Und ich werde dich nicht stören“, sagte sie. „Wenn du telefonieren willst, kein Problem, meine Kopfhörer haben Geräuschunterdrückung. Ich weiß, dass du bis zum Abendessen ankommen musst, wir müssen unterwegs keine Pause machen.“

Erst als er schon hinter dem Lenkrad saß und den Motor starten wollte, stutzte er. „Woher weißt du, dass ich zum Abendessen in Royal sein muss?“

„Will nicht jeder bis zum Abendessen zuhause sein?“, sagte sie achselzuckend.

Er wiederholte ihre Worte. „Royal ist nicht mein Zuhause.“

„Nun … das haben wir dann ja gemeinsam.“

Er wartete. Sie würden nirgendwo hinfahren, bevor sie gestanden hatte. Es dauerte einen Moment, doch schließlich gab sie nach. „Könnte sein, dass ich gehört habe, wie du am Telefon Pläne gemacht hast. Du hast darum gebeten, den Lunchtermin auf den Abend zu verlegen.“

„So, so.“ Nik zog seine Sonnenbrille aus der Jackentasche, bevor er die Jacke auf den Rücksitz warf. „Ich würde dir gern eine Frage stellen. Sei bitte nicht beleidigt.“

Sie lachte nervös. „Ich kann’s nicht versprechen, aber ich versuche es.“

„Stalkst du mich, Sasha?“

Sie sah ihn direkt an. „Tue ich“, erklärte sie geradeheraus. „Normalerweise bin ich diskreter. Heute klappt es nicht so.“

„Ach ja?“

„Ich bin Fotojournalistin“, sagte sie. „Leute zu beobachten, ist das, was ich tue. Das ist meine Superpower. Ich bemerke Details, die anderen entgehen.“

Das war interessant. „Was weißt du sonst noch über mich?“

Sie strich sich die langen Zöpfe über die Schulter und machte sich offenbar bereit für die Herausforderung. „Wir sind in Atlanta an Bord gegangen. Aber als du aufgestanden bist, um mir mit meinem Gepäck zu helfen, habe ich einen Blick auf deine Bordkarte geworfen. Du kommst aus Florida. Während des Flugs hast du die meiste Zeit die Royal Financial Times gelesen. Also gehe ich davon aus, dass du geschäftlich unterwegs bist. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass jemand das Blatt zum Spaß liest. Du trägst keinen Ring, ich glaube allerdings nicht, dass du Single bist. Du bist eher der Typ für eine längerfristige Beziehung.“

„Sehr gut“, meinte er. „Sherlock Holmes wäre beeindruckt.“ Nur der letzte Punkt war neu für ihn.

„Wenn ich mich irre, sag’s mir.“

Das meiste stimmte tatsächlich. Zweifellos war ihre Superpower im Beruf hilfreich, aber er war sich ziemlich sicher, dass er sie zuerst bemerkt hatte, schon lange, bevor sie das Flugzeug in Atlanta bestiegen hatten.

Nik hatte Sasha im Wartebereich vor dem Abfluggate gesehen. Sie hatte ihre Kopfhörer aufgehabt und einen abwesenden Ausdruck auf ihrem herzförmigen Gesicht. Wer nur flüchtig hinsah, hätte vermutlich angenommen, dass sie ein Hörbuch oder einen Podcast hörte, aber er sah, wie ihre Katzenaugen hin und her huschten, und sie alles in sich aufnahm. Als sie sich im Flugzeug in seine Reihe setzte, spürte er ihren Blick auf sich, forschend, abwägend, als wollte sie Informationen für den späteren Gebrauch sammeln.

„Was die Zeitung angeht, hast du recht“, sagte er. „Die liest niemand aus Spaß.“

Sie zog ihr Handy heraus. „Bevor ich es vergesse. Ich brauche deinen vollen Namen.“

„Mich wundert, dass du ihn noch nicht kennst, zusammen mit meinen PINs und Passwörtern.“

„Ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte“, meinte sie grinsend.

„Darf ich fragen, wofür du ihn brauchst?“

Sie hielt ihr Handy hoch. „Ich schicke deinen Namen und ein Foto vom Autokennzeichen an meine Schwester.“

„Okay. Falls ich mich als gestörter Stalker entpuppe.“

„Glaubst du, ich steige zu einem Fremden ins Auto, ohne mich abzusichern? Auch wenn du mich für paranoid hältst …“

„Würde ich niemals“, konterte er. „Tu mir einen Gefallen und schreib deiner Schwester, dass ich dich nicht mit dem Versprechen auf Süßigkeiten ins Auto gelockt habe. Du hast um diese Mitfahrgelegenheit gebeten.“

„Und den süßen Anblick gibt’s gratis dazu?“

Nik musste grinsen. „Willst du damit andeuten, dass du auf mich stehst?“

Sie zog nur die Augenbrauen hoch. „Also? Wie heißt du?“

„Nikolai Williams. Aber nenn mich Nik. Tun alle.“

Sie tippte die Nachricht, hängte das Foto an und drückte auf Senden. „Erledigt.“

Als sie von ihrem Handy aufsah, wirkte sie sehr viel ruhiger. „Hör zu. Tief in meinem Herzen weiß ich, dass du ein grundanständiger, liebenswürdiger und ehrlicher Mensch bist. Aber in dieser verrückten Welt kann man nicht vorsichtig genug sein, verstehst du?“

„Ich verstehe das. Ich überlege nur gerade, wem ich eine Nachricht über die Frau schicken soll, die mich gezwungen hat, sie im Wagen mitzunehmen.“

„Deiner Freundin vielleicht?“, schlug sie vor. „Das wäre doch ein guter Anfang.“

Sie war neugierig. Da sie schon mehr oder weniger herausgefunden hatte, dass er nicht verheiratet war, wollte sie jetzt wissen, ob er Single war. Das ließ sich gut an, aber er würde es ihr nicht so leicht machen. Sollte sie doch ihre detektivischen Fähigkeiten einsetzen und es selbst herausfinden.

„Ach, ich werde es einfach drauf ankommen lassen. Aber eins möchte ich gern noch anmerken.“

„Was denn?“ Sie wühlte in ihrer Tasche nach einem Lippenbalsam und bestrich ihre vollen Lippen mit der Fingerspitze. „Keine Mörder-Podcasts? Kein Mitsingen?“

„Das nicht. Aber erinnerst du dich daran, als du mich gebeten hast, dir im Flugzeug mit dem Gepäck zu helfen?“

„Ich hatte eine Schulterverletzung“, erklärte sie. „Es fällt mir noch schwer, etwas über den Kopf zu heben. Normalerweise schaffe ich so etwas allein.“

„Das meinte ich nicht, Sasha. Erinnerst du dich, was du zu mir gesagt hast?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich. Könnten Sie kurz helfen, bitte?

„Nein. Helfen Sie mir hiermit, dann werde ich Sie nie wieder um etwas bitten.“

„Okay …“, sagte sie. „Tut mir leid, aber woher sollte ich auch ahnen, dass das Flugzeug mehr oder weniger vom Himmel fallen würde und …“

„Sasha, das meinte ich auch nicht!“

„Was dann?“

„Während der nächsten sechs Stunden sind wir beide allein in diesem Auto. Ich möchte, dass du dich wohlfühlst. Und sicher. Wenn du etwas brauchst, sei es nun ein Snack, oder wenn du dich einfach nur mal strecken möchtest, dann sag es bitte. Du brauchst nichts auszuhandeln oder irgendwelche Versprechen abzugeben, von denen wir beide wissen, dass du sie nicht einhalten kannst. Frag einfach. Die Antwort wird Ja sein. Kapiert?“

Nik hatte es eilig. Dieser Kurztrip nach Miami, um den Verkauf seines Apartments abzuschließen, hatte nicht mit seinen Terminen kollidieren sollen. Er hatte seinem Geschäftspartner zugesagt, rechtzeitig zum Lunch im Country-Club von Royal zurück zu sein, um einen neuen Kunden zu treffen. Mit absurden Verspätungen und einem Flugzeug, das in der Luft Treibstoff verlor und zu einer Notlandung gezwungen war, hatte er nicht gerechnet. Genauso wenig wie mit Sasha, die in sein Leben spazierte und seine Zeit beanspruchte. Aber das waren die Karten, die ihm ausgeteilt worden waren, und er würde sie gut ausspielen.

Sasha schwieg einen Moment. Dann sah sie ihn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Plötzlich begannen ihre Augen teuflisch zu funkeln. „Sei vorsichtig“, meinte sie. „Ich könnte mir den Mond wünschen.“

„Mach doch“, sagte Nik und ließ den Motor an. „Ich werde schon einen Weg finden, ihn dir vom Himmel zu holen.“

3. KAPITEL

Sasha hatte die Kopfhörer aufgesetzt und blickte aus dem Fenster. Zu einer Seite der Straße erstreckten sich Weizenfelder, so weit das Auge reichte. Ob wohl Zeit wäre anzuhalten, um ein paar Fotos zu machen? Nein, Nik musste rechtzeitig zum Dinner in Royal sein … oder war es ein Dinner-Date? Bei diesem Thema war er wirklich zugeknöpft. Eins war aber sicher, Nikolai Williams war nicht der nette Junge von nebenan, wie sie vermutet hatte. Unter seiner ruhigen Ausstrahlung verbarg sich Stahl. Wenn er ihr direkt in die Augen sah, schmolz sie dahin.

Unruhig rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her und nahm die Kopfhörer ab. „Die Airline sollte uns wenigstens Entschädigung zahlen“, meinte sie. „Ich habe Bonuspunkte für diesen Flug benutzt. Die will ich wiederhaben, damit ich in den Urlaub fliegen kann, wenn das hier alles vorbei ist.“

„Wohin möchtest du?“, fragte er.

„Irgendwo hin, wo es einen schönen, ruhigen Strand gibt.“

„Ach Gott, ja, das würde mir auch gefallen.“

Seine Stimme klang fast heiser vor Sehnsucht. Sasha unterdrückte den Impuls, ihm alles zu geben, was er wollte. Sie könnte mit ihm wegfahren, ihn dazu bringen, sich zu entspannen, ihn in den weichen Sand drücken und ihn zwingen, sich auszuruhen. Vielleicht könnte das auch seine Freundin tun, wenn er eine hatte. Wieso hatte er nicht verraten, ob er Single war oder nicht? Wobei … eigentlich war es ja egal. Genau genommen hatte ihr Therapeut sogar empfohlen, dass sie eine Männerpause einlegte, bis sie ein paar Sachen für sich geklärt hatte.

Sie verscheuchte das Bild von Nik, der am Strand lag und so gut wie nichts anhatte. „Und wenn nicht Strand, dann irgendwo, wo man Spaß haben kann.“

„Das kann man in Royal.“

Sasha sah ihn skeptisch an. „Echt?“

„Okay, wahrscheinlich musst du jemand anderen fragen. Ich war bisher nur zum Arbeiten dort. Aber die Leute da wirken alle sehr zufrieden.“

Sasha – ganz Reporterin – fragte ihn weiter aus. „Woher kommst du? Und was machst du beruflich?“

„Ich komme aus Florida“, meinte er. „Während der vergangenen zehn Jahre habe ich in Miami gewohnt. Doch jetzt habe ich gerade meine Wohnung verkauft, weil ich so selten dort bin. Und ich arbeite im Marketing.“

Marketing … natürlich.

„Ist Miami nicht eine einzige große Werbeagentur?“

Wenn er lächelte oder grinste, so wie jetzt, über das, was sie sagte, hatte Sasha das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Was natürlich lächerlich war.

„Okay“, meinte er. „Erzähl mir von deinem bahnbrechenden Journalismus.“

„Wie ich schon erwähnte, bin ich Fotojournalistin.“ Sie deutete auf ihr Gepäck auf der Rückbank. „Das ist meine Ausrüstung.“

„Und was für Themen coverst du hauptsächlich?“

„Mein letzter Auftrag war in Georgia. Ich habe die Auswirkungen einer Flut fotografiert.“

Das Klingeln eines Telefons unterbrach sie. Es kam vom Rücksitz. Nik fluchte leise und schimpfte darüber, dass er vergessen hatte, sein Handy mit dem Bluetooth des Leihwagens zu verbinden.

„Soll ich es rausholen?“, fragte sie.

Er runzelte die Stirn. „Ist wahrscheinlich nicht so wichtig.“

Das Telefon klingelte weiter.

„Warum zuckst du dann?“

„Tue ich doch gar nicht.“

Sein Augenwinkel zuckte definitiv. Das Telefon hörte auf zu klingeln, begann aber sofort von neuem. Sasha erkannte, dass Nik es kaum aushielt. „Ich hole es.“

Sasha öffnete den Gurt und kletterte über die Mittelkonsole.

„Was machst du da?“, rief Nik. „Sei vorsichtig!“

„Geht schon.“

Das Klingeln kam aus seiner Jacke. Sie tastete die Taschen ab. Gerade als sie das Telefon herauszog, hörte das Klingeln auf. „Du hast zwei verpasste Anrufe von einem Oliver und eine Textnachricht von Krystal, die sagt …“ Sie blinzelte. „Dass du wilde Frauen magst, und es kein Wunder sei, dass du kein Date hast …“

Nik fluchte, schlang gerade noch einen Arm um ihre Taille und trat dann hart auf die Bremse. Im nächsten Moment schlitterte der Wagen vornüber in einen Graben.

Sasha war auf Niks Schoß gelandet. Erschrocken klammerte sie sich an ihn, atme hektisch. Mit beiden Händen umfasste sie sein Gesicht. „Bist du okay?“

Nik zog sie an sich. „Mach dir um mich keine Sorgen. Bist du verletzt?“

In seinen Augen, seiner Stimme und seiner Berührung lag so viel Sorge, dass sie gar nicht anders konnte, als die Arme um seinen Hals zu schlingen und den armen Mann fast zu erdrücken. „Mir geht es gut. Was ist passiert?“

„Ich war abgelenkt, und dann kam aus dem Nichts ein Reh angesprungen.“

„Oh nein!“, rief Sasha. „Ist es verletzt?“

Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Nein, Bambi lebt, um den nächsten Unfall verursachen zu können.“

„Was?“ Sasha lehnte sich zurück und sah ihn an. Er war so ernst wie immer. „Oh Gott.“ Sie begann zu lachen. „Du hast wirklich einen schwarzen Humor.“

„Lach nicht. Das ist mein Fehler. Ein paar verpasste Anrufe von meinem Geschäftspartner rechtfertigen nicht, dass ich dich in Gefahr gebracht habe.“

Aus dem großen Rauschen ihres Kopfes tauchte die Textnachricht wieder auf. Du magst die Wilden. Was hatte das zu bedeuten?

„Du hast die Anrufe ignoriert“, erinnerte sie ihn. „Ich war diejenige, die es nicht auf sich beruhen lassen konnte. Außerdem sollte man Bambis Rolle nicht kleinreden.“

Widerstrebend lächelnd sagte er. „Du hast recht. Es ist Bambis Schuld.“

Sasha kletterte von seinem Schoß und vermisste sofort seine Wärme. „Dies wäre vermutlich ein guter Zeitpunkt, um dir zu sagen, dass ein Fluch auf mir liegt.“

Er musterte sie eingehend. „Könntest du das bitte wiederholen?“

„Ich bin verflucht. Es ist wahrscheinlich meine Schuld, dass das Flugzeug abgestürzt ist.“

„Es ist nicht abgestürzt“, widersprach er. „Es hat Treibstoff verloren und ist gelandet.“

„Wir sind im Sturzflug runter …“

„Es war ein wenig turbulent, ja.“

Ein wenig turbulent? Ihr hatte das Herz bis zum Hals geklopft. „Wieso bist du so ruhig geblieben?“

„Ich war bei der Luftwaffe.“

„Moment mal.“ Sasha kniete auf dem Beifahrersitz. „Du bist Kampfpilot?“

Verwundert sah Nik sie an. „Du hörst nur das, was du hören willst, oder?“

„Du hast gesagt …“

„Ich habe mich direkt nach der Schule verpflichtet und habe als Techniker gearbeitet. Fliegen kann ich aber auch.“

„Meine Güte, bist du heiß“, platzte Sasha heraus.

Verlegenheit trat an die Stelle der Verwunderung. Sasha revidierte ihre Meinung. Er war nicht nur heiß, sondern auch clever und mutig und ein bisschen schüchtern.

„Was interessieren mich Bonuspunkte?“, neckte sie ihn. „Du kannst mich ins Paradies fliegen.“

Er strich ihr die Zöpfe aus dem Gesicht und musterte sie eingehend. „Sasha, hast du dir den Kopf gestoßen?“

Mit den Fingerspitzen strich er über ihre Wangen. In seinen Augen sah sie echte Sorge um ihr Wohlergehen. Sie hatte ihm von Anfang an vertraut, und dieses Vertrauen wuchs jetzt noch. „Sollen wir aussteigen?“, fragte sie. „Was, wenn wir in Treibsand versinken?“

„Unwahrscheinlich. Aber wir sollten uns den Schaden mal anschauen.“

Der SUV lag schräg auf der Beifahrerseite. „Ich glaube nicht, dass ich meine Tür aufbekomme“, stellte Sasha fest.

Nik stieß die Fahrertür auf, stieg aus und half Sasha raus. Der Schaden am Wagen hielt sich in Grenzen, doch ein Reifen war platt. Sie würden sich abschleppen lassen müssen.

Ein Pick-up hielt am Fahrbandrand. Eine Frau sprang heraus. „Hallo, ihr zwei!“, rief sie. „Alles okay?“

„Uns geht es gut!“, erwiderte Sasha. „Männer am Steuer … Sie wissen, was ich meine.“

4. KAPITEL

Ihre gute Samariterin hieß Donna. Sie besaß einen Grillimbiss ein Stückchen weiter die Straße runter, wo sie auf den Abschleppwagen warten konnten. Nik lud ihr Gepäck in Donnas Pick-up und drehte sich zu Sasha herum. Sie stand im Schatten und sah nicht gerade glücklich aus.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er.

„Achte nicht auf mich.“ Sie wedelte sich Luft zu. „Ich kriege gerade einen Hitzschlag.“

Im Flugzeug war das dicke Sweatshirt eine gute Idee gewesen, aber jetzt entpuppte es sich als echtes Folterinstrument. „Willst du dich umziehen? Ich hole dir deinen Koffer.“

„Nicht nötig. Zwiebel-Look ist das Zauberwort.“

Sie zog sich das Sweatshirt über den Kopf. Darunter trug sie ein schlichtes Tanktop aus Stretchstoff, das ihre Kurven umschloss. Netter Versuch, dachte er und wandte sich ab. Doch das nützte nichts. Das Bild ihrer runden Schultern und der vollen Brüste hatte sich in sein Gehirn eingebrannt.

Um sich abzulenken, zog er das Handy heraus, das sie in diese brenzlige Situation gebracht hatte. Zwei verpasste Anrufe von Oliver, gefolgt von einer Textnachricht.

Der Kunde schafft es nicht zum Dinner. Wir haben den Termin auf morgen Mittag verlegt. Gleicher Ort. Du brauchst dich also nicht zu beeilen. Lass dir Zeit und genieße die Fahrt.

Oliver, der ihn gut kannte, hatte ihn immer wieder ermuntert, es ruhiger angehen zu lassen. Auch seine Cousine Krystal war der Ansicht, dass sein Arbeits- und Lebensstil ihn noch umbringen würde. Er war vor seiner Abreise aus Miami bei ihr vorbeigegangen, um seinen Smoking mitzunehmen. Weil seine Wohnung verkauft war, hatte er den Großteil seiner Kleidung und Sachen im Schrank von Krystals Gästezimmer untergebracht. Neugierig hatte sie auf den Kleidersack gestarrt. 

„Wofür brauchst du einen Smoking?“

Autor

Nadine Gonzalez
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