Noch einmal den Zauber der Liebe erleben

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Mit Ryan kehren heftige Gefühle in Venetias Leben zurück! Vor Jahren hatten sie eine stürmische Affäre, und bis heute hat sie ihm verschwiegen, dass sie einen gemeinsamen Sohn haben. Doch jetzt kommt der charmante Produzent wieder nach Australien, wo er einen neuen Film drehen möchte. In Sydney kreuzen sich ihre Wege, und Ryan zeigt ihr deutlich, dass er sie nie vergessen hat, sie genauso begehrt wie damals. Venetia zögert, doch dann sagt sie Ja. Wenigstens einmal noch möchte sie mit Ryan den Zauber der Liebe genießen. Auch wenn sie nicht wagt, von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen …


  • Erscheinungstag 23.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757304
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Da die Gala landesweit live übertragen werden sollte, hatte Venetia Gamble noch mehr Sorgfalt als sonst auf ihr Outfit verwandt und sich sogar den schulterlangen Bob neu stylen lassen. Die schlichte Alltagsfrisur mochte zwar für Venetias Job als Fernsehreporterin recht praktisch sein, aber für diesen Anlass war sie absolut unpassend.

Leider machte es ihr ihre geringe Körpergröße unmöglich, zu erkennen, wer alles in das modernste und eleganteste Hotel von Auckland eingeladen worden war, und weil ihr der Stolz verbot, sich den Hals zu verrenken, beschränkte sie sich darauf, die Umstehenden zu beobachten.

„Ja … Er ist es!“, seufzte die Frau neben ihr verzückt, eine bereits etwas verblühte Schauspielerin.

Neugierig folgte Venetia ihrem Blick, konnte jedoch nicht an einer Gruppe von Männern vorbeispähen und lauschte stattdessen ungeniert der weiteren Unterhaltung.

„Ich hätte nie gedacht, dass du dir Dokumentarfilme ansiehst, Carol“, meinte ihre Begleiterin, ein gertenschlankes Model, spöttisch.

„Wenn Ryan Fraine in ihnen vorkommt, kannst du mich nicht vom Bildschirm fortlocken, glaub mir“, beteuerte Carol Hastings theatralisch. „Ich bewundere Männer, die aussehen, als würden sie sich um nichts auf der Welt scheren. Schau ihn dir an! Dynamisch, selbstbewusst und so sexy! Außerdem ist er ein umwerfender Liebhaber. Das hat zumindest Serissa Jordan in einem Interview behauptet.“

„Und ist als Belohnung prompt verlassen worden“, ergänzte das Model zynisch. Sie bemerkte Venetia und zwinkerte ihr grüßend zu. Die beiden Frauen kannten einander flüchtig.

Carol Hastings ignorierte Venetia und hielt den Blick unverwandt auf den Mann gerichtet, den man aus England geholt hatte, um Neuseelands größten Privatsender zu leiten. Sein Ruf war Ryan Fraine vorausgeeilt. Nachdem er als beharrlicher und unerschrockener Auslandsreporter bekannt geworden war, hatte er sich als Produzent von atemberaubenden, preisgekrönten Dokumentationen selbstständig gemacht, die von seiner messerscharfen Intelligenz zeugten.

Seine Arbeiten hatten ihm weltweiten Ruhm eingebracht, doch daran waren weder Carol noch die anderen Frauen interessiert, die angeblich sein Bett geteilt hatten. Er war nämlich nicht nur groß und schlank, sondern auch äußerst attraktiv, sein markantes Gesicht verriet jene unterschwellige Rücksichtslosigkeit, die in manchen Frauen den Wunsch weckte, ihn zu zähmen. Die Mutigeren unter ihnen träumten gar davon, seine schier unerschütterliche Selbstbeherrschung zu überwinden und seine Leidenschaft zu entfesseln. Venetia hingegen respektierte ihn wegen seiner Professionalität und seines brillanten Verstandes und beneidete ihn um seine faszinierende Ausstrahlung.

Zehn Minuten später saß sie an einem Tisch mit der strahlenden Carol, einem Industriellen, den sie aus dem Wirtschaftsteil der Zeitung kannte, und dem Mann, der im Mittelpunkt des weiblichen Interesses stand, seit er den Raum betreten hatte.

„Ryan Fraine …“ Carol klimperte kokett mit den falschen Wimpern. „Was halten Sie von Neuseeland?“

Er lächelte. „Drei Monate reichen nicht aus, um sich eine umfassende Meinung zu bilden.“

„Oh wie taktvoll! Ist dies der Mann, der einen ganzen Kontinent mit einem einzigen treffenden Satz beschreiben kann? Sind wir zu provinziell und einfältig, um die Wahrheit zu verkraften?“

Venetia war ziemlich sicher, dass ein paar Augenaufschläge und ein provozierendes Lächeln nicht ausreichten, um Ryan Fraine aus der Reserve zu locken. Es bedurfte mehr als Carol Hastings’ und ihres viel gerühmten Sex-Appeals, wenn man ihn zu einer unbedachten Äußerung verleiten wollte.

„Mir gefällt die Gegend sehr“, erwiderte er ungerührt. „Weniger die Städte, die könnten überall auf der Welt sein, aber die Landschaft ist atemberaubend und der Lebensstil bewundernswert.“

Amüsiert registrierte Venetia, dass Carol bei dieser taktvollen Antwort schmollend die Lippen verzog. Ryan Fraine wandte sich um, und Venetia begegnete dem Blick seiner dunklen Augen, die belustigt funkelten. Himmel, dachte sie, er ist wirklich attraktiv!

Und das wusste er genau. Sie deutete seine Miene richtig. Ihm gefiel ebenfalls, was er sah. Venetia war nicht im Mindesten erstaunt. Falsche Bescheidenheit war ihr fremd, und seit ihrem vierzehnten Lebensjahr war ihr klar, dass ihr dichtes aschblondes Haar und ihre zierliche Gestalt das andere Geschlecht wie magisch anzogen. Früher hatte sie ihre körperlichen Vorzüge schamlos ausgenutzt, aber das lag lange zurück. Sie hatte eine schmerzliche Lektion lernen müssen und war seither wesentlich vorsichtiger.

Und dennoch hatte ein interessierter Blick von Ryan Fraine genügt, um sie an das unvergleichliche atemlose Prickeln eines Flirts zu erinnern. Sie spürte, wie die Erregung ihre Sinne aufwühlte, das Blut schneller durch ihre Adern pulsieren und ihre Wangen glühen ließ. Dieser Mann war gefährlich!

Carol hatte das stumme Geplänkel bemerkt. „Haben Sie vor, den Sender zu wechseln, Venetia?“, erkundigte sie sich boshaft.

„Im Moment bin ich mit meinem Job sehr zufrieden.“ Sie warf ihrem Tischnachbarn einen verschmitzten Blick zu. „Man könnte mich natürlich überreden, meine Meinung zu ändern.“

„Davon bin ich überzeugt.“ Ryan Fraine klang völlig unbeteiligt, aber in seiner tiefen Stimme schwang ein Unterton mit, der Venetia ihre letzte Äußerung bereuen ließ. „Ich frage mich allerdings, was diesen Sinneswandel bewirken könnte. Mehr Geld oder noch mehr Prestige?“

„Mit anderen Worten, Miss Gamble“, mischte sich nun der Industrielle ein, „ist Ihnen mehr an materiellen Dingen oder an Macht gelegen?“

„An beidem“, erklärte sie lächelnd. „Sie ahnen ja nicht, wie verführerisch der Gedanke an Macht für einen Zwerg ist. Oder wie kostspielig es ist, sämtliche Kleidungsstücke und Schuhe auf Maß anfertigen lassen zu müssen.“

Wie sie vorhergesehen hatte, lachten alle, und die Spannung war verflogen. Venetia lehnte sich zurück und beschloss, den weiteren Abend zu genießen. Sie wurde nicht enttäuscht. Der Industrielle erwies sich als angenehmer Gesprächspartner, während Ryan Fraine ein wenig mit Carol flirtete und dabei Venetia immer wieder verstohlen beobachtete.

Bei einer so prominenten Tischrunde blieb es natürlich nicht aus, dass ständig Kameras und Fotoapparate auf sie gerichtet waren. Obwohl sie Ryans Blicke deutlich spürte, gelang es Venetia, den Aufruhr ihrer Gefühle geschickt zu verbergen, den sein Interesse in ihr auslöste.

Als der Abend sich dem Ende zuneigte, war sie keineswegs verwundert, seine Stimme dicht an ihrem Ohr zu hören.

„Sind Sie mit dem Wagen hier?“

„Nein“, entgegnete sie. „Ich nehme ein Taxi.“

„Ich bringe Sie nach Hause.“

Sie nickte und fühlte sich plötzlich sonderbar scheu. Dabei war sie dreiundzwanzig und hatte bereits mehr erreicht als die meisten anderen Frauen ihres Alters. Sie wusste inzwischen, wie sie mit nahezu jeder Situation fertig wurde, und das betraf auch den Umgang mit Männern. Seit sie zu Hause ausgezogen war, hatte sie vielen Männern widerstanden, und bei diesem hier würde sie das ebenfalls schaffen. Falls sie es wollte.

Als sie im Wagen saßen, wartete er einen Moment, bevor er den Motor startete. „Wollen Sie gleich nach Hause? Wir könnten noch in einen Nachtclub …“

Sie blickte auf die Uhr. Es war erst kurz nach elf. „Nach Hause, bitte.“

Er versuchte nicht, sie umzustimmen. Venetia verdrängte den Gedanken, dass Ryan Fraine normalerweise Frauen nie zu irgendetwas überreden musste, und nannte ihm ihre Adresse.

Nachdem sie einige Minuten gefahren waren, erkundigte er sich: „Haben Sie morgen einen frühen Termin?“

„Nein, aber ich brauche mindestens acht Stunden Schlaf, damit mein Verstand wieder funktioniert.“

„Sie sind sehr gewissenhaft und gut in Ihrem Job, aber das ist Ihnen sicher klar.“

Sie war froh, dass er in der Dunkelheit ihr Erröten nicht sehen konnte. „Ich gebe mir Mühe. Viele Leute scheinen zu glauben, dass jemand von meiner Statur das dazu passende Puppenhirn haben muss. Das kann recht lästig sein.“

Er lachte leise. „Sind Sie deshalb bei Ihren Interviews so aggressiv?“

„Teilweise. Ich stelle Fragen, die ich beantwortet haben möchte. Wenn das aggressiv ist, dann bleibt mir nichts anderes übrig. Es macht mich rasend, wenn ein Reporter einen überführten Mörder schont.“ Man hatte ihr schon so oft Hartnäckigkeit oder gar Verbohrtheit vorgeworfen, dass es sie längst nicht mehr störte. „Sie genießen in dieser Hinsicht einen ähnlichen Ruf. Ich habe Ihr Interview mit Periera gesehen. Man hat förmlich seinen Hass gerochen, aber das hat Sie nicht daran gehindert, ihn als den Tyrannen zu entlarven, der er tatsächlich war.“

„Er hatte nicht begriffen, dass der Beitrag live ausgestrahlt wurde. Hinter dem Podium standen zwei schwer bewaffnete Gorillas von ihm, aber er wagte nicht, sie auf mich zu hetzen. Außerdem glaubte er wohl, ihre bloße Anwesenheit würde genügen, um mich einzuschüchtern.“

„Stattdessen haben Sie den Stein ins Rollen gebracht, über den er schließlich gestürzt ist.“

„Wohl kaum. Sein Regime in der Bananenrepublik war ohnehin gefährdet. Nachdem seine Geldquellen versiegt waren, hatte er keine Chance mehr.“

Voller Grauen erinnerte Venetia sich an die blutige Revolution, die das kleine südamerikanische Land von seinem brutalen Herrscher befreit hatte. „Erst Ihre Sendung hat dem Rest der Welt gezeigt, welches Monster sie unterstützt. Wurden Sie nicht sogar inhaftiert?“

„Ja, für ein paar Tage. Ich hatte Glück und konnte fliehen, doch Tausende starben in Löchern wie jenem, in dem ich gesessen hatte. Mir ist noch nie ein so abartiger Mensch begegnet. Er hat den Tod verdient.“

Seine Stimme klang so unbeteiligt, als wäre der Tod des Diktators bedeutungslos. Venetia schauderte. Sie hatte den Film über diesen Tod gesehen. Der Mann war von dem Volk, das er vier Jahre lang mit eiserner Hand regiert hatte, buchstäblich in Stücke gerissen worden. Die Bilder hatten sie wochenlang verfolgt, selbst jetzt noch, wenn sie die Augen schloss, sah sie die wutverzerrten Gesichter und geballten Fäuste der Unterdrückten.

Rasch verdrängte sie die Szenen, die sich ihr ins Gedächtnis gebrannt hatten. „Ich habe die Dokumentation gesehen, die Sie ein paar Jahre später gedreht haben. Sie war ausgezeichnet.“

„Danke. Wohnen Sie hier?“

Venetia hatte sich so sehr auf Ryan konzentriert, dass seine Frage sie ein wenig aus der Fassung brachte. Als sie aus dem Fenster spähte, erblickte sie die üppig rankende weiße Bergclematis, die die Eingangstür beinahe überwucherte.

„Ja“, erwiderte sie leise und wünschte sich, der Abend möge noch nicht enden. Sie wusste, dass sie keinen Schlaf finden würde, solange ihr das Blut so heiß und schwer durch die Adern floss und sie sich träge und erregt zugleich fühlte. „Möchten Sie noch eine Tasse Kaffee?“, erkundigte sie sich zögernd.

Er wandte ihr den Kopf zu. Im matten Licht wirkten seine markanten Züge geradezu unwiderstehlich schön. „Warum nicht?“, meinte er lächelnd.

Während Venetia den Kaffee bereitete, diskutierten sie den jüngsten politischen Skandal. Irgendwann verstummte sie und beobachtete atemlos, wie er seine Tasse absetzte und sich erhob. Wortlos kam er auf sie zu. Dicht vor ihr blieb er stehen und streckte die Hand aus. Sie schaute auf die langen, schmalen Finger und dann auf sein Gesicht. Das spöttische Funkeln in seinen Augen hätte sie eigentlich alarmieren müssen, zumal sie das Gefühl hatte, vor einer Tür zu stehen, über der in Riesenlettern „Gefahr“ leuchtete. Unwillkürlich fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen.

Er sagte nichts. Ihr eigener Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Mit einem unbekümmerten Lächeln legte sie ihre Hand in seine und ließ sich von ihm an sich ziehen.

Ryan Fraine machte keine Kompromisse. Sein Mund war hart und fordernd. Erst viel später sollte sie erkennen, wie besitzergreifend dieser Kuss war, ganz so, als wollte er ihr damit seinen Stempel aufdrücken. Zu keinem klaren Gedanken fähig, gab sie sich völlig dem wilden Verlangen hin, das sich seit Stunden in ihr aufgestaut hatte. Er verstärkte den Druck seiner Finger und presste Venetia fest an seinen muskulösen Körper.

Ihre Reaktion war unmissverständlich. Erst rang sie um Atem, dann stöhnte sie auf und seufzte sehnsüchtig, als die Lust sie überwältigte. Er schmiegte das Gesicht an ihren Hals. Sie spürte sein brennendes Begehren ebenso deutlich wie seinen heißen Mund auf ihrer Haut und bekam plötzlich Angst vor dem Sturm der Leidenschaft, den sie heraufbeschworen hatte.

Als er die Hand von ihrer Hüfte zu ihren Brüsten gleiten ließ, schob sie ihn entschlossen von sich. „Nein“, flüsterte sie heiser und trat einen Schritt zurück.

Obwohl seine Wangen leicht gerötet waren, konnte sie seine Miene nicht deuten. Nach kurzem Schweigen sagte er ruhig: „Ich brauche keine falsche Schamhaftigkeit, um mich zu stimulieren, Venetia.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Tut mir leid, aber ich bin nicht an einem flüchtigen Abenteuer interessiert. Und falls du das nicht im Sinn hattest, gehst du zu schnell vor.“

Er betrachtete sie, als wäre sie für ihn etwas völlig Neues. Den Gerüchten zufolge bevorzugte er erfahrene Frauen. Man konnte sie wahrlich nicht als naiv bezeichnen, aber dennoch besaß sie Prinzipien. Und einen ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb. Sie wusste, wie es war, wenn man seine Selbstachtung verlor, und hatte nicht die Absicht, es noch einmal zu erleben.

Also begegnete sie seinem Blick und schüttelte den Kopf.

Nach einer Weile lächelte er angespannt. „Wie du willst. Gute Nacht.“ Er reichte ihr die Hand.

Kaum hatte sie seine Finger ergriffen, erkannte sie auch schon ihren Fehler. Er zog sie erneut an sich und hielt sie mit einem Arm fest, während er die andere Hand auf ihren Po legte und sie an sich presste, um ihr auf diese Weise recht drastisch zu zeigen, was er tatsächlich von ihr wollte.

Er schien ihr Entsetzen zu genießen, denn es verstrichen endlose Sekunden, bevor er das Schweigen brach. „Ich lasse mich auf keine Spielchen ein“, erklärte er kalt.

Nur mit Mühe gelang es Venetia, ihr Verlangen zu unterdrücken, das auf einmal so stark war, dass sie ihm fast erlegen wäre. Aber dann gab er sie frei, und sie war gerettet.

Nachdem er das Haus verlassen hatte, ging sie ins Bett und schlief erstaunlicherweise sofort ein.

Als sie erwachte, schien die milde Frühlingssonne ins Zimmer und hob sofort Venetias Stimmung. Während sie sich anzog und Kaffee trank, balzten draußen im Pohutukawa-Strauch zwei Tuis. Beim Ankleiden hatte sie ihr Gesicht prüfend im Spiegel betrachtet, um herauszufinden, ob die Ereignisse der letzten Nacht irgendwelche Spuren hinterlassen hatten. Abgesehen von einem leichten Schatten in ihren grünen Augen wirkte sie so wie immer: energiegeladen, attraktiv, das energische kleine Kinn trotzig erhoben.

So viel zu Ryan Fraine. Venetia war zu dem Schluss gelangt, dass er für sie eine Nummer zu groß war. Sie kannte ihre Grenzen, und die Intensität ihres Begehrens hatte ihr Angst eingeflößt. Es wäre gefährlich leicht gewesen, dem Verlangen nachzugeben – dann wäre sie allerdings an diesem Morgen erwacht und hätte sich verachtet. Am besten vergaß sie ihn.

Leider war das nicht ganz so einfach. Es fing noch am gleichen Tag an, als sie sich vor einem Interviewtermin einen Kaffee holte.

„Wie ich hörte, hattest du gestern Abend einen äußerst smarten Begleiter“, meinte Jeff Caldwell, einer der Reporter. Neben ihm saß die Sekretärin des Produzenten.

Venetia lächelte. „Neuigkeiten verbreiten sich schnell.“

„Außerdem heißt es, dass du mit unserem strahlenden englischen Helden in der verführerisch milden Nacht verschwunden bist“, fuhr Jeff genüsslich fort. „Wie ist er denn so im Bett, Liebes?“

„Frag ihn selbst.“

Jeff hatte die lästige Angewohnheit, jedem, der es hören wollte – und auch allen anderen – zu erzählen, dass er Venetia dem Produzenten vorgestellt und damit den Job verschafft hatte. Obwohl er es längst aufgegeben hatte, sie aufgrund dieser Tatsache in sein Bett zu locken, neigte er dazu, sie zu bevormunden.

Jetzt heuchelte er Erstaunen. „Willst du etwa andeuten … könnte es sein … darf ich daraus schließen, dass es dir nicht gelungen ist, ihn zu verführen?“

Die Sekretärin kicherte. „Das wird sie dir kaum auf die Nase binden, Dummkopf. Nur aus reiner Neugier, Venetia – sieht er wirklich so gut aus wie auf den Fotos?“

„Noch besser“, versicherte Venetia fröhlich.

Sarah seufzte sehnsüchtig. „Du Glückliche! Und hat er tatsächlich diese hinreißend lässige Was-kümmert-mich-die-Welt-Einstellung?“

„Oh ja“, bestätigte Venetia trocken.

Sarah seufzte erneut, während Jeff boshaft einwarf: „Vielleicht hat er dich immer noch auf seiner Liste der Frauen, die ihm hier das Bett wärmen könnten.“

Venetia lächelte. „Du solltest mich besser kennen, Jeff.“

Beleidigt wandte er sich ab.

„Was würde ich darum geben, wenn er mich nur eines einzigen Blickes würdigen würde“, sagte Sarah verträumt. „Ich glaube nicht, dass es einen anderen Mann gibt, der so viel unverhohlene Sinnlichkeit ausstrahlt und zugleich so intelligent ist.“

Später rief sie Venetia zu sich und zeigte ihr ein Magazin, das zusammen mit zahlreichen Fotos einen Artikel über ihn gedruckt hatte. Venetia blätterte ihn scheinbar gelangweilt durch – und kaufte auf dem Nachhauseweg die Zeitschrift. Der Text war maßlos übertrieben, aber die Bilder waren beeindruckend. Nachdem sie den Bericht gelesen hatte, verstaute sie die Illustrierte im Schrank.

Es gab offenbar kein Entrinnen vor ihm. Das Abendblatt veröffentlichte ein Foto von ihnen beiden: Venetia wirkte selbstgefällig und bieder, während Ryan Fraine sie so amüsiert betrachtete, dass es fast an Spott grenzte. Wütend über sich selbst, presste sie die Lippen zusammen und warf die Zeitung durchs Zimmer.

Ein beliebtes Fernsehmagazin widmete ihnen später am Abend sogar einen eigenen Beitrag.

Venetia besaß vor der Kamera das seltene Talent, das man als Bildschirmpräsenz bezeichnete, aber Ryan übertraf sie, er war der geborene Star. Obwohl seine markanten Gesichtszüge perfekt eingefangen waren, trat sein atemberaubendes Äußeres völlig in den Hintergrund. Stattdessen wurde man sofort von der Autorität und Stärke gefangen genommen, die er ausstrahlte. Er verfügte über eine Aura von geradezu ungezügelter männlicher Überlegenheit. Neben ihm wirkte Venetia klein und hilflos.

Als die Sendung vorbei war, schaltete sie den Apparat aus und sagte laut zu sich selbst: „Es ist nur Sex. Mehr nicht. Ignorier es. Du weißt, wie viel Schaden er anrichten kann. Du hast wahrlich Grund genug, vorsichtig zu sein.“

Trotz der überwältigenden Anziehungskraft, die nach dem ersten Blickwechsel zwischen ihnen geherrscht hatte, würde sie sich nicht mit Ryan Fraine einlassen. Falls er sich noch einmal bei ihr melden sollte, würde sie es höflich, aber nachdrücklich ablehnen, ihn wiederzusehen.

Den Rest der öden Woche redete sie sich pausenlos ein, dass sie lediglich den Mann und seine Wirkung auf sie ignorieren müsse, dann würde beides irgendwann bedeutungslos werden. So schwierig konnte es nicht sein. Er hatte bloß ein Abenteuer gesucht, und sie war weder an einer Affäre noch an einer Heirat interessiert. Männer brachten nichts als Probleme mit sich, und Ryan Fraine stellte eine ernste Bedrohung für ihre mühsam erworbene Unabhängigkeit dar. So bitter diese Erkenntnis auch war, Venetia klammerte sich verzweifelt daran, denn ihr Unterbewusstsein hatte bereits begonnen, romantischen Träumen nachzuhängen.

Als sie jedoch am Sonntagmorgen vom Läuten des Telefons geweckt wurde und Ryans Stimme hörte, schlug ihr Herz vor Freude schneller, und sie verspürte etwas, das sich verdächtig nach Erleichterung anfühlte.

„Ich bin auf eine Yacht eingeladen worden“, teilte er ihr ohne lange Vorrede mit. „Vielleicht möchtest du mitkommen.“

Sie verbarg geschickt ihre Begeisterung und erwiderte kühl: „Danke, das klingt nett. Wie groß ist die Yacht?“

„Groß genug, um sechs Personen bequem unterzubringen. Warum fragst du? Wirst du seekrank?“

Sein scherzhafter Tonfall ließ sie erröten. Um keinen Preis der Welt wollte sie zugeben, dass sie über die Anwesenheit anderer Gäste enttäuscht war. „Nein“, entgegnete sie ein bisschen zu fröhlich.

„Gut. Ich hole dich in einer Stunde ab.“

„Soll ich etwas zum Lunch vorbereiten?“

Er lachte leise. „Nein, es ist alles organisiert. Sei einfach fertig, ich mag es nicht, wenn ich warten muss.“

Unter der Dusche ertappte Venetia sich beim Singen und stutzte. Es war lange her, dass sie sich so lebendig gefühlt hatte. Die große Vorfreude machte ihr beinahe Angst, aber sie zog es vor, nicht daran zu denken, dass sie ihn nicht hatte wiedersehen wollen. Schließlich würde sie mit vier anderen Leuten an Bord völlig sicher sein!

Sie entschied sich für eine Baumwollhose und ein dazu passendes hellblaues Top über einem knappen dunkelroten Bikini. Als Ryans Wagen draußen hielt, war sie fertig.

In Shorts und einem Freizeithemd sah er einfach umwerfend aus. Bei seinem Anblick klopfte ihr Herz, als wollte es zerspringen. In diesem Moment begriff sie, dass sie bereits tiefer in der Sache steckte, als sie geahnt hatte – er war eine Herausforderung, der sie nicht gewachsen war.

„Erzähl mir von der Yacht“, bat sie, als er den Wagen aus der Parklücke lenkte.

„Sie heißt ‚Hawk‘ und gehört Logan Sutherland und seiner Frau Fiona.“

„Der Name kommt mir bekannt vor.“

„Er arbeitet für das Landwirtschaftsministerium und diverse Organisationen.“

Venetia nickte. „Ich habe ihn getroffen. Groß, dunkelhaarig …“

„Attraktiv?“, warf Ryan spöttisch ein.

Sie lächelte. „Ja, in gewisser Weise. Er hat wunderschöne Augen und das verwegene Lächeln eines Piraten. Und wenn er seine Frau ansieht, hört man es förmlich knistern.“

„Kennst du sie so gut?“

Sein erstaunter Tonfall ärgerte sie ein wenig. „Nein, aber nach einer seiner Pressekonferenzen war ich zufällig im Flur, als seine Frau zu ihm kam. Normalerweise ist seine Miene undurchdringlich, aber in diesem Moment sah er aus, als hätte er das Paradies erblickt.“

„Sie ist ein hübsches Ding“, meinte er.

Der Spott in seiner Stimme reizte Venetia und vermittelte ihr das beschämende Gefühl der Geschwätzigkeit. Nichtsdestotrotz plauderte sie unbekümmert weiter, bis sie Westhaven erreichten, wo die Yacht vor Anker lag. Sie erkannte nicht nur die Sutherlands, sondern auch den anderen Mann, und einen schrecklichen Moment lang glaubte sie, den Boden unter den Füßen zu verlieren, als Fiona Sutherland sie einander vorstellte.

„Venetia und ich sind uns schon begegnet“, sagte Brett March mit ausdruckslosem Gesicht.

Venetia wartete nervös, dass er weitersprach, aber er schwieg, und sie atmete erleichtert auf. Unbehaglich sah sie Ryan an, der lächelnd neben ihr stand und seine Gedanken mit keinem Wimpernzucken verriet.

Bretts Begleiterin war eine ebenso atemberaubende Rothaarige wie Fiona. Sie hieß Bobby und schien ihre Lebensaufgabe darin zu sehen, Brett zu gefallen.

Der Ausflug hätte leicht in einer Katastrophe enden können, aber allmählich begann Venetia, den Tag zu genießen. Die Sutherlands waren ebenso charmant wie intelligent, Brett gab sich witzig und souverän, und sogar Bobby entspannte sich, als sie merkte, dass Venetia keineswegs an Brett interessiert war, sondern alles tat, um ihm aus dem Weg zu gehen. Ryan schien sich ebenfalls zu amüsieren.

Das Wetter war traumhaft, die gleichmäßige Brise ließ die Yacht förmlich über das funkelnde Wasser der Bucht fliegen, und der warme Sonnenschein kündete vom nahenden Sommer. Halb Auckland schien an diesem herrlichen Tag auf dem Meer zu sein. Die bunten Segel der Boote hoben sich wie exotische Vögel vor der malerischen Kulisse von Inseln, Landzungen und endlosen weißen Stränden ab.

Zufrieden seufzend rekelte Venetia sich in der Sonne. Ryan warf ihr einen kurzen, bewundernden Blick zu, aber seine Züge wirkten kalt und abweisend. Als sie ihn ansah, lächelte er jedoch und zeigte sich von seiner charmantesten Seite, sodass sie sich unwillkürlich fragte, ob sie sich vielleicht getäuscht habe.

Das Unbehagen blieb, und so beobachtete sie ihn verstohlen, während Logan ihn in die Geheimnisse des Segelns einweihte. Eigentlich hätte sie jede Minute auskosten müssen, aber Bretts Anwesenheit verdarb ihr die Freude, obwohl er mit keiner Geste andeutete, dass er ihr bei jeder früheren Begegnung Geld angeboten hatte – zuerst, damit sie seinen Cousin nicht heiratete, und später, um sich von ihm scheiden zu lassen.

Die Details dieser Unterredungen hatten sich ihr unauslöschlich eingeprägt, zusammen mit ihrem verletzten Stolz über seine erniedrigende Unterstellung, sie sei käuflich. In Anbetracht der späteren Ereignisse war sie allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass sie schon beim ersten Mal das Geld hätte nehmen und die Flucht ergreifen sollen.

„Okay, ich übernehme jetzt das Ruder.“ Logans Stimme riss Venetia aus ihren Erinnerungen. „Die Einfahrt in die Bucht ist ein bisschen schwierig. Sie sollten sich eine Yacht kaufen, Sie sind ein Naturtalent.“

Nach einer scherzhaften Bemerkung kehrte Ryan zu Venetia zurück. „Hat es dir Spaß gemacht?“, fragte sie.

„Sehr sogar. Segelst du?“

„Nein, ich habe nicht die leiseste Ahnung davon. Ich bin nur zur Dekoration da.“

„Eine sehr attraktive Dekoration“, meinte er lächelnd. „Du bist genau das, was sich jeder Fotograf wünscht, wenn er nach einem Motiv für Sommer und gutes Leben sucht.“

„Hoffentlich war das ein Kompliment.“

Es hatte nicht so geklungen. In Ryans Worten hatte unverhohlener Sarkasmus mitgeschwungen, und das Funkeln seiner dunklen Augen wirkte beinahe anzüglich.

„Ich finde schon“, erwiderte er mit Unschuldsmiene. „Hören nicht alle Frauen gern etwas über ihr Äußeres?“

Autor

Robyn Donald
<p>Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich. Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende...
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