Spiele der Leidenschaft

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Dieser Mann ist ihre tiefste Sehnsucht! Seit der High School träumt Tracy von einer leidenschaftlichen Nacht mit Cort Lander. Als sie dem attraktiven Mediziner endlich ihre geheimen Wünsche offenbart, beginnt für beide ein Sommer der Sinnlichkeit. Doch Cort muss bald in die Großstadt zurückkehren …


  • Erscheinungstag 03.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747503
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Telefonanrufe mitten in der Nacht hatten selten etwas Gutes zu bedeuten.

Cort Lander rieb sich schlaftrunken die Augen. Dann tastete er ungeduldig nach dem Hörer und hob ab, bevor das nervtötende Klingeln ein weiteres Mal ertönen konnte.

„Hallo?“

Er warf einen Blick auf die Leuchtziffern seines Weckers. Nicht einmal drei Stunden Schlaf hatte er bekommen, nachdem er von seinem Bereitschaftsdienst heimgekommen war, der wie üblich zweiundsiebzig aufreibende Stunden gedauert hatte. Gut möglich, dass es schon wieder jemand vom Krankenhaus war, um ihn zum nächsten Notfall zu rufen.

„Spreche ich mit Cort Lander, dem früheren Partner von Kate Simms?“

Es war lange her, dass er Kates Namen gehört hatte. Cort hatte plötzlich einen Geschmack im Mund, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

„Ja.“

„Ich bin Helen McBride von der Fürsorge des Du Page County. Es tut mir aufrichtig leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Miss Simms heute verstorben ist.“

Cort richtete sich mit einem Ruck auf. „Kate ist tot?“, fragte er ungläubig. Die stolze, unbeugsame Kate? Sie hatte erklärt, nichts werde sie davon abbringen, die beste Strafverteidigerin der USA zu werden. Darauf war sie nach Chicago gegangen. Zu spät war Cort klar geworden, dass in ihren Augen er das Hindernis war, das ihr ihren ehrgeizigen Plänen im Wege stand. „Was ist passiert?“

„Einem ihrer Mandanten ist es offenbar gelungen, eine Waffe in den Gerichtssaal zu schmuggeln. Als das Urteil nicht in seinem Sinne ausfiel, hat er auf sie geschossen. Aber der eigentliche Grund meines Anrufs ist ein anderer, Mr. Lander.“

„Dr. Lander“, korrigierte Cort automatisch.

„Ich wollte Sie fragen, ob Sie das Sorgerecht für Ihren Sohn übernehmen können.“

„Für wen?“ Er musste sich verhört haben. Cort fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und knipste die Nachttischlampe an.

„Für Joshua, Ihren Sohn.“

„Das muss ein Irrtum sein. Kate und ich haben keine Kinder.“

„Bevor sie ihren Verletzungen erlag, hat Miss Simms Sie als Vater ihres Kindes namhaft gemacht und uns Ihre Adresse angegeben. Sie hat uns ausdrücklich darum gebeten, dafür zu sorgen, dass Sie das Kind zu sich nehmen.“

Cort weigerte sich, ein Wort davon zu glauben. Er sollte ein Kind haben? Von Kate? Lächerlich! Dann hätte sie schon schwanger sein müssen, als sie nach Chicago aufgebrochen war und ihn völlig fassungslos in Durham zurückgelassen hatte. Vier Monate nach ihrem plötzlichen Verschwinden war ein Brief von ihr gekommen, in dem sie ihm ohne nähere Begründung mitteilte, dass sie mit ihm Schluss machen wollte. Davon, dass sie von ihm ein Kind erwartete, stand dort keine Silbe.

Cort rechnete kurz nach. „Ich habe Kate die letzten sechzehn Monate nicht gesehen. Wie alt ist das Kind denn?“

„Neun Monate. Hören Sie, ich kann mir ja vorstellen, dass meine Mitteilung ein Schock für Sie ist, zumal wenn Sie nichts von dem Jungen wussten. Aber es ist eindeutig Ihr Name, der in seiner Geburtsurkunde steht. Außerdem hat Miss Simms Sie testamentarisch als Vormund benannt. Und Sie sind der einzige Angehörige, den das Kind hat. Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, als den Jungen zu holen.“

Cort überlegte kurz. „Welche Blutgruppe hat das Kind?“ Natürlich war ihm klar, dass eine bestimmte Blutgruppe allein gar nichts aussagte. Aber da Kate häufiger Blut gespendet hatte, wusste er, dass sie die Blutgruppe Null negativ hatte. Er selbst hatte AB positiv.

Das Rascheln von Papieren war. „Warten Sie – hier steht, Joshs Blutgruppe ist AB positiv.“

Cort atmete tief durch. Schweiß war ihm auf die Stirn getreten. Beinahe wäre ihm der Hörer aus der Hand geglitten. Anfälle von Panik waren ihm normalerweise fremd, selbst dann, wenn es mal während einer Operation hektisch wurde.

„Ich lasse mich auf gar nichts ein, bevor nicht ein Vaterschaftstest eindeutig geklärt hat, ob ich der Vater bin.“

„Wie ich schon sagte, ich kann verstehen, dass das alles für Sie ein wenig überraschend kommt“, sagte die weibliche Stimme am anderen Ende der Leitung. „Aber es ändert nichts daran, dass Sie für mich als derjenige feststehen, der die Fürsorge für den Jungen zu übernehmen hat. Natürlich können Sie sich entscheiden, ihn zur Adoption freizugeben. Aber ich würde doch vorschlagen, dass Sie Joshua vorher einmal kennenlernen.“

„Sagen Sie mir, wo ich ihn finde.“ Auf dem Nachttisch suchte Cort nach einem Stift und einem Zettel. Er schrieb die Adresse auf, die die Frau von der Fürsorge ihm nannte, dann war das Gespräch beendet.

Er schlug die Hände vors Gesicht. Das durfte nicht wahr sein! Wieso hatte Kate ihm davon nie etwas gesagt? Ihre Trennung mochte zwar überstürzt gewesen sein, doch sie waren nicht im Streit auseinander gegangen.

Cort stand auf und marschierte unruhig auf und ab. Er konnte froh sein, dass die drei jungen Kollegen, mit denen er das Apartment im Wohnheim der Klinik teilte, alle Nachtdienst hatten. So brauchte er zu dem nächtlichen Anruf und seinem aufgewühlten Zustand keine Erklärungen abzugeben.

Es reichte ihm, dass er selbst mit der Bombe fertig werden musste, die gerade in seinem Leben eingeschlagen war. Was zum Donnerwetter sollte er mit einem neun Monate alten Säugling anfangen? Hierher konnte er ihn unmöglich bringen. Zum Glück war es nicht mehr lange bis zu den Sommerferien, und er konnte darum bitten, dass ihm die letzten paar Tage als Arzt im Praktikum Jahr erlassen wurden.

Er würde also nach Hause auf die Crooked Creek Ranch fahren. Was das Baby betraf, konnte er mit der Unterstützung seiner älteren Brüder rechnen, die verheiratet waren und selbst Kinder hatten. Das hieß aber auch, dass er ihnen gestehen musste, dass der Fluch der Landers sich wieder einmal erfüllt hatte.

1. KAPITEL

Der Anblick eines schönen Rückens kann einen manches vergessen lassen. Und so vergaß Cort für ein paar Augenblicke, es seinem Bruder übel zu nehmen, dass er ihn auf ein Ehemaligentreffen seiner alten Schule gelockt hatte.

Viel Zeit blieb Cort jedoch nicht, die Rückansicht der Frau zu genießen. Ein spitzer Schrei lenkte ihn ab, und als er sich umdrehte, sah er eine Frau, die vom Eingang her auf ihn zu stürmte. Bei ihm angekommen, fiel sie ihm um den Hals.

„Cort Lander! Bist du es wirklich? Wir hatten ja keine Ahnung, dass du hier aufkreuzt! Ich denke, du bist in North Carolina.“

Cort bemerkte, wie der Rücken, den er zuvor bewundert hatte, sich für einen kurzen Moment straffte, als sein Name fiel. Aber die Frau mit den bewundernswert langen Beinen drehte sich nicht nach ihm um, sondern setzte ihre Unterhaltung mit einem Mann in mittleren Jahren fort, den Cort als seinen früheren Sportlehrer wiedererkannte.

„Für einen ordentlichen Begrüßungskuss vergebe ich dir, dass du nicht Bescheid gesagt hast, dass du kommst“, sagte Libby, die ihn so überschwänglich begrüßt hatte.

„Das würde ich mir lieber zwei Mal überlegen“, erklärte die Frau, die er bis dahin nur von hinten gesehen hatte. Tracy Sullivan. Unter Hunderten hätte er diese Stimme erkannt, die immer einen leicht zurechtweisenden Ton hatte.

Jetzt drehte Tracy sich zu ihm um.

Tracys rotes Haar war zu einem straffen Knoten zusammengebunden. Es war dunkler als früher und hatte jetzt einen fast ins Mahagoni spielenden Farbton. Er betrachtete ihre großen bernsteinfarbenen Augen und ihren verführerischer Mund – sie hatte die sinnlichsten Lippen, die er je gesehen hatte.

Tracy trat zwei Schritte auf ihn zu. Wo hat sie diese Formen her? dachte Cort. Er hatte sie als Bohnenstange in Erinnerung. Aber jetzt wies ihr Körper herrliche Rundungen an genau den richtigen Stellen auf.

„Libby ist mit Chuck, dem Trainer unseres Footballteams, verheiratet, und der langt immer noch ganz gut hin“, erklärte Tracy mit einem spöttischen Lächeln.

Libby ließen diese Ermahnungen unbeeindruckt. Sie packte Cort am Revers seines Jacketts und gab ihm einen Schmatzer auf den Mund. Dann nahm sie Tracy bei der Hand. „So, und jetzt bist du dran.“

Cort, der sonst nicht so leicht in Verlegenheit zu bringen war, verschlug es für eine Sekunde den Atem. Als Tracy errötete, sah er wieder das sommersprossige rothaarige Mädchen vor sich, das so fleißig mit ihm gepaukt hatte und ohne dessen Nachhilfestunden er seinen Abschluss niemals geschafft hätte. Es war nicht das erste Mal, dass er Lust gehabt hätte, sie zu küssen.

Er legte ihr die Hand in den Nacken. Er hatte wirklich vorgehabt, ihr bloß einen flüchtigen Kuss zur Begrüßung zu geben, aber als er ihre weichen Lippen spürte, konnte er nicht widerstehen, und es wurde deutlich mehr als nur eine freundschaftliche Geste. Merkwürdigerweise überkam ihn bei diesem Kuss das Gefühl, als würde er erst jetzt nach Hause zurückkehren, was im Grunde widersinnig war, denn er war mit Josh schon vor einigen Tagen angekommen. Es war etwas Bestimmtes, das dieses Gefühl auslöste. Ein zarter Duft, den er an ihr wahrnahm und der ihn an zu Hause erinnerte – an ihr Zuhause, nicht an seines. Ein ganz leichter Geruch nach Mürbeteigplätzchen und Apfelkuchen.

Er spürte ihr seidiges Haar auf seinem Handrücken und kehrte erst aus seiner sinnlichen Träumerei zurück, als jemand in ihrer Nähe den Kuss mit einem Pfiff quittierte. Cort ließ Tracy los. Das Blut pochte in seinen Schläfen. Seit Kate war er keiner Frau mehr nahe gekommen. Das war das Einzige, das ihm als Erklärung dazu einfiel.

Tracy war im ersten Augenblick völlig überrumpelt. Sie hatte die Augen weit aufgerissen. Das ungefähr musste ihr Gesichtsausdruck gewesen sein, als sie ihn damals ertappt hatte, wie er hinter Doc Finneys kleinem Wäldchen nackt im Nueces River gebadet hatte.

Sie fasste sich schnell und war im nächsten Augenblick schon wieder die reservierte, beherrschte Tracy von früher. „Das war nun wirklich nicht nötig“, bemerkte sie.

Cort kam sich tatsächlich etwas idiotisch vor. Was war in ihn gefahren? Tracy war sein Kumpel gewesen. Sie hatte mit ihm gepaukt, aber sonst war nichts zwischen ihnen gewesen. „Donnerwetter! Du hast dich aber herausgemacht“, meinte er anerkennend.

Tracy konnte ihre Verlegenheit nicht verbergen. „Oh, danke.“

Eine Weile standen sie unschlüssig herum, bis Libby sie beide kurz entschlossen am Arm packte und zur Tanzfläche zog. Cort hatte weder Zeit, zu protestieren noch um weitere Bekannte zu begrüßen, denn Libby ließ sie erst wieder los, als sie bei den tanzenden Paaren angekommen waren.

„Ist er nicht ein Prachtexemplar?“, meinte sie zu Tracy. „Wenn ich nachher am Empfang abgelöst werde, nehme ich ihn dir wieder weg. So, und nun amüsiert euch schön.“ Damit verschwand sie.

Cort sah Tracy an und streckte zögernd seine Hand aus. Tracy wich seinem Blick aus. Dann ließ sie sich seufzend von ihm auf die Tanzfläche führen. Sobald er sie in seine Arme zog, wurde ihm heiß und kalt. Er hatte ziemliche Probleme, bei dem Countrysong, der gerade gespielt wurde, den Takt zu halten, und zu allem Übel merkte er, dass die Gegend unterhalb seines Nabels rebellisch wurde.

„Du hättest dich von Libby nicht dazu drängen lassen sollen zu tanzen, wenn du nicht möchtest“, sagte Tracy, nachdem er eine Weile unbeholfen herumgestolpert war. „Du weißt doch, wie sie ist.“

„Ich freue mich jedenfalls, dich zu sehen“, erwiderte er grinsend, während er darauf achtete, seine Hand nur ganz leicht auf ihren Rücken zu legen, als hätte er Angst, sich zu verbrennen.

„Ich wusste gar nicht, dass du wieder hier bist.“

Hörte er da einen leisen Vorwurf in ihrer Stimme? „Ich bin erst vor ein paar Tagen angekommen, und ich werde auch bald wieder wegfahren.“ Sobald ich mein aus dem Lot geratenes Leben wieder im Griff habe, fügte er in Gedanken hinzu.

„Arbeitest du noch in dem Krankenhaus in Durham?“

„Ja. Ich hab mir gerade ein paar Tage freigenommen“, erwiderte Cort vage. Tracy hatte immer große Stücke auf ihn gehalten. Er brachte es nicht fertig, ihr zu gestehen, dass sich der Landers-Fluch auch an ihm erfüllt hatte: ohne Sinn und Verstand eine Frau geschwängert zu haben – genauso wie sein Vater und sein Bruder. Und das muss ausgerechnet einem Mediziner und angehenden Facharzt passieren!

Die Band war jetzt zu einer langsamen Ballade übergegangen. Das Licht wurde noch ein wenig mehr gedimmt. Cort zog Tracy an sich, aber sie schob ihn weg. „Das muss jetzt nicht sein.“

„Warum nicht? Wir tanzen doch nicht zum ersten Mal eng. Erinnerst du dich nicht an unseren Abschlussball? Das war genau hier in dieser Turnhalle.“ Damals wie heute hatte es ihn überkommen, und Tracy war plötzlich nicht mehr bloß der gute Kumpel gewesen, der ihm Englisch und Mathe beigebracht hatte.

Sie kniff die Lippen zusammen. „Oh, ich erinnere mich sehr gut. Aber auf diese Art von Reisen in die Vergangenheit kann ich verzichten.“

„Wozu sind solche Klassentreffen denn sonst da?“

Sie wehrte sich noch immer, offenbar war sie drauf und dran, ihn einfach stehen zu lassen. Widerstrebend ließ er ihr den Abstand, den sie forderte, und wechselte das Thema. „Was machst du denn jetzt so?“

„Ich bin Lehrerin.“

Cort war so verblüfft, dass er für eine Sekunde aus dem Takt kam mit der Folge, dass ihre Beine sich berührten. Wie ein elektrischer Schlag durchzuckte es ihn. Noch so eine Karambolage, und jeder im Saal würde sehen können, was mit ihm los war.

„Ich hatte keine Ahnung, dass du Lehrerin werden wolltest.“

„Wir haben uns über meine Zukunft ja auch kaum unterhalten. Wir waren mehr mit deiner beschäftigt.“

„Du liebe Zeit! War ich wirklich ein so egozentrisches Ekel?“

„Nein. Du warst einfach das Nesthäkchen der Familie, um das sich alles drehte. Das ist ganz normal.“ Tracy sagte das ohne jede Andeutung von Kritik.

„Im Gegensatz zu dir. Du warst die Älteste, auf der alle Verantwortung lastete. Schwingst du noch immer die Knute über deine Geschwister?“

„Meine Familie lebt immer noch hier, wenn du das meinst.“

„Wo unterrichtest du denn?“

„Ich unterrichte Englisch hier im Bezirk.“

„Du bist bestimmt eine gute Lehrerin. Ich wette, du bist ganz schön streng – so wie mit mir damals. Geschadet es hat mir aber nichts. Im Gegenteil, ich verdanke dir eine ganze Menge.“

Seine Worte machten sie verlegen. „Na ja … ich habe mich für die Stelle des Schuldirektors beworben. Demnächst wird sich das entscheiden. Der Posten ist zwar bisher fest in männlicher Hand gewesen, aber ich glaube, ich habe trotzdem eine Chance.“ Ein Anflug von Stolz schwang in ihrer Stimme mit. Selbstbewusst hob sie den Kopf.

Das lenkte Corts Aufmerksamkeit auf ihren schlanken Hals, und für einen Augenblick hatte er das Bedürfnis, mit den Lippen ganz vorsichtig die zarte Haut in der Halsbeuge zu liebkosen. Er riss sich zusammen und räusperte sich. „Mit anderen Worten: Du kommst gut voran?“

„Ich kann nicht klagen. Privatleben, Beruf … eigentlich alles im grünen Bereich.“

Wenigstens einer, der das von sich behaupten kann, dachte Cort.

Da die Musik mittlerweile zu einem Walzer übergegangen war, war es wieder lebhafter auf der Tanzfläche geworden. Cort sah, dass ein Paar auf sie zu gewirbelt kam. Mit einer schnellen Drehung brachte er Tracy in Sicherheit, bevor es zum Zusammenstoß kam. Aber als hätte ihm jemand aus Bosheit die Schnürsenkel zusammengebunden, stolperte er über seine eigenen Füße. Erst im letzten Augenblick fand er sein Gleichgewicht wieder. Für einige Momente standen sie eng aneinandergepresst da.

Corts Körper reagierte prompt auf den engen Kontakt. Heftiges Verlangen nach Tracy packte ihn. Himmel, dachte er, das kann doch nicht wahr sein! Es musste daran liegen, dass er vollkommen übernächtigt war. Josh hatte nahezu die ganze Nacht über geschrien, und er, Cort, hatte kein Auge zumachen können. Die Nächte zuvor, seitdem er den Kleinen zu sich genommen hatte, war es nicht anders gewesen. Es musste sich schleunigst etwas ändern und eine Lösung gefunden werden – in seinem und in Joshs Interesse.

„Entschuldige, könntest mich bitte loslassen?“ In Tracys Augen funkelte deutlich eine Warnung. Seine Erregung war ihr offenbar nicht entgangen.

Schnell gab Cort Tracy frei und sorgte für eine Handbreit Abstand zwischen ihnen. „Wäre es dir recht, wenn wir uns irgendwo hinsetzen? Ich könnte etwas zu trinken gebrauchen.“ Und eine kalte Dusche, dachte er.

„Kein Problem. Die Getränke gibt es dahinten. Ich geh mal vor.“

Brav folgte Cort ihr, wobei er sich wunderte, seit wann sie diesen Hüftschwung hatte. Er schüttelte den Gedanken ab. Anscheinend war er dank seiner Übermüdung und anderer Mangelerscheinungen allmählich ein Fall für den Psychiater.

Als sie beide mit ihren Gläsern in der Hand an der Bar standen, kreuzte Libby auf.

„Was macht ihr denn für Gesichter? Wir sind hier nicht auf einer Beerdigung.“

Cort war die Unterbrechung sehr willkommen. Sie verschaffte ihm eine Atempause, in der er seine Gedanken ordnen konnte. Libby plapperte munter drauflos, wusste von jedem und allem etwas zu berichten, und das in einem atemberaubenden Tempo. Irgendwann schaltete Cort innerlich ab. Stattdessen war er damit beschäftigt, Tracys Miene zu studieren. Er fragte sich, ob sie ihm wohl noch böse war, dass er ihr buchstäblich zu nahe getreten war.

Plötzlich jedoch horchte er wieder auf. „Tracy hat wirklich Pech in diesem Jahr“, hatte Libby gerade verkündet. „Erst kündigt ihr Untermieter. Und dann wird es diesen Sommer wohl auch nichts mit dem Geld, das sie sich sonst mit Babysitting nebenbei verdient hat. Und wie ich dich kenne, Tracy, steckst du trotzdem deinem nichtsnutzigen Bruder und deiner Schwester wieder deinen letzten Penny zu.“

Tracy machte ein etwas gequältes Gesicht. „Ich werde das schon hinbekommen“, meinte sie abwehrend.

„Wenn ich mich recht entsinne, hast du Vance gerade die letzten Semestergebühren vorgestreckt.“

„Libby – bitte!“

Vance, Tracys jüngster Bruder, geht schon aufs College? überlegte Cort verwundert.

„Immer denkst du nur an andere. Wann denkst du mal an dich?“

„Libby, es reicht! Wen interessiert das hier?“

Peng! Das hatte gesessen. Das war der Ton, in dem Tracy ihre Schüler zur Räson brachte, vermutete Cort. Den hatte sie schon immer perfekt beherrscht. Ein Wort von ihr, und man stand innerlich stramm. Mehr als einmal hatte sie ihn auf diese Weise zusammengestaucht, wenn er in ihren Nachhilfestunden nicht bei der Sache war.

„Cort, erzähl uns doch ein bisschen von deiner Ausbildung“, lenkte Tracy das Gespräch auf ein anderes Thema.

Cort ging bereitwillig darauf ein. „Ich habe vor, mich auf Herzchirurgie zu spezialisieren.“

Libby warf ihm einen bewundernden Blick zu.

„Wolltest du nicht eines Tages hierher zurückkommen, um Doc Finneys Praxis zu übernehmen?“, fragte Tracy.

„Ja, aber dann kam die Sache mit Dad …“

Tracy legte ihm mitfühlend die Hand auf den Arm. „Du hast dich nach dem Herzinfarkt deines Vaters für Herzchirurgie entschieden?“

Er steckte die Hände tief in die Hosentaschen. „Ohne diesen fantastischen Arzt hätte Dad damals nicht überlebt.“

Tracy nahm schnell ihre Hand wieder weg. „Jetzt geht es ihm jedenfalls ausgezeichnet. Er ist richtig aufgeblüht, seitdem er wieder geheiratet hat.“

Cort musste an seinen Empfang auf der Ranch seines Vaters denken, die jetzt von seinem älteren Stiefbruder Patrick bewirtschaftet wurde. Schon bald nach seiner Ankunft hier hatte er bemerkt, dass er der einsame Wolf bleiben würde – selbst mit seinem „Welpen“ im Schlepptau. Sein Vater hatte eine neue Frau, alle seine Brüder hatte eine eigene Familie. Cort kam sich wie ein Eindringling vor, der nicht so recht hierher passte. Außerdem konnte er Patrick und Leanna, dessen Frau, auf Dauer nicht beanspruchen.

Auf der anderen Seite hatte er keine Ahnung, zu wem er sonst in der nächsten Zeit mit seinem Anhang gehen sollte. Josh wieder mit nach Durham zu nehmen wäre eine Zumutung für die Mitbewohner seines Apartments gewesen. Und eine Alternative, die er sich leisten konnte, fiel ihm nicht ein. Es sei denn …

„Du machst Babysitting nebenher?“, fragte er Tracy. „Hast du nicht genug davon, nachdem du deine Geschwister großgezogen hast?“

„Eigentlich schon. Aber in der Familie, für die ich arbeitete, war das mit einigen Annehmlichkeiten verbunden. Sie haben mich im Sommer mit auf ihre Reisen genommen. Letztes Jahr waren wir in Europa, davor auf Hawaii. Dieses Jahr sollte es nach Australien gehen.“

„Klingt nicht schlecht. Hat bestimmt Spaß gemacht.“

„Es war sehr unterhaltsam und lehrreich“, korrigierte Tracy. Natürlich – wie konnte er nur von Spaß reden. Solange er zurückdenken konnte, hatte sie nie etwas einfach nur aus Spaß gemacht. Cort musste sich ein Grinsen verkneifen.

„Bist du eigentlich verheiratet, Cort?“, wollte Libby wissen.

„Nein.“ Ihm fiel ein, dass er es hier im Ort als alleinerziehender Vater eines Säuglings nicht eben leicht haben dürfte. Aber er hütete sich, Libby gegenüber davon etwas zu erwähnen. Wie er sie kannte, würde dann in weniger als einer halben Stunde jeder Bescheid wissen.

„Und warum nicht?“ Libby wollte es offenbar ganz genau wissen. Nebenbei hüpfte sie zum Takt der Musik wie ein Gummiball hin und her.

„Weil ich erst meine Ausbildung beenden möchte.“ Tracy sah ihn aufmerksam an.

„Aber du bist doch schon Arzt.“

„Aber noch kein Herzchirurg.“

„Ach was! Doktor ist Doktor. Und ich will jetzt tanzen.“ Damit packte sie ihn kurzerhand am Ärmel und lotste ihn auf die Tanzfläche.

Tracy atmete hörbar auf, als die beiden in der Menge untergetaucht waren. Cort Lander zu treffen war nicht gerade das, was sie sich für den heutigen Abend gewünscht hatte. Als sie vorhin Libby seinen Namen nennen hörte, war sie regelrecht zusammengezuckt. Ziemlich albern von ihr. Als Schulmädchen war sie in Cort verliebt gewesen. Aber das konnte heute keine Rolle mehr spielen. Trotzdem war ihr vorhin jede Berührung von ihm unter die Haut gegangen. Und dann dieser Kuss zur Begrüßung … Ihr zitterten jetzt noch die Knie.

Unwillkürlich schweifte ihr Blick über die Tanzfläche. Sie wehrte sich dagegen, aber sie konnte nicht anders, als ihn heimlich zu beobachten. Cort hatte sich in all den Jahren verändert. Als er seine Heimatstadt verlassen hatte, war er ein waschechter Cowboy gewesen. Inzwischen hatte er sich einigen Schliff zugelegt. Sein kräftiges dunkles Haar war perfekt gestylt. Die Jahre hatten seine Züge und seine Stimme gefestigt, und seinen schleppenden texanischen Tonfall von früher, der sie einst zum Schmelzen gebracht hatte wie ein Schneeball in der Sonne, hatte er fast ganz abgelegt. Es war nicht zu leugnen: Aus dem netten Jungen war ein äußerst attraktiver Mann geworden.

Sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals anders als in Jeans und T-Shirt oder im Dress seiner Basketballmannschaft gesehen zu haben. Heute Abend trug er eine kakifarbene Hosen mit Bügelfalte und ein Polohemd in einem hellen Gelbton. Er wirkte größer als früher, seine Schultern schienen breiter geworden zu sein. Insgesamt strahlte er ein geradezu unverschämtes Selbstbewusstsein aus, und wenn Tracy ehrlich war, musste sie zugeben, dass seine Erscheinung sie sehr beeindruckte.

Autor

Emilie Rose
<p>Ihre Liebe zu romantischen Geschichten hat Emilie bereits im Alter von zwölf Jahren entdeckt. Zu der Zeit las sie einen Liebesroman nach dem anderen, sodass ihre Mutter die Bücher bald unter den Sofakissen versteckte, sobald Emilie ins Wohnzimmer kam. Dabei verbrachte sie damals viel Zeit in der freien Natur, wenn...
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