Tiffany Exklusiv Band 78

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  • Erscheinungstag 11.02.2020
  • Bandnummer 78
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726935
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jule McBride, Nancy Gideon, Rebecca Daniels

TIFFANY EXKLUSIV Band 78

1. KAPITEL

Vor dem Apartment ihres besten Freundes ließ Bridget Benning ihren gelbbraunen Mops von der Leine. „Bleib schön hier und bring dich nicht in Schwierigkeiten, Mug“, befahl sie ihm. Sie drückte auf die Klingel und wartete. „Komm schon, Dermott“, murmelte sie ungeduldig und fragte sich, weshalb sie ihren Freund in letzter Zeit nie erreichte. Diesmal würde sie jedoch nicht lockerlassen, denn sie hatte sich vorgenommen, auf Gespensterjagd zu gehen, und dabei brauchte sie seine Unterstützung.

Dermott würde sie verstehen, denn er wusste von dem Heiratsfluch, der auf den Benning-Schwestern lastete und sich ausgesprochen negativ auf ihr Liebesleben auswirkte.

Bridgets Blick fiel auf den Ring an ihrem Finger, und sie schüttelte den Kopf. So recht konnte sie es immer noch nicht glauben. Angeblich sah er genauso aus wie der Hartley-Diamant, dessen Verschwinden mehr oder weniger ebenfalls verantwortlich für den Fluch sein sollte. Dabei war das fast unmöglich, denn sie, Bridget, hatte diesen Ring selbst entworfen.

Ihre Schwester Edie arbeitete als Hochzeitsplanerin, und eigentlich war der Ring für eine von ihren Kundinnen gedacht gewesen. Als diese Frau ihn nicht wollte, hatte Bridget beschlossen, ihn zu behalten.

Ihre Großmutter wäre fast in Ohnmacht gefallen, als sie ihn entdeckt hatte. Nachdem die alte Frau sich beruhigt hatte, hatte sie ihnen erzählt, wie es zu dem Fluch kam.

Es fing alles damit an, dass vor fast hundertfünfzig Jahren Forrest Hartley, ein Vorfahr von Bridgets leiblichem Vater, eine junge Frau namens Marissa Jennings heiraten wollte.

Die Südstaaten kämpften damals gegen die Yankees, und Forrest gehört der Truppe der Rebellen an. In der Nacht, in der die Trauung durch einen Reverend vollzogen werden sollte, erreichten die Yankees Big Swamp und damit auch Hartley House.

Marissa Jennings musste mit ansehen, wie ihr Verlobter getötet wurde. Daraufhin soll sie böse Verwünschungen ausgestoßen und die Nachkommen der Hartleys mit einem Fluch belegt haben. Bridgets Großmutter war überzeugt, wenn der Hartley-Diamant, der damals verschwand, wieder auftauchen sollte, wäre der Fluch gebrochen, denn dann könnten die spukenden Geister von Forrest und Marissa endlich ihre Eheschließung besiegeln und würden zur Ruhe kommen.

Bridget seufzte. Eigentlich war sie nicht sonderlich abergläubisch, doch bisher hatten sie und ihre beiden Schwestern Edie und Marley tatsächlich nur Pech in der Liebe gehabt. Deshalb war sie fest entschlossen, in den Süden zu fahren und den Ring zu suchen, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Und wer könnte ihr eine bessere Hilfe dabei sein als Dermott?

Im vergangenen Jahr hatte er sie sogar bei der Bewerbung für eine Eintragung ins Guinnessbuch der Weltrekorde unterstützt, da sie überzeugt war, mehr missglückte Verabredungen gehabt zu haben als jede andere Frau in Amerika. Leider gab es keine Kategorie für missglückte Verabredungen, und der Verlag war auch nicht bereit, extra für sie eine einzurichten.

Bridget schüttelte den Kopf, als sie das ständige Auf und Ab ihres Lebens bedachte. Diese Geschichte mit dem Ring war tatsächlich merkwürdig. Sie hatte bisher nie das Gefühl gehabt, so etwas wie übernatürliche Fähigkeiten zu haben. Es sei denn, es zählte, dass ihr gleich klar gewesen war, dass aus dem geplanten Skiausflug diese Woche nichts werden würde. Eigentlich hätte sie jetzt, am Valentinstag, mit ihren Freundinnen in einem Wintersportort an der Bar sitzen und mit ein paar traumhaft gut aussehenden Männern Champagner trinken wollen.

Sie schaffte es immer noch nicht ganz, sich nicht darüber zu ärgern, dass es nicht geklappt hatte. Doch sie hatte es selbst verschusselt, denn sie hatte vergessen, den Scheck für ihren Anteil an den Kosten abzuschicken. Ihre Freundinnen hatten sie nicht daran erinnert und an Bridgets Stelle eine Frau mitgenommen, für die sie sich nie interessiert hatten, bis sie eine Rolle in einem Fernsehwerbespot erhalten hatte.

Bridget hatte beschlossen, sich nicht länger über ihre treulosen Freundinnen zu ärgern, sondern ihren Urlaub zu nutzen und sich eine spannende Gespensterjagd in ihrem Geburtshaus in Florida zu leisten. Wahrscheinlich hätte sie in den Bergen ohnehin keinen attraktiven Mann kennen gelernt, und selbst wenn, hätte der Fluch vermutlich nur bewirkt, dass er nicht mehr zu haben gewesen wäre, weil er eine Freundin hatte oder sogar eine Ehefrau.

Bridget knöpfte ihren gelben Regenmantel auf, strich ihren Minirock glatt und begutachtete ihre Netzstrümpfe und die Schneestiefel. Sie wünschte, Dermott würde endlich öffnen. Sie hatte ihm so viel zu erzählen.

Es war jetzt schon zwei Wochen her, seit sie das letzte Mal mit ihm gesprochen hatte. Das war zu genau der Zeit gewesen, als ihre Schwester Marley mit Cash Champagne in der Reality-Show Rate the Dates aufgetreten war und sich für ihre Zwillingsschwester Edie ausgegeben hatte. Bridget hatte Dermott davon erzählt, und sie hatten sich blendend darüber amüsiert. Seitdem hatte er sie nicht mehr angerufen.

Es war das erste Mal in ihrer zwanzigjährigen Freundschaft, dass sie und Dermott sich so lange nicht gesehen hatten. Bridget empfand es als reinste Qual. Sie ordnete ihr schulterlanges blondes Haar und fragte sich, was Dermott haben mochte. War er ihr vielleicht böse? Sie konnte sich nicht entsinnen, irgendetwas falsch gemacht zu haben.

Entschlossen hämmerte sie mit der Faust gegen die Tür, die eine Sekunde später aufschwang, wobei die Sicherheitskette sich straffte. Bridget sah für einen winzigen Moment Dermotts Hand und hörte ihn dann fluchen.

„Wer ist da?“, fragte er, während er die Kette abnahm und die Tür einen Spalt öffnete.

„Ich.“ Etwas verschnupft über diesen unfreundlichen Empfang verzog Bridget ihre pinkfarben geschminkten Lippen und stemmte die Hände in die Hüften. „Seit Wochen versuche ich dich zu erreichen!“

„Bridge“, sagte Dermott nur.

Bridget registrierte einige höchst ungewöhnliche Dinge und zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe. Ein halb aufgeknöpftes Hemd bedeckte Dermotts Brust, er trug keine Schuhe und hüpfte nervös auf einem Fuß herum, während er dabei war, eine schicke Anzughose hochzuziehen. Sie erhaschte gerade noch einen kurzen Blick auf seine muskulösen Beine.

„Habe ich dich in einem ungünstigen Moment erwischt?“

„Na ja … nicht wirklich.“

Dermott log, das war Bridget sofort klar. Sie warf einen Blick über seine Schulter in die vertraute Penthousewohnung mit dem offenen Wohn-, Ess- und Kochbereich und den hohen, bis unter die Decke reichenden Fenstern. Dann sah sie die Pralinenschachtel auf dem Küchentresen, die Schale mit den frischen Erdbeeren und den Blumenstrauß.

Sie hätte es wissen müssen! Dermott war genauso einsam wie sie, aber würde er so weit gehen, sich selbst etwas zum Valentinstag zu schenken?

An einem ihrer Geburtstage, als keine ihrer Freundinnen Zeit gehabt hatte, hatte Bridget sich einmal selbst zum Essen eingeladen und sich eine Geburtstagstorte kommen lassen. Dann war sie bei Dermott vorbeigegangen und hatte festgestellt, dass er eine Überraschungsparty für sie organisiert hatte.

„Ich hätte anrufen sollen“, murmelte sie nun entschuldigend, aber sie hatte bis zum letzten Augenblick damit gerechnet, dass ein Anwalt, den sie bei einer Vernissage in Chelsea kennen gelernt hatte, sich mit einem Alternativvorschlag für diesen Valentinstag bei ihr melden würde.

Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, während sie ihren Freund dabei beobachtete, wie er sein Hemd zuknöpfte. Er war braun gebrannt, sein dunkles Haar stand in die Höhe wie bei einem Mohikaner, und für fünf Uhr abends war der Schatten auf seinem Kinn so dunkel, dass dieser beabsichtigt sein musste, was nur bedeuten konnte, dass sich auch bei ihm einiges getan hatte in den letzten Wochen.

„Lässt du dir einen Bart wachsen?“

„Ich bin noch nicht ganz sicher“, gestand Dermott.

„Hübsch. Du siehst aus wie Ethan Hawke.“

„Danke.“

„Muggy!“, rief sie, als der Mops nun an ihr vorbei ins Zimmer schoss. „Mug! Mu…“ Bridget registrierte plötzlich, dass sie und Dermott nicht allein waren. Eine dunkelhaarige Frau in einem langen, schulterfreien Kleid stand mit dem Rücken zu ihr vor der Küchenzeile.

Eine Frau?

Was machte eine Frau an Dermotts Kühlschrank? Bridgets Augen weiteten sich, als es ihr plötzlich dämmerte. Auf den ersten Blick und ohne Brille hatte sie geglaubt, die Besucherin trüge ein schulterfreies Kleid, aber nun erkannte sie das burgunderfarben karierte Material. Es war eins von Dermotts Bettlaken; Bridget hatte es ihm selbst zu Weihnachten geschenkt.

Da dies wohl kaum der richtige Moment war, über den Kloß in ihrer Kehle nachzudenken, schluckte Bridget heftig. Seit wann hatte Dermott eine Freundin? Und warum hatte er ihr nichts davon erzählt? Dermott war geradezu besessen von seiner Karriere und ständig auf der Suche nach interessanten Geräuschen und Tönen, die er aufnahm, um sie an Soundtrack-Produzenten aus der Filmbranche zu verkaufen. Deshalb blieben seine Freundinnen nie sehr lange bei ihm, und wenn sie es doch mal taten, war er immer ausgesprochen geizig mit Informationen über sie. Bisher hatte Bridget das noch nie gestört, da sie seine Freundinnen fürs Bett gar nicht kennen lernen wollte.

„Mug!“, sagte sie wieder, obwohl sie sah, dass es bereits zu spät war. „Komm sofort hierher!“

Der Mops stand auf den Hinterbeinen und zog mit seinen scharfen Zähnen an dem Laken, in das sich die Frau gehüllt hatte. Als sie sich umdrehte, gab das Laken, dessen Enden über einer erstaunlich üppigen Brust verknotet waren, nach. Bridget starrte entgeistert auf die splitternackte Frau, die eine ungeöffnete Champagnerflasche in den Händen hielt. Während die Frau versuchte, dem sich heftig wehrenden Mug das Laken zu entreißen, kramte Bridget in ihrer Tasche nach der Brille, da sie ziemlich kurzsichtig war. Als sie ihre Brille aufsetzte, kam ihr allzu deutlich zu Bewusstsein, dass diese Person eine erheblich bessere Figur hatte als sie selbst. Sie musste zugeben, dass diese üppigen Brüste, die superschmale Taille und die schlanken Hüften sehr beeindruckend wirkten.

Nachdem die Frau dem Hund das Laken abgenommen und es sich wieder umgebunden hatte, hob sie den Kopf, und Bridget schnappte verblüfft nach Luft. Gerade hatte sie gedacht, schlimmer könnte es nicht mehr werden, doch nun wurde ihr klar, dass sie dieser Frau schon einmal begegnet war.

„Carrie“, brachte sie gerade noch heraus.

Wie um die Dramatik der Situation noch zu unterstreichen, zuckte draußen am Himmel ein greller Blitz auf, und Regen schlug peitschend gegen die Fenster.

In Dermotts Küche stand unverkennbar Carrie Masterson, die schönste und vollkommenste Frau von ganz New York, über die jeder sprach. Bridget konnte es kaum glauben.

Es war noch gar nicht so lange her, da hatte Bridget erfahren, dass sie und Dermott die Trauzeugen bei der Eheschließung ihrer gemeinsamen Freunde Allison und Kenneth sein würden. Alle waren perplex gewesen, als die beiden ihre Schwester Edie gebeten hatten, ihre Hochzeit auszurichten. Niemand hatte gewusst, dass Allison und Kenneth miteinander schliefen, ganz zu schweigen von Allisons Schwangerschaft und der Tatsache, dass sie sogar schon ein Grundstück gekauft hatten. Kenneth war Architekt und baute das perfekte Heim für Allison.

Und nun ging Dermott mit Carrie Masterson ins Bett!

Bridget war ganz zufrieden damit, bei Tiffany’s zu arbeiten und in ihrer Freizeit Ringe zu entwerfen. Sie war kürzlich sogar zur Abteilungsleiterin befördert worden. Ganz im Gegensatz zu ihr kam Carrie aus einer sehr wohlhabenden, prominenten Politikerfamilie. Während Bridget sich als Verkäuferin abplagte, hatte Carrie mal eben in Harvard ein Diplom in Betriebswirtschaft gemacht und sich dann entschlossen, all das sausen zu lassen, um Modedesignerin zu werden. Es hieß, ihr Vater sei ihr nun behilflich, ein eigenes Geschäft ganz in der Nähe von Stella McCartneys Laden zu eröffnen. Bridget seufzte. Sie hatte gehofft, Allison würde ihr Brautkleid und den Anzug für Kenneth bei ihrer Mutter, der Schneiderin Vivian Benning, in Auftrag geben, doch stattdessen hatte Allison sich für Carrie entschieden, mit der sie seit Jahren befreundet war.

„Tut mir leid, dass ich euch störe“, sagte Bridget schließlich.

Carrie, die sich nicht einmal bemühte, ihr Missfallen zu verbergen, warf Dermott einen leidgeprüften Blick zu, dann stolzierte sie zum Schlafzimmer hinüber und rief mit melodiöser Stimme: „Freut mich, dich zu sehen, Bridget.“

„Mich auch“, sagte Bridget und rief dann nach Mug, weil der Mops sich wie ein Stier, der einem roten Tuch nachjagte, auf Carries Laken stürzte. „Komm her, mein Schatz.“

Mug warf ihr einen flehenden Blick zu, doch Bridget blieb hart. „Du kommst jetzt her“, befahl sie und stieß einen Pfiff aus. Mug schoss auf sie zu, und sie hob ihn auf, drückte ihn an ihre Brust und fühlte sich ein wenig getröstet, als sie spürte, dass sein kleines Herz mindestens genauso schnell schlug wie das ihre.

Sie wandte sich an Dermott, brachte die Entschuldigung, die ihr schon auf der Zunge lag, aber nicht über die Lippen. Plötzlich sah sie ihn mit anderen Augen und konnte gut verstehen, dass Carrie sich für ihn interessierte. Bridget hatte ihren Freund schon oft halb nackt gesehen und sich nie etwas dabei gedacht, aber plötzlich hatte sein Anblick eine ganz neue Wirkung auf sie. Ihr Puls raste, ihre Knie wurden weich und schlagartig erkannte sie die Eifersucht, die sie durchflutete.

Natürlich hatte sie immer gewusst, dass Dermott ein gut aussehender Mann war mit seinen kantigen Gesichtszügen und den schwermütig wirkenden dunklen Augen mit den dichten Augenbrauen. Aber so wie im Moment hatte sie noch nie an ihn gedacht.

Als Kinder hatten sie Tür an Tür gewohnt, bis Dermotts Vater, ein Schauspieler, seinen großen Durchbruch in Hollywood hatte. Und auch jetzt noch verbrachten sie eine Menge Zeit zusammen, wenn Dermott sich nicht gerade in Los Angeles aufhielt, wo er eine zweite Wohnung hatte.

Bridget war noch immer fassungslos über Carries anmaßendes Verhalten. Was ging hier vor? Wie lange waren die beiden schon zusammen? „Hör mal“, begann sie. „Es tut mir leid, Derm. Ich wusste nicht …“

„Kein Problem.“ Dermott räusperte sich und blickte sie aus schmalen Augen an. „Ich dachte, du wärst mit deinen Freundinnen beim Skilaufen.“

„Hast du deswegen nicht angerufen?“

Er zögerte eine Spur zu lange. „Ja.“

Schon wieder eine Lüge, aber warum? Bridget erklärte ihm die Sache mit dem Scheck und fragte dann: „Bist du mir böse?“

Dermott schüttelte den Kopf. „Nein. Was kann ich für dich tun?“

Was kann ich für dich tun? Er sprach mit ihr, als wären sie Fremde! Ihre Kehle wurde eng vor Panik. „Ach … das ist nicht weiter wichtig“, versicherte sie ihm.

„Das muss es aber sein, Bridget, sonst wärst du bei dem Regen sicher nicht nach South Ferry herausgekommen.“

Da hatte er nicht ganz Unrecht, aber Bridget kam sich langsam wie eine Idiotin vor. All ihre Freunde machten Fortschritte im Leben, während sie aus irgendeinem Grund nicht richtig vorankam. War sie vielleicht zu ichbezogen geworden, sodass Dermott aufgehört hatte, ihr Geheimnisse anzuvertrauen? „Wirklich nicht“, bekräftigte sie rasch. „Es war nichts Wichtiges.“

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Hast du was, Bridget?“, fragte er.

Ja. Nein. Nichts. Alles.

Bridget fühlte sich plötzlich sehr stark zu Dermott hingezogen – in sexueller Hinsicht, was ihr furchtbar falsch vorkam. Und sie spürte ihre Eifersucht. Und das, obwohl Dermott in all den Jahren nie etwas anderes als ihr Freund gewesen war. Der Nachbarsjunge. Der Mann, dessen Rat sie in allen wichtigen Bereichen ihres Lebens suchte.

„Bridget?“

Sie starrte ihn an, als hätte sie ihn noch nie zuvor gesehen. Natürlich hatte es bisher auch schon Frauen in seinem Leben gegeben. Es hatte sie bis heute nie gestört, aber Carrie Masterson veränderte alles.

Sie war geradezu vollkommen, eine der begehrtesten Frauen der Stadt. Im New York Magazine war sogar ein Artikel über sie erschienen. „Hm?“

„Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Nein.“ Sie wurde nur das Gefühl nicht los, dass ihre Welt Kopf stand.

War es ihm ernst mit Carrie?

Würde sie nun ihren besten Freund verlieren?

Bridgets Blick glitt tiefer, und sie war verblüfft, als es sie heiß dabei durchrieselte. Dermott war ein ausgesprochen attraktiver, sexy Mann, der im Moment wirkte, als sei er gerade erst aufgestanden.

Und das stimmt ja auch, dachte Bridget. Er war im Bett gewesen mit Carrie. Aber hatten sie auch schon zusammen geschlafen? War dies ihre erste Nacht? Oder waren sie schon länger ein Paar?

Dermott sah sie prüfend an. „Wie geht es deiner Familie?“

„Bestens.“

Da lächelte er, und dieses vertraute, schiefe Lächeln wärmte ihr das Herz und nahm dem Februarsturm und Carries kühlem Empfang etwas von deren Kälte.

„Warum glaube ich dir nicht, Bridget?“

Sie erwiderte sein Lächeln. „Nein, wirklich, Mom und Dad geht’s großartig. Edie hat einige Kunden verloren, als bekannt wurde, dass es Marley war und nicht sie, die in dieser Fernsehshow mitgemacht hat, und offenbar wollen sie nun sogar im Fernsehen bekannt geben, dass wir Bennings Opfer eines Heiratsfluches sind.“

„Was?“

„Mach dir keine Sorgen“, beruhigte Bridget ihn. „Edie wird es überleben. Und Marley trifft sich immer noch mit Cash Champagne. Es sieht ganz so aus, als könnte es was Ernstes werden, aber …“

„Aber?“

Der Fluch stand ihr im Weg. „Marley glaubt nicht, dass es funktionieren wird zwischen ihr und Cash, weil … na ja, weil bei uns Bennings in der Beziehung eben nie was richtig klappt.“ Bridget spürte, dass ein leichtes Frösteln sie durchlief. Sie wollte vermeiden, dass ihr Blick wieder auf Carries Valentinstag-Präsente fiel: Pralinen, Erdbeeren und Blumen, deshalb schaute sie Dermott an, nur um festzustellen, dass es nicht leicht war, ihm in die dunklen, glänzenden Augen zu sehen.

Sie atmete tief durch.

„Hm. Es geht also mal wieder um diesen Heiratsfluch?“

„Ja“, gestand sie. „Aber das ist eine lange Geschichte, und du bist beschäftigt.“

Etwas an der Art, wie er sich umsah, ließ sie ihren Blick senken. Augenblicklich musste sie sich beherrschen, um nicht scharf einzuatmen. Wieso hatte sie vorher nie bemerkt, was für breite Schultern Dermott hatte? Seine Haut war braun gebrannt und erstaunlich glatt. Bridget erschauerte leicht, als sie den angenehmen Duft nach Zitrusfrüchten wahrnahm. „Hast du das Rasierwasser benutzt, das ich dir in Chinatown gekauft habe?“, fragte Bridget.

Als Dermott sie nun anlächelte, wurde die Eifersucht, die sie eigentlich gar nicht verspüren dürfte, fast unerträglich.

„Ja.“ Dermott wirkte etwas verlegen. „Warum sagst du nicht, was los ist?“

Es war offensichtlich, dass sie nicht willkommen war, jedenfalls nicht bei Carrie, aber sie hatte einen weiten Weg hinter sich, und da Dermott schon fragte …

„Erinnerst du dich, dass ich dir vor ein paar Wochen erzählt habe, dass Granny Ginny uns besuchen will?“

Er nickte bedächtig, als stellte er sich die kleine, gerade einen Meter fünfzig große Frau, die inzwischen auf die neunzig zuging, vor. Das letzte Mal, als er ihr begegnet war, trug sie einen pinkfarbenen Mantel mit Pelzkragen und einen farblich passenden, sehr gewagten Hut, das wusste Bridget noch genau.

„Sie wird noch ein paar Tage in der Stadt sein, vielleicht bekommst du ja Gelegenheit, sie zu sehen. Du weißt ja, wie sie dich vergöttert.“

Dermott murmelte etwas Unverbindliches.

„Sie hat uns Details über unsere Familie und den Fluch erzählt“, sagte Bridget und erzählte Dermott, dass Jasper Hartley, ihr leiblicher Vater, eines Tages betrunken von einem Tisch in Hartley House gestürzt war und sich das Genick gebrochen hatte. Damals war sie, Bridget, noch ein Baby. Außerdem erinnerte sie ihn an die alte Geschichte aus dem Bürgerkrieg, vor allem daran, dass Marissa Jennings die Hartley-Frauen verflucht hatte, kurz bevor sie erschossen worden war.

Als Bridget ihren Bericht beendet hatte, sagte Dermott: „Nichts für ungut, Bridge, aber ich habe wirklich nie verstanden, wie jemand von dem Fluch wissen kann, wo Marissa doch angeblich allein war in dem Sumpf, in dem sie sich versteckt hatte, als sie ihn aussprach.“

„Granny Ginny erwähnt diese Diskrepanz auch immer“, gab Bridget zu. „Und nicht einmal sie hat eine plausible Antwort darauf. Wir wissen nur, dass die Geschichte seit Generationen überliefert ist und dass die Hartley-Frauen alle Schwierigkeiten mit ihrem Liebesleben haben. Daran ändert auch nichts, dass meine Mutter nach dem Tod meines Vaters einen Benning geheiratet hat. Granny Ginny sagte aber auch, eine entfernte Verwandte habe einmal ein Medium zu Rate gezogen, das die Existenz des Fluches bestätigte.“ Bridget zögerte. „Und vergiss nicht, dass es spukt in Hartley House.“

Dermott sah sie lange an. „Na schön. Nehmen wir einmal an, es existiert ein solcher Fluch. Du sagst, Marissa sei erschossen worden, aber ich erinnere mich auch, schon mal gehört zu haben, sie sei durch eine Kanonenkugel umgekommen.“

Bridget nickte. „Auch das erwähnte Granny Ginny. Ich schätze, man kann darüber streiten, ob sie nun durch eine Gewehr- oder eine Kanonenkugel ums Leben kam. Das einzig wirklich Sichere ist, dass sie vermutlich in dem Sumpf gestorben ist, und Granny sagt, sie hat manchmal Blut auf ihrem Hochzeitskleid, wenn sie im Haus herumspukt.“ Wieder zögerte sie. „Aber nicht immer.“

Dermott überlegte kurz. „Na ja, da Hartley House eine etwas abseits gelegene Plantage war, wie du erzählt hast, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass man damals eine Kanone eingesetzt hat.“

„Das denke ich auch“, stimmte Bridget zu. „Wahrscheinlicher ist, dass Marissa an einer Schussverletzung starb. Aber Granny sagt, wenn sie in Hartley House umgeht, hat sie manchmal eine Kanonenkugel unter ihrem Arm, aber vielleicht ist das symbolisch gemeint für den Krieg, und …“ Sie unterbrach sich, als sie Dermotts prüfenden Blick bemerkte. „Was?“

„Du glaubst das doch nicht etwa, oder?“

„In Nächten wie dieser scheint es möglich“, erwiderte sie.

Ihr Blick ging zum Fenster, und Unbehagen beschlich sie. Jahrelang hatten sie darüber geredet, wie sehr das World Trade Center die Aussicht aus Dermotts Penthouse beeinträchtigte. Inzwischen hatten sie sich beide schon gewünscht, so etwas nie gesagt zu haben. Bridget hatte die Zwillingstürme immer für selbstverständlich gehalten. Seit ihrer Kindheit waren sie ein so vertrauter Teil des Stadtbildes gewesen. Doch inzwischen hatte Bridget Mühe, sie sich wieder vorzustellen. Sie hätte ihnen mehr Beachtung schenken sollen, aber sie hatte angenommen, die beiden stolzen Türme würden für immer und in alle Ewigkeit dort stehen.

Dermotts Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Du glaubst das wirklich alles, was?“

Bridget zuckte mit den Schultern. „Du weißt, dass ich das tue. Und Granny Ginny ist eine so gute Geschichtenerzählerin, dass sie alles ungemein real erscheinen lässt. Die Hauptsache ist …“ Sie zögerte. „Hast du meine Voicemail erhalten?“

Dermott nickte.

„Nun, wie gesagt, ich habe mich noch mal ausführlich mit Granny unterhalten. Jetzt behauptet sie, der Fluch wird enden, wenn der Hartley-Diamant gefunden wird, und …“ Sie hob die Hand und zeigte ihm ihren Ringfinger. „Du musst zugeben, dass dies alles ziemlich seltsam ist.“

Dermott betrachtete den mit würfelförmigen Zirkonen besetzten Ring. „Hat deine Großmutter wirklich gesagt, er sei eine exakte Nachbildung des Verlobungsringes, den Forrest Hartley seiner Marissa geschenkt hat?“

„Sie behauptet, es gibt sogar einen Beweis dafür. Ein Porträt von Marissa in ihrem Hochzeitskleid, auf dem sie einen solchen Ring trägt.“

„Und du bist absolut sicher, dass du dieses Gemälde nie gesehen hast?“

„Ich war nicht mehr in Hartley House, seit ich ein Baby war. Ich war noch kein Jahr alt, als ich das Gemälde sah. Ich kann mich also unmöglich an den Ring erinnert haben, als ich diesen hier entworfen habe.“ Sie maß Dermott mit einem scharfen Blick. „Du glaubst, sie lügt!“

Er zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht tut sie das“, fuhr Bridget fort, „aber wir brauchen ja eigentlich nur hinzufahren und nachzusehen. Sie sagt, das Porträt hängt noch immer in ihrem Salon. Und meine Mutter hat mir erzählt, dass ich als Baby oft in einer Wiege geschlafen habe, die auf dem großen Tisch unter dem Kronleuchter stand, daher dachte ich wohl …“

„… der Hartley-Diamant sei in dem Kronleuchter versteckt?“

Sie konnte sich nicht an den Kronleuchter erinnern. „Wäre es nicht möglich, dass die Prismen den Steinen dieses Ringes so ähnlich sehen, dass man ihn dazwischen verbergen könnte?“

Dermott wirkte skeptisch. „Wenn der Ring im Kronleuchter versteckt gewesen wäre, hätten die Yankees ihn dann nicht gefunden?“

Bridget zuckte mit den Schultern. „Die Yankees haben ja auch den Kronleuchter nicht mitgenommen, obwohl sie das ganze Haus geplündert haben, und keiner weiß warum.“

„Und was glaubst du, warum sie ihn dagelassen haben?“

„Granny Ginny sagt, Marissa und Lavinia, ihre Haushälterin, die angeblich übersinnliche Fähigkeiten gehabt haben soll, hätten sicher versucht, ihn abzunehmen, um ihn zu verstecken, aber er ließ sich nicht von der Stelle bewegen.“ Bridget senkte ihre Stimme zu einem gedämpften Flüstern, wie ihre Großmutter, wenn sie die Geschichte erzählte. „Granny Ginny sagt, der Kronleuchter habe sich regelrecht dazu entschlossen, Hartley House nicht zu verlassen.“

Dermott schüttelte den Kopf. „Ein Kronleuchter, der Entschlüsse fasst. Du kannst doch nicht ernsthaft an solche Spukgeschichten glauben?“

„Granny schwört, die Geister halten sie die ganze Nacht auf Trab.“

„Sie ist alt. Vielleicht wird sie langsam senil.“

„Von wegen senil. Sie hat es faustdick hinter den Ohren“, versicherte ihm Bridget. Die alte Dame war raffiniert genug, um Ohnmachten vorzutäuschen, wenn sie ihren Willen nicht bekam, was bewies, dass ihr durchaus bewusst war, was sie tat. Aber Bridget war dennoch beunruhigt. So manches, was ihre Großmutter gesagt hatte, schien darauf hinzudeuten, dass es Leute gab, die sie von ihrer Plantage zu vertreiben versuchten, indem sie so taten, als spuke es in Hartley House. Bridget seufzte plötzlich. „Na ja, wahrscheinlich dachte ich, du würdest mir helfen, diesem Fluch ein Ende zu bereiten.“

„Damit dein Liebesleben sich verbessert?“

„So unverblümt wollte ich es nicht ausdrücken.“

Er lachte leise, und der vertraute Klang entlockte ihr ein Lächeln. „Es ist kein Geheimnis, denn immerhin posaunst du überall hinaus, dass es das größte Ärgernis in deinem Leben ist, Bridge.“

„Stimmt.“ Mehr als einmal hatte Dermott sich als ihr Freund ausgegeben, um die falschen Verehrer, die sich für die richtigen hielten, zu entmutigen. Auf der letzten Weihnachtsfeier bei Tiffany’s hatte er sich sogar als ihr Lebensgefährte ausgegeben, da Bridgets Chef Frauen mit einem intakten Familienleben bevorzugte und sie auf die Beförderung zur Abteilungsleiterin gehofft hatte, die sie dann auch bekommen hatte. Es war eine bemerkenswerte Vorstellung gewesen; es hatte für alle so ausgesehen, als sei Dermott tatsächlich fest mit ihr liiert. Er hatte mit ihr geflirtet und ihr Champagner nachgeschenkt – die gleiche Marke, die er in diesem Augenblick mit Carrie hätte trinken sollen.

Bridgets Blick ging zur Schlafzimmertür, bevor sie wieder zu Dermott schaute. Wieder fiel ihr auf, wie gut er aussah. Sein Hemd war noch nicht ganz geschlossen, und sie betrachtete seine muskulöse Brust.

Sie erschrak, als ihr das bewusst wurde, und nahm sich rasch zusammen. „Na ja, ich dachte nur, da ich sowieso die ganze Woche frei habe und nun doch nicht in die Berge fahre …“

Dermotts dunkle Augen, die ihr noch nie so attraktiv erschienen waren wie in diesem Augenblick, weiteten sich ungläubig. „Du willst nach Florida fliegen, um diesen Ring zu suchen?“

„Nun ja“, räumte sie ein, „an Fliegen hatte ich eigentlich nicht gedacht.“ Bridget war nicht stolz darauf, aber seit dem elften September hatte sie Angst, in ein Flugzeug zu steigen. Wieder blickte sie aus dem Fenster zu der Stelle, wo einst die Zwillingstürme gestanden hatten.

„Oh.“ Dermott starrte sie verdattert an. „Jetzt verstehe ich.“

„Es war nur ein Gedanke“, versicherte sie ihm rasch. „Wirklich, Dermott. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du … so beschäftigt bist. Sonst wäre ich gar nicht gekommen.“

„Du möchtest, dass ich mit dir hinfahre“, vermutete er ganz richtig.

„Du hast gesagt, du wolltest Urlaub machen“, sagte sie verteidigend. „Und du kennst dich besser als jeder andere mit meinem katastrophalen Liebesleben aus, von unseren Familienschrullen ganz zu schweigen. Du hast Granny kennen gelernt und stehst unserer Familienlegende eher skeptisch gegenüber, und darum dachte ich, es wäre gut, wenn du dabei wärst. Das würde mich vielleicht ein bisschen bremsen.“

„Für den Fall, dass du Gespenster sehen solltest?“, entgegnete er trocken.

„Du hast gesagt, du willst Geräusche aufnehmen“, fuhr sie hastig fort. „Für den Soundtrack dieses Filmes, der da unten im Süden spielt.“

Er nickte. „Ja, er spielt zur Zeit des Bürgerkrieges.“

„Und ich dachte …“ Ihre Worte überschlugen sich. „Angenommen, es spukt tatsächlich, so wie Granny Ginny sagt. Sie hat mir schon so oft von den Gespenstern erzählt, dass ich vermutlich wirklich an sie glaube, aber es fällt mir dennoch schwer, mir vorzustellen, sie zu sehen. Was, wenn wir tatsächlich etwas hören …“ Sie zögerte. „Die Schüsse, den Kanonendonner, die Pferde …“

„Ich glaube nicht an Gespenster“, sagte Dermott.

„Natürlich nicht“, beruhigte ihn Bridget. „Ich dachte nur … na ja, ich meine, es könnte doch ganz spannend sein, auf Gespensterjagd zu gehen. Granny Ginny behauptet, sie kann manchmal den Whiskey und die Zigarren meines Vaters riechen. Angeblich hinterlässt er Fußspuren auf dem Boden, und er lässt alle Türen offen stehen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „In den Bergen war ich schon so oft, aber ich habe noch nie eine alte Plantage nach einem Ring durchsucht. Ich möchte mir einfach nur mal das Porträt und den Kronleuchter ansehen. Und wie gesagt – wäre es nicht fabelhaft, wenn du dazu auch noch Geräusche von echten Geistern aufnehmen könntest?“

Dermott besaß einen Aufnahmewagen, der nach dem neuesten Stand der Technik ausgerüstet war.

Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Dann sagte Dermott: „Lass mich eins klarstellen. Du brauchst meinen Wagen, um Geräusche von Gespenstern aufzunehmen?“

„Ich bin mir nicht sicher. Aber er könnte nützlich sein.“

„Und wenn wir dort hinunterfahren, diesen Ring finden und den Fluch beenden, wird dein Liebesleben sich verbessern?“

So gesagt, klang es natürlich lächerlich, dennoch nickte sie. „Das war es, was Granny Ginny sagte.“

„Und du wirst jemanden heiraten?“

„Das wäre vielleicht zu viel verlangt. Aber ich könnte mit ein bisschen Sex beginnen“, scherzte sie. Doch ihr Lächeln wurde etwas angestrengt, als ihr bewusst wurde, dass sie sich vorstellte, diesen Sex mit Dermott zu haben.

Draußen ertönte ein lauter Donnerschlag, der sie vorübergehend ablenkte, und sie beobachtete, wie ein greller Blitz am Himmel aufzuckte. „Sieh dir das an“, sagte Bridget nervös. „Ich glaube, ich gehe jetzt besser.“

Dermott strich sich nachdenklich über sein Kinn, und dann bewies er ihr wieder einmal, dass er immer noch ihr bester Freund war. „Ich habe ein paar Tage frei. Danach fahre ich für ein verlängertes Wochenende nach Los Angeles.“

Bridget kniff die Augen zusammen. „Ach?“

Er nickte. „Mein Agent hat mir ein Treffen mit dem Regisseur einer großen Produktion besorgt. Direkt danach müssen wir zur Hochzeit von Kenneth und Allison. Aber in der Zwischenzeit …“ Er seufzte. „Na schön, Bridge, ich gehe packen. Wann soll ich dich morgen abholen?“

Ihr Herz begann vor Glück so wild zu pochen, dass es ihr beinahe den Atem raubte. Obwohl Carrie Masterson bei ihm war, würde er ihr helfen! „Um sieben?“

„Alle haben mich gewarnt!“ Carrie war fuchsteufelswild geworden, als sie die Neuigkeit hörte.

Dermott, der besonders empfindlich auf Geräusche reagierte, nahm das Flattern des Lakens wahr, als sie es von ihrem Körper riss, dann das leise Rascheln, als sie nach ihrem BH und ihrem Höschen griff. „Geh nicht, Carrie“, bat er, obwohl er wusste, dass es sinnlos war. Sie sauste in seinem Schlafzimmer herum wie einer von Bridgets Poltergeistern. Was für eine Nacht! Carrie hatte zu einer letzten Anprobe seines Anzugs für Allisons und Kenneths Hochzeit kommen wollen, und da er bei der Arbeit aufgehalten worden war, es zu regnen angefangen hatte und er sie nicht vor der Tür hatte stehen lassen wollen, hatte er den Portier gebeten, sie schon einmal hereinzulassen.

„Eine Anprobe am Valentinstag?“ hatte der Portier gefragt, was ihm eigentlich schon zu denken hätte geben müssen.

„Diese Stadt schläft nie“, hatte er jedoch nur erwidert, ohne weiter darüber nachzudenken. Und er hatte sich darauf gefreut, Carrie zu sehen. Schön, reich, talentiert und ehrgeizig, war sie die perfekte New Yorkerin. Sie hatten schon bei früheren Anproben geflirtet, und Dermott war sich durchaus im Klaren darüber gewesen, dass sie an ihm interessiert war – nur eben nicht, dass sie so interessiert war.

Bevor er heimgekommen war, hatte sie Blumen, Champagner und Pralinen in seinem Apartment versteckt, und während er im Bad die Anzughose anprobierte, war auch sie nicht untätig geblieben. Bei seiner Rückkehr war sie splitternackt gewesen.

Er hatte gedacht, es sei die ideale Gelegenheit, sich Bridget ein für alle Mal aus dem Kopf zu schlagen, worum er sich in den vergangenen zwei Wochen mehr denn je bemüht hatte. Deshalb hatte er Carries Hand genommen und sie in sein Schlafzimmer geführt.

„Ich war mir nicht sicher, ob ich nicht etwas zu kühn war“, hatte sie kokett gesagt.

„Ganz und gar nicht“, hatte er erwidert und angefangen, sein Hemd und seine Hose aufzuknöpfen – quasi im selben Augenblick, in dem Bridget an der Tür geklingelt hatte.

„Bridget und ich sind nur Freunde“, sagte er nun, enttäuscht, dass Carrie ging.

Sie blickte auf, während sie ihre Bluse zuknöpfte. „Ach ja?“

„Ja.“

Er wusste nicht so recht, wie er es ihr sagen sollte, aber als Bridget wieder von dem Fluch angefangen hatte, war ihm klar geworden, dass es wirklich und wahrhaftig hoffnungslos war. Und dass sich niemals etwas zwischen ihnen ändern würde. Er hatte nie geleugnet, dass er in sie verliebt war, und jahrelang geduldig ausgeharrt und darauf gewartet, dass sie es sich vielleicht anders überlegte. Ein paar Mal hatte er es ihr sogar gesagt, aber sie hatte ihn nur ausgelacht und seine Annäherungsversuche nicht ernst genommen.

Da er in der Zwischenzeit nicht leben wollte wie ein Mönch, war er mit anderen Frauen ausgegangen, hatte sich auf seine Arbeit konzentriert und sich einen Namen in der Branche gemacht. Doch nun war er erfolgreich, und das bedeutete, dass sich ihm eine Menge gesellschaftlicher Möglichkeiten boten. Er hatte sich vorgenommen, diese zu nutzen. Inzwischen waren vierzehn Tage vergangen seit seinem letzten Gespräch mit Bridget. Und entschlossener denn je, sich von ihr zu lösen, hatte er sich in dieser Zeit in Clubs herumgetrieben und unzählige, auf Cocktailservietten gekritzelte Telefonnummern gewählt.

War Bridget wirklich nicht in der Lage, ihre Zwangsvorstellungen zu durchschauen? War ihr womöglich nicht einmal bewusst, wie heftig sie auf der Weihnachtsfeier bei Tiffany’s mit ihm geflirtet hatte? Damals hatte sie einen Begleiter gebraucht, und er hatte alles getan, um diese Rolle möglichst gut zu spielen. Sie hatte es ihm leicht gemacht und mitgespielt. Es war schön gewesen, sie mit verliebten Blicken ansehen zu können, ihren Nacken zu streicheln und ihr zärtliche Worte ins Ohr zu flüstern. Mit einer gewissen Genugtuung hatte er beobachtet, wie ihre Brustspitzen sich unter dem raffinierten kleinen Schwarzen aufgerichtet hatten, das sie mit ziemlicher Sicherheit nur angezogen hatte, um ihn verrückt zu machen. „Warum sind wir immer noch nicht zusammen, Bridget?“ hatte er sie an diesem Abend wieder einmal gefragt.

Sie hatte wie immer nur gelacht, als fände sie es schlicht absurd, was er da sagte. „Wir sind die besten Freunde.“

„Können Freunde nicht auch Liebende sein?“

„Das funktioniert nicht.“

Er hatte sie darauf hingewiesen, dass sie ständig behauptete, ihr Liebesleben funktioniere sowieso nicht, da käme es doch nicht so darauf an, und er hatte sich Mühe geben müssen, es wie einen Scherz klingen zu lassen. Sie hatte nur gelacht, und das war das Ende des Gespräches gewesen.

Carries Stimme brachte ihn wieder in die Gegenwart zurück. „Allison hat behauptet, diese Frau kann hundertprozentig über dich verfügen“, bemerkte sie, während sie ihre schwarzen Seidenstrümpfe überstreifte. „Und du gehst nie mit anderen aus.“

„Ich gehe mit vielen Frauen aus.“

„Aber nie sehr oft mit ein und derselben, und es ist nie was Ernstes.“

Da hatte sie freilich nicht ganz Unrecht. „Bridget braucht mich. Sie hat so viel Pech in der Liebe, da muss jemand sie wieder aufrichten.“

Carrie schlüpfte in ihre Ballerinas. „Und deshalb fährst du Knall auf Fall mit ihr in Urlaub?“

Offenbar war auch sein Liebesleben verflucht, bis er das Kapitel Bridget abgeschlossen hatte. „Ja, aber nur, um ihr in Ruhe klarzumachen, dass wir keine Freunde mehr sein können.“

Carrie legte sich ihren Mantel um die Schultern und sah Dermott prüfend an. „Meinst du das auch wirklich ernst?“

„Ja.“ Seit Jahren versuchte er nun schon, sich Bridget aus dem Kopf zu schlagen, bisher ohne Erfolg. Er hatte zwar den Eindruck, dass auch sie sich zu ihm hingezogen fühlte, doch gleichzeitig bemühte sie sich, ihre Gefühle zu verbergen. Vermutlich war ihr das gar nicht bewusst. „Sie braucht mich“, sagte er schlicht. „Sie bestreitet es zwar, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie an diese Spuk- und Gespenstergeschichte glaubt, die ihre Großmutter verbreitet.“

„Das habe ich mitbekommen.“

„Wenn ich ihr helfe, sich Klarheit zu verschaffen, wird sie diese fixe Idee, verflucht zu sein, überwinden. Sie geht jede Woche mit einem anderen Mann aus“, fügte er hinzu, um Missverständnisse auszuschließen. „Das beweist ja wohl, dass sie an mir nicht interessiert ist, abgesehen von unserer Freundschaft natürlich. Vielleicht klappt es ja mit einem dieser anderen Männer und sie lernt, sich nicht mehr so abhängig von mir zu fühlen.“

Carrie ging zur Tür. „Du scheinst allen Ernstes zu glauben, was du sagst.“

„Natürlich. Wieso auch nicht?“

Carrie verdrehte die Augen, und Dermott stieß einen tief empfundenen Seufzer aus. Er war es langsam leid. Carrie Masterson war nicht die erste Frau, die an seiner Freundschaft zu Bridget Anstoß nahm. Alle Frauen, mit denen er ausgegangen war, hatten offenbar erwartet, ihn irgendwann mit Bridget im Bett zu erwischen – wozu es jedoch nie gekommen war.

Das ist wirklich lustig, dachte er. Die meisten Frauen schienen die Vorstellung von ihm und Bridget zusammen im Bett als weit weniger bedrohlich zu empfinden als ihre zwanzigjährige Freundschaft. Er spürte jedoch, dass er es langsam satt hatte, immer nur den Freund zu spielen. Er war jetzt endgültig bereit, sie aufzugeben.

Nachdenklich betrachtete er Carrie. Sie war der Typ Frau, der jeden Mann haben konnte – und sie hatte sich für ihn entschieden. Sie war erfolgreich, talentiert und ungeheuer sexy. Und wieder einmal hatte Bridget alles vermasselt. „Bridget und ich sind seit Jahren Freunde“, hörte er sich sagen. „Deshalb brauche ich Zeit.“

„Um eure Freundschaft zu beenden?“ Carrie hielt unverwandt den Blick auf ihn gerichtet. „Diese Frau steht dir nur im Weg, Dermott.“ Sie öffnete die Tür, blieb dann aber noch einmal stehen. „Weißt du was? Ich bin fast geneigt, dir tatsächlich zu glauben. Also gut. Ich gebe dir eine Woche. Und ich rufe dich an, während ihr unterwegs seid.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Begleite sie, Dermott, aber beende dann diese Geschichte. Bridget Benning lähmt dich. Du machst keine Fortschritte in deinem Leben. Es gibt keinen Sex und keine Frauen, nur sie als dein Kumpel. Dabei wären andere Frauen bereit, dir so viel mehr zu geben, Dermott.“

Mit diesen Worten trat Carrie auf den Gang hinaus, und das Klicken des Türschlosses kam Dermott in der entstandenen Stille fast wie ein Donnerschlag vor.

2. KAPITEL

Es war nicht so leicht, Dermott in ihr Bett zu kriegen, wie Bridget es sich vorgestellt hatte. Seit sie Carrie nackt in seinem Apartment gesehen hatte, war sie jedoch fest dazu entschlossen. Sie musste es versuchen, musste wissen, wie es war, sonst würden sie in Zukunft immer Zweifel plagen.

Sie hatte es schon am vergangenen Abend versuchen wollen, als sie in einem Hotel in Nordcarolina übernachtet hatten, aber Dermott war unverzüglich in sein Zimmer gegangen, um von dort aus Carrie anzurufen. Dabei wäre das absolut nicht nötig gewesen, denn Carrie meldete sich praktisch alle fünf Minuten bei ihm.

Nun bogen sie in die Auffahrt zu Hartley House ein. Dermott saß tief über das Lenkrad gebeugt und war dabei, den Sender im Radio neu einzustellen. „Merkwürdig“, sagte er. „Ich bekomme nichts als statisches Rauschen.“

„Garantiert ein Omen.“ Bridget starrte angestrengt in die Dunkelheit, da sie jeden Augenblick das Haus zu sehen erwartete. Als sie in ihre Handtasche griff, um ihre Brille herauszunehmen, sprang Mug vom Rücksitz auf ihren Schoß. „Ist das nicht aufregend, Muggy Puggy?“, fragte sie den kleinen Hund. „Wir müssen jeden Moment da sein, und noch immer ist das Haus nicht zu sehen. Ob wir dort wohl Dracula begegnen werden, oder Frankenstein? Und was hältst du von diesem grauenvollen Wetter? Das kann doch kein Zufall sein.“

Mug wedelte mit dem Schwanz und sprang aufgeregt auf ihrem Schoß herum. „Ich fühle mich richtig beklommen“, sagte Bridget zu Dermott und ließ ihre steifen Schultern kreisen.

Dermott spähte angestrengt durch den Regen, der gegen die Windschutzscheibe schlug. „Ich auch.“

„Die Leute in Nancy’s Diner, wo wir vorhin zu Abend gegessen haben, haben behauptet, es gäbe wirklich Gespenster in Grannys Haus“, bemerkte sie.

„Ich werde dir das Blut aussaugen“, murmelte Dermott düster und imitierte Dracula.

„Klingt verlockend.“ Bridget lachte.

Auf Dermott wirkte dieses Lachen äußerst verführerisch, und er warf ihr einen überraschten Blick zu. Dann starrte er wieder durch die Windschutzscheibe.

Bridget seufzte. Sie war enttäuscht, dass er nicht auf ihren Versuch zu flirten eingegangen war. Dermott war noch nie so zugeknöpft gewesen wie auf dieser Reise. Sie verstand es einfach nicht. Es war fast so, als hätte er eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen errichtet – als wüsste er, dass sie vorhatte, mit ihm ins Bett zu gehen.

Immerhin hatte er versucht, die Stimmung aufzulockern, indem er Dracula spielte. Das hatte er auch schon getan, als sie das Restaurant in Big Swamp betreten hatten, sodass Bridget anfangs gar nicht mitbekommen hatte, was für ein Aufsehen sie dort verursachten. Erst als sie saßen, war ihr aufgefallen, dass sie die einzige Frau war, die einen Rock trug, dazu noch einen superkurzen Minirock und schwarze Netzstrümpfe. Sie mussten sich von Nancy, der Eigentümerin des Restaurants, erklären lassen, was sie sich unter den einheimischen Gerichten auf der Karte vorzustellen hatten, und alle Anwesenden hatten sich köstlich über sie amüsiert, Witzchen über das absonderliche Pärchen gerissen und sich gekrümmt vor Lachen. Jedenfalls so lange, bis sie erfahren hatten, wohin die beiden unterwegs waren. Als Bridget Hartley House erwähnte, waren sie auf ihren Barhockern herumgefahren, hatten sie angestarrt und die Köpfe geschüttelt. Es war ihnen deutlich anzusehen, dass sie glaubten, Bridget und Dermott hätten den Verstand verloren.

„Sie können da nicht übernachten!“ hatte Nancy sie gewarnt. „Hat Ginny Ihnen nicht gesagt, dass es dort spukt?“

Dermott hatte sich während des Essens bemüht, sie davon zu überzeugen, dass es sich bei den Gespenstergeschichten nur um Legenden handelte, mit denen sich die Leute in diesem kleinen Ort bloß die Zeit vertrieben. Bridget hatte das für überflüssig und übertrieben gehalten, da sie selbstverständlich nicht an Gespenster glaubte, doch langsam wurde ihr unheimlich zu Mute. Draußen war kaum etwas zu erkennen.

Sie sah Dermott unauffällig von der Seite an und überlegte, wie dieser Abend wohl verlaufen würde. Würden sie miteinander schlafen? Sie konnte es immer noch nicht recht fassen, dass sie ihn plötzlich so aufregend und verführerisch fand. Jahrelang hatte sie in ihm nur ihren besten Freund gesehen, doch in der Nacht, nachdem sie ihn mit Carrie angetroffen hatte, hatte sie einen unbeschreiblich erotischen Traum gehabt.

In diesem Traum hatte Dermott ihr wieder die Tür zu seiner Wohnung geöffnet, und sie hatte wieder seinen schimmernden Brustkorb bewundert und sich vorgestellt, dass er seine Hose nicht anzog, sondern auszog – und zwar nicht für Carrie Masterson, sondern für sie.

Sie hatte während der Fahrt versucht, ihn dazu zu bewegen, über die andere Frau zu sprechen, doch vergebens.

„Wieso interessiert es dich überhaupt, ob es was Ernstes ist mit mir und Carrie?“ hatte er auf ihre Frage erwidert.

„Ich erzähle dir ja auch immer von meinen Freunden.“

„Richtig. Aber wenn ich jemanden küsse, posaune ich es nicht überall herum.“

War das alles, was zwischen ihm und Carrie vorgefallen sein sollte? Bridget konnte es kaum glauben. „Also wirklich, Derm. Das klingt ja fast, als wärst du ein Heiliger.“

Er hatte gelacht und gesagt: „Zieh deine eigenen Schlussfolgerungen.“

Dass er ihr keine Einzelheiten erzählen wollte, war ein schlechtes Zeichen. Sie konnte daraus nur schließen, dass Carrie Masterson ihm wichtig war. Bridget seufzte und fragte sich, was ihnen während dieser Reise widerfahren würde und ob wirklich magische Kräfte Einfluss auf ihr Leben hätten.

Ihre Einstellung Dermott gegenüber hatte sich jedenfalls praktisch an dem Tag geändert, an dem sie beschlossen hatte, dem Spuk ein Ende zu bereiten.

Dermott war attraktiver, als sie je zuvor bemerkt hatte. Sein Haar war von der langen Fahrt zerzaust, und auf seinem Kinn zeigten sich bereits dunkle Schatten. Obwohl er einfache schwarze Jeans und ein T-Shirt trug, das sie ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte, wirkte er elegant. Plötzlich fragte sie sich, ob sie überhaupt den Mut aufbringen würde, sich ihm zu nähern. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie sie mit ihm über Sex sprach, malte sich aus, wie sie ihn berührte, über seine Brust strich bis zu seiner Hose hinunter …

„Schau mal, ob du den Sender einstellen kannst, Bridget.“

In ihrer Fantasie stand Dermott mit aufgeknöpftem Hemd vor ihr, und sie meinte, seine festen Muskeln unter ihren Händen zu spüren.

„Gespenster, nichts als Gespenster“, erklärte sie und drehte ohne Erfolg am Regler herum. „Stören diese Biester nicht auch Radiosignale?“

Dermott lachte. „Warte, bis wir drinnen sind. Wahrscheinlich werden wir feststellen, dass alle Telefongehäuse leer sind. Vermutlich gibt es im Haus nicht mal Strom.“

„Abgeschnitten von der Außenwelt. Klingt wie eine Geschichte von Stephen King.“

„Genau.“

Das Lachen verging Bridget, und sie duckte sich unwillkürlich, als sie unter dem immer dichter werdenden Blätterdach hindurchfuhren; die Plantage ihrer Großmutter war so stark vernachlässigt, dass die tief hängenden Zweige über das Dach des Wagens scharrten.

Plötzlich stockte ihr der Atem. „Da ist es!“

Mug hatte die Vorderpfoten auf das Armaturenbrett gelegt. Er verhielt sich plötzlich völlig reglos und starrte ebenfalls nach draußen. Das Haus tauchte wie ein Monstrum aus der Dunkelheit auf. Zwischen den Bäumen zuckte ein Blitz auf und beleuchtete ein weiß getünchtes, teilweise mit Efeu überwuchertes imposantes Backsteingebäude, dessen Fenster wie leere Augenhöhlen wirkten, aus denen es sie anzustarren schien. Eine von Säulen getragene Veranda zog sich um das gesamte Erdgeschoss herum.

„Die Tür steht offen, Dermott!“, rief Bridget erschrocken.

„Das sehe ich.“ Auch Dermott klang nachdenklich.

„Soll ich die Polizei anrufen?“

Er zögerte. „Es könnte nicht schaden.“

Bridget schluckte, während sie die Notrufnummer wählte. Das Telefon klingelte und klingelte. Endlich meldete sich eine Frau. „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich … wir sind in Big Swamp“, begann sie mit einem Blick auf Dermott, „um eine Verwandte zu besuchen. Ginny Hartley. Aber als wir das Haus erreichten, stand die Tür weit offen.“ Sie hielt kurz inne. „Spreche ich eigentlich mit der Polizei, oder habe ich mich vielleicht verwählt?“

„Aber nein“, erwiderte die Frau. „Das Problem ist nur, dass der Sheriff gerade zum Essen gegangen ist, und ich habe Mary Lou Bidden schon versprochen, ihn danach bei ihr vorbeizuschicken, damit er ihr die Fenster schließt. Ihr Haus ist über hundert Jahre alt, und das Holz ist stark verzogen.“

„Verstehe“, sagte Bridget, während Dermott den Wagen unter einer mächtigen Weide parkte. Es regnete noch immer so stark, dass sie kaum etwas erkennen konnten. Mit wild pochendem Herzen fragte Bridget sich, was sie drinnen erwartete. Würde sie auf dem Gemälde im Salon tatsächlich das genaue Gegenstück zu dem Ring sehen, den sie trug?

Nein, dachte sie, das ist unmöglich. Dermott hatte recht. Die alten Familienlegenden waren nichts als Geschichten, mit denen sich die Landbevölkerung an einem regnerischen Tag wie diesem die Zeit vertrieb.

Ein Piepen ertönte aus ihrem Handy. „Ich habe einen weiteren Anruf“, sagte die Frau am anderen Ende. „Machen Sie sich keine Sorgen, der Sheriff wird im Handumdrehen bei Ihnen sein.“

„Die Polizei wird wohl so schnell nicht auftauchen, was?“, fragte Dermott, als Bridget das Gespräch beendete.

„Ich glaube nicht.“ Sie fröstelte, als sie sich mit einem Mal der bedrückenden Stille im Wagen bewusst wurde, die herrschte, seit Dermott den Motor abgestellt hatte. Sie zog Mug näher an sich.

„Ist was, Bridge?“, fragte Dermott mit einem prüfenden Blick auf sie.

„Nein, nein. Mir ist nur gerade eingefallen, dass Granny Ginny behauptet hat, die Gespenster würden die Türen öffnen. Besonders ihr Sohn Jasper, mein leiblicher Vater.“

Dermott lachte. „Wahrscheinlich hat sie bloß vergessen, die Tür zu schließen. Statt Gespenster werden wir da drinnen höchstens ein paar Mäuse finden, die sich ein warmes Plätzchen gesucht haben. Vielleicht auch einen Waschbären oder ein Stinktier.“

„Na prima.“

Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und griff dann hinter sich, um eine Taschenlampe und seine Reisetasche hinter dem Sitz hervorzuziehen. „Also los. Wir warten nicht auf die Polizei. Ich werde dir beweisen, dass es nichts gibt, wovor du Angst haben musst. Wir gehen hinein.“

„Wie furchtlose Gespensterjäger“, stimmte sie ihm tapfer zu und spähte in den Regen. „Bist du so weit, Mug?“

Der kleine Mops begann, aufgeregt zu bellen, als Bridget nach ihrer eigenen Tasche griff und sich die Kapuze ihres dunklen Capes über den Kopf zog. „Hast du einen Schirm dabei?“

„Nein, aber eine Taschenlampe.“

Als Dermott diese einschaltete, nahm Bridget Mug unter den Arm und trat beherzt ins Freie. Ihre Füße landeten in einer Pfütze, und sie schrie erschrocken auf, als eisiges Wasser gegen ihre Waden spritzte. „Ich dachte, es wäre heiß und sonnig in Florida“, rief sie Dermott zu und hielt den Blick auf den auf und ab hüpfenden Lichtstrahl der Taschenlampe gerichtet, während sie Dermott folgte.

„Nicht in einer Februarnacht.“

„Und vor einem Haus, in dem es spukt“, erinnerte sie ihn.

Sie erreichten die Veranda, und Bridget setzte den Hund auf den mit Laub und Zweigen übersäten Boden. „Du zuerst“, sagte sie. „Tu, was ein Mann tun würde.“

Dermott starrte sie an. „Ich soll dich über die Schwelle tragen?“

Diese Vorstellung ließ ihr Herz einen Schlag lang aussetzen und dann doppelt so schnell weiterschlagen. „N… nein. Das würde der Geisterbraut Marissa womöglich überhaupt nicht gefallen.“ Wieso hatte er es überhaupt gesagt? Flüchtig fragte sie sich, ob die eigenartige Atmosphäre auch auf Dermott allmählich ihre Wirkung tat. „Ich meinte nur, dass du zuerst hineingehen sollst.“

Dermott betrat die Eingangshalle, und Bridget folgte ihm langsam. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass der kleine Hund noch immer winselnd auf der Schwelle saß. „Mug will nicht hereinkommen. Ich glaube, er hat Angst. Meinst du, das ist ein Zeichen dafür …“

„… dass es hier spukt?“ kam Dermotts Stimme aus der Dunkelheit.

„Es heißt, Hunde wären in solchen Dingen sensibler als Menschen.“

„Danke.“

„Nimm es nicht persönlich.“ Bridget hockte sich hin und schnippte mit den Fingern. „Komm, Muggy Puggy. Jeder weiß doch, dass du der niedlichste Hund der Welt bist, sogar die Geister wissen das. Komm zu Bridgy Widgy!“

Dermott lachte. „Sagtest du gerade ‚Bridgy Widgy‘?“

„Es funktioniert“, erklärte sie, als Mug nun zu ihr gelaufen kam. „Außerdem amüsiert es dich, wenn ich mich mit Mug unterhalte“, fügte sie hinzu. Sie wusste, dass Dermott sie belächelte wegen ihrer manchmal etwas albernen Art, mit dem Hund zu reden.

Bridget zog die Haustür zu und rümpfte dann die Nase. „Riechst du das?“

„Was? Den Staub?“

„Nein, Zigarren und Whiskey. Granny Ginny sagt, sie kann das immer riechen. Das ist Jasper“, schloss sie flüsternd.

„Huh!“ machte Dermott, dann ging die Taschenlampe aus. „Ich bin der Geist von Jasper Hartley“, fügte er mit verstellter Stimme hinzu und lachte schaurig.

Bridget bekam eine Gänsehaut. Sie konnte Dermott in der Finsternis nicht ausmachen. Überraschend tauchte er neben ihr auf, packte sie und wirbelte sie herum.

„Du machst Mug Angst!“, protestierte sie lachend. Sie spürte Dermotts Körper an ihrem – seine Hüften an ihren, den Reißverschluss seiner Jeans an ihrem Bauch, seine harte Brust an ihrer Brust –, und Verlangen durchrieselte sie. Sie erschauerte und wusste, dass das nichts mit der sonderbaren Atmosphäre im Haus zu tun hatte.

Sie hatte plötzlich das Gefühl, sie müsste sich keine Sorgen mehr machen. Wann immer sie sich dazu entschließen würde, ihren Freund ins Bett zu locken, er würde nicht protestieren. Insgeheim war er vermutlich genauso neugierig auf sie wie sie auf ihn. Hoffte sie zumindest.

Bridget verdrängte den Gedanken an die Nacht, von der sie hoffte, dass sie diese zusammen verbringen würden, und atmete tief ein. „Ich möchte den Salon sehen. Das Porträt und den Kronleuchter.“

Dermott ließ sie herunter und zog sie mit sich. Sie hörte, wie er eine Tür öffnete, dann ging ein schwaches Licht an. Dermott hatte eine altmodische Lampe eingeschaltet.

„Hübsch“, murmelte Bridget und kniff die Augen zusammen.

„Vielleicht sollte ich für alle Fälle erst mal feststellen, wo sie hier den Sicherungskasten untergebracht haben. Bei dem Unwetter kann man nie wissen.“

„Granny hat erwähnt, dass auf der Veranda eine Kiste mit Feuerholz steht“, informierte Bridget ihn. „Und alle Kamine sollen funktionieren.“

„Kaminfeuer klingt gut.“

In Gedanken sah Bridget sich mit Dermott vor einem Kamin liegen, in dem ein wärmendes Feuer prasselte. Eine seltsame Anspannung breitete sich in ihr aus, und sie konnte einen sehnsüchtigen Seufzer nicht unterdrücken.

Um sich abzulenken, sah sie sich um. Sie befanden sich in einem altmodischen Wohnzimmer, das den Eindruck viktorianischer Üppigkeit vermittelte. Der Holzboden war mit Orientteppichen bedeckt. Vor dem bequem wirkenden Sofa stand ein mit Leder bespannter Bridgetisch, und es gab Stehlampen mit goldenen, fransenbesetzten Schirmen. In einer Ecke entdeckte sie ein antikes Spinnrad, und auf allen Tischen standen alte Fotografien.

Die schweren roten Samtvorhänge waren zurückgezogen, die Jalousien darunter halb hinaufgezogen. Bridget zuckte plötzlich zusammen und sog scharf den Atem ein, doch dann merkte sie, dass die Bewegung, die sie wahrgenommen hatte, ihr eigenes Spiegelbild im Fenster war.

„Manchmal frage ich mich, ob nicht jemand versucht haben könnte, ihr Angst einzujagen“, bemerkte sie.

„Wem? Deiner Großmutter?“

„Ja. Als sie bei uns ankam, wirkte sie erleichtert, fast so, als würde sie am liebsten nicht mehr hierher zurückkehren, obwohl es doch ihr Zuhause ist. Und selbst wenn es hier keine Gespenster gibt, irgendetwas scheint ihr Angst einzujagen.“

„Vielleicht fühlt sie sich hier auch nur einsam.“

„Möglich“, erwiderte Bridget. Sie setzte den Hund ab und erschrak. Verwischte Fußspuren führten in den Raum. „Sieh mal, Derm! Da sind Fußabdrücke!“

Dermott lachte. „Das sind unsere.“

„Oh“, erwiderte sie mit unsicherer Stimme. Natürlich waren es ihre. Aber … „Die stammen von mehr als zwei Leuten!“

„Die anderen sind von deiner Großmutter.“

Im ersten Moment war Bridget erleichtert, aber dann rief sie sich in Erinnerung, wie zierlich Ginny war, und kniff nachdenklich die Augen zusammen. „Das sind große Fußabdrücke, Dermott.“

Er folgte ihrem Blick und grinste. „Ein Gespenst mit großen Füßen?“

Bridget beschloss, sich gründlich im Erdgeschoss umzusehen, bevor sie ihre Taschen nach oben schafften. „Komm mit“, sagte sie und deutete auf die nächste Tür. „Ich bin müde, aber ich kann es kaum erwarten, das Porträt und den Kronleuchter zu sehen.“ Ihr Herz machte einen Satz, als sie einen großen Raum betraten, der in einen weiteren überzugehen schien. „Zimmer über Zimmer.“

„Ich glaube nicht, dass außer uns noch jemand hier ist“, sagte Dermott. „Nicht mal Mäuse. Ich wette, deine Großmutter hat nur vergessen, die Tür zu schließen. Trotzdem kann es natürlich nichts schaden, wenn wir uns ein bisschen umsehen.“ Er lächelte. „Ich werde also tun, was von einem Mann erwartet wird, und mich mit dir auf Geisterjagd begeben.“

„Ach, tatsächlich?“, scherzte sie.

„Oder wäre es dir lieber, wenn ich den weiblichen Part übernehme und unsere Lebensmittel in die Schränke räume?“, fragte Dermott belustigt.

„Am liebsten wäre es mir, du würdest dieses Holzfällerding erledigen“, sagte Bridget lachend. „Du könntest uns ein Feuer machen.“

„Du verstehst es, einen Mann zu überreden.“

Als Bridget bewusst wurde, dass sie flirteten, verspürte sie wieder jene eigenartige innere Unruhe, die sie schon quälte, seit sie New York verlassen hatten. Da Dermott nun auf sie zukam, riskierte sie es, seine Hand zu nehmen. In dem kurzen Schweigen, das darauf folgte, hörte sie überdeutlich den Regen gegen die Fenster schlagen und den Wind, der durch die Bäume fegte. Mit angehaltenem Atem wartete Bridget darauf, dass Dermott seine Hand zurückzog, doch er tat es nicht.

Hand in Hand gingen sie weiter, wobei Bridget überlegte, wie oft sie wohl schon mit Dermott allein gewesen war. Sie hätte es nicht sagen können, doch sie war sich seiner Gegenwart noch nie so bewusst gewesen wie in diesem Moment in diesem finsteren Haus, das knarrend zu atmen schien. Sie konnte das leise Beben seiner Finger in ihrer Hand spüren und seinen flachen Atem und das Rascheln seiner Jeans hören.

„Komm, Mug“, rief sie nach ihrem Hund, um sich abzulenken, und war froh, als Mug sofort folgte und sich an ihre Fersen heftete. Dermott leuchtete mit der Taschenlampe das Zimmer ab, auf der Suche nach dem Lichtschalter, und sie schalteten die Lampe ein.

„Zigarren“, sagte Bridget. „Und Whiskey.“

„Der Geruch ist stärker hier“, gab Dermott zu.

Sie erschauerte. „Komische Mischung“, flüsterte sie, während sie zur nächsten Tür ging und im angrenzenden Zimmer das Licht einschaltete. Erschrocken schnappte sie nach Luft. „Das ist er! Der Salon!“

Als Erstes fiel ihr der Kronleuchter ins Auge. Er war riesig. Geradezu überwältigend. Der dreistöckige Kristall-Lüster war nie an die Stromleitung angeschlossen worden und sah mehr wie ein überdimensionales Brautdiadem aus als wie eine Lampe. Die länglichen Prismen waren die größten, schwersten und prachtvollsten, die Bridget je gesehen hatte.

„Ich würde ihn gern erleuchtet sehen“, sagte sie ehrfurchtsvoll und starrte die funkelnden Kristalle an, die so formvollendet und elegant wirkten wie die Diamanten, mit denen sie bei Tiffany’s zu tun hatte. Unzählige cremefarbene Kerzen steckten zwischen ihnen. Bridget war überwältigt von dem Anblick. „Wenigstens einmal müssen wir die Kerzen anzünden und sehen, wie er damit aussieht.“

„Auf jeden Fall“, stimmte Dermott zu.

Bridget ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen und musterte den grünen Fransenteppich, von dem ihre Großmutter gesagt hatte, er sei erst nach dem Krieg ins Haus gekommen. Der Anblick des Kamins entlockte ihr einen überraschten Ausruf. Er war aus körnigem grauen Stein gemauert, der von wundervollen, mehrfarbigen Maserungen durchzogen war. „Die Steine stammen aus einem hiesigen Steinbruch“, bemerkte sie.

„Hol mich der Teufel!“, sagte Dermott.

„Was ist?“ Bridget bestaunte das Kernstück des Raumes, den großen Tisch, auf dem sie als Baby in ihrer Wiege so manches Mal geschlafen hatte, und überlegte, ob sie draufsteigen sollte, um sich den Kronleuchter aus der Nähe anzusehen.

„Das ist doch nicht zu fassen! Sieh dir das Gemälde an!“, sagte Dermott und riss Bridget aus ihren Gedanken.

Sie folgte seinem Blick und machte große Augen. „Der Ring!“ Ihr Herz schlug in diesem Moment fast schmerzhaft hart gegen ihre Rippen, als sie Marissa Jennings Porträt betrachtete. „Granny sagte, die Ringe wären identisch …“ Sie hatte es im Grunde nicht geglaubt, doch nun sah sie, dass Marissa einen Ring am Finger trug, der ihrem zum Verwechseln ähnlich sah.

Fasziniert betrachtete sie die schlanke, unter einer Spitzenmanschette hervorschauende Hand der Frau auf dem Porträt. Ihr ausgestreckter Zeigefinger schien auf ein Buch auf ihrem Schoß zu deuten, tatsächlich diente diese Geste nur dazu, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf den Ring zu lenken.

Dermott trat hinter Bridget, sein Oberkörper berührte ihren Rücken, und die Zeit schien plötzlich stillzustehen. Sein warmer Atem streifte ihre Wange, und sie nahm seinen angenehmen Duft nach Zitrusfrüchten wahr. Wieder überlegte sie, wie oft Dermott ihr schon so nahe gewesen war, ohne eine solche Reaktion in ihr hervorzurufen. Sie schluckte und fragte sich, was mit ihr los war. Schließlich wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Porträt zu. „Wie ist das möglich?“, flüsterte sie.

„Es muss eine Erklärung dafür geben“, meinte Dermott, aber diesmal klang selbst er verunsichert.

„Und sie wirkt so lebendig“, fuhr Bridget mit gedämpfter Stimme fort. Marissa Jennings war eine schöne Frau gewesen, mit dunklen Augen, auffallend roten Lippen und einem hellen, wie Porzellan wirkenden Teint. Ihr Brautkleid war eine Pracht. Allein vor diesem Bild zu stehen erweckte die Erzählungen ihrer Großmutter zum Leben. Bridget erinnerte sich plötzlich auch wieder an die Geschichten über Lavinia, die damalige Haushälterin der Hartleys, der man übernatürliche Fähigkeiten nachgesagt hatte. Sie glaubte sogar zu sehen, wie ihre schwarzen Augen blitzten, wenn sie ihre Kräuter und Zaubertränke mischte. „Lavinia soll übrigens auch Voodoopuppen hergestellt haben“, bemerkte sie.

„Ich hoffe, du hast ihre Fähigkeiten nicht geerbt und setzt sie gegen mich ein“, scherzte Dermott.

„Eine einzige Nadel“, versicherte Bridget ihm, „und du wärst ein toter Mann. Angeblich stellte sie auch Liebestränke her …“

Zu schade, dass Lavinia nicht da war, um ihr einen solchen Trank zu mixen. Mit dem Unwetter draußen und einem prasselnden Kaminfeuer wäre es die ideale Nacht dafür.

Bridget seufzte tief. „Wie schade, dass Marissa in jener Nacht gestorben ist. Sie liebte ihren Forrest vermutlich sehr.“

„Ja, schade.“

Bridgets Blick suchte wieder den Ring auf dem Gemälde. „Ich verstehe es einfach nicht“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Selbst wenn ich den Ring als Baby gesehen haben sollte, wie sollte ich mich nach so langer Zeit noch in allen Einzelheiten an ihn erinnert haben?“

„Sagtest du nicht, Forrest habe laut deiner Großmutter auf einen ganz bestimmten Platz für das Porträt bestanden?“

„Ja. Nach dem Krieg wurde es offenbar wieder an genau diese Stelle gehängt. Forrest hatte sie genauestens markiert.“

„Ich frage mich, warum“, erwiderte Dermott versonnen.

„Ich wünschte, ich wüsste es.“

„Sollen wir uns den Kronleuchter mal näher ansehen?“

„Sicher.“ Bridget streifte ihre Stiefel ab und ging zum Tisch. „Hilf mir hinauf. Wenn wir Glück haben, finden wir vielleicht tatsächlich ein paar Diamanten.“

Als sie die Hände auf den Tisch legte, dachte sie, dass dieser – wie so viele Dinge in dem Haus – eine fast lebendige Wärme auszustrahlen schien. Andererseits kam die Wärme vielleicht auch nur von Dermotts Händen, die auf ihren Hüften lagen. Einen Moment lang fühlte Bridget sich nahezu schwerelos, dann berührten ihre Knie den Tisch, und sie richtete sich langsam auf.

„Macht es dir etwas aus, wenn ich mir schon einmal den Rest des Hauses ansehe?“, fragte Dermott.

Nervös ging Bridgets Blick zwischen ihrem Ringfinger und dem Gemälde von Marissa hin und her. Natürlich. Dermott glaubte, es musste eine vernünftige Erklärung für die Übereinstimmung geben, sie glaubte das jedoch nicht. Hier war eindeutig Magie am Werk. „Ich komme schon zurecht. Mug ist ja bei mir.“ Sie sah sich nach ihrem Hund um. „Und du bist ja auch ein prima Wachhund, Muggy Puggy. Ein niedlicher kleiner Pitbull, was? Nein? Oh, Verzeihung, Mug. Du bist ein großer, böser Dobermann im Körper eines Mopses.“

Mug kläffte aufgeregt und begann dann pflichtbewusst, die Fußleisten abzuschnüffeln. „Keine Angst, Dermott. Er wird mich beschützen“, sagte Bridget lachend. „Geh ruhig. Wir kommen schon zurecht.“

Dermott ging zur Tür. „Ich räume die Lebensmittel weg und sehe mich dann oben um. Ich könnte jetzt gut eine Mütze Schlaf gebrauchen.“

„Ich auch. Es ist zwar noch früh, aber ich bin ziemlich geschafft. Es wird nicht lange dauern hier. Und ich schreie, falls ich irgendwelche Gespenster sehe.“

Wieder lachte er. „Das müsste mir die Gelegenheit verschaffen, zum Wagen zu rennen und mich dort einzuschließen.“

„Oh, vielen Dank, mein Held.“

„Na gut“, berichtigte er sich. „Ruf mich, falls Lavinia auftaucht. Ich kenne ein paar Leute, von denen ich gerne eine Voodoopuppe hätte.“

Und wie steht es mit einem Liebestrank? „Ich werde es ihr sagen.“ Plötzlich rümpfte Bridget die Nase. „Du musst zugeben, dass der Geruch nach Zigarren hier besonders stark ist. Es ist richtig unheimlich.“

„Hm. Was weißt du sonst noch über deinen Dad?“

„Dass er ein Spieler war, ein leidenschaftlicher Reiter, und er soll gern geangelt haben. Vorzugsweise nachts.“

„Ich wette, dass hier irgendwo eine Flasche steht, und die gehört bestimmt nicht deinem Dad. Wenn ich den Whiskey finde, trinkst du dann einen Schluck mit mir?“

„Um mich ein bisschen aufzuwärmen. Aber ich rauche keine Zigarren. Glaubst du im Ernst, dass Granny Ginny raucht und trinkt?“

„Natürlich. Und sie hat auch den Schmutz ins Haus getragen und die Tür offen gelassen.“ Er schaute ihr lächelnd in die Augen. „Ich hoffe nur, der Whiskey ist alt, die Zigarren sind aus Kuba und ihre Schuhgröße ist dreiundvierzig, denn meine Schuhe sind pitschnass geworden.“

„Ich suche die Diamanten“, sagte Bridget lächelnd, „und du das Feuerwasser.“

„Abgemacht.“

Ihr stockte der Atem, als ihr bewusst wurde, dass sie auf seinen knackigen Po starrte, als Dermott nun hinausging. Und es war beileibe nicht das erste Mal, dass er ihr auffiel.

Schließlich machte sie sich an ihre Aufgabe und begann, den Kronleuchter zu untersuchen. Wann immer sie die Geschichten ihrer Großmutter gehört hatte, hatte sie gewusst, dass sie irgendwann hierher kommen würde. Und nun konnte sie gar nicht anders, als sich daran zu erinnern, dass ihr leiblicher Vater hier ums Leben gekommen war – als er auf ebendiesem Tisch gestanden hatte.

Er war angeblich sehr betrunken gewesen bei diesem Sturz, der ihn das Leben gekostet hatte. Aber was hatte er auf dem Tisch gemacht? Sich die Prismen des Kronleuchters angesehen? Plötzlich lief ein Frösteln über ihren Rücken, und sie hätte schwören können, dass sie wieder das unverwechselbare Aroma von Zigarren roch. Sie wollte schon nach Dermott rufen, hörte dann aber seine Schritte über sich im ersten Stock.

„Hier ist niemand, oder, Mug?“, flüsterte sie. Sie hatte es mit einem Mal sehr eilig, ihre Aufgabe zu beenden. Das Ergebnis war enttäuschend. Die Prismen waren wundervoll, aber zwischen ihnen waren keine Diamanten versteckt. Irgendwann wurde ihr bewusst, dass sie jedes Zeitgefühl verloren hatte. Es konnten Stunden vergangen sein oder Minuten. Bridgets Blick ging zu der Uhr auf dem Kamin. Die Zeiger standen beide auf der Zwölf.

Es war exakt die Stunde, zu der Marissas Trauung hätte stattfinden sollen. Kopfschüttelnd blickte Bridget auf ihr Handgelenk, aber wie fast immer, wenn sie nicht gerade arbeitete, trug sie keine Uhr. Nimm dich zusammen, ermahnte sie sich. Es konnte nicht viel Zeit vergangen sein, sonst wäre Dermott längst zurückgekommen. Dennoch fühlte sie sich eigenartig durcheinander. „Dermott?“, rief sie in jäher Panik.

Seine Stimme kam wie aus weiter Ferne. „Alles in Ordnung, Bridget?“

„Ja“, rief sie. „Wo bist du?“

„Oben … und ich denke, du solltest auch besser raufkommen.“

Was war los? „Bin schon unterwegs!“ Mug unter dem Arm, lief sie die Treppe hinauf zu dem einzigen Zimmer, in dem Licht brannte.

„Ich habe nichts gefunden“, sagte sie atemlos, als sie das Schlafzimmer betrat, das sehr viel heller und freundlicher wirkte als alle anderen Räume, die sie bisher gesehen hatte. Der Regen prasselte gegen die Fenster, und als es draußen wieder blitzte, konnte sie durch die zurückgezogene Spitzengardine die gespenstischen Äste der Orangenbäume draußen sehen.

„Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe“, sagte Dermott, der vor dem Kamin kniete.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe unten nichts gefunden.“

„Morgen“, erwiderte er tröstend.

„Das hoffe ich. Ich weiß, dass der Ring hier irgendwo sein muss.“

„Ich habe das gefunden“, sagte Dermott und zeigte ihr eine Whiskeyflasche und einen Zigarrenstummel, der Lippenstiftspuren vom gleichen hellen Pink trug, das ihre Großmutter bevorzugte.

So viel zum Thema Gespenster. „Granny hat also doch etwas für typisch männliche Genüsse übrig“, sagte Bridget und spürte, wie ihre Unruhe in diesem hellen, anheimelnden Zimmer langsam nachließ.

„Möchtest du einen Schlummertrunk?“

„Gern“, antwortete sie mit einem Blick auf das gemütliche, schmiedeeiserne Bett. „Es ist hübsch hier“, sagte sie, als Dermott ihr die Whiskeyflasche reichte und zum Kamin zurückging, um das Feuer anzuzünden.

„Schön, dass es dir gefällt“, erwiderte er. „Es ist nämlich das einzige bewohnbare Schlafzimmer im ganzen Haus.“

Da dies bedeutete, dass er bei ihr schlafen musste, begann Bridgets Herz, wild zu pochen. Damit wäre ihr Problem gelöst. Wenn er neben ihr lag, würde es ein Leichtes sein, ihn … Sie hob die Whiskeyflasche an die Lippen und nahm einen tüchtigen Schluck daraus. Sie trank nur selten Alkohol, doch erstaunlicherweise mochte sie den Geschmack des Whiskeys und das leise Brennen in ihrer Kehle.

„In den anderen Räumen ist seit Jahren niemand mehr gewesen“, meinte Dermott.

„So schlimm?“

„Noch schlimmer“, versicherte er ihr. „Ich werde unten schlafen.“

Oh nein, das wirst du nicht!

„Auf diesen verstaubten Sofas?“ Die Luft schien plötzlich wie elektrisch aufgeladen, und Bridget nahm schnell noch einen großen Schluck von dem Whiskey, um sich Mut zu machen. Dann fragte sie: „Warum schläfst du nicht hier bei mir?“

Dermotts Blick war unergründlich. „Im Bett?“

„Wo sonst? Es liegt ja nicht mal ein Teppich auf dem Boden.“

Bridget wagte kaum zu atmen, die Luft schien plötzlich zu knistern. Sie hatte den Eindruck, dass auch Dermott nervös war.

„Na ja, für eine Nacht vielleicht“, erwiderte er, ohne allzu überzeugt zu klingen.

„Morgen können wir eins der anderen Zimmer lüften“, schlug sie vor.

„Gute Idee.“

Sie standen sich unbeholfen einen Moment gegenüber, dann zerriss das Geheul einer sich nähernden Sirene die Stille, und Mug begann zu kläffen.

„Die Polizei“, stellte Bridget fest, insgeheim froh über die Störung. Dermott würde auf jeden Fall die Nacht in ihrem Bett verbringen, womit zumindest der schwierigste Teil ihres Vorhabens bewältigt wäre. Nun musste sie nur noch mutig sein …

Als sie die Treppe hinunterlief, war Dermott dicht hinter ihr, und sie nahm das Aroma von Whiskey wahr. Offenbar hatte auch er vorhin vom Feuerwasser ihrer Großmutter probiert. Der Duft umspielte Bridgets Nase und löste ein angenehmes Prickeln in ihrem Nacken aus. Sie dachte an die bevorstehende Nacht und bekam weiche Knie. Mit klopfendem Herzen öffnete sie die Tür. Draußen stand ein großer, ungewöhnlich dünner Polizist in Uniform.

„Zecheriah Walsh“, stellte er sich mit dröhnender Stimme vor, als er an ihnen vorbei über die Schwelle trat. „Ich war zum Essen bei Nancy, und alle sagten, Sie beide wären hier, aber ich konnte es nicht glauben“, erklärte er. „Doch dann rief die Zentrale an. Jeder weiß ja, dass Ginny Hartley schrecklich egozentrisch ist, aber junge Leute wie Sie so unvorbereitet in dieses Haus zu schicken, das ist denn doch ein bisschen leichtsinnig.“

Er schüttelte den Kopf. „Die haben also wieder mal die Tür offen gelassen? Wen haben Sie denn zuerst gesehen? Lavinia oder Jasper? Den beiden sollte man mal gehörig die Leviten lesen! Schon als er noch lebte, soll Jasper Lee die Leute verrückter gemacht haben als ein Prediger in einer Baptistenkirche.“ Er hielt inne, um einen tief empfundenen Seufzer auszustoßen. „Ich weiß allerdings nicht, was Sie von mir erwarten. Handschellen nützen einem bei dieser Bande nämlich nichts. Ginny hat es mich schon mal probieren lassen, aber das Metall ging geradewegs durch sie hindurch.“

Bridget starrte ihn verdattert an, dann warf sie Dermott einen Blick zu, um dessen Mundwinkel es zuckte. „Entschuldigen Sie, Sheriff Walsh“, begann sie.

„Wer war’s denn nun? Marissa oder Forrest?“ unterbrach der Sheriff sie. Er schien allmählich die Geduld mit ihnen zu verlieren. „Sind die beiden für den Aufruhr hier verantwortlich?“ Plötzlich wurden seine Augen schmal, und er schürzte nachdenklich die Lippen. „Ah, so ist das! Ja, jetzt verstehe ich. Ginny hat Ihnen wohl nicht erzählt, dass es hier spukt, was?“

3. KAPITEL

„Dieser Sheriff ist genauso verrückt wie deine Verflossenen“, sagte Dermott und lachte leise. Er und Bridget lagen im dunklen Schlafzimmer im Bett.

„Ich kann es nicht fassen, dass er – und alle anderen hier – tatsächlich glauben, es spukt in diesem Haus“, flüsterte Bridget nervös.

„Angst?“

„Ja“, gestand sie. „Und du? Bist du deshalb noch wach? Hast du nicht gesagt, du bist müde?“

„Ich bin besorgt wegen der Gespenster“, log Dermott und sagte sich, dass seine Schlaflosigkeit absolut nichts damit zu tun hatte, dass er so dicht neben Bridget lag. Er war so hellwach, als hätte ihm jemand Adrenalin gespritzt. Als er und Sheriff Walsh die Türen und Fenster überprüft hatten, hatte er nur darüber nachgedacht, ob er tatsächlich mit Bridget im selben Bett schlafen sollte oder nicht. Ihm war natürlich klar, dass sie sich nichts dabei dachte, ein Nachtquartier mit ihm zu teilen; beim Zelten und bei Schulausflügen hatten sie das schon oft getan, und wenn Bridget wegen einer ihrer gescheiterten Beziehungen besonders deprimiert gewesen war, hatten sie hin und wieder sogar auf eine Art gekuschelt, die man schon als recht gewagt bezeichnen konnte.

Mit einem frustrierten Seufzer streichelte er Mug, der sich in seiner Armbeuge zusammengerollt hatte, und wünschte plötzlich, er läge doch auf einem der Sofas unten. Ein bisschen Staub wäre leichter zu ertragen als diese widerstreitenden Gefühle, die ihn quälten. Carrie hatte angerufen, als er sich oben umgesehen hatte, und ihn sanft gedrängt, nach New York zurückzukehren. Natürlich hatte sie recht. Statt sich von Bridget zu befreien, hatte er sich nur noch mehr in seine widersprüchlichen Gefühle für sie verstrickt.

„Dermott“, flüsterte sie plötzlich. „Ich könnte schwören, dass ich unten das Licht angelassen habe, als ich heraufgekommen bin.“

„Was ist mit dem Licht?“ Er bemühte sich, schläfrig zu klingen.

„Als Sheriff Walsh kam, war es aus.“

„Wahrscheinlich hast du nur vergessen, dass du es ausgemacht hast.“

„Nein. Ich bin mir sicher.“ Bridget zögerte. „Es ist so still hier, nicht?“

„Schlaf.“

„Aber es ist zu still“, beharrte sie.

Statt die Augen zuzumachen und zu schlafen, drehte Dermott sich seufzend auf die Seite. „Du brauchst keine Angst zu haben, Bridget. Die Nacht ist voller Geräusche. Und keins davon kommt von Gespenstern.“

Im nächsten Augenblick hörte er das Rascheln von Stoff, als Bridget sich ebenfalls auf die Seite drehte und ihm das Gesicht zuwandte. „Wenn ich den Soundtrack hierzu schreiben müsste“, murmelte er, „würde ich etwas Düsteres, Schweres nehmen. Vielleicht Wagner.“

„Vergiss nicht, das Heulen eines Werwolfs einzubauen.“ Sie zögerte. „Edie möchte gern, dass du die Musik für Julia Dardens Hochzeit zusammenstellst. Sie meinte, du hättest zwar abgelehnt, aber vielleicht könnte ich dich ja doch noch dazu überreden“, fügte sie hinzu.

„Netter Versuch.“ Er konnte Bridget schließlich nicht gut sagen, dass er abgelehnt hatte, um Abstand zu ihr zu gewinnen. „Ich stelle keine Musik für Hochzeiten zusammen.“

„Es ist nicht nur irgendeine Hochzeit“, berichtigte sie ihn gähnend. „Es ist ein Event, und es könnte dir eine Menge Publicity einbringen.“

Wieder fühlte er sich hin und her gerissen; es war fast so, als wäre er in einen Sumpf aus Bridgets Träumen, Bedürfnissen und Wünschen geraten, in dem er immer tiefer versank. „Ich habe zu viel andere Arbeit. Du weißt doch, dass ich nach unserer Rückkehr für ein verlängertes Wochenende nach Los Angeles fahre.“

„Was bedeutet, dass du es dir im Flieger noch mal überlegen kannst. Edie kann ruhig noch eine Woche auf deine Antwort warten.“ Bridget lächelte ihn an. „Ich bin nämlich fest entschlossen, dich umzustimmen, Dermott.“

„Vergiss es“, sagte er. Obwohl sie unter der Decke lag, wusste er, dass sie eine knapp sitzende Jogginghose und ein winziges Top mit Spaghettiträgern trug, ohne einen BH darunter. Es war für niemanden zu übersehen, dass Carrie Masterson Silikonimplantate mit sich herumtrug, wohingegen Bridgets Brüste echt waren. Beim bloßen Gedanken an ihre zarten Spitzen unter der dünnen Baumwolle stockte ihm schon der Atem. Sie wirkte unruhig neben ihm, und wenn er es nicht besser wüsste, müsste er annehmen, es wäre seinetwegen.

„Stört Mug dich?“, fragte sie.

„Nein. Schlaf jetzt, Bridget.“

Wie aufs Stichwort rappelte Mug sich auf und tapste zu Bridget hinüber. Er schob den Kopf unter die Decke und krabbelte darunter. Mit halb geschlossenen Augen machte Bridget dem Hündchen Platz. „Ich glaube, er hat auch Angst“, murmelte sie.

„Entweder das oder ihm ist schlecht von den Resten unseres Abendessens.“

Bridget lachte. „Ich glaube, in dieser Gegend hat man Leute wie uns noch nie gesehen, Partner.“

„Du hast sogar Haferbrei mit roter Sauce gegessen“, meinte er anerkennend. „Das war sehr tapfer für eine New Yorkerin.“

„Warte, bis du mich mit Lavinias Geist ringen siehst. Pst! Hast du das gehört?“

„Was?“

Bridget lachte. „Die Gespenster.“ Sie hatte ihn nur verulkt.

„Schlaf jetzt, Bridget“, sagte Dermott streng. „Wir haben einen langen Tag vor uns. Wir werden die Geister bezwingen und uns dann auf die Suche nach deinem Ring begeben.“

„Ich kann es kaum glauben, dass er nicht in dem Kronleuchter war.“

Es tat Dermott aufrichtig leid, dass sie kein Glück gehabt hatte. „Wir werden ihn finden“, versprach er, obwohl beide wussten, dass es vermutlich unmöglich war. Aber falls sie ihn doch finden sollten, würde er ihr den Ring – den echten – über den Finger streifen, den Fluch beenden und dafür sorgen, dass sie heiratete und glücklich wurde. In einer Woche würde er wieder zurück in New York sein, bei Carrie Masterson, die ihn bereits sehnsüchtig erwartete.

„Nacht, Dermott“, murmelte Bridget. Ihre Stimme war leise und klang weit weg.

Dermott fühlte Trauer in sich aufsteigen, als hätten ihre Wege sich bereits getrennt. Seine Kehle war seltsam eng, und seine Stimme hörte sich wie ein Krächzen an, als er sagte: „Bis morgen.“ Während er den nächtlichen Geräuschen lauschte, hörte er, wie Bridgets Atem flacher wurde. Sie war tatsächlich eingeschlafen.

Voller Panik versuchte Bridget, ihr wild pochendes Herz zu beruhigen, aber wie konnte sie das? Ihre Haut brannte, Kugeln pfiffen durch die regnerische Nacht, und Hufe donnerten über die nasse Erde. Jemand rief: „Marissa, wo bist du? Beeil dich!“

Aber sie musste den Ring verstecken! Panisch sah sie sich im Zimmer um und befingerte nervös den Hartley-Diamanten an ihrem Ringfinger. Ihr Blick fiel auf den glitzernden Kronleuchter. Einige seiner Prismen hatten die Größe des Diamanten … nein. Sie und Lavinia hatten es zwar nicht geschafft, den Kronleuchter abzunehmen, aber den Unionssoldaten könnte es womöglich gelingen.

„Beeilen Sie sich, Miss Marissa! Wir haben nicht viel Zeit!“

Das Herz schlug ihr bis in die Kehle hinauf. Wo konnte sie den Ring verstecken? Warum hatte sie nicht auf Lavinia gehört und ihn unter den Dielen oben verborgen? Ihr Blick huschte unruhig durch das Zimmer, über den runden Teppich, die Dielen, die unebenen Steine des Kamins und zu den schweren Samtvorhängen. Ich werde ihn an unserem ganz speziellen Ort verbergen, dachte sie.

Und dann änderte sich der Traum, und sie war draußen und hastete auf den Sumpf zu, um sich dort zu verstecken. Wo bleibt mein Geliebter? fragte sie sich verzweifelt, während sie durch den Regen lief. Mein Kleid, dachte sie entsetzt. Das wundervolle weiße Kleid war ruiniert, sein hübscher Stoff mit Schmutz bespritzt. Sie raffte ihre Röcke und ließ suchend ihren Blick umherschweifen. Heute Abend würde Forrest sie heiraten, sie in dem großen Eisenbett dort oben lieben …

Sie kam ihm näher und näher, fast bis in die Arme ihres Geliebten, doch der löste sich in scheinbar sinnlose Fragmente auf. Sie war nackt, und ihre Haut glühte wie im Fieber. Sacht rieb sie ihr Bein an seinem, erkundete mit ihren Zehen die Konturen seiner Füße, strich über seine Waden und die harten Muskeln seiner Schenkel. Und dann, im Schutz der Dunkelheit, bedeckten seine Lippen ihre, und seine Zunge erforschte liebkosend ihren Mund – bis die Szene wieder wechselte.

Plötzlich lief sie wieder um ihr Leben – direkt in den dunklen, feuchten Sumpf hinein. Lavinia war vor ihr und rief: „Hier, Kind!“

Ein Frösteln durchlief ihren Körper, als sie hineinwatete und Moos und Schlick ihr wundervolles Hochzeitskleid bedeckten. Ihr war bang, so schrecklich bang! Würde dieser Albtraum denn nie enden? Sie richtete ihren Blick gen Himmel, und der eisige Regen peitschte in ihr Gesicht. Ihr Herz machte einen Satz, und dann sah sie ihn! Aber das war ja gar nicht Forrest …

Und sie war nicht Marissa.

Sie war wieder Bridget Benning, und der Mann, den sie liebte, war Dermott Brandt.

„Beeil dich!“, flüsterte Dermott leise und eindringlich.

Bridget fühlte eine Hand, die ihre Schulter umfasste und sie rüttelte.

„Wir müssen hier weg!“

Ich träume immer noch, dachte sie und hustete, als sie nach Atem rang. „Zigarren“, murmelte sie. Waren die Gespenster aufgetaucht? Würde sie nun den Geist ihres leiblichen Vaters sehen? Den Geist eines Mannes, an den sie sich nicht einmal erinnern konnte?

Und was war aus ihren Plänen für diese Nacht geworden? Sie war wild entschlossen gewesen, Dermott zu verführen, doch irgendwann hatte sie den Mut verloren. Er war ihr zu distanziert erschienen, und sie hatte instinktiv gespürt, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war. Ihre Kehle war seltsam eng, ihre Augen brannten.

„Hast du geraucht?“, fragte sie blinzelnd.

„Nein, Bridget. Komm. Du musst aufstehen.“

Bridget hatte Mühe, endlich wach zu werden; der Rauch war dicht und nahezu erdrückend. „Das Feuer“, sagte sie stammelnd. Ihr wurde seltsam schwindlig, als sie die Decke zurückschlug und sich aufsetzte. Dermott griff nach ihrer Hand und zog sie hoch. Erschrocken sprang Bridget auf und sank in seine Arme. Plötzlich war sie hellwach, denn sie spürte deutlich, wie erregt Dermott war.

„Bist du endlich wach, Bridget?“

Oh ja. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie sich im Raum um. „Da draußen ist jemand“, flüsterte sie. Zwar konnte sie nicht hinter die geschlossenen Vorhänge blicken, doch sie spürte eine Bewegung hinter ihnen. Und dann sah sie, dass das Feuer verschwunden war. Der Rauch musste von etwas anderem verursacht worden sein. Es war stockfinster im Zimmer und kalt.

„Spürst du den Luftzug?“, krächzte sie.

„Ja. Komm. Lass uns unsere Sachen holen.“

„Unsere Sachen?“

Erst jetzt merkte sie, dass die Nacht voller Geräusche war, und sie hätte schwören können, dass sie Schritte auf dem Gang hörte. Mug, der noch immer im Bett lag, winselte.

„Hörst du das?“

Stimmen klangen von unten herauf. War Sheriff Walsh zurückgekommen? Obwohl sie nicht verstehen konnte, was gesprochen wurde, erinnerte der eindringliche Ton der Stimmen sie an ihren Traum.

Rasch hob sie Mug auf und folgte Dermott an das Fenster. „Ich habe einen Luftzug gespürt. Ich glaube, er kam unter dem Bett her.“

„Ich habe ihn auch gespürt“, erwiderte Dermott leise.

„Was geht hier vor?“

„Keine Ahnung.“ Dermott zog die Gardine zurück. „Himmel! Sieh dir das mal an!“

Bridget stockte der Atem, als sie aus dem Fenster blickte, denn es war fast wie eine gigantische Lasershow, was sie dort draußen sah. Rote Feuerbahnen stiegen zwischen den Bäumen auf und schossen zischend durch die Luft. Rötlich gelbe und blaue Blitze wie von Gewehrfeuer zuckten in der Dunkelheit auf, und aus der Ferne hörte sie ein dumpfes Trommeln, das sie zunächst für ein Gewitter hielt, doch dann bemerkte sie, dass es aufgehört hatte zu regnen.

„Pferde!“, flüsterte Bridget.

„Sie galoppieren die Auffahrt herauf“, sagte Dermott.

Bridgets Herz begann, schmerzhaft hart zu hämmern. Sie hatte Angst und lehnte sich gegen Dermott, der beschützend einen Arm um sie legte.

„Was ist hier los?“

„Ich weiß es nicht.“ Sie hörte seine Antwort kaum.

Hinter dem Orangenhain, in der Nähe des Sumpfes, schienen farbige Nebelschleier aus der Dunkelheit aufzusteigen, waberten vom Boden auf wie Zigarrenrauch. Bridget versuchte, die Geräusche zu ignorieren und eine vernünftige Erklärung für die weißen, blauen, roten und gelben ineinander verschwimmenden Erscheinungen zu finden.

Das ist doch nicht möglich, dachte sie, und dennoch schien sich etwas absolut Übernatürliches vor ihren Augen abzuspielen.

In einer Mischung aus Faszination und Entsetzen beobachtete sie, wie der weiße Dunst sich wie morgendlicher Nebel in der schwarzen Nacht verdichtete, wie er solider wurde und Gestalt annahm, zunächst die einer Glocke, dann die einer Sanduhr …

Autor

Jule Mc Bride
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Rebecca Daniels
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Nancy Gideon
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