Tiffany Exklusiv Band 98

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BRUCHLANDUNG AUF LOVE ISLAND von LORI WILDE
Italienische Lederslipper, Hundert-Dollar-Haarschnitt, arrogant: Die Pilotin Sophia Cruz findet ihren Passagier nicht übermäßig sympathisch. Doch ihre Bruchlandung auf einer kleinen Insel ändert alles: Gibb ist barfuß, sein Haar ist zerzaust. Und arrogant? Nicht nach einer heißen Nacht …

FEUER IN DEINEM BLUT von LESLIE KELLY
Sie geht Mike nicht mehr aus dem Kopf, seit er sie auf der Fähre zur Insel kennengelernt hat: Lindsey ist wie Feuer in seinem Blut. Was macht sie hier, wo wohnt sie – und wie bekommt er sie ins Bett?

COCONUT CAYE – INSEL DER LUST von ALISON KENT
Der Bootstrip durch die Karibik ist ziemlich kurz: Ray und die Powerfrau Sydney stranden auf Coconut Caye. Der weiße Sandstrand und die verschwiegene Lagune laden zum Sex geradezu ein. Außerdem hat Sydney hier genug Zeit, um herauszufinden, ob sie noch etwas für Ray empfindet, mit dem sie vor Jahren schon einmal eine zärtliche Nacht verbracht hat …


  • Erscheinungstag 10.05.2022
  • Bandnummer 98
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507646
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lori Wilde, Leslie Kelly, Alison Kent

TIFFANY EXKLUSIV BAND 98

1. KAPITEL

Der verrückte Amerikaner trägt trotz des schwülen Sommerwetters noch immer einen Designeranzug? Sophia Cruz lag in der Hängematte und schaute hinüber zur exklusiven Ferienanlage Bosque de Los Dioses in Costa Rica. Das in der vulkanischen Bergkette Cordillera de Tilarán gelegene und nur durch ein Buschflugzeug erreichbare Resort war vierzig Kilometer vom nächsten Dorf, Monteverde, entfernt. Bosque de Los Dioses war der streng geheime Zufluchtsort, an dem sich die Reichen, Berühmten und Einflussreichen erholten.

Sophia dagegen war in Monteverde geboren und aufgewachsen und fühlte sich in den Bergen zu Hause. Im Lauf der Jahre hatte sie viele Fremde kommen und gehen sehen – aber noch nie jemanden, der so gestresst wirkte wie der blonde Mann im grauen Armani-Anzug aus Seide.

Seit zwei Wochen hielt er sich im Resort auf. Doch sie hatte ihn nicht ein einziges Mal in Jeans oder Shorts, in Sandalen oder auch nur in einem kurzärmeligen Hemd zu Gesicht bekommen. Er befand sich in einem tropischen Paradies und trug immer einen Anzug, eine Krawatte und teure Lederschuhe. Warum? Die Frage faszinierte sie. Der Mann faszinierte sie.

Sie schob den Cowboyhut aus Stroh etwas tiefer ins Gesicht. Das Hutband hatte sie mit einer violetten Orchideenblüte geschmückt, die sie von einer Pflanze in der Nähe gezupft hatte. Dann rückte sie die rosarote herzförmige Sonnenbrille zurecht, um den gut aussehenden Mann durch die getönten Gläser besser mustern zu können.

Mit dem Handy am Ohr ging er auf der Veranda des von Ron-Ron- und Palasabäumen umsäumten, luxuriösen Baumhausbungalows auf und ab. Das massive Platingliederarmband an seinem Handgelenk reflektierte das Sonnenlicht. Das Armband war wie der Rest von ihm: Glatt und edel, aber unter der glänzenden Fassade unbestreitbar maskulin. Zweifellos war er ein wohlhabender Geschäftsmann – unverfroren, anspruchsvoll und ständig in Bewegung. Wer sonst hätte es so eilig, zum selben Ort wie jeder andere auch zu kommen?

„Egal, woher man stammt – letztendlich landet man auf dem Friedhof“, sagte ihr Vater oft. „Da kann man sich genauso gut auf dem Weg dorthin Zeit lassen und die Aussicht genießen.“

Das entsprach der Lebensart der Costa Ricaner: Ruhe zu bewahren und dankbar für das zu sein, was man hatte. Aber vielleicht war es auch einfacher, die Dinge philosophisch zu sehen, wenn man von so viel Schönheit umgeben war wie die Menschen hier.

Und die Aussicht, die sich Sophia im Moment bot, war so lecker wie das traditionelle Mittagsgericht El casado mit Bohnen, Reis, gebratenen Kochbananen, Salat und Fleisch. El casado bedeutete so viel wie „der Verheiratete“. Das Gericht hieß so, weil Ehefrauen es ihren Ehemännern eingepackt in eine braune Papiertüte zur Arbeit mitgaben.

Der Mann auf der Veranda wirkte allerdings absolut nicht wie ein aufmerksamer Ehegatte. Sophia lachte leise bei dem Gedanken, dass er mit einer braunen Papiertüte unterwegs wäre. Im Sonnenschein glänzten seine blonden Haare. Der Kurzhaarschnitt schmeichelte seinem Gesicht, das vielleicht zu hübsch gewesen wäre, wenn er keine gebrochene Nase hätte. Sophia musste zugeben, dass sie eine Schwäche für blonde Männer hatte. Vermutlich, weil sie unter dunkelhaarigen groß geworden war.

Laut der Kreditkarte, mit der er seinen Flug bezahlt hatte, hieß der Blondschopf Gibb Martin. Er war etwa 1,82 m groß, schlank, athletisch und bewegte sich geschmeidig wie ein Jaguar. Er schien seine übermäßig männliche Energie kaum zügeln zu können. Als sie sich vorstellte, über seine Bizeps zu streichen, prickelte ihre Handfläche. Im Moment konnte er sie von dort drüben nicht sehen. Aber sie wusste, dass er graue Augen und einen durchdringenden Blick hatte. Sie hatte das Gefühl gehabt, er könnte ihr bis in die Seele sehen, als er ihr in die Augen geschaut hatte.

Sophia erschauerte, als sie sich an den Tag erinnerte, an dem sie ihn vom Libera Airport hierhergeflogen hatte. Er hatte sich für den Flug bedankt, ihre Hand geschüttelt und sie einen Moment länger festgehalten, als es angemessen gewesen wäre. Ihr Herz hatte einen Schlag ausgesetzt. Sie hatte das Gefühl gehabt, es wäre ein Wendepunkt in ihrem Leben. Aber vielleicht hatte sie sich das alles auch nur eingebildet.

Denn damals war Gibb Martin von einer Frau begleitet worden. Eine groß gewachsene, dünne Blondine mit Schmollmund, raspelkurzen Haaren und sehr großen Brüsten. Sophia dagegen war klein gewachsen, hatte Rundungen und Kurven, schwarze, taillenlange Haare und eine eher bescheidene Oberweite. Als Teenager hatten ihre Brüder sie deswegen geneckt. Zum Glück hatte sie seitdem noch eine Körbchengröße zugelegt.

Die Blondine hatte keinen glücklichen Eindruck vermittelt und sich ständig beschwert. Über das kleine Flugzeug, die Schwüle und darüber, dass die Kekse und Cracker, die Sophia für Gäste an Bord hatte, nicht glutenfrei waren. Aber schließlich hatte ihr die Frau sogar leidgetan. Denn der Amerikaner hatte während des gesamten Fluges kaum von seinem Laptop aufgesehen.

Seitdem waren zwei Wochen vergangen und die Blondine schien immer noch nicht glücklich zu sein. Sie trat auf den Balkon und stützte die Hände in die Hüften. Ihr roter String-Bikini verhüllte nur das Nötigste. Verglichen mit einer Frau wie dieser kam sich Sophia in den abgeschnittenen Jeans und dem weißen bauchfreien Top wie eine plumpe Matrone vor.

„Gibby!“, rief die Blondine.

Er runzelte gereizt die Stirn und zeigte auf das Handy an seinem Ohr. Die unausgesprochene Botschaft lautete: Das ist ein wichtiger Anruf.

Arme Blondie. Er hat keine Zeit für seine großartige Freundin, dachte Sophia.

Die Frau blickte ihn finster an. „Wenn du nicht endlich aufhörst zu telefonieren und mich irgendwohin bringst, wo wir Spaß haben, fliege ich heute Abend nach Miami zurück.“

Der Mann hielt das Handy an seine Brust, ging zu ihr, flüsterte ihr etwas ins Ohr und tätschelte ihren Po. Die Blondine kicherte.

Sophia fühlte einen Stich. Eifersucht? Natürlich nicht. Warum sollte sie eifersüchtig auf ein umwerfend schönes Model mit Beinen bis zum Hals sein, die einen reichen, gut aussehenden Mann am Gängelband hatte? Einen Mann, der seine Freundin meistens ignorierte? Damit gäbe sie sich nie zufrieden. Sie verlangte brennende Leidenschaft.

Besänftigt streckte die Blondine ihre Hand aus. Er zückte seine Brieftasche und gab ihr seine ‚schwarze‘ Kreditkarte ohne Verfügungsrahmen. Die Frau küsste ihn auf die Wange.

Sophia schnaubte. Er kauft sich von ihr frei. Wie könnte sie darauf eifersüchtig sein? Seit seiner Ankunft telefonierte Gibb Martin oder befand sich in Meetings mit anderen Geschäftsmännern, die Sophia hierhergeflogen hatte. Währenddessen hatte die Blondine ihre Zeit im luxuriösen Spa des Resorts verbracht.

Ihre älteste Schwester Josie war als Masseurin im Spa tätig. Wie alle anderen Mitarbeiter des Resorts hatte sie eine Vereinbarung unterschreiben müssen, die Geheimhaltung garantierte. Die Mitarbeiter durften sich nur miteinander über die Gäste unterhalten – und selbst dann mussten sie sicherstellen, dass niemand ihre Gespräche mithörte.

Einige Minuten später kam Josie mit einer braunen Papiertüte zum Mittagessen aus dem Personaleingang. Hola.“

„Was gibt’s Neues?“ Obwohl sie in einem zweisprachigen Haushalt groß geworden waren, bevorzugte Josie Spanisch. Sophia dagegen fielen zuerst die englischen Begriffe ein. Wahrscheinlich weil sie ein Jahr lang, nachdem ihre Mutter gestorben war, bei ihrer Tante in Kalifornien gewohnt hatte. So jung wie sie damals gewesen war, hatte sie keine Probleme gehabt, sich der fremden Kultur anzupassen.

„Nichts.“ Sie setzte sich auf die Zementbank neben den leeren Hängematten, die für die Gäste an den Bäumen befestigt worden waren. Um diese Tageszeit machten fast alle Touristen Ausflüge in die Umgebung. „Was machst du hier?“

„Ich warte. Um zwei Uhr fliege ich Gäste nach Libera.“

„Wie hält sich El Diablo? Dieses Flugzeug ist so alt wie ich.“ Josie war einundvierzig Jahre alt – vierzehn Jahre älter als Sophia. Mehr als ihr halbes Leben lang war sie mit Jorge verheiratet. Seit der Highschool waren die beiden schon zusammen. Mit ihm hatte sie zwei Kinder im Teenageralter.

„Das Flugzeug ist perfekt in Schuss.“ El Diablo, eine 1971 Piper Cherokee 180F, hatte sie von ihrem Vater geerbt, als er vor zwei Jahren in den Ruhestand gegangen war. Sophia hatte als Einziges von sieben Kindern Interesse am Fliegen gezeigt. Ihre Geschwister hatten sie nicht um das Buschflugzeug beneidet, denn sie betrachteten es als Last und nicht als Segen.

Natürlich war El Diablo eine alte Klapperkiste. Aber sie liebte das Fliegen und verdiente ihren Lebensunterhalt damit, Touristen durch die Luft zu befördern. Gerade hatte sie die Ausbildung als Luftfahrzeugmechanikerin abgeschlossen. Also konnte sie selbst dafür sorgen, dass sich die Maschine in bestmöglichem Zustand befand.

Josie packte die mit Rindfleisch, Käse und Zwiebeln gefüllte Maismehltasche aus. „Du hast Poppy sehr stolz gemacht.“

Sophia warf erneut einen verstohlenen Blick auf den Bungalow, den Gibb Martin gemietet hatte. Blondie kam jetzt auf die Veranda, lehnte sich über das Geländer und winkte lächelnd zu ihnen herüber.

Josie winkte zurück und erwiderte das Lächeln.

„Kennst du sie?“

„Während der letzten zwei Wochen lag sie jeden Tag auf meiner Massageliege. Um zwei Uhr hat sie den nächsten Termin. Mit der Kreditkarte ihres Freundes spendiert sie immer reichlich Trinkgeld. Da winke ich ihr auch gerne zu, wenn ihr das gefällt.“

„Mir scheint sie ein wenig oberflächlich zu sein“, lästerte Sophia und hielt sich einen Moment später zerknirscht die Hand vor den Mund.

„Stacy ziert als Model die Titelblätter der Zeitschriften“, meinte Josie. „Was sonst erwartest du von ihr?“

„Etwas, das ein bisschen weniger dem Klischee entspricht?“

„Haben deine spitzen Bemerkungen irgendetwas mit der Tatsache zu tun, dass sie die Freundin dieses gut aussehenden amerikanischen Geschäftsmannes ist, den du ständig anstarrst?“

„Ich starre ihn nicht an“, antwortete Sophia, bevor sie einräumte: „Vielleicht ein wenig. Aber wie oft sieht man hier blonde Männer? Es geht nicht um ihn, sondern nur um seine Haare.“

„Aha.“

„Es ist so.“

Josie deutete mit dem Kopf auf einen kahlen Mann etwa Mitte Dreißig, der mit seinen Kumpeln auf der Fußgängerbrücke aus Seilen herumblödelte, die das Haupthaus mit den Bungalows verband. „Dann würdest du also diesen Mann anstarren, wenn er blonde Haare hätte?“

„Ja, sicher“, log Sophia.

Ihre Schwester schnaubte. „Übrigens starrt dieser Geschäftsmann auch dich an, wenn du nicht hinsiehst.“

„Ja?“ Sie war überrascht, dass ihre Stimme fast eine Oktave höher klang als sonst.

Josie nickte. „Und wie.“ Als Sophia den Kopf einzog und rot wurde, sah sie sie vielsagend an. „Läuft es nicht gut mit Emilio?“

„Was?“ Sophia war überrascht. „Nein. Emilio ist toll …“

„Aber er ist in San José und der gut aussehende große Blonde ist hier?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Das musstest du nicht.“

Josie täuscht sich. Ich bin nicht so flatterhaft. Oder?

„Sophia, mit mir kannst du reden. Was ist los?“

Sie zuckte die Schultern. „Nichts. Wirklich.“ Aber vor Josie hatte sie noch nie etwas verbergen können. „Zwischen Emilio und mit entwickelt sich eher eine solide Freundschaft als eine glühend heiße Liebesgeschichte“, gab sie schließlich zu. „Wir hatten in den letzten zwei Monaten fünf Verabredungen und haben noch nicht einmal miteinander geschlafen. Sollten wir uns nicht eigentlich nacheinander sehnen und verzehren, wenn wir getrennt sind?“

„Du erwartest zu viel. Emilio ist ein netter Mann und gibt bestimmt einen guten Ehemann und Vater ab.“

„Und das genügt?“

Lächelnd stand Josie auf. „Was gibt es sonst noch?“

„Zum Beispiel Leidenschaft.“

„Leidenschaft vergeht. Dann ist es Freundschaft, die zählt.“

„Das hört sich an, als wäre die Ehe furchtbar langweilig.“ Sophia gähnte.

„Überhaupt nicht. Im Laufe der Zeit wirst du begreifen, dass andere Dinge mehr wert sind als Leidenschaft.“

„Das mag für dich funktionieren, Josie. Aber ich will, dass es funkt. Ein Feuerwerk der Gefühle. Immer.“

„Du bist Mutter ähnlicher, als du glaubst. Diesen blauäugigen Idealismus hast du von ihr.“

„Wenn Mutter nicht an dauerhafte leidenschaftliche Liebe geglaubt hätte, wäre sie nicht in Costa Rica geblieben und hätte keine sieben Kinder bekommen“, erwiderte Sophia.

„Das ist wahr. Aber was hat sie nicht alles dafür aufgegeben.“

„Für die Liebe.“

„Das war nicht leicht für sie“, meinte Josie. „Sie musste in einem anderen Land von vorn beginnen, eine neue Sprache lernen, sich in einer fremden Kultur zurechtfinden.“

„Aber sie hat es getan, weil sie Poppy so sehr geliebt hat. Das ist es, was ich will. Jemanden, der mir die Sterne vom Himmel holt.“

„Du wirst nicht jünger, Sophia. Bald wirst du aus dem Alter heraus sein, in dem eine Frau am besten Kinder bekommt.“

„Na, vielen Dank dafür.“ Sie fegte die Orchideenblüte zur Seite, die von der Hutkrempe gerutscht war. „Ich habe noch nicht einmal entfernt daran gedacht, Kinder zu bekommen.“

„Ich weiß. Doch das solltest du“, sagte Josie. „Die biologische Uhr tickt.“

„Ich will noch ein bisschen meinen Spaß haben.“

„Babys machen Spaß – nur auf andere Art und Weise.“

„Wenn du das sagst.“

„Du liebst doch deine Nichten und Neffen.“

„Ja. Aber jetzt hör auf, mich für die Mutterschaft zu begeistern. Wenn ich den richtigen Mann finde – mit dem ich eine sehr leidenschaftliche Beziehung haben werde –, kommt der Rest von ganz allein.“ Sophia betrachtete wieder Gibb Martin, der auf der Veranda des Bungalows unentwegt auf und ab ging.

Josie neigte den Kopf zur Seite. „Der Amerikaner ist nicht der Richtige für dich.“

„Natürlich nicht. Das habe ich auch nie angenommen. Er schwimmt im Geld und spielt in einer anderen Liga. Aber sexuelle Fantasien darf eine Frau doch haben, oder?“

„Gib Emilio eine Chance. Bring ihn am Sonntag zum Abendessen mit.“

„Mal sehen.“

Josie richtete einen strengen Finger auf ihre jüngere Schwester. „Bring ihn einfach mit.“

Sophia verdrehte die Augen. Sie war erst zwölf Jahre alt gewesen, als ihre Mutter an Hirnhautentzündung gestorben war. Und als sie ein Jahr später aus Kalifornien kam, hatte ihre älteste Schwester die Mutterrolle übernommen. Manchmal konnte Josie ein bisschen übergriffig sein. „Geh zurück und massiere dem reichen Model den Rücken“, konterte Sophia.

„Ich liebe dich“, sagte Josie noch zuckersüß über die Schulter, als sie ins Spa zurückging.

Erneut warf Sophia einen Blick hinüber zum Bungalow. Blondie war verschwunden, aber der Amerikaner ging noch immer telefonierend auf und ab. Machte der Mann jemals nur einen Augenblick Pause, um Spaß zu haben?

Sie sah zum Himmel, um die Uhrzeit nach dem Stand der Sonne einzuschätzen. Sie trug nie eine Uhr. Wahrscheinlich war es halb zwei. Dann blieb ihr gerade noch genug Zeit, das Flugzeug aufzutanken und es vor dem Abflug durchzuchecken. Gähnend stieg sie aus der Hängematte und streckte sich. Mit jeder Bewegung rutschte ihr bauchfreies Top weiter nach oben.

Gibb Martin lehnte sich über das Verandageländer.

Er beobachtete sie! Sophia spürte ein Kribbeln im Bauch. Sie hatte das äußerst seltsame Gefühl, dass etwas Kolossales auf sie zukam. Mit seinen faszinierenden grauen Augen starrte er sie an. Zum Glück trug sie ihre Sonnenbrille. Als er den Mund langsam zu einem Lächeln verzog, war sie wie elektrisiert und unterdrückte ein selbstgefälliges Grinsen. Dem Model mochte er nicht viel Aufmerksamkeit schenken. Aber sie stand in seinem Fokus.

Sie tat so, als hätte sie nicht bemerkt, dass er sie beobachtete. Lässig nahm sie den Strohhut ab, legte den Kopf in den Nacken, fuhr mit den Fingern durch ihre langen Haare, zerzauste sie und biss sich auf die Unterlippe. Jetzt sah sie aus, als käme sie mit wundgeküssten Lippen geradewegs aus dem Bett. Als sie dann zum Flugzeug ging, wiegte sie sich bei jedem Schritt in den Hüften. War es sein heißer Blick, den sie auf den Schultern spürte?

Beiläufig drehte sich Sophia um und sah zur Veranda. Dort war niemand. Sie wurde rot, als ihr klar wurde, dass sie völlig umsonst herumstolziert war. Idiotin!

Aber das spielte keine Rolle. Es handelte sich ja nicht einmal um einen Flirt. Bislang hatte es nur einige verstohlene Blicke und ein Händeschütteln gegeben, das ein wenig zu lange gedauert hatte. Mehr nicht.

Aber eines lernte sie daraus: Wenn ein gut aussehender Fremder, der mit einem Model liiert war, erotische Fantasien in ihr auslöste, funktionierte die Beziehung mit Emilio einfach nicht für sie. Mit einer Freundschaft wären sie besser bedient. Es war Zeit, ihm das zu sagen.

Sie hatte vorgehabt, nach der Arbeit nach San José zu fliegen, um mit Emilio zu grillen. Heute Morgen hatte sie den Proviant dafür in die Kühltasche gepackt. Doch sie verzichtete auf das Grillen und machte ihm stattdessen unmissverständlich klar, dass sie nicht mehr als eine Freundschaft wollte.

Vielleicht war es dumm, sich von einem guten Mann zu trennen, der bestimmt einen wunderbaren Ehemann abgab. Aber Sophia wusste instinktiv, dass es da draußen einen guten Mann gab, der ihre Liebe und Leidenschaft weckte. Und sie hörte nicht auf, nach ihm Ausschau zu halten, bis sie ihn gefunden hatte.

Durch die geöffneten Lamellen der Bambusjalousie betrachtete Gibb den aufreizenden Gang und den sexy Po der kleinen Buschpilotin. Er sollte nicht hinsehen. Schließlich war er in Begleitung von Stacy hier. Aber die heißblütige Costa Ricanerin hatte etwas an sich, das ihn vom ersten Moment an gefangen genommen hatte.

Außerdem hatte sich die Sache mit Stacy einfach überlebt. Die Liaison dauerte schon zwei Jahre und damit achtzehn Monate länger als er vorhergesehen hatte. Sie hatten beide gewusst, dass es sich nicht um eine Langzeitbeziehung handelte. Er hatte eine selbstsichere, schöne Frau als Begleiterin bei geschäftlichen Anlässen gebraucht und sie jemanden, der über ein unbegrenztes Spesenkonto verfügte.

Doch inzwischen gingen sie sich gegenseitig auf die Nerven. Stacy beklagte sich ständig darüber, dass er ein Workaholic wäre. Wie glaubte sie eigentlich, dass er ihre Einkaufsorgien finanzierte? Außerdem war er es leid, dass sie unentwegt um seine Aufmerksamkeit buhlte. Stacy nach Bosque de los Dioses mitzunehmen, war ein Fehler gewesen. Nicht nur, weil er mit der Pilotin flirten wollte.

Die überprüfte gerade eingehend das Flugzeug vor dem Abflug. Als sie sich reckte, um die Landeklappen zu checken, rutschte das weiße bauchfreie Top weiter nach oben und entblößte noch mehr von ihrer glatten gebräunten Haut. Der goldene Ring in ihrem Bauchnabel glitzerte im Sonnenlicht. Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr fast bis zum Ansatz ihres Pos.

Gibb schluckte. Sie hatte Rundungen und Kurven an genau den richtigen Stellen. Ihre Brüste, die sich unter dem Baumwollstoff des weißen Tops abzeichneten, hatten die Größe von perfekten reifen Pfirsichen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

Die am Saum ausgefransten Jeansshorts setzten ihre Beine in Szene. Den rosaroten Strohhut hatte sie auf den Hinterkopf geschoben. Die passende rosarote herzförmige Sonnenbrille saß ihr tief auf der kessen Nase. Die Frau schien eine Schwäche für diese Farbe zu haben. Schon auf dem Flug von Libera hatte sie nach köstlichen rosa Grapefruits geduftet – frisch, süß und herb.

Was trug sie unter der Jeansshorts? Rosafarbene Boxershorts? Einen rosaroten String? Oder überhaupt nichts? Ihm wurde heiß. Moment mal. Er mochte nicht der Typ sein, der sich dauerhaft festlegte. Aber wenn er in einer Beziehung war – ganz egal wie unverbindlich –, ließ er sich nicht mit anderen Frauen ein.

„Du bist ein Serienmonogamist“, hatte ihn sein bester Freund Scott Everly, Lieutenant bei der Küstenwache, oft geneckt. Das stimmte. Er verabredete sich immer mit nur jeweils einer Frau.

Als sein Handy klingelte, trat Gibb vom Fenster zurück und sah auf das Display. Wenn man vom Teufel spricht. Scott war seinen Anrufen in letzter Zeit ausgewichen. Gibb hatte sich gefragt, ob sein Kumpel sich sein Vorhaben, die Küstenwache zu verlassen, noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Er und Scott wollten geschäftlich zusammen in dieses geheime Umweltprojekt einsteigen, das die Art zu reisen revolutionieren wollte.

Deswegen war er in Cordillera de Tilarán. Das Planungsstadium war endlich abgeschlossen. Das Patent war angemeldet, aber noch nicht erteilt worden. Gibb vertraute allerdings darauf, dass es nur eine Frage der Zeit war. Der Erfinder traf nächste Woche hier ein. Jetzt musste ein Prototyp des bahnbrechenden Monorailsystems für die Strecke von achtundvierzig Kilometern zwischen Bosque de Los Dioses und Monteverde gebaut werden.

Das gerade hier zu tun, diente zwei Zielen. Erstens wäre Bosque de Los Dioses endlich durch ein anderes Transportmittel als nur durch das Buschflugzeug erreichbar. Zweitens schreckten der abgelegene Standort und die üppige Vegetation Industriespione ab, die ihn verfolgt hatten. Zweimal in den letzten zwei Jahren hatten ihm Spione von Fisby Corp Ideen für Projekte gestohlen, in die er investiert hatte, und die Produkte dann früher auf den Markt gebracht. Er würde nicht zulassen, dass so etwas wieder geschah.

An diesem Punkt kam Scott ins Spiel. Er war der Einzige, dem Gibb den dafür nötigen Sicherheitsdienst anvertraute. Seit zwei Jahren, als er erstmals in das Projekt investiert hatte, sprachen sie schon darüber, Geschäftspartner zu werden. Um loszulegen hatten sie nur noch auf das Ende von Scotts Dienstzeit bei der Küstenwache gewartet. Doch das Warten machte Gibb nervös. Je länger die Umsetzung des Projekts dauerte, desto wahrscheinlicher wurde es, dass jemand die Idee stahl, bevor das Patent erteilt war.

Gibb nahm den Anruf an. „Scott! Was hast du getrieben?“

„Ich habe mich verliebt“, antwortete Scott.

Gibb lachte. „Also, wann verabschiedest du dich von der Küstenwache? Und wann kannst du nach Costa Rica kommen? Ich brauche dich hier.“

„Ich meine es so. Ich habe mich in die tollste Frau auf der Welt verliebt. Sie ist klug und sexy und …“

Gibb schnaubte. „Hör auf, mich auf den Arm zu nehmen. Wir sind sofort einsatzfähig. Das nötige Material unter strengster Geheimhaltung hierherliefern zu lassen, war ein logistischer Albtraum, das muss ich dir sagen.“

„Du hörst mir nicht zu.“

„Aber sicher, Scott. Du bist heißverliebt. Gut. Großartig. Ich gratuliere. Wann kann ich dich hier erwarten?“

„Sie ist die Tochter des berühmten Meeresforschers Jack Birchard. Aber Jackie ist selbst eine sehr gute Meeresforscherin“, fuhr er einfach fort.

Gibb kratzte sich das Kinn. „Dir ist es ernst?“

„Ich bin bis über beide Ohren verliebt, Kumpel.“

Er versuchte, sich nicht zu beunruhigen. „Was hält Jackie davon, dass du zwei Jahre lang in Costa Rica leben wirst?“

„Ich bleibe bei der Küstenwache.“

„Komm schon, Scott. Wir reden seit einer Ewigkeit darüber. Ich kann das nicht ohne dich schaffen.“

„Sicher kannst du das.“

„In Ordnung. Aber ich will es nicht ohne dich durchziehen. Das Projekt kann uns zu Milliardären machen.“

„Du bist schon Milliardär, Gibb.“

„Nicht im Moment. Nicht nachdem ich so viel Geld in diese Technologie investiert habe.“

„Ach, dann bist du im Moment also nur ein Multimillionär? Wie überlebst du das?“

„Scott, ich kann nicht glauben, dass du mir das antust. Erinnerst du dich daran, wie wir schon als Kinder darüber geredet haben, eines Tages zusammenzuarbeiten? Aber du musstest ja zur Küstenwache gehen.“

„Und du solltest mit mir an Bord kommen, Gibb.“

„Ist es mein Fehler, dass ich seekrank werde?“ Etwas Besseres, als nicht zur Küstenwache zu gehen, hätte ihm nicht passieren können. Sonst hätte er nicht eine beliebte Spiele-App erfunden, die ihn zum Multimillionär gemacht hatte. Das hatte ihn dann in die Lage versetzt, Risikokapitalgeber zu werden, der in die Ideen anderer Leute investierte.

Er hatte das Talent, zukünftige Trends auszumachen, bevor sie sich in dicken Dividenden auszahlten. Das „Wealth Maker Magazine“ hatte ihn als charismatischen Vordenker bezeichnet. Leider hatte ihn das zur Zielscheibe für skrupellose Unternehmer gemacht, die seine Projekte ausspähen und ihm zuvorkommen wollten. Diese Leute zwangen ihn, anderen gegenüber noch verschlossener und misstrauischer zu werden, als er es ohnehin schon war. Scott war der einzige Mensch auf der Welt, dem er voll und ganz vertraute.

„Nein, Gibb. Genauso wenig ist es mein Fehler, dass ich mich verliebt habe.“

„Du lässt mich hängen?“

„Es tut mir leid. Aber ich habe mehr als das gefunden. Ich will nicht so wie du enden.“

„Was soll das denn heißen?“, fragte Gibb verletzt und wütend.

„Ich will nicht so von der Arbeit aufgefressen werden wie du.“

„Wenn ich nicht so viel gearbeitet hätte, wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“

„Und wo bist du, Gibb?“

„An der verdammten Weltspitze.“

„Allein.“

„Ich bin nicht allein, Scott. Ich habe ein gefragtes Model als Freundin, meinen Bentley und mein Strandhaus und …“

„Ich heirate am Samstag, dem vierten Juli, um sechzehn Uhr in Key West an Bord der ‚Sea Anemone‘ , Kai sechzehn. Ich hoffe, du bist dabei.“

Erst in diesem Moment begriff Gibb, wie sehr er sich darauf gefreut hatte, mit seinem Freund zusammenzuarbeiten und ihn an diesem Projekt zu beteiligen. Es war seine Art, sich dafür zu revanchieren, dass Scott ihm das Leben gerettet hatte.

Sein Kumpel trug das gleiche Platinarmband wie er. Gemeinsam hatten sie sich den Männerschmuck als Symbol ihrer unvergänglichen Freundschaft nach der verrückten Tauchexkursion am Great Barrier Reef gekauft, bei der Gibb von einem Stachelrochen in die Brust gestochen worden war. Nur Scotts schnelle Reaktion und seine Erste-Hilfe-Ausbildung hatten Gibb davor bewahrt, den Stachel herauszuziehen und zu sterben. Reflexhaft rieb er sich die Brust. „Diesen Samstag?“

„Diesen Samstag.“

„Aber es ist Mittwoch. Warum hast du es mir nicht früher gesagt?“

„Weil Jackie und ich uns gerade erst verlobt haben.“

„Was?“ Gibb war perplex. „Warum so schnell?“

„Wenn es stimmt, stimmt es. Wir können nicht länger warten, zusammen zu sein.“

„Also ist sie schwanger.“

„Nein, das ist sie nicht“, meinte Scott gereizt.

„Nun mach mal halblang. Als ich vor sechs Wochen mit dir geredet habe, hast du diese Jackie nicht mit einem Ton erwähnt. Wie lange kennst du sie schon?“

„Einen Monat.“

„Einen Monat! Du heiratest eine Frau, die du erst seit einem Monat kennst?“

„Verdirb mir nicht die Freude. Sie ist die Liebe meines Lebens.“

Gibb blinzelte verblüfft. Er konnte nicht glauben, das von Scott zu hören. „Ich kann mich erinnern, dass du ein- oder zweimal gesagt hast, niemals heiraten zu wollen.“

„Damals war ich noch dumm und ignorant. Ich war vorher noch nie wirklich verliebt und wusste nicht, dass es sich so anfühlen kann.“

„Ich erinnere mich, dass du einmal dasselbe über eine Kellnerin in Panama gesagt hast.“ Wer, zum Teufel, war diese Frau, die Scott derart in den Bann zog?

„Das war Lust – was ein großer Unterschied ist. Das weiß ich jetzt. Dir wird das auch klar werden, wenn du die Liebe findest.“

Gibb runzelte die Stirn. „Warte eine Weile. Auch das wird vergehen.“

„Nein, das wird es nicht.“

„Das sagst du jetzt.“

„Kommst du zu unserer Hochzeit?“, fragte Scott.

„Es sollte keine Hochzeit geben. Du wirfst all unsere Pläne über den Haufen und …“

„Tut mir leid. Aber die Begegnung mit Jackie hat alles geändert.“

„Genau das macht mir Angst.“

„Komm zur Hochzeit, wenn du willst. Aber meine Meinung wirst du nicht ändern.“

„Das ist Wahnsinn! Dir ist das Hirn in …“

„Sag es nicht“, meinte Scott drohend.

„… die Hose gerutscht.“, beendete Gibb den Satz. Dann hörte er nur noch ein Freizeichen. Sein allerbester Kumpel auf der Welt hatte einfach aufgelegt. Schockiert starrte er auf das Handy. Es war beunruhigend, wie das Schicksal aus einer Laune heraus das Leben verändern konnte.

2. KAPITEL

Als Gibb Martin mit wild entschlossenem Gesichtsausdruck auf Sophia zukam, tankte sie gerade El Diablo auf. „Sie müssen mich nach Key West fliegen. In Florida.“

Sie zog die Augenbrauen hoch und schob den Zapfhahn wieder in die Treibstoffpumpe. „Was möchten Sie?“

„Ich will sofort von hier weg.“ Ungeduldig tippte er mit einem Finger auf das Gehäuse seiner Rolex.

„Moskitos, Dasselfliegen, Hornissen?“

„Lassen Sie die Witze“, entgegnete er aufgebracht. „Es ist wirklich dringend.“

Sophia hob eine Schulter. „Tut mir leid.“

„Ich bezahle Sie sehr gut.“

„Es geht nicht.“

„Was?“ Gibb war erstaunt, dass sie sich weigerte.

„Nein. Nada.“

„Wie viel würde es kosten, Ihre Meinung zu ändern?“

„Geld ist nicht das Problem“, erklärte Sophia.

„Sondern?“

„Zum einen ist das Flugzeug schon für vierzehn Uhr gebucht.“

„Die Leute können warten“, erwiderte Gibb. „Rufen Sie einen anderen Buschpiloten.“

Meine Güte, dachte Sophia, was für ein arroganter Kerl. „Sie nehmen sich offenbar sehr wichtig, nicht wahr?“

Er schnaubte. „Das ist ein Notfall.“

„Ein Notfall?“ Sophia fühlte sich schuldig. Das war etwas anderes. Warum musste sie immer so vorlaut sein? „Oh, das tut mir sehr leid.“ Sophia war zerknirscht. „Ist jemand gestorben?“

„Schlimmer.“

Sie legte eine Hand auf das Herz. „Was kann schlimmer als der Tod sein?“

„Eine Hochzeit.“

Verwirrt schob sie den Strohhut zurück. „Jemand heiratet? Das ist Ihr Notfall?“

„Ja“, antwortete Gibb kurz angebunden.

„Sind Sie gegen die Ehe?“, fragte Sophia dennoch.

„Nicht im Allgemeinen. Nicht bei den meisten Leuten. Es ist nur nicht mein persönliches Steckenpferd.“

„Steckenpferd?“

„Das bedeutet Wissens- oder Interessengebiet.“

Sie verzog das Gesicht. „Man muss so reden können, dass die anderen einen verstehen. Sonst funktioniert Kommunikation nicht.“

„Vámonos, vámonos.“ Gibb machte eine Handbewegung, als wollte er sie aufscheuchen. „Klappt so die Kommunikation?“

„Etwas verstehe ich immer noch nicht“, meinte Sophia.

Er atmete hörbar aus. „Und das wäre?“

„Wieso ist eine Hochzeit ein Notfall?“

„Ich muss sie verhindern.“

„Ah, verstehe.“ Sophia nickte.

„Was?“

„Sie hängen noch immer an einer früheren Geliebten. Die Frau bricht Ihnen das Herz, weil sie einen anderen heiratet, bevor Sie sich mit ihr versöhnen konnten.“

„Nein, nein.“ Gibb schob die Hände in die Hosentaschen und beugte sich näher zu ihr. „Darum geht es nicht.“

Sein Eau de Cologne duftete nach Kumquats, Leder und Moschus. Nett. „Worum dann?“

„Sie ist die völlig falsche Frau für ihn. Er kennt sie erst seit einem Monat. Das ist lächerlich.“

„Warum?“, fragte Sophia.

„Einen Monat!“, rief Gibb. „Mein bester Freund ist im Begriff, eine Frau zu heiraten, die er erst seit einem Monat kennt.“

„Oh, verstehe. Das bedeutet wirklich das Ende der Welt.“

„Würden Sie einen Mann heiraten, den sie erst seit einem Monat kennen?“

Sophia grinste, weil sie ihn ein wenig aufheitern wollte. „Das hängt vom Mann ab.“

„Sagen Sie mir nicht, dass Sie einer dieser hoffnungslosen Romantiker sind“, spottete Gibb.

„Ich habe die wahre Liebe noch nicht gefunden. Aber das heißt nicht, dass ich nicht an sie glaube. Bestimmt wartet sie irgendwo da draußen auf mich.“

„Bitte, ersparen Sie mir Details.“

„Was ist verkehrt an der Liebe?“

„Sie verdreht und vernebelt einem den Kopf. Sie sorgt dafür, dass man solche Dummheiten macht, wie jemanden zu heiraten, den man erst seit einem Monat kennt.“

„Aber was ist, wenn diese Frau ihren Freund wirklich glücklich macht?“, wandte Sophia ein.

„Das macht sie nicht. Er glaubt nur, dass sie das tut.“

„Wie können Sie da so sicher sein?“

„Sehen Sie“, meinte Gibb, „ich habe nicht die Zeit für endlose Diskussionen. Mein bester Kumpel ist im Begriff, den größten Fehler seines Lebens zu begehen. Ich muss sofort nach Key West, um ihn davor zu bewahren.“

„Können Sie ihm das nicht am Telefon sagen?“

„Er hat einfach aufgelegt. Und als ich versucht habe, ihn zurückzurufen, war er nicht erreichbar – nicht einmal per Mailbox.“

„Ich kann verstehen, warum“, sagte Sophia. „Ganz offensichtlich haben Sie überreagiert.“

Gibb hob abwehrend die Hände. „Hören Sie, Ihre Meinung brauche ich nicht – nur Ihr Know-how als Pilotin. Wie viel würde es kosten, wenn Sie mich sofort nach Key West fliegen?“

Sie warf einen Blick auf El Diablo. Weiter als nach Belize war sie noch nie geflogen. „Mein Flugzeug ist nicht für lange Strecken ausgerüstet. Nach Key West sind es über fünfzehnhundert Kilometer.“

Er winkte ab. „Sie können das. Ich habe beobachtet, wie Sie in den letzten zwei Wochen Passagiere ein- und ausgeflogen haben. Sie sind eine ausgezeichnete Pilotin.“

Sophia fühlte sich geschmeichelt. Er hatte sie beobachtet? Sie sehnte sich danach, ihre Fähigkeiten als Pilotin unter Beweis zu stellen und ihm zu zeigen, dass er recht hatte. Verdammt, das war gefährlich. „Vielen Dank für das Kompliment. Aber die Tanks eines so kleinen Flugzeugs nehmen für diesen Trip nicht genug Treibstoff auf. Wir müssten zwischenlanden, um aufzutanken.“

„Dann tun wir das. Lassen Sie uns starten.“ Gibb öffnete die Pilotentür und deutete ihr an einzusteigen.

Sie ging zu ihm, um die Tür zu schließen. „Sie sind ein sehr nerviger Mann.“

„Wie viel?“ Er nahm seine Brieftasche und begann, Hundertdollarnoten herauszuholen. „Zweitausend. Reicht das?“

Sophia blinzelte. Zweitausend Dollar? Damit könnte sie ihre Schulden bezahlen, die ihr durch die Ausbildung zur Luftfahrzeugmechanikerin entstanden waren. „Bezahlen Sie auch den Treibstoff?“

„Ja. Sicher.“

„Sie müssen ziemlich verzweifelt sein.“

„Das bin ich“, meinte Gibb. „Außerdem bin ich reich und bekomme immer, was ich will.“

„Diesmal nicht.“ Sophia verschränkte die Arme vor der Brust. „Denn zudem braut sich ein tropischer Wirbelsturm über der Karibik zusammen.“

„Der kann sich leicht nördlich von Florida austoben.“

„Vielleicht. Vielleicht nicht.“

„Wann soll er auf Land treffen?“, fragte Gibb.

Sophia zuckte die Schultern. „Das Wetter ist unvorhersehbar. Vielleicht in zwei Tagen.“

„Zwei Tage? Da werden wir längst in Key West sein.“

„Der Sturm kann früher einsetzen.“

„Oder später.“

„Das stimmt.“

„Er könnte sich auch einfach auflösen.“

„Ich spiele nicht mit dem Leben meiner Passagiere.“

„Sie können das Wetter während des Fluges checken“, schlug Gibb vor. „Falls der Sturm früher als erwartet einsetzt, gebe ich mich geschlagen und nehme es als Zeichen, dass Scott und Jackie füreinander bestimmt sind.“

„Das können Sie akzeptieren?“, fragte Sophia.

„Sie sind die Pilotin. Wenn wir erst einmal in der Luft sind, haben Sie die Kontrolle über das Flugzeug.“

Das war ein interessantes Eingeständnis für jemanden, der ein Kontrollfreak zu sein schien. Konnte sie darauf vertrauen, dass er zu seinem Wort stand? „Ich kann nicht einfach ins Flugzeug steigen und abheben. Zuerst muss ich einen Flugplan erstellen und die Genehmigung einholen, durch den Luftraum der auf dem Weg liegenden anderen Länder fliegen zu dürfen.“

Gibb zog jetzt eine Reihe von Kreditkarten aus der Brieftasche. „Dreitausend Dollar.“

Sophia befeuchtete sich die Lippen. Welche Summe wäre er noch zu zahlen bereit? Es war purer Wahnsinn, auch nur in Erwägung zu ziehen, ihn nach Florida zu fliegen. Aber sie liebte Herausforderungen, und ein Teil von ihr wollte herausfinden, ob sie es tun könnte. Nicht zuletzt würde sie dann wissen, wozu sie und El Diablo wirklich in der Lage waren.

Setze Prioritäten, hatte ihre Mutter sie wiederholt ermahnt. Denn sie tendierte dazu, einem Abenteuer Vorrang vor der Verantwortung einzuräumen. Außerdem erwartete Emilio sie heute Abend zum Grillen, und sie wollte sich mit ihm aussprechen. Andererseits: Was schadete es, ihm die schlechte Nachricht später zu übermitteln? „Mr. Martin, ich fliege Sie sehr gern zusammen mit den jeden Moment eintreffenden Passagieren nach Libera“, bot sie an. „Dort können Sie das nächste Flugzeug nach Florida nehmen.“

„Diese Lösung funktioniert nicht.“

„Warum nicht?“, fragte Sophia verdutzt und musterte ihn aufmerksam.

„Das muss ich Ihnen nicht erklären.“

„Haben Sie keinen eigenen Jet? Ein reicher Mann wie Sie?“

„Ich haben meinen eigenen Jet. Aber das geht Sie nichts an.“

„Oh, ich verstehe. Sie wollen nicht, dass irgendjemand Ihren Aufenthaltsort nachverfolgen kann.“

„Ja“, sagte Gibb erleichtert. „Ihre Diskretion in dieser Angelegenheit ist sehr wichtig. Kann ich Ihnen vertrauen?“

„Natürlich.“

Das Ehepaar aus Argentinien, das Sophia nach Libera fliegen sollte, kam zum Flugzeug. Ein Hotelpage folgte ihnen in einem Golfwagen mit dem Gepäck.

„Hier sind meine Passagiere, Mr. Martin“, meinte Sophia. „Es tut mir leid wegen Ihres Dilemmas, aber …“

Gibb drehte sich zu dem grauhaarigen, distinguiert aussehenden Mann etwa Mitte Fünfzig um. „Was kostet es, wenn Sie ein anderes Buschflugzeug zum Flughafen nehmen?“

„Pardon?“

Er wedelte mit dem Bargeld. „Wie viel? Ich brauche dieses Flugzeug.“

„Sie denken nicht rational, Mr. Martin“, schaltete sich Sophia ein. Sie war überrascht, dass der kühle Amerikaner so leidenschaftlich werden konnte. Zu dem Ehepaar sagte sie: „Er versucht, eine Hochzeit zu verhindern.“

„Oh, amor“, sagte die Frau. „Wie romantisch. Er will Anspruch auf seine Frau erheben, bevor sie einen anderen heiratet.“

Gibb hielt sich nicht damit auf, den Gedankenfehler Frau zu korrigieren.

Der Argentinier ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, nahm die Geldscheine und steckte sie in seine Hosentasche. „Das Flugzeug steht zur Ihrer Verfügung.“ Er legte den Arm um die Taille seiner Ehefrau. „Wie könnten wir wahrer Liebe im Weg stehen?“

„Wenn Sie warten, bis ein anderes Buschflugzeug eintrifft, könnten Sie Ihren Anschlussflug verpassen“, sagte Sophia zu dem Ehepaar.

„Wir fliegen mit Standby-Tickets. Wenn wir einen Flug verpassen …“ Der Argentinier zuckte die Schultern. „Dann nehmen wir einen anderen.“ Der Page fuhr sie im Golfwagen zurück ins Resort.

„Das Problem ist gelöst“, stellte Gibb mit großer Geste fest. „Machen wir uns auf den Weg, Amelia.“

„Ich heiße Sophia. Sophia Cruz. Sie haben meinen Namen vergessen.“

„Ich gebe es zu“, meinte er verlegen. „Entschuldigung. Können wir jetzt an den Start gehen?“

Sie sollte Nein sagen. Das wäre vernünftig. Fast jeder andere sagte in so einem Fall Nein. Gibb Martin war aufdringlich, arrogant und machte sie wütend. Gleichzeitig versetzte ihr der Gedanke, bis nach Florida zu fliegen, einen Kick. Aber war es klug? Sie musste ihren Vater fragen. Nur er konnte ihr sagen, ob El Diablo tatsächlich diese lange Strecke bewältigen konnte. „Nicht so schnell, Norte“, sagte sie, als Gibb bereits ins Flugzeug stieg.

Er hob eine Augenbraue. „Norte?“

„Norte bedeutet, dass jemand aus dem Norden kommt. Gewöhnlich aus den USA. Dort kommen Sie doch her, oder nicht?“

„So wie Sie es sagen, klingt das sehr abschätzig.“

„Nein, so ist das nicht gemeint.“ Sophia schüttelte den Kopf. „Wenn Sie glauben, dass es abschätzig ist, wenn man aus den USA kommt, ist das Ihre Angelegenheit.“

Gibb drückte das Kreuz durch. „Ich glaube nicht, dass es schlecht ist, aus den USA zu kommen.“

„Ich auch nicht. Also warum fühlen Sie sich durch das Wort Norte beleidigt?“

„Sie sind ein Schlitzohr, Ms. Cruz.“

Sophia setzte ein brüskiertes Gesicht auf. „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Sie irritieren mich absichtlich.“

„Wenn Sie nicht so empfindlich wären, Mr. Martin, könnte ich Sie nicht aus der Ruhe bringen.“

„Können wir jetzt einfach nach Key West fliegen?“

„Bevor ich diesem Arrangement zustimme, muss ich zuerst einige Telefonanrufe erledigen.“

Gibb tippte mit der Fingerspitze auf sein rechtes Handgelenk. „Wir verschwenden Zeit.“

„Das ist ein Armband, keine Uhr.“

„Dennoch verstehen Sie, was gemeint ist. Es ist das allgemeine Zeichen für die Aufforderung zur Eile.“

„Norte“, murrte Sophia.

„Diesmal sind Sie abschätzig.“

„Sie sind ein ziemlicher Blödmann, wissen Sie das?“

„Solange ich bekomme, was ich will, ist mir das egal“, erwiderte er entschlossen.

Allmählich begann Sophia zu verstehen, warum Blondie neunzig Prozent der Zeit über verärgert wirkte. Zudem wurde ihr klar, dass sie sich von Gibb Martin gleichzeitig angezogen und abgestoßen fühlte. Ein Teil von ihr wollte ihn erwürgen, ein anderer ihn küssen. Umso mehr sollte sie ihn nicht nach Key West befördern. Also, warum stimmte sie zu?

Gibb ging vor dem Flugzeug auf und ab und sah wiederholt auf die Uhr. Er hatte nicht den ganzen Tag Zeit. Während Sophia beschäftigt war, hatte er mehrmals versucht, Scott anzurufen. Doch sein Freund meldete sich immer noch nicht. Kann ich ihm das verübeln? Ich habe mich wie ein Arschloch aufgeführt. Wenn auch zu Scotts Bestem!

Sie kannten sich, seit sie auf dem Spielplatz im Kindergarten die Sandwiches getauscht hatten. Gibb hatte sein Hummerbrötchen bereitwillig für Scotts gewöhnliches Sandwich mit Erdnussbutter und Traubengelee hergegeben. Nachdem sein Kumpel das Hummerbrötchen gekostet hatte, war er in Tränen ausgebrochen und hatte sein Sandwich zurückverlangt. Heute lachten sie darüber. Gibbs Mutter hatte keine Ahnung gehabt, welches Sandwich für einen Fünfjährigen angemessen war.

Winnie hatte einen exquisiten, luxuriösen Geschmack und immer angenommen, dass es allen anderen ebenso ging. Mehr als einmal hatte die Polizei vor der Tür gestanden, um ihr zu sagen, dass sie im Gefängnis landete, wenn sie nicht für die ungedeckten Schecks aufkäme. Irgendwie hatte sie es immer geschafft, das Gesetz zu umgehen, bis sie den Immobilienmogul James Martin aus Florida geheiratet hatte. Gibb war sieben Jahre alt gewesen, als James ihn adoptiert hatte. Seitdem versuchte er, sich dessen Freizügigkeit als würdig zu erweisen.

„Es ist entschieden.“

Er sah hoch. Sophia stand vor ihm. Sie hatte wunderschöne braune Augen mit ungeheuer langen schwarzen Wimpern und übte eine überwältigende Anziehungskraft auf ihn aus. „Wie entschieden? Ja oder nein?“

„Für eitausend Dollar zuzüglich der Ausgaben für den Treibstoff fliege ich Sie nach Key West.“

Gibb war fast sicher gewesen, dass sie sein Anliegen ablehnte. Dann hätte er es riskieren müssen, in Libera einen Jet zu mieten, und nur hoffen können, dass die Industriespione nicht in seiner Nähe waren. Um nach Bosque de Los Dioses zu kommen, hatte er alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen.

Zuerst hatte er für sich und Stacy zwei Flugtickets nach Europa gebucht, die sie nicht benutzt hatten. Dann hatte er ein kleines Privatflugzeug nach Nicaragua gechartert und unter falschem Namen in einem billigen Motel in San Carlos eingecheckt. Von dort aus hatte er ein Auto gemietet, mit dem er und Stacy nach Libera gefahren worden waren. Er glaubte, alle Spuren verwischt zu haben. Aber wenn einer seiner Konkurrenten herausfand, dass er sich in Costa Rica aufhielt, hatte er zwei Jahre Arbeit und hundert Millionen Dollar umsonst investiert. „Gut, verdammt. Brechen wir auf.“

„Wird Ihre Begleitung mitfliegen?“, erkundigte sich Sophia.

„Wer?“, fragte Gibb. Erst dann wurde ihm bewusst, dass von Stacy die Rede war. „Nein. Sie hat Anwendungen im Spa, und was weiß ich nicht alles. Damit ist sie beschäftigt, bis ich zurückkomme.“

„Haben Sie Gepäck?“

„Keine Zeit. Ich brauche kein Gepäck.“

„Wollen Sie sich nicht wenigstens umziehen?“ Sie deutete auf seinen teuren Anzug.

„Ich bin bereit. Auf geht’s.“

Sophia streckte ihm die Hand hin. „Ich will im Voraus bezahlt werden.“

Gibb reichte ihr eine Kreditkarte. Ihm fiel auf, dass sie schöne Hände mit langen schmalen Fingern hatte. Die Fingernägel waren lachsfarben lackiert.

„Ich bin gleich wieder da.“ Sie ging zum Personaleingang des Flughafens. Nach ein paar Minuten kam sie lächelnd zurück.

Er steckte seine Kreditkarte wieder ein. „Können wir uns jetzt auf den Weg machen?“

„Ich war mit der Überprüfung des Flugzeugs noch nicht fertig. Das muss ich vor dem Abflug nachholen.“

Gibb setzte sich ins Flugzeug und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Instrumentenbrett, während Sophia ihre Checkliste durchging. Er dachte an Scott, sein Projekt und daran, dass all seine Pläne über den Haufen geworfen würden, wenn er seinem Freund die Heirat nicht ausredete.

Sophia kletterte ins Cockpit, nahm den Hut ab, setzte ein Headset auf und kommunizierte mit dem Flughafen in Libera. Fünf Minuten später rollte das Flugzeug, das offenbar auf den ehrfurchtvollen Namen „El Diablo“ hörte, über die schmale Startbahn auf dem Bergplateau und hob ab. Kurz darauf stießen sie durch weißen feinen Nebel.

Das Resort befand sich auf etwa fünfzehnhundert Metern Höhe. Gibb wusste, dass kleine Flugzeuge wie dieses auf maximal dreitausend Metern fliegen konnten. Aber Sophia stieg nicht einmal so hoch hinauf, sondern flog nur knapp über die wolkenverhangenen Bergkuppen. Die Aussicht war einfach atemberaubend. Die luftigen Wolken um sie herum teilten sich ab und zu und gaben die Sicht auf tropisches Grün oder blaugraue gezackte Bergformationen frei.

Sophia saß entspannt auf ihrem Platz. Ihre dunklen Haare umrahmten sexy ihr Gesicht. Ihre vollen roten Lippen waren zu einem entrückten Lächeln verzogen. Die kleinen festen Brüste zeichneten sich unter dem bauchfreien Top ab. Mit den Pedalen kontrollierte sie die Steuerruder. Ihre Beine waren schlank und gebräunt.

Als er den linken Arm hob, bewegte sie gleichzeitig den rechten Arm. Als sie einen Regler bediente, stieß ihr Ellbogen gegen seinen. Wie ein Blitz durchzuckte die Erregung seinen ganzen Körper. Sofort nahm er hastig den Arm weg. Genau wie sie. „Sorry“, murmelte er. Sein Herz hämmerte. In dem kleinen Buschflugzeug befanden sich die Sitze beunruhigend nah nebeneinander. Er hätte sich nach hinten setzen sollen. Warum hatte er das nicht getan?

Sie starrte durch die Windschutzscheibe. Passend zu ihrer zierlichen Statur hatte sie ein zartes Profil mit einer Stupsnase, einer sanft gerundeten Stirn und einem festen kleinen Kinn. Ihr offenes Gesicht strahlte Fröhlichkeit und Zufriedenheit aus. Sie anzusehen, brachte ihn zum Lächeln. Gibb konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sein Leben sich gerade fundamental änderte.

Sophia schien El Diablo mit Leichtigkeit und Ruhe zu steuern. Für ihn war das Fliegen immer nur eine Fähigkeit gewesen, die jeder lernen konnte. Doch als er sie beobachtete, kam er zu dem Schluss, dass es so etwas wie geborene Piloten gab. Sie beherrschte und kontrollierte die Maschine mühelos, und ihr Gespür für Timing war unfehlbar. Sie schien mit dem Flugzeug zu einer Einheit zu verschmelzen.

Es war ein außergewöhnlicher Moment. Gibb fühlte sich wie verwandelt, nur weil er neben ihr saß. Er wusste, dass er in der Lage sein würde, nachts im Bett die Augen zu schließen, erneut mit ihr durch die Luft zu fliegen und diesen süßen tiefen Frieden zu finden.

„Die Schönheit hier oben ist immer wieder ein Erlebnis“, sagte sie atemlos.

„Beeindruckend.“ Er konnte nicht aufhören, sie anzusehen.

Sophia drehte ihm den Kopf zu. „Was würde Blondie dazu sagen?“

Gibb blinzelte. „Wer?“

„Ihre Freundin.“

„Oh, Stacy“, meinte er schließlich. Wahrscheinlich würde sie eine SMS schreiben oder twittern und keine Notiz von der Landschaft nehmen.

„Ich habe nicht von der Landschaft gesprochen.“

„Nein?“

„Was würde sie dazu sagen, dass Sie mich so anstarren?“, fragte Sophia.

„Ich starre Sie nicht an. Ich habe mir das Instrumentenbrett angesehen“, log Gibb.

„Mmh.“

Verdammt, wenn sie nicht wollte, dass Männer sie anguckten, sollte sie nicht solche Shorts tragen. „Sie haben schöne Beine.“

„Blondie auch.“

Gibb atmete hörbar aus. „Offenbar haben Sie in Bezug auf mich und Stacy einen falschen Eindruck gewonnen. Wir sind nur …“ Ja, was waren sie?

Sophia drehte ihm den Kopf zu und hob eine Augenbraue. „Freunde mit Bonus?“

Was den Bonus betraf, hatte sie recht. Was die Freundschaft anging, nur bedingt. „Können wir über etwas anderes reden?“

„Sie haben dreitausend Dollar für den Flug bezahlt. Wir können reden, worüber Sie wollen.“

Nach längerem Schweigen fragte Gibb: „Seit wann sind Sie Pilotin?“

„Ich habe meinen Pilotenschein mit sechzehn Jahren gemacht“, antwortete Sophia stolz.

„Wow, das ist jung.“

„Mein Vater ist Pilot. Das Flugzeug gehörte ihm. Er hat es mir übergeben, nachdem er sich zur Ruhe gesetzt hat.“

„Warum hat er mit dem Fliegen aufgehört?“

„Seine Sehkraft hat stark nachgelassen.“

„Das ist eine Schande“, meinte Gibb.

„Ja, Poppy ist wie ein Vogel mit einem gebrochenen Flügel. Er ist sehr traurig.“

„Sie sprechen Englisch wie eine Muttersprachlerin.“

„Ich habe die doppelte Staatsbürgerschaft und bin zweisprachig aufgewachsen“, erklärte Sophia. „Meine Mutter ist Amerikanerin. Jedes Jahr an Weihnachten haben wir ihre Familie in Kalifornien besucht.“

„Wo in Kalifornien?“

„Ventura.“

„Wirklich? Ich habe ein Strandhaus in Santa Barbara.“

„Natürlich haben Sie das.“

„Was soll dieser Unterton?“, fragte Gibb.

„Welcher Unterton?“

„Mit dem Sie andeuten, dass etwas verkehrt daran ist, reich zu sein.“

Sophia lachte. „Das bilden Sie sich ein, Mr. Martin. Ich wollte überhaupt nichts andeuten.“

„Sie haben also nichts gegen vermögende Leute?“

„Warum sollte ich? Wenn die Reichen, Mächtigen und Berühmten nicht nach Bosque de Los Dioses kämen, wäre ich arbeitslos.“

„Weil ich weiß, wie anspruchsvoll und fordernd reiche Leute sein können. Sie müssen bestimmt eine Menge ertragen.“

Sophia lächelte. „Aha.“

„Aha, was?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Was meinen Sie damit?“, hakte Gibb nach.

„Sie sind derjenige, der Vorurteile gegenüber reichen Leuten hat.“

„Was? Das ist verrückt. Mein Vermögen beläuft sich auf über eine Milliarde Dollar.“ Nun, zumindest vor seiner letzten Investition war das der Fall gewesen. Aber bald wäre er wieder auf diesem Stand. „Warum sollte ich Vorurteile gegenüber reichen Leuten haben? Dann müsste ich ja mir selbst gegenüber Vorurteile haben.“

„Und?“, fragte Sophia. „Haben Sie die?“

Was für eine Frage war das denn? Gibb rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her. „Nein.“

„Sie sind nicht reich geboren.“

Er reckte das Kinn vor. „Wie kommen Sie darauf?“

„Weil Sie in diesem Punkt besonders empfindlich sind.“

„Ich bin nicht …“ Er beschloss, den Mund zu halten und nicht zu widersprechen. Es spielte keine Rolle.

„Sind Sie reich geboren?“, fragte Sophia erneut.

„Nein“, gab Gibb zu.

„Sie sind ein Selfmademan.“

„Schon wieder dieser Unterton. Sie machen sich über mich lustig.“

„Sie missverstehen meine heitere Art als Spott.“

„Tue ich das?“ Er schüttelte den Kopf. Diese Frau brachte ihn völlig durcheinander, und er wusste nicht weshalb. Sicherlich war sie niedlich und sexy. Aber das waren Millionen anderer Frauen auch. Was hatte sie an sich, das ihn aufregte, frustrierte, herausforderte und dafür sorgte, dass er sie packen und bis zur Besinnungslosigkeit küssen wollte?

Als sie beide erneut schwiegen, beschloss er, nichts mehr zu sagen. Er könnte eine Ewigkeit hier sitzen und den Mund halten. Kein weiteres Wort käme über seine Lippen.

Sophia steuerte das Flugzeug nach Norden und summte weich: „Don’t Worry, Be Happy“.

„Okay“, platzte Gibb heraus. „Sie haben recht. Vielleicht bin ich in diesem Punkt besonders empfindlich.“

„Ich weiß.“

Warum musste sie so verdammt fröhlich klingen? Er biss die Zähne zusammen. Kein Wort mehr.

„Was Ihre Empfindlichkeit in diesem Punkt angeht …“, fuhr Sophia fort.

„Ja?“

„Sie rührt von einem Gefühl der Unzulänglichkeit her.“

„Unzulänglichkeit? Wie kommen Sie denn auf so etwas?“

„Warum sonst sollten Sie sich nicht so mögen, wie Sie sind.“

„Ich mag mich so, wie ich bin“, wiedersprach Gibb.

„Tun Sie das?“

„Oh, vielen Dank, Frau Doktor.“ Er wischte sich über die Stirn. „Okay, ich habe mich von Ihnen provozieren lassen. Was genau meinen Sie damit, dass meine Reizbarkeit in diesem Punkt von einem Gefühl der Unzulänglichkeit herrührt?“

Sophia zuckte lässig die Schultern. „Sie haben das Gefühl, Ihren Reichtum nicht zu verdienen.“

Gibb hustete, zerrte an seinem Kragen. Er hatte das Gefühl, völlig von ihr durchschaut zu werden und schutzlos zu sein. Das behagte ihm nicht im Mindesten.

Sie warf ihm einen Blick zu. „Sind Sie in Ordnung?“

„Mir geht es gut.“ Erneut hustete er.

„Die Höhe bewirkt manchmal …“

„Es ist nicht die Höhe.“

„Und wenn Sie vielleicht die Krawatte abnehmen?“

„Mir geht es gut.“

Lächelnd hob Sophia beide Hände, bevor sie wieder den Steuerknüppel umfasste.

Mit ihrem strahlenden Lächeln könnte sie sicherlich jeden Mann blenden. So fröhlich zu sein, war unnatürlich. Gibb nahm die Krawatte ab, öffnete den obersten Hemdknopf und konnte sofort besser atmen.

Sie legte kurz den rechten Zeigefinger auf ihre Lippen. „Ich verspreche, dass ich es niemand sage, wenn sie auch noch das Jackett ausziehen.“

„Ich bin in Ordnung.“

„Wie Sie wünschen“, meinte Sophia.

Schweigend flogen sie über blaues Wasser und viel Land. Gibb war von niemandem mehr so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht worden, seit ihm das letzte Mal ein Industriespion die Idee für ein Projekt gestohlen hatte. Sie summte wieder „Don’t Worry, Be Happy“. Er sah aus dem Seitenfenster auf die grüne Landschaft unter ihm. „Woher wussten Sie das?“

„Was?“

„Dass ich nicht reich geboren wurde.“

„Sie arbeiten so hart. Zu hart.“

„Reiche Leute arbeiten hart.“

„Alter Geldadel weiß sich zu entspannen. Neureiche strampeln sich ab. Sie strampeln sich ab, als wenn sie Angst hätten, dass Ihnen jemand alles wieder wegnimmt.“

„Jetzt hören Sie sich an wie ein Mensch gewordener Glückskeks“, meinte Gibb.

Sophia war nicht beleidigt. „Vielleicht. Und Sie geben achtlos Geld aus. Ich habe gesehen, dass Sie Stacy die ‚schwarze‘ Kreditkarte gegeben haben. Sie wirft jeden Tag im Spa Ihr Geld aus dem Fenster. Leute, die reich geboren wurden, neigen zur Bescheidenheit.“

„Das ist eine Verallgemeinerung.“

„Das stimmt allerdings.“

„Also, ich arbeite hart und gebe viel Geld aus. Na und?“ Ich muss damit aufhören, mich zu wehren. Ich schulde ihr keine Erklärung. „Ich weiß immer noch nicht, wie Sie zu Ihrer Schlussfolgerung kommen.“

„Während der letzten zwei Wochen haben Sie nicht einmal etwas anderes als diese Designeranzüge getragen“, sagte Sophia.

„Ich ziehe sie aus, wenn ich ins Bett gehe“, entgegnete Gibb.

„Aber nicht, wenn die Leute Sie sehen können. Also habe ich mich gefragt, warum sich dieser gut aussehende, erfolgreiche Mann so unter Druck setzt. Eigentlich ist er doch hier, um Urlaub zu machen. Wovor hat er Angst?“ Sie hielt kurz inne. „Und dann hatte ich eine Eingebung: Sie haben sich nie wirklich geliebt gefühlt.“

Es prickelte, als seine Nackenhärchen sich aufstellten. Er versuchte zu lachen. Aber er atmete nur scharf aus.

„Sie treiben sich so unermüdlich an, um Anerkennung zu bekommen“, fuhr Sophia fort. „Status bedeutet Ihnen alles. Sie haben viel Geschick entwickelt, andere für sich einzunehmen. Sie geben sich jedes Image, das für Sie funktioniert. Die teuren Anzüge sind die Uniform der Reichen.“

Gibb war perplex. Woher wusste sie das?

„Sie haben das Gefühl, so wie Sie sind, nicht in Ordnung zu sein. Um geliebt zu werden, müssen Sie die Identität derjenigen annehmen, deren Liebe Sie gewinnen wollen.“

Er wollte es abstreiten und Sophia widersprechen. Aber er fand einfach keine Worte.

„Im Grunde Ihrer Seele glauben Sie, immer zu versagen – ganz egal, wie erfolgreich Sie sind. Sie fühlen sich wie ein Schwindler.“

Gibb beabsichtigte zu erwidern: „Nein, zur Hölle, Sie sind verrückt.“ Stattdessen nickte er nur und sagte: „Leer.“

„Ihr Freund, den sie von der Hochzeit abhalten wollen, kennt Sie seit sehr langer Zeit?“, fragte Sophia.

„Ja.“

„Bevor Sie reich wurden?“

„Stimmt.“

„Er ist der Einzige, der Sie wirklich kennt, nicht wahr?“

War diese Frau eine Hellseherin oder nur verdammt einfühlsam und scharfsichtig? „Woher wissen Sie das?“

Sie sah Gibb an. „Es steht Ihnen ins Gesicht geschrieben. Jeder, der sich die Mühe macht, hinter die Fassade zu blicken, kann das sehen.“

3. KAPITEL

Neben dem Fliegen war ihre Fähigkeit, Menschen intuitiv zu durchschauen Sophias anderes großes Talent. Vielleicht weil sie das jüngste von sieben Geschwistern war. Um ihren Willen durchzusetzen, musste sie zunächst herausfinden, worauf alle anderen aus waren, und dieses Wissen dann zu ihrem Vorteil nutzen. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass sie Menschen liebte und faszinierend fand.

Leider hatte sie auf die harte Tour die Erfahrung machen müssen, dass die meisten Leute es nicht schätzten, ein offenes Buch für sie zu sein. Deshalb behielt sie gewöhnlich ihre Ansichten für sich. Aber etwas an Gibb hatte ihre Zunge gelockert. Jetzt blickte er sie finster an. „Sie sollten stolz darauf sein, ein Selfmademan zu sein“, versuchte sie, die Wogen zu glätten.

„Aber das bin ich nicht.“

„Sie sind also weder reich geboren noch ein Selfmademan. Wie sind Sie denn dann an Ihr Geld gekommen?“, erkundigte sich Sophia.

„Meine Mutter hat einen reichen Mann geheiratet, der mich adoptiert hat.“

„Und er ist gestorben und hat Ihnen all sein Geld hinterlassen?“

„Nein. James ist noch sehr lebendig. Ich habe mein eigenes Geld verdient.“

„Dann sind Sie ein Selfmademan.“

Gibb schüttelte den Kopf. „Ohne James Beziehungen hätte ich es nicht schaffen können.“

„Sie sind in derselben Branche tätig?“, fragte Sophia.

„Nein. Er macht in Immobilien. Ich habe meine ersten Millionen durch eine Spiele-App verdient, die ich für Handys kreiert habe. Damals war diese Industrie gerade im Aufbruch.“

„Wie heißt die App?“

„Zimdiggy.“

„Oh! Das habe ich gespielt. Es macht Spaß. Haben Sie noch mehr solcher Apps erfunden?“

„Ich habe alles an ein großes Unternehmen verkauft und bin dann Risikokapitalgeber geworden“, antwortete Gibb. „Ich bin nicht wirklich ein Mann mit vielen Ideen, sondern eher jemand, der die Erfindungen anderer Leute finanziert und auf den Markt bringt. Ich scheine ein Gespür dafür zu haben, was ein wirklicher Erfolg werden kann, und scheue keine Risiken.“

Diese bescheidene Seite an ihm fand Sophia seltsam. Sie passte nicht zu seinem sehr selbstbewussten Erscheinungsbild. „Sie arbeiten nur deshalb so hart, um reicher zu werden, statt etwas zu tun, das Ihnen Spaß macht?“

Es geht nicht darum, reicher zu werden. „Ich will herausfinden, wie viel ich erreichen kann.“

„Ihre Leidenschaft gilt also dem Erfolg und nicht der Erfindung eigener Spiele-Apps?“

„Auf diese Weise helfe ich anderen Leuten, ihre Ziele zu erreichen.“

„Ihre Spiele-App hilft den Leuten. Zimdiggy hat mich abgelenkt, als ich nach der Augenoperation meines Vaters im Krankenhaus an seinem Bett gesessen habe.“ Sophia bemerkte, dass Gibb kurz lächelte. „Wann kommen Sie dazu, die Früchte Ihrer Arbeit zu genießen?“

„Ich genieße meine Arbeit.“

Er schien wirklich zu glauben, was er sagte. Aber ein verträumter Ausdruck in seinen Augen strafte seine Worte Lügen. Armer Mann. Er war unglücklich und wusste es noch nicht einmal. Aber das sagte sie ihm nicht. Er würde es ohnehin leugnen. „Sehen Sie? Sie haben es aus eigener Kraft nach oben geschafft.“

„Ohne James Hilfe wäre mir das nicht gelungen“, widersprach Gibb.

„Was ist verkehrt daran?“, erkundigte sich Sophia.

„Ich habe das Gefühl, nur durch eine Schicksalswendung dort zu sein, wo ich jetzt bin. Wenn James eine andere Frau als meine Mutter geheiratet hätte, wäre jetzt irgendein anderer Mann an meiner Stelle.“

„Sie unterschätzen sich, Mr. Martin.“

„Gibb. Nennen Sie mich Gibb. Wir haben einen langen Flug vor uns, und wenn Sie mich mit Mr. Martin anreden, denke ich an meinen Stiefvater.“

„Obwohl er Sie adoptiert hat, ist er für Sie immer noch Ihr Stiefvater?“

„James lernt man nicht leicht kennen. Ich will nicht undankbar sein, weil er viel für mich und meine Mutter getan hat. Aber er und ich sind uns nie wirklich nahegekommen.“

Sophia konnte sich das kaum vorstellen, ihr Vater war ihr bester Freund. „Sie sind also ein Einzelkind.“

Gibb nickte.

„Was ist mit Ihrem leiblichen Vater passiert?“

„Wer weiß? Er hat meine Mom verlassen, als ich ein Baby war. Ich habe ihn nie gekannt.“

„Haben Sie nicht den Wunsch, ihn aufzuspüren?“

„Überhaupt nicht.“

Wie traurig. Sophia warf einen Blick auf ihn. Seine Hände waren geballt. Der Mann stand unter Anspannung und konnte seine Energie kaum zähmen. Still zu sitzen fiel ihm offenbar schwer. Ein angenehmer Schauer glitt über ihren Rücken. In dem winzigen Cockpit hüllte sie nicht nur der würzige Duft seines Eau de Colognes ein. Sie nahm auch die Hitze seines Körpers wahr und die raue sexuelle Energie, die er ausstrahlte.

Spürte er das auch? Oder bildete sie sich das nur ein? Als er erneut ihre Beine musterte, flackerte Verlangen in seinen Augen auf. Oh ja, er spürte es auch. Wann hatte sie sich das letzte Mal so stark zu einem Mann hingezogen gefühlt? Er ließ den Blick von ihren Beinen zu den Brüsten wandern. Sein heißblütiger Gesichtsausdruck raubte Sophia den Atem. Aber bestimmt machte sie sich etwas vor. Ein Mann wie Gibb Martin könnte nie an ihr interessiert sein. Jedenfalls nicht auf Dauer.

Das wäre allerdings auch nicht nötig. Mit einer heißen Nacht in seinen Armen wäre sie schon zufrieden. Das war eine sehr aufregende, aber gefährliche Vorstellung. Allein bei dem Gedanken an Sex mit ihm wurde ihr heiß. Verstohlen musterte sie ihn. Der Mann war ein Prachtkerl – toll gebaut, schlank und dennoch muskulös.

Sie schluckte und konzentrierte sich wieder auf die Route. Sie hatten Costa Rica bereits halb überflogen. Bald erreichten sie den Luftraum Nicaraguas.

„Sophia“, murmelte Gibb.

Hatte er ihren Namen gesagt, oder spielte die Fantasie ihr einen Streich? Durch das Motorengeräusch und das Headset hatte sie Probleme, ihn zu verstehen. Sie wandte ihm erneut den Kopf zu. „Ja“, sagte sie, als er sie ansah.

„Sind Sie verheiratet?“

Die Frage überraschte sie. Hitze stieg ihr in die Wangen. Sie hielt die linke Hand hoch, damit Gibb sehen konnte, dass sie keinen Ehering trug.

„Haben Sie einen Freund?“

Sie musterte die Instrumententafel. Den Tachometer, die Treibstoffanzeige, den Höhen- und den Temperaturstand. Alles war in Ordnung.

„Sophia?“

„Meine Beziehung zu Emilio geht nicht über das hinaus, was Sie mit Stacy verbindet.“

„Ah, Freunde mit Bonus.“

Sie schuldete ihm keine Erklärung und ließ ihn denken, was immer er wollte.

„Also nichts Ernstes?“

Warum fragte Gibb sie das? Sophia zuckte die Schultern. „Dafür bin ich zu jung.“

„Wie alt sind Sie?“

„Hat Ihnen nie jemand gesagt, dass es unhöflich ist, einer Frau diese Frage zu stellen?“

„Ich bin zweiunddreißig.“

Sie hätte ihn älter geschätzt. „Sechsundzwanzig“, gab Sophia Auskunft.

„Und Sie sind noch immer nicht bereit, sich fest zu binden?“

„Sind Sie es?“

Gibb lachte leise. „Nein! Nein, das bin ich nicht.“

Sophia war froh, dass die Unterhaltung damit beendet war. Sie musste sich aufs Fliegen konzentrieren. Als sie Nicaragua erreichten, nahm sie per Funk Verbindung mit dem nächsten Tower auf und bekam die Erlaubnis, den Luftraum zu durchqueren.

Doch bald machte sie die Stille nervös, was seltsam war. Normalerweise war sie glücklich, wenn sie in der Luft war und nichts sie aus der Ruhe brachte. Aus den Augenwinkeln heraus musterte sie ihn.

Gibb sah aus wie ein Filmstar. Besonders mit diesem Grinsen. Er war ihr ein Rätsel. Obwohl er klarer Workaholic war, hatte er auch eine verspielte Seite, die er seit langer Zeit verbarg, um seinem Stiefvater zu gefallen. „Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?“

„Bislang hat Sie nichts davon abgehalten.“

„Sie müssen nicht antworten, wenn Sie nicht wollen.“

„Lassen Sie hören.“

„Was wollen Sie am meisten im Leben, Mr. Martin?“

„Gibb“, wiederholte er. „Sagen Sie einach Gibb zu mir. Da Sie mich so gut durchschauen, sollten Sie mir das vielleicht sagen, Sophia.“

„Aber dann müssen Sie sich nicht mehr selbst befragen.“

„In sich zu gehen, ist überschätzt. Ich bin eher zielorientiert als gefühlsbetont.“

„Sie weichen der Frage aus.“

„Ich muss nicht antworten, haben Sie gesagt.“

„Nun, ich habe meine Meinung geändert.“

„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein bisschen herrisch sind, Sophia?“

„Mit anderen Worten: Sie haben keine Ahnung, was Sie vom Leben wollen?“

„Mir fehlt nichts. Ich lebe meinen Traum.“

„Dennoch scheinen Sie nicht glücklich zu sein.“

Erst nach einem langen Moment fragte Gibb: „Was meinen Sie damit?“

„Egal. Ich kenne Sie nicht. Ich hätte das nicht sagen sollen.“

„Nein, nur zu. Ich will hören, was Sie denken, Sophia.“

„Wann haben Sie genug Geld angehäuft, um die Liebe Ihres Stiefvaters zu verdienen?“

„Darum geht es mir nicht.“

„In Ordnung.“

„Wirklich nicht“, beharrte Gibb.

„Sie haben meine Frage danach, was Sie am meisten im Leben wollen, nie beantwortet.“

„Essen. Ich sterbe vor Hunger. Ich habe vergessen, zu Mittag zu essen. Haben Sie etwas zu essen an Bord?“

Sophia hakte nicht nach. Sie hatte ihn genug bedrängt. „In der Schachtel hinter Ihrem Sitz sind Snacks.“

Er holte die Schachtel nach vorn und öffnete sie. „Hey, Weizenkekse. Die habe ich nicht mehr gegessen, seit ich ein Kind war. Haben Sie jemals S’mores gemacht?“

„Was man dafür braucht, ist in der Schachtel.“

„Tatsächlich!“ Er nahm eine Tüte mit Marshmallows und Schokoriegel heraus, mit denen man geröstete Kekssandwiches, den traditionellen Lagerfeuersnack, zubereitete. „Wie kommt es, dass Sie die Zutaten für S’mores im Flugzeug haben?“

„Manchmal fliege ich mit meinen Nichten und Neffen irgendwohin zum Camping.“

Gibb biss in einen Keks und hielt ihr einen anderen hin. Als sie danach griff, streifte sie mit ihren Finger seine. Die Berührung setzte sie unter Strom.

„Das letzte Mal habe ich S’mores gegessen, als ich mit Scott im Garten seines Elternhauses gezeltet habe.“

Sophia versuchte vergeblich, sich Gibb als Jungen vorzustellen. „Vielleicht können Sie und er wieder S’mores zusammen rösten, wenn Sie seine Hochzeit verhindert haben.“

„Das hört sich so an, als wenn ich ein Mistkerl wäre.“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Das mussten Sie auch nicht.“

„Für mich hört sich das so an, als wenn Sie sich schuldig fühlen“, meinte Sophia.

„Wie lange brauchen wir nach Key West, was glauben Sie?“, erkundigte sich Gibb.

„Inklusive der Zwischenstopps zum Auftanken mindestens fünfzehn Stunden – wenn das Wetter keine Probleme macht. Vielleicht auch vierzehn Stunden, wenn wir Glück haben und keinen Gegenwind bekommen.“

„Schneller fliegt dieses Flugzeug nicht?“

„Nein. Jetzt entspannen Sie sich und lassen Sie mich meinen Job machen.“

„Das fällt mir nicht gerade leicht, Sophia.“

„Was? Sich zu entspannen oder die Kontrolle abzugeben?“

„Beides“, räumte Gibb ein.

„Schließen Sie die Augen, atmen Sie tief ein.“

„Aber ich …“

„Ich bin die Pilotin“, unterbrach Sophia ihn. „Das ist eine Anweisung.“

„Sind Sie immer so herrisch?“

„Nur wenn es nötig ist.“ Sie war überrascht, dass Gibb tatsächlich die Augen schloss und tief ein- und ausatmete. Als sie später erneut zu ihm hinüberschaute, schien er eingeschlafen zu sein. Gut.

Sie überquerten die Karibik. Sophia entdeckte weiter südlich eine winzige, offensichtlich unbewohnte und abgelegene Insel mit einem Dschungel und einem schmalen Sandstrand, die nicht auf der Luftbildkarte verzeichnet war. Wie aufregend. Sie hatte nicht gewusst, dass diese Insel existierte.

Die nächsten Minuten flog sie durch ein paar harmlose Schäfchenwolken. Sie hatte sich per Funk beim letzten Tower nach dem angekündigten Tropensturm über der Karibik erkundigt, bevor sie den nicaraguanischen Luftraum verlassen hatten. Da sie wegen des Wetters grünes Licht bekommen hatte, war sie überrascht, als in Flugrichtung plötzlich ein breites vertikales Band dichter Wolken auftauchte. Sie seufzte. „Verflixt.“

Gibb öffnete ein Auge. „Was ist?“

„Kumuluswolken. Für ein kleines Flugzeug kann es gefährlich werden, da durchzufliegen, weil sie sich in instabiler Luft bilden, die immer weiter nach oben zu steigen versucht.“

„Also besteht die Möglichkeit von Aufwinden.“

Sophia nickte. „Und wenn die Kumuluswolken bei zunehmender Höhe zusätzlich Feuchtigkeit aufnehmen, verwandeln sie sich in Gewitterwolken.“

„Und wenn Sie dennoch hindurchfliegen?“, fragte Gibb.

„Wird es schwierig werden. Die Wolkenfront sieht breit und dick aus. Die wirklichen Ausmaße kann ich erst abschätzen, wenn wir mittendrin sind. Die Durchquerung könnte eine Stunde dauern. Dieses Risiko kann ich einfach nicht eingehen.“

„Haben Sie nicht irgendeine Art Radar oder Sonar an Bord, das Ihnen darüber Auskunft geben kann?“

„Für wen halten Sie mich? Eine Wetterfee? El Diablo ist eine 1971er Piper Cherokee, die nicht für lange Strecken gebaut ist. Das hatte ich Ihnen gesagt.“

„Also, was machen wir?“

„Wir fliegen um die Wolken herum“, meinte Sophia.

„Wie lange dauert das?“, erkundigte sich Gibb.

„Ich habe auch keine Kristallkugel an Bord.“

„Können Sie sich mit einem Tower in Verbindung setzen und nach dem Wetter erkundigen?“

„Hier draußen gibt es keine bemannten Tower. Und mit UNICOM habe ich schon Kontakt aufgenommen“, erklärte Sophia. „Die Fluglotsen haben mir geraten, um die Wolken herumzufliegen.“

„Verdammt“, fluchte Gibb ungeduldig.

„Selbst mit dieser Verzögerung bleibt Ihnen noch genug Zeit, um die Hochzeit Ihres Freundes in Key West platzen zu lassen.“

„Ich dachte, der Tropensturm wäre noch zwei Tage weit weg.“

„Diese Wolkenfront ist kein Teil des Sturms. Sonst hätten mir die Fluglotsen in Nicaragua zur Landung geraten.“ Sophia sah, dass Gibb sich die Haare raufte. „Sie werden mit Umwegen nicht so gut fertig, nicht wahr?“

„Warum sollte ich?“

„Weil man die Natur nicht kontrollieren kann.“ Die Kumuluswolken kamen immer näher. Nur im Süden war der Himmel noch blau. Ihr blieb nichts anderes übrig, als dorthin auszuweichen – obwohl sie eigentlich nach Norden fliegen mussten. Sie war nervös. Auch wenn sie das vor Gibb nie zugeben würde. Sie war noch nie über die Karibik geflogen, und die Wolkenfront machte ihr das Leben nicht gerade leichter. Dennoch bestand kein Grund, wirklich alarmiert zu sein.

Alles sah gut aus. Bis sie das Flugzeug ostwärts steuerte, um die Wolkenfront zu umfliegen. Plötzlich kam ein heftiger Gegenwind auf. Sophia versuchte, El Diablo stabil zu halten.

Gibb bemerkte ihre Anspannung. „Was ist los?“

„Halten Sie den Mund.“ Zu ihrer Überraschung sagte er keinen Ton mehr. Sie ging auf tausendzweihundert Meter Höhe, um dem Gegenwind auszuweichen. Vergeblich. Der Gegenwind wurde noch stärker. Das Flugzeug kam kaum voran. Sie sah auf die Treibstoffanzeige. Der Tank war nicht mal mehr halb voll. „Wir müssen umkehren.“

„Warum?“

„Sonst geht uns der Treibstoff aus.“

„Aber Sie haben die Maschine doch aufgetankt, bevor wir losgeflogen sind.“

Sophia nickte. „Ein derart starker Gegenwind verbraucht ungeheuer viel Treibstoff. Wenn wir nicht sofort eine Entscheidung treffen, haben wir nicht mehr genug Kerosin, um nach Nicaragua zurückzufliegen.“

„Können wir nicht irgendwo in der Nähe landen, auftanken und warten, bis sich die Wetterlage verbessert?“, fragte Gibb.

„Die Insel Providencia ist nicht so weit entfernt wie Nicaragua. Aber um dorthin zu kommen, müssen wir direkt durch die Kumuluswolken fliegen.“

„Haben wir dafür noch genug Treibstoff?“

„Theoretisch schon“, meinte Sophia. „Doch der Gegenwind ist so heftig, dass es keine Garantie dafür gibt.“

„Dann ist die beste Option, nach Nicaragua zurückzufliegen?“

„Ja.“

Gibb fluchte leise.

„Was ist so schlimm daran? Sollen wir unser Leben riskieren, damit Sie die Hochzeit ihres Freundes verhindern können?“

„Ich wünschte nur, es gäbe eine Alternative.“

„Nun, die gibt es nicht.“ Sophia drehte wieder nach Süden ab. Doch dann stotterte der Motor. Vielleicht war nur eine Luftblase im Treibstoffgemisch die Ursache, und es bestand kein Anlass zur Sorge. Um sicherzugehen, verringerte sie die Flughöhe um weitere dreihundert Meter.

Gibb sah sie an. „Das hat nicht gut geklungen. Was war das?“

„Bei einem alten Flugzeug kommt es manchmal vor, dass der Motor knattert.“

„Sie sind auch beunruhigt“, meinte er skeptisch. „Deswegen fliegen Sie jetzt tiefer.“

„Es ist immer besser, auf Nummer sicher zu gehen.“ Sie konnte mit den Turbulenzen umgehen. Sie hatte das Fliegen von ihrem Vater gelernt, dem besten Piloten weit und breit.

„Ja. Aber Ihr Flugzeug sollte zumindest flugtauglich sein.“

Sophia funkelte Gibb an. „Mein Flugzeug ist absolut flugtauglich.“ Dann stotterte der Motor erneut.

„Ach ja?“

„Höchstwahrlich versagt ein Zylinder, weil das Treibstoffgemisch zu dickflüssig ist.“ Sie ignorierte die Angst, die in ihr aufstieg. El Diablo befand sich immer in tadellosem Zustand. Dafür sorgte sie. Dennoch … „Das ist leicht zu beheben. Ich muss das Treibstoffgemisch verdünnen.“

„Was bedeutet das?“

„Luft zum Luft-Kraftstoff-Verhältnis hinzufügen.“ Während Sophia den Tachometer im Auge behielt, betätigte sie den entsprechenden Hebel, bis die Umdrehungen pro Minute auf der Anzeige optimal waren. Beruhigt lehnte sie sich zurück, als der Motor wieder reibungslos schnurrte. Doch gerade als sie sich per Funk mit dem nächsten Tower in Verbindung setzen wollte, stotterte der Motor erneut. Diesmal lauter und länger.

„So viel zu Ihrer Theorie, was die Treibstoffmischung angeht“, meinte Gibb.

Sie war entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, wie beunruhigt sie war. Im Kopf ging sie schnell alle Möglichkeiten für die kurzen Aussetzer des Motors durch. Die Zündkerzen hatte sie erst vor zwei Wochen ausgewechselt. Vielleicht hatte sie ein Kabel nicht ausreichend befestigt? Sie verringerte die Flughöhe erneut um hundertfünfzig Meter.

„Wenn Sie noch tiefer geher, muss ich meine Badehosen anziehen“, sagte Gibb trocken.

Wenn Sophia sich nicht völlig auf das Flugzeug konzentrieren müsste, hätte sie sich vielleicht vorgestellt, wie sexy Gibb halb nackt aussah. Stattdessen rief sie sich alle Fakten in Erinnerung, die sie über eine Notlandung gelernt hatte. Der Motor stotterte ein viertes Mal. Ihr Herz hämmerte. Keine Panik. „Ich muss landen, um nach dem Motor zu sehen“, murmelte sie vor sich hin.

„Was?“ Er setzte sich aufrechter hin. „Wo?“

„Dort.“ Sophia zeigte auf die kleine unbewohnte Insel, über die sie auf dem Hinweg geflogen waren.

„Die Insel ist winzig.“

Der Motor stotterte. „Haben Sie eine bessere Idee?“

„Außer einer Bruchlandung, meinen Sie?“, fragte Gibb.

„Eine Notlandung“, verbesserte Sophia ihn. „Ich tue mein Bestes, damit das Flugzeug nicht zu Bruch geht.“

„Es wird zu Bruch gehen.“

„Dort gibt es einen schmalen Sandstrand“, beharrte Sophia. Als sie näher an die Insel kamen, sah sie jedoch, dass der Strand nicht annähernd so groß war, wie sie geglaubt hatte. Zudem lagen dort Treibholz und Kokosnüsse herum. Das war nicht ideal. Aber ihr blieb keine andere Wahl. Der Motor stotterte erneut – und ging schließlich aus. „Halten Sie sich fest“, rief sie. „Wir landen.“

Krachend schlug die Unterseite des Flugzeugs gegen Palmwedel und Äste. Gibb zuckte zusammen, klammerte sich mit beiden Händen am Sitz fest und warf einen Blick zu Sophia. Sie hatte Schweißperlen auf der Stirn, aber ihr grimmig entschlossener Gesichtsausdruck machte deutlich, dass sie dieses Flugzeug um jeden Preis auf der Insel landen wollte.

Es sei denn, der Sandstrand war zu kurz – ein Eindruck, der sich mit jeder Sekunde mehr bestätigte.

Gibb verfluchte die Industriespione, deretwegen er ein Buschflugzeug gechartert hatte, das sonst nur Touristen zu einem Resort auf einem Bergplateau beförderte. Er verfluchte Scott dafür, so irrational zu sein, eine Frau zu heiraten, die er erst seit einem Monat kannte. Und er verfluchte sich selbst dafür, Sophia davon abgehalten zu haben, einfach umzukehren.

Er musste zugeben, dass ihn ihre Ruhe und Kompetenz erstaunte. Er kannte erwachsene Männer, die in einer solchen Situation die Nerven verloren hätten. Aber Sophia hatte sich völlig unter Kontrolle. Obwohl er sehr nervös war, traute er ihr dennoch zu, das Flugzeug zu landen, ohne sie beide umzubringen.

Die Schachtel mit den Snacks und andere ungesicherte Sachen flogen durch das Cockpit. Gibb war in seinem Leben so oft geflogen, dass er nicht mehr auf den Gedanken gekommen war, ihm könnte dabei etwas zustoßen. Durch Statistiken hatte er sich bestätigt gesehen. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Bruchlandung ums Leben zu kommen, war äußerst gering. Aber so etwas passierte. Bei alten Flugzeugen öfter als bei allen anderen.

Die Annahme, dass er dagegen immun wäre, war überheblich gewesen. Wann hatte er angefangen sich einzubilden, dass das Schicksal ausgerechnet ihn verschonte? Als Kind hatte er sich keineswegs für etwas Besonderes gehalten. Vielleicht arbeitete er so hart an seinem Reichtum, weil er das Bedürfnis hatte, etwas Besonderes zu sein. Woher kam diese blitzartige Selbsterkenntnis? Normalerweise dachte er nicht darüber nach, was ihn innerlich antrieb. Aber jetzt tat er es.

Die Räder schlugen hart auf den Boden. Der Aufprall warf ihn im Sitz zurück. Er hielt die Augen geschlossen und krallte sich noch fester in den Sitz. Das Flugzeug machte einen letzten Satz, schlitterte zur Seite und blieb mit einem Ruck stehen.

„Wir sind okay“, sagte Sophia.

Gibb zwang sich, die Augen zu öffnen. Das Flugzeug neigte sich nach links. Es herrschte eine unheimliche Stille. Dann sank das Heck der Maschine ein paar Zentimeter ab. Sie schreckten beide zusammen und lachten nervös. „Das war die beste Bruchlandung, die ich jemals erlebt habe“, sagte er.

„Bei wie vielen Bruchlandungen waren Sie dabei?“

„Das war die erste.“

„Dann haben Sie wirklich Erfahrung darin“, meinte Sophia trocken.

Gibb musste lächeln und konnte es sich nicht verkneifen, auch sie zu necken. „Und Sie? Wie viele Bruchlandungen haben Sie schon hingelegt?“

Sie reckte das Kinn. „Bruchlandungen sind bei mir nicht an der Tageordnung, falls Sie das damit andeuten wollen.“

Autor

Lori Wilde

Lori Wilde wollte schon immer Autorin werden. Sie machte eine Ausbildung zur Krankenschwester und konnte in dieser Zeit auch nebenbei ihrer Leidenschaft zu schreiben nachgehen. Ihr erstes Buch hat sie 1994 veröffentlicht.

Sie arbeitete 20 Jahre als Krankenschwester, doch ihre große Liebe ist die Schriftstellerei. Lori Wilde liebt das Abenteuer....

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Leslie Kelly
Leslie Kelly ist als Romance-Autorin bekannt für ihre zauberhaften Charaktere, die geistreichen Dialoge und ihren frechen Humor. Das hat ihr 2006 den Romantic Times Award und weitere Award-Nominierungen eingebracht. Seit Erscheinen ihres ersten Buches 1999 hat sie mehr als dreißig sexy-freche Liebesgeschichten für Harlequin geschrieben.

Leslie lebt mit ihrem persönlichen...
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Alison Kent

Leidenschaftlich gern gelesen hat Alison Kent schon immer, ihre Lust am Schreiben entdeckte sie erst als Dreißigjährige. Mittlerweile hat sie bereits zahlreiche Romane verfasst, denen die Romantic Times „Leidenschaft, Sinnlichkeit und dunkle Faszination“ bescheinigt. Mit ihren prickelnden Liebesgeschichten und den spannenden Thrillern schrieb sich Alison Kent auf Anhieb in die...

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