Und dann steht die Liebe vor der Tür

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Das große Weihnachtsfinale der Happily-Inc-Reihe


Wynn Beauchene steht morgens mit einem Lächeln auf. Ihr Geschäft floriert, und sie hat einen Sohn, den sie über alles liebt. Obwohl sie glücklich ist, kommt es ihr in letzter Zeit aber immer öfter so vor, als würde etwas fehlen. Noch mehr zu schaffen macht ihr, dass sie ihren Nachbarn, den Polizisten Garrick, plötzlich so interessant findet. Als er sie bittet, sein Haus für den angekündigten Besuch seiner Tochter weihnachtlich zu dekorieren, kann Wynn nicht widerstehen. Eine kleine Liebe schadet nicht, es muss doch nicht die ganz große sein. An die glaubt Wynn nämlich schon lange nicht mehr.

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Booklist über »Planst du noch oder liebst du schon?«

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Fresh Fiction über »Wer lieben kann, ist klar im Vorteil«


  • Erscheinungstag 21.09.2021
  • Bandnummer 6
  • ISBN / Artikelnummer 9783745752601
  • Seitenanzahl 336
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Widmung

Für meine liebsten Marines:

Will, Peter, Ben Z., John und Ben S.

Wir haben uns unter höchst unerwarteten Umständen

kennengelernt, wofür ich immer dankbar sein werde.

Danke, dass ihr mich zu einem sehr kleinen Teil

eurer Einheit gemacht habt.

Ich glaube, ich spreche für das gesamte Land,

wenn ich euch sage,

dass ich eure Dienste mehr zu schätzen weiß,

als ich mit Worten ausdrücken kann.

Ohne euren Mut und eure Hingabe

könnten wir nicht die sein, die wir sind.

1. Kapitel

Anderen Menschen auf den Wecker zu fallen war etwas, das Wynn Beauchene durchaus manchmal tat. Vor allem weil die meisten Menschen es verdient hatten, dass man immer wieder hartnäckig nachfragte. Aber sich selbst nerven? Was sollte das? Das war nicht nur totale Zeitverschwendung, sondern ergab auch keinen Sinn. Die einzige Lösung bestand darin, sich nicht weiter wie eine Sechzehnjährige zu verhalten, die in den Quarterback verschossen ist. Immerhin war sie eine erwachsene, alleinerziehende Mutter mit einer erfolgreichen Firma und dem Leben, das sie wirklich mochte. Wenn sie sich von dem attraktiven Nachbarn angezogen fühlte, musste sie eben aufhören, am vorderen Fenster ihres Hauses herumzulungern in der Hoffnung, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Stattdessen sollte sie einfach zu ihm hinübergehen, an seine Tür klopfen und sagen … und sagen …

»Ich bin eine Idiotin«, murmelte sie nicht zum ersten Mal laut vor sich hin. Egal wie sie sich das Szenario auch vorstellte, sie blieb immer an der Stelle hängen, was sie sagen sollte, wenn er die Tür öffnete.

Hi, Garrick, ich habe mich gefragt, ob, äh, du und ich, also, ob wir mal, du weißt schon, zusammen ausgehen sollten oder so.

Wirklich? So wollte sie das Gespräch eröffnen? Wäre nicht irgendeine Einleitung angebracht? Vielleicht könnte sie erwähnen, wie angenehm sie es fand, dass er seit einem Jahr ihr Nachbar und obendrein Polizist war. Auch könnte sie sagen, wie froh die ganze Straße darüber war, dass er seinen Streifenwagen in der Auffahrt zu seinem Haus parkte. Verbrechen waren in Happily Inc zwar kein Problem, aber trotzdem. Einen Cop als Nachbarn zu haben war super. Ihr Interesse an ihm war allerdings eher persönlicher Natur, vor allem seit sie gesehen hatte, wie er im Sommer seinen Rasen gemäht hatte … ohne T-Shirt. Nicht dass er ihr davor nicht auch schon aufgefallen wäre. Doch bis zu dieser Rasenmähaktion hatte sie es geschafft, ihn zu ignorieren. Das konnte sie nun nicht mehr, dabei war es bereits November, und sie hatte immer noch nichts unternommen, um ihre nicht vorhandene Beziehung über das Stadium des lässigen Zuwinkens und »Hi«-Sagens hinauszubefördern. Nichts, außer um ihr Fenster herumzustreichen. Wofür sie sich selbst ohrfeigen könnte.

Es lag grundsätzlich am Daten. Darin war sie nicht gut, weil sie es nicht oft tat. Wofür es außerdem viele Gründe gab, von denen nur wenige wirklich interessant waren. In den letzten fünf bis sechs Monaten hatte sie ab und zu überlegt, dass es vielleicht an der Zeit sein könnte, die »Keine Dates«-Regel über den Haufen zu werfen und sich ein Privatleben zuzulegen. Doch auch wenn sie viel Zeit mit Nachdenken verbracht hatte, war sie bislang nicht aktiv geworden.

»Ich kann das«, murmelte sie und ignorierte die leise Stimme in ihrem Kopf, die ihr zuflüsterte, dass sie es offensichtlich doch nicht konnte.

Es war seltsam. In allen anderen Bereichen ihres Lebens war sie so kompetent. Wenn Hunter, ihr vierzehnjähriger Sohn, Probleme in der Schule machte, konnte sie wunderbar damit umgehen. Ein Druckauftrag in der Firma lief schief? Keine große Sache. Eine Freundin hatte eine emotionale Krise? Wynn war sofort mit Umarmungen und klaren Worten zur Stelle. Aber wenn es ums Daten ging … oder darum, mit einem bestimmten Mann ausgehen zu wollen … oder um die Erkenntnis, dass sie Garrick sexy fand und er wahnsinnig gut mit ihrem Sohn umgehen konnte und sie in letzter Zeit oft den Wunsch verspürt hatte, dass die beiden einander besser kennenlernten, war sie das reinste Nervenbündel. Schlimmer noch – sie war mitleiderregend.

Der Beweis lag auf der Hand: Sie stand in ihrem Wohnzimmer, starrte aus dem großen Fenster zu Garricks Haus hinüber und wartete darauf, dass er heimkam. Dabei war es Samstagnachmittag. Sie sollte wirklich vieles tun, aber auf die leere Auffahrt ihres Nachbarn zu schauen gehörte definitiv nicht dazu.

Wenn er doch nur nicht so … attraktiv wäre! Und das war er. Was nicht nur an seiner Größe und den breiten Schultern lag, auch wenn beides sehr ansprechend war, genau wie seine grauen Augen und dunklen Haare. Wirklich anziehend fand sie, dass er zwar immer freundlich und nett war, unter der Oberfläche jedoch etwas Düsteres und ein wenig Gefährliches bei ihm zu lauern schien. Und wie die meisten halbwegs intelligenten Frauen, die es besser wissen sollten, konnte eben auch sie nicht anders, als fasziniert von einem Mann zu sein, der den Hauch von Gefahr ausstrahlte.

In dem Moment, in dem sie sich vom Fenster abwandte, hörte Wynn einen langen Piepton. Sie ging in die Küche und nahm die beiden Backbleche aus dem Ofen, weil sie tatsächlich Chocolate Chip Cookies gebacken hatte. War das zu glauben? Es stand wirklich schlimm um sie.

Nicht wegen des Backens – das tat sie oft.

Und vermutlich würde sie auch jetzt wieder so tun, als wären die Kekse für ihren Sohn. Doch das waren sie nicht. Nein, diese Kekse waren für Garrick. Eine kleine, freundliche Geste unter Nachbarn, die – hoffentlich – zu einer geistreichen Unterhaltung, viel Gelächter und seinem Geständnis führte, dass er sie schon seit Monaten fragen wollte, ob sie mit ihm ausgehen würde.

Ganz schön viel Druck für ein paar Schokokekse.

Nachdem sie zwei weitere Backbleche in den Ofen geschoben und die Eieruhr gestellt hatte, machte sie sich daran, die fertigen Kekse auf das Abkühlgitter zu legen. Ein Klingeln an der Tür unterbrach sie dabei.

Wynn ging durch das Wohnzimmer, öffnete die Tür – und sah Garrick auf ihrer Veranda stehen.

Anstelle seiner Uniform trug er Jeans und ein T-Shirt. Wie üblich schenkte er ihr sein unglaubliches Lächeln, das sie ein wenig atemlos machte.

»Hi, Wynn«, sagte er mit dieser tiefen, sexy Stimme – wobei das auch Wunschdenken ihrerseits sein konnte. »Hast du eine Sekunde?«

»Na klar.«

Sie trat beiseite, um ihn hereinzulassen, wobei sie sich fragte, was zum Teufel hier gerade passierte. In der einen Sekunde hatte sie noch an ihn gedacht – und in der nächsten war er tatsächlich da. Noch seltsamer war, dass sie, obwohl sie seit einem Jahr Nachbarn waren, nie mehr als ein paar flüchtige Worte auf der Straße gewechselt hatten – ein Hallo oder eine Bemerkung über das Wetter. Aber sich gegenseitig besucht hatten sie sich noch nie.

»Ich muss nur schnell die Kekse aufs Abkühlgitter legen«, sagte sie und ging voran in die Küche. »Was gibt’s?«

»Ich brauche deinen Rat.«

»Klar. Im Ratschlägegeben bin ich gut.« Sie warf ihm einen warnenden Blick zu, als er auf einem der Hocker an der Kücheninsel Platz nahm. »Die meisten sind nur nicht so gut darin, sie anzunehmen.«

»Wem sagst du das.« Er betrachtete die Kekse. »Darf ich?«

»Nur zu. Aber pass auf, die sind noch heiß.«

Vorsichtig nahm er einen Keks und pustete, bevor er abbiss. Dann schloss er genüsslich die Augen.

»Perfekt«, sagte er und sah sie an. »Du bist eine gute Bäckerin.«

»Danke.«

Trotz der relativ normalen Unterhaltung erschien ihr alles an der Situation surreal. Dass Garrick in ihrer Küche saß, dass sie miteinander redeten. Einfach alles. Wobei seine Anwesenheit ihr nichts ausmachte. Normalerweise sah ihre Küche keine Männer, abgesehen von den Handwerkern, die mal ihre Geschirrspülmaschine reparieren oder den Abfluss reinigen mussten, doch diese neue Situation gefiel Wynn. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass ihr gerade die perfekte Gelegenheit geboten wurde, die Kommunikationsstrategie zum Einsatz zu bringen, an der sie seit Tagen feilte – die, in der sie nebenbei erwähnte, dass sie ja vielleicht irgendwann mal zusammen ausgehen könnten.

»Joylyn will bei mir einziehen«, erklärte Garrick und nahm sich einen weiteren Keks. »Das wird für mich eine ganz neue Erfahrung werden.« Erneut sah er sie an. »Wir haben noch nie zusammengewohnt – also zumindest nicht so richtig. Nur übers Wochenende oder während der Ferien, aber das jetzt ist etwas anderes. Ich möchte sichergehen, dass sie sich in meinem Haus wohlfühlt.«

Joylyn? Wer zum Teufel war das – und warum zog sie bei ihm ein?

Noch während Wynn sich diese Fragen stellte, ploppte die offensichtliche Antwort in ihrem Gehirn auf. Er hatte eine Freundin. Natürlich. Zwei Jahre nachdem ihre letzte Beziehung geendet hatte, war sie endlich bereit, jemand Neues zu finden, und nun würde Joylyn bei Garrick einziehen. Einfach perfekt.

»Die richtigen Möbel hab ich, glaub ich«, fuhr er fort. »Es sind die anderen Sachen, bei denen ich deine Hilfe brauche. Ich möchte, dass das Haus …« Er suchte nach dem passenden Wort. »… heimelig wirkt.«

Daraufhin fiel Wynn nichts ein. Überhaupt nichts.

»Heimelig?«, fragte sie dann.

Hatte er das Wort gerade wirklich benutzt? Es kam ihr nicht sonderlich typisch für Garrick vor, aber andererseits kannte sie ihn praktisch gar nicht. Sie hatte ja auch nicht gewusst, dass es eine Joylyn gab, was mehr oder weniger bewies, welch eine Idiotin sie war.

»Ich möchte, dass das Haus hübsch aussieht, wenn sie kommt«, erklärte er. »Sie hat eine ziemlich schwere Zeit hinter sich mit der Schwangerschaft und allem. Wenn sie älter wäre, wäre es vielleicht leichter, aber sie ist erst einundzwanzig und …«

»Joylyn ist einundzwanzig und schwanger?« Wynn klang schriller, als ihr lieb war.

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er eine Freundin hat, dachte sie grimmig. Aber klar, sie musste auch noch fast ein Kind und schwanger sein.

»Was hast du dir nur dabei gedacht? Sie ist viel zu jung, um deine Freundin zu sein. Wie habt ihr euch überhaupt kennengelernt? Hast du an der Highschool rumgelungert und auf dein Glück gehofft?«

So viel zu meinen Garrick-Träumen, dachte sie und wünschte, sie wäre nicht so dumm gewesen zu glauben, dass er jemand war, auf den sie ihre Hoffnungen setzen könnte. Igitt und doppelt igitt. Wie viel Zeit sie darauf verschwendet hatte, an ihn zu denken! Okay, ab sofort keine sexy, möglicherweise gefährlichen Nachbarn mehr für sie. So viel stand fest. Sie würde einen unsexy, ungefährlichen Mann finden, in den sie sich verlieben konnte.

Wütend funkelte sie Garrick an und wünschte, sie wäre körperlich in der Lage, ihn zur Tür zu zerren und auf die Straße zu werfen. Er war …

»Meine Freundin?«, fragte Garrick entsetzt. »Joylyn ist meine Tochter.«

Sie schauten einander an, und Wynn hatte das Gefühl, ebenso schockiert auszusehen wie er. Der Erkenntnis folgte das stille Versprechen, dass sie in Zukunft besser erst nachdachte, bevor sie den Mund aufmachte. Und dass sie auch nicht ganz so vorschnell urteilen sollte.

»Oh«, brachte sie nur heraus.

In diesem Moment schrillte die Eieruhr.

Schnell machte Wynn sich daran, die Backbleche aus dem Ofen zu holen und sie auf den Herd zu stellen. Dann schaltete sie den Ofen aus, legte die Topflappen beiseite, atmete tief durch und sah Garrick an.

»Wir sollten vermutlich noch mal von vorn anfangen«, murmelte sie.

»Du hast wirklich geglaubt, ich hätte eine einundzwanzigjährige, schwangere Freundin? Wäre ich dann nicht ein ziemlicher Arsch?«

Auch wenn sie dem gern zugestimmt hätte, glaubte sie nicht, dass ihr das Pluspunkte einbringen würde. »Es wäre zumindest enttäuschend«, sagte sie also nur.

»Das will ich doch hoffen. Ich bin achtunddreißig und will keine Frau, die beinahe halb so alt ist wie ich. Worüber sollte ich mich mit der denn unterhalten?«

»Einige Männer sind nicht sonderlich an Gesprächen interessiert.«

»Tja, ich schon.«

Wieder sahen sie einander an. Trotz der peinlichen Situation und der Tatsache, dass Wynn ganz schön verlegen war, fiel ihr auf, dass Garrick wirklich sehr schöne hellgraue Augen hatte. Diese Augen passten zu seinem Gesicht und … nun ja, dem Rest von ihm. Ohne es zu wollen, erinnerte sie sich an die Narben auf seinem Oberkörper. Natürlich hatte sie nicht absichtlich hingeguckt – schließlich war er es gewesen, der im letzten Sommer beschlossen hatte, mit freiem Oberkörper Rasen zu mähen.

Sie hatte keine Ahnung, wo die Narben herkamen. Wenn sie hätte raten müssen, hätte sie gesagt, dass er in mehr als eine Messerstecherei verwickelt gewesen war. Aber das konnte nicht sein. Garrick war Polizist in Happily Inc. Hier wurden keine Messerkämpfe ausgefochten.

Ruhig verteilte sie die restlichen Kekse auf dem Abkühlgitter, schenkte zwei Gläser Milch ein und setzte sich Garrick gegenüber auf einen Hocker.

»Hallo«, sagte sie und nahm sich einen Keks. »Ich bin Wynn Beauchene, deine Nachbarin. Normalerweise sprechen wir nicht viel miteinander, außer dass wir ab und zu Hi sagen und über das Wetter reden.«

Garrick lächelte. »Hey, Wynn. Ich bin Garrick McCabe.«

»Ich bin hier in Happily Inc aufgewachsen«, fuhr er fort, »und war siebzehn, als meine Tochter auf die Welt gekommen ist. Fürs College bin ich nach Phoenix gezogen, vor allem weil Joylyn und ihre Mutter dort gelebt haben. Nach dem Studium bin ich in Phoenix Polizist geworden. Als Joylyn vor ein paar Jahren ausgezogen ist, um aufs College zu gehen, bin ich nach Happily Inc zurückgekehrt. Und letztes Jahr habe ich das Haus nebenan gekauft.«

»Wir alle wissen es sehr zu schätzen, dass du deinen Streifenwagen in der Einfahrt parkst.«

»Freut mich zu hören.« Er nahm sich noch einen Keks. »Meine erwachsene Tochter ist mit einem Marine verheiratet, der gerade im Auslandseinsatz ist. Ihre Mutter hat drei Jungs zu Hause, und das wird Joylyn alles ein bisschen zu viel. Das Kind soll um Weihnachten herum kommen, das sind nur noch acht Wochen. Alisha, Joylyns Mutter, meinte, es wäre eine gute Idee, wenn Joylyn bis Weihnachten bei mir bleibt oder bis Chandler, ihr Mann, nach Hause kommt – was auch immer zuerst eintrifft.«

»Ich finde es schön, dass sie während der Feiertage mit ihrer Familie zusammen sein kann.«

»Ich auch.« Sein Lächeln verblasste. »Als Joylyn ungefähr fünfzehn war, hatten wir eine schwere Zeit. Vorher haben wir einander immer sehr nahegestanden, aber mit einem Mal wollte sie ihren Dad nicht mehr um sich haben. Ich hoffe, dass ich die gemeinsame Zeit nutzen kann, um wieder eine Verbindung zu ihr aufzubauen.« Er zuckte mit den Schultern. »Und deshalb möchte ich, dass das Haus gemütlich ist.«

»Heimelig?«, zog Wynn ihn auf.

Erneut lächelte er, was Wynn unerwartet glücklich machte. »Ganz genau. Ich habe keine Ahnung von Deko oder Pflanzen oder so. Und ich koche nicht. Dass Joylyn schwanger ist, macht es nicht leichter. Deshalb brauche ich deine Hilfe. Ich habe deine Anzeigen und Logos in der Stadt gesehen, sie passen immer perfekt zu dem Geschäft, für die du sie entworfen hast. Die Farben, die Schrift, einfach alles. Du bist ein echter Profi und hast einen ausgezeichneten Geschmack und ein tolles Stilgefühl. Ich hatte gehofft, du könntest mir ein paar Ratschläge geben und mir sagen, was ich noch so brauche.« Er machte eine vage Handbewegung. »Vielleicht mehr Geschirr, ein paar Dekokissen und so.«

Das sind ganz schön viele Informationen, dachte Wynn und versuchte, alles zu verarbeiten. Das unerwartete Kompliment über ihre Arbeit brachte sie ein wenig aus dem Gleichgewicht. Aber da sie stets alles daransetzte, ihre Kunden zufriedenzustellen, freute es sie zu hören, dass ihre Arbeit geschätzt wurde. Doch irgendwie war es auch seltsam, dass Garrick in irgendeinem Schaufenster eine ihrer Anzeigen gesehen und an sie gedacht hatte. Tat er das auch auf andere Weise, oder erhoffte sie sich da zu viel?

Wie auch immer, sie fand es rührend, welche Gedanken er sich um seine Tochter machte und dass er das Haus für sie extra nett herrichten wollte. Außerdem war es ihr immer noch ein wenig peinlich, gleich das Schlimmste angenommen zu haben, sodass sie, selbst wenn sie keine Lust verspürt hätte, ihm zu helfen, es trotzdem getan hätte. Aber sie hatte Lust.

»Ich helfe dir gern«, erklärte sie. »Allerdings ist mein Stil vielleicht nicht der von Joylyn. Das könnte ein Problem werden.«

»Nein. Du und Joylyn, ihr habt, was Design angeht, einen sehr ähnlichen Geschmack. Du hast ein gutes Auge für Räume und Farben. Was du aussuchst, wird ihr gefallen, das weiß ich.«

Bei seinen Worten fühlte sie sich, als würde sie schweben. Was albern war. Sie steckte ernsthaft in der Klemme – so wirr im Kopf war sie nicht mal in der Highschool gewesen. Wenn sie nicht aufpasste, fing sie noch an, sich das Haar in den Nacken zu werfen und in jeden Satz die Worte »voll krass« einzubauen.

»Wenn du damit einverstanden bist, dass ich an jeder nur möglichen Stelle in deinem Haus Fransen anbringe, bin ich dabei«, erwiderte sie.

Er lachte leise. »Fransen wären wirklich was.«

»Aber nichts Gutes?«

»Ich bin eher nicht so der Fransentyp.«

»Gut zu wissen. Erzähl mir mehr über Joylyn.«

Kurz blitzte Traurigkeit in seinen Augen auf. »Ich sehe sie nicht mehr so oft. Ehrlich gesagt haben wir uns seit der Hochzeit nicht mehr getroffen, auch wenn wir uns mal sehr nahegestanden haben.« Er grinste schief. »Sie war meine Große.«

»Tut mir leid, dass sich das geändert hat.«

»Mir auch.« Für einen Moment schwieg er, dann atmete er tief ein. »Wie ich schon erzählt habe, ist sie mit Chandler verheiratet, der im Moment im Ausland ist. Alisha meint, er würde vor der Geburt des Babys zurückkommen, weil das erste Kind immer zu spät kommt.« Er schüttelte den Kopf. »Ich fasse es immer noch nicht, dass mein kleines Mädchen selbst Mutter wird. Das ist alles so schnell gegangen.«

»Kinder werden auch dann erwachsen, wenn wir es nicht wollen. Die Erfahrung mache ich gerade mit Hunter.«

»Er ist ein netter Junge.«

»Danke. Das denke ich auch.« Sie umfasste ihr Milchglas. »Ich helfe dir wirklich gern bei allem, was du brauchst. Und sorry noch mal wegen meiner voreiligen Schlüsse von vorhin.«

»Danke für dein Angebot. Und was den Rest angeht – ich verstehe, wie du auf den Gedanken gekommen bist. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, nicht damit gerechnet zu haben, dass du nichts von meiner Tochter weißt. Ich meine, weil Happily Inc so eine kleine Stadt ist, in der jeder alles über jeden weiß.«

»Es mag dich schockieren, Garrick, aber meine Freundinnen und ich haben nicht allzu viel Zeit damit verbracht, über dich zu sprechen.«

In gespielter Überraschung riss er die Augen auf. »Jetzt bist du einfach nur gemein.«

Sie lachte. »Wir haben genug andere Themen, über die wir reden.«

»Aber hey, es geht um mich

Sie lächelten einander an. Unwillkürlich fragte Wynn sich, ob es eine unpeinliche Möglichkeit gab, ihn zu fragen, ob es in seinem Leben noch andere Frauen gab. Dann beschloss sie jedoch, ihr Glück nicht auf die Probe zu stellen. Sie würde ihrem Nachbarn helfen, und vielleicht bekam sie dabei die Gelegenheit, mehr über sein Privatleben zu erfahren. Wenn er noch Single war, würde sie einen Weg finden, ihm ein gemeinsames Abendessen vorzuschlagen. Das wahrscheinlichere Szenario war allerdings, dass sie Zeit zusammen verbringen würden und Wynn dann feststellen würde, dass er ihr den letzten Nerv raubte. Denn so lief es bei ihr fast immer. Ihre Freundinnen meinten, sie sei zu wählerisch, aber sie selbst betrachtete sich mehr als vorsichtig.

»Wann wird sie bei dir einziehen?«, erkundigte sie sich.

»Nächsten Samstag.«

»Dann sollten wir uns vermutlich mal dein Haus anschauen und einen Plan erstellen.«

»Wann passt es dir?«

»Ich habe sofort Zeit«, sagte Wynn.

»Ich auch.« Garrick stand auf.

Wynn tat es ihm gleich und lächelte. »Los geht’s.«

Sie nahm ihr Handy vom Tresen und steckte es in ihre hintere Jeanstasche. Dann ging sie zur Haustür voran.

Garrick folgte Wynn und versuchte, seinen Blick auf einen neutralen Punkt gerichtet zu halten, was nicht leicht war. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er ihre langen Beinen und ihren Po musterte. Sie hatte einen tollen Hintern – rund und prall. Einen, an dem ein Mann sich aus allen möglichen Gründen festhalten konnte.

Immer langsam mit den jungen Pferden, schalt er sich. Ja, Wynn hatte alles, was eine Frau haben sollte. Außerdem war sie eins der schönsten weiblichen Wesen, die er je gesehen hatte. Aber auf keinen Fall würde er deswegen etwas unternehmen. Er ging keine Verpflichtungen mehr ein. Und er vermutete, dass für Wynn etwas anderes nicht infrage kam. In dem einen Jahr, in dem sie nun schon Nachbarn waren, hatte er nie mitbekommen, dass sie einen Mann mit nach Hause gebracht hätte. Vermutlich hing es mit ihren Ansprüchen und sicherlich der Tatsache zusammen, dass sie alleinerziehende Mutter war. Sie nahm die Verantwortung für ihren Sohn sehr ernst.

Sofort musste er wieder an Joylyn denken und war froh, dass sie bei ihm einziehen würde, auch wenn es nur für ein paar Wochen sein würde. Nach all den Jahren wusste er immer noch nicht, was damals zwischen ihnen schiefgelaufen war. Doch was immer es auch gewesen war, er wollte es wiedergutmachen. Sie war seine Tochter, und er vermisste sie.

Gemeinsam überquerten sie Wynns Rasen und die Einfahrt, bevor sie die Stufen zur Veranda von seinem Haus hochgingen. Garrick trat um Wynn herum und öffnete die nicht abgeschlossene Haustür.

»Da sind wir.«

Sie trat ein.

Dieses Viertel von Happily Inc war etwas älter und bestand aus Einfamilienhäusern auf großen Grundstücken. Die Bäume waren hochgewachsen, die Straßen breit, und die Gebäude hatten alle so um die einhundertachtzig Quadratmeter.

Im Wohnzimmer blieb Wynn stehen und musterte die schwarze Ledergarnitur und den riesigen Flatscreen an der Wand.

»Das ist ein ziemlich großer Fernseher«, murmelte sie.

Garrick schätzte, dass sie das nicht als Kompliment gemeint hatte, aber das war nicht schlimm. »Ich gucke gern Sport. Da gilt: je größer, desto besser.«

»Mit fast lebensgroßen Spielern?«

Er grinste ungerührt. »Das ist so ein Männerding.«

»Kein Wunder, dass Hunter mich ständig anbettelt, zu dir gehen zu dürfen, um sich ein Spiel anzusehen.«

»Du solltest öfter Ja sagen. Ich kann gut mit Kindern umgehen.« Das war schon immer so gewesen und kam vermutlich daher, dass er Vater geworden war, als er noch zur Highschool gegangen war. Dadurch war er gezwungen gewesen, sehr schnell zu lernen. Im letzten Schuljahr hatte er die meisten Stunden nach Schulschluss damit verbracht, sich auf seine Prüfungen vorzubereiten, während er auf Joylyn aufgepasst hatte. Er hatte gelernt, sie zu füttern, die Windeln zu wechseln und sie bei Koliken zu trösten. Ja, vielleicht war er selbst noch ein Kind gewesen, doch er hatte sein Bestes gegeben, um ein guter Dad zu sein.

»Das behalte ich im Hinterkopf.« Wynn zeigte auf die Wände. »Du hast überhaupt keine Bilder.«

»Sollte ich?« Er musterte die leeren Flächen. »Ist schlicht nicht gut?«

»Es gibt schlicht – und steril. Ein paar günstige Drucke würden dem Raum ein wenig Farbe verleihen und möglicherweise von dem monströsen Fernseher ablenken.«

Er grinste. »Wieso sollte man das wollen?«

»Mit deinem Geschlecht stimmt irgendetwas nicht.«

»Das habe ich schon öfter gehört.«

Lächelnd ging sie im Zimmer umher.

»Wenn ich das schwarze Ledersofa mal ignoriere – zu dem mir nur die Frage einfällt: ›Was hast du dir bloß dabei gedacht?‹ –, ist der Raum gut. Die Beistelltische gefallen mir sehr.«

Er betrachtete die Würfel aus Holz und Glas. Sie waren etwas moderner, als er es normalerweise mochte, aber sie waren von guter Qualität und bestanden aus Mahagoniholz mit Intarsien aus Ebenholz.

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass die maßgefertigt wurden«, erklärte er. »Auf jeden Fall sind sie Handarbeit. Ich habe sie mal auf einem privaten Flohmarkt gefunden. Sie waren zwar teuer, aber ihren Preis wert.«

»Die sind wunderschön.« Wynn holte ihr Handy heraus und machte ein paar Fotos. »Man kann nie wissen«, sagte sie. »Vielleicht finden wir etwas, das zu dem Muster im Holz passt.« Sie sah ihn an. »Als Nächstes die Küche?«

Er ging voran.

Einer der Gründe, aus denen er das Haus gekauft hatte, war, dass es bereits renoviert worden war. Zwar mochte er es, mit den Händen zu arbeiten, tat das jedoch lieber bei Projekten, die er sich aussuchte, als bei so notwendigen Dingen wie etwa, ein Haus bewohnbar zu machen. Er hatte drei Schlafzimmer gewollt, und der Pool im Garten war ein unerwarteter Bonus gewesen. Die Küche war groß, hatte mehrere Fenster und hochwertige Einbauten. Seine Maklerin hatte gar nicht aufhören können, über die Armaturen und die Arbeitsflächen zu reden. Da Garrick nicht kochte, war es ihm egal gewesen. Er zog es vor, sich Essen liefern zu lassen oder zu holen – das war für jemanden wie ihn, der immer lange arbeitete und allein lebte, einfacher.

Er wartete, während Wynn sich umschaute. Ihre großen Augen waren braun und ausdrucksvoll. Sie gefielen ihm. Genau wie ihr Haar. Braun, lang und lockig. Richtig lockig. Oft ertappte er sich dabei, dass er die Locken berühren wollte, um zu fühlen, ob sie so weich waren, wie sie aussahen.

Natürlich dachte er auch daran, andere Körperteile von ihr zu berühren – nicht dass er das jemals tun würde. Aber träumen durfte ein Mann ja wohl noch, und Wynn war der perfekte Stoff für Männerträume.

Sie zeigte auf den Platz neben dem Erkerfenster. »Da sollten ein Tisch und Stühle hin. Außer ihr esst im Esszimmer.«

»Das habe ich noch gar nicht eingerichtet.«

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Also isst du …?« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Nein. Sag mir nicht, dass du entweder stehend am Tresen oder auf dem Sofa isst.«

Was für eine faszinierende Mischung aus genervt und amüsiert, dachte er.

»Du sagst ja gar nichts«, hakte sie nach.

»Du hast mir doch gerade gesagt, dass ich es dir nicht sagen soll.«

Sie lachte. »Stimmt. Das habe ich. Mein Fehler. Also isst du am Tresen oder auf dem Sofa.«

»Ist am einfachsten.«

»Typisch Mann! Also gut. Du brauchst einen Tisch und Stühle. Joylyn wird es definitiv nicht gemütlich finden, im Stehen zu essen.« Sie ging zu einem der Schränke und warf Garrick einen fragenden Blick zu. »Darf ich?«

Er nickte.

Sie fing an, die Türen zu öffnen und wieder zu schließen. Er wusste, dass sie dahinter nicht viel finden würde. Ein paar Teller, einige Schüsseln, Besteck – mehr besaß er nicht. Sein Kochzubehör bestand aus zwei Töpfen – einer davon hatte sogar einen Deckel – und einem Backblech.

Als Nächstes warf Wynn einen Blick in die große Speisekammer, wo er seinen Kaffee und ein paar Packungen Müsli aufbewahrte. Nachdem sie die Tür wieder geschlossen hatte, drehte sie sich zu ihm um.

»Du kochst nicht.«

Das war zwar keine Frage, aber er antwortete trotzdem. »Nö.«

»Joylyn wird gesundes Essen brauchen, was bedeutet: Ihr müsst zu Hause kochen. Kann sie das?«

»Ja.«

Das hatte Alisha ihr beigebracht. Er erinnerte sich noch daran, wie Joylyn ihm das erste Mal ein Abendessen gekocht hatte. Spaghetti. Sie hatte dazu jeden Topf und jede Pfanne benutzt, über die er verfügte, und die Küche hatte danach ausgesehen wie nach einer Explosion, aber sie war so stolz auf sich gewesen und hatte ihn tief beeindruckt.

Bei der Erinnerung daran sehnte er sich noch mehr nach seiner Tochter. Er schätzte, dass einige Väter nicht allzu erfreut darüber wären, wenn ihre schwangere Tochter bei ihnen einzog, aber er konnte es kaum erwarten. Sie würden Zeit miteinander verbringen – Zeit, die er nutzen konnte, um herauszufinden, warum er sie verloren hatte. Und wie er sie zurückgewinnen konnte.

Erneut schaute Wynn sich um. »Du brauchst Geschirr, Besteck, Servierschüsseln, Töpfe und Pfannen. Ehrlich gesagt brauchst du alles.« Sie schüttelte den Kopf. »Sollen wir uns mal ihr Zimmer ansehen?«

Auf dem Weg dorthin warf Wynn einen Blick in das Bad, das vom Flur abging.

»Das ist ja leer«, sagte sie, als sie wieder herauskam. »Da gehören Handtücher, Seife und ein Badvorleger rein.« Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe. »Und vielleicht ein Bild an die Wand.«

Er stöhnte. »Im Badezimmer? Ist das normal?«

»Vertrau mir, das ist es. Also, wo ist ihr Zimmer?«

Er zeigte auf den größeren der beiden Räume – der kleinere war sein Büro, in dem nur ein Klapptisch und ein Stuhl standen. Als Schrank nutzte er einen Umzugskarton. Er hatte nur einen Laptop und einen Drucker, mehr brauchte er nicht.

Wynn betrat Joylyns Zimmer und blieb abrupt stehen. Ihre Augen weiteten sich. »Oh, Garrick, wo hast du das gefunden?«

»Das habe ich von einem Typen, den ich in Phoenix kannte. Das Ensemble hat mal seiner Urgroßmutter gehört. Ist es zu mächtig?«

»Nein. Es ist perfekt.«

Wynn ging zu dem großen Baldachinbett. Das Holz, ebenfalls Mahagoni, war mit feinen Schnitzereien verziert, die Blumen, Elfen und Blätter zeigten. Dazu gab es eine passende Kommode und einen Nachttisch.

Trotz der Größe wirkten alle Teile leicht und ein wenig skurril. In der Sekunde, in der Garrick die Fotos gesehen hatte, hatte er gewusst, dass Joylyn es lieben würde. Vor der Bezahlung hatte er jeden Zentimeter der Möbel untersucht und schnell erkannt, dass sie von einem Meister seines Fachs gefertigt worden waren. Er hatte sie gekauft und gedacht, dass er sie Joylyn und ihrem Mann schenken würde, sobald Chandler aus der Marine ausgetreten war und sie ein gemeinsames Heim gefunden hatten. Aber jetzt würde sie es schon vorher zu sehen bekommen.

»Was sind Joylyns Lieblingsfarben?«, fragte Wynn, während sie mit den Fingern über die Schnitzereien strich.

»Lila und Blau.«

Sie lächelte. »Okay, wir kaufen eine dicke, weiche Decke. Und viele Kissen.« Sie warf ihm einen Blick zu. Ihre Augen funkelten. »Das Bad im Flur ist ziemlich schlicht, also können wir das Farbschema dort fortsetzen. Extradicke Handtücher mit einem passenden Badvorleger. Vielleicht noch ein paar Accessoires.«

»Und ein Bild«, ergänzte er trocken. »Das dürfen wir nicht vergessen.«

Wynn grinste. »Keine Angst, so etwas vergesse ich nicht.« Sie sah die Wände an. »Vielleicht einen Elfendruck für hier. Wir müssen sehen, was es gibt. Oder ich finde etwas im Internet und kann es auf Leinwand drucken. Das sieht super aus und ist nicht teuer. Aber das entscheiden wir, wenn es so weit ist.«

»Wir?«

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihn. »Ich bin davon ausgegangen, dass du nicht nur eine Einkaufsliste von mir haben willst. Du hast einen guten Geschmack, was Möbel angeht, aber ein Händchen für die Deko scheint dir tatsächlich zu fehlen. Oder willst du das lieber alles allein machen?«

»Auf keinen Fall! Ich bin dir sehr dankbar, dass du gewillt bist, das mit mir zusammen durchzuziehen.« Er zögerte. »Ich hatte dich um Hilfe gebeten, weil ich wusste, dass du dieses Zimmer hübsch herrichten würdest. Aber ich wollte nicht den Eindruck vermitteln, du müsstest ein ganzes Projekt daraus machen.«

Sie lächelte. »Es ist eine Herausforderung – und ich liebe Herausforderungen. Ich bin schon total gefesselt von der Aufgabe.«

Ihr Tonfall war neckend, und sie wirkte glücklich. Wie sie gesagt hatte, kannten sie einander nur vom Grüßen und oberflächlichen Kommentaren übers Wetter. Natürlich war Wynn ihm schon aufgefallen. Kein heterosexueller Mann konnte sich ihr bis auf drei Meter nähern und sie nicht bemerken. Aber das war rein körperlich. Darüber, wer sie war, wie sie war, hatte er sich nie Gedanken gemacht.

Jetzt stellte er fest, dass er ihre Gesellschaft genoss und mehr über diese Frau erfahren wollte.

»Wenn Joylyn schon nächstes Wochenende kommt, haben wir nicht viel Zeit«, sagte sie. »Wie wär’s, wenn wir morgen eine erste Einkaufstour machen?«

»Wenn du Zeit hast, wäre das super.«

»Ich habe Zeit.« Erneut lächelte sie. »Aber Vorsicht! Wir werden deine Kreditkarte zum Glühen bringen.«

»Kein Problem.« Er hatte ausreichend Ersparnisse und gab im Grunde kaum Geld aus – nur für Essen und gelegentliche Abende mit seinen Kumpels. »Ich möchte, dass Joylyn sich hier wohlfühlt. Danke noch mal, dass du mir hilfst, Wynn.«

»Dafür bist du mir was schuldig«, erwiderte sie grinsend.

»Nenn mir deinen Preis, und ich bezahle ihn.«

Etwas blitzte in ihren Augen auf. Kurz fragte er sich, ob sie etwas Faszinierendes vorschlagen würde, doch dann wandte sie den Blick ab.

»Ich sage dir Bescheid. Bis dahin mache ich mich mal an die Einkaufsliste. Und damit fange ich in der Küche an.«

Sie ging den Flur hinunter. Garrick gestattete sich kurz, den Anblick zu genießen, dann verdrängte er das aufsteigende Verlangen. Wynn war seine Nachbarin. Sie half ihm, obwohl sie das nicht tun musste, und das würde er respektieren. Was andere Wünsche anging … Die würde er nicht verfolgen. Beziehungen endeten für ihn immer schlecht. Er hatte genug durchgemacht, um zu wissen, dass er es nicht noch einmal versuchen wollte.

Wenn er Wynn für das, was sie für ihn tat, etwas zurückgeben wollte, würde er ihr einen Pavillon im Garten bauen oder ihre Terrasse vergrößern. Sonst nichts. Denn alles, was romantisch war, würde nur in einer Katastrophe enden.

2. Kapitel

Überrascht stellte Wynn fest, dass sie noch nie zuvor mit einem Mann einkaufen gewesen war. Wie seltsam. Gut, sie hatte eine eigene Firma und war alleinerziehend, aber sie war in der Vergangenheit auch mit Männern ausgegangen und hatte ein paar halbwegs ernste Beziehungen gehabt. Sie war mit Männern essen gewesen, hatte mit ihnen geschlafen, war in Bars und zu Konzerten gegangen und hatte eine ganze Liste vollkommen normaler Dinge mit dem anderen Geschlecht erlebt, aber gemeinsame Shoppingtouren gehörten nicht dazu.

»Danke noch mal, dass du mir bei dem Projekt hilfst«, sagte Garrick und warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte.

Sie waren in seinem unglaublich großen schwarzen SUV auf dem Weg ins Outlet-Center, das ungefähr vierzig Meilen von Happily Inc entfernt lag. Dort gab es ein paar große Bettengeschäfte und Badausstatter sowie einige Einrichtungshäuser.

»Ich freue mich drauf«, erwiderte sie grinsend. »Ich werde deine Fähigkeiten, Fransen zu tolerieren, hart auf die Probe stellen.«

»So oft, wie du das erwähnst, befürchte ich langsam, dass du es ernst meinst.«

»Tja, du wirst dich noch ein wenig gedulden müssen, um das herauszufinden.«

Sie holte die Liste aus ihrer Handtasche. »Zuerst sollten wir uns um den Tisch und die Stühle für die Küche kümmern. Sobald wir die haben, können wir Besteck und Geschirr kaufen, und die Kunst sparen wir uns für den Schluss auf.« Sie lachte. »Für den Fall, dass du schlappmachst, haben wir dann das Wichtigste zusammen.«

»Schlappmachen? Ich habe dich um Hilfe gebeten, weil ich das bis zum Ende durchziehen will.«

»Das sagst du jetzt, aber mal sehen, wie deine Stimmung nach dem x-ten Laden ist.«

Er lächelte. »Vielleicht mag ich es, shoppen zu gehen.«

»Ach bitte. Wenn dem so wäre, wäre dein Haus nicht so leer. Die meisten Männer können es nicht leiden, einkaufen zu gehen. Was ich nie verstanden habe. Man muss doch nur so tun, als ginge man auf die Jagd. Man beobachtet, schlägt zu, bindet die Beute aufs Auto und fährt nach Hause. Ein Sieg, wie er im Buche steht. Aber Männer scheinen das nicht so zu sehen.«

Jetzt musste er lachen. »Der Satz strotzte nur so vor Verallgemeinerungen.«

»Da hast du recht. Aber wie viele davon stimmen nicht?«

»Nicht so viele, wie mir lieb wäre.«

Wynn lächelte. Es war nett, gemeinsam mit Garrick im engen Auto zu sitzen – okay, eng war vielleicht nicht gerade die passende Beschreibung, so großzügig wie das Innere des SUV geschnitten war. Garrick hatte eine sehr souveräne Ausstrahlung, die sie anziehend fand. Dazu der Duft eines frisch geduschten Mannes, den sie in ihrem Leben vermisste … Der heutige Tag war eine großartige Gelegenheit herauszufinden, ob zwischen ihnen die Chemie stimmte. Wobei, wenn sie so an ihre bisherige Misserfolgsbilanz im Privatleben dachte, standen die Chancen gut, dass sie ihn genau in dem Moment zu küssen versuchen würde, in dem er verkündete, er wolle jetzt nach Hause gehen und sich ein Spiel im Fernsehen anschauen.

»Was macht Hunter heute?«, erkundigte sich Garrick.

»Der ist bei einem Freund. Er konnte kaum fassen, dass ich ihm seine Sonntagsarbeiten erlassen habe.«

»Was für ein unerwartetes Geschenk. In welcher Klasse ist er?«

»In der neunten. Nächstes Jahr kommt er auf die Highschool. Unglaublich, wie schnell er groß wird.«

»Ja, Kinder wachsen schnell. Genieß jede Sekunde, solange er noch zu Hause wohnt.«

»Ich bemühe mich.«

Wynn deutete auf die Ausfahrt, die zum Outlet-Center führte, und Garrick wechselte die Spur. Schnell fanden sie einen Parkplatz und gingen ins Möbelhaus, wo Wynn zielstrebig die Abteilung für Esszimmer- und Küchentische ansteuerte. Garrick folgte ihr.

»So viel Kram braucht niemand«, sagte er, als sie sich ihren Weg zwischen Sofas und Sesseln hindurch bahnten.

»Vielleicht nicht. Aber die Menschen haben gern eine Auswahl. Was wäre, wenn es dein Sofa nur in Lila gegeben hätte?«

Er richtete den Blick auf sie. »Hast du kurz zwischen Pink und Lila geschwankt, um deinen Punkt deutlich zu machen, oder hast du dich gleich für Lila entschieden?«

Sie grinste. »Ich habe mich gleich für Lila entschieden. Das ist nicht allzu mädchenhaft, unterstreicht aber meine Aussage.«

Sein Lachen überraschte sie. Ihr gefielen der Klang und die Tatsache, dass Garrick sich beim Lachen sichtlich entspannte. In ihrem Magen rührte sich etwas und erinnerte sie daran, dass ihre letzte Beziehung schon lange her war und sie sehr gern einen neuen Versuch starten würde. So richtig, mit allem, was dazugehörte – mit Küssen, Berührungen und nackter Zweisamkeit.

Das steht heute nicht auf dem Plan, ermahnte sie sich und schob den Anflug von Vorfreude in die letzte Ecke ihres Gehirns. Zuerst shoppen und Garrick besser kennenlernen. Den Fantasien über ihren Nachbarn würde sie sich später hingeben.

Nachdem sie sich ein paar Esszimmermöbel angeschaut hatten, gingen sie weiter zu den etwas weniger formellen Küchentischen. Wynn blieb neben einem runden Eichentisch mit vier Stühlen stehen.

»Das Ensemble ist sehr klassisch«, sagte sie. »Und aus Holz, was du ja zu mögen scheinst. Was meinst du?«

Garrick wanderte ein paar Mal um den Tisch herum, bevor er einen der Stühle hervorzog, umdrehte und die Unterseite musterte. »Die sind nicht sonderlich gut verarbeitet und außerdem ziemlich langweilig. Lass uns mal gucken, was sie sonst noch haben.«

»Der Erker ist groß genug für einen Sechsertisch, falls dir das lieber ist«, schlug Wynn vor. »Die Form des Tisches ist nicht so wichtig, du kannst auch quadratisch oder rechteckig nehmen. Ich habe die Maße dabei, wir können also sicherstellen, dass er passt.«

»Ja, ein Tisch für sechs Personen ist vermutlich besser«, überlegte er. »Ich hoffe, dass Joylyn ab und zu Besuch von ihren Freundinnen bekommt. In Happily Inc kennt sie niemanden, und ich möchte nicht, dass sie sich einsam fühlt.«

Sie wanderten weiter durch die Abteilung, und Garrick verbrachte ein paar Minuten damit, einen rechteckigen Tisch samt Stühlen im Shaker-Design zu inspizieren. Dann überraschte er Wynn, indem er neben einem schmiedeeisernen Tisch mit Glasplatte stehen blieb. Der Fuß war aus gebogenen Eisenstangen geformt, die umeinander herumgeflochten waren.

»Den da?« Es gelang ihr kaum, ihre Überraschung zu verbergen. »Aber du stehst doch auf Holz und Handwerkskunst.«

»Ich weiß. Aber der hier ist interessant. Es gefällt mir, dass es keine fünfzig ähnlichen Tische gibt.«

»Ich finde ihn super. Durch die Glasplatte wirkt er nicht so wuchtig und ist außerdem leicht zu reinigen. Da drüben gibt es Stühle. Bestimmt finden wir welche, die dazu passen.«

Garrick suchte einen schlichten, schwarz gestrichenen Holzstuhl, verschiedene Chrommodelle und einen mit Wildlederbezügen aus und trug sie zu dem Tisch hinüber.

»Die passen alle nicht richtig«, meinte er dann. »Der Tisch braucht irgendwie … mehr.«

Wynn ließ den Blick über die Ausstellungsstücke schweifen und zeigte dann auf ein Set aus roten Stühlen mit schwarz karierten Sitzkissen. Sie waren modern, außergewöhnlich und – wie sie feststellte, als sie sich auf einen setzte – überraschend bequem.

»Ich weiß, die sind nicht sonderlich traditionell«, erklärte sie.

»Probieren wir sie trotzdem.«

Garrick trug zwei der Stühle zum Tisch und stellte sie daran.

Die Proportionen sind perfekt, dachte Wynn. Das Rot war ein hübscher Farbklecks, und das Schwarz erdete den Look.

»Ich bin mir sicher, dass wir Teller mit rot-schwarzem Rand finden«, sagte sie, während sie um den Tisch herumging. »Zu stark gemustert dürfen sie bei den karierten Kissen allerdings nicht sein.«

Lächelnd schaute sie ihn an. »Und zu Weihnachten kannst du dann Tischdecken und Servietten im klassischen rot-grünen Karomuster nehmen. Das sieht bestimmt gut aus.« Sie hielt inne. »Also, falls dir die Stühle gefallen.«

»Das tun sie. Ich weiß nicht, warum, aber sie gefallen mir sehr.«

Mit dem Handy machte er ein Foto von den Etiketten an Tisch und Stühlen, dann schlug er vor, dass sie sich nach Gartenmöbeln umschauen sollten.

»Am Pool fehlt noch was«, sagte er. »Aber ich glaube, dass Joylyn es genießen wird, nachmittags draußen zu sitzen. Das Wetter ist im Moment perfekt.«

»Gute Idee. Deine Terrasse ist ziemlich groß. Du könntest dir zwei oder drei Liegen zulegen und hättest immer noch ausreichend Platz für einen Esstisch mit Stühlen.«

Die Entscheidung für die Gartenmöbel fiel schnell. Garrick machte sich auf die Suche nach einem Verkäufer, um die Bestellung aufzugeben, und als Liefertermin wurde der nächste Dienstag vereinbart. Auf dem Weg zurück zum Auto schaute Garrick auf die Uhr.

»Keine dreißig Minuten«, sagte er anerkennend. »Mir gefällt deine Art zu shoppen.«

»Warte, bis du siehst, wie ich deine Küche ausstatte. Du wirst mich als kaum mehr als einen verschwommenen Fleck wahrnehmen.«

Sie betraten den Haushaltswarenladen, wo Wynn sich einen Wagen nahm und Garrick ebenfalls einen in die Hand drückte. Wie versprochen ging alles sehr schnell.

»Bettwäsche«, sagte sie und zeigte auf das andere Ende des Ladens. »Dazu Handtücher und Accessoires.« Sie lächelte. »Ich glaube, dieses Mal suchen wir wirklich nach etwas in Lila.«

»Das ist ihre Lieblingsfarbe.«

Wynn fand ein hübsches Set, bestehend aus einer weichen Überdecke und Laken in verschiedenen Lila- und Lavendeltönen. Einen ähnlichen Farbton wählte sie für die Handtücher, dazu fand sie ein Set aus Badezimmeraccessoires in Lila mit einem Hauch Silber. Außerdem warf sie ein halbes Dutzend Dekokissen in ihren Wagen.

Auf dem Weg in die Küchenabteilung kamen sie an einem Ständer mit Kunstdrucken vorbei. Wynn hielt ein Set aus bezaubernden Elfen hoch.

»Was meinst du?«, fragte sie Garrick. »Zu kindlich? Sie passen gut zu den Möbeln im Schlafzimmer, aber ich will nicht, dass deine Tochter glaubt, du hättest vergessen, wie alt sie ist.«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, die sind perfekt.«

Wynn packte sie in ihren Wagen, dann lenkte sie ihn in die Abteilung für Geschirr.

Garrick sah sich alle Optionen an und trat einen Schritt zurück. »Das ist zu viel. Nein. Da mache ich nicht mit.«

Wynn grinste. »Wird es dir ein wenig eng um die Brust?«

»Ich kämpfe gerade den Impuls nieder, schreiend die Flucht zu ergreifen, und bin Manns genug, das zuzugeben.«

»Denk einfach daran, dass wir weißes Geschirr mit einem Hauch von Rot und Schwarz wollen. Das kann sowohl der Rand sein als auch ein dezentes Muster. Wenn wir das nicht finden, nehmen wir Weiß und Rot oder Weiß und Schwarz.«

Er entspannte sich ein wenig. »Du hast recht, das hilft.«

Sie ließen ihre Wagen stehen und schlenderten die Gänge entlang. Garrick kam mit einem Teller zu ihr. Er war rund und weiß, hatte in der Mitte einen schwarzen Wirbel und einen einzelnen roten Punkt am Rand.

»Wie wär’s damit?«

»Gefällt er dir?«

Er sah den Teller an. »Nicht wirklich. Aber die Farben passen.«

»Er ist nur richtig, wenn er dir gefällt. Immerhin wirst du die nächsten Jahre täglich davon essen, Garrick. Du musst ihn wirklich haben wollen.«

Erstaunt sah er sie an. »Ich habe noch nie darüber nachgedacht, Teller wirklich haben zu wollen.«

Wynn lächelte. »Ja, ich weiß, aber lass uns für heute so tun, als wäre es so.«

Sie fand ein paar gemusterte Geschirre, aber Garrick schüttelte den Kopf und überraschte sie dann, indem er einen schlichten roten Teller hochhielt.

»Der hier«, sagte er.

»Der ist rot.«

»Ja, das weiß ich. Aber mir gefällt er. Die Tassen dazu haben eine vernünftige Größe, die Schüsseln sind gut, und es ist nicht gemustert. Das hier will ich.«

»Und du hast behauptet, nicht darüber nachzudenken, welches Geschirr du wirklich haben willst«, zog sie ihn auf. »Okay, nehmen wir zwei komplette Sets mit, das reicht dann für acht Personen.«

Während Garrick die Kisten in seinen Wagen stellte, erblickte Wynn auf der anderen Seite des Ganges ein Dosenset im Retrostil mit Betty Boop darauf. Die Farben passten perfekt. Sie nahm die kleinste Dose in die Hand.

»Zu viel?«, fragte sie.

Grinsend schüttelte Garrick den Kopf. »Auf keinen Fall. Ich liebe Betty.«

Keine halbe Stunde später hatten sie auch Gläser, Töpfe und Pfannen, Besteck und einige Backutensilien ausgesucht. Inzwischen füllten ihre Einkäufe vier komplette Einkaufswagen, und Wynn dachte, dass es wirklich gut war, dass Garrick so einen großen SUV fuhr. In ihr Auto hätte das alles niemals reingepasst.

»Danke«, sagte er, nachdem sie bezahlt hatten und alles ins Auto luden. »Ohne dich hätte ich das nicht geschafft.«

»Gern geschehen. Ich gebe gern das Geld anderer Leute aus.«

Er zeigte auf das Steakhaus auf der anderen Seite des Parkplatzes. »Kann ich dich zum Mittagessen einladen?«

»Sehr gern.«

Sie wurden zu einem Tisch am Fenster geführt. Wynn überflog die Speisekarte, und die Beschreibung des Steak-Salats ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Nachdem die Entscheidung gefallen war, legte sie die Karte auf den Tisch.

Garrick studierte seine immer noch, was Wynn die Gelegenheit gab, für einen Moment seine Gesichtszüge zu bewundern und die Ungerechtigkeit zu beklagen, dass Männer oft so dichte Wimpern hatten. Wieso war das so? Lag es am Y-Chromosom? War das für natürlich dichte Wimpern verantwortlich?

Garrick schaute auf und lächelte. »Worüber amüsierst du dich?«

»Ach, nichts. Ich habe nur gerade über Wimpern nachgedacht.«

Er zog die Augenbrauen zusammen. »Darauf wäre ich jetzt nicht gekommen.«

»Ich weiß. Mein Gehirn ist ein rätselhafter Ort.« Sie schaute sich die Keramiktruthähne auf den Tischen an. »Es ist schön, dass sie hier Thanksgiving feiern. Mir kommt es oft so vor, dass wir direkt von Halloween zu Weihnachten übergehen.«

»Das stimmt. Als Joylyn noch klein war, haben wir Thanksgiving immer groß gefeiert. Wir haben vorher diese lustigen Truthähne und Pilgerfiguren aus Papier gebastelt, und am Morgen selbst habe ich ihr Blaubeerpfannkuchen gemacht. Danach sind wir zu ihrer Mom gefahren, wo es ein wahres Festessen gab.«

»Das klingt schön. Du warst noch auf der Highschool, als sie geboren wurde, oder?«

Der Kellner kam an ihren Tisch. Wynn bestellte ihren Salat und eine Cola light, während Garrick sich für einen Burger und einen Eistee entschied. Als sie wieder allein waren, sah er sie an.

»Ich bin ein wirklich guter Kerl.«

Sie musste ein Lächeln unterdrücken. »Okay. Klar.«

Er lächelte schief. »Ich sage das nur, um auf das Offensichtliche hinzuweisen, bevor ich dir erzähle, wie Joylyn entstanden ist.«

»Wie, bist du etwa nicht der Held dieser Geschichte?« Sie machte sich keine Sorgen über das, was er ihr erzählen würde. Wie auch immer die Sache angefangen hatte, es war offensichtlich, dass er seine Tochter liebte.

»Ich habe es versucht.« Er lehnte sich zurück. »Alisha und ich waren beide auf der Junior-Highschool. Ich stand auf ihre beste Freundin und habe dummerweise Alisha um Rat gefragt, wie ich sie für mich gewinnen kann.«

Mitfühlend zuckte Wynn zusammen. »Autsch! Das hat kein Mädchen gern.«

»Jetzt weiß ich das auch, aber damals war ich ein Idiot. Ich habe nämlich auch nicht mitbekommen, dass Alisha auf mich stand.«

Wynn schätzte, dass Garrick damals bestimmt sehr beliebt bei den Mädchen gewesen war. Ohne Zweifel war er früher genauso attraktiv gewesen, und die Coolness, die den Jungs in diesem Alter zu eigen war, hatte ihn bestimmt noch anziehender gemacht.

»Womit deine Frage für sie doppelt schmerzhaft war.«

»Stimmt.« Er lächelte leicht. »Sie meinte, sie könne mich ihrer Freundin nicht empfehlen, bevor sie nicht zuerst mit mir ausgegangen wäre. Um zu sehen, wie ich als Freund so bin.«

Wynn zog die Augenbrauen hoch. »Beeindruckend. Hut ab, Alisha.«

»Wir sind übereingekommen, einen Monat miteinander zu gehen. Am Ende war ich total in sie verknallt – und sie hat erkannt, dass ich gar nicht so toll bin.«

Wynn lächelte. »Du hast deine wohlverdiente Strafe erhalten.«

»Du könntest ein wenig mitfühlender klingen.«

»Könnte ich, tue ich aber nicht.«

Er ließ ein Lächeln aufblitzen, bei dem ihr schwindelig wurde. Das liegt nur daran, dass ich nicht viel gefrühstückt habe, redete sie sich ein, wusste aber, dass das gelogen war.

»Während ich noch versucht habe, sie davon zu überzeugen, dass ich der perfekte Freund bin, ist sie schwanger geworden.« Kurz senkte er den Blick auf die Tischplatte, dann sah er wieder Wynn an. »Das hat keiner von uns kommen sehen. Unsere Eltern waren nicht sonderlich erfreut.«

»Das kann ich mir vorstellen. Habt ihr geheiratet?«

»Nein. Das wollten wir beide nicht. Als Joylyn zur Welt kam, waren wir bereits nur noch gute Freunde, und so ist es bis heute geblieben. Alisha ist eine tolle Mutter, und ich habe mich bemüht, ein guter Vater zu sein.«

»Also hast du ein Kind bekommen, während du noch auf der Highschool warst.«

Er nickte. »Für Alisha war es natürlich schwerer als für mich. Immerhin war sie diejenige, die schwanger war. Sobald Joylyn geboren war, haben wir einen Betreuungsplan aufgestellt. Na ja, eigentlich haben unsere Mütter den Großteil der Arbeit übernommen. Damals haben wir das gar nicht so mitbekommen, aber sie waren immer für uns da. Nach dem Schulabschluss ist Alisha mit ihrer Familie nach Phoenix gezogen. Ich wollte den Kontakt zu meiner Tochter nicht verlieren, also habe ich mich dort für die Uni beworben und bin auch angenommen worden. Joylyn und ich sind sozusagen gemeinsam aufgewachsen.«

Es gefiel ihr, dass er sich von Anfang an um seine Tochter gekümmert hatte. Viele Jungs in diesem Alter hätten sich, so gut es ging, aus der Affäre gezogen oder Mutter und Kind sogar gänzlich im Stich gelassen.

»Und in Phoenix bist du dann Polizist geworden?«

»Ganz genau. Alisha hat geheiratet und nacheinander drei Söhne bekommen. Damit hatte sie ganz schön viel zu tun. Ich habe Joylyn so oft gesehen, wie es nur ging.«

Der Kellner brachte ihre Getränke.

»Wir haben alles zusammen gemacht«, fuhr er fort und griff nach seinem Eistee. »Nach der Arbeit haben wir zusammen abgehangen, wir sind zelten gefahren und waren reiten.«

In seiner Stimme schwang Sehnsucht mit. Wynn hörte die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter heraus, aber auch, dass er vermisste, was sie einst gehabt hatten.

»Du warst ein guter Dad«, sagte sie.

»Das hoffe ich.« Er trank einen Schluck. »Was ist mit dir? Spielt Hunters Vater eine Rolle in seinem Leben?«

»Nein. Er ist kurz nach Hunters Geburt gestorben. Ich war die Begünstigte in seiner Lebensversicherung, und das Geld hat es mir ermöglicht, auf die Berufsschule zu gehen und mich als Grafikdesignerin ausbilden zu lassen. Danach bin ich hierhergezogen und habe meine Firma aufgebaut.«

An der Geschichte war noch viel mehr dran, doch das war die Version, die Wynn allen Leuten erzählte, die fragten.

»Wo bist du aufgewachsen?«, wollte Garrick wissen.

»In Oakland. Also ziemlich weit weg von Happily Inc.« Sie lächelte. »Mir gefällt das Kleinstadtleben.«

»Ja, hier herrscht ein völlig anderer Rhythmus, oder? Happily Inc ist ein guter Ort für Familien. Ich habe es geliebt, hier aufzuwachsen, und bin froh, wieder zurück zu sein.«

»Hast du noch andere Kinder?«, fragte Wynn.

»Nein. Nur Joylyn. Ich dachte mal, ich würde noch welche bekommen. Ich war verheiratet, und wir haben darüber gesprochen, aber irgendwie ist es nie dazu gekommen.«

»Also bist du geschieden?«

Er nickte. »Ja, es war nicht toll, aber auch nicht dramatisch. Wir hatten beide zu viel mit unseren Jobs um die Ohren. Ich war nicht oft zu Hause, und so haben wir uns auseinandergelebt.«

»Wieso warst du nicht oft zu Hause?«, wollte Wynn wissen. »Ich dachte, Polizisten haben relativ geregelte Arbeitszeiten.«

In diesem Moment kam der Kellner mit ihren Speisen. Garrick dankte ihm und schaute dann Wynn an.

»Ich habe an ein paar Spezialprogrammen teilgenommen. Mehrere Jahre gehörte ich zu einer Sondereinsatztruppe der DEA – der Drogenbehörde. Da habe ich auch ein wenig undercover gearbeitet, und das bedeutete, oft mehrere Wochen am Stück von zu Hause weg zu sein.«

Wynn starrte ihn an. »Du warst Undercover-Agent bei der Drogenbehörde?«

Er nahm zwei Pommes frites und steckte sie sich in den Mund. »Das war nicht so wie in den Filmen. Ich bin nur ein paar Mal in Phoenix undercover im Einsatz gewesen und wurde danach in Kolumbien eingesetzt. Zu der Zeit ist meine Ehe dann den Bach runtergegangen, was schlimm war. Aber Joylyn zu verlieren war schlimmer.«

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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