Verführung in Hollywood

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Erregt spürt Trish, dass der Schauspieler Ty Ramsay auf der Kostümparty mit ihr flirtet. Eigentlich ist sie nicht der Typ für eine einzige Nacht. Aber vielleicht sollte sie bei dem sexy Filmstar einfach mal alle Hemmungen vergessen?


  • Erscheinungstag 17.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778538
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Was, du kommst in Jeans und T-Shirt?“ Cilla Danforth stand in der Tür ihres Bungalows und starrte Trish Dawson entgeistert an. „Hast du vergessen, dass die Party, zu der wir gehen, ein Kostümfest ist und wir wie in unserer liebsten erotischen Fantasie gekleidet kommen sollen?“

„Damit unsere aufregendsten Fantasien verwirklicht werden?“ Trish zuckte mit den Schultern. „Ich habe die Einladung gelesen.“

„Dann ist dir ist doch wohl klar, dass du dich umziehen musst, oder? Sabrina nimmt ihre Kostümpartys sehr ernst.“

„Das mag ja sein, aber im Moment drehen sich meine liebsten erotischen Fantasien mehr um ein Bad und eine Fußmassage“, erwiderte Trish, als sie seufzend ihre Tasche in der Diele abstellte, erschöpft von ihrem Job beim Haushälterservice ihrer Schwester Amber, der darauf spezialisiert war, alle anfallenden häuslichen Arbeiten bei den Filmstars von Los Angeles zu erledigen. „Ich bin fix und fertig. Außerdem weiß ich gar nicht, was du willst“, sagte sie mit einer Handbewegung auf Cillas pflaumenfarbenes Kostüm. „Das kann man ja wohl auch nicht gerade eine Verkleidung nennen.“

„Ich bin eben erst heimgekommen. Morgen findet die große Danforth-Modenschau statt, und da musste heute natürlich alles schiefgehen.“

„Ja, der Rodeo Drive und die Modebranche, das ist ein hartes Leben“, sagte Trish mit geheucheltem Mitgefühl. „Und ist alles klar für morgen?“

„Ich denke schon. Da jemand anderer die Designerin vom Flughafen abholt, bin ich heute Abend noch mal davongekommen. Und ein Kostüm habe ich natürlich auch. Ich gehe als frivole Krankenschwester“, erklärte Cilla und machte ein paar Knöpfe ihrer Bluse auf, um Trish ihren schwarzen Spitzen-BH zu zeigen.

Trish lachte. „Oh, oh. Hast du keine Angst, dass deine Patienten einen Herzanfall bekommen?“

„Wieso, das ist doch eine angenehme Art zu sterben“, meinte Cilla. „Wie du siehst, bin ich bereit. Wir müssen nur noch was mit dir anstellen. Und da es erst halb acht ist, haben wir auch noch jede Menge Zeit dazu. Ich hole uns etwas zu trinken, und dann werden wir mal sehen, was wir für dich finden.“

Trish ließ sich in einen Sessel fallen. „Es war ein langer Tag. Ich bin vollkommen geschafft.“

„Wenn du nicht was anderes anziehst, wirst du dich derart unwohl fühlen, dass du schon nach einer halben Stunde wieder gehst“, unkte Cilla, bevor sie in der Küche verschwand.

„Das tue ich sowieso“, rief Trish ihr nach. „Du weißt doch, wie ich Partys hasse.“

„Dann stell sie dir eben nicht wie eine Party vor, sondern wie ein Treffen unseres Frauenclubs mit zusätzlichen Gästen.“ Cilla kam mit zwei Gläsern Gingerale zurück. „Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du der Star des Abends sein. Was war übrigens mit dem gut aussehenden Schreiner, mit dem du sprachst, als ich heute anrief?“

Trish zuckte die Schultern. „Er machte seine Arbeit, und dann ging er wieder.“

Cilla starrte sie an. „Du warst einen halben Tag mit einem attraktiven Mann allein im Haus und hast nicht einmal mit ihm geflirtet?“

„Der Kunde hätte jeden Moment hereinkommen können. Außerdem beschäftigen wir ihn ziemlich regelmäßig. Wenn ich mit ihm geplaudert hätte, wäre er vielleicht noch auf die Idee gekommen, mich um ein Date zu bitten.“

„Na und? Vielleicht ist er ja ein netter Typ.“

„Ja, aber bei einem Treffen müsste ich mit ihm reden, und dann würde ich so unter Stress stehen, etwas Intelligentes zu sagen, dass ich keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen könnte. Und dann hätte ich Angst, dass er mich langweilig findet und nur noch so schnell wie möglich wieder verschwinden will. Ganz zu schweigen von der Küsserei am Ende des Abends, für die ich, glaube ich, einfach nicht geschaffen bin.“ Trish unterbrach sich, um einen Schluck zu trinken. „Und wenn wir gut miteinander auskämen, wäre es noch schlimmer. Dann würde ich viel zu viel Geld für den Friseur und sexy Dessous ausgeben, und er würde Schluss machen und ich müsste trotzdem weiter mit ihm arbeiten. Das ist den Aufwand nicht wert.“ Trish blickte auf zu Cilla, die ein Lächeln unterdrückte. „Was ist?“

„Sehr geschickt, wie du das machst. Du durchläufst die ganze Beziehung, ohne auch nur das Zimmer zu verlassen oder ein Wort mit diesem Mann zu reden. Damit sparst du wirklich eine Menge Zeit und Geld.“

Trish errötete. „Es wäre mir einfach bloß zu mühsam im Moment.“

„Willst du mir einen Gefallen tun, Trish?“

„Was?“, fragte sie misstrauisch.

„Vergiss das alles. Komm mit zu der Party, und entspann dich. Die ganze Clique wird dort sein, du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, dass du allein mit Männern reden musst. Außerdem werde ich dich so ausstaffieren, dass sie alle ganz heiß darauf sein werden, mit dir zu reden. Betrachte es wie ein Experiment.“ Sie stand auf und winkte ihrer Freundin, mitzukommen. „Und vielleicht macht es dir ja sogar Spaß.“

Trish beäugte Cilla skeptisch und folgte ihr den Gang hinunter. „Du wirst doch jetzt wohl nicht die alte Leier meiner Schwester anstimmen und mir sagen, wie wichtig das Aussehen ist?“

„Das ist doch nur ein Vorwand, um dir die ganze Arbeit aufzuhalsen, während sie im Büro sitzt und sich ihre Nägel feilt.“

„Es ist ihre Firma“, sagte Trish. „Außerdem ist sie die bessere Geschäftsfrau. Amber zieht sich gern schick an, während ich am liebsten Jeans trage. Irgendjemand muss ja der Außenwelt das richtige Image präsentieren.“

„Sagt deine Schwester“, bemerkte Cilla spöttisch. „Aber wenn du dir deine Jeans und T-Shirts abgewöhnen und dich ein bisschen zurechtmachen würdest, wären die Leute viel zu beschäftigt damit, dich anzustarren, um Amber auch nur einen zweiten Blick zu gönnen.“

Trish verdrehte die Augen. „Danke, aber ich will nicht angestarrt werden, und ich trage nun mal gern Jeans.“

„Und sie stehen dir ja auch“, gab Cilla zu. „Aber zu einer Party? Du wirst dich wohler fühlen, wenn du richtig gut aussiehst.“

„Ach komm, Cilla, was soll ein bisschen Make-up schon groß verändern?“

„Na ja, ich gebe zu, ich hatte an sehr viel mehr als das gedacht“, erklärte Cilla, als sie ins Schlafzimmer ging und die Schranktür aufzog.

„Wenn du glaubst, ich würde in deine Sachen passen, träumst du“, sagte Trish. „Ich trage meine Sachen drei Nummern größer als du.“

„Red keinen Unsinn.“ Cilla packte Trish an der Taille. „Du musst diese Jeans ja nicht mal aufknöpfen, um sie ausziehen. Warum kaufst du immer noch die gleiche Kleidergröße wie vor zehn Jahren?“

„Weil die Sachen so bequemer sind“, murmelte Trish.

„Das ist Nacktsein auch, und trotzdem sehe dich nicht nackt herumlaufen.“

„Das ist ja lächerlich.“

Cilla zog einige Kleidungsstücke aus dem Schrank. „Hier, probier das mal an.“

„Lass mich mal sehen“, sagte Trish, während sie vergeblich versuchte, sich vom Toilettendeckel zu erheben.

„Du wirst dich sehen, wenn ich fertig mit dir bin. Und jetzt halt still“, befahl Cilla. „Schau zur Decke, und halt die Augen auf.“

„Das ist jetzt schon die dritte Schicht Mascara“, murrte Trish. Dieser ganze Aufwand irritierte sie. Sie war nun einmal, wer sie war, und wenn sie sich so auftakelte, würde sie nur Dinge erwarten, die ohnehin niemals geschehen würden. Das hatte sie durch bittere Erfahrungen gelernt.

Als sie nach dem Handspiegel griff, fixierte Cilla sie mit einem strengen Blick. „Lass das, sonst konfisziere ich deine Jeans.“

„Ich komme mir langsam vor wie Frankensteins Monster. Ich kann mir selbst die Lippen schminken“, nörgelte Trish.

„Hm.“ Cilla kam mit einem Lippenstift, der die Farbe reifer Kirschen hatte. „Ich möchte, dass du die Gesamtwirkung siehst.“

Die Gesamtwirkung war genau das, was Trish beunruhigte. Sie kleidete sich lieber schlicht und dezent, weil sie es vorzog, im Hintergrund zu bleiben.

Als Cilla ihr Werk beendet hatte, trat sie zurück, um ihre Freundin kritisch zu betrachten. „Ja, so gefällst du mir“, stellte sie zufrieden fest. Dann lachte sie. „Das war dein ängstlichster Blick seit damals, als wir einen Stripper zu deinem Geburtstag kommen ließen.“

„Sag mir bitte nur, dass ich nicht wie Tammy Faye aussehe.“

„Du siehst nicht aus wie Tammy Faye“, versicherte ihr Cilla. „Und jetzt darfst du aufstehen, aber schau nicht hier in den Spiegel.“ Sie hielt Trish die Augen zu, bis sie in das Schlafzimmer gelangten. „Schließlich sollst du die Gesamtwirkung zu sehen bekommen.“

„Die Gesamtwirkung bekomme ich, wenn ich stolpere und mir den Hals breche.“

„Wir sind gleich da. Okay, bist du bereit? Ta-da!“, rief Cilla aus und ließ die Hände sinken.

Im ersten Moment verschlug es Trish die Sprache. Sie konnte nur den Spiegel anstarren und die hinreißende Fremde, die ihr darin entgegenblickte. Eine Fremde mit seidig glänzendem, glattem, rotblondem Haar, das ihr bis zur Taille reichte, und mit einem Mund, der verführerisch wie Schokolade war. Ihr Gesicht, das ihr im Vergleich zu der gesunden Bräune ihrer Schwester immer viel zu blass und unscheinbar erschienen war, wirkte plötzlich ausdrucksvoll und interessant. Das raffinierte Make-up betonte ihre hohen Wangenknochen und ließ ihre schiefergrauen Augen dunkler und irgendwie geheimnisvoll erscheinen.

„Wow“, flüsterte sie und berührte ihr erstaunlich glattes, weiches Haar. „Das ist ja …“

„Gefällt es dir?“

„Ich erkenne mich fast nicht wieder, Cilla.“ In freudiger Erregung drehte Trish sich, um den Gesamteindruck zu studieren. Und sie musste zugeben, dass der Gesamteindruck sich nur mit einem Wort beschreiben ließ: umwerfend. Offenbar hatte Cilla gemeint, der Anlass erfordere ein kühnes Statement, denn sie hatte ihr bestes Domina-Outfit aus dem Schrank geholt. Und zu Trishs Erstaunen hatte sie es sogar geschafft, den Reißverschluss zu schließen, obwohl ein tiefer Atemzug ihre Brüste alarmierend in die Höhe schob. Das schwarze Lederbustier betonte ihre Taille, der dazugehörige kurze Rock saß wie eine zweite Haut. Schwarze Netzstrümpfe und hochhackige Stiefeletten vervollständigten das Ensemble. So wie sie Cilla kannte, war es ein Designerstück, aber es sah aus, als stammte es aus einem S&M-Club.

Es sah fantastisch aus. Nur war sie nicht sicher, ob sie Partykleidung überhaupt beurteilen konnte. „Ist es nicht ein bisschen überzogen?“

„Machst du Witze? Bei einem solchen Anlass? Damit wirst du noch unter den Zahmsten sein. Ein Jammer, dass wir keine Peitsche für dich haben“, meinte Cilla. „Dann wärst du perfekt.“

„Du meinst perfekt für eine Domina, denn dieser Look verkündet: ‚Du warst ein ganz böser Junge, und ich muss dich bestrafen.‘“

„Wie gesagt, man kann nie wissen. Vielleicht macht es dir ja sogar Spaß.“

Trish verdrehte die Augen. „Wohl kaum. Oder wenn, dann höchstens der Domina, als die du mich verkleidet hast.“

„Das ist ja gerade der Spaß dabei“, meinte Cilla, als sie in ihr Schwesternkostüm schlüpfte. „Hast du dir noch nie gewünscht, mal für eine Nacht jemand zu sein, der ganz anders ist als du?“

Normalerweise hätte Trish geantwortet, dass das nichts daran ändern würde, wer sie war. Ihre Hoffnungen, eine umschwärmte Verführerin zu sein oder gar die wahre Liebe und den richtigen Mann zu finden, hatte sie schon lange ad acta gelegt. Ihre Freundinnen mochten sie eine hoffnungslose Romantikerin nennen, aber Liebe zu wollen und auch daran zu glauben, sie eines Tages zu finden, das waren zwei völlig unterschiedliche Dinge.

Aber vielleicht konnte es für diesen einen Abend wirklich anders sein. Vielleicht konnte sie ausnahmsweise einmal in eine andere Rolle schlüpfen und sehen, wie der Rest der Menschheit lebte.

Vierzig Minuten später, in Venice, einer kleinen Ortschaft südlich von Santa Monica, die mit ihren kleinen Brücken und Kanälen an Venedig oder Amsterdam erinnerte, kamen Trish jedoch wieder Bedenken. „Ich halte das nicht für eine gute Idee“, murmelte sie und zupfte an ihrem Rock herum, als sie die Einfahrt zu Sabrinas Haus hinaufgingen. Das Domina-Outfit in Cillas Schlafzimmer zu tragen war etwas völlig anderes, als sich damit in der Öffentlichkeit zu zeigen.

„Hör auf, an dir herumzuzupfen“, sagte Cilla.

„Es ist alles viel zu eng.“

„Das ist Gaultier. Das muss so sitzen.“

„Wieso habe ich dich dann noch nie darin gesehen?“

Cilla zuckte mit den Schultern. „Du weißt doch, wie es in der Modebranche ist. Man kann die Sachen höchstens einmal tragen.“

„Dann ist das heute also meine große Chance?“

„Mach was draus“, riet Cilla und griff in ihre Tasche, weil ihr Handy gerade klingelte. „Hallo?“

Trish ging ein paar Schritte weiter und rückte ihr Bustier zurecht. Vielleicht musste sie sich einfach nur in ihre Rolle hineinversetzen und sich vorstellen, dass nicht sie es war, die zu der Party ging, sondern ihr zweites Ich, das nichts lieber tat, als aufzufallen, und das den Trubel liebte.

„Das glaube ich nicht!“, rief Cilla hinter ihr. „Was ist mit der Begleitung? Ach was, vergiss es! Schick ihr einfach einen Wagen, denn ich bin unterwegs zu einer Party.“ Nervös ging Cilla auf und ab, während sie dem Anrufer zuhörte. „Okay, ich bin in zwanzig Minuten da“, sagte sie dann und fluchte, nachdem sie das Gespräch beendet hatte.

„Was sollte das denn?“, fragte Trish verwundert.

„Offenbar besteht unsere Designerin darauf, dass ich sie persönlich abhole und mit ihr essen gehe.“

„Und warum gerade du?“

Cilla stieß frustriert den Atem aus. „Weil wir uns seit ihren Modenschauen kennen.“

„Oder vielleicht auch deshalb, weil deiner Familie eine ganze Kaufhauskette gehört und sie vermögender ist als halb Amerika zusammen?“

„Bitte.“ Cilla verdrehte die Augen. „Die Frau hat gedroht, zu Fuß zu gehen, wenn ich nicht komme. Mir bleibt nichts anderes übrig, als sie abzuholen.“

„Aber was ist mit der Party?“, fragte Trish erschrocken. „Ich dachte, wir gehen da zusammen hin.“

„Es wird nicht lange dauern. Notfalls schleppe ich die Designerin mit hierher – Sabrinas Dokumentarfilm werde ich mir ganz sicher nicht entgehen lassen.“

„Und wenn ich dich begleite?“, schlug Trish vor.

Cilla schüttelte den Kopf und knöpfte ihren Mantel zu, um ihr Kostüm darunter zu verbergen. „Diese Primadonna würde einen Anfall kriegen, wenn du in einem Outfit von Gaultier erscheinst. Außerdem muss es jemand Sabrina sagen. Du siehst fantastisch aus, Trish“, beruhigte sie ihre Freundin und umarmte sie noch einmal. „Geh und such den Rest der Clique. Es wird schon klappen, Schätzchen.“

Trish sah Cilla nach, als sie zu ihrem Wagen ging, und wünschte, sie könnte einfach mit den Fingern schnippen und sich in ihr ruhiges, behagliches Apartment zurückzaubern. Sie würde ein paar Kerzen anzünden, sich ein Glas Wein einschenken und sich einen Film ansehen oder an dem Drehbuch arbeiten, das sie schrieb …

Aber Sabrina erwartete sie. Oder genauer gesagt, sie erwartete sie beide, und deshalb wäre es unfair, einfach zu verschwinden, ohne zu erklären, warum Cilla nicht mitgekommen war. Danach konnte sie sich immer noch ein Taxi bestellen und nach Hause fahren.

Doch keine noch so guten Gründe vermochten etwas daran zu ändern, dass ihr davor graute, in diesem Aufzug Sabrinas Haus zu betreten. In normaler Kleidung wäre es schon schlimm genug gewesen, aber ganz allein und noch dazu in dem frivolsten Outfit, das sie je getragen hatte? Von oben betrachtet, war das Bustier geradezu unerhört tief dekolletiert. Das kann Cilla nicht von mir verlangen, dachte Trish. Und wenn sie nun die Einzige war, die sich verkleidet hatte? Und genauso lächerlich aussah, wie sie sich vorkam? Die Erinnerung an ihr zweites Ich, das sie in Cillas Spiegel gesehen hatte, verblasste, und die Trish, die nun auf der Veranda stand und schluckte, kam sich plötzlich schrecklich albern vor.

Denk an Sabrina, ermahnte sie sich. Es war ein wichtiger Abend für sie, und sie wollte ihre Freunde um sich haben, um das mit ihnen zu feiern. Trish beschwor sich, kein Feigling zu sein. Es würde niemanden interessieren, wie sie aussah. Dazu waren die Leute zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Und die meisten würde sie vermutlich ohnehin nie wiedersehen.

„Also, mach schon“, befahl sie sich und drückte auf die Klingel.

Als die Tür geöffnet wurde, war es jedoch nicht Sabrina, die vor ihr stand, sondern ein blonder, höchstens sechzehn oder siebzehn Jahre alter Junge.

Hatte sie sich in ihrer Panik in der Tür geirrt? Bitte, lass es das richtige Haus sein, flehte Trish im Stillen.

„Wow!“, bemerkte der Junge anerkennend. „Sie kommen wohl zu der Party. Ich bin Lee. Wollen wir miteinander durchbrennen?“

Trotz ihrer Nervosität musste Trish lachen. „Gib mir ein paar Minuten Zeit, darüber nachzudenken.“

„Klar. Kommen Sie rein, dann sprechen wir darüber.“

Die Party war schon in vollem Gange. Eine Frau, die von Kopf bis Fuß in rotem Latex steckte, tanzte im Wohnzimmer Tango mit einem Mann, der ein Hundehalsband trug. Eine Tänzerin aus einem Wildwest-Saloon beugte sich über einen auf einer Couch liegenden Bauarbeiter ohne Hemd. Es waren Prostituierte, Polizisten, Schulmädchen in Uniform, Scheichs, ein Pizzabote und sogar ein Marquis de Sade da, perfekt ausstaffiert mit einem hellblauem Gehrock, weiß gepuderter Perücke und Peitsche.

„Geben Sie mir Ihren Mantel“, sagte Lee und nahm ihn, bevor Trish protestieren konnte.

Und dann stand sie auch schon in ihrem Domina-Outfit vor all den Leuten.

Einer nach dem anderen, begannen sich die Leute nach ihr umzudrehen, und Trish musste sich zusammennehmen, um sich nicht auf dem Absatz kehrtzumachen und zu gehen. Vielleicht ist eine Naht geplatzt, dachte sie errötend. Oder eine ihrer Brüste war aus dem Bustier gerutscht. Oder ihr Aufzug war vielleicht einfach nur zu viel. Zugegeben, die meisten Leute trugen ein Kostüm, aber ein so frivoles wie ihres hatte sie bisher nicht entdeckt. Dann aber, als sie den Raum durchquerte, entdeckte sie noch eine schlanke, sehr exotisch aussehende Frau in schwarzem Leder – und stellte verblüfft fest, dass es ihr eigenes Spiegelbild war, das ihr da aus einem prunkvollen Spiegel an der Wand entgegenblickte.

Prickelnde Erregung begann Trish zu durchfluten. Sabrinas Gäste starrten sie nicht an, weil sie lächerlich in ihrem Outfit wirkte, sondern weil sie gut aussah! Am liebsten wäre sie vor den Spiegel getreten, um sich davon zu überzeugen, dass diese umwerfende Frau sie selbst war. Oder zumindest doch für heute Nacht.

Und was für eine Nacht das werden würde!

Als Trish sich wieder umblickte, begegnete ihr Blick dem des Marquis de Sade, der am Geländer der Galerie oberhalb des Wohnzimmers lehnte. In einer Hand hielt er eine Peitsche mit einem Griff aus Ebenholz und langen dünnen Lederriemen. Eine reich verzierte silberne Maske bedeckte die obere Hälfte seines Gesichts. Trish konnte nur seinen Mund mit dem gepflegten schmalen Schnurrbart sehen, und seine Augen, die aus den Löchern seiner Maske herausschauten und sie fixierten.

Rasch sah Trish sich um, ob er womöglich jemand anderen ansah, aber sein Blick ruhte nach wie vor auf ihr, als sie wieder aufschaute. Sie erschauerte. Ich darf nur keine Verlegenheit erkennen lassen, dachte sie. Sie sah gut aus – nein, besser als gut. Vielleicht starrte er sie deshalb an. Oder vielleicht bewunderte er auch nur ihr Outfit. Oder glaubte eine verwandte Seele entdeckt zu haben.

Lee, der ihr die Tür geöffnet hatte, tippte ihr auf die Schulter. „Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?“

„Was?“ Trish löste ihren Blick von dem Marquis. „Vielleicht sollte ich vorher lieber doch Sabrina suchen.“

„Meine Cousine? Die habe ich eben noch gesehen. Ich bringe Sie zu ihr.“

„Danke, das ist lieb von dir“, sagte Trish. Aber in ihr krampfte sich alles zusammen, als der Junge sich zur Treppe wandte, denn die führte zur Galerie und dem Marquis. „Wo willst du hin?“

„Sie wollten doch zu meiner Cousine. Sie ist mit ein paar Freunden auf dem Dach.“

Der Marquis beobachtete sie, als sie den Raum durchquerte. Und er war nicht der Einzige. Wieder blickte sie Hilfe suchend in den Spiegel an der Wand. Das bist du heute Abend, erinnerte sie sich und lachte. Also, mach was draus! Ein Cowboy mit einem bis zur Taille offen stehenden Hemd zwinkerte ihr zu und hob sein Lasso. „Ich war ein böser Junge, Herrin. Werden Sie mich fesseln und mir eine Lektion erteilen?“

Trish warf ihm einen strengen Blick zu. „Fesseln würde nicht genügen, um Ihnen eine Lektion zu erteilen.“

„Dann werde ich warten.“

Lee führte sie die Treppe hinauf. Trish wusste, dass der Marquis sie beobachtete, und genoss es, seinen bewundernden Blick auf sich zu spüren. Dann machte die Treppe eine Biegung und versperrte ihr für einen Moment die Sicht auf ihn. Und dann stand Trish auch schon auf der Galerie und war ihm nahe genug, um ihn berühren zu können. Ein kalter Luftzug streifte ihre nackten Schultern, eine Gänsehaut kroch über ihre Arme. Sie hätte schwören können, dass seine Augen sich verdunkelten, als er sie anstarrte und langsam mit den Fingern durch die schmalen Lederriemen seiner Peitsche fuhr – eine Geste, die ungeheuer erotisch auf Trish wirkte.

Sie war wie elektrisiert, als ihre Blicke sich begegneten, und verlangsamte unwillkürlich ihren Schritt. Die Maske, die den größten Teil seines Gesichts verdeckte, lenkte ihren Blick auf sein gut geformtes Kinn und die kleine Kerbe darin. Als wüsste er, wohin sie blickte, verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln, und dann legte er zwei Finger an die Lippen und warf ihr eine Kusshand zu.

Trish errötete und begann die nächste Treppe hochzusteigen.

Kurz darauf stand sie auf dem Dach, von kühler Abendluft umgeben. Ein Grüppchen von Leuten stand am anderen Ende, was Trish als ungemein beruhigend empfand, denn sie kannte sie alle fast ebenso gut wie sich selbst.

Die lachende Frau mit dem dunklen Pagenkopf war Sabrina, der Mann an ihrer Seite Stefos, ihr neuester Freund. Neben ihnen stand Kelly und erzählte wild gestikulierend eine Geschichte, mit Hilfe ihres Freundes Kev, dessen Haar mal wieder aussah, als hätte er es mit einer Gartenschere bearbeitet. Delaney, noch genauso weizenblond wie früher, prustete vor Lachen. Der etwas unscheinbare Mann an ihrer Seite war vermutlich ihr Begleiter. Oder vielleicht auch nicht. Eigentlich sah er mehr so aus, als wäre er mit der kühlen, immer sehr beherrschten Paige gekommen.

Sie mochten heute alle älter und weiser sein, aber der Sex & Supper Club, den sie während ihrer Studienzeit gegründet hatten, war immer noch zusammen, und sie standen sich noch genauso nahe wie damals. Trish wäre für jede einzelne dieser Frauen durchs Feuer gegangen.

Sabrina drehte sich im Halbdunkel zu ihnen um. „Willst du uns nicht deine Freundin vorstellen, Elliot?“

„Elliot?“, fragte Trish mit einem Seitenblick auf Lee.

Er errötete. „Meine Freunde nennen mich Lee.“

„Du meine Güte, Leute, das ist Trish!“, rief Kelly und kam auch schon zu ihr herüber. „Ich hab dich zuerst gar nicht erkannt. Du siehst fantastisch aus!“

Sekunden später war Trish von ihren Freundinnen umringt.

„Sieh dir das Haar an“, sagte Delaney und strich mit den Fingern durch die seidenen Strähnen. „Du siehst aus wie ein Model aus der ‚Vogue‘!“

Trish musste lachen. „Das war Cilla. Ihr kennt sie ja. Sie hat mir bloß ein ‚altes Fähnchen‘ aus ihrem Kleiderschrank gegeben.“

„Ja, ein altes Fähnchen, das in etwa so viel kostet wie ein Kleinwagen. Wo steckt sie überhaupt?“

„Sie musste noch was für ihre Modenschau erledigen. Sie meinte, sie wäre in zwei Stunden hier. Wo ist Thea?“

„Sie hat die Grippe, die Arme“, sagte Sabrina und bedachte Trish mit einem spitzbübischen Lächeln. „Dann ist das also die wahre Trish?“

Trish lachte. „Absolut nicht. Es ist nur mein zweites Ich.“

„Machst du Witze?“ Kelly lachte. „Du könntest immer so gut aussehen.“

„Oh ja. Ich kann mir vorstellen, wie begeistert meine Schwester wäre, wenn ich in nietenbesetzten Lederklamotten in ihrem Büro erschiene.“

„Nein, im Ernst“, beharrte Kelly. „Vergiss das Leder. Mit ein bisschen Mühe könntest du so toll aussehen, dass die Männer dir zu Füßen liegen.“

Trish war sich nicht mal sicher, ob sie sich das wünschte. „Ich glaube, du übertreibst.“

„Ach ja?“, entgegnete Sabrina. „Dann fragen wir doch mal Elliot.“

„Lee“, berichtigte Trish sie leise.

Sabrina zog die Brauen hoch. „Lee?“

„Lass ihn“, murmelte Trish. „Er versucht doch nur, erwachsen zu werden. Jeder hat das Recht, sich zu verändern.“

Sabrina lächelte. „Du hast Recht“, sagte sie und drehte sich zu ihrem Cousin um, der bei Stefos und Kev stand. „He, Lee“, rief sie, „wie findest du denn unsere Trish?“

„He, ich wollte sie heiraten“, erwiderte er prompt. „Sie war’s, die mich abgewiesen hat.“

Sabrina wandte sich wieder den anderen zu. „Na, siehst du?“

Trish verdrehte die Augen. „Er ist noch ein halbes Kind, Sabrina.“

„Na ja, dann müssen wir uns eben nach was Älterem umsehen. Der Castingdirektor für Runaway Dreams ist auch hier auf der Party.“

„Rob Carroll?“, fragte Kelly. „Du kennst aber wirklich interessante Leute.“

„Er ist im Moment der angesagteste Typ hier in L.A.“, behauptete Sabrina.

„Und schläft mit allem, was sich bewegt“, warf Kelly ein.

„Du liebe Güte, seid ihr kritisch! Dann suchen wir eben einen anderen für dich. Ach, da fällt mir übrigens gerade ein, dass mein berühmter Cousin versprochen hat vorbeizukommen.“

„Du meinst mich?“, rief Lee.

„Nein, den anderen Superstar von einem Cousin“, erwiderte Sabrina liebevoll.

Autor

Kristin Hardy
Kristin Hardy studierte Geologie und Physik und arbeitete nach ihrem Abschluss in Connecticut im Auftrag der NASA an der Entwicklung eines Telekops mit, dass mittlerweile die Erde umkreist. Doch der Drang zu schreiben wuchs.
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