Verlangen, das man nie vergisst

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Bei einer Charity-Veranstaltung trifft Aidan die sexy Unbekannte wieder, mit der er vor über einem Jahr ein unvergesslich leidenschaftliches Wochenende verbracht hat. Sofort ist die erregende Anziehung wieder da. Doch Violet behauptet, ihn nicht zu kennen! Oder spielt sie ihren Gedächtnisverlust nur? Dass Aidan der Vater ihres Babys ist, ist unübersehbar …


  • Erscheinungstag 04.11.2019
  • Bandnummer 7
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728175
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Miss Niarchos kann Sie jetzt empfangen.“

Aidan Murphy stand auf, knöpfte die Jacke seines Anzugs zu und strich über seine Krawatte. Es fühlte sich ziemlich merkwürdig an, nach so langer Zeit wieder einmal einen Anzug zu tragen. Früher waren Anzüge so etwas wie seine zweite Haut gewesen. Doch dann brach seine Welt zusammen, und sein Leben änderte sich für immer. Ein Barkeeper hatte keine Verwendung für maßgeschneiderte Anzüge und Seidenkrawatten. Und ein Barkeeper in Murphy’s Irish Pub wäre von seinen Stammgästen sogar mit argwöhnischen Blicken bedacht worden, würde er einen Anzug tragen.

Doch heute ging es nicht um den Pub oder das Leben, das Aidan seit fünf Jahren führte. Heute ging es um seine verstorbenen Eltern, ein Versprechen am Sterbebett und die Rehabilitationseinrichtung, die er ihnen zu Ehren eröffnen wollte.

Seine Eltern waren kurz nacheinander gestorben und hatten ihm völlig unerwartete Dinge vermacht. Dazu gehörte ein nicht besonders gut laufender irischer Pub in Manhattan und ein großes, altes Haus in der East Bronx. Als ehemaliger leitender Angestellter in einer Werbeagentur mit einem Hochschulabschluss in Marketing verfügte Aidan über ausreichende Kenntnisse, um dem Pub zu einem Aufschwung zu verhelfen. Aber er hatte keinerlei Interesse an einem Haus, das so weit entfernt war – und noch dazu so riesig. Allerdings brachte er es noch nicht über sich, sich von dem Haus zu trennen, in dem er aufgewachsen war und das ihn so sehr an seine Eltern erinnerte.

Sie hatten das Haus gekauft in der Hoffnung auf eine große Familie, die sie gemeinsam gründen wollten. Dazu war es jedoch nie gekommen. Das Haus war abgezahlt, aber selbst, wenn Aidan es hätte verkaufen wollen, wäre das nicht so einfach gewesen. Das Stadtviertel befand sich im Niedergang, und selbst die Mieten waren billig. Seine Mutter hatte das gewusst und ihn gebeten, das Haus zu behalten und es als vorübergehende Unterkunft für Alkoholiker zu benutzen, die gerade eine Entzugseinrichtung verlassen hatten. Selbst mit einem alkoholkranken Mann belastet, war Aidans Mutter der felsenfesten Überzeugung gewesen, dass ihrem Mann nach seinen diversen Entziehungskuren genau so eine Möglichkeit gefehlt hatte. Aidans Vater hatte jedes Mal schon nach wenigen Wochen wieder an der Flasche gehangen.

Hier kam die Stiftung der Familie Niarchos ins Spiel, auch wenn es Aidan überhaupt nicht behagte, jemand anderen um Hilfe zu bitten. Schon gar nicht, wenn es sich um wohlhabende Menschen mit gutem Ruf und Ansehen handelte.

Aber leider brauchte Aidan Geld, um den Traum seiner Mutter zu verwirklichen. Sehr viel Geld sogar. Seine eigenen Ersparnisse waren aufgrund des armseligen Geschäftssinns seines ständig betrunkenen Vaters längst aufgezehrt. Also stand er nun hier und war im Begriff, gegen seine Überzeugung einen Zuschuss von der Stiftung zu beantragen. Irgendwie klang das besser, als um Geld zu bitten.

Er legte die Hand auf die Türklinke und holte tief Luft. Jetzt oder nie. Hoffentlich war Miss Niarchos für seinen Charme empfänglich. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass ein freundliches Lächeln und harmloses Flirten ihn bei den meisten Damen weiterbrachte. Er wollte seine Talente nicht missbrauchen, aber heute würden sie ihm mit etwas Glück den Weg ebnen.

Aidan trat über die Schwelle in den hellen, farbenfroh dekorierten Raum und hielt abrupt inne, als er dem Blick aus den dunklen Augen der Frau ihm gegenüber begegnete. Der Frau, die vor über einem Jahr aus seinem Leben verschwunden war. Er vergaß seine Absicht, die Dame mit seinem nicht unbeträchtlichen Charme zu bezirzen, als er erkannte, wer die Verwaltungschefin der Stiftung war.

Violet.

Violet Niarchos, offenbar, obwohl Nachnamen in der kurzen Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, nie zur Sprache gekommen waren. Wenn er ihren Nachnamen erfahren hätte, wäre er bestimmt auf die Idee gekommen, diese exotische Schönheit aufzuspüren, nachdem sie so sang- und klanglos verschwunden war.

Aidan wollte schon zu einer Begrüßung ansetzen, hielt jedoch inne. Violets nichtssagender Gesichtsausdruck war verwirrend. Es gab nicht das geringste Anzeichen, dass sie ihn wiedererkannte. Sie blickte ihn an, als sei er nur eine weitere Person, die bei der Stiftung um Unterstützung für ein Projekt ersuchte, und nicht ein Mann, mit dem sie im Bett gewesen war. Offensichtlich hatte diese Erfahrung bei ihm ja einen stärkeren Eindruck hinterlassen als bei ihr.

„Violet?“, fragte er, nur um sicherzugehen, dass er es mit der richtigen Frau zu tun hatte. Er hätte schwören können, dass sie es war. Doch die Zeit konnte das Gedächtnis verfälschen. Schließlich war die Frau vor ihm noch schöner als in seiner Erinnerung – und das hatte er nicht für möglich gehalten.

„Ja“, erwiderte sie, erhob sich und umrundete ihren Schreibtisch, um ihn auf steife, förmliche Weise zu begrüßen.

Sie trug eine lavendelfarbene Bluse mit einem grauen Bleistiftrock und konservative, aber hübsche graue Pumps. Ihre Ohrläppchen zierten kleine graue Perlen, und um den Hals hatte sie eine dazu passende Perlenkette. Diese Ausgabe von Violet sah wesentlich adretter aus als die, die in jener Nacht in seinen Pub gestolpert war.

„Du erkennst mich nicht, oder?“, fragte er vorsichtig. „Ich bin Aidan. Wir haben uns vor eineinhalb Jahren in Murphy’s Pub kennengelernt.“

Die zarte Porzellanhaut ihres Gesichts schien plötzlich Sprünge zu bekommen. Ihre dunklen, mandelförmigen Augen weiteten sich, und ihre vollen roten Lippen öffneten sich vor Überraschung. Offenbar fügten sich in ihrem Gedächtnis verschiedene Puzzleteile aneinander und sie erinnerte sich an ihn.

„Oh, lieber Himmel“, flüsterte sie und schlug die Hände vor den Mund.

Aidan bemühte sich um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck, als er Tränen in ihren Augen schimmern sah. Doch innerlich zuckte er zusammen, und er verspürte ein schmerzhaftes Ziehen in der Magengegend. Er erinnerte sich an all die Nächte, in denen er wach im Bett gelegen und sich gefragt hatte, was mit ihr passiert war und warum sie nie mehr in den Pub gekommen war. Er hatte sich vorgestellt, wie es wohl sein mochte, wenn sie sich einmal wiedersahen. Dabei war ihm niemals in den Sinn gekommen, dass sie weinen könnte. Er hatte auch nichts getan, was Tränen rechtfertigen würde.

Oder doch?

Immerhin war sie es gewesen, die in den frühen Morgenstunden aus seinem Leben verschwunden war wie ein Geist. Er trank aus Prinzip keinen Alkohol, sonst hätte er befürchten müssen, sie wäre nur eine Ausgeburt seiner Fantasie im Vollrausch gewesen. Es hatte sich fast so angefühlt. Keine reale Frau hätte ihm so unter die Haut gehen können, wie Violet es getan hatte.

Wenn er an jenem Morgen nicht noch ihren Geschmack auf den Lippen gehabt und einen zerrissenen Slip als Beweisstück vorgefunden hätte, hätte er womöglich geglaubt, sie sei nicht real gewesen.

„Aidan“, flüsterte sie, während Tränen über ihre Wangen liefen.

Er widerstand dem Bedürfnis, zu ihr zu gehen und sie in die Arme zu nehmen. Er wollte sie nicht weinen sehen – schon gar nicht wegen ihm. Die Art, wie sie ihn ansah, verwirrte ihn noch mehr als der Tränenausbruch. Er glaubte, so etwas wie Bedauern in ihren Augen zu lesen.

Dem Aussehen nach zu urteilen, war Violet eine wohlerzogene, kultivierte junge Dame. Vielleicht hatte sie ihr zweitägiges Schäferstündchen mit dem heißen Barkeeper verdrängt. Und jetzt, da er in ihrem Büro stand, konnte sie die Peinlichkeit, so tief gesunken zu sein, nicht länger verleugnen. Warum sonst sollte sie Tränen vergießen und so wirken, als würde sie am liebsten durch das Fenster aus ihrem komfortablen Büro die Flucht ergreifen?

„Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich besorgt.

Sie wischte sich über die Wangen und wandte sich einen Moment ab, um ihre Fassung wiederzugewinnen. „Ja, natürlich“, sagte sie leise und drehte sich unverbindlich lächelnd wieder zu ihm um.

Sie streckte eine Hand aus. Er ergriff sie zu einem höflichen Händeschütteln. Bei der Berührung prickelte seine Haut. Ein fast vertrautes Gefühl. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte der Hautkontakt mit ihr seine Nerven zum Vibrieren gebracht. Daran hatte sich offenbar nichts geändert.

Ihre offensichtliche Anspannung war allerdings neu. Sie entzog ihm schließlich ihre Hand und deutete einladend auf einen der Stühle vor ihrem Schreibtisch.

„Bitte, setz dich. Wir haben viel zu besprechen.“

Aidan folgte ihrer Einladung und nahm Platz. Der massive Schreibtisch aus Kirschholz stand wie eine Barriere zwischen ihnen. Der Stuhl war bequemer, als er aussah. Der gesamte Raum kam ihm vor wie eine Erweiterung der Frau, an die er sich erinnerte. Es handelte sich nicht um eins dieser typischen, etwas steril wirkenden Büros. In einer Ecke stand eine Sitzgruppe mit plüschigen, farbenfrohen Sesseln. An den Wänden hingen geschmackvolle Kunstdrucke und große Fotografien, die hübsche weiße Häuser vor einem türkisfarbenen Meer zeigten. Wer war die Frau, die dieses Büro eingerichtet hatte? Die auf der Suche nach etwas oder jemandem, mit dem sie ihre Sorgen vergessen konnte, in Murphy’s Pub spaziert war?

„Bevor wir über deinen Antrag sprechen, sollte ich mich wohl entschuldigen“, begann Violet. „Ich fürchte, du hältst mich für sehr unhöflich, weil ich so einfach verschwunden bin. Ich fühle mich schrecklich deswegen.“

„Ich möchte einfach nur wissen, was mit dir passiert ist“, erwiderte Aidan wahrheitsgemäß.

Sie war bestimmt nicht die erste Frau, die sich nach einer flüchtigen Affäre im Morgengrauen davongeschlichen hatte. Eigentlich irritierte ihn am meisten, dass sie nie wieder etwas von sich hören gelassen hatte. Er wohnte praktisch im Murphy’s. Sie hätte in jederzeit dort antreffen können. Aber sie war nie wiederaufgetaucht. Ihre gemeinsame Zeit hatte bei ihm einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Es wunderte ihn, dass sie sich ohne einen Blick zurück davongemacht hatte. Immer wieder hatte es ihn gedrängt, sie ausfindig zu machen. Doch es gab nicht den geringsten Ansatz, wie er ihre Spur hätte aufnehmen können.

„Ich hatte einen Unfall“, erklärte Violet stirnrunzelnd. „Ich schätze, es muss kurz nachdem ich dein Apartment verlassen habe passiert sein. Mein Taxi fuhr auf einen Bus auf, und ich prallte mit dem Kopf gegen die Trennscheibe. Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Krankenhaus.“

Bedrückt senkte Aidan den Kopf. Er wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie sich nicht mehr bei ihm meldete, weil sie nicht konnte. Während er zu Hause über einer Schüssel Cornflakes gegrollt hatte, hatte sie im Krankenhaus gelegen. „Geht es dir wieder gut?“

„Ja“, antwortete sie lächelnd. „Ich hatte eine Platzwunde am Kopf und ansonsten nur Prellungen. Keine bleibenden Schäden, abgesehen von einem partiellen Gedächtnisverlust. Ich habe die gesamte Woche vor dem Unfall verloren. Das Letzte, an das ich mich erinnere, ist der Abend eine Woche vorher, an dem ich nach einem wichtigen Treffen mein Büro verließ. In den vergangenen Monaten habe ich alles darangesetzt, um diese Erinnerungen wiederzuerlangen, aber nichts hat geholfen. Ich habe mich nicht mehr bei dir gemeldet, weil ich mich nicht an dich erinnert habe. Bis du gerade eben in mein Büro gekommen bist und deinen Namen gesagt hast.“

„Willst du damit sagen, dass du unter einer Amnesie leidest?“

Bei der Art, wie er dieses Wort aussprach, zuckte Violet innerlich zusammen. Er klang ebenso ungläubig und erstaunt wie die meisten Leute bei diesem Wort. Amnesie hörte sich an wie etwas, das in einer Seifenoper vorkam, aber nicht im wirklichen Leben. Und doch war ihr genau das passiert. Eine ganze Woche ihres Lebens war aus ihrem Gedächtnis gelöscht worden, als ob es sie nie gegeben hätte.

Die Ärzte hatten ihr gesagt, dass ihre Erinnerung irgendwann zurückkehren würde. Aber sie konnten nicht vorhersagen, wie oder wann das geschehen würde. Es konnte ein gelegentlich wiederkehrendes kurzes Aufflackern und das Gefühl eines Déjà-vu sein, oder es könnte alles auf einmal zurückkommen.

Es war Letzteres gewesen. Als Aidan sie aus seinen großen blauen Augen angesehen und seinen Namen gesagt hatte, war es, als hätte der Boden unter ihren Füßen nachgegeben. Plötzlich war sie von Bildern überflutet worden. Aidan und sie. Nackt und verschwitzt. Lachend. Stunden, die sie im Bett verbracht hatten, manchmal redend, manchmal mit geliefertem Essen, manchmal … Sie spürte, wie ihre Wangen sich vor Verlegenheit röteten. Immerhin kam es nicht alle Tage vor, dass sie so intime Erinnerungen an einen praktisch fremden Mann hatte. Doch als ihr klar geworden war, was das alles für sie bedeutete, war die Verlegenheit verschwunden.

Und sie war in Tränen ausgebrochen.

Fünfzehn Monate hatte sie damit verbracht, sich zu fragen, was sie alles vergessen hatte. Kurz nach dem Unfall war sie fest entschlossen gewesen, ihre Erinnerungen wiederzubeleben. Doch das trat in den Hintergrund, als sie feststellte, dass sie schwanger war. Ab diesem Zeitpunkt richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Verlobung mit ihrem langjährigen Freund Beau Rosso und die Planung für die Ankunft ihres ersten gemeinsamen Kindes.

Dann kam das Baby zur Welt, und die verlorene Woche in ihrem Leben wurde wichtiger als jemals zuvor.

„Ich weiß“, sagte sie und hob die Hände. „Das hört sich verrückt an. Bis es mir selbst passiert ist, hielt ich es auch für lächerlich. Aber so lautete die Diagnose der Ärzte. Ich habe eineinhalb Jahre lang versucht, diese Erinnerungslücken zu füllen. Aber es war vergeblich. Nicht der kleinste Anhaltspunkt. Bis jetzt.“

Aidan strich sich durch die zerzausten roten Locken. „Und an was genau erinnerst du dich in Bezug auf mich?“, erkundigte er sich süffisant lächelnd.

Wieder errötete Violet angesichts der Bilder, die vor ihrem geistigen Auge vorbeizogen. Es gefiel ihr nicht besonders, dass er in dieser Situation im Vorteil war und sie in Verlegenheit bringen konnte. „Ich erinnere mich, wie ich in den Pub gegangen bin. Du arbeitest da?“

Er grinste. „Schlimmer. Ich bin der Eigentümer.“

Violet nickte und unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. Sie gehörte gewiss nicht zu den Frauen, die sich leichtfertig mit einem Barkeeper einließen. Sie war Erbin einer der größten europäischen Reedereidynastien und dazu erzogen worden, sich anständig und angemessen zu verhalten. Ihr Großvater würde sich im Grabe umdrehen bei dem Gedanken daran, dass seine Enkelin sich mit einem Barkeeper einließ. Nicht, dass der Eigentümer einer Bar so viel besser war. Aber immerhin war er nicht nur irgendein attraktiver Kerl, der seine Miete mit Trinkgeldern bezahlte.

Violet biss sich auf die Unterlippe, während sie versuchte, ihre neuen Erinnerungen zu sortieren. Sie erinnerte sich daran, den Pub betreten zu haben, wusste allerdings nicht mehr, warum. Sie war noch niemals zuvor dort gewesen. Sie erinnerte sich auch an den Moment, als sie Aidan zum ersten Mal erblickt hatte. Sie hatten sich unterhalten und viel gelacht, bis es Zeit war, die Bar zu schließen. „Ich weiß, dass wir in dein Apartment gegangen sind.“

Ihre Wangen brannten vor Scham. Nicht nur wegen der höchst erotischen Erinnerungen, sondern auch wegen des gleichermaßen wissenden und begehrlichen Blicks, mit dem Aidan sie in diesem Moment bedachte. „Ich denke, wir wissen beide noch sehr genau, was danach passiert ist.“

Aidan nickte bedächtig. „Ich habe mir dieses Wochenende mit dir wieder und wieder ins Gedächtnis gerufen, um herauszufinden, was ich falsch gemacht habe.“

Sie runzelte die Stirn. „Was meinst du damit? Ich erinnere mich vielleicht noch nicht an jedes Detail, aber ich bin mir sicher, dass du nichts falsch gemacht hast.“

„Nun ja, du bist gegangen, oder etwa nicht? Ich wachte in einem leeren Bett auf. Die Matratze neben mir war schon kalt. Wann bist du denn aufgestanden? Ich habe überhaupt nichts gehört.“

Violet versuchte, sich zu erinnern. Sie hatte sein Apartment sehr früh am Morgen verlassen. Aber warum? Musste sie etwas erledigen? Sie hatte das Gefühl, dass das die richtige Antwort war. Doch sie hatte keine Ahnung, um was es sich dabei gehandelt haben mochte. Was auch immer es war, es war ihr nicht gelungen. Stattdessen war sie im Krankenhaus gelandet. „Ich hatte irgendetwas zu erledigen. Ich war sehr leise, weil ich dich nicht wecken wollte. Und ich hatte vor, später im Pub vorbeizuschauen.“

„Aber dann hast du eine Amnesie bekommen“, sagte Aidan und blickte sie voller Zweifel und Misstrauen an.

Sie zuckte die Schultern. „Alle Erinnerungen an dich und unsere gemeinsame Zeit waren gelöscht.“ Zumindest die meisten. Eine sehr bedeutsame tägliche Erinnerung war ihr geblieben, auch wenn sie das erst jetzt erkannte.

„Das klingt für mich nach einer willkommenen Ausrede.“

„Willst du etwa behaupten, dass ich dich anlüge?“

Aidan schüttelte unwillig den Kopf. „Würdest du die Geschichte an meiner Stelle glauben?“

„Ich versichere dir, falls ich unsere …“ Ja, was war es denn genau? Beziehung? Affäre? One-Night-Stand? „… gemeinsame Zeit nicht hätte fortsetzen wollen, wäre es mir nicht schwergefallen, das einfach zu sagen. Ich hätte mir nicht die Mühe gemacht, mir eine Amnesie auszudenken, nur um dich nicht wiedersehen zu müssen.“

„Also wolltest du mich wiedersehen.“ Das war eine Feststellung, keine Frage. Sein triumphierendes Lächeln ärgerte sie. Gleichzeit hatte sie das Gefühl, Schmetterlinge im Bauch zu haben. Bisher hatte es in ihrem Leben noch keinen Mann gegeben, der das mit einem Blick oder einem Lächeln fertiggebracht hätte. Sie hatte nicht die Absicht, ihm das jemals einzugestehen, aber ihre gemeinsamen Nächte waren die besten, die sie jemals gehabt hatte. Er hatte ihren Körper beherrscht wie ein virtuoser Musiker sein Instrument. Er hatte es vollbracht, dass sie seinen Namen so oft und so laut geschrien hatte, bis sie heiser war. Wie hatte sie das je vergessen können?

„Ja, das wollte ich“, sagte sie und schluckte gegen den Kloß in ihrer Kehle an.

Sie folgte seinem Blick. Er starrte gebannt auf ihre linke Hand. Einige Monate lang hatte sie Beaus Verlobungsring getragen. Doch nun war der blasse Streifen an ihrem Ringfinger kaum noch zu erkennen. Und sie hatte sich daran gewöhnt, dass der Ring nicht mehr an ihrem Finger steckte.

„Und wie ist es jetzt?“

Das war eine gefährliche Frage. Es war eine Sache, ein Wochenende mit Aidan zu verbringen. Doch inzwischen hatte sich alles geändert. Es war nicht mehr so einfach wie früher.

„Das ist nicht wichtig“, erwiderte sie ausweichend.

„Und ob es das ist“, sagte Aidan aufgebracht, stand auf und umrundete den Schreibtisch. Er beugte sich über sie, die Hände auf die Armlehnen ihres Bürostuhls gestützt. Er war ihr so nah, wie es nur möglich war, ohne sie zu berühren. Sie spürte seine Körperwärme und hielt den Atem an. Dieser große, attraktive Mann direkt vor ihr führte sie in Versuchung, die Hände auszustrecken und die kleine Lücke zu schließen, die er gelassen hatte. In den vergangenen Monaten war sie oft sehr einsam gewesen. Sie verspürte plötzlich den Wunsch, seiner Anziehungskraft erneut nachzugeben und ihn ihre Erinnerungslücken vollständig ausfüllen zu lassen.

„Ich habe mich eineinhalb Jahre lang gefragt, was mit dir passiert ist, Violet. Auch als ich nicht mehr an dich denken wollte, als ich mir vorgenommen hatte, nach vorn zu schauen, wollte mich die Erinnerung an dich nicht loslassen. Und jetzt …“ Er unterbrach sich und blickte ihr in die Augen. „Und jetzt bist du wiederaufgetaucht mit dieser wilden Geschichte und deinen großen braunen Augen und willst mir weismachen, dass die Anziehung zwischen uns nicht wichtig ist?!“

Wie sollte sie ihm nur erklären, dass die Dinge viel komplizierter waren und es nicht mehr nur darum ging, wie groß die Anziehungskraft zwischen ihnen war? Es standen ganz andere Dinge auf dem Spiel, von denen er noch gar nichts wusste.

Er beugte sich noch weiter vor, bis seine Lippen fast die ihren berührten. Violet schlug das Herz bis zum Hals, und sie hielt den Atem an. Sein Geruch erinnerte sie daran, wie sie den Kopf in sein Kissen gedrückt hatte, um seinen Duft einzuatmen. Er war so nah. Wenn sie nur die kleinste Bewegung nach vorn machte, würden sie sich unweigerlich küssen. Wenn sie ganz ehrlich mit sich war, kostete es sie ziemlich viel Überwindung stillzuhalten.

„Sag es“, forderte er.

Sie schluckte trocken. „Also gut. Ja, ich fühle mich immer noch zu dir hingezogen. Bist du jetzt glücklich?“

Er runzelte die Stirn und zog sich ein Stück zurück. „Nicht wirklich. Ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, der sein Begehren so entschieden unterdrückt wie du. Es stört dich, dass du dich zu mir hingezogen fühlst, oder? Liegt es daran, dass ich nur Barkeeper bin und kein gut situierter Investmentbanker wie dein Freund?“

Violet zuckte zusammen. Das war nicht der Grund, aber es machte ihre Situation nicht unbedingt einfacher. Als Milliardärin hatte sie es nicht nötig, sich des Geldes wegen mit einem Mann einzulassen. Dennoch hatte sie es zur Gewohnheit werden lassen, nur mit wohlhabenden Männern auszugehen. Dann fühlte sie sich nicht so, als wäre sie ein Preis, den es zu gewinnen galt. Und sie konnte sicher sein, dass ihr nicht nur wegen ihres Vermögens Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

„Nein. Darum geht es nicht. Außerdem ist er nicht mehr mein Freund. Hör zu, es gibt da etwas, über das wir reden müssen.“ Sie drückte eine Handfläche auf seine Brust, um ihn zurückzudrängen, aber er bewegte sich keinen Zentimeter. Das Ergebnis ihrer Bemühungen bestand einzig darin, dass sie die ausgeprägten Muskeln unter dem dünnen Stoff seines Hemdes spürte. „Bitte setz dich wieder, damit wir uns in Ruhe unterhalten können.“

Er reagierte in keiner Weise. Sie bemerkte, dass etwas hinter ihr seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

„Aidan?“ Hörte er ihr überhaupt noch zu?

Sie drehte den Kopf, um seinem Blick zu folgen. Zu einer gerahmten Fotografie auf ihrem Schreibtisch. Es war das einzige Foto von Knox in ihrem Büro, und in diesem Moment bedauerte sie, dass es hier war. Jeder, der es sah, erkundigte sich sofort nach dem Baby mit den roten Locken und den großen blauen Augen. Doch Aidan hatte neben dem Niedlichkeitsfaktor zweifellos noch andere Gründe, das Bild zu betrachten. Die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen, eine Tatsache, die sie selbst beinahe umgeworfen hatte, als sie kurz zuvor ihre Erinnerungen wiedererlangt hatte. Das letzte Puzzleteil war endlich ins Gesamtbild eingefügt worden.

In Aidans Gesicht zuckte ein Muskel, und seine Augen waren geweitet. Er wusste genau, was das Foto zu bedeuten hatte. Es war nicht nötig, nachzurechnen oder einen Vaterschaftstest vorzunehmen, um die Wahrheit zu erkennen.

Schließlich wandte er sich wieder Violet zu und schluckte hart. „Ist das dein Baby?“

Als sie nickte, richtete er sich auf und trat einen Schritt zurück. Seiner Wärme so plötzlich beraubt, fror Violet. „Ja. Das ist Lennox, mein Sohn. Er ist fast sechs Monate alt.“

„Lennox“, wiederholte er, als müsste er sich an den Klang dieses Namens gewöhnen.

„Ich nenne ihn Knox. Er ist absolut hinreißend. So klug und so liebenswürdig. Ich bin überglücklich, dass ich ihn habe.“

Aidan schaute wieder zu dem Foto. Die unausgesprochene Frage schien förmlich an seinen Lippen zu hängen.

Autor

Andrea Laurence
Bereits im Alter von zehn Jahren begann Andrea Laurence damit, Geschichten zu schreiben – damals noch in ihrem Kinderzimmer, wo sie an einer alten Schreibmaschine saß. Sie hat immer davon geträumt, ihre Romane eines Tages in der Hand halten zu können, und sie arbeitete jahrelang hart, bis sich ihr Traum...
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