Wer zähmt Dr. Hunter?

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Die Frauen liegen ihm zu Füßen, aber zähmen konnte Dr. Leo Hunter noch keine. Bis die neue Oberschwester vor ihm steht: Lizzie ist so sexy - aber leider nicht an einer Affäre interessiert! Leo muss um jeden Kuss kämpfen - eine ganz neue, prickelnde Erfahrung für den Chirurgen …


  • Erscheinungstag 06.03.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505918
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Für Unterbringung ist gesorgt … das Versprechen ihres neuen Arbeitgebers bekam überraschend eine völlig neue Bedeutung!

Lizzie Birch fuhr in den fünften Stock, sicher, dass es sich um einen Irrtum handelte. Das hier konnte unmöglich ihr neues Zuhause sein.

Als sie die Adresse im schicken Londoner Stadtviertel Marylebone bekommen hatte, war sie überzeugt, dass man ihr ein möbliertes Zimmer oder höchstens ein winziges Ein-Zimmer-Apartment in einem klotzigen Altbau zur Verfügung stellte. Was Schwesternunterkünfte betraf, hatte sie oft genug trostlose Löcher gesehen.

Das hier war nichts dergleichen.

Lizzie schloss die Tür auf und betrat eine geschmackvoll eingerichtete Wohnung mit hohen, stuckverzierten Decken. Ein zarter blumiger Duft stieg ihr in die Nase. Sie sah sich um und entdeckte einen herrlichen Strauß frischer Blumen neben einem Präsentkorb mit Pralinen und Wein.

Sie steckte die Nase in die Blüten, atmete den Frühlingsduft tief ein. Welch ein Luxus an einem kalten Januartag! Das Bouquet musste ein Vermögen gekostet haben.

Und diese Wohnung ein Vermögen wert sein … Lizzie nahm sich einen Champagnertrüffel, biss hinein und seufzte wohlig, als die köstliche Schokolade weich und samtig auf ihrer Zunge schmolz. Überwältigt blickte sie sich um. Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, was für einen Coup sie mit ihrer neuen Position gelandet hatte: Pflegedienstleiterin der Hunter Clinic, an der noblen Harley Street im Herzen von London.

Neben dem edlen Willkommensgruß lag eine Notiz mit dem Hinweis, dass die Kleidung, die nach ihren Maßen angefertigt worden war, in der Klinik auf sie wartete. Lizzie war schlichte weiße Schwesterntracht und unförmige OP-Kittel gewohnt, Einheitsgrößen, die mal mehr, mal weniger gut saßen. Aber ein maßgeschneidertes Outfit … das klang vornehm und kultiviert wie die volltönende tiefe Stimme des Mannes, den sie bisher nur am Telefon gehört hatte.

Leo Hunter.

„Sie wurden mir sehr empfohlen“, hatte er zu ihrer Verwunderung mit einem seltsamen Unterton gesagt. Schließlich war es sein eigener Bruder gewesen, der ihr die Stelle angeboten hatte.

„Danke“, antwortete sie zögernd. „Ethan sagte, ich solle Sie anrufen und einen Termin für ein Bewerbungsgespräch mit Ihnen vereinbaren …“

„Der Job gehört Ihnen“, unterbrach Leo sie. „Ein Bewerbungsgespräch ist nicht nötig, es sei denn, Sie möchten einen Ausflug in die Schweiz unternehmen.“

Lizzie war nicht sicher, ob das ein Scherz war. Im Hintergrund hörte sie Stimmen und Gelächter. Da entschuldigte sich Leo für den Lärm und erklärte, dass er – wie alle guten Schönheitschirurgen nach dem Weihnachtsrummel – hier seinen Skiurlaub verbrächte. Zum Schluss sagte er nur noch, er freue sich, sie im neuen Jahr zu sehen.

Das war’s.

Er hatte nicht einmal nach ihrem Lebenslauf gefragt! Es schien ihn nicht zu interessieren, dass Ethan sie nur als Agenturschwester kennengelernt hatte oder dass sie Fachkrankenschwester für Notfallpflege war.

So leicht hatte sie noch nie eine Stelle bekommen.

„Ach, eins noch“, sagte er, als sie schon dachte, er würde auflegen. „Brauchen Sie eine Unterkunft? Ihnen als Pflegedienstleiterin der Hunter Clinic können wir eine anbieten.“

„Anbieten?“

„Eine möblierte Wohnung …“

Lizzie umklammerte das Telefon fester, hörte, wie er sich bedankte, anscheinend, weil ihm jemand einen Drink gebracht hatte. Das feine Klingeln von Eiswürfeln drang durch die Leitung. „Wir haben einige in Fußnähe zur Klinik.“ Sie war drauf und dran, abzulehnen, denn alles, von wo aus die Harley Street No. 200 zu Fuß zu erreichen war, lag astronomisch weit außerhalb ihres Budgets. Da fuhr er fort: „Falls Sie jedoch schon etwas haben, können wir uns wegen der Kosten sicher …“

„Danke, ich nehme die Wohnung gern“, unterbrach Lizzie ihn. Mit einer möblierten Unterkunft nahe der Klinik würde sie viel Geld sparen, nicht nur an Miete, sondern auch an Fahrtkosten. Lizzie war vor zwei Jahren von Brighton nach London gezogen und fand die Stadt horrend teuer. Sie musste sowieso schon jeden Penny umdrehen, um die Pflegekosten für ihre Eltern zu bezahlen.

„Gut“, kam die knappe Antwort. „Gwen, die Klinikmanagerin, wird sich bei Ihnen melden, und wir sehen uns im neuen Jahr.“

Frohes neues Jahr, dachte Lizzie, während sie jetzt aus dem Fenster auf den winterlichen Regent’s Park blickte und ihr Glück kaum fassen konnte.

Leos Bruder Ethan war einer ihrer Patienten gewesen. Bei einem Afghanistan-Einsatz verwundet, brauchte er besondere Pflege, und Lizzie hatte regelmäßig Hausbesuche bei ihm gemacht. Zwar wusste sie, dass er Arzt war, aber er sprach kaum, ein in sich gekehrter, düsterer Mann, der mit seinen Gedanken oft weit weg zu sein schien. Da sie ahnte, was er durchgemacht hatte, nahm Lizzie es nicht persönlich und füllte die Stille stattdessen mit ihren Geschichten.

Sie erzählte von ihren Eltern, von der Alzheimer-Erkrankung ihrer Mutter, von den Sorgen, die sie sich um beide machte, obwohl sie in einem Seniorenheim untergebracht waren. Oder davon, wie schwer ihr die Entscheidung gefallen war, das Elternhaus zu verkaufen. Wie teuer alles war. Wie sie versuchte, an ihren freien Tagen so oft wie möglich nach Brighton zu fahren, um die Eltern zu besuchen.

Wie weh es tat, dass die Mutter sie kaum erkannte.

„Ihre Eltern können sich glücklich schätzen, dass sie Sie haben“, hatte er eines Tages überraschend sein Schweigen gebrochen.

„Nein“, antwortete sie lächelnd, froh darüber, dass er überhaupt Interesse an etwas zeigte. „Ich bin glücklich, dass ich sie habe.“

Da fing er an, von sich zu reden, von seinen Plänen, bei der Schönheitsklinik seines Bruders einzusteigen und den karitativen Bereich zu übernehmen. Lizzie stellte viele Fragen, mehr um das Gespräch aufrechtzuerhalten.

Nie hätte sie auch nur im Traum daran gedacht, dass er sie als Pflegedienstleiterin empfehlen würde. Geschweige denn, dass sie die Stelle bekam. Insgeheim fürchtete sie immer noch, dass Leo Hunter es sich anders überlegte, sobald er sie vor sich sah.

Sie betrat das luxuriöse Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Hellbraunes welliges Haar, braune Augen, ein ungeschminktes Gesicht – nichts Besonderes und vielleicht nicht das, was sich Leo Hunter vorstellte, wenn er eine leitende Mitarbeiterin für seine Schönheitsklinik suchte. Lizzie dachte an all die Berühmtheiten und Schönheiten, denen sie ab Montag täglich begegnen würde.

Und an Leo.

Natürlich hatte sie sich informiert, und seitdem schien er überall aufzutauchen: ein hochgewachsener, umwerfend gut aussehender Mann mit rabenschwarzem Haar, leuchtend blauen Augen und markanten Gesichtszügen. Auf den Gesellschaftsseiten der Regenbogenpresse entdeckte sie ihn in Gesellschaft von Royals vor der atemberaubenden Kulisse schneebedeckter Berge, bei glamourösen Bällen an einem Tisch mit Prominenten, oder wenn er in Begleitung eines langbeinigen Models einen Nachtklub verließ.

Dr. Leo Hunter war ein Herzensbrecher, ein hoch talentierter Chirurg, ein unverbesserlicher Playboy und … ab Montag ihr Boss.

1. KAPITEL

„Ich habe sie eingestellt. Warum sollte ich nicht nett zu ihr sein?“

„Du weißt, was ich meine, Leo.“ Ethan wandte sich ab.

Obwohl er sich über seinen Bruder ärgerte und trotz der immer präsenten Rivalität zwischen ihnen, konnte Leo kaum mit ansehen, wie Ethan unter Schmerzen versuchte, aus dem Zimmer zu marschieren.

Er hatte keine Ahnung, wie schwer Ethans Beine verletzt waren. Der sprach nie darüber, und alles was Leo wusste, hatte er aus anderen Quellen erfahren. Die Erinnerung an den Moment, als er in der Zeitung las, dass sein Bruder sich im Krankenhaus von einer Kriegsverletzung erhole, setzte ihm immer noch zu.

So viel dazu, dass sie Brüder waren.

Ethan hatte bisher kein Wort über seine Zeit in Afghanistan verloren, und Leo wünschte, er würde darüber reden, sich helfen lassen.

Doch sie hatten einander nie wirklich nahegestanden.

Dafür hatte ihr Vater schon vor langer Zeit gesorgt.

„Dir würde kein Zacken aus der Krone brechen, wenn du Gehhilfen benutzt, Ethan.“

„Wenn ich eine zweite Meinung brauche, wende ich mich an jemanden, der …“ Sein jüngerer Bruder ließ das Ende des Satzes bedeutungsvoll ungesagt. Es war auch nicht nötig. Leo wusste genau, dass Ethan seine Arbeit verachtete.

„Denk, was du willst“, sagte er, als Ethan sich zu ihm umdrehte. „Aber eins solltest du wissen: Wenn meine Patienten diese Klinik verlassen, fühlen sie sich deutlich besser als vorher. Außerdem möchte ich dich daran erinnern, dass meine Arbeit und mein Ruf den Namen Hunter aus dem Dreck gezogen haben – während du damit beschäftigt warst, Soldat zu spielen …“ Kaum waren die Worte ausgesprochen, bereute er sie zutiefst. Nicht nur in Leos Augen war Ethan ein Held. „Entschuldige, das war unter der Gürtellinie.“

„Stimmt, genau wie der Granatsplitter.“

Leo schwieg kurz. „Wenn du mich schon wegen der Schönheitschirurgie schräg ansehen musst, vergiss bitte nicht den karitativen Aspekt, den ich mit meiner Arbeit erst ermögliche“, betonte er dann. „Ohne das Geld, das in die Hunter Clinic fließt, wäre die günstige Behandlung im Lighthouse Hospital und im Princess Catherine’s nicht möglich, und du würdest hier nicht arbeiten.“

„Ist mir klar.“ Das klang schroff.

„Und auch wenn du all das hier verabscheust …“ Leo blickte bedeutungsvoll zu der schweren Kristallkaraffe, die auf dem Walnussholztischchen stand. „… so hast du anscheinend nichts gegen ein bisschen Extravaganz, wenn du dich bei dem hundertjährigen Malt bedienst.“ Er trat an den Tisch und hob die Flasche hoch. „Ich muss beim nächsten Mal den Glasstopfen fester aufsetzen“, meinte er mit wohldosiertem Sarkasmus. „Das Zeug verflüchtigt sich in Lichtgeschwindigkeit.“

Ethan schwieg.

„Hast du kein Zuhause, Ethan? Du siehst aus, als wärst du gestern Abend wieder einmal hier versackt.“

Sein Bruder trug dieselben Sachen wie gestern, während Leo selbst tadellos gekleidet und frisiert war, obwohl die Nacht für ihn kurz gewesen war. Erst die Promi-Veranstaltung, an der er teilgenommen hatte, dann ein paar heiße Stunden mit einer attraktiven Blondine in seinem Bett. Trotzdem war Leo bei Sonnenaufgang aufgestanden, hatte seinen täglichen Jogginglauf hinter sich gebracht, geduscht, sich angezogen und war zur Arbeit gefahren.

„Ich habe bis spätabends gearbeitet.“ Ethans Standardantwort zu diesem Thema, seit er in der Hunter Clinic angefangen hatte.

Leo spürte, wie seine Anspannung wuchs. Ethan mochte ein Held sein, aber die körperlichen Wunden waren nicht die einzigen, dessen war Leo sich sicher. Und auf keinen Fall würde er es zulassen, dass sich die Geschichte wiederholte. Noch heute war die Erinnerung wie ein scharf gestochenes Bild: Ihr Vater James, wie er sturzbetrunken eine Szene machte – vor den Augen von Klienten.

Natürlich hatte man ihn nach Hause geschickt, doch anstatt seinen Rausch auszuschlafen, trank er weiter, erlitt einen Kreislaufkollaps und starb. Das hohe Ansehen, das der Name Hunter damals genossen hatte, fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Es hatte Leo viel Zeit, Mühe und Energie gekostet, es wiederaufzubauen.

Er hatte zu viel geopfert, um diesen Erfolg aufs Spiel zu setzen.

„Wenn du jemals …“, begann er, aber Ethan unterbrach ihn.

„Das wird nicht passieren.“

„Sicher?“ Leo führte einen dekadenten Lebensstil, doch seine blauen Augen waren klar wie der Ozean. Anders als die braunen, blutunterlaufenen Augen seines Bruders, der tatsächlich aussah, als hätte er die Nacht auf dem Sofa verbracht. Auch wenn es ein teures Designerstück war. „Ich werde dich nicht in Schutz nehmen.“

„Hast deine Lektion gelernt, was?“

Wenige Worte, die einen Haufen Fragen zusammenfassten. Warum hast du alles unter den Teppich gekehrt? Warum hast du ihn nicht zur Rede gestellt? Wie konntest du zusehen, wie er immer mehr außer Kontrolle geriet?

Schon immer hatte Leo, der ältere von ihnen, versucht, heikle Situationen mit Esprit und Humor zu entschärfen – dem Vater sogar manchmal einen Drink eingeschenkt, um ihn umzuhauen, damit sie ihre Ruhe hatten.

Ethan hätte das lieber auf andere Weise erledigt. Mit den Fäusten.

„Es ist weder der richtige Zeitpunkt noch der Ort, um das zu diskutieren.“

„Das ist es nie.“ Ethan beschränkte sich auf das naheliegende Problem. „Aber im Moment ist mir viel wichtiger, dass du nett zu Lizzie bist.“

„Kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen.“ Obwohl er das Gespräch lieber jetzt als später beenden wollte, konnte er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. „Muss ja eine tolle Frau sein, wenn sie dein kaltes schwarzes Herz erobert hat.“

„Ich habe dich nur gebeten, sie gut zu behandeln. Lizzie ist nicht wie deine Flittchen.“

„Du scheinst was für sie übrig zu haben. Ist sie so gut im Bett?“

Hätte Ethan ihm dafür eine verpasst – wozu er nicht übel Lust hatte –, es wäre nicht nur wegen Lizzie gewesen. Unsichtbar und doch gegenwärtig befand sich Olivia mit ihnen in diesem Raum. Die Frau, die immer noch zwischen den beiden Brüdern stand. Es war, als hörte sie zu, hörte sie streiten wie damals, fast auf den Tag genau vor zehn Jahren.

„Bemitleidenswert, dass du Frauen nur danach beurteilst“, antwortete Ethan.

„Sehe ich aus, als müsste man Mitleid mit mir haben?“ Leo lächelte nachsichtig. „Ich verkrieche mich nicht wie ein Einsiedler. Ich gehe jeden Abend aus, ich lebe …“

„Wirklich?“ Ethan hatte genug. Warum bin ich überhaupt zurückgekommen? Schlimmer noch, warum setzte er Lizzie dieser vergifteten Atmosphäre aus? Unter der Oberfläche brodelte es, und es war nur eine Frage der Zeit, bis es zur Explosion kam. Er blickte Leo an, der so arrogant und selbstsicher dastand und dennoch, obwohl er es nie zugegeben hätte, voller Probleme steckte.

„Das ist kein Leben, Leo. Du existierst nur. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.“ Bevor Ethan endgültig das Zimmer verließ, warf er seinem Bruder noch über die Schulter zu: „Lass wenigstens ein Mal deine Hosen zu. Lizzie hat Besseres verdient.“

Krachend fiel die Tür ins Schloss. Leo starrte gedankenvoll auf das dunkle Edelholz. Sie hatten kaum die Stimmen erhoben, und die Wände der Klinik waren dick. Trotzdem musste die Spannung zwischen den Brüdern auch schon beim Personal spürbar sein. War es ein Fehler gewesen, Ethan zu fragen, ob er den karitativen Bereich der Hunter Clinic übernehmen wollte? Leo wusste es nicht. Ohne Zweifel war sein Bruder ein brillanter Chirurg, und seine Fähigkeiten wären von hohem Nutzen, aber konnten sie auf Dauer zusammenarbeiten? Nach allem, was passiert war?

„Leo …“ Gwens Stimme drang aus der Wechselsprechanlage. „Ich habe hier …“

„Schicken Sie sie rein“, unterbrach er sie und machte sich darauf gefasst, die heilige Lizzie kennenzulernen, die Frau, die seinem Bruder unter die Haut ging.

„Hallo, Leo.“

Beim Klang der leisen, sinnlichen Stimme fuhr er herum. Nein, es war nicht die neue Pflegedienstleiterin, die sein Büro betreten hatte, sondern jemand, von dem er sich längst verabschiedet hatte. Für immer. Abgesehen davon war Flora Franklin von einer Heiligen so weit entfernt wie die Erde von der Sonne!

Hinreißend schön, in einem langen eleganten Mantel und auf sexy High Heels stöckelte sie auf ihn zu. „Du hast nicht zurückgerufen“, schmollte sie.

„Weil es nichts mehr zu sagen gibt.“ Leo wiederholte sich nicht gern, und dies war das dritte Mal und damit ein Mal zu viel. „Es ist vorbei, das habe ich …“

„Das wird deine Meinung ändern“, unterbrach sie ihn, öffnete den Mantel und ließ ihn von den Schultern gleiten.

Darunter war sie nackt. Fast nackt. Die verführerischen roten Dessous zeigten viel Haut und überließen nichts der Fantasie. Flora hatte einen atemberaubenden Körper, welcher Mann wäre bei diesem Anblick nicht in Versuchung geraten?

Auch sein Körper war empfänglich für ihre Reize, doch für Leo war es endgültig vorbei. Nur daran konnte er denken, als Flora ihn mit Küssen überhäufte und mit ihren geschickten Händen zu Werk ging. Ja, Leo hatte eine tolle Zeit mit ihr gehabt, aber damit war schon lange Schluss. Er hatte versucht, sich behutsam von ihr zu trennen, aber nun musste er anscheinend deutlicher werden.

„Flora“, begann er kühl. „Du solltest jetzt wirklich …“ Er unterbrach sich, als jemand leise an die Tür klopfte. Im nächsten Moment betrat Lizzie Birch sein Zimmer, und Leo konnte nur noch an eins denken: Dass er sich die erste Begegnung mit der neuen Pflegedienstleitung so nicht vorgestellt hatte.

„Dr. Hunter, nehme ich an?“

Ihr Lächeln wirkte bemüht, die runden Wangen röteten sich, und obwohl sie sich eine kritische Bemerkung verkniff, so sprachen ihre Augen eine klare Sprache.

„Sie müssen Lizzie sein“, erwiderte er und lächelte genauso angespannt, während er versuchte, sich aus Floras nackten Armen zu befreien.

Nicht dass Lizzie sich das lange mit ansah. Sie schüttelte kurz den Kopf, machte auf dem Absatz kehrt und schloss die Tür. Leiser als sein Bruder, kaum hörbar fast, aber wie bei Ethan hing Missbilligung in der Luft wie ein schlechter Geruch.

„Wo waren wir stehen geblieben?“, hauchte Flora lasziv.

Die Szene schien ihr nicht im Mindesten peinlich zu sein.

Leo, den nichts so leicht erschüttern konnte, schon.

„Da, wo wir vor zwei Minuten auch schon waren“, antwortete er barsch. „Es ist aus.“

„Leo …“ Flora griff nach seinem Arm, als Leo sich abwenden wollte, aber er schüttelte sie ab.

„Zieh dich wieder an, und sieh zu, dass du verschwunden bist, bevor ich zurückkomme.“ Damit marschierte er aus dem Zimmer und holte Lizzie vor den Umkleideräumen ein.

„Sie sind gerade richtig gekommen“, erklärte er mit einem schiefen Lächeln, während er sich das Hemd in die Hose stopfte. „Das meine ich ernst“, fügte er hinzu, als sie ihn ungläubig ansah. „Ich war noch dabei, sie loszuwerden.“

„Tatsächlich?“

Sie hatte eine sanfte, aber außerordentlich klare Stimme, doch wie vorhin schon, sagte sie mehr mit den Augen. Vor allem, als ihr Blick tiefer glitt. Lizzie schürzte die Lippen und sah Leo vielsagend an. Er brauchte sich nicht zu vergewissern, er wusste genau, was sie entdeckt hatte … seine Hose stand offen.

Rot werden?

Fluchen?

Den peinlichen Umstand zumindest ignorieren?

Leo tat nichts dergleichen.

Stattdessen lachte er. Schamlos und aus tiefer Kehle.

Lizzie lachte nicht.

Sie war unglaublich … Leo fand nicht sofort das richtige Wort, um sie zu beschreiben. Als einer von Englands Top-Schönheitschirurgen konnte er das Aussehen einer Frau auf Anhieb beurteilen und wusste, weshalb sie zu ihm kam. Wenn eine Klientin sein Sprechzimmer betrat, brauchte er nicht lange, um zu wissen, was in ihrem Kopf vorging.

Bei Lizzie gelang ihm das nicht.

Weiße Zähne, weiche, volle Lippen. Helle, makellose Haut, ein samtiger Teint, der nicht aus der Tube kam, und ein Körper … Leo hatte keine Ahnung, was er von der neuen Pflegedienstleiterin erwartet hatte, aber ganz sicher hatte er nicht mit einem so berückend femininen Wesen gerechnet.

„Flora und ich haben uns vor Kurzem getrennt“, erklärte er. „Sie hat sich noch nicht daran gewöhnt.“

Lizzie hatte wenig Lust, weitere Einzelheiten über sein Liebesleben zu hören. Ihre Wangen brannten, und das nicht allein, weil sie aus der kalten Januarluft in die warme Klinik gekommen war. Sie war aufgeregt gewesen wegen der neuen Stelle und hätte mit allem gerechnet, nur nicht damit, ihren neuen Chef in den Armen einer halb nackten Frau vorzufinden.

Jetzt wollte sie nur eins: Leo Hunter wenigstens für die nächsten zehn Minuten loswerden, um sich wieder zu fangen. „Wenn Sie mich entschuldigen, ich muss mich umziehen. Danach werde ich mich vorstellen, und wir können hoffentlich noch einmal von vorn beginnen – etwas professioneller diesmal.“

„Sicher.“ Leo war beeindruckt. Lizzie Birch hatte sich mit wenigen Worten klar ausgedrückt. Allerdings blieb ihm keine Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen. Lautes Schluchzen verriet ihm, dass Flora nicht vorhatte, sich leise und diskret zu verabschieden.

Lizzie betrat den Umkleidebereich. Nichts verriet, dass sie sich in einer Klinik befand. Riesige Spiegel, geräumige Duschen, flauschige Badelaken – die lichten Räume hätten auch Teil eines exklusiven Fitnessstudios sein können. Fast erwartete sie, dass aus einer der Türen ein Bademeister auftauchen und ihr den Mantel abnehmen würde.

Zum Glück war hier außer ihr niemand. Lizzie atmete tief durch. Die Szene im Büro war ja nicht das Einzige, was sie erschüttert hatte.

Musste Leo Hunter so attraktiv sein? So überwältigend männlich?

Natürlich hatte sie Fotos von ihm gesehen. Doch die spiegelten nicht einmal andeutungsweise wider, wie atemberaubend gut der Mann aussah und was für ein unwiderstehliches Charisma er ausstrahlte.

Lizzie hatte eine etwas ältere Ausgabe von Ethan erwartet. Stattdessen wirkte Leo jünger, strahlender und draufgängerischer als sein ernster junger Bruder. Und er hatte nicht braune Augen wie Ethan, sondern blaue. Leuchtend blau und mit einem forschenden, leicht herausfordernden Ausdruck, als wollte ihr Besitzer nur eins: die Frau, die er ansah, in sein Bett locken.

„Oh nein!“, entfuhr es ihr. Nach all den Gedanken, die sie sich gemacht hatte, nach den Zweifeln, ob sie den Anforderungen einer leitenden Position überhaupt gewachsen war, da fehlte es ihr gerade noch, dass sie beim Anblick ihres neuen Chefs jedes Mal Herzklopfen bekam.

Sie war hier, um zu arbeiten, um Geld zu verdienen und endlich auf einen grünen Zweig zu kommen.

Für Leo Hunter zu schwärmen, brachte sie nicht weiter. Im Gegenteil.

Nein, dafür war Lizzie viel zu vernünftig.

Gwen hatte ihr gesagt, dass man von ihr erwartete, dass sie Kostüm oder Hosenanzug trug. Lizzie zog den Reißverschluss des Kleidersacks auf und holte einen rauchgrauen Rock, die passende Jacke und eine cremeweiße Bluse mit Wasserfallkragen heraus. Dann schlüpfte sie aus ihren Stiefeln und in schwarze Pumps mit kleinem Absatz.

Als sie fertig war, betrachtete sie sich im Spiegel.

Mit zweiunddreißig fühlte sie sich plötzlich wie ein kleines Mädchen, das die Kleider seiner Mutter anprobierte. Das Kostüm war tailliert, saß perfekt … der Inbegriff schlichter Eleganz.

Normalerweise schminkte sich Lizzie nicht, aber seit sie Gwen und zwei weitere Mitarbeiterinnen gesehen hatte, wünschte sie sich, sie hätte Make-up und wenigstens einen Lippenstift mitgebracht.

Aber das war jetzt auch nicht mehr zu ändern.

Lizzie machte sich auf den Weg zu Leos Büro und überlegte, wie sie sich verhalten sollte.

Wie sich allerdings bald herausstellte, war nicht Leo das Problem, sondern Flora!

„Lass mich dir …“, hörte Lizzie Leo sagen.

Er versuchte gerade, Flora in ihren Mantel zu hüllen. Ob er sie von dem schicken Empfangsbereich weg Richtung Ausgang oder zu seinem Büro lotsen wollte, war Lizzie nicht ganz klar. Störrisch wie ein Maultier stemmte Flora ihre Stilettos in den Boden und beklagte sich bitterlich und unüberhörbar für jeden, der in der Nähe stand, darüber, was für ein hundsgemeiner Kerl Leo sei.

„Nicht hier.“ Leos bemühte sich, sie zu besänftigen.

„Oh doch, genau hier!“

Er hatte sich noch einen Kaffee gemacht, um Flora etwas mehr Zeit für einen würdevollen Abgang zu geben. Die dachte jedoch nicht daran, sondern entschied sich dafür, ihm die Hölle heiß zu machen.

Es hatte etwas Beschämendes und sehr Unattraktives, wenn eine halb nackte Frau sich wie eine Furie ihren teuren Schmuck vom Körper riss und damit einen Mann bewarf, der einfach ruhig dastand.

„Und er hat sich Sorgen gemacht, ich könnte Aufsehen erregen …“, sagte Ethan, der aus seinem Zimmer gekommen war. „Willkommen in der Hunter Clinic, Lizzie. Ich nehme an, Sie haben meinen Bruder schon kennengelernt?“

„Ist es immer so?“

„Kommt darauf an“, antwortete er achselzuckend. „Sie waren ein paar Wochen zusammen, sogar über Weihnachten, was für Leo schon eine reife Leistung ist. Ich hoffe, er bekommt das in den Griff, bevor die ersten Patienten auftauchen.“

Lizzie bezweifelte es.

„Flora, das ist doch lächerlich!“ Auch Leo schien langsam die Geduld zu verlieren.

„Ach, ist es das?“ Sie schleuderte eine Halskette, und Lizzie hielt unwillkürlich den Atem an. „Lächerlich und viel schlimmer ist ja wohl, dass du alles, was wir haben, mit Füßen trittst! Warum können wir nicht an unserer Beziehung arbeiten?“

Er öffnete den Mund, überlegte es sich dann jedoch anders und schwieg.

Flora hingegen war noch lange nicht fertig. „Weißt du, was du gesagt hast, als du mir diesen Ring geschenkt hast?“, fragte sie, während sie sich einen edelsteinbesetzten Goldreif vom Finger zerrte.

„Nein.“ Er machte sich nicht die Mühe, gnädig zu lügen.

„Bastard!“ Der Ring folgte der Halskette. Für einen Diamanten, der Glas schneiden konnte, war Leos Wange leichtes Spiel. Die Haut platzte auf, im selben Moment, als Leo vortrat, um Flora zu bändigen. Wütend hob die Blondine die Hand, zweifelsohne, um Leo zu ohrfeigen, aber Lizzie war schneller.

Sie packte Flora am Handgelenk. „Das wäre nicht besonders klug. Wenn Sie nicht aufhören, muss ich die Polizei rufen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier wüste Schlägereien wie in der Notaufnahme erleben muss.“

„Ich bin keine Schlägerin“, protestierte Flora.

„Aber drauf und dran, eine zu werden.“ Lizzie ließ sie los, als sie sah, wie Flora in sich zusammensank, entsetzt, dass sie sich so hatte gehen lassen. „So …“ Schnell half sie ihr in den Mantel, knöpfte ihn zu und band den Gürtel fest. „Ich denke, das Drama ist vorbei.“ Bedeutungsvoll blickte sie zu Ethan und Leo hinüber, dem ein feines Rinnsal Blut über die Wange rann.

Der nickte, sagte jedoch leise zu ihr: „Sorgen Sie dafür, dass sie gut nach Hause kommt.“

„Selbstverständlich.“

Die beiden Brüder verschwanden in Leos Büro.

Mit hängenden Schultern stand Flora da, und plötzlich tat sie Lizzie unendlich leid.

„Fahren Sie nach Hause und beruhigen Sie sich“, riet sie ihr sanft.

„Ich kann nicht glauben, dass es vorbei ist. Er hat mir gesagt …“

„Es ist bestimmt besser, wenn Sie nicht zurückblicken“, unterbrach Lizzie sie.

Flora fing an zu schluchzen. „Ich dachte, wir würden uns verloben! Ich dachte, ich bedeute ihm etwas …“

„Sie sind in einer Klinik“, sagte Lizzie ruhig. „Privates zwischen Ihnen und Leo sollten Sie nicht hier klären. Ich rufe Ihnen ein Taxi.“

„Warten Sie, ich bringe sie nach Hause.“ Gwen kam zu ihnen, lächelte Lizzie dabei flüchtig zu. „Kommen Sie, Flora.“

„Moment noch.“ Lizzie sammelte die verstreuten Schmuckstücke vom Boden auf und ließ sie in Floras Manteltasche gleiten. „Die möchten Sie bestimmt nicht zurücklassen.“

Zu ihrer Freude schenkte Flora ihr ein blasses Lächeln. „Danke.“

Autor

Carol Marinelli
<p>Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands. Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur...
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