Wie 1000 Feuer

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Tausend Feuer brennen Cynthia auf der Haut, während sie in den Telefonhörer lauscht - denn es ist ihr schlicht unmöglich, diese Stimme zu hören, ohne an Sex zu denken! Dabei ist der Mann, dessen erotische Ausstrahlung offenbar Telefondrähte erglühen lässt, der Letzte, an den sie auch nur einen einzigen sündig Gedanken verschwenden dürfte: Er ist der Mann, den ihre Freundin Missy über eine Kontaktanzeige kennen gelernt hat. Und den Cynthia nur treffen soll, um ihn abzuchecken - allerdings unter Missys Namen! Ein gefährlicher Rollentausch und ein Tanz auf dem Vulkan - denn wenn bei diesem Treffen nur halb so viele Funk sprühen wie bei ihrem Telefonat, wird sie diesen Ken verführen...


  • Erscheinungstag 01.09.2013
  • Bandnummer 1038
  • ISBN / Artikelnummer 9783864949999
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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1. KAPITEL

“Für immer und ewig gehört mein Herz dir, sind unsere Seelen vereint. Wenn du meine Lady bist, werde ich dein Ritter sein. Sobald unsere Leidenschaft aufflammt, wird sie andauern, bis dass der Tod uns scheidet.”

Cynthia schloss die Zeitung und verkniff sich eine zynische Bemerkung, um ihre Meinung zu diesem Müll deutlich zu machen.

“Oh!” Missy sank gegen Cynthias Küchentresen. Sie geriet fast in Ekstase. “Lies das noch mal!”

“Vergiss es. Mir wird schlecht davon.” Cynthia knallte die Zeitung auf den Tresen und griff nach ihrer Kaffeetasse. Die Freundinnen waren an diesem schönen Morgen des vierten Juli zu einer Runde Donuts in Cynthias Eigentumswohnung zusammengekommen. Allerdings hielt Cynthia sich wie immer an Vollkorntoast.

Sie hatten die Zeit damit verbracht, die Zeitung zu lesen und die Annoncen zu diskutieren, die Missy herausgesucht hatte. “Du kannst sie selber vorlesen. Oder vielleicht will Allegra noch mal.”

“Nein danke.” Allegra grinste und verdrehte die Augen. “Wir haben sie jetzt oft genug gehört. Es wird langsam Zeit, dass Missy etwas unternimmt.”

“Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.” Missys Stimme klang erstickt, da ihr Kopf auf dem Tresen lag.

Cynthia nahm einen Schluck Kaffee und musste sich davon abhalten, der Freundin einen Tritt zu geben. “Missy, das ist lächerlich. Wenn diese Anzeige eine derartige Wirkung auf dich hat, dann antworte auf das verdammte Ding. Ich bin ja sowieso der Meinung, dass das bei dir genau die Art von Kribbeln ist, bei dem man unbedingt etwas unternehmen muss. Es ist das Gleiche, als hättest du dem Schreiber von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden und wärst deshalb so durcheinandergeraten. Nun musst du dir diesen Kerl schnappen. So haben wir es abgemacht. Du erinnerst dich doch noch an unseren Club der Männerjägerinnen, oder?”

“Ich kann nicht.” Missy setzte sich auf und stützte den Kopf in ihre Hände, sodass ihr blondes Haar ihr über die Finger fiel.

“Wir haben uns geschworen, dass wir den Mann, der bei uns dieses spezielle Kribbeln auslöst, auf jeden Fall ansprechen werden”, erinnerte Cynthia sie.

“Ja, ich weiß. Aber was ist, wenn sich herausstellt, dass er ein Schwindler ist? Oder ein Verbrecher mit einem Gedichtband, der Anzeigen aufgibt, um nette Frauen in den Ruin zu treiben?”

“In den Ruin? In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich, Missy?”

Allegra warf Cynthia durch ihre purpurfarbene Brille einen warnenden Blick zu und wischte sich Donutkrümel von ihrem pinkfarbenen Pullover, auf dem ein buntes Karussell abgebildet war. “Missy, ich stimme Cynthia zu. Du liest seit Jahren Kontaktanzeigen und hast noch nie auf eine geantwortet. Deine Begeisterung für diese hier kann nur bedeuten, dass diesem Mann unbewusst klar war, dass eine Anzeige der beste Weg ist, dich zu erreichen. Zwischen euch beiden besteht eine spirituelle Verbindung.”

“Ja, wie auch immer.” Cynthia winkte ungeduldig ab. “Jedenfalls musst du darauf antworten, Missy. Du schwärmst jetzt seit drei Tagen davon. Willst du dich etwa den Rest deines Lebens fragen, wer der Mann sein mag? Das wirst du nämlich, weißt du? Du begibst dich gerade auf den schlimmsten Weg, der im Leben möglich ist: das ewige Hätte-sein-Können.”

Missy grübelte, dann sagte sie: “Ich weiß. Du hast ja recht …, ich bin nur …, ich …, es ist einfach so, dass …” Sie sank wieder in sich zusammen und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

“Missy.” Allegra tätschelte ihr den Arm. “Warum schreibst du nicht einfach auf, was du ihm antworten würdest, wenn du den Mut dazu hättest? Versuch es wenigstens mal. Das wäre bestimmt gut für dich. “

Allegra warf Cynthia einen verstohlenen Blick zu, die hob anerkennend einen Daumen. Manchmal fand Cynthia Allegras Vorschläge ja etwas verrückt, aber es gab Momente, so wie diesen, in denen Allegra auf sehr sympathische Weise hinterhältig sein konnte. Das respektierte Cynthia, wenn ihr Verhalten einem guten Zweck diente.

“Ha!” Missy hob den Kopf. “Und du glaubst, darauf falle ich rein? Sobald ich dir den Rücken zudrehe, gibst du doch postwendend meinen Text auf.”

Allegra legte eine Hand auf ihr Herz und sah ihrer Freundin in die Augen. “Ich schwöre, dass ich das nicht tun werde, Missy.”

“Wirklich nicht?” Missy sah sie hoffnungsvoll an. “Weil ich mir irgendwie schon überlegt habe, was ich antworten würde …, du weißt schon …, falls ich antworten würde, was ich natürlich nicht will. Wahrscheinlich.”

“Natürlich.” Allegra tätschelte wieder Missys Arm und warf Cynthia erneut einen vielsagenden Blick zu.

Cynthia nahm einen Schluck Kaffee, um nicht verächtlich zu schnauben. Das war ja, als würde man ein Lamm zur Schlachtbank führen.

“Na ja.” Missy wurde rot. “Ich würde etwas in der Art schreiben …”

“Warte mal.” Cynthia stellte ihre Tasse weg und holte einen Block und einen Stift. “Okay. Für die Nachwelt. Oder …, du weißt schon, für den Fall, dass du doch noch antworten willst, was du natürlich nicht tun wirst. Wahrscheinlich.”

Missy bekam einen verträumten Blick. “Okay, hier kommt es: Ich habe auf dich gewartet. Ich habe mich nach dir gesehnt, mein Liebster. Ich werde deine Geliebte sein, ich werde mit dir den Pfad des Lebens entlangreiten, wir werden unzertrennlich sein wie …, wie …”

“Siamesische Zwillinge?”, schlug Cynthia vor.

Allegra sah Cynthia warnend an. “Weiter, Missy”, sagte sie dann.

“So unzertrennlich wie Liebe und lieben … und Leben und leben.” Missy seufzte laut. Sie genoss diese Fantasie.

“Äh … toll.” Allegra nickte vorsichtig. “Das ist wirklich … toll.”

“Leben und leben.” Cynthia kritzelte das letzte Wort auf das Papier und riss das Blatt vom Block. “Perfekt. Obwohl ich ja noch etwas über Sex reingeschrieben hätte.”

Missy schnaubte ärgerlich. “Hast du nichts anderes im Kopf?”

“Wenn dir was Besseres als Sex einfällt, entscheide ich mich dafür.” Cynthia grinste und goss sich in aller Ruhe einen Kaffee ein. “Okay, es tut mir leid. Das war unsachlich. Deine Antwort ist wunderbar. Einem Mann wie ihm wird das sehr gefallen.”

“Halt, halt! Warte mal einen Augenblick.” Missy presste die Fäuste gegen ihre eindrucksvollen Brüste, die sie wie üblich unter einer weiten Bluse versteckte. “Du hast gesagt, dass du den Text nicht verwenden wirst.”

Cynthia fand es absolut unfair, dass eine Frau, die so prüde war wie Missy, den Körper eines Playmates hatte, während sie, Cynthia, die sich so voller Lust fühlte, einfach nur groß und knochig war. “Nein, das war Allegra. Ich habe gar nichts versprochen.”

“Cynthia!” Missy rutschte von ihrem Hocker und stemmte die Hände in die Hüften. “Du hinterhältige Betrügerin.”

Cynthia wedelte mit dem Blatt Papier herum, auf dem Missys Antwort stand. “Denk an Liebe, denk an Glück, denk an siamesische Zwillinge, die nur durch den Tod oder von einem Chirurgen getrennt werden können, und frag dich, ob ich tatsächlich versprochen habe, dass ich diese Anzeige nicht aufgeben werde.”

“Das hast du nicht, aber …, aber …” Missy deutete auf Allegra, und ihre Augen begannen zu glänzen. Schließlich fing sie an zu kichern. “Du kannst das nicht tun.”

Es war ein ziemlich lahmer Protest, und damit hatte Cynthia die Erlaubnis, die sie brauchte. Sie griff nach der Zeitung, fand die Anzeige und unterstrich mit einem gelben Filzstift die entsprechende Nummer. “Ich rufe sofort an.”

“Nein, das darfst du nicht. Ich meine, ich kann doch nicht einem Fremden meine Telefonnummer geben.” Missy griff nach dem Blatt, doch Cynthia hielt es außer Reichweite. “Er könnte ein Serienkiller sein.”

Cynthia zuckte mit den Schultern. “Dann gebe ich ihm eben meine Nummer. Wenn er anruft und nett ist, vereinbare ich ein Treffen für dich. Und wenn er ein Serienkiller ist, sage ich ihm, dass du kein Interesse hast. Okay?”

“Ich, ich …” Missy presste sich die Hände auf den Mund. Sie wirkte völlig hin- und hergerissen und aufgeregt. “Na ja, okay. Wenn du sicher bist, dass es dir nichts ausmacht.”

“Ich bin sicher.” Cynthia wählte die Nummer und spürte mit einem Mal Neid in sich aufsteigen. Im letzten Sommer hatten die vier Freundinnen einen Pakt geschlossen, der besagte, dass jede sich einen Mann angeln würde. Und nun war Tracy in den Flitterwochen, Allegra so gut wie verlobt, und Missy war auf dem Weg in ihr eigenes Abenteuer. Nur bei ihr tat sich absolut nichts.

Das war geradezu lächerlich, weil Cynthia von den vier Freundinnen diejenige war, die sich ständig zu irgendwelchen Männern hingezogen fühlte. Tatsächlich hatte sie im Laufe dieses Jahres einige Momente erlebt, in denen sie ein so starkes Knistern gespürt hatte, dass sie – nach den Regeln ihres Paktes – darauf hätte reagieren müssen. Männer fühlten sich zu ihr hingezogen und sie sich zu ihnen. Aber das erzählte sie ihren Freundinnen nicht, wenn auch aus einem wirklich dummen Grund: Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es noch etwas Größeres geben musste. Sie konnte nicht glauben, dass das, was Tracy, Allegra und Missy erlebten, das Gleiche war wie die übliche sexuelle Erregung, die sie, Cynthia, erfasste, wenn sie einem Mann in die Augen sah, der sie begehrte. Es musste noch etwas geben, etwas wirklich Besonderes, Tiefes und Andauerndes.

Einerseits war sie nicht mal sicher, ob sie tatsächlich daran glaubte, dass Liebe mehr war als guter Sex plus gute Freundschaft, andererseits schien sie dennoch auf etwas zu warten. Sie fühlte sich in einem echten Konflikt.

Die Telefonverbindung zur Zeitungsredaktion war hergestellt. Cynthia hörte sich die Anweisungen von einem Tonband an und drückte dann die Nummern des Codes für die Kontaktanzeige.

“Warte, Cynthia, ich kann nicht …, ich will nicht …”

“Pscht.” Sie zwinkerte Missy zu. “Das geht schon in Ordnung.”

Missy rang hilflos die Hände und drehte sich zu Allegra um, die fröhlich grinste. “Du musst ja nicht mit ihm ausgehen, wenn du nicht willst.”

“Und was ist, wenn er nicht mit mir ausgehen will?”

Aus dem Hörer piepte es jetzt. Cynthia las Missys Antwort vor, gab ihre eigene Telefonnummer an und ließ das Ganze so gefühlvoll und ehrlich klingen wie möglich, obwohl sie Mühe hatte, dabei ernst zu bleiben.

“Puh!” Sie legte den Hörer auf und strahlte Missy an.

“Oh, Cynthia!” Missy hüpfte herum und klatschte in die Hände. “Meinst du, er wird anrufen?”

“Natürlich wird er das.” Cynthia glättete ihr Haar und unterdrückte einen weiteren Anflug von Neid. Missy verdiente es, einen wundervollen Mann zu finden. Dieses Mädchen hatte wegen ihrer unerfüllten Sehnsucht schon viel zu viel Zeit vor dem Fernseher verbracht.

“Aber was ist, wenn eine andere ihm eine Nachricht hinterlässt, die ihm besser gefällt.”

“Missy.” Cynthia verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah ihre Freundin streng an. “Sprich mir nach: Ich bin eine wunderbare Frau …”

Missy rollte mit den Augen und wurde rot. “Ich bin eine wunderbare Frau …”

“Ich bin intelligent, humorvoll, ehrlich …”

“Ich bin – das alles.”

“… und habe Brüste, für die andere Frauen morden würden und von denen Männer träumen.”

“Cynthia!”

Cynthia hob gebieterisch die Hand. “Und ab sofort werde ich mir das nehmen, was ich haben will.”

Missy atmete tief ein. “Ich werde es versuchen.”

“Gut.” Cynthia umarmte Missy. Sie verstand einfach nicht, wieso Missy zögerte, einfach ihr Leben zu leben. Man hatte doch nur eins, warum sollte man das verschwenden? Sie, Cynthia, hatte das mit Gewissheit nicht getan. Sie war in North Carolina in einer armen Familie aufgewachsen, hatte das hinter sich gelassen, war ihren Südstaatenakzent losgeworden, hatte ihr Studium in Yale mit Auszeichnung abgeschlossen, im ganzen Land Jobs angenommen, sich eine Karriere aufgebaut und schließlich in Milwaukee bei Atkeson, Incorporated ihren Traumjob bekommen. Niemand konnte ihr vorwerfen, dass sie ihr Licht unter den Scheffel stellte, während sie auf einen Mann wartete.

Sie war absolut kein Aschenputtel, aber wenn es um langfristige Beziehungen ging, hassten die meisten Männer starke Frauen. Diejenigen, die es nicht taten, waren gewöhnlich auf der Suche nach einem Mutterersatz, einer Frau, die sich um sie oder um ihre rebellischen Kinder kümmerte. Und Cynthia war nicht bereit, eine Familie zu übernehmen.

Außerdem gab es in ihrem Leben viele andere Erfolge. Dieses Jahr plante sie sogar einen noch größeren. Sie wollte den geschätzten Foster Award gewinnen, der jeweils an den oder die Managerin vergeben wurde, die etwas für die Allgemeinheit geleistet hatte. Cynthia hatte sich darum beworben, und sie war sicher, dass dies ihr Jahr war.

In der Zwischenzeit war sie sich im Gegensatz zu ihren Freundinnen nicht zu schade, kurzfristige Beziehungen mit Männern einzugehen, die mit Sicherheit nicht ihre große Liebe waren. Auf diese Weise würde sie durchaus noch mehrere Jahre zufrieden weitermachen können. Sie hatte wie immer ihre eigenen Pläne. Die würden ihr wesentlich verlässlicher Glück bescheren, als ein Mann das je könnte.

“Oh Mann! Sie war so schön, weißt du?”

“Ja, Ken, das weiß ich.” Adam lehnte sich in seinem Sessel zurück und starrte an die Decke. Und wie er das wusste. Er wusste alles über Kens Ex-Freundin. Alles. Wie sie ihren Tofu mochte, welchen Bioreiniger sie am liebsten für die Toilette verwendete …

“Ich meine, sie war meine erste, meine letzte, meine ganz große Liebe.” Ken kippte den Rest seines Drinks hinunter wie ein Cowboy den achtzehnten Whisky des Abends. Er trank allerdings puren Orangensaft.

Adam rieb sich das stoppelige Kinn und überlegte, ob er bei nächster Gelegenheit einen ordentlichen Schuss Wodka in diesen Saft gießen sollte. Vielleicht würde ein nettes Besäufnis Ken aufheitern oder wenigstens dafür sorgen, dass er einschlief.

Vor zwei Wochen, als Adam etwas durcheinander gewesen war, hatte er seinen Kollegen eingeladen, zu ihm zu ziehen, nachdem dessen Freundin ihn gerade aus der gemeinsamen Wohnung und ihrem Leben hinausgeworfen hatte. Nur so lange, bis Ken eine eigene Wohnung gefunden hatte. Er hatte ihm einen Gefallen tun wollen. Aus Mitleid. Wohltätigkeit einem Mann gegenüber, der von einem weiblichen Fuß, der in einer Birkenstock-Sandale steckte, einen Tritt bekommen hatte.

Es waren die längsten zwei Wochen in Adams Leben gewesen. Sein früher so ordentliches Apartment schien ständig chaotischer zu werden. Und er hatte sich nicht mehr so viel Gejammer anhören müssen, seit er zum letzten Mal die Kinder seines Cousins gehütet hatte.

“Ken, irgendwann wirst du erkennen, dass diese Frau dich drei Jahre lang wie Dreck behandelt hat, bevor sie dir den Laufpass gab.”

Ken streckte den Mittelfinger seiner rechten Hand aus und schob damit seine Brille höher auf die Nase. Das sah immer wie eine obszöne Geste aus, aber Adam hatte bisher noch nicht herausgefunden, ob seinem Kollegen das bewusst war.

“Sie war eine Prinzessin, eine Göttin, eine …”

“Manipulatorin.” Adam griff nach dem Journal Sentinel und legte ihn vor Ken auf den Tisch. “Da.”

“Du willst, dass ich Zeitung lese?”

“Deine Kontaktanzeige. Erinnerst du dich? Du hast sie geschrieben, aber dann hat dich der Mut verlassen, und du wolltest sie doch nicht aufgeben.”

Ken riss seine blauen Augen weit auf. Er starrte erst die Zeitung an, dann Adam. “Das hast du nicht gewagt.”

Adam verschränkte die Arme vor der Brust. Ganz so, als würde er gleich verkünden, dass in Wirklichkeit er derjenige war, der die Unabhängigkeitserklärung verfasst hatte. “Doch.”

“Wahnsinn!” Ken begann zu lachen und schlug sich auf die Oberschenkel, die ziemlich blass unter seinen knallroten Shorts herausragten. “Ich kann es nicht fassen! Lass mal sehen.”

Er öffnete den Wochenend-Teil und überflog die Anzeigen. “Männer suchen Frauen. Wo ist …, ah! Da ist sie ja! Ich kann es nicht glauben. Meine Worte! Ich habe das geschrieben.”

“Also …”

“Also?” Ken tippte mit einem Finger auf die Anzeige, sah dann fragend zu Adam auf und lächelte zum ersten Mal seit zwei Wochen.

“Also ruf in der Redaktion an, um zu hören, ob jemand geantwortet hat.”

Kens Lächeln erlosch. “Ich soll anrufen, um herauszufinden, ob eine Frau sich darauf gemeldet hat?”

“Ob du es glaubst oder nicht, genau das habe ich gemeint.”

“Aber …, ich bin nicht sicher, ob ich das wissen will. Ich meine, was ist, wenn keine darauf reagiert hat? Was dann?”

“Dann legst du auf und versuchst es später noch mal.” Adam sprach ruhig und freundlich wie mit einem kleinen Kind und fragte sich dabei, ob Ken tatsächlich ein erwachsener Mann war.

Ken bekam vor Nervosität Magenschmerzen und sank auf Adams Couch zurück. “Ich weiß nicht, ob ich noch eine Abfuhr verkraften kann.”

“Na gut.” Adam griff nach der Zeitung. “Ich werde anrufen.”

“Hey! Das ist meine Anzeige!”

“Ich verspreche, dass ich sie dir zurückgebe.” Adam holte das schnurlose Telefon aus der Küche und wählte die Nummer der Zeitung. Dabei hoffte er, dass wenigstens eine Frau in Milwaukee sentimental genug war, sich von Kens Anzeige angesprochen zu fühlen. Wenn der Kerl nicht bald aufgeheitert wurde, würde er ihn in ein Hotel abschieben müssen, damit er nicht noch selber depressiv wurde.

Es ging ihm nicht in den Kopf, wie ein erwachsener Mann sich so in sein Elend vergraben konnte. Das Leben war manchmal hart. Man hatte keine Kontrolle darüber. Na und? Wenn es einen hart erwischte, nahm man sich eine Auszeit, um es zu verarbeiten. Aber dann konzentrierte man sich auf das, was gut im Leben war statt auf das, was man nicht ändern konnte. Man ging hin und tat, was man tun musste, suchte sich etwas, das einen glücklich machte. Man lebte in der Gegenwart, nicht in der Vergangenheit oder in Zukunftsträumen.

Zugegeben, er selbst hatte das Leben auch erst richtig schätzen gelernt, nachdem er vor drei Jahren schmerzhaft mit der Tatsche konfrontiert worden war, dass auch er, wie alle anderen, sterblich war. Es frustrierte ihn inzwischen schrecklich, wenn er mit ansehen musste, wie andere sich sträubten, statt sich dem Neuen und möglicherweise Wundervollen zu stellen.

Er hörte sich die Instruktionen am Telefon an und gab dann die Codenummer ein. Das Band lief an. Er hob einen Finger. “Da ist die erste Nachricht.”

Ken setzte sich kerzengerade auf und hielt sich an der Tischkante fest.

Eine ganz leise weibliche Stimme war zu hören. Adam beugte sich vor und presste das Telefon fest an sein Ohr, als könnte er dadurch besser hören.

Die Frau atmete zittrig ein. “Ich bin Betsy. Ich fand Ihre Anzeige süß. Rufen Sie mich an.”

Sie hatte aufgelegt, ohne eine Nummer zu hinterlassen. Adam rollte mit den Augen. Das war typisch. Versponnene Anzeige, versponnene Antworten. “Das war Betsy, aber ich schätze, sie lebt in einem Heim für ganz, ganz Schüchterne. Weiter geht’s mit Nachricht Nummer zwei.”

“Hi. Mein Name ist Dora, und ich fand Ihre Anzeige ganz schön abgehoben. Ich bin selber ziemlich romantisch. Ich meine, diese Sache mit dem Ritter und der Lady ist wie Poesie! Ich bin auch eine Dichterin. Tatsächlich finde ich es am besten, wenn ich Ihnen etwas vorlese, was ich geschrieben habe.”

Papier knisterte. Adam legte eine Hand über die Augen. “Sie wird ein Gedicht vorlesen, das sie geschrieben hat.”

“Ja?” Ken zuckte mit den Schultern, die in einem knallgrünen Hemd steckten. “Wiederhole, was sie sagt, damit ich es hören kann.”

“Das ist lächerlich. Warum nimmst du nicht selber …”

“Liebe.” Das war Doras Stimme. Adam rollte wieder mit den Augen und wiederholte den Titel für Ken, der hoffnungsvoll nickte.

“Liebe. Mein Kopf liebt. Meine Nase liebt. Mein Bett liebt. Meine Zehen lieben. Meine Brustspitzen …”

Adam hielt Ken das Telefon hin. “Das wiederhole ich nicht laut.”

“So schlimm?” Kens Gesicht nahm einen betrübten Ausdruck an.

“Schlimmer.”

“Okay. Hör mal, ob da noch mehr sind.”

Adam sank wieder in seinen Sessel und drückte sich erneut den Hörer ans Ohr. Hoffentlich war die Dichterin endlich fertig. “Nächste Nachricht.”

“Hi. Hier ist Missy.”

Die tiefe Stimme ging Adam direkt unter die Haut. Das war die aufregendste Stimme, die er je gehört hatte.

“Ich habe auf dich gewartet. Ich habe mich nach dir gesehnt, mein Geliebter. Ich werde deine Lady sein, ich werde mit dir den Pfad des Lebens entlangreiten, wir werden so unzertrennlich sein wie Liebe und lieben, wie Leben und leben.”

“Na?”

Ken wirkte so irritiert, dass Adam der Verdacht kam, sein Kollege hatte schon eine ganze Weile versucht, auf sich aufmerksam zu machen.

“Ich …” Adam räusperte sich. “Diese möchtest du vielleicht selber hören.”

“Im Ernst?” Ken sprang auf. “Was sagt sie?”

“Warum wählst du nicht selbst und …”

“Nein.” Ken wich zurück und wedelte mit den Armen, als müsste er einen Wespenschwarm abwehren. Dann stieß er mit den Beinen gegen die Couch und setzte sich abrupt wieder. “Ruf du noch mal an. Bitte.”

Adam seufzte laut und wählte ein zweites Mal. Dabei hatte er ein schlechtes Gewissen wegen des seltsamen flatterigen Gefühls in seinem Magen. Das war doch verrückt. Wie konnte er sich zu einer Stimme hingezogen fühlen?

Aber so war es nun mal. Er hatte sofort das Bedürfnis gespürt, die Frau kennenzulernen, die da auf Band gesprochen hatte. Und das war absurd, denn sie antwortete auf Kens Anzeige. Dieses schmalzige Zeug gefiel ihr offenbar. Und das war absolut nicht der Typ Frau, den Adam mochte. Selbst dann nicht, wenn ihre Stimme bei ihm ausgesprochen lüsterne Gedanken auslöste. Er mochte Frauen, die zupackend, frech und sinnlich waren. Den Typ, der sich über Kontaktanzeigen dieser Art vor Lachen ausschütten würde.

Er ertrug noch einmal Betsy und Doris und kam dann zum zweiten Mal zu Missys Nachricht. Diesmal wappnete er sich, damit das verführerische Timbre ihrer Stimme ihn nicht wieder so aus dem Gleichgewicht bringen konnte.

“Hi. Hier ist Missy.”

Es nützte nichts. Er reagierte diesmal sogar noch heftiger. Er musste sich zwingen, sich auf ihre lächerlichen Worte zu konzentrieren, und schaffte es mit Mühe, sie für Ken zu wiederholen. Dann schrieb er die Nummer der Frau auf einen alten Briefumschlag. Dabei registrierte er, dass seine Hände zitterten.

“Oh!” Ken griff sich an die Brust. “Meine Lady! Meine Seele! Mein Herz! Mein …”

“Idiot. Du kennst sie doch noch gar nicht.” Adam schaltete das Telefon ab und wandte sich Ken zu. Er wusste, dass er grausam war, aber diese ganze Sache schlug ihm langsam aufs Gemüt.

“Natürlich kenne ich sie! Wie könnte ich sie nicht kennen? Sie ist mein Schicksal, meine Seelengefährtin, meine wahre Liebe.”

“Na ja, hier ist ihre Telefonnummer. Ich halte mich da raus. Wenn du sie willst, musst du schon selber um sie werben.” Er warf Ken den Umschlag hin und wunderte sich, wie er auf die Idee gekommen war, ausgerechnet diesen altmodischen Ausdruck zu verwenden.

Ken kratzte sich am Kinn und schob dann wieder mit seinem Mittelfinger die Brille hoch. “Adam?”

Adam kannte diesen Blick und diesen Tonfall und ließ resigniert seine Schultern hängen. “Ja, Ken?”

“Ich weiß, ich war in letzter Zeit eine ziemliche Last für dich, aber ich verspreche, dass dies das Letzte ist, worum ich dich bitte. Kannst du sie nicht anrufen und eine Verabredung vereinbaren?”

“Ken.” Adam hatte Mühe, nicht aufzubrausen. Wenn die schmalzigen Worte der Frau am Telefon ihm nicht deutlich gemacht hätten, dass sie für Ken bestimmt war, hätte er sich sofort selbst mit ihr getroffen, so sehr hatte sie ihn fasziniert. Offensichtlich war Ken so beeindruckt von ihren Worten wie Adam von ihrer Stimme. Solche Zeichen durfte man nicht ignorieren. Es gab im Leben immer einen Grund, weshalb man sie bekam.

Bis vor drei Jahren war Adam nicht in der Lage gewesen, irgendwelche Zeichen zu erkennen. Er hatte nur für seinen Job gelebt, immer nur Arbeit und noch mehr Arbeit. Ständig war er hinter etwas her gewesen, das er noch nicht hatte. Unaufhörlich hatte er sich um das nächste Geschäft bemüht und hatte so seine kostbare Zeit auf diesem wunderbaren Planeten Erde verschwendet.

Jetzt betrachtete er es als seine Aufgabe, nicht nur so viel vom Leben zu bekommen wie möglich, sondern auch dafür zu sorgen, dass Menschen, die er liebte, nicht die gleichen Fehler machten wie er früher. “Du musst lernen, das aus deinem Leben zu machen, was du wirklich willst, Ken.”

“Das werde ich. Tatsächlich werde ich mich heute auf die Suche nach einem Apartment machen.”

Adam sah ihn ungläubig an. “Das überrascht mich jetzt aber doch.”

Ken brauchte einige Ansätze, bevor er einen Ton heraus bekam: “Na ja, ich habe wohl etwas Zeit gebraucht, um mich von der Sache zu erholen. Aber jetzt gibt es Hoffnung auf ein neues wundervolles Leben mit meiner Lady. Ich verspreche, dass ich Ende nächster Woche hier raus bin – oder in der Woche danach.”

“Ich sage dir was.” Adam vergrub sein Gesicht in den Händen. Er konnte nicht fassen, dass er das wirklich tat. “Ich rufe Missy für dich an und vereinbare ein Treffen …”

“Oh danke!” Ken fiel auf die Knie und rang die Hände.

“… sobald du ein Apartment gefunden hast.”

Autor

Isabel Sharpe
Im Gegensatz zu ihren Autorenkollegen wurde Isabel Sharpe nicht mit einem Stift in der Hand geboren. Lange Zeit vor ihrer Karriere als Schriftstellerin erwarb sie ihren Abschluss in Musik auf der Yale Universität und einen Master in Gesangsdarbietung auf der Universität von Boston. Im Jahre 1994 rettet sie die Mutterschaft...
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