Wieder nur eine heiße Affäre?

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Nie hat Melissa diesen attraktiven Mann vergessen! Und als sie Whit Tanner jetzt wiedersieht, will sie eigentlich nur eins: Er soll sie - genau wie damals - heiß lieben! Melissa weiß, dass es ein langer Weg wird, bis Whit ihr erneut vertraut, denn sie musste ihn vor Jahren verlassen und hat seinen besten Freund geheiratet! Doch Melissa scheint eine zweite Chance bei Whit zu bekommen: Nach einem romantischen Picknick bleibt er bei ihr. Trotzdem wagt sie noch nicht an das große Glück zu glauben, denn sie weiß nicht, wie er auf ihr Geheimnis reagieren wird ...


  • Erscheinungstag 16.02.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745806
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Leute sagten, dass es in ganz Texas keine einzige Frau gäbe, die ein Tanner nicht verführen könnte, wenn er es darauf anlegte. Tatsächlich konnte man den groß gewachsenen und reichen Tanner-Brüdern nur sehr schwer widerstehen – sie sahen einfach zu sexy aus mit ihren schwarzen Haaren und den blauen Augen.

Whit Tanner jedoch war eine Ausnahme. Obwohl er einsfünfundachtzig maß und sehr attraktiv war, sah er den anderen Männern aus der Familie Tanner überhaupt nicht ähnlich. Er hatte braune Haare, zwischen die sich durch jahrelange Arbeit in der texanischen Sonne hellere Strähnen gemischt hatten. Auch seine Augen waren braun mit goldenen Sprenkeln.

Und hier hörten die Unterschiede noch lange nicht auf.

Im Gegensatz zu den anderen männlichen Tanners war Whit im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht eher unbeholfen. In Gegenwart einer Frau neigte er dazu, rot und verlegen zu werden. Wohl deshalb war er im Alter von 29 Jahren immer noch Junggeselle. Doch er hatte seinen Junggesellenstatus bislang akzeptiert, ohne sich große Gedanken darüber zu machen. Zumindest war das der Fall gewesen, bis seine Stiefbrüder begonnen hatten zu heiraten und Familien zu gründen.

Zuerst hatte Adam seine Maggie gefunden. Dann hatte sich Woodrow in eine Ärztin aus Dallas verliebt. Und kurz darauf hatte Ry mit Kayla, einer Kellnerin aus Austin, die Frau fürs Leben gefunden. Der Name Tanner hatte wochenlang die Nachrichten der Zeitungen beherrscht. Doch erst als Rory, der sich nie hatte fest binden wollen, Macy Keller geheiratet hatte, war Whit klar geworden, dass er der letzte Single der Familie Tanner war.

„Der letzte allein stehende Tanner“, murmelte Whit, als er den Sattel vom obersten Pfosten des Pferches zog und der Stute auf den Rücken legte. Doch eigentlich war er gar kein Tanner. Zumindest nicht von Geburt an. Er war der Adoptivsohn. Buck Tanner hatte ihn gnädig in die Familie aufgenommen, als er Whits Mutter geheiratet hatte.

Whit hatte wie jeder andere in Tanner’s Crossing gewusst, dass Buck und Lee Grainger nicht aus Liebe geheiratet hatten. Seine Mutter war geschieden und hatte sich und ihren kleinen Sohn als Kellnerin durchbringen müssen. Sie hatte ein Heim und Sicherheit gesucht, während der Witwer Buck sich eine Frau ins Haus geholt hatte, die seine vier Söhne aufziehen sollte. Beide hatten bei dem Handel das bekommen, was sie gewollt hatten. Und Whit hatte den Namen Tanner angenommen.

Whit schob seinen Cowboyhut aus der Stirn und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Das unterscheidet mich ebenfalls von der Familie Tanner, dachte er erschöpft, als er den Hut wieder zurechtrückte.

Die Tanners hatten noch nie im Schweiße ihres Angesichts ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Außer, sie hatten es sich selber so ausgesucht. Er seufzte und griff unter dem Pferd hindurch nach dem Sattelgurt. Aber es hätte schlimmer kommen können, sagte er sich, als er den Gurt festzurrte. Er könnte vor einem Berg Akten in einem muffigen Büro sitzen oder in einer dunklen Fabrikhalle irgendwelche Apparate zusammenbauen müssen. Es gab nicht viele Männer, die von sich sagen konnten, dass ihnen ihr Job Freude machte. Und Whit liebte es, mit Pferden zu arbeiten.

Das war wahrscheinlich das Einzige, was er Buck Tanner zu verdanken hatte. Denn während er auf der Ranch der Tanners, der Bar-T, gearbeitet hatte, hatte er seine Begeisterung für Pferde entdeckt. Ansonsten war Buck ein lausiger Stiefvater gewesen und Whits Brüdern zufolge ein ebenso lausiger Vater.

Gibt es überhaupt so etwas wie einen guten Vater? fragte er sich bitter. Er schüttelte sich. Sein eigener Vater hatte ihn und seine Mutter einfach sitzen lassen, als Whit kaum drei Jahre alt gewesen war. Als Junge hatte er geglaubt, dass seine Mutter und er auch gut allein zurechtkommen würden. Doch dann hatte seine Mutter eines Tages aus heiterem Himmel ihre Heirat mit Buck angekündigt. Dass Buck zugestimmt hatte, Whit zu adoptieren, hatte viele Leute überrascht, da Buck Tanner ja nicht einmal genug Zeit für seine eigenen vier Söhne zu haben schien. Allerdings hatte Whit bald erfahren müssen, dass Buck für seinen Stiefsohn noch weniger Zeit übrig hatte.

Whit machte ein finsteres Gesicht, als er sich an das Verhalten seines Stiefvaters erinnerte, und überprüfte zur Sicherheit noch einmal den festen Sitz des Gurts. Die Fuchsstute, die er sattelte, legte irritiert die Ohren an und tänzelte zur Seite. Whit strich über den Hals des Tieres.

„Es ist nur ein Sattel, mein Mädchen“, beruhigte er das Pferd. „Ich weiß, dass es sich komisch anfühlt. Aber du wirst dich bald daran gewöhnen.“

Während er weiter leise auf die Stute einredete, löste er mit sanften Bewegungen das Lasso aus der Halterung und tauschte es gegen eine lange Leine aus, mit der er die Stute zur Übung im Kreis herumführen konnte. Dann ermutigte er das Pferd, langsam eine Runde im Pferch zu gehen, während er in der Mitte stand und jede Bewegung des Tieres beobachtete.

Er mochte die kleine Stute und hoffte, dass er die Besitzer davon überzeugen konnte, das Pferd weiter trainieren zu können. Da es schnell, intelligent und folgsam war, würde es bestimmt ein gutes Arbeitspferd werden.

Ein Motorengeräusch riss ihn aus seinen Gedanken, und er schaute zur Straße. Er verzog den Mund zu einem Lächeln, als er Rorys Transporter erkannte. Sein Stiefbruder wurde von seiner Frau Macy begleitet, die auf dem Beifahrersitz saß. Whits Verachtung für Buck Tanner hatte sich nicht auf dessen Söhne übertragen. Er respektierte und mochte seine Stiefbrüder. Besonders Rory, der es den Leuten allerdings auch sehr leicht machte, ihn gern zu haben.

„Hallo, Whit!“, rief Rory, als er und Macy aus dem Transporter stiegen. „Wo hast du denn den alten Gaul her?“

Whit lachte leise, als er die Stute in die Mitte des Pferches manövrierte. „Lass das besser nicht Dan Miller hören“, warnte er. „Dan hat eine schöne Stange Geld für dieses kleine Mädchen ausgegeben.“

Rory machte das Gatter auf, ließ Macy den Vortritt und folgte ihr dann. Macy lief mit weit ausgebreiteten Armen geradewegs auf Whit zu, der sich auf eine stürmische Begrüßung gefasst machte.

Obwohl Whit sich allmählich an all die Aufmerksamkeiten gewöhnte, die ihm seine Schwägerinnen zuteilwerden ließen, bemerkte er, dass er immer noch verlegen wurde, als Macy die Arme um ihn schlang und ihn an sich drückte. Etwas unbeholfen erwiderte er ihre Begrüßung und legte den Arm kurz um ihre Schultern. „Hallo, Macy.“

„Behalte gefälligst deine Hände bei dir“, scherzte Rory. „Das ist meine Frau, mit der du da schmust.“

„Wenn das deine Vorstellung von Schmusen ist, ist es kein Wunder, dass sie sich mir jedes Mal so in die Arme wirft, wenn sie mich sieht“, konterte Whit trocken. „Deine Frau sehnt sich verzweifelt nach Zärtlichkeit.“

„Wenn das so wäre, würde sie ganz bestimmt nicht bei dir danach suchen“, erwiderte Rory und lachte laut. „Mensch, Whit, du wüsstest doch nicht, was du mit einer Frau anfangen solltest, wenn sie dir mit einer Gebrauchsanweisung ins Haus geliefert würde.“

Whit war daran gewöhnt, dass Rory sich deshalb über ihn lustig machte, und grinste gutmütig, als er die Stute zum Zaun führte und dort festband. „Bist du nur zu mir gekommen, um mir das Leben schwer zu machen, oder gibt es noch einen anderen Anlass für deinen Besuch?“

„Wir sind hier, um dir persönlich eine Einladung zu überbringen“, meinte Macy. „Samstag in einer Woche eröffne ich endlich meine Gärtnerei, und ich möchte gern, dass du kommst.“

„Große Eröffnung, hm?“ Whit zog seine Handschuhe aus. „Wird es etwas Anständiges zu essen geben?“

„Genug für eine ganze Armee. Ich werde sogar Champagner servieren.“

Whit zuckte kurz zusammen. „Das wird doch nicht eine dieser tollen Partys, bei denen ich einen Anzug tragen muss, oder?“

Macy lächelte und tätschelte liebevoll seine Wange. „Zieh an, was du willst, Hauptsache, du kommst.“

„Erwartest du noch jemand?“, unterbrach Rory das Gespräch.

Whit folgte dem Blick seines Stiefbruders und bemerkte ebenfalls den Geländewagen, der auf die Ranch zufuhr. „Nicht dass ich wüsste.“ Er schüttelte den Kopf.

Alle drei beobachteten, wie der Jeep neben Rorys Transporter hielt. Als Whit die Frau hinter dem Steuer erkannte, verkrampfte sich sein Magen.

„Ist das nicht Melissa Jacobs?“, erkundigte sich Rory neugierig.

Schnell wandte Whit den Blick ab. „Ja“, murmelte er. „Das ist sie.“

„Hallo, Melissa“, rief Rory, als die Frau aus dem Auto stieg. „Lange nicht gesehen.“

Sie winkte kurz und kam zu ihnen in den Pferch. „Ja, es ist eine Weile her.“ Sie griff nach Rorys ausgestreckter Hand und schüttelte sie. „Schön, dich zu sehen, Rory.“

„Ich freue mich auch.“ Rory zog Macy an sich. „Ich glaube, du hast meine Frau noch nicht kennengelernt. Macy, Melissa Jacobs.“

„Meine Glückwünsche zur Hochzeit.“ Melissa schüttelte Macys Hand und wandte sich dann auch Rory zu. „Euch beiden alles Gute.“

„Danke“, erwiderte Rory und wurde dann sehr ernst. „Es hat mir sehr leidgetan, von Matts Tod zu hören. Mann, was für ein Schock.“

Ihr Lächeln verflog, und sie nickte. „Ja, das war es.“

„Wenn es irgendetwas gibt, das ich tun kann …“

„Nein“, erwiderte sie schnell. „Aber vielen Dank für das Angebot.“

„Also …“, Rory bemühte sich, das Thema zu wechseln, „… was führt dich her?“

„Ich bin gekommen, um Whit zu treffen.“

Rory legte die Hand auf Macys Ellbogen. „Dann werden wir beide uns mal auf den Heimweg machen.“

Whit war der Unterhaltung bisher still und wachsam gefolgt, aber bei dem Gedanken, mit Melissa allein zu sein, bekam er Panik. „Es ist absolut nicht nötig, dass ihr so überstürzt aufbrecht“, sagte er eilig. „Sobald ich hier fertig bin, können wir ins Haus gehen. Dort kann ich euch etwas Kühles zu trinken anbieten.“

Nach einem Blick auf seine Uhr schüttelte Rory den Kopf. „Sorry, aber das müssen wir auf ein anderes Mal verschieben. Wir haben Macys Dad allein in der Gärtnerei gelassen und müssen zurück. Wir sehen dich dann Sonntag beim Mittagessen“, rief er noch, als er Macy zum Transporter führte.

„Ich hoffe, dass die beiden nicht wegen mir gehen.“

Whit sah nur kurz in Melissas Richtung und runzelte die Stirn. „Du hast gehört, was sie gesagt haben. Sie müssen zurück in die Gärtnerei.“ Er drehte ihr den Rücken zu und lockerte den Steigbügel. „Wie lange ist Matt jetzt tot? Vier Monate? Solltest du nicht zu Hause sein und um ihn trauern?“

Er hörte, wie sie schockiert nach Luft schnappte, und wusste, dass seine Worte unpassend und grausam gewesen waren. Aber das kümmerte ihn nicht. Sie hatte ihm sehr wehgetan, und jetzt verletzte er sie.

„Ich bin nicht hergekommen, um mich beleidigen zu lassen“, sagte sie gereizt.

„Und warum bist du dann hier?“

„Ich habe ein Pferd und will, dass du es abrichtest.“

Er fuhr fort, die Stute abzusatteln, und drehte ihr weiterhin den Rücken zu. „Es gibt noch andere Trainer. Wenn du keinen kennst, kann ich dir einen nennen.“

„Ich will nicht irgendeinen Trainer. Das Pferd ist … Matts Pferd.“

Ihr Zögern, den Besitzer des Pferdes zu nennen, war ausgesprochen vielsagend. Matt Jacobs war Melissas Ehemann und Whits bester Freund gewesen. Exfreund, dachte Whit verbittert. Er kannte das Pferd, das er für sie abrichten sollte.

Matt hatte den Hengst vor einigen Jahren als Fohlen erstanden und vorgehabt, es für die Rennstrecke zu trainieren. Der Stammbaum des Pferdes war beeindruckend. Doch leider war der Hengst ziemlich unberechenbar. Whit nahm einen Striegel und bearbeitete das Fell der Stute. „Warum verkaufst du das verdammte Pferd nicht einfach?“, fragte er gereizt. „Du würdest gutes Geld dafür bekommen.“

„Das Pferd wird mir mehr einbringen, wenn es trainiert worden ist.“

Er hörte die Entschlossenheit in Melissas Stimme und bemerkte ihren fast verzweifelten Unterton. Doch er weigerte sich, sich davon berühren zu lassen. Er schüttelte den Kopf.

„Ich habe eine sehr lange Liste mit Leuten, die wollen, dass ich ihr Pferd trainiere. Mir fehlt die Zeit, noch weitere anzunehmen.“

„Ich werde dir dein übliches Honorar plus ein Prozent des Verkaufspreises des Hengstes zahlen.“

Erstaunt über das ungewöhnliche Angebot sah er in ihre Richtung und wünschte sich sofort, er hätte es nicht getan. Ihr Anblick brachte die Erinnerung und seinen ganzen Liebeskummer zurück. Ihre bernsteinfarbenen Augen, die langen honigblonden Haare, die ihr in weichen Wellen über die Schultern fielen, und die zarten Gesichtszüge hatten ihn sieben lange Jahre bis in seine Träume verfolgt. Er schaute weg und warf die Bürste in eine Holzkiste. „Wie ich schon sagte, ich brauche keine weiteren Aufträge mehr.“

„Whit, bitte.“

„Nein.“ Er drehte sich um und funkelte sie wütend an. „Also, wenn du möchtest, dass ich dir jemand empfehle, werde ich das tun. Anderenfalls würde ich es zu schätzen wissen, wenn du mein Grundstück wieder verlässt.“

Melissa saß wütend in ihrem geparkten Auto vor dem Eingang der Schule und hatte das Fenster heruntergekurbelt. Doch die leichte Brise verschaffte ihr keine Abkühlung. Sie fühlte sich gedemütigt. Wochen hatte sie gebraucht, um den Mut aufzubringen, Whit darum zu bitten, Matts Pferd zu trainieren. Während dieser Zeit hatte sie fast verzweifelt nach einem anderen Ausweg gesucht. Aber schließlich hatte sie entschieden, dass ihr wohl keine andere Wahl blieb, als zu Whit zu gehen. Und er hatte sie gnadenlos abgewiesen. Obwohl sie durchaus damit gerechnet hatte, dass er ihr Angebot ablehnen könnte, schmerzte sie seine Weigerung mehr, als sie geahnt hatte.

Die Türen der Schule gingen auf, und die Kinder liefen ausgelassen auf die parkenden Autos zu. Melissa machte schnell die Fahrertür auf. Doch noch bevor sie aussteigen konnte, schlang ihr Sohn bereits seine Arme um ihre Beine.

„Hallo, Mom!“

Sie lachte leise und strich ihm durch die blonden Haare. „Hallo, mein Schatz.“ Sie hob ihn hoch, schwang ihn über sich hinweg und ließ ihn auf dem Beifahrersitz wieder herunter. „Wie war dein Tag?“, fragte sie, als sie ihn anschnallte.

„Shane Ragdales Hund hat dreizehn Welpen bekommen. Kann ich einen davon haben? Bitte, Mom. Kann ich?“

Melissa ließ den Motor an. „Wir haben schon einen Hund“, erinnerte sie ihn.

„Ja, aber Champ ist dein Hund. Ich will ein Hündchen, das ganz allein mir gehört.“

Nach einem prüfenden Blick auf den Verkehr fuhr sie auf die Straße. „Mehr als einen Hund können wir im Moment nicht verkraften.“

Bitte, Mom“, bettelte er. „Ich werde ihn füttern und mich um ihn kümmern. Du wirst nichts tun müssen. Das verspreche ich.“

Sie seufzte, weil es ihr schwer fiel, ihm die Bitte abzuschlagen. „Wir können es uns im Augenblick nicht leisten, noch ein Tier füttern zu müssen“, erklärte sie weich. „Das weißt du.“

Er sank tief in den Sitz. „Wir sind arme Schlucker“, murmelte er betrübt.

„Grady Jacobs!“, rief sie. „Wir sind nicht arm.“

„Weshalb musst du dann Dads Pferd verkaufen?“

„Weil wir Geld nötiger brauchen als ein Pferd.“ Sie warf ihm einen strengen Blick zu. „Aber das heißt nicht, dass wir arm sind.“ Stolz sah sie wieder auf die Straße. „Wir haben vorübergehend nur eine kleine Durststrecke zu überstehen.“

„Angela Hanes Mom sagt, dass wir nicht die Butter auf dem Brot haben.“

„Das hat Angelas Mutter zu dir gesagt?“, fragte Melissa überrascht.

„Nein, Angela. Sie hat es gehört, als ihre Mutter mit Mrs. Henley telefoniert hat. Ich habe Angela gefragt, was das bedeutet. Sie meinte, es bedeutet, dass wir arm sind und Dad uns nach seinem Tod pleite zurückgelassen hat.“

Melissa war wütend, dass ihre Freunde und Nachbarn hinter ihrem Rücken über sie redeten, versuchte aber, sich nichts davon anmerken zu lassen. „Nun, Mrs. Hanes täuscht sich“, informierte sie ihren Sohn. „Wir sind nicht pleite.“

„Warum kann ich dann kein Hündchen haben?“

Sie schloss für einen Moment die Augen und ermahnte sich zur Geduld. Sie wollte die richtigen Worte finden, um ihrem Sohn die finanzielle Situation deutlich zu machen, ohne ihn wissen zu lassen, wie schlimm es in Wirklichkeit stand.

„Bevor Matt gestorben ist …“, sagte sie vorsichtig, „… hatten wir zwei Einkommen, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Und nun müssen wir mit dem auskommen, was ich verdiene.“

„Ich könnte dir helfen, damit du mehr Geld verdienen kannst.“

Bei dem Angebot wurde ihr ganz warm ums Herz, und sie strich Grady die Haare aus der Stirn. „Danke, Schatz. Aber ich will nicht, dass du dir Gedanken um unsere finanzielle Situation machst, okay? Wenn wir erst einmal Matts Pferd verkauft haben, wird alles gut werden.“ Und das wird es auch, sagte sie sich entschlossen, als sie sich wieder ganz auf die Straße konzentrierte. Sobald sie jemanden finden würde, der Matts Pferd abrichten würde.

Nach Melissas unerwartetem Besuch am Montag verging für Whit die restliche Woche wie im Flug. Am Dienstag brach sich einer der Hengste, die Whit trainierte, das Vorderbein. Da er den Tierarzt holen und den Besitzer des Pferdes informieren musste, kostete Whit dieser Vorfall fast einen ganzen Tag. In der Nacht zum Mittwoch war dann ein Waschbär in den Futterraum eingedrungen, hatte ein schreckliches Chaos veranstaltet und drei Säcke Hafer ruiniert. Und zu allem Unglück warf ihn dann am Sonntag auch noch ein Wallach ab, mit dem er arbeitete. Whit landete auf einem großen Komposthaufen. Als er anschließend das Pferd zurück in den Stall gebracht und ins Haus gegangen war, um zu duschen und frische Kleider anzuziehen, war es bereits kurz vor zwölf Uhr.

Er erwog, das sonntägliche Mittagessen mit seinen Stiefbrüdern und ihren Familien auf der Bar-T abzusagen und sich stattdessen einfach mit einem Bier vor dem Fernseher zu entspannen. Aber er wusste, dass dann wahrscheinlich der ganze Tanner-Clan vor seiner Tür auftauchen würde, um nach ihm zu sehen. Dieser Gedanke behagte ihm überhaupt nicht. Deshalb machte er sich in seinem Transporter auf den Weg zur Bar-T, wo er als Letzter eintrudelte. „Sorry, dass ich so spät komme“, sagte er, als er sich auf den freien Stuhl neben Rory setzte.

Rory runzelte irritiert die Stirn, als er ihn sah. „Was ist denn mit dir passiert?“

Mit einer Grimasse strich Whit über die Schramme auf seiner Wange, die er sich bei dem Sturz vom Pferd geholt hatte. „Ein Pferd hat mich abgeworfen.“

Ry reichte Whit eine Platte mit Steaks. „Wenn du willst, kann ich mir das später einmal anschauen“, bot er an. „Um sicherzugehen, dass du dir nichts gebrochen hast.“

Whit nahm sich ein Steak, bevor er die Platte weitergab. „Es ist mir nichts passiert. Es ist nur eine Schramme.“

Maggie warf ihrem Ehemann, Adam, einen bedeutungsvollen Blick zu. „Das habe ich doch schon einmal gehört“, meinte sie trocken.

Alle lachten auf Adams Kosten, denn sie kannten die Geschichte, wie Adam von einem Pferd abgeworfen worden war und es Maggie nicht erlaubt hatte, ihn deshalb zu einem Arzt zu bringen.

„Lacht nur“, brummte Adam. „Aber ein Mann, der sofort zu einem Knochenklempner rennt, nur weil er von einem Pferd abgeworfen wurde, ist doch kein richtiger Mann. Oder, Whit?“

Whit sah sich am Tisch um, an dem ein Arzt und eine Ärztin sowie zwei Krankenschwestern saßen, und hielt sich vornehm zurück. „Wenn du es sagst, Adam.“

„Feigling“, warf Rory ein.

„Ich habe schon eine Schramme. Die reicht mir“, erwiderte Whit.

Adam wechselte das Thema. „Es sieht so aus, als ob die Anwälte in etwa zwei Wochen die Unterlagen vollständig gesichtet haben und Vaters Vermögen aufteilen können. Wir müssen einen Zeitpunkt finden, an dem wir uns alle gemeinsam in der Kanzlei treffen können, um die notwendigen Papiere zu unterschreiben.“

Aus der anschließenden Diskussion hielt sich Whit heraus. Er konzentrierte sich auf sein Essen. Obwohl Adam ihm gesagt hatte, dass er wie jeder seiner Stiefbrüder ein Fünftel des Vermögens des alten Mannes erben würde, hatte Whit ihm mitgeteilt, dass er nichts von Bucks Erbe haben wollte.

„Was ist mit dir, Whit?“, fragte Adam. „Wäre dir der 29. Mai recht?“

Whit sah sich um und bemerkte, dass ihn jeder am Tisch erwartungsvoll ansah. Langsam legte er die Gabel auf seinen Teller. „Ich habe euch doch schon gesagt, ich will nichts von Bucks Vermögen haben.“

„Und wir verstehen deine Gründe“, versicherte Adam. „Aber du wirst denselben Anteil wie jeder von uns bekommen, ob du willst oder nicht.“

„Du weißt so gut wie ich, dass ich nicht in Bucks Testament bedacht worden wäre, wenn es eines gäbe“, erklärte Whit.

„Das könnte stimmen“, räumte Adam ein. „Aber es ist auch gut möglich, dass er keinen von uns darin bedacht hätte, da er zum Zeitpunkt seines Todes auch mit uns nicht gut stand. Und da er kein Testament hinterlassen hat, wird nach geltendem Recht sein Vermögen gleichmäßig unter seinen Kindern aufgeteilt.“

„Ich bin nicht sein Kind.“

„Rechtlich schon. Die Adoptionspapiere belegen das.“

Whit sank frustriert zurück in den Stuhl. „Nun komm schon, Adam. Kannst du den Anwälten nicht sagen, dass sie mich außen vor lassen sollen?“

Adam hob hilflos die Hände. „Sorry, aber das verstößt gegen die Rechtslage. Und ohne deine Unterschrift kann das Vermögen nicht aufgeteilt und das Erbe nicht angetreten werden.“ Er wusste, dass er Whit festgenagelt hatte, und lehnte sich genüsslich in seinem Stuhl zurück. „Also, wäre dir der 29. Mai recht?“

„Okay, ich werde die notwendigen Dokumente unterschreiben, aber nie einen Cent von Bucks Vermögen anrühren“, erklärte Whit finster.

„Das bleibt dir überlassen“, meinte Rory und wechselte schnell das Thema. „Was hat denn Melissa neulich von dir gewollt?“

Whit schnitt sich ein Stück von seinem Steak ab. „Sie wollte, dass ich ein Pferd für sie abrichte.“

„Melissa Jacobs?“, fragte Elizabeth, Woodrows Frau, neugierig.

„Genau die“, antwortete Rory und warf Whit einen Blick zu. „Seid ihr beiden früher nicht öfter miteinander ausgegangen?“

Whit, dem nicht bewusst war, dass Rory oder sonst jemand seine Verabredungen mit Melissa mitbekommen hatte, erstarrte einen Moment. Dann brach er sich ein Stück Brot ab und zuckte möglichst gleichgültig die Schultern. „Ja, eine Weile.“

„Wirklich?“, fragte Adam. „Ich wusste nicht, dass Melissa sich auch noch mit einem anderen Mann außer Matt verabredet hatte.“

Und wenn Rory den Mund gehalten hätte, hättest du das auch weiterhin geglaubt, dachte Whit verärgert. Er mied Adams Blick und strich Butter auf sein Brot. „Wie ich schon sagte, dauerte es nicht sehr lange.“

„Ich kenne Melissa nicht gut, aber es tut mir sehr leid für sie.“ Elizabeth schüttelte traurig den Kopf. „Es ist schlimm genug, seinen Ehemann bei solch einem tragischen Unfall zu verlieren. Aber zu entdecken, dass er dich ohne einen Penny zurückgelassen hat, muss furchtbar sein.“

Whit starrte sie entgeistert an. „Matt war pleite?“

Elizabeth warf den anderen am Tisch einen unbehaglichen Blick zu. „Ja, zumindest ist mir das zu Ohren gekommen.“

„Es stimmt“, bestätigte Woodrow. „Dillon Phillips hat ihr letzte Woche einen Pflug abgekauft. Er meinte, er hätte ihn relativ günstig erstanden, weil Melissa das Geld brauchte, um die Hypothek abzustottern.“

„Wenn sie ihm das erzählt hat, hat sie ihm einen Bären aufgebunden.“ Whit schüttelte ärgerlich den Kopf. „Der Besitz ist nicht mit einer Hypothek belastet. Ich weiß ganz sicher, dass Matt die Ranch völlig unbelastet von seinem Großvater geerbt hat.“ Er spießte mit der Gabel ein Stück Fleisch auf. „Aber selbst wenn es stimmt, dass Melissa pleite ist, würde sie keine Wertsachen verkaufen müssen, um ihre Rechnungen begleichen zu können. Mike würde ihr doch das notwendige Geld geben.“

Macy hob die Hand. „Jetzt verliere ich den Faden. Wer ist Mike, und was hat er mit Melissa zu tun?“

„Mike ist Melissas Vater“, erklärte Rory. „Er lebt drüben in Lampasas. Er und Buck waren alte Freunde. Da Buck tot ist, ist Mike jetzt wahrscheinlich hier in der Gegend der reichste Mann.“

„Dann allerdings scheint sie wirklich ihren Vater um Geld bitten zu können, wenn sie es so dringend braucht“, meinte Macy.

„Nicht unbedingt“, meldete sich Kayla zu Wort. „Also ich würde das nicht tun. Es ist eine Frage des Stolzes.“

„Kayla könnte recht haben“, warf Rory ein. „Das ist die einzige Erklärung, die Sinn macht. So weit ich mich erinnere, hatte Melissa mit ihrem Vater ziemlich heftige Auseinandersetzungen.“

„Allerdings“, stimmte Adam zu. „Ich weiß noch, wie sich Mike einmal bei Buck darüber beschwert hat, wie dickköpfig seine Tochter wäre.“

Autor

Peggy Moreland

Peggy Moreland hat die Stephen F. Austin State Universität in Nacogdoches, Texas, mit einem BBA (Bachelor of Business Administration) abgeschlossen. Sie veröffentlichte 1989 ihren ersten Roman bei Silhouette Books. Sie war Gewinnerin des „National Readers‘ Choice Award“, war für den „Romantic Times Reviewers Choice Award“ nominiert und zweimal Finalistin beim...

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