Zweites Glück auf Thunder Cay

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Als Macy ihren Mann Rick, der sie vor vier Jahren verließ, wiedersieht, möchte sie sich am liebsten sofort in seine Arme stürzen. Er bittet sie, einige Tage mit ihm auf seine Insel zu fahren, um einen Neuanfang zu wagen. Ein verlockendes Angebot, aber liebt er sie wirklich noch immer?


  • Erscheinungstag 24.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755669
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Macy spürte deutlich, dass sie beobachtet wurde.

Unter normalen Umständen hätte sie das kaum beunruhigt, denn sie war daran gewöhnt und in gewisser Weise auch unempfindlich dagegen geworden, dass sie wegen ihres außergewöhnlich guten Aussehens Aufmerksamkeit erregte. Sie hatte sich sogar mit der Tatsache abgefunden, von Reportern belagert zu werden, sobald sie sich in der Öffentlichkeit zeigte. Unter den in Magazinen und Zeitschriften in großer Aufmachung erscheinenden Fotos war dann zu lesen: „Sir Edwin Gilmours bildschöne Tochter.“

Vor einiger Zeit schien das meine einzige Identität zu sein, überlegte sie und verzog spöttisch die Lippen. Aber glücklicherweise war das Vergangenheit, denn sie stand inzwischen auf eigenen Füßen und hatte sich eine Karriere aufgebaut, die sie als Befreiung empfunden hatte.

Und deshalb war sie nun hier auf Fortuna – um ihrem Vater, Cameron und allen anderen Aufsichtsratsmitgliedern von Gilmour-Denys zu beweisen, dass sie keine Anfängerin mehr war und Verhandlungen auf dem Immobiliensektor geschickt und erfolgreich zu führen verstand. Denn gerade das Projekt Thunder Cay würde viel Fingerspitzengefühl erfordern.

Beim derzeitigen Stand der Dinge käme es mir äußerst ungelegen, wenn mich jemand erkennen würde, dachte sie leicht irritiert, während sie an dem Eistee nippte. Dabei bemühte sie sich, den durchdringenden Blick zu ignorieren, den sie beinahe körperlich zu spüren glaubte. Sie war sicher, dass sie von der gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße des Orts Fortuna Town beobachtet wurde.

Der unerwartete Tipp, den Sir Edwin erhalten hatte, war streng vertraulich gewesen. Deshalb mussten die Gespräche über die Insel Thunder Cay unbedingt geheim bleiben. Schon die geringste Verlautbarung über Verkaufsverhandlungen würde sogleich Immobilienhaie in so großer Zahl anlocken, wie man sie auf den Bahamas noch nie gesehen hatte.

„Wir müssen unbedingt die Ersten sein“, hatte er nachdrücklich festgestellt. „Unser Unternehmen muss in den Besitz der Insel gelangen, und ich bin auf einen erfolgreichen Geschäftsabschluss angewiesen, Macy.“ Ein verzweifelter Unterton schwang in seiner Stimme mit. Alarmiert und beunruhigt schaute Macy ihn an. Doch gleich darauf fuhr er gelassener fort: „Natürlich würde ich selbst nach Fortuna fliegen, aber wenn man mich dort aufspürt, ist es mit der Geheimhalterei vorbei. Deshalb hängt nun alles von dir ab, meine Liebe.“

„Kein Problem“, versicherte sie ihm viel selbstbewusster, als sie sich tatsächlich fühlte.

Der sorgsam ausgearbeitete Entwurf eines Hotel- und Freizeitzentrums, das Thunder Cay in die exklusivste und luxuriöseste Urlaubsinsel der Bahamas verwandeln würde, lag schon lange in den Schubladen im Penthouse-Büro von Gilmour-Denys.

Insgeheim bezeichnete Macy dieses Projekt als völlig unrealistisch, denn der zurückgezogen lebende Millionär Boniface Hilliard, Besitzer von Thunder Cay, hatte es bisher stets vehement abgelehnt, sich von der Insel zu trennen. Deshalb war Macy davon überzeugt, dass er sich auch niemals dazu überreden lassen würde.

Vor einigen Tagen jedoch war Edwin Gilmour das Gerücht zu Ohren gekommen, dass der alte Mann, der verwitwet und kinderlos war, angeblich krank und nun bereit sei, über den Verkauf zu reden.

Er hatte sich seinen Reichtum mit weltweiten Investitionen erworben. Außerdem besaß er eine riesige Luxusvilla, Trade Winds, die er oberhalb eines der schönsten Strände am südlichen Zipfel von Fortuna hatte bauen lassen. Dort wohnte er auch.

Aber sein immenses Vermögen geht mich nichts an, dachte sie. Ich muss mir nur etwas einfallen lassen, wie ich Ambrose Delancey, seinen Rechtsanwalt, dazu bringe, dass er seinem Klienten das Angebot von Gilmour-Denys wärmstens empfiehlt.

Allerdings verhielt sich Mr. Delancey für jemanden, der angeblich zu Verhandlungen bereit war, ziemlich ausweichend. Macy ärgerte sich darüber, dass sie schon drei Tage lang vergeblich versuchte, einen Termin mit ihm zu vereinbaren.

Sie war im besten Hotel auf Fortuna abgestiegen und gab sich als Touristin aus. Um ihre Identität nicht preiszugeben, hatte sie sich vorsichtshalber unter dem Mädchennamen ihrer Mutter eingetragen, als Macy Landin, und fühlte sich deshalb ziemlich sicher, dass sie unerkannt bleiben würde. Schließlich war Fortuna nicht so überlaufen wie die anderen Inseln der Bahamas. Den internationalen, Jet-Set und die Schickeria zog es eher nach New Providence oder Paradise Islands. Darum gab es hier keine Paparazzi, aufdringliche Pressefotografen und Skandalreporter, die in den Bars und Cafés an der Hauptstraße gierig nach bekannten Gesichtern suchten oder in der Hafengegend herumhetzten.

Um jegliches Aufsehen zu vermeiden, kleidete Macy sich betont unauffällig. Sie trug ein einfaches marineblaues Hemdblusenkleid und farblich darauf abgestimmte flache Sandaletten. Das dichte rötlichbraune Haar hatte sie unter einem bunten Kopftuch verborgen und die grünen Augen hinter einer großen Sonnenbrille.

Und trotzdem hatte jemand sie entdeckt, auch wenn es fast unglaublich klang.

Sie riskierte einen kurzen Seitenblick über die belebte Straße und versuchte, in dem Gewimmel sich langsam fortbewegender Lieferwagen, Straßenverkäufer auf Fahrrädern und grell lackierter Taxis herauszufinden, wer es wohl sein mochte, der sie so intensiv beobachtete.

Und im nächsten Moment sah sie ihn. Dort stand er, träge an ein uraltes knallgelbes Vehikel gelehnt, das total verrostet war. Er war groß, hatte dichtes, gelocktes dunkles Haar, und auch er trug eine ziemlich große Sonnenbrille, während ein Dreitagebart sein Kinn und seine Wangen bedeckte.

Sogar aus der relativ großen Entfernung bemerkte Macy, wie er sie zynisch lächelnd musterte. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, was dieses unverschämte Lächeln zu bedeuten hatte.

Seine Arme und Beine waren sonnengebräunt, er trug eine ärmellose Jeansweste und dazu passende ausgefranste Shorts.

Er wirkt so schäbig wie sein Fahrzeug, dachte Macy verächtlich und wandte den Blick ab. Wie ein dahergelaufener Abenteurer, für den eine Frau, die allein an einem Tisch eines Straßencafés sitzt, eine willkommene Beute ist.

Sei doch nicht albern, sagte sie sich, denn sie fühlte sich zunehmend beunruhigt. Dann trank sie den Tee aus und gab dem Kellner zu verstehen, dass sie zahlen wollte. Es war sowieso Zeit, wieder ins Büro des Rechtsanwalts zu gehen.

Als ihr die Rechnung vorgelegt wurde, fiel ein Schatten über den Tisch. Jemand warf mehrere Münzen auf das zusammengefaltete Stück Papier auf der Untertasse.

Eine Stimme, die sie nie mehr im Leben hatte hören wollen, erklärte lässig: „Das übernehme ich, Macy.“

Schockiert und ungläubig saß sie da, unfähig, sich zu bewegen. Sie nahm nichts mehr wahr um sich herum, weder den Verkehrslärm noch das Gelächter oder das fröhliche Geplauder, das von den anderen Tischen herüberschallte. Nur diese wenigen Worte hallten in ihrem Bewusstsein nach.

Ihre so wohl geordnete Welt schien zusammenzubrechen, und Macy glaubte, in einem Chaos zu versinken.

Kein Wunder, dass mir so unbehaglich zu Mute war, dachte sie. Irgendwie habe ich gespürt, dass etwas Unangenehmes auf mich zukommt.

Langsam drehte sie den Kopf, und es gelang ihr, gelassen dreinzublicken.

Sie musste sich zwingen, nicht zurückzuweichen, denn der Mann stand so dicht neben ihr, dass sie ihn hätte berühren können. Aber es war ihr ungeheuer wichtig, kein Anzeichen von Schwäche zu zeigen, um ihm nicht das Gefühl der Überlegenheit zu geben.

„Rick! So eine Überraschung!“, begrüßte sie ihn kühl.

„Das kann man wohl sagen.“ Seine Stimme klang leicht amüsiert, während er sich einen Stuhl heranzog. „Hast du etwas dagegen, dass ich mich zu dir setze?“

Sogleich ärgerte sie sich über sein anmaßendes Verhalten und erwiderte scharf: „Oh, ja!“

„Typisch für dich.“ Abschätzend musterte er sie von Kopf bis Fuß, wobei er sich sehr viel Zeit nahm. Nichts schien seinem Blick zu entgehen.

Macy stöhnte insgeheim vor Wut auf, aber auch vor Erregung, die sie zu ihrem Entsetzen spürte, ohne dass sie etwas daran ändern konnte.

„Du siehst gut aus.“

„Leider kann ich dir dieses Kompliment nicht zurückgeben“, erwiderte sie kurz angebunden. „Ich habe dich in diesem Aufzug zunächst gar nicht erkannt.“

„Nun, du würdest mir immer und überall auffallen. Die schöne Macy Gilmour. So wirst du doch genannt, oder?“, meinte er weich.

„Ja.“ Sie schob ihm das Kleingeld über den Tisch zu. „Spar dir das für dein nächstes Essen.“

„Immer noch so großzügig wie früher?“

„Das liegt in der Familie. Aber vielleicht hast du das vergessen.“

„Oh nein. Ich habe nichts von dem vergessen, was sich zwischen uns abgespielt hat, Macy, meine Süße, weder sexuell noch finanziell.“ Er sprach so langsam und betont, dass sogleich Bilder aus der Vergangenheit in ihr aufstiegen.

„Glücklicherweise geht es mir in dieser Hinsicht ganz anders“, entgegnete sie scharf, während sie sich verzweifelt bemühte, die Kontrolle über sich selbst und die Situation nicht zu verlieren. Sie konnte kaum glauben, was mit ihr geschah, denn vier Jahre lang hatte sie darum gekämpft, Rick Bannister aus ihren Gedanken zu verbannen. Und ausgerechnet jetzt muss er mir über den Weg laufen, fuhr es ihr durch den Kopf.

„Nun, was treibst du so auf Fortuna? Hast du etwas Bestimmtes vor?“, erkundigte Rick sich und setzte sich wie selbstverständlich hin.

„Ich mache Urlaub“, antwortete sie schroff. Und noch ehe sie es verhindern konnte, nahm der Kellner hastig die Rechnung und das Geld vom Tisch, während er Rick wie einen alten Bekannten begrüßte.

Er warf ihr einen rätselhaften Blick zu, bevor er ironisch die Augenbrauen hob. „Sind die besseren Urlaubsplätze schon ausgebucht? Es fällt mir schwer, zu glauben, dass diese Kulisse hier deinem Geschmack entspricht, obwohl die Strände einmalig schön sind.“ Er zögerte kurz. „Ich brauche dich wohl nicht vor den Haien zu warnen, denn du bewegst dich ja schon dein Leben lang unter ihnen.“

„Du warst der erste Hai, mit dem ich es zu tun bekam.“ Sie griff nach ihrer Tasche und stand auf.

„Du willst gehen?“ Rick erhob sich ebenfalls und benahm sich dabei so übertrieben höflich, dass es fast schon eine Unverschämtheit war. „Unsere Begegnung nach so langer Zeit hat doch gerade erst begonnen!“

„Da irrst du dich“, erwiderte sie. Der Mund wurde ihr ganz trocken, und das Herz schlug ihr zum Zerspringen. „Zwischen uns wird nichts wieder anfangen!“

Nachdenklich fuhr er sich übers Kinn. „Hoffentlich hat dich mein Bart nicht abgestoßen.“

„Nein, keineswegs, denn er passt zu dir. Gab es nicht einmal einen Piraten, den man Blackbeard, den Schwarzbärtigen, nannte?“

„Ja, richtig. Er hat sein Unwesen um die Insel Nassau herum getrieben.“

„Wirklich schade, dass du nicht dasselbe tust.“

„Diese Art Tätigkeit ist eine Nummer zu groß für mich.“

Ich hatte tatsächlich vergessen, wie charmant er lächeln kann, und auch, wie unglaublich attraktiv er ist, trotz des zerzausten Haars und des Dreitagebarts, fuhr es ihr plötzlich durch den Kopf. Und es gab noch viel mehr im Zusammenhang mit Rick Bannister, an das sie sich am liebsten nie mehr erinnert hätte.

„Dafür, dass du angeblich hier Urlaub machst, bist du aber sehr angespannt“, meinte er auf einmal. „Du bist ausgesprochen gereizt und nervös.“

„Wundert dich das?“ Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Möchtest du meine ehrliche Meinung hören?“

„Nur zu, in dieser Hinsicht hast du dich nie zurückgehalten“, ermunterte er sie.

„Danke.“ Herausfordernd reckte sie das Kinn und blickte ihn offen an. „Ich habe gehofft, dir nie mehr zu begegnen, Rick. Dich wieder zu sehen ist wie ein schlimmer Albtraum.“

„Das ist wirklich ein offenes Wort! Leider kann sich dieser Albtraum jederzeit für dich wiederholen, denn die Insel ist sehr klein. Wir werden uns wahrscheinlich ziemlich häufig über den Weg laufen“, erklärte er.

„Nein“, entgegnete sie so laut, dass die Gäste an den Nachbartischen sich neugierig umschauten.

„Du kannst natürlich versuchen, auf einer der anderen Inseln ein Hotelzimmer zu finden“, fuhr Rick ungerührt fort.

Wenn ich wirklich die Wahl hätte, würde ich das sogar tun, dachte Macy ärgerlich. Aber ich kann ja nicht alles stehen- und liegen lassen und einfach davonlaufen, jedenfalls jetzt noch nicht. Deshalb erwiderte sie kühl: „Nein, das ist kein guter Vorschlag. Im Übrigen gefällt es mir hier.“

Sie schwieg sekundenlang, bevor sie fragte: „Wie viel verlangst du diesmal, damit du mich in Ruhe lässt?“

„Vergiss es, Macy. Ein solch hoher Betrag passt auf keinen Scheck“, antwortete er sanft, während er flüchtig lächelte. „Man sieht sich“, fügte er hinzu, ehe er sich unter die Menschenmenge mischte.

Auch Macy machte sich auf den Weg. Ihr war schwindlig. Was sollte sie bloß von Ricks Auftauchen halten?

Vor vier Jahren hatte Rick Bannister sie verlassen. Und genauso lange hatte sie sich jede erdenkliche Mühe gegeben, den Schmerz, den er ihr zugefügt hatte, zu überwinden und ihr zerstörtes Selbstbewusstsein wieder auf zubauen.

Sie hatte sogar geglaubt, ihn erfolgreich aus ihren Gedanken verbannt zu haben. Doch sein unerwarteter Auftritt hatte ihre Welt bis in die Grundfesten erschüttert, noch dazu in dieser schwierigen Situation, in der sie ihn am wenigsten gebrauchen konnte.

Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie sehr ihre hart errungene Selbstsicherheit davon abhing, weder an Rick erinnert zu werden, noch ihm zu begegnen.

Aber er war hier, und irgendwie musste sie sich mit dieser Tatsache abfinden.

Nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip wären die Chancen, ihm jemals wieder über den Weg zu laufen, gleich null gewesen. Trotzdem war der schrecklichste Zufall, den sie sich vorstellen konnte, nun eingetreten.

Eigentlich war sie sogar überrascht, dass er sie überhaupt erkannt hatte, denn sie war nicht mehr das naive junge Mädchen, das er vor vier Jahren im Stich gelassen hatte. Und nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, wunderte sie sich, dass er wieder den Kontakt mit ihr gesucht hatte, wenn auch vorerst nur für wenige Minuten.

Er hat einfach kein Gewissen und kein Schamgefühl, dachte sie bitter.

Sehr zu ihrem Bedauern würden sie sich bestimmt noch öfter begegnen.

„Die Insel ist sehr klein …“, hatte er gesagt.

Sollte sie ihren Vater anrufen und ihn um Rat bitten? Das würde nicht viel bringen, denn sie wusste sowieso, was er antworten würde. Er würde sie auffordern, sogleich zurückzukommen, und die Verhandlungen über Thunder Cay einem Kollegen übertragen.

Und genau das wollte sie vermeiden, denn sie hatte sich ihren Platz im Team von Gilmour-Denys hart erarbeitet. Nachdem Rick sie verlassen hatte, hatte sie sich in die Arbeit gestürzt, um zu vergessen. Aber dann machte ihr die Tätigkeit immer mehr Spaß, und sie engagierte sich leidenschaftlich dafür.

Neben anderen Aufgaben hatte sie die Verwaltung der Stiftung für karitative Zwecke, die ihre verstorbene amerikanische Mutter gegründet hatte, übernommen. An ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag würde ihr das riesige Vermögen übertragen, das ihre Mutter, Kathryn Landin, ihr hinterlassen hatte.

Bis jetzt war ihr Vater als Treuhänder und Berater aufgetreten, während sie seine Anweisungen befolgte. Wahrscheinlich setzte er voraus, es würde auch in Zukunft so weitergehen.

Macy hatte jedoch ganz andere Vorstellungen. Sie plante zum Beispiel, neben der Karriere bei Gilmour-Denys ihr Erbe selbst zu verwalten, denn sie hatte nicht die Absicht, auf Dinnerpartys und anderen gesellschaftlichen Ereignissen als schönes Schmuckstück ihres Vaters herumgereicht zu werden. Sie hatte einen scharfen Verstand, genau wie ihre Mutter, und einen ausgesprochen guten Geschäftssinn.

Deshalb war Macy auch jetzt nicht bereit, sich durch Ricks Anwesenheit auf der Insel aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Sie wollte auf die unerwartete Begegnung mit ihrem ehemaligen Liebhaber nicht hysterisch reagieren.

Aber er war viel mehr als das. Er war der erste und einzige Mann, mit dem sie zusammen gewesen war. Sie hatte sich so heftig in ihn verliebt, dass sie ihr Leben lang hatte bei ihm bleiben wollen.

Offenbar hatte Rick jedoch ganz andere Vorstellungen, fuhr es ihr durch den Kopf, und sie verspürte einen tiefen Schmerz. Er hatte eigene Zukunftspläne, in denen für sie kein Platz war.

Aber ich habe jetzt keine Lust, mich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Ich muss mich auf meinen Job und die Verhandlungen konzentrieren, nahm sie sich vor. Sobald ich das angestrebte Ziel erreicht habe, verlasse ich die Insel auf schnellstem Weg. Aber bis dahin werde ich mich von Ricks überraschendem Auftauchen nicht beirren lassen.

Als sie sich umdrehte, um ein Taxi anzuhalten, sah sie wieder Ricks Bild vor sich, wie er sonnengebräunt in den ausgefransten kurzen Jeans dastand. Wie ein Abenteurer, dachte sie. Und als solchen hatte ihr Vater ihn damals ebenfalls bezeichnet.

Wahrscheinlich war es ein Glück für sie gewesen, dass ihr Vater Rick sofort richtig eingeschätzt hatte. Trotzdem hätte sie gern gewusst, was Rick mit dem vielen Geld gemacht hatte, das ihr Vater ihm bezahlt hatte, damit er für immer aus ihrem Leben verschwand.

Das Büro des Rechtsanwalts Ambrose Delancey lag im ersten Stock eines freundlich aussehenden weiß getünchten Gebäudes, das zu einem quadratisch angeordneten Häuserblock gehörte.

Auf dem freien Platz in der Mitte befand sich ein Brunnen, der von gepflegten bunten Blumenbeeten umgeben war. Hoch ragte die Statue eines Mannes auf, der im Stil des siebzehnten Jahrhunderts gekleidet war. Auf einer Tafel am Sockel stand zu lesen, dass es sich um Bevis Hilliard handelte, den ersten Gouverneur von Fortuna.

An der Rezeption des Büros saß eine junge Frau, die Macy freundlich begrüßte.

„Ich heiße Landin und bin mit Mr. Delancey verabredet“, stellte Macy sich vor.

„Er erwartet Sie, Miss Landin.“ Die Frau griff nach dem Telefon und sprach leise mit jemandem. „Würden Sie sich bitte noch kurz gedulden? Setzen Sie sich doch. Möchten Sie einen Kaffee oder sonst etwas?“

Höflich lehnte Macy ab. Sie war ziemlich nervös und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen.

Bald darauf ertönte leise ein Summer. Macy wurde in einen großen Raum geführt, in dem ihr die breite Fensterfront auffiel. Heruntergelassene Rollos schützten vor der heißen Sonne. An den beiden anderen Wänden standen vollgestopfte Bücherregale. Sorgfältig im Zimmer verteilte Grünpflanzen vermittelten eine wohl tuende Atmosphäre.

Ambrose Delancey trug einen eleganten cremefarbenen Anzug aus leichtem Material. Er begrüßte Macy höflich, aber distanziert, dabei drückte er ihr fest die Hand.

„Was kann ich für Sie tun, Miss Landin?“, erkundigte er sich, während er sie mit einer Geste aufforderte, in dem schwarzen Ledersessel vor dem imposanten Schreibtisch Platz zu nehmen.

„Ich hoffe, dass Sie die Verhandlungen über den Verkauf von Thunder Cay ankurbeln können“, erwiderte sie kühl. „Ihnen liegt eine Kopie unseres Angebots vor, und ich nehme an, dass Sie mit Ihrem Klienten bereits darüber geredet haben. Wir möchten gern seine Meinung dazu erfahren.“

Mr. Delancey lächelte gezwungen. „Sie sind sehr direkt und kommen gleich zur Sache, Miss Landin. Aber vergessen Sie nicht, dass wir auf Fortuna an ein solches Tempo nicht gewöhnt sind und alles langsamer angehen lassen.“

„Das habe ich schon gemerkt“, stellte sie ironisch fest.

„Ich möchte nicht behaupten, dass mein Klient an dem Angebot nicht interessiert ist“, fuhr Mr. Delancey fort. „Aber ehe überhaupt ernsthaft verhandelt werden kann, möchte er gewisse Bedingungen erfüllt sehen.“

„Und die wären?“

Wie geistesabwesend spielte Delancey mit dem Füller. „Es ist Mr. Hilliards Wunsch, Sie kennen zu lernen, Miss Landin.“

„Wie bitte?“, fragte Macy verblüfft. „Warum denn das? Zu diesem Zeitpunkt?“

Delancey zuckte die Schultern. „Vielleicht deshalb, weil er sich dann ein besseres Bild von der Firma machen kann, die Sie repräsentieren.“ Er zögerte kurz, was die Wirkung seiner Worte verstärkte. Dann fuhr er fort: „Sie haben doch nichts dagegen einzuwenden, oder?“

„Nein“, antwortete sie. „Wenn es unbedingt sein muss. Findet das Treffen in Ihrem Büro statt?“

„Nein. Das kann sich Mr. Hilliard bei seinem schlechten Gesundheitszustand nicht erlauben. Er bittet Sie, zu dem Interview in seine Villa zu kommen. Sobald mir nähere Einzelheiten bekannt sind, rufe ich Sie im Hotel an. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.“

„Ja, natürlich“, gab sie zurück. Sie hatte das Gefühl, dass Mr. Delanceys Blick immer wieder kurz zu der Tür hinter den Pflanzen abschweifte. Außerdem war ihr, als hätte sie leise Schritte gehört. Wahrscheinlich schon der nächste Klient, mutmaßte sie, während sie immer ungeduldiger und unruhiger wurde.

Schließlich stand sie auf. „Ich weiß, Sie sind sehr beschäftigt“, verabschiedete sie sich nervös. „Ich erwarte also Ihren Anruf.“

Draußen, in der brütenden Nachmittagshitze, atmete sie tief ein. Es schien so, als würde sie hier auf unbestimmte Zeit festsitzen, ob es ihr passte oder nicht.

Obwohl es ihr schwer fiel, musste sie jetzt auf die Einladung nach Trade Winds warten und sich dem ortsüblichen Tempo anpassen. Sie war ganz und gar nicht darauf versessen, Boniface Hilliard vorgestellt zu werden. Andererseits würde es sie keinen Schritt weiterbringen, wenn sie sich dagegen sperrte. Um Erfolg zu haben, musste sie flexibel reagieren.

Unter normalen Umständen hätte sie natürlich die Verzögerung mit einem Schulterzucken abgetan und sich sogar über die Zwangspause gefreut, vor allem auch deshalb, weil sie zum ersten Mal auf den Bahamas war. Aber nachdem sie Rick begegnet war, hatte sich schlagartig alles geändert.

Seine Anwesenheit auf Fortuna gestaltete die ganze Angelegenheit ziemlich schwierig. Vielleicht bin ich deshalb auch so gereizt, überlegte Macy. Denn immer wieder fielen ihr seine Worte ein: „Es ist eine sehr kleine Insel.“ Und auch, wie viel sagend er sich verabschiedet hatte: „Man sieht sich“, hatte er gesagt.

„Nein, wir sehen uns ganz bestimmt nicht“, sagte sie leise vor sich hin, während sie zum tiefblauen Himmel emporblickte. „Nicht, wenn ich es verhindern kann.“

2. KAPITEL

Nachdem Macy geduscht hatte und sich jetzt zum Abendessen anzog, verspürte sie immer noch diese Nervosität.

Sie schlüpfte in eine weiße Seidenhose und ein dazu passendes ärmelloses, weit ausgeschnittenes Top. Der breite weiße Ledergürtel, ihr Lieblingsstück, betonte ihre schlanke Taille. Das dichte Haar steckte sie locker zusammen, danach legte sie die goldenen Ohrringe an.

Jetzt sehe ich aus wie eine typische Touristin, die sich auf den vor ihr liegenden Abend freut, fuhr es ihr durch den Kopf, während sie sich kritisch im Spiegel betrachtete. Schließlich drehte sie sich um.

Am Nachmittag hatte sie sich in eine verschwiegene Ecke des Hotelgartens zurückgezogen, um in Ruhe über ihr Vorgehen bei dem Treffen mit Boniface Hilliard nachzudenken, denn sie wollte unbedingt einen guten Eindruck erwecken.

Auf der strohgedeckten Terrasse vor dem Restaurant des Hotels wählte sie einen Tisch, von dem aus sie einen wunderbaren Blick aufs Meer hatte, und bestellte sich eine Margarita. Daraufhin studierte sie die Speisekarte.

Und wieder wurde ihr bewusst, dass man sie interessiert musterte. Allerdings war sie diesmal weder beunruhigt noch alarmiert. Die Männer begutachteten sie lediglich mit jener lüsternen Neugier, mit der sie Frauen bedachten, die es wagten, allein und ohne Begleitung auszugehen. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es am besten war, ein solches Verhalten einfach zu ignorieren. Sie konnte sowieso nichts daran ändern, es sei denn, sie wäre bereit gewesen, sich im Bungalow zu verkriechen oder sich von Kopf bis Fuß zu verhüllen.

Auf der Speisekarte wurden hauptsächlich Meeresfrüchte angeboten. Am liebsten würde ich alles einmal probieren, überlegte Macy und fragte sich zugleich, wie lange sie wohl auf der Insel festsitzen würde.

Schließlich entschied sie sich für Spargelspitzen in Schnittlauchbutter, im Teigmantel gebacken, außerdem gegrillten Hummer mit Knoblauch und Zitronensaft, dazu eine Flasche Weißwein und Mineralwasser.

Nachdem sie die Bestellung aufgegeben und der Kellner sich entfernt hatte, stellte Macy mit Unbehagen fest, dass sie immer noch beobachtet wurde. Ein übergewichtiger Mann mit schütterem rötlichem Haar, der mit drei etwa gleichaltrigen und auch nicht besser aussehenden Freunden an der Bar saß, starrte sie unaufhörlich an.

Macy wühlte in ihrer Tasche herum und zog ein Buch heraus, in das sie sich scheinbar sofort vertiefte, während sie an ihrem Drink nippte. Normalerweise funktionierte dieser Trick, man begriff, dass sie nicht gestört werden wollte. Doch diesmal wirkte er nicht, denn sie hörte plötzlich, wie jemand neben ihr einschmeichelnd sagte: „So ganz allein, schöne Frau?“

„Ja“, erwiderte Macy kurz angebunden. „Und so wird es auch bleiben, danke.“

„Ach, kommen Sie schon, seien Sie ein bisschen nett.“ Der Mann stellte noch eine Margarita vor ihr auf den Tisch und setzte sich ihr gegenüber. „Fremde in einem fremden Land müssen doch zusammenhalten.“

Macy presste die Lippen aufeinander. Schließlich forderte sie ihn ruhig und fest auf: „Würden Sie bitte meinen Tisch verlassen? Ich habe Sie nicht gebeten, sich zu mir zu setzen, und ich lasse mir von Ihnen keinen Drink bezahlen.“

Autor

Sara Craven

Sara Craven war bis zu ihrem Tod im November 2017 als Autorin für Harlequin / Mills & Boon tätig. In über 40 Jahren hat sie knapp hundert Romane verfasst. Mit mehr als 30 Millionen verkauften Büchern rund um den Globus hinterlässt sie ein fantastisches Vermächtnis.

In ihren Romanen entführt sie...

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