Zwischen Vernunft und Sinnlichkeit

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Von der großen Liebe träumen? Damit ist jetzt Schluss! Zu oft wurde der jungen Archäologin Lily Rose das Herz gebrochen. Ab jetzt will sie nur noch Affären, und zwar ohne Gefühl … Als ausgerechnet ihr Boss, der überirdisch attraktive Milliardär Nik Zervakis, sie auf die Eröffnungsgala des neuen Museums entführen will, startet Lily ihre "Mission Eisberg". Von dem coolen Playboy kann sie die Kunst des One-Night-Stands sicher am besten lernen. Und wirklich genießt Lily den sinnlichen Zauber seiner erfahrenen Hände, bis sie spürt, Niks verlangender Blick trifft sie mitten ins Herz …


  • Erscheinungstag 15.06.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783955766238
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sarah Morgan

Zwischen Vernunft und Sinnlichkeit

Aus dem Amerikanischen von Sonja Sajlo-Lucich

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgaben:

Playing by the Greek’s Rules

Copyright © 2015 by Harlequin Books S.A.

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.ár.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: büropecher, Köln

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Redaktion: Eva Wallbaum

ISBN eBook 978-3-95576-623-8

www.harpercollins.de

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eBook-Herstellung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

 

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. KAPITEL

Lily zog sich den Hut tiefer in die Stirn, um ihre Augen vor der gleißenden griechischen Sonne zu schützen, und nahm einen großen Schluck aus der Wasserflasche. Sie setzte sich auf den ausgedörrten Boden und sah ihrer Freundin zu, wie diese vorsichtig mit dem Pinsel Sand und Staub von einer Tonscheibe entfernte. „Solltest du jemals hören, dass ich das Wort ‚Liebe‘ noch einmal in den Mund nehme, kannst du mich hier irgendwo an der Ausgrabungsstätte beerdigen und nie wieder ausbuddeln.“

„Gleich hier drunter liegt eine Grabkammer. Ich könnte dich hineinstoßen, wenn du möchtest.“

„Gute Idee. Und als Inschrift hätte ich gerne: ‚Hier liegt Lily, die ihr Leben der Erforschung des Ursprungs der Menschheit widmete, aber Männer nie verstanden hat‘.“ Sie ließ den Blick über die Ruinen des altertümlichen Aptera schweifen und sah aufs Meer hinaus. Sie saßen hier hoch auf einem Plateau, hinter ihnen ragten die Weißen Berge von Kreta in den Himmel, unter ihnen glitzerte das Kretische Meer. Normalerweise hellte die Schönheit des Panoramas ihre Laune immer auf, heute jedoch nicht.

Brittany wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. „Hör auf, dich zu geißeln. Der Typ ist ein verlogener Bastard.“ Sie griff nach ihrem Rucksack und sah zu der Gruppe Männer hinüber, die ein Stück entfernt standen und in ein Gespräch vertieft waren. „Zum Glück fliegt er ja morgen wieder nach London zu seiner Frau zurück. Die kann einem wirklich leidtun.“

Lily schlug die Hände vors Gesicht. „Sprich das Wort ‚Frau‘ nicht aus. Ich bin ein schrecklicher Mensch.“

„He!“ Brittanys Stimme wurde scharf. „Er hat dir gesagt, er wäre Single. Er hat gelogen, das heißt, die Verantwortung liegt allein bei ihm. Ab morgen brauchst du ihn nie wieder zu sehen … und ich muss mich nicht mehr zusammenreißen, um ihm nicht an die Gurgel zu gehen.“

„Was, wenn sie es herausfindet und sich scheiden lässt?“

„Dann hat sie vielleicht noch eine Chance auf ein erfülltes Leben mit jemandem, der sie respektiert. Vergiss es, Lily.“

Wie sollte sie es vergessen, wenn alles in ihrem Kopf durcheinanderwirbelte?

Hatte sie die Zeichen übersehen? Hatte sie die falschen Fragen gestellt? War sie so verzweifelt, dass sie selbst den Wink mit dem Zaunpfahl ignorierte?

„Ich hatte schon für die Zukunft geplant. Im August wollten wir alle griechischen Inseln besuchen. Das war natürlich, bevor er versehentlich statt der Kreditkarte das Familienfoto aus seiner Brieftasche gezogen hat. Drei süße kleine Kinder, die sich um Daddys Beine winden wie Ranken. Oh, ich ertrage es nicht! Wie habe ich mich so irren können? Diese Grenze überschreite ich nie. Die Familie ist heilig! Familie ist wichtiger als alles Geld der Welt!“ Sie musste daran denken, dass sie beides nicht hatte. „Ich weiß nicht, was schlimmer ist – dass er offensichtlich keine Vorstellung hat, wer ich bin, oder dass er alle Fragepunkte auf meiner Liste bestanden hat.“

„Du hast eine Liste?“

Lily schoss das Blut in die Wangen. „Objektive Fragen, die helfen, zu einer objektiven Bewertung zu kommen. Wenn man eine solche Sehnsucht nach Wurzeln und Familie hat wie ich, öffnet das Tür und Tor für Fehlschlüsse. Also habe ich Schutzmechanismen eingebaut. Ich weiß, welche grundlegenden Eigenschaften ich bei einem Mann brauche, um glücklich sein zu können, und ich verabrede mich nie mit jemandem, der keine gute Noten bei den drei Punkten erreicht.“

Brittany wurde neugierig. „Dicke Brieftasche, breite Schultern, großer …“

„Nein! Du bist unmöglich!“ Trotz ihres Elends musste Lily lachen. „Erstens muss er zärtlich sein. Männer, die ihre Gefühle nicht zeigen können, interessieren mich nicht. Zweitens muss er ehrlich sein. Aber ohne einen Lügendetektor hinzuziehen, wüsste ich wirklich nicht, wie sich das herausfinden lässt. Ich dachte, Professor Ashurst – David werde ich ihn nie wieder nennen! – wäre ehrlich.“ Sie erlaubte sich einen Blick zu dem Gastprofessor, der sie während der kurzen, von vornherein dem Untergang geweihten Affäre so betört hatte. „Du hast recht, er ist ein verlogener Betrüger.“

„Ich habe ihn nicht Betrüger genannt, sondern Ba…“

„Ich weiß, aber ich nutze dieses Wort nie.“

„Solltest du mal versuchen, hat hohen therapeutischen Stellenwert. Der Mann hat schlimmere Bezeichnungen verdient. Also, was ist der dritte Punkt auf deiner Liste?“

„Ich suche einen Familienmenschen. Aber bitte nicht mit mehreren Familien. Jetzt ist mir auch klar, wieso der Professor wie ein Familienmensch rüberkam – weil er schon Familie hat. Er hätte besser mit seinen Kindern in Urlaub fahren sollen, statt mit mir etwas anzufangen.“ Lily versank in der eigenen Düsterkeit. „Ich muss meine Liste grundlegend überarbeiten.“

„Nicht viel. Du musst nur eine zuverlässige Methode für den Ehrlichkeitstest entwickeln und solltest noch den Punkt ‚ledig‘ dazusetzen. Du musst lockerer werden, Lily. Suche nicht ständig nach einer festen Beziehung, sondern habe einfach mal ein bisschen Spaß.“

„Damit meinst du Sex, richtig? Das funktioniert bei mir nicht.“ Lily nahm noch einen Schluck Wasser. „Ohne Gefühle kann ich nicht mit einem Mann schlafen, für mich sind Körperliches und Emotionelles untrennbar miteinander verbunden.“

„Unsinn. Sex ist Sex, und Liebe ist Liebe. Das eine macht Spaß, das andere sollte man tunlichst vermeiden. Natürlich kann man auf der Suche nach einer festen Beziehung sein, das heißt dann aber auch, dass einem öfter das Herz gebrochen wird.“ Brittany nahm ihren Hut ab und wedelte sich Luft damit zu. „Himmel, es ist nicht einmal zehn Uhr morgens, und schon ist es unerträglich heiß.“

„Was erwartest du? Es ist Sommer, wir sind auf Kreta … Du solltest mittlerweile daran gewöhnt sein, schließlich hast du mehrere Sommer an Ausgrabungen im Mittelmeerraum teilgenommen.“

„Und jeden Sommer habe ich mich darüber beschwert“, erklärte Brittany und streckte ihre langen Beine aus.

„Du hast wirklich tolle Beine“, gab Lily neidlos zu. „In diesen Shorts siehst du aus wie Lara Croft.“

„Das kommt von den Gewaltmärschen durch unwegsames Gebiet auf der Suche nach Überbleibseln der Menschheitsgeschichte. Hör zu… vergiss das Wehklagen um diesen Kerl und geh heute Abend mit uns aus. Erst sind wir zu der offiziellen Eröffnung des neuen Flügels im Archäologischen Museum eingeladen, danach wollten wir uns diese schicke Bar ansehen, die gerade neu eröffnet hat. Meine Informanten haben mir berichtet, dass der Professor durch Abwesenheit glänzt, es wird also ein lustiger Abend.“

„Kann nicht. Die Agentur hat angerufen – ein Notfall. Ich muss den ganzen Abend putzen.“

„Lily, du hast einen Magister in Archäologie. Du solltest diese Jobs gar nicht annehmen.“

„Der Kredit für meine Ausbildung zahlt sich nicht von allein ab. Außerdem entspannt Putzen mich. Es gibt mir das Gefühl, etwas vollbracht zu haben, wenn ich ein Haus wieder auf Vordermann bringe und alles blitzsauber glänzt. Aber ja, ich wünschte, es wäre nicht unbedingt heute Abend. Die Eröffnungsfeier hätte ich gerne miterlebt. Aber sie zahlen eine Sondereinsatzprämie, das kann ich nicht ausschlagen.“

„Seit wann wird für Putzen ein Sondereinsatz nötig?“

„In diesem Falle ist es wohl so, dass der Eigentümer ohne Vorankündigung aus den Staaten zurückkommt, wo er sich die meiste Zeit aufhält.“ Lily kramte in ihrer Tasche nach Sonnenschutz. „Wie es wohl sein muss, wenn man so reich ist, dass man sich nicht entscheiden kann, in welchem von seinen vielen Häusern man wohnen soll?“

„Wie heißt der Typ?“

„Weiß ich nicht. Die Agentur tat sehr geheimnisvoll. Wir müssen pünktlich da sein, dann wird der Sicherheitsdienst unsere Truppe einlassen, und vier Stunden später kann ich ein ansehnliches Sümmchen auf mein Konto einzahlen.“

„Da sind fünf von euch für vier Stunden nötig, um das Haus sauber zu machen? Was ist das – ein minoischer Palast?“

„Eine riesige Villa. Wir kriegen einen Grundrissplan, den wir natürlich auch wieder abgeben müssen, wenn wir gehen.“

„Ein Grundriss …“ Brittany, die gerade noch etwas trinken wollte, hielt mit der Flasche auf halbem Weg zum Mund inne. „Also, jetzt ist mein Interesse geweckt. Kann ich mitkommen?“

„Klar.“ Lily warf ihr einen spöttischen Blick zu. „Es ist ja auch so viel interessanter, anderer Leute Toiletten zu schrubben als Cocktails in einem funkelnagelneuen Museumstrakt zu schlürfen. Ich komme mir vor wie Cinderella – ich darf nicht zum Ball. Willst du heute Abend jemanden treffen, um dein schlafendes Liebesleben zu reaktivieren?“

„Ich habe kein Liebes-, sondern ein Sexleben, und das ist glücklicherweise alles andere als verschlafen.“

Lily verspürte tatsächlich so etwas wie Neid. „Vielleicht hast du recht. Vielleicht sollte ich wirklich lockerer werden und nicht mehr bei jeder Beziehung gleich davon ausgehen, dass es für die Ewigkeit hält. Du als Einzelkind … wünschst du dir manchmal, du hättest Geschwister gehabt?“

„Nein, ich bin auf einer kleinen Insel in Maine aufgewachsen, da wusste jeder alles vom anderen.“

„Muss wunderbar gewesen sein“, seufzte Lily sehnsüchtig. „Erzähl mir von deiner Familie.“ Sie liebte es, Geschichten über Familien zu hören. Eine Familie stellte sie sich vor wie einen selbst gestrickten Pullover in allen Farben des Regenbogens und aus verschiedener Wolle, aber fest verwoben, ein warmer Schutz gegen die kalten Stürme des Lebens. Abwesend zupfte sie an einem losen Faden, der vom Saum ihrer Shorts hing. Das perfekte Symbol für ihr Leben – ein einzelner Faden, der nirgendwohin gehörte.

Brittany setzte den Hut wieder auf. „Wir sind eine ganz normale amerikanische Familie … denke ich. Meine Eltern sind geschieden. Mom hasste es, auf der Insel zu leben, und siedelte nach Florida über, Dad als Ingenieur arbeitet noch immer auf irgendwelchen Ölplattformen rund um den Globus. Ich wuchs bei meiner Großmutter auf Puffin Island auf, wir standen einander sehr nah. Als Grandma dann vor ein paar Jahren starb, hinterließ sie mir ihr Cottage. Bis zum Schluss war sie der festen Überzeugung, dieses Cottage am Strand hätte heilende Kräfte.“ Brittany grinste, doch Lily blieb ernst.

„Ich sollte den nächsten Monat dort verbringen. Ich muss auch geheilt werden.“

„Gern, du bist jederzeit willkommen. Es ist der schönste Ort auf der Welt, wirklich.“

„Vielleicht nehme ich das Angebot sogar an. Ich muss mir überlegen, was ich jetzt mit dem ganzen August anfange.“

„Weißt du, was du brauchst? Anständigen Sex, und zwar ohne den emotionellen Ballast. Das richtet auf.“

„Ich kann Sex nicht als Trostpflaster nutzen. Ich würde mich nur prompt wieder verlieben.“

„Such dir jemanden, in den du dich garantiert nicht verlieben kannst. Jemand, der gut im Bett ist, aber dich ansonsten kaltlässt. Damit bliebe das Risiko verschwindend gering.“

„Habe ich da gerade etwas von Trost-Sex gehört?“ Spyros, einer der griechischen Archäologen von der hiesigen Universität, kam auf die beiden zugeschlendert.

„Geh weg, Spy, hier werden Frauenthemen besprochen.“

„Warum, meint ihr, komme ich zu euch? Hier ist es mit Sicherheit interessanter als bei der Gesprächsrunde, der ich gerade entflohen bin.“ Er hielt Lily eine eiskalte Cola-Dose hin. „Dieser Professor … der Mann besteht wirklich nur aus heißer Luft.“

Lily lief rot an. „Ich weiß. Ich werde schon über ihn hinwegkommen.“

Spy ging neben ihr in die Hocke. „Soll ich dir dabei helfen? Wenn du dich mit Sex trösten möchtest … ich bin jederzeit da für dich.“

„Nein danke. Du flirtest doch mit jeder. Dir traue ich nicht.“

„Ich dachte, es geht um Sex. Da ist Vertrauen unnötig, dazu gehört nur ein richtiger Mann. Einer, der dich wie eine Frau fühlen lässt.“ Er zwinkerte ihr grinsend zu.

„Den Witz kenne ich – du wirst mir deine schmutzige Wäsche in den Arm drücken, die ich dann für dich waschen darf.“ Lachend zog Lily die Dose auf. Vielleicht hatte sie keine Familie, aber sie hatte gute Freunde. „Du vergisst, dass ich, wenn ich nicht gerade hier im Staub grabe oder die Villen der Reichen und Schönen putze, auch noch für die fleischgewordene griechische Männlichkeit arbeite.“

„Ah ja, richtig.“ Spyros lächelte. „Nik Zervakis. Kopf der mächtigen ZervaCo. Der ultimative Macher und Traum einer jeden Frau.“

„Meiner nicht. Er entspricht keinem einzigen Punkt meiner Liste.“

Fragend sah Spy zu Brittany, doch die schüttelte nur den Kopf. „Das willst du gar nicht hören. Aber ja, Lily, finde alles über ihn heraus. Ich will alles über ihn wissen, angefangen bei seinem Kontostand bis zu seinem Geheimnis, wie er zu diesem umwerfenden Sixpack gekommen ist, das ich letztens auf einem Zeitungsfoto von ihm zusammen mit dieser Schönheit im Pool gesehen habe.“

„Ich weiß nicht viel über ihn, aber angeblich soll er brillant sein. Und das erwartet er scheinbar auch von allen, die für ihn arbeiten – was ihn ziemlich einschüchternd macht“, meinte Lily. „Glücklicherweise ist er die meiste Zeit entweder in San Francisco oder New York. Während der zwei Monate meines Praktikums in der Firma hat er jetzt schon zwei persönliche Assistenten verbraucht, weil sie den Arbeitsdruck nicht ausgehalten haben. Von den ständig wechselnden Freundinnen ganz zu schweigen. Er ist wirklich attraktiv, aber nicht mein Typ.“

„Ich verstehe trotzdem nicht, weshalb du dort arbeitest.“

„Ich muss mich neu orientieren. Mein Stipendium läuft diesen Monat aus, und ich weiß nicht, ob ich weitermachen will, also probiere ich andere Optionen aus. Die Museumsarbeit wird nicht gut bezahlt, und ich will auch nicht in einer großen Stadt leben. Lehren ist absolut nichts für mich …“ Sie zuckte deprimiert mit den Schultern. „Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.“

„Du bist Expertin für Keramik und hast selbst schon wunderschönes Geschirr getöpfert.“

„Das ist ein Hobby, mehr nicht.“

„Aber du bist künstlerisch begabt und kreativ. Du solltest etwas damit anfangen.“

„Mit Träumen kann man keine Rechnungen bezahlen.“ Sie nahm den letzten Schluck aus der Dose. „Manchmal wünschte ich, ich hätte Jura studiert und nicht Archäologie. Aber in einem Büro mache ich mich auch nicht unbedingt gut. Letzte Woche habe ich den Kopierer außer Betrieb gesetzt, und die Kaffeemaschine hasst mich. Aber es sieht eben gut auf dem Lebenslauf aus, wenn man bei ZervaCo gearbeitet hat. Zeugt von Belastbarkeit.“ Lily fächelte sich Luft mit ihrem Hut zu. „In gewisser Hinsicht bewundere ich ihn. Es wird behauptet, dass er keine Gefühle hat. Also ist er das genaue Gegenteil von mir.“ Sie sah zu der debattierenden Gruppe hinüber, wo auch der Mann stand, der sie schamlos betrogen hatte. Allein bei dem Gedanken daran verdüsterte sich ihre Stimmung wieder. „Ich werde versuchen, mehr wie Nik Zervakis zu werden.“

Brittany lachte. „Das ist ein Witz, richtig?“

„Nein, ich meine es ernst. Er ist kalt wie Eis. So will ich auch werden.“ Lily sah in die Runde. „Was ist mit euch? War einer von euch schon mal so richtig verliebt?“

„Himmel bewahre, nein!“, kam es sofort von Spyros, aber Brittany starrte mit leerem Blick auf einen fernen Punkt am Horizont.

„Brittany?“, hakte Lily nach.

„Möglich“, kam die leise Antwort.

„Wow! Die taffe Brittany und verliebt?“ Spy zog die Brauen in die Höhe. „Hast du ihm Eros’ Pfeil durchs Herz geschossen?“ Er machte eine abwehrende Handbewegung, als Lily ihn böse anfunkelte. „He, wäre doch logisch. Sie ist Expertin für die Bronzezeit, und ich weiß, dass sie eine brillante Bogenschützin ist.“

Lily ignorierte ihn einfach. „Wieso denkst du, dass du verliebt gewesen sein könntest? Welche Anhaltspunkte hattest du dafür?“

„Ich habe ihn geheiratet.“

Spyros fielen fast die Augen aus dem Kopf, und Lily starrte die Freundin sprachlos an.

„Okay … das ist ein überzeugendes Argument.“

„Es war ein Fehler.“ Brittany zog die kleine Schaufel aus dem Sand. „Wenn ich Fehler mache, dann aber richtig. Man könnte es wohl als Wirbelwindromanze bezeichnen.“

„Eher als Hurrikan. Wie lange hat es gehalten?“

Brittany stand auf und wischte sich den Staub von den Knien. „Zehn Tage.“

„Du meinst zehn Jahre, oder?“, kam es von Lily, aber Brittany schüttelte den Kopf.

„Wenn ich zehn Tage sage, dann meine ich auch zehn Tage. Immerhin haben wir die Flitterwochen ohne Mord und Totschlag überstanden.“

Lily stand der Mund offen. „Was ist passiert?“

„Ich habe mir von meinen Gefühlen die Entscheidungen vorgeben lassen“, antwortete Brittany mit einem schmalen Lächeln. „Nach Zach ist es mir zur zweiten Natur geworden, emotionelle Verwicklungen zu vermeiden.“

„Sexy Name.“

„Sexy Typ.“ Brittany kniff die Augen gegen die Sonne zusammen. „Sexy verlogener Bastard.“

„Noch einer“, lautete Lilys düsterer Kommentar. „Aber du hattest wenigstens eine Entschuldigung – du warst jung. Ich dagegen … ich bin Gewohnheitstäter. Ich sollte in die Werkstatt gebracht und neu programmiert werden.“

„Blödsinn.“ Brittany verstaute das Schaufelchen in ihrem Rucksack. „Du bist freundlich, herzlich und liebenswert. Das mögen die Typen an dir so sehr.“

„Nicht zu vergessen, dass ein Blick reicht, um zu wissen, wie großartig du ohne Kleider aussiehst“, setzte Spy noch hilfsbereit hinzu.

„Freundlich, herzlich und liebenswert sind großartige Eigenschaften für ein Hündchen, nicht für eine erwachsene Frau.“ Lily drehte Spy den Rücken zu. „Aber jeder Mensch kann sich ändern, nicht wahr? Und ich auch.“ Sie rappelte sich auf die Füße. „Ich werde mir deinen Rat zu Herzen nehmen und Sex haben – nur zur Entspannung. Und dafür werde ich mir jemanden suchen, den ich nicht kenne, nicht mag und in den ich mich in einer Million Jahre nicht verlieben könnte.“

Brittany beäugte sie zweifelnd. „Weißt du, langsam kommen mir Bedenken. Bei dir hört sich das an wie die Garantie für ein Desaster.“

„Nein, es wird perfekt.“ Lily war entschlossen. „Ich muss nur einen Mann finden, auf den nichts von meiner Liste passt. Dann kann gar nichts schiefgehen. Ich werde es ‚Mission Eisberg‘ nennen.“

Nik Zervakis stand am Fenster und sah auf das glitzernde blaue Meer hinaus, während sein Assistent Bericht erstattete. „Haben sie angerufen?“

„Ja, Sir, genau, wie Sie vorausgesagt haben. So lange zu warten, wenn es um solche Summen geht … ich wäre schon vor Tagen eingeknickt. Sie haben nicht einmal mit der Wimper gezuckt.“

Nik hätte dem Mann jetzt sagen können, dass es nicht um Geld, sondern um Macht ging. „Sind die Anwälte in Kenntnis gesetzt?“, fragte er jedoch nur.

„Sie treffen sich gleich morgen früh mit dem Lexos-Team. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben den Deal in der Tasche.“

„Erst, wenn der Vertrag unterzeichnet ist. Wir geben eine Presseerklärung heraus, aber keine Interviews.“ Etwas von dem Druck hob sich von seinen Schultern. „Haben Sie die Reservierung im Athena erledigt?“

„Ja, Sir. Davor steht jedoch die Eröffnung des neuen Museumsflügels an.“

Nik fluchte leise. „Das hatte ich völlig vergessen.“

„Vassilis fährt den Wagen für Sie um viertel nach sechs vor und bringt Sie zur Villa, damit Sie sich umziehen können. Auf dem Weg holen Sie Christina ab, das spart Zeit. Ihr Tisch ist für neun Uhr reserviert.“

Nik löste den obersten Hemdsknopf. „Sonst noch etwas?“

„Ihr Vater hat angerufen.“ Unruhig verlagerte der Mann das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. „Da Sie nicht auf seine Anrufe reagiert haben, soll ich Sie daran erinnern, dass am Wochenende seine Hochzeit stattfindet. Er befürchtet, Sie könnten es vergessen haben.“ Dem armen Mann wurde immer unwohler. „Ich soll Ihnen noch ausrichten, dass kein Geld der Welt so wichtig ist wie Familie. Er erwartet, Sie dort zu sehen.“

Nik sagte nichts dazu. Seine Gefühle zu diesem Thema waren hinreichend bekannt. Ihm war völlig unklar, weshalb jemand die vierte Hochzeit als Anlass zum Feiern ansah. Für ihn hieß das nur, dass da jemand aus seinen Fehlern nicht lernte. „Ich rufe ihn vom Wagen aus an.“

Der Mann begann klugerweise bereits den Rückzug zur Tür. „Er fügte auch noch hinzu, dass Sie ihm das Herz brechen werden, wenn Sie nicht kommen.“

Eine solche Äußerung war typisch für seinen Vater. Es war diese Sentimentalität, die die Verantwortung für drei kostspielige Scheidungen trug. „Danke, das war vorerst alles.“

Als der Assistent die Tür hinter sich ins Schloss zog, ging Nik zum Kühlschrank und holte sich ein Mineralwasser heraus. Trotz der Klimaanlage war ihm plötzlich heiß. Warum sollte es ihn stören, dass sein Vater erneut heiratete? Er war kein naiver Neunjähriger mehr, am Boden zerstört nach dem Betrug der Mutter, getrieben von der brennenden Sehnsucht nach Stabilität und Geborgenheit.

Er hatte sich seine eigene Stabilität geschaffen. Emotional gesehen war er wie Fort Knox – nicht zu knacken. Er würde niemals zulassen, dass der Bruch einer Beziehung ihm den Boden unter den Füßen wegriss. Er glaubte nicht an die Liebe, und eine Ehe war seiner Meinung nach nur ein sinnloses und zudem kostspieliges Unterfangen.

Sein Vater, obwohl eigentlich ein intelligenter Mann, teilte diese Ansicht leider nicht. Mit Umsicht und Geschäftssinn hatte der Mann einen profitablen Betrieb aufgebaut, aber diese Qualitäten übertrug er nicht auf sein Liebesleben. Jeder von Niks Versuchen, den bei einem bisher dreimal geschiedenen Mann völlig unangebrachten romantischen Optimismus zu dämpfen und wenigstens Denkanstöße zu geben, wurde ihm stets als Zynismus ausgelegt.

Als wäre das nicht genug, hatte sein Vater ihn bei dem letzten gemeinsamen Dinner auch noch wegen seines Lebensstils gerügt, als wäre das Fehlen an Scheidungen in Niks Leben ein charakterliches Manko.

Frustriert schloss Nik die Augen. Wie war es möglich, dass geschäftlich bei ihm alles so glatt lief, während sein Familienleben ein einziges Desaster war? Er würde lieber die zwölf Herkulesaufgaben erledigen, als zu dieser Hochzeit zu gehen. Die neue Ehefrau seines Vaters kannte er nicht einmal, hatte auch nicht das Bedürfnis, sie kennenzulernen.

Hochzeiten deprimierten ihn. Aller Champagner der Welt betäubte nicht genug, um nicht sehen zu können, dass da zwei Menschen vor den Augen der Öffentlichkeit einen kapitalen Fehler begingen.

Lily stellte ihre Tasche in der mit Marmor gefliesten Eingangshalle ab und schloss ganz bewusst wieder den Mund.

„Palast“ wäre unzulänglich, um dieses Haus zu beschreiben. Direkt am Meer auf einer Anhöhe gelegen, verkörperte die Villa Harmonia das Sinnbild eleganten, absolut erlesenen Luxus.

Sie fragte sich, wo die anderen des Trupps blieben, und ging auf die Terrasse hinaus. Ein fantastischer Garten, durchzogen von Wegen, die zum Privatstrand in der abgeschiedenen Bucht führten, in der es auch einen Anlegeplatz für Boote gab.

„So muss das Paradies aussehen …“ Ihre Träumereien wurden gestört von dem Klingeln ihres Handys. Hastig holte sie es aus der Tasche ihres Kittels. So erfuhr sie, dass die anderen des Putztrupps auf dem Weg hierher einen Unfall gehabt hatten. Glücklicherweise war niemand verletzt worden, aber der Wagen war ein Totalschaden. Was hieß, dass sie sich allein um den Auftrag kümmern musste.

Ergeben in ihr Schicksal, wählte Lily Mozarts „Zauberflöte“ als musikalische Unterstützung, steckte sich die Ohrhörer ein und sang laut mit, während sie Staub putzte und wienerte und moppte.

Kinder lebten ganz offensichtlich nicht in diesem Haus. Alles hier war kostbar und edel und von diskreter Eleganz.

Nun, Tagträumereien würden sie nur den Job kosten, und so nahm Lily sich zusammen. Hier unten war sie fertig. Also stieg sie die geschwungene breite Treppe hinauf zu den Schlafräumen. An der Tür zum Hauptschlafzimmer blieb sie wie vom Donner gerührt stehen.

In dem kleinen Apartment, das sie zusammen mit Brittany bewohnte, schlief sie in einem Bett, das so schmal war, dass sie bereits zweimal während der Nacht hinausgefallen war. In diesem Bett dagegen hätte eine ganze Familie Platz gefunden.

Oh, sie stellte sich vor, wie sie sich in einem Bett von solcher Größe drehen und rekeln und ausstrecken würde, ohne je Angst haben zu müssen, auf dem Boden zu landen. Ein schneller Blick über die Schulter, ob niemand vom Sicherheitsdienst in der Nähe war, dann fotografierte sie das Bett mit ihrem Smartphone und schickte das Bild an Brittany.

Eines Tages werde ich Sex in einem solchen Bett haben, textete sie dazu.

Das Bett ist mir egal, ich nehme den Mann, dem das Bett gehört, schrieb die Freundin zurück.

Entschlossen machte Lily sich an die Arbeit. Als alles blitzte und blinkte, nahm sie das angrenzende Bad in Angriff. Die riesige Badewanne stand direkt vor der hohen Fensterfront, die freien Blick aufs Meer bot. Bei der Größe blieb ihr gar nichts anderes übrig, als hineinzuklettern, um sie zu putzen. Die begehbare Dusche kam als Nächstes an die Reihe. Argwöhnisch betrachtete Lily die in die Fliesen eingelassene Kontrolltafel. Bei ihrem Glück mit dem Kopierer und der Kaffeemaschine wagte sie es kaum, einen der Knöpfe zu drücken, aber welche Wahl blieb ihr denn?

Vorsichtig legte sie die Fingerspitze auf einen der Sensoren … und schnappte erschreckt nach Luft, als ein Strahl eiskalten Wassers sie von der Seitenwand traf. Hektisch schlug sie mit der Handfläche auf die Tafel … mit dem Ergebnis, dass sie jetzt von allen Seiten mit heißem und kaltem Wasser begossen wurde, bis sie komplett durchnässt war. Wahllos betätigte sie Knöpfe, und endlich gelang es ihr, die Wassermassen abzustellen. Nur tropfte sie jetzt vor sich hin wie ein begossener Pudel.

„Ich hasse, hasse, hasse Technik!“, stieß sie frierend aus.

Sie versuchte, sich das Haar trocken zu rubbeln, und schälte sich aus dem Arbeitskittel, denn wenn sie jetzt so durch die Villa lief, würde sie überall Pfützen hinterlassen. In Unterwäsche stand sie da und wrang die Uniform aus, als sie ein Geräusch aus dem Schlafzimmer hörte.

Das musste einer der Sicherheitsleute sein. Oh Gott! „Bitte, kommen Sie nicht herein, warten Sie einen Moment. Ich bin gerade dabei …“ Abrupt verstummte sie, als eine elegant gekleidete und perfekt zurechtgemachte Frau in der Tür auftauchte.

So deklassiert hatte Lily sich in ihrem ganzen Leben noch nicht gefühlt.

„Nik?“ Die Frau drehte den Kopf über die Schulter zurück, ihre Stimme klirrend kalt. „Dein Appetit ist zwar legendär, aber es wäre angebracht, die letzte Freundin auszurangieren, bevor man sich die neue ins Haus holt.“

„Wovon redest du da?“

Diese Stimme! Unverkennbar! Lily schloss die Augen und fragte sich, ob es auf dieser Sensorentafel wohl auch einen Knopf für Schleudersitze gab.

Jetzt wusste sie, wem die Villa gehörte!

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